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Soziologische Vorüberlegungen zu einer europäischen Küstenwache

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Obgleich Dahrendorf betont, dass er seine Theorie des Klassenkonfliktes<br />

nicht der strukturell-funktionalen Theorie überordnen wolle, spart er auch nicht mit<br />

Kritik. So brächte Parsons ebenso wie Marx „die Gesellschaft in <strong>einer</strong> ‚System‘-<br />

Vorstellung <strong>zu</strong>m Erstarren“ (Dahrendorf, 1957: 133). Legte man die Theorien von<br />

beiden <strong>zu</strong> Grunde, könne „es Strukturwandel nur entweder gar nicht (das ist, extrem<br />

formuliert, die Parsonssche ‚Lösung‘) oder aber als revolutionären Wandel (die Marxsche<br />

‚Lösung‘) geben“ (ebenda). Insofern erscheinen Dahrendorf beide Ansätze für<br />

sich genommen als ungenügend.<br />

In s<strong>einer</strong> 1961 erschienenen Aufsatzsammlung „Gesellschaft und Freiheit“ 13<br />

wendet sich Dahrendorf sehr viel schärfer gegen den „Funktionalismus“ (vgl. Dahrendorf,<br />

1961: 113) und dessen wichtigsten Vertreter Parsons, der „all<strong>zu</strong> vorbehaltlos<br />

für die eine Seite, die der Ordnung, optiert hat und alle Probleme des Konfliktes und<br />

Wandels daher nur un<strong>zu</strong>reichend bewältigte“ (Dahrendorf, 1967: 273). Parsons versucht<br />

in s<strong>einer</strong> strukturell-funktionalen Theorie, Konflikte „anhand von normativen<br />

Widersprüchen im Gefüge der für die Beteiligten <strong>einer</strong> [Gesellschaft verbindlichen]<br />

gegenseitigen Erwartungs- und Verhaltensmuster <strong>zu</strong> erklären“ (Hillmann, 1994: 433).<br />

Aber auch Robert K. Mertons Ansatz, nach dem Konflikte nur <strong>zu</strong>m Nichtfunktionieren<br />

<strong>einer</strong> Gesellschaft beitrügen und somit dysfunktional seien, sowie die, in weiten<br />

Teilen von der strukturell-funktionalen Theorie geprägten, Überlegungen von<br />

Lewis A. Coser, der in Anlehnung an Georg Simmels Aufsatz „Der Streit“ (1908)<br />

zwischen für die Gesellschaft funktionalen „echten“ Konflikten <strong>einer</strong>seits und systemschädlichen<br />

„unechten“ Konflikten andererseits unterschied (vgl. Coser, 1972:<br />

56-59), gehen Dahrendorf nicht weit genug. (vgl. Dahrendorf, 1961: 119) Gleichwohl<br />

sah Coser die Wirkung von Konflikten auf soziales Handeln – auch zwischen<br />

Gruppen – wie auch den Zusammenhang zwischen Konflikten und Macht (vgl. Coser,<br />

1972: 161-163), wobei im Zentrum s<strong>einer</strong> Gedanken die Frage steht, ob er als<br />

vorhandener Konflikt funktional sei und sich dem<strong>zu</strong>folge positiv auf das System<br />

auswirke, oder ob ein dysfunktionales Ereignis die Gesellschaft oder Teile von ihr <strong>zu</strong><br />

zerbrechen drohe. Innerhalb der Soziologie wird Cosers „Theorie sozialer Konflikte“<br />

oft als Ergän<strong>zu</strong>ng <strong>zu</strong>r strukturell-funktionalen Theorie aufgefasst, weswegen er in der<br />

13 Ein Hinweis gilt inhaltlichen (und teils wörtlichen) Übereinstimmungen dieses Buches (Kap. 5) mit<br />

der 1967 erschienenen Aufsatzsammlung „Pfade aus Utopia“ (Kap. 11) des gleichen Autors. Überdies<br />

ist an<strong>zu</strong>merken, dass Dahrendorfs Argumentation in jüngeren Publikationen wie „Der moderne soziale<br />

Konflikt“ (1992) moderater wirkt.<br />

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