Nemzy Povolzhja

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18.06.2014 Aufrufe

itorium der ehemaligen Wolgarepublik gegen ihre Wiederherstellung war. Ich war dafür", sagte er zum Abschied. Frau, Emma Steingauer, in die wir uns sofort verliebten, und die wir über das örtliche Fernsehen zum ersten Mal sahen, schenkte uns zwei bemerkenswerte Lieder. Das eine sang die deutsche Jugend auf ihren Festen in der Zeit der Wolgarepublik, das andere sangen die Dorfmitbewohner bei ihrer Vertreibung. Zum Abschied gab uns Tante Emma, wie wir sie unter uns nannten, auf der Türschwelle ihres Märchenhauses für den Heimweg riesige Tomaten und einen ganzen Rucksack voll Weintrauben mit. Wir möchten Sie mit einem weiteren Menschen näher bekannt machen. Rosa Kunz wurde in dem Dorf Podleenoje am 14. September 1926 geboren und gehörte zu einer achtköpfigen Familie. Sie lebten sehr arm, die Mutter war krank und die Kinder mussten schon sehr früh arbeiten. Es kamen die dreißiger Jahre, und in das Dorf kam der Hunger. Die Mutter schlug vor wegzugehen, aber der Vater weigerte sich, alles aufzugeben, was sie in den Jahren aufgebaut hatten. Die Mutter blieb hart: Sie nahm die Kinder, einige Sachen und ging zum Anlegeplatz. Dabei blickten sie zurück und entdeckten ihren Vater. Er verließ sein Haus und ging mit ihnen. Sie lebten fünf Jahre in einem tatarischen Dorf und sprachen tatarisch, aber das heimatliche Haus rief sie und sie kehrten zurück. Rosa ging in eine deutsche Schule und schloss mit der vierten Klasse ab. Später lernte sie von ihren eigenen Bändern russisch zu lesen. Es kam der Krieg und mit ihm die Deportation und die Ansiedlung in den Gebieten Tomsk und Nowosibirsk. Der Vater musste zur Trudarmee ins Gebiet Tula. Seine Familie zog nach Tula um, aber der Vater erkannte sie nicht und es vergingen acht Jahre. Harte Erfahrungen warteten auf Rosa. Sie verlor ihren Sohn, der nur 2 Jahre und 4 Monate alt wurde. Der Kleine war sehr intelligent und konnte zwei Sprachen. Zwei Tage lang erkrankte er an Masern. Er wollte so sehr seinen Vater wieder sehen, aber der schaffte es nicht, von der Arbeit zurückzukommen. Rosa sagte, dass Gott die Blumen ausreißt, die ihm gefallen, und dass die kleinen, intelligenten und hübschen Kinder, sterben, um das Paradies zu schmücken. Vom Glauben her ist Rosa katholisch. Jetzt leben ihre Kinder in Deutschland. 1984 kehrte die Familie von Rosa nach Marx zurück. Unser nächste Gesprächspartner Iwan Gossmann wurde am 7. Dezember 1918 im Dorf Alt Urbach in dem Krasnojarsker Rayon geboren. Es sind bis heute noch fünf Häuser in dem Dorf erhalten geblieben. Seine Eltern sind sehr früh verstorben. Er lernte in der Schule und in dem Dorf Wiesemüller, wurde Meister der Butterherstellung imd schloss dort im Jahre 1941 seine Ausbildung ab. Gerade in diesem Jahr wurde er in das Dorf Kaschino in den Rayon Balachtinsk deportiert. Danach kam er zur Trudarmee in das Gebiet Kirow, wo er bis 1947 blieb. Genaueres konnte er über sein Leben in diesen Jahren nicht sagen: vielzu viele schlechte Erinnerungen. In dem Bergwerk Petiwo in Ostkasachstan traf er ein hübsches Mädchen, Maria Ba- Iabantschenko. Sie heirateten 1950. 142

Die jungen Historiker während der MaleriaUenbearbeitung Nach Marx kamen Iwan und Maria 1975 und bekamen vier Kinder. Die Kinder trugen den Familiennamen Balabantschenko. Im Zweiten Weltkrieg verlor sich die Familie aus den Augen, aber nach dem Krieg kamen sie wieder zusammen. Die Schwester lebte in Nowosibirsk und der Bruder in Karaganda. Ein Bruder wird seit dem Zweiten Weltkrieg vermist und bis heute glaubt Iwan, dass er lebt. Dieses Treffen vermittelte uns ein Meer von Eindrücken und Emotionen. Gute Leute bemühten sich, auf unsere Fragen zu antworten und uns zu helfen, mehr über unsere Geschichte zu erfahren. Danke. Eine andere Geschichte erfuhren wir durch unsere Nachforschungen über ein Gebäude. Nach sehr langer Suche gelang es uns, zu erfahren, dass sich auf dem Foto die medizinische Lehranstalt von Marx befindet. Eine ältere nette Dame, die wir in diesem Gebäude um Rat fragten, arbeitete in der Lehranstalt als Wachpersonal und empfahl uns die Frau Maria Iwanowna Nefjodowa kennen zu lernen. Wir folgten der Empfehlung. Die Tür öffnete uns ihre Tochter. Wir erzählten unsere Wünsche, Darauf sagte sie, dass Maria Iwanovna nicht mit uns sprechen könnte, weil sie sich nicht gut fühle. Aber dann öffnete sich die Tür weiter und Maria Iwanowna schüttelte uns die Hand, ließ uns nicht weg und führte uns in ihre Wohnung. Sie erzählte alles, was sie wusste. Wir fragten, was sie uns über die Deutschen sagen könnte, die in Marx gelebt haben. Sie antwortete: „Die Deutschen sind gute, intelligente, zivilisierte Menschen. Mit ihnen kann man wirklich über etwas reden. Es gab eigentlich 143

