18.06.2014 Aufrufe

Soziologische Vorüberlegungen zu einer europäischen Küstenwache

Soziologische Vorüberlegungen zu einer europäischen Küstenwache

Soziologische Vorüberlegungen zu einer europäischen Küstenwache

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

Strukturen <strong>zu</strong> zerbrechen trachten. Im Falle <strong>einer</strong> Schiffshavarie gerät also die Relation<br />

zwischen dem System Schiff und dem Meer als s<strong>einer</strong> Umwelt außer Kontrolle,<br />

weil das Schiff etwa durch ein Feuer an Bord oder durch Verrutschen der Ladung<br />

instabil wird. Oder aber extrem ungünstiges Wetter bringt das ursprüngliche Gleichgewicht<br />

ins Wanken. In dieser Situation sind die Mechanismen des Rettungswesens<br />

gefragt, um die Folgen der Havarie <strong>zu</strong> begrenzen, was im Fall der PALLAS unglücklicherweise<br />

keinen Erfolg hatte, wodurch das eigentliche Schadensereignis – die Strandung<br />

des Frachters vor Amrum – erst eintreten konnte.<br />

Diese Gedanken leiten über <strong>zu</strong> dem grundsätzlichen Bild, dass der Konflikt –<br />

aufgezeigt durch eine Havarie – in soziologischen Theorien ein eher unerklärlicher<br />

Sonderfall exogenen Wandels bleibt. Somit scheinen für die hier vorliegenden Zusammenhänge<br />

die konflikttheoretischen Ansätze von Lewis A. Coser, stärker noch<br />

von Ralf Dahrendorf, am fruchtbarsten <strong>zu</strong> sein. Die Überlegungen Cosers lassen<br />

trotz partieller Kritik an Parsons (vgl. Coser, 1972: 20-24) noch eine unübersehbare<br />

Nähe <strong>zu</strong>r strukturell-funktionalen Theorie erkennen, da Coser versucht, das Motiv<br />

der Stabilität mit dem des Konflikts in Einklang <strong>zu</strong> bringen. Radikaler geht Dahrendorf<br />

vor. S<strong>einer</strong> Ansicht nach sind Konflikte und Antagonismen als „ein Faktor im<br />

allgemeinen Prozeß des sozialen Wandels [...] <strong>zu</strong>tiefst notwendig“ (Dahrendorf, 1967:<br />

272). Damit ist notwendigerweise vorausgesetzt, dass sämtliche Konfliktregelungen<br />

auf „rationaler Übereinkunft“ basieren (vgl. Kiss, 1977: 231). Das zentrale Element<br />

der Theorie Dahrendorfs ist, dass Konfliktlösungen niemals dauerhafte Zustände<br />

seien, da sich die <strong>zu</strong>grundeliegenden strukturellen Bedingungen wie ungleiche Verteilungen<br />

von Macht oder Ressourcen sowie unterschiedliche Rollenerwartungen als<br />

solche nicht ausräumen ließen. In diesem Kontext kann man die einzelne Havarie als<br />

Zeichen für den Konflikt zwischen der „Freiheit der Meere“ und dem vielschichtig<br />

motivierten Bedürfnis nach Sicherheit vor Schiffshavarien und ihren Folgen werten.<br />

Bei dem hier vorliegenden Versuch, eine weit reichende Lösung <strong>zu</strong> konzipieren, treten<br />

jedoch neue Konfliktlinien auf, insbesondere hinsichtlich der Neuverteilung von<br />

Kompetenzen sowie der Finanzierung <strong>einer</strong> möglichen Lösung, aber auch bei der<br />

Schaffung neuer Rechtsnormen. Diese Konfliktebenen traten bereits in den laufenden<br />

Diskussionen um eine Neuordnung der Küstenwache in Deutschland <strong>zu</strong> Tage,<br />

wie es die unmittelbaren Reaktionen auf die PALLAS-Havarie erkennen ließen.<br />

3

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!