Nemzy Povolzhja
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D<br />
Spurensicherung — Was ist das?<br />
ie Spurensicherung russlanddeutscher Jugendlicher an der Wolga, die die GTZ<br />
und der JdR gemeinsam im Sommer 2002 unter dem Titel „Von Angesicht zu<br />
Angesicht mit unserer Geschichte an der Wolga" durchführten, wurde im Rahmen der<br />
Eigenmaßnahme „Förderung von Generationenbeziehungen" finanziert.<br />
Diese Maßnahme hatte das Ziel, vor dem Hintergrund der aufgrund weltweiter demographischer<br />
und soärio-ökonoinischer Transformationen auseinander brechenden<br />
traditionellen sozialen Strukturen und Sicherungssysteme und der zunehmenden Probleme<br />
bei der Verständigung zwischen den Generationen gemeinsam mit Nichtregierungeorganisationen<br />
(NRO's) in ausgewählten Regionen neue Konzepte zur Förderung der<br />
Generationenbeziehung bei der Arbeit mit Jungen und Alten zu erproben. Das Projekt<br />
wollte so in drei ausgewählten Ländern einen Beitrag zur Verbesserung des Generationenvertrags<br />
und damit der Lebenssituation junger und alter Menschen leisten.<br />
Im Mittelpunkt des Projektes steht der Versuch, Lebensorte als Lernorte wieder<br />
zu begreifen. Kinder und Jugendliche sollen den Ort, in dem sie aufgewachsen sind<br />
oder zu dem sie von der Geschichte her einen Bezug haben, unter neuen Gesichtspunkten<br />
— gleichsam mit einem „fremden" Blick — kennen lernen. Die Neubewertung<br />
des Alltagslebens und Wieder entdeckung der sozialen, geschichtlichen und kulturellen<br />
Wurzeln eines Ortes, Gemeinwesens oder einer Region sollen zur Entwicklung<br />
eines Selbst- und Handlungsverständnisses der Bewohner über Gegenwart und Zukunft<br />
ihres Ortes beitragen. Dieses Konzept der „Spurensicherung" verweist auf geseüschaftskritische<br />
Ansätze sowohl in Deutschland als auch im internationalen Bereich<br />
(z.B. Rudolph, Lecke etc.).<br />
In diesem Ansatz einer entwicklungspolitischen Bildung, „Indizien" (Ginsburg) von<br />
sozialer, kultureller und ökologischer Entwicklung zu „entziffern", drückt sich ein<br />
neues Verständnis von partizipatorischer Forschung, Innovation sowie im besonderen<br />
lebendiger Geschichte „von unten" aus. Spurensicherungsprojekte, in deren Forschungsprozess<br />
meist Jugendliche die Protagonisten sind, gehen von der Notwendigkeit<br />
einer Wiederentdeckung des Lokalen in der entwicklungspolitiachen Bildung aus, die<br />
aber die Fernwelt nicht ausblendet, sondern sich auf diese bezieht. Zentrales Anliegen<br />
sind die Aufdeckung und bewusste Bearbeitung des Zusammenhangs von Alltag und<br />
Geschichte, Biografie und gesellschaftlichen Verhältnissen. In dieser Hinsicht zeigt der<br />
Spurensicherungsaneatz eine deutliche Nähe, z. B. zur biografischen und lebensweltorientierten<br />
Forschung und zu der am „Lebenszusammenhang und kollektivem Gedächtnis"<br />
(Nethammer) interessierten oral history. Im Forschungsprozess wird mit Jugendlichen<br />
jedoch nicht nur nach Erinnertem, nach Überbleibseln der Vergangenheit<br />
gefragt, sondern auch nach „Spuren" in Richtung Zukunft, die zum gesellschaftlichen<br />
Engagement und Veränderungen nötigen und ermutigen.<br />
Vor diesem Hintergrund war das Spurensicherungsprojekt im Wolgagebiet eine gute<br />
Gelegenheit, mit Jugendlichen und Erwachsenen ein Stück lebendiger Geschichte zu<br />
rekonstruieren und aufzubereiten. Russlanddeutsche, die einst im Wolgagebiet ange-<br />
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