itorium der ehemaligen Wolgarepublik gegen ihre Wiederherstellung war. Ich war<br />

dafür", sagte er zum Abschied.<br />

Frau, Emma Steingauer, in die wir uns sofort verliebten, und die wir über das örtliche<br />

Fernsehen zum ersten Mal sahen, schenkte uns zwei bemerkenswerte Lieder. Das<br />

eine sang die deutsche Jugend auf ihren Festen in der Zeit der Wolgarepublik, das andere<br />

sangen die Dorfmitbewohner bei ihrer Vertreibung.<br />

Zum Abschied gab uns Tante Emma, wie wir sie unter uns nannten, auf der Türschwelle<br />

ihres Märchenhauses für den Heimweg riesige Tomaten und einen ganzen<br />

Rucksack voll Weintrauben mit.<br />

Wir möchten Sie mit einem weiteren Menschen näher bekannt machen.<br />

Rosa Kunz wurde in dem Dorf Podleenoje am 14. September 1926 geboren und gehörte<br />

zu einer achtköpfigen Familie. Sie lebten sehr arm, die Mutter war krank und die<br />

Kinder mussten schon sehr früh arbeiten.<br />

Es kamen die dreißiger Jahre, und in das Dorf kam der Hunger. Die Mutter schlug<br />

vor wegzugehen, aber der Vater weigerte sich, alles aufzugeben, was sie in den Jahren<br />

aufgebaut hatten. Die Mutter blieb hart: Sie nahm die Kinder, einige Sachen und ging<br />

zum Anlegeplatz. Dabei blickten sie zurück und entdeckten ihren Vater. Er verließ sein<br />

Haus und ging mit ihnen. Sie lebten fünf Jahre in einem tatarischen Dorf und sprachen<br />

tatarisch, aber das heimatliche Haus rief sie und sie kehrten zurück. Rosa ging in eine<br />

deutsche Schule und schloss mit der vierten Klasse ab. Später lernte sie von ihren eigenen<br />

Bändern russisch zu lesen.<br />

Es kam der Krieg und mit ihm die Deportation und die Ansiedlung in den Gebieten<br />

Tomsk und Nowosibirsk. Der Vater musste zur Trudarmee ins Gebiet Tula. Seine Familie<br />

zog nach Tula um, aber der Vater erkannte sie nicht und es vergingen acht Jahre.<br />

Harte Erfahrungen warteten auf Rosa. Sie verlor ihren Sohn, der nur 2 Jahre und<br />

4 Monate alt wurde. Der Kleine war sehr intelligent und konnte zwei Sprachen. Zwei<br />

Tage lang erkrankte er an Masern. Er wollte so sehr seinen Vater wieder sehen, aber der<br />

schaffte es nicht, von der Arbeit zurückzukommen. Rosa sagte, dass Gott die Blumen<br />

ausreißt, die ihm gefallen, und dass die kleinen, intelligenten und hübschen Kinder,<br />

sterben, um das Paradies zu schmücken. Vom Glauben her ist Rosa katholisch. Jetzt<br />

leben ihre Kinder in Deutschland. 1984 kehrte die Familie von Rosa nach Marx zurück.<br />

Unser nächste Gesprächspartner Iwan Gossmann wurde am 7. Dezember 1918 im<br />

Dorf Alt Urbach in dem Krasnojarsker Rayon geboren. Es sind bis heute noch fünf<br />

Häuser in dem Dorf erhalten geblieben.<br />

Seine Eltern sind sehr früh verstorben. Er lernte in der Schule und in dem Dorf<br />

Wiesemüller, wurde Meister der Butterherstellung imd schloss dort im Jahre 1941<br />

seine Ausbildung ab. Gerade in diesem Jahr wurde er in das Dorf Kaschino in den<br />

Rayon Balachtinsk deportiert. Danach kam er zur Trudarmee in das Gebiet Kirow, wo<br />

er bis 1947 blieb. Genaueres konnte er über sein Leben in diesen Jahren nicht sagen:<br />

vielzu viele schlechte Erinnerungen.<br />

In dem Bergwerk Petiwo in Ostkasachstan traf er ein hübsches Mädchen, Maria Ba-<br />

Iabantschenko. Sie heirateten 1950.<br />

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