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Nemzy Povolzhja

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hörigen kümmern. Die Sorgen um die Verwandten legten sieh zu früh auf die Schulter<br />

des Jungen. Schon in der 4. Klasse begann er, im Kolchos zu arbeiten. Nach seinen<br />

Erinnerungen war es das Schwerste, die Getreidesäcke zu schleppen. Dabei verhob er<br />

sich und seine Hände taten ihm sehr weh.<br />

Das schrecklichste Ereignis in der Kindheit war die Trennung von den deutsehen<br />

Dorfbewohnern, wegen ihrer unerwarteten Deportation am Anfang des Krieges. Er<br />

war gerade 4 Jahre alt, aber das Geschehene hinterließ in seiner Kinderseele eine tiefe<br />

Spur. „Das Land stöhnte vor Tränen," - erinnerte sich unser Gesprächspartner mit<br />

Bitterkeit. Von 300 Familien blieben nur 3.<br />

Der Vater in der Familie Pjachin war ein Este, und so gelang es ihnen glücklicherweise,<br />

die Deportation zu vermeiden. Keiner der Dorfbewohner kehrte zurück, die<br />

meisten starben. Auf diese Weise verlor das Dorf Goretskoje zum Ende 1941, so wie<br />

auch die meisten deutschen Siedlungen fast alle seine angestammten Einwohner.<br />

Kindheit aber bleibt immer Kindheit. Trotz der schrecklichen Zeit hält Nikolai Michailowitseh<br />

sie für glücklich: „O, Kindheit, meine liebe Kindheit! Du bist das beste auf<br />

der Erde, du strahlst aus mütterlichem Lächeln, beleuchtest Seele und Gedanken"<br />

(N.M. Pjachin „Poem über die Erde")<br />

Auch folgende helle Erinnerungen teilte uns Nikolai Michailowitsch mit: Er erinnerte<br />

sich an einen Wettbewerb zwischen zwei Traktorenbrigaden (die von seinem Vater<br />

und seinem Onkel). Mit welchem Interesse und Leidenschaft drückten sie die Daumen<br />

für ihre Lieblingsmannschaft. Sehr oft erinnert er sich auch noch daran, wie seine<br />

Mutter ihm und seinem Bruder zwei warme graue Mäntelchen brachte. Seinen Worten<br />

nach war das für eine arme Familie ein großes Ereignis.<br />

Mit Bitterkeit erinnerte sich unser Gesprächspartner an die schweren Kriegszeiten,<br />

wo die Kinder gezwungen waren, Zieselmäuse und Plätzchen aus Wermut und<br />

Melde zu essen. Die einzelne Kuh rettete die Familie vom Hunger. Die Erzählung von<br />

Nikolai Michailowitsch darüber, wie einmal deutsche Kriegsgefangene durch das<br />

Dorf geführt wurden und die Dorfbewohner ihnen statt Beschimpfungen Brot gegeben<br />

hatten, beeindruckte uns sehr.<br />

Die Ernte aus Goretskoje wurde nach Rownoje gebracht. Im Sommer wurde das<br />

Getreide auf Schlitten durchs Federgraß gefahren. Hier wurden auch alle möglichen<br />

Gerätschaften gekauft. Rownoje war früher ein großes und blühendes Dorf, das Zentrum<br />

des Bezirks Rowenskoje. Gerade in diese Richtung zeigten die Telegrafenmasten<br />

den Weg, die der kleine Nikolai gern in der Kindheit beobachtet hatte. Die Menschen<br />

aus den benachbarten Dörfern, darunter auch aus Goretskoje, kamen oft nach Rownoje.<br />

Es war ihnen genauso lieb, wie auch ihre Heimatdörfer.<br />

Wegen der in der Kindheit erlebten Ereignisse wurde der Junge sehr emotional.<br />

Sehr früh neigte Nikolai Michailowitsch zur Poesie. Schon in der 5. Klasse begann er,<br />

seine ersten Gedichte zu schreiben. Er hätte berühmt werden können, aber er war leider<br />

gezwungen, auf das Studium zu verzichten: Er musste seiner Familie helfen. Ungeachtet<br />

dessen schrieb er seine Gedichte weiter und als er in die Rente ging, gab er einige<br />

Sammelwerke heraus, die der Heimat gewidmet sind. Er interessierte sich auch<br />

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