Nr. 190-November 2013 - RotFuchs
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Seite 26 <strong>RotFuchs</strong> / <strong>November</strong> <strong>2013</strong><br />
Nichts hören, nichts sehen, nichts sagen<br />
Die Karten liegen jetzt offen auf dem<br />
Tisch: In der BRD wurde mit Unterstützung<br />
der Innenminister und der Spitzen<br />
des DSB und des NOK, die vor Jahren<br />
noch getrennt waren, flächendeckend<br />
gedopt. Und dies seit 1949.<br />
Prof. Reindell hat dazu bereits 1950 eine<br />
Studie erarbeitet, die als Grundlage für<br />
die Einführung des Staatsdopings diente.<br />
Die jetzige Offenbarung trägt den Titel:<br />
„Doping in Deutschland von 1950 bis heute<br />
aus historisch-soziologischer Sicht im Kontext<br />
ethischer Legimitation“. Allerdings<br />
war der Zwischenbericht von 2012 umfassender<br />
als das nun vom Bundesinstitut<br />
für Sportwissenschaft vorgestellte Resümee:<br />
Einiges unterliegt dem „Datenschutz“,<br />
anderes fiel dem Reißwolf zum Opfer.<br />
Die Verantwortlichen (Innenminister wie<br />
DOSB-Präsidenten) können sich an nichts<br />
mehr erinnern.<br />
Also helfen wir nach: „Wenn es nicht<br />
schadet, soll man auch das Bestmöglichste<br />
unseren Sportlern angedeihen lassen“,<br />
hatte Schäuble erklärt. Und Genscher forderte:<br />
„Medaillen, koste es, was es wolle.“<br />
Spitzenathleten der BRD wie Heidi Schüller<br />
oder Manfred Ommer bezweifeln auch die<br />
Glaubwürdigkeit von Thomas Bach. In dessen<br />
aktiver Zeit sei Doping nie ein Thema<br />
gewesen, erklärte dieser. Bach war 1984<br />
bei den Spielen in Montreal aktiver Fechter.<br />
Dort setzten die BRD-Olympiaärzte<br />
den Aktiven 1400 „Aufbauspritzen“.<br />
„Freiburg war das Paradies für die Athleten,<br />
das waren richtige Pilgerfahrten“, erklärte<br />
Manfred Ommer zum Doping-Mekka.<br />
Da fragt man sich unwillkürlich: Wenn<br />
die Innenminister Genscher, Maihofer<br />
und Schäuble sowie die noch lebenden<br />
Sportpräsidenten von Richthofen<br />
und Bach – dieser hat ja inzwischen den<br />
Olymp erklommen – von nichts wußten,<br />
dann heucheln sie entweder oder haben<br />
keinen Bezug zu ihrem Leistungssport.<br />
Vermutlich trifft beides zu.<br />
Das Institut für Sportwissenschaft ist<br />
bekanntlich eine Behörde des Bundes. Deshalb<br />
müßten seine Akten im Koblenzer<br />
Bundesarchiv verwahrt werden. Dort gibt<br />
es aber nur ganze 62 Seiten. Wo sind denn<br />
die restlichen Unterlagen des Instituts<br />
geblieben? Hat man sie etwa vernichtet?<br />
Wann endlich bekennt man sich zum Mißbrauch<br />
von Medikamenten? Immerhin hat<br />
die BRD auf dieser Strecke fünf Tote zu<br />
beklagen. Und warum unterdrückte man<br />
die Wahrheit so lange?<br />
Die Antwort gab der schon 1910 gestorbene<br />
amerikanische Schriftsteller Mark Twain:<br />
„Eine Lüge ist dreimal um die Erde gelaufen,<br />
bevor sich die Wahrheit die Schuhe<br />
anzieht.“ <br />
Erhard Richter<br />
Ein Übersiedler aus der BRD zum DDR-Sport<br />
Als Arbeitsloser aus der BRD in die DDR<br />
gekommen, konnte ich durchaus verstehen,<br />
daß der in diplomatischer Hinsicht<br />
zunächst weitgehend isolierte andere deutsche<br />
Staat danach trachtete, internationales<br />
Ansehen durch den Sport zu gewinnen.<br />
Die Reibereien nicht nur zwischen den<br />
Sportverbänden beider Staaten trugen<br />
aus meiner Sicht teilweise schizophrene<br />
Züge. Bei der Aufstellung einer gesamtdeutschen<br />
