Nemzy Povolzhja
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Die katholische Kapelle in Rownoje -<br />
ein Geschichtsrätsel oder das Dorfgeheimnis?<br />
... Unsere erste Aufgabe war, eine katholische Kapelle zu finden. Wir fragten und<br />
suchten lange danach. Eine Frau sagte uns, die Kapelle sei auf dem Friedhof. Diese Information<br />
konnte uns gar nicht begeistern. Dazu schien uns die Aufgabe von Anfang<br />
an, nicht interessant zu sein. Was konnte einen an einer alten katholischen Kapelle interessieren,<br />
die sich auf einem Friedhof befand? Wir konnten uns einfach nicht vorstellen,<br />
wie wir uns irrten!<br />
Kaum war der Friedhof in unserem Blickfeld, blieben wir wie versteinert stehen:<br />
Die Kapelle stand voller Schönheit vor uns. Sofort war die Müdigkeit verschwunden,<br />
und wir beeilten uns, näher an die Kapelle heranzukommen. Diese kleine Kapelle<br />
schien uns einfach verzaubert zu haben. Es war unverständlich, wie solch ein kleines<br />
Gebäude so viel Schönheit und Eleganz, aber auch Bescheidenheit und Tragik enthalten<br />
kann. Sie stand majestätisch mitten auf dem Friedhof, als ob sie uns, so wie auch<br />
jeden, der hierher kam, beobachtete. Wir traten näher heran und spürten sofort, dass<br />
diese Kapelle wie lebendig ist. Hinter ihrer äußeren Schönheit verbarg sich die Bitternis,<br />
die sie in den Jahren ihrer Existenz erlebte. Einsamkeit und Wehmut lagen in der<br />
Luft. Sie schien von allen vergessen zu sein, und nur ein schwarzer Rabe, der sich auf<br />
die Kreuzspitze setzte, bewachte die Kapelle die ganze Zeit, die wir uns auf dem Friedhof<br />
befanden. Sie erweckte in unseren Seelen Bewunderung und gleichzeitig Mitleid:<br />
die Decke war teilweise zerstört, die Fensterscheiben zerschlagen, die Wände beschmiert,<br />
und in der Mitte lag ein orthodoxes Grabkreuz aus Holz. Wir sprachen über<br />
die Geschichte der Kapelle mit den Dorfbewohnern, aber keiner konnte uns eine vollständige<br />
oder genauere Information geben. Wir versuchten deshalb, selbst alle Informationen<br />
zu sammeln und das ungefähre Bild wiederherzustellen.<br />
Das Rätselhafte beginnt damit, dass unbekannt ist, wer diese Kapelle gebaut hat<br />
und wann. Voraussichtlich war es ein reicher Deutscher aus diesem Dorf, der sie für<br />
das Begräbnis der Mitglieder seiner Familie erbaut hatte. Eine Dorfbewohnerin erzählte,<br />
dass sich ein Grabgewölbe unter der Kapelle befindet, wo einige Särge an Ketten<br />
hängen und andere einfach auf dem Boden stehen. Solch eine Begräbnisanlage erschien<br />
uns merkwürdig. Leider konnten wir das Grabgewölbe selbst nicht sehen, weil<br />
es inzwischen zugeschüttet ist. Iwan Alexejewitsch Dilmann teilte uns mit, dass ein unterirdischer<br />
Geheimgang aus der Kapelle zum Keller des heutigen Administrationsgebäudes<br />
führen soll, den deutsche Kriegsgefangene im 1. Weltkrieg gegraben hätten. Damale<br />
gehörte dieses Gebäude dem reichen Kaufmann Woronzow, der mit seiner Familie<br />
und der Dienerschaft dort gewohnt hatte. Es ist nicht bekannt, zu welchem Zweck<br />
der Tunnel gebaut wurde. Viele Leute suchten vergeblich nach diesem Geheimgang,<br />
und versuchten sogar, die Tür im Keller des heutigen Admmistrationsgebäudes zu öffnen,<br />
die angeblich in den Tunnel führt. Jemand versuchte sogar, diesen Geheimgang zu<br />
benutzen, aber alles war erfolglos. Es gibt auch Menschen, die behaupten, das alles sei<br />
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