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Soziologische Vorüberlegungen zu einer europäischen Küstenwache

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unumgänglich wie die Beseitigung der „Konflikte <strong>zu</strong> Lande“, um letztlich den Auswirkungen<br />

des „Konfliktes <strong>zu</strong> Wasser“ Herr werden <strong>zu</strong> können. Durch die Ausgestaltung<br />

<strong>einer</strong> einheitlichen Sicherheitsstruktur für die Schifffahrt in europäischen<br />

Gewässern wandelt sich der Interessenkonflikt „<strong>zu</strong> Wasser“ <strong>zu</strong> einem Regelkonflikt,<br />

der von der Frage der Einhaltung festgelegter Normen dominiert wird<br />

(vgl. Büschges/Abraham, 1997: 104). Dem<strong>zu</strong>folge ist ein solider rechtlicher Unterbau<br />

unbedingt notwendig, um sämtliche Aufgaben und insbesondere Sanktionen gegenüber<br />

Normverstößen wirksam untermauern <strong>zu</strong> können.<br />

Mindestens ebenso entscheidend ist aber, dass sowohl die Küstenwache<br />

selbst als auch das ihr <strong>zu</strong>grundeliegende Regelwerk von allen Seiten als Instrumente<br />

legitimer Herrschaft 20 entsprechende Anerkennung finden. Letztlich verlangt ein<br />

Konflikt „nach <strong>einer</strong> gemeinsamen Organisationsstruktur, damit die gemeinsamen<br />

Regeln leichter angenommen und eingehalten werden können“ (Kiss, 1977: 230).<br />

Allerdings impliziert die Konflikttheorie im Sinne Dahrendorfs auch, dass es keine<br />

dauerhafte „glänzende soziale Problemlösung“ 21 im Sinne von Clausen geben kann,<br />

da „in der geschichtlichen Gesellschaft das heute richtige morgen falsch sein kann<br />

(und vielleicht sogar muß), und weil in der ungewissen Welt die Antwort des einen<br />

20 Der Begriff der legitimen Herrschaft wird ganz im Sinne Max Webers verwendet, wobei im vorliegenden<br />

Zusammenhang an den von Weber in seinen soziologischen Grundbegriffen definierten Idealtypus<br />

der legitimen Herrschaft rationalen Charakters – der legalen Herrschaft – gedacht ist, die auf<br />

<strong>einer</strong> vernunftmäßigen Anerkennung beruht. (vgl. Weber, 1995: 312) Verfügt eine europäische Küstenwachstruktur<br />

über keine ausreichende Legitimation, darf man ihre Wirkung langfristig in Zweifel<br />

ziehen – vor allem mit Blick auf die Sanktionen.<br />

21 Die hier angesprochene „glänzende soziale Problemlösung“ ist im Zusammenhang mit dem von<br />

Clausen entwickelten FAKKEL-Modell (vgl. Clausen, 1994: v.a. 26-50) und dort insbesondere mit<br />

dem Stadium der Friedensstiftung <strong>zu</strong> sehen, die als ein Zustand beschrieben wird, in dem es nur positive<br />

Sanktionen und ausgeglichene Tauschverhältnisse gibt. Jedoch ist diese Stufe nicht oder <strong>zu</strong>mindest<br />

selten von Dauer, sodass sie meist schnell in die Alltagsbildung und schließlich in die Klassenformation<br />

mündet, von wo der Weg <strong>zu</strong>m Katastropheneintritt nicht mehr weit ist. Angesichts des<br />

Problems der Sicherheit auf See insgesamt und hier vor allem unter dem Eindruck des primären Konflikts<br />

scheint das Stadium der Alltagsbildung mit Tendenz <strong>zu</strong>r Klassenformation vor<strong>zu</strong>herrschen,<br />

solange kein Unglück (Katastropheneintritt) die vermeintliche Ruhe unterbricht. Tritt dieser Fall dennoch<br />

ein, dauert es anschließend jedoch nicht all<strong>zu</strong> lange, bis sich die Wogen der allgemeinen Aufregung<br />

wieder glätten, und – <strong>zu</strong>mindest seitens der Laien – eine zügige Rückkehr <strong>zu</strong>r Normalität eintritt.<br />

Diese Einschät<strong>zu</strong>ng folgt insofern nicht ganz dem idealtypischen Verlauf des FAKKEL-Modells, als<br />

dass Clausen den Ausgangspunkt seines zirkulären Modells in dem Stadium der Friedensstiftung ansiedelt,<br />

um von dort ausgehend den Weg über den Katastopheneintritt bis hin <strong>zu</strong>r letzten Stufe, der<br />

Liquidation aller Werte, auf<strong>zu</strong>zeigen (vgl. a.a.O.: 27). Man kann vielleicht sagen, dass eine vollkommene<br />

Piraterie auf allen Meeren dieser Stufe entspräche. Der denkbare bzw. angestrebte Versuch <strong>einer</strong><br />

Friedensstiftung im Sinne <strong>einer</strong> „glänzenden sozialen Problemlösung“, die – aus Sicht des Verfassers –<br />

idealiter nur auf der Ebene des „Konflikts <strong>zu</strong> Wasser“ angesiedelt sein kann, scheint sich indes als eine<br />

schwer <strong>zu</strong> umschiffende Klippe <strong>zu</strong> erweisen, selbst wenn in den Reihen der Experten auch nach dem<br />

Abebben des – auch von den Medien geschürten – öffentlichen Interesses an <strong>einer</strong> jeweiligen Havarie<br />

fortdauernd an Problemlösungen gearbeitet wird.<br />

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