Olympiamannschaft war nach<br />
der Einführung des Hammer-Zirkel-Ährenkranz-Emblems<br />
auf der DDR-Staatsflagge<br />
ein zusätzlicher Konfliktstoff entstanden.<br />
Am 4. <strong>November</strong> 1959 erließ das Bundesinnenministerium<br />
ein Verbot des Zeigens der<br />
„Sowjetzonen-Flagge“, das als Störung der<br />
öffentlichen Ordnung dargestellt wurde.<br />
Hinzu kamen die Verweigerung des Auftretens<br />
westdeutscher Athleten in der DDR<br />
sowie Einreiseverbote für deren Sportler<br />
in die BRD. Zum Reigen der Intrigen gehörten<br />
Anschuldigungen, DDR-Turner hätten<br />
Sportgeräte manipuliert, denen schon bald<br />
erste Dopingvorwürfe folgten. Das Ganze<br />
gipfelte dann in der Ausgrenzung von Aktiven<br />
und Sportfunktionären aus der DDR.<br />
Welchen Wert sie der Sportbewegung mit<br />
dem Breitensport im Zentrum beimaß,<br />
war in der Verfassung und im Arbeitsrecht<br />
der DDR festgelegt. Dabei handelte<br />
es sich nicht um leere Worte. Vom Schulsport<br />
über Betriebssportfeste, Spartakiaden<br />
aller Art bis zur Talenteschmiede für<br />
Spitzenleistungen genoß der Amateursport<br />
allzeit eine umfassende Förderung durch<br />
den Staat. Profi-Sportler kannte die DDR<br />
hingegen nicht.<br />
Bei der Leichtathletik-EM, die im September<br />
1990 in Split stattfand, konnten die Athleten<br />
aus der Noch-DDR ein letztes Mal den<br />
Ruf ihrer Sportnation unter Beweis stellen,<br />
während die BRD-Sportler wegen ihres<br />
schlechten Abschneidens von der eigenen<br />
Presse mit Häme bedacht wurden.<br />
Auch in der Zeit nach dem Anschluß der<br />
DDR an die BRD entfiel bei Olympischen<br />
Spielen, Welt- und Europameisterschaften<br />
zunächst ein hoher deutscher Medaillenanteil<br />
auf Athleten, die noch in der DDR<br />
ausgebildet worden waren.<br />
Als ich seinerzeit aus dem Westen in die<br />
DDR übersiedelte, nahm ich schon bald<br />
die enorme Begeisterung von Millionen bei<br />
der Friedensfahrt wahr. Die sportlichen<br />
Erfolge stärkten das Selbstbewußtsein<br />
der DDR-Bürger<br />
wie das internationale Prestige<br />
ihres Staates.<br />
Nach dem Untergang der<br />
DDR und ihrer Sportförderung<br />
erodierte die deutsche<br />
Körperkultur sichtbar und<br />
verkam immer mehr zum<br />
Profi-„Sport“ à la Formel 1.<br />
Um von alldem abzulenken,<br />
suchten die Medien<br />
jahrzehntelang den Sportlern<br />
und Sportfunktionären<br />
der DDR in Sachen Doping<br />
den Schwarzen Peter zuzuschieben<br />
und eigene diesbezügliche<br />
Aktivitäten zu<br />
verschleiern. Die Tatsache,<br />
daß auch gesundheitliche<br />
Schäden bei einigen Aktiven<br />
in Kauf genommen wurden,<br />
ist sicher nicht zu rechtfertigen.<br />
Nun hat eine Studie der<br />
Humboldt-Universität mit<br />
der unablässig strapazierten<br />
Lüge aufgeräumt,<br />
die BRD habe mit alldem<br />
nichts zu tun gehabt. Es<br />
stellte sich heraus, daß<br />
dort systematisches Doping seit Staatsgründung<br />
Trumpf war. Die an der Studie<br />
beteiligten Wissenschaftler fürchten<br />
aber bereits Klagen und fordern deshalb<br />
Rechtsschutz.<br />
Der Mohr „DDR“ hat seine Schuldigkeit<br />
getan und kann fortan nicht mehr als<br />
„abschreckendes Beispiel“ benutzt werden,<br />
um die eigenen schmutzigen Hände blitzsauber<br />
erscheinen zu lassen.<br />
Dipl.-Ing. Hermann Ziegenbalg,<br />
Riesa-Weida<br />
Der „<strong>RotFuchs</strong>“ ist stolz auf seinen Leser,<br />
Freund und Gesprächspartner