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Soziologische Vorüberlegungen zu einer europäischen Küstenwache

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Für die Beantwortung der Frage pro oder contra <strong>einer</strong> MARES dürfte auch<br />

der <strong>zu</strong>m Abschluss dieses Kapitels angesprochene „externe“ Faktor aus dem Feld<br />

der maritimen Soziologie relevant werden. Im Kern geht es um das größtenteils historisch<br />

gewachsene Bewusstsein der Menschen sowie der Regierungen in den Mitgliedsstaaten<br />

hinsichtlich der ökonomischen, strategischen und militärischen Bedeutung<br />

des Meeres. Entsprechend der jeweiligen staatlichen Entwicklung spielte das<br />

Meer für die europäischen Staaten eine sehr unterschiedliche Rolle. Während in den<br />

traditionellen Seemächten wie Portugal, Spanien, den Niederlanden, den Republiken<br />

Genua und Venedig (heute Italien), Großbritannien oder auch Norwegen die wirtschaftliche<br />

und gesellschaftliche Entwicklung <strong>zu</strong> einem beträchtlichen Teil durch das<br />

Meer geprägt wurde, spielte das Meer für die Kontinentalmächte Deutschland,<br />

Frankreich oder Russland eine untergeordnete Rolle. Auf die Schwierigkeiten der<br />

„festländischen Orientierung Deutschlands“ weist Clausen in der ersten Empfehlung<br />

s<strong>einer</strong> Schwachstellenanalyse hin (vgl. Clausen, 1999: 12-15) Für Frankreich wurde<br />

eine Seeorientierung im Zuge des Aufbaus seines Kolonialreiches erforderlich; gleiches<br />

gilt für das Deutschland des 19. Jahrhunderts (vgl. Prahl, 1992: 115). Dadurch<br />

wuchs in beiden Ländern das Bewusstsein für das Meer. In Russland entfaltete sich<br />

dieses Denken erst im 20. Jahrhundert, wobei gerade während des Kalten Krieges die<br />

Rote Flotte <strong>zu</strong> einem Machtinstrument, aber auch <strong>zu</strong> einem Prestigeobjekt wurde.<br />

Diese Gedanken verleiten <strong>zu</strong> der Vermutung, dass die traditionellen Seemächte ein<br />

grundsätzlich größeres Interesse an <strong>einer</strong> MARES haben dürften, wäre da nicht beispielsweise<br />

die Zurückhaltung bis Skepsis der Briten gegenüber dem Kontinent bzw.<br />

gegenüber gesamteuropäischen Konzepten, die sich im 19. Jahrhundert in der Politik<br />

der „Splendid Isolation“ („Glänzende Vereinsamung“) oder Ende des 20. Jahrhunderts<br />

in der Ablehnung der Gemeinschaftswährung äußerte. Neben <strong>einer</strong> Vielzahl<br />

rationaler Argumente dürften von daher auch eher emotional bedingte Kriterien auf<br />

die Entscheidungsfindung einwirken, selbst wenn sich letztere nicht so eindeutig<br />

erkennen lassen.<br />

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