Nemzy Povolzhja
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siedelt waren, leben heute zerstreut in verschiedenen Regionen Russlands. Es ist besonders<br />
die ältere Generation, die den jüngeren über ihre Heimat in Form von Fotos,<br />
Biografien und Dokumenten erzählen kann.<br />
Der Ansatz der Spurensicherung darf dabei nicht als geschlossenes eurriculares<br />
Konzept verstanden werden. Der Verlauf der Aktion wurde bestimmt von den Angeboten<br />
und Problemen, die der Ort, die Menschen im Stadtteil und die selbstgewählten<br />
sich erweiternden Untersuchungsbemühungen bieten.<br />
Bei Vorbereitung und Durchführung der Maßnahme haben sich verschiedene methodische<br />
Schritte herauskristallisiert:<br />
1. Vorbereitung<br />
Wer ein Bildungsprojekt mit den genannten Zielen durchführen will, muss sich<br />
selbst erst einmal kundig machen, lernen, den Ort zu entdecken und Materialien aus<br />
dem Ort zu sammeln, „heimliche Geschichtenschreiben" aufzusuchen, etc. Eine Vorbereitungsgruppe<br />
besuchte deshalb bereits vom 05. bis 09. Juni die ausgewählten Orte<br />
Engels, Marx, Krasnyj Jar, Generalskoje, Rownoje und Priwolnoje. Im Ergebnis wurden<br />
die ersten Ansprechpartner indentifiziert sowie Fragen und „Fährten" formuliert,<br />
die für den Einstieg in die Spurensicherung wichtig sind.<br />
2. Konstituierung einer Gruppe<br />
Wichtig ist immer die Vorbereitung der Jugendlichen, sowohl der Jugendlichen aus<br />
dem Ort als auch der Jugendlichen, die für die Durchführung des Projektes Spurensicherung<br />
an der Wolga aus anderen Gebieten und Regionen Russlands kamen. Dabei<br />
wurde den Jugendlichen der Ansatz vermittelt: Geschichte soll nicht einfach nacherzählt<br />
oder nur über Besuche von Museen rezepiert werden, Geschichte soll wiederentdeckt<br />
und erforscht werden. In diesem Sinne wurden die Jugendlichen als soziale Akteure und<br />
„soziale Forscher" begriffen, die das Gespräch mit den Generationen suchten.<br />
3. Ortspiel<br />
Die Jugendlichen erhielten zu Beginn der Maßnahme in ihren Gruppen fantasievoll<br />
formulierte „Erkundungsaufträge" mit Suchbildern. Diese thematisch offen und breit<br />
angelegte Fährten sollten neugierig machen, Unbekanntes an scheinbar Bekanntem zu<br />
entdecken. Dabei ging es nicht um das schnelle Sammeln von Fakten, sondern um das<br />
Kennenlernen der spezifischen Sicht und Verarbeitungsweisen der Stadtteil- / Ortsbewohner.<br />
Dabei gingen die Jugendlichen u.a. folgenden Fragen nach: Wie war der Stadtteil<br />
früher? Seit wann gibt es diesen? Welche Überlebensformen gab es früher und welche<br />
Organisationsformen heute? Kindheit damals und heute? Welche Mythen, Traditionen<br />
aber auch Tragödien gab es im Alltagsleben der Menschen? Was können uns Namen<br />
von Straßen, von Gebäuden noch sagen? Die Bedeutung von Schule und Arbeit früher<br />
und heute? Freizeit, erste Liebe etc. ? Neben ökonomischen Themen wie Missernten und<br />
Hunger in den 20er und 30er Jahren, die Errichtung Wolgograder Staustufe etc. ging es<br />
dabei natürlich auch um so sensible politische Themen wie z. B. die Deportation von<br />
Deutschen aus ihren Gebieten 1941.<br />
Auf diese Weise entwickelten die Jugendlichen Interesse an der Biografie der älteren<br />
Gesprächspartner und umgekehrt stellten häufig auch die befragten Einwohner<br />
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