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Die Utopie steht links! - eDoc

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<strong>Die</strong> zwei Arten der <strong>Utopie</strong> um 1900.<br />

Edward Bellamy und William Morris<br />

<strong>Die</strong> Auseinandersetzung mit dem utopischen Denken und die doppelte Diskreditierung<br />

desselben – von marxistischer und von konservativer Seite –<br />

hatte ihren Grund oder ihre Entsprechung auch in einer ständig zunehmenden<br />

Produktion von <strong>Utopie</strong>n. Gleichzeitig aber kann durchaus gesagt werden,<br />

dass jene Theorien, die zur Besprechung bzw. Überprüfung der <strong>Utopie</strong>n entwickelt<br />

wurden, diesen durchaus positive Anstöße gaben und Signale sendeten.<br />

<strong>Die</strong> politischen <strong>Utopie</strong>n standen der Kritik nicht verschlossen und abwartend<br />

gegenüber, sondern verarbeiteten sie vielmehr produktiv und positiv:<br />

dies ist eines der entscheidenden Merkmale der Gattung (Hans Ulrich Seeber).<br />

Der Literaturwissenschaftler Wolfgang Biesterfeld schrieb zutreffend: »Im 19.<br />

Jahrhundert bekommt die <strong>Utopie</strong> einen entscheidenden Impuls durch das<br />

Entstehen der großen sozialen und sozialistischen Denkansätze, unter denen<br />

der Marxismus der wirkungsreichste geworden ist. Selbst der <strong>Utopie</strong> auf das<br />

engste verpflichtet, legt der Marxismus dabei Wert darauf, den ›utopischen<br />

Sozialismus‹ durch den ›wissenschaftlichen Sozialismus‹ abgelöst zu haben.<br />

<strong>Die</strong> Schrift von Friedrich Engels <strong>Die</strong> Entwicklung des Sozialismus von der <strong>Utopie</strong><br />

zur Wissenