Wissenschaft für die Praxis - Sparkassen-Finanzgruppe eV
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DAS AKTUELLE INTERVIEW<br />
Intensivierung der Kooperation der Bank-<strong>Wissenschaft</strong> mit der <strong>Praxis</strong><br />
Anwendungsbezogene <strong>Wissenschaft</strong><br />
liefert Rahmenbedingungen für <strong>die</strong><br />
strategische Planung in der <strong>Praxis</strong><br />
Zu den mit der <strong>Wissenschaft</strong>sförderung<br />
der <strong>Sparkassen</strong>-<strong>Finanzgruppe</strong><br />
e. V. seit Jahren sehr eng verbundenen<br />
<strong>Wissenschaft</strong>lern zählt Prof. Dr. Erich<br />
Priewasser, Universität Marburg. Er hatte<br />
dort bis zu seiner Emeritierung im Jahr<br />
2006 den Lehrstuhl für Allgemeine Betriebswirtschaftslehre<br />
und Spezielle der<br />
Banken inne. Von 1995 bis heute war er<br />
als Mitglied des Kuratoriums und des Vorstandes,<br />
seit 1999 auch als stv. Vorsitzender<br />
des Kuratoriums beratend in den Gremien<br />
der <strong>Wissenschaft</strong>sförderung tätig.<br />
Die Fördereinrichtung hat ihm in <strong>die</strong>ser<br />
langen Zeit unzählige Anregungen, wichtige<br />
Denkanstöße und profunde Bewertungen<br />
von Forschungsvorhaben und Publikationen<br />
zu verdanken. Sein Rat ist<br />
gefragt und trägt zu konstruktiven Problemlösungen<br />
bei. Wir freuen uns, dass wir<br />
nachfolgendes Interview zu aktuellen<br />
<strong>Wissenschaft</strong>sthemen mit ihm führen<br />
konnten.<br />
Frage:<br />
Sie gehören zu den wenigen anerkannten<br />
Hochschullehrern der Bankbetriebslehre, <strong>die</strong><br />
Erkenntnisse nicht nur aus Daten der Vergangenheit,<br />
sondern auch durch intensive Beschäftigung<br />
mit künftigen Entwicklungen gewonnen<br />
haben. Dies war für <strong>die</strong> <strong>Praxis</strong> immer hochinteressant.<br />
Wünschen Sie sich mehr Forschung, <strong>die</strong><br />
auf <strong>die</strong> Zukunft ausgerichtet ist?<br />
Ja, <strong>die</strong>sen Aspekt im Rahmen der Forschungsagenda<br />
der wissenschaftlichen Bankbetriebslehre<br />
halte ich nicht nur für – in höchstem Grade<br />
– wünschenswert, sondern sehe darin eine<br />
unverzichtbare Bringschuld des Faches.<br />
Aus wissenschaftlicher Sicht sind zugegebenermaßen<br />
<strong>die</strong> Grenzen zwischen Science<br />
Fiction und fun<strong>die</strong>rter Forschung fließend. Daraus<br />
resultiert auch eine durchaus nachvollziehbare<br />
Reserve und Zurückhaltung mancher<br />
Fachvertreter. Dennoch, so <strong>die</strong> rhetorische<br />
Frage, ist es nicht ungleich herausfordernder,<br />
sich an Langfristprognosen heranzuwagen, als<br />
z.B. vergangenheitsbezogene Regressionsanalysen<br />
zu erstellen?<br />
Vorrangige Aufgabe der betriebswirtschaftlichen<br />
Forschung muss es auch sein, unter<br />
Rückgriff auf das heute verfügbare methodische<br />
Instrumentarium („state of the art“) Langfristprognosen<br />
zur Diskussion zu stellen. Eine<br />
anwendungsbezogene <strong>Wissenschaft</strong>, als <strong>die</strong><br />
sich <strong>die</strong> Betriebswirtschaftslehre seit den ersten<br />
Anfängen immer verstanden hat, vermag<br />
damit Entscheidungsträgern <strong>die</strong> Rahmenbedingungen<br />
für <strong>die</strong> strategische Planung zu liefern.<br />
Übrigens: Die meines Wissens nach letzte<br />
einschlägige, wissenschaftlich fun<strong>die</strong>rte und<br />
umfassende Stu<strong>die</strong> (Fuhrmeister, Ulf-Theo:<br />
Banken 2032: Langfristige Wachstumsperspektiven<br />
im Kreditgewerbe) wurde 2006 publiziert.<br />
Frage:<br />
Neue Regulierungsvorhaben, Stichwort Basel<br />
III, belasten mit steigenden Bürokratie- und<br />
Kontrollkosten vor allem kleine und mittlere<br />
Kreditinstitute. Welche Möglichkeiten sehen Sie<br />
hier, auch in Zusammenarbeit mit <strong>Wissenschaft</strong>lern,<br />
Problemlösungen zu erarbeiten?<br />
Ohne an <strong>die</strong>ser Stelle konkret auf Basel III eingehen<br />
zu wollen – eine erhöhte Eigenkapitalausstattung<br />
bedeutet ja auch eine Verstärkung<br />
des Imageprofiles und des akquisitorischen<br />
Potenzials eines Kreditinstitutes –, ein hoher<br />
Bürokratie- und Kontrollaufwand ist immer<br />
wieder zu hinterfragen. Bei der Diskussion und<br />
Implementierung von Basel II war seinerzeit<br />
einer der Anreizfaktoren, <strong>die</strong> Eigenkapitaldotierung<br />
gegebenenfalls sogar absenken zu<br />
können. Über ein solches Denken sind wir heute<br />
längst hinaus.<br />
Wiederholt fragte ich mich in den vergangenen<br />
Jahren, welchen Beitrag vermochte Basel<br />
II zur Abmilderung der Krise 2008 zu leisten?<br />
Mit welchen Argumenten ist es vertretbar,<br />
vergleichsweise kleinkalibrigen Kreditinstituten<br />
aufwendige Kontrollmechanismen zuzumuten,<br />
während in den USA nur einige Dut-<br />
Prof. Dr. Erich Priewasser<br />
4 <strong>Wissenschaft</strong> für <strong>die</strong> <strong>Praxis</strong> – Mitteilungen 72