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Soziologische Vorüberlegungen zu einer europäischen Küstenwache

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<strong>einer</strong> dauerhaften Charter der OCEANIC. 22 Allerdings sind die Fähigkeiten beider<br />

Mehrzweckschiffe, insbesondere als Hochseeschlepper, unter Fachleuten umstritten.<br />

Ende des Jahres 2001 wurde die Diskussion um Schleppkapazitäten durch die vom<br />

BMVBW vorgesehene „Ausschreibung für eine Anschluss-Charter für die in der<br />

Nordsee erforderliche Notschleppkapazität“ (BMVBW, 23.1.2002) erneut angestoßen.<br />

Auf die Bestrebungen des Ministeriums folgten teils heftige Proteste, die sich<br />

vornehmlich an den Ausschreibungskriterien entzündeten. Obwohl die Debatte um<br />

einen Schlepper im Gesamtkontext eher die Rolle eines Nebenkriegsschauplatzes<br />

einnimmt, offenbart sie dennoch einen Konflikt, in dem einzelne Interessengruppen<br />

aus unterschiedlichen Motiven heraus eine gemeinsame Position vertreten. So bedeutet<br />

seitens der Besat<strong>zu</strong>ng der Erhalt der OCEANIC unter deutscher Flagge den Fortbestand<br />

ihrer Arbeitsplätze. Gleichermaßen gilt der Hochseeschlepper als <strong>zu</strong>gkräftiges<br />

Symbol für den Schutz der Küste im Fall <strong>einer</strong> Havarie und somit als erhaltenswert.<br />

(vgl. Behling, 8.1.2002) Das genannte Beispiel lässt deutlich werden, dass selbst<br />

divergierende Motive <strong>zu</strong> <strong>einer</strong> Koalition – „Quasi-Gruppe“ – führen können, die<br />

nach außen als eine Konfliktpartei gegenüber dem BMVBW erscheint. 23 Die Ausschreibung<br />

wurde seitens des BMVBW schließlich dahingehend modifiziert, dass<br />

„das Schleppschiff die Bundesflagge [führen soll] und im deutschen Schiffsregister<br />

eingetragen“ (BMVBW, 23.1.2002) sein muss. Von daher verwundert es nicht, dass<br />

„die OCEANIC mit dem besten Angebot den Zuschlag erhielt“ (BMVBW, 19.4.2002)<br />

Von der bisherigen Praxis abweichend skizzierte Carsten-Söhnke Wibel ein<br />

langfristig angelegtes Konzept, welches neben der Nordsee – gerade mit Hinblick auf<br />

den Gefahrenbereich Kadetrinne – auch die Ostsee einbezieht. Im Zentrum steht<br />

dabei der Entwurf für „ein 70m langes Bergungs- und Feuerlöschschiff“, welches<br />

„die guten Schleppeigenschaften der ‚Oceanic‘ und die Manövriereigenschaften und<br />

Löschfähigkeit des Mehrzweckschiffs ‚Neuwerk‘“ (Behling, 26.4.2001) in sich vereint;<br />

22 Die Charter der OCEANIC ist im Grunde wie eine Versicherung – beispielsweise gegen Krankheit.<br />

Man zahlt seinen Beitrag – hier die Kosten des Schleppers – ohne sicher sein <strong>zu</strong> können, ob die Versicherungsleistung<br />

wirklich beansprucht werden wird. Die Bereitschaft <strong>zu</strong>m Abschluss <strong>einer</strong> Versicherung<br />

hängt von der Risikowahrnehmung ab. Da jedoch keine Garantie besteht, die Versicherung auch<br />

nutzen <strong>zu</strong> müssen, was man eigentlich auch <strong>zu</strong> vermeiden trachtet, lassen sich seitens der Politik derartige<br />

Ausgaben schwer verkaufen, insbesondere vor dem Hintergrund überwiegend defizitärer öffentlicher<br />

Haushalte.<br />

23 In diesem Zusammenhang sei daran erinnert, dass ein (sozialer) Konflikt grundsätzlich zwischen<br />

zwei Parteien ausgetragen wird (vgl. Dahrendorf, 1961: 202, aber auch Luhmann, 1999: 534), wobei<br />

die Parteien zweckgebundene Koalitionen (von vorübergehender Dauer) sein können.<br />

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