Wissenschaft für die Praxis - Sparkassen-Finanzgruppe eV
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Mitteilungen 56<br />
<strong>Wissenschaft</strong> für <strong>die</strong> <strong>Praxis</strong><br />
HOCHSCHULE 19<br />
<strong>die</strong> Hochschulen einer neuen Nachfrage<br />
gegenüber, <strong>die</strong> modulare, differenzierte,<br />
ortsübergreifende, internationale<br />
und lebenslange Stu<strong>die</strong>nangebote<br />
verlangt.“ 1<br />
Die bessere Verzahnung von Ausbildung,<br />
Bildung und Weiterbildung<br />
ist ein wesentlicher Punkt, der durch<br />
das zweistufige Stu<strong>die</strong>nsystem erreicht<br />
werden soll. Es gibt einen weiteren<br />
Punkt, der angesprochen wird und<br />
der von der Umstellung des deutschen<br />
Stu<strong>die</strong>nsystems im Sinne des Bologna-Prozesses<br />
berührt wird: <strong>die</strong> Notwendigkeit<br />
<strong>die</strong> Absolventenzahlen<br />
auszubauen. Nach einer OECD-Stu<strong>die</strong><br />
liegt Deutschland mit 19 Prozent eines<br />
Altersjahrganges, <strong>die</strong> einen Abschluss<br />
an einer Universität oder Fachhochschule<br />
erlangen, deutlich unter dem<br />
Durchschnitt (26 Prozent). Die OECD<br />
sieht gleichzeitig bis 2015 in Deutschland<br />
einen Bedarf von rund einer<br />
Million zusätzlicher hoch qualifizierter<br />
Arbeitskräfte. Neben vergleichsweise<br />
wenigen Stu<strong>die</strong>nanfängern<br />
in Deutschland besteht das<br />
Problem in der hohen Abbrecherquote<br />
(36 Prozent). Die OECD-Stu<strong>die</strong> zeigt,<br />
dass in Staaten mit kürzeren und<br />
flexibleren Bildungsgängen <strong>die</strong> Abbrecherquote<br />
geringer ist. 2<br />
1 Norbert Bensel und Hans N. Weiler: Hochschulen<br />
für das 21. Jahrhundert. Zwischen Staat Markt<br />
und Eigenverantwortung. Ein Hochschulpolitisches<br />
Memorandum im Rahmen der „Initiative<br />
D21“ unter der Federführung der DaimlerChrysler<br />
Services (debis) AG. S. 1.<br />
2 Vgl. Industrie- und Handelskammer Darmstadt:<br />
Deutschland, armes Bildungsland.<br />
http://www.darmstadt.ihk24.de/produktmarken/<br />
produktmarken.htm?name=content&url=http<br />
%3A//www.darmstadt.ihk24.de/produktmarken/aus_und_weiterbildung/bildungspolitik/<br />
oecd.jsp<br />
3 Vgl.: <strong>Wissenschaft</strong>srat (2000): Empfehlungen zur<br />
Einführung neuer Stu<strong>die</strong>nstrukturen und -abschlüsse<br />
(Bakkalaureus/Bachelor – Magister/<br />
Master) in Deutschland. Drs. 4418/00, S.39.<br />
Erwerb von Schlüsselqualifikationen<br />
und lebenslanges Lernen<br />
Welche Vorteile bietet also <strong>die</strong> Einführung<br />
von Bachelor- und Masterstu<strong>die</strong>ngängen<br />
im Hinblick auf <strong>die</strong><br />
genannten Zusammenhänge? Der<br />
Schlüssel ist <strong>die</strong> „Idee“ des Bachelor als<br />
eines ersten Stu<strong>die</strong>nabschlusses, der<br />
<strong>die</strong> Stu<strong>die</strong>renden in kurzer Zeit – nämlich<br />
in drei bis vier Jahren – so ausbilden<br />
soll, dass sie erfolgreich in den Beruf<br />
wechseln können. Es steht dabei außer<br />
Frage, dass <strong>die</strong> bisherigen Abschlüsse<br />
Diplom, Magister, Staatsexamen auch<br />
berufsqualifizierend waren. Aber das<br />
Grundanliegen zumindest vieler universitärer<br />
