Soziologische VorÃ¼berlegungen zu einer europÃ¤ischen KÃ¼stenwache

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4 Eine europäische Küstenwache –– Überlegungen zu einer Lösung 48
4.1 Eine zentrale europäische Küstenwache – ihre Aufgaben und Befugnisse Am Beginn der Überlegungen zu einer Lösung steht eine Bestimmung der Aufgaben und Befugnisse einer europäischen Küstenwache. Beide Aspekte ergeben sich aus den im konflikttheoretischen Teil skizzierten Rahmenbedingungen, die in diesem Kapitel präzisiert werden. Eine immense Schwierigkeit liefert die Tatsache, dass die internationale Schifffahrt dem Prinzip der „Freiheit der Meere“ unterliegt (siehe Kap. 4.4). Das hat massive Auswirkungen auf jedes Sicherheitskonzept, da bislang Eingriffsmöglichkeiten im Fall einer Havarie ohne Einwilligung des Kapitäns unmöglich sind. Der Empfehlung 21 von Clausen (1999: 81) folgend sind jegliche Kontrollen und Sanktionen vorzugsweise in den Häfen anzusetzen – ein Rückgriff auf das Prinzip der Hafenstaatkontrolle. Die Durchführung kann selbstredend nur durch die Bereitstellung entsprechender Kräfte gewährleistet werden. Ein weiterer bedeutsamer Faktor ist das ökonomische Interesse aller Schiffsbetreiber, da jedes Sicherheitskonzept zunächst Eingriffe in ihr Gewinnstreben bedeutet, sodass von dieser Seite sicherlich mit Widerstand zu rechnen ist. Denn der Wettbewerb in der internationalen Schifffahrt ist hart; die Suche nach Möglichkeiten zur Kostensenkung gehört somit zur Strategie eines jeden Schiffseigners. Von daher ist das Ausflaggen von Schiffen in Länder wie Antigua und Barbuda, Panama oder Liberia eine durchaus gängige Praxis, da in diesen Ländern die Sicherheitsbestimmungen ebenso wie die zugehörigen Kontrollen zumeist weniger strengen Regeln unterworfen sind. Hinzu kommt, dass sich durch das Ausflaggen von Schiffen der Gerichtsstand verlagert, was beispielsweise die Frage der Schadenshaftung erschwert, weil demzufolge Streitfälle nach den dortigen Rechtsbestimmungen zu verhandeln sind. Auf diese Weise ist es möglich, dass auf den Weltmeeren eine Vielzahl von Schiffen verkehrt, deren Sicherheitszustand anzuzweifeln bzw. zu beanstanden ist – wie im Fall des Tankers ERIKA. Solange es jedoch aus Sicht eines Reeders lohnend ist, einen „Seelenverkäufer“ einzusetzen, wird er es tun, und so lange ist die Wirkung des besten Sicherheitskonzepts lückenhaft. Verallgemeinert heißt das, dass jedes A- gieren am Limit unter der Prämisse des vermeintlich kalkulierbaren Risikos – „Es wird schon gut gehen!“ – negative Sanktionen erfahren sollte. Die derzeit vorherrschende sorglose Mentalität wird auch dadurch unterstützt, dass die Haftungssum- 49
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