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Soziologische Vorüberlegungen zu einer europäischen Küstenwache

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„Schleswig-Holstein ergreife die europarechtliche Initiative. Es steuere eine gemeinsame Regelung für Nordund<br />

Ostsee an, die (1) einen gemeinsamen (virtuell einheitlichen, örtlich gerne dezentralen) europäischen Meldekopf<br />

vorsieht, dem (2) jedes Schiff, das sich in diese Randmeere begibt (etwa den Bereich des „Kapitäns auf<br />

Kl<strong>einer</strong> Fahrt“), eine Standardmeldung im für vergleichbare Fälle nützlichen Umfang ab<strong>zu</strong>setzen hat (<strong>zu</strong>mal<br />

Name, Reeder, Baupläne, Mannschaft, Fracht, Versicherer). (3) Ein Versäumnis, sie ab<strong>zu</strong>setzen, verschließt<br />

ihm alle Häfen der Meere. (4) Stellt sich in einem Hafen eine Fehlangabe heraus, so hat das Schiff<br />

eine sogleich fällige Haftungssumme vor<strong>zu</strong>schießen (Schiff und Ladung haften dafür). (5) Eine europäische<br />

Küstenwache wird eingerichtet; hilfsweise eine deutsche, mit hochrangiger Leitung. (6) Eine europäische Leitstelle<br />

(vor<strong>zu</strong>gsweise auf Kommissar-Ebene) wird eingerichtet, und deren Regelung umfasse auch die oben für<br />

Deutschland vorgeschlagenen Materien (Empfehlungen 2-4, 7, 10-16, 18, 20).“<br />

Nicht <strong>zu</strong>letzt vor dem Hintergrund des öffentlichen Interesses an Schiffshavarien<br />

und ihren Folgen versucht die Politik auf verschiedenen Ebenen, Konsequenzen<br />

aus solchen Unfällen <strong>zu</strong> ziehen; jedoch erscheinen die Ansätze oft eher zaghaft<br />

und die Entscheidungsprozesse langwierig. Welchen Beitrag kann nun die Soziologie<br />

hinsichtlich der Sicherheit auf See leisten?<br />

Die Antwort ist zweigeteilt. Zuerst gilt es die Ursachen von Havarien <strong>zu</strong> analysieren,<br />

um danach wirksame Gegenmaßnahmen entwickeln <strong>zu</strong> können. Potenzielle<br />

Schwierigkeiten bei <strong>einer</strong> etwaigen Umset<strong>zu</strong>ng werden ebenfalls untersucht. Grundsätzlich<br />

ist jede Schiffshavarie ein Resultat von Schwächen in sozialen Handlungsprozessen<br />

und von daher für den Soziologen interessant. Jedoch stehen ihm mehrere<br />

soziologische Theorien <strong>zu</strong>r Verfügung, deren Anwendbarbarkeit <strong>zu</strong> prüfen ist.<br />

Aus dem Blickwinkel vieler Handlungstheorien und hier insbesondere der<br />

strukturell-funktionalen Theorie von Talcott Parsons scheinen gesellschaftliche Zusammenhänge<br />

unter dem Primat der Stabilität <strong>zu</strong> stehen. So postuliert Parsons, dass<br />

soziale Systeme (vergleichbar mit biologischen Systemen) auf ihren Erhalt bedacht<br />

sind und dementsprechende Handlungsmuster ausgebildet werden (vgl. Kiss, 1977:<br />

164), die auf der besonderen Bedeutung von Sanktionen sowie den Antizipationen<br />

jedes Einzelnen hinsichtlich der erwarteten Sanktionen beruhen. Dieses Gefüge führt<br />

<strong>zu</strong> <strong>einer</strong> Stabilität, die letztlich als Normal<strong>zu</strong>stand wahrgenommen wird. Dem<strong>zu</strong>folge<br />

wird die „Katastrophe als Bruch der Normalität“ interpretiert, weil sie dem Wunsch<br />

nach stabilen Verhältnissen entgegenläuft (vgl. Clausen, 1994: 16). Die Katastrophe<br />

wie auch der Konflikt sind somit – <strong>zu</strong>mindest aus Sicht der bisher angesprochenen<br />

Theorierichtung – dysfunktionale Ereignisse, da beide die als normal angesehenen<br />

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