Magisterstu<strong>die</strong>ngänge war,<br />
Nachwuchswissenschaftler auszubilden,<br />
<strong>die</strong> das Wissen einer Disziplin<br />
„voll“ beherrschen. Dieses Ideal hat <strong>die</strong><br />
Stu<strong>die</strong>nzeiten immens in <strong>die</strong> Höhe<br />
getrieben – das typische Abschlussalter<br />
deutscher Absolventen ist knapp 29<br />
Jahre im Gegensatz zu beispielsweise<br />
24 Jahren in den USA 3 – und es ist angesichts<br />
der Ausdifferenzierung und<br />
Spezialisierung der <strong>Wissenschaft</strong>en<br />
letztlich zum Scheitern verurteilt. In<br />
<strong>die</strong>sem Dilemma ist auch ein Grund für<br />
<strong>die</strong> hohe Abbrecherquote in Deutschland<br />
zu sehen.<br />
Die Intention beim Bachelor ist<br />
eine andere: Innerhalb <strong>die</strong>ses ersten<br />
Abschlusses soll in relativ kurzer Zeit<br />
nicht das Wissen einer Disziplin vermittelt<br />
werden. Vielmehr geht es<br />
darum, Absolventen mit den Kompetenzen<br />
auszustatten, <strong>die</strong> sie am<br />
Arbeitsmarkt brauchen. Dabei muss<br />
zwangsläufig auch ein deutlicher<br />
Akzent auf den Erwerb von Schlüsselqualifikationen<br />
gesetzt werden: Sprachund<br />
Präsentationstechniken, Me<strong>die</strong>nkompetenz,<br />
Team- und Entscheidungsfähigkeit,<br />
das Vermögen,Wissen<br />
anwendungsbezogen auf fremde<br />
Sachverhalte zu übertragen und sich<br />
selbstständig, schnell und systematisch<br />
in komplexe Zusammenhänge<br />
einarbeiten zu können. Einen Bachelor<br />
zu konzipieren ist anspruchsvoll, wenn<br />
man den gesetzten Ansprüchen genügen<br />
möchte. Es muss ein gelungener<br />
Mix von Allgemeinbildung, Fachwissen,<br />
Methodenkenntnissen und<br />
Schlüsselqualifikationen gefunden<br />
werden. Die Inhalte müssen so organisiert<br />
werden, dass <strong>die</strong> Curricula auch<br />
stu<strong>die</strong>rbar sind. Der Auftrag, sich nicht<br />
nur nebenbei, sondern ausdrücklich<br />
und vordergründig an der (wissenschaftsbasierten)<br />
Berufsausbildung<br />
für einen sich wandelnden Arbeitsmarkt<br />
zu beteiligen, ist zumindest für<br />
Universitäten ein Novum.<br />
Das traditionelle deutsche Stu<strong>die</strong>nsystem<br />
ging bisher davon aus, dass<br />
man während einer Phase im Leben<br />
stu<strong>die</strong>rt, dann in den Beruf geht, und<br />
nicht mehr an <strong>die</strong> Hochschule zurückkehrt.<br />
Der Bachelor soll den Schritt in<br />
den Beruf möglichst früh, nach sechs<br />
oder acht Semestern ermöglichen.<br />
Gerade wenn mehr Stu<strong>die</strong>rende als bisher<br />
zu einem ersten Abschluss geführt<br />
werden sollen, ist es erforderlich, dass<br />
<strong>die</strong> durchschnittlich benötigten Stu<strong>die</strong>nsemester<br />
nicht zwischen 11,5 und 15,5<br />
liegen wie im bisherigen System. 4 Im<br />
Bachelor/Master-System können <strong>die</strong><br />
Hochschulen darüber hinaus weitere<br />
Stu<strong>die</strong>ngänge anbieten für Graduierte,<br />
<strong>die</strong> entweder weiter stu<strong>die</strong>ren oder<br />
nach einer ersten Zeit im Beruf an <strong>die</strong><br />
Hochschule zurückkehren wollen –<br />
Master. Denn dass man sich nur zwi-<br />
4 Vgl.: <strong>Wissenschaft</strong>srat (2000), ebd.