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<strong>RWGV</strong> INTERN Von Genossen und Mitgliedern Sprachlicher Eingriff in das Genossenschaftsgesetz (GenG) Düsseldorf. Die anstehende Novelle des Genossenschaftsgesetzes will den alten Rechtsbegriff Genosse durch den Begriff Mitglied ersetzen. Begründet wird der Austausch im Gesetzentwurf durch den Hinweis, das Wort Mitglied sei geschlechtsneutral und werde auch heute schon verwendet. Anlässlich seines Jahrespressegespräches stellte der <strong>RWGV</strong>-Vorstand in Frage, inwieweit der Eingriff berechtigt ist und die genossenschaftliche Organisation die Entscheidung über ihr Vokabular Dritten überlässt. „Eine selbstbewusste Organisation sollte sich ihres sprachlichen Kerns bewusst sein. Wenn wir glaubwürdig bleiben wollen, sollten wir unser Alleinstellungsmerkmal auch sprachlich nicht ohne Not aufgeben“, führte Moritz Krawinkel aus. 1. Das Wort Genosse bezeichnet seit germanischer Zeit – also seit über tausend Jahren – gleichberechtigte Menschen, die gemeinsam wirtschaften, Rechts- und Interessengemeinschaften, gegründet auf gemeinsamen Erwerb und Besitz (‚der Vieh auf der gleichen Weide hat‘). Der Gebrauch des Wortes ging im 18. Jahrhundert zurück und wurde zur Mitte des 19. Jahrhunderts von Hermann Schulze Delitzsch mit seiner alten Bedeutung ‚gleichberechtigte, gemeinsam wirtschaftende Menschen‘ wiederbelebt, wie das Wörterbuch der Brüder Grimm ausdrücklich verzeichnet. Erst seit 1879 werden die Mitglieder der sozialdemokratischen Partei im Sinne einer Lehnübersetzung von lat. socius als „Genossen“ bezeichnet. Das Wort ist somit als alter Rechtsbegriff das treffende Wort für die Träger einer Genossenschaft. 2. Das Wort Mitglied bezeichnet zunächst den Teil eines Körpers, seit dem 16. Jahrhundert den Teil einer Auszug aus dem Wörterbuch der Brüder Grimm. Gemeinschaft gleich welcher Art. Das Wort ist somit in seiner Bedeutung sehr offen und unspezifisch. Das Wort bezieht sich zudem auf das biblische Bild vom Haupt und den Gliedern und verweist damit auf eine hierarchische Ordnung, die der genossenschaftlichen Organisationsform nicht entspricht. 3. Der Entwurf zur Novelle des GenG begründet den Ersatz von Genosse durch Mitglied einerseits mit dem faktischen Sprachgebrauch. Der Gesetzgeber berücksichtigt dabei nicht, dass sich dieser Gebrauch im geistesgeschichtlichen Zusammenhang des Ideologiekonfliktes des Kalten Krieges entwickelt hat. Er war zudem nie konsequent, sonst hätte man auch das Wort Genossenschaft aufgeben müssen. Die Voraussetzung der sprachlichen Abgrenzung hat sich inzwischen erledigt. Andererseits will man Männer und Frauen sprachlich gleich behandeln. Der Gebrauch von Wörtern in Bundesgesetzen ist vom Bundesministerium der Justiz (BMJ) im Handbuch der Rechtsförmigkeit geregelt. So sind Wörter präzise zu verwenden und so, dass sie das Gemeinte wiedergeben. Beides erfüllt wie gezeigt Genosse. Zur Gleichbehandlung von Männern und Frauen eröffnet das BMJ zahlreiche Möglichkeiten. So darf das generische Maskulinum weiter verwandt werden (die grammatisch maskuline Form „Genosse“ für Männer und Frauen), vorgeschlagen werden weiter Paarformen (Genossen und Genossinnen), Satzumgestaltungen, andere kreative Lösungen und erst zum Schluss geschlechtsneutrale Personenbezeichnungen. Fazit Etymologisch, wortgeschichtlich, ideen- und wirtschaftsgeschichtlich, aber auch unter Gesichtspunkten der Präzision in Rechtstexten ist das Wort Genosse durch kein anderes Wort gleichwertig zu ersetzen. Der Sprachgebrauch der letzten Jahre ist als Gegenargument nicht treffend. Im Zusammenhang der sprachlichen Gleichbehandlung von Männern und Frauen erlauben die Vorschriften des BMJ nicht allein die weitere Verwendung des Wortes, in der Würdigung aller Anforderungen an den Sprachgebrauch in Rechtstexten ist die Beibehaltung von Genosse gegenüber Mitglied erforderlich. Der gelegentlich in der genossenschaftlichen Organisation geäußerte Verdacht, der eigentliche Grund des Begriffswechsels sei der Wunsch der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands, sich über die Hintertür der Gesetzgebung das Wort Genosse exklusiv zu sichern, soll hier angesichts von nur 580.000 SPD- Mitgliedern und 17,4 Millionen Ge-nossen nicht weiterverfolgt werden … Thorsten Weiland 24 GB 2/2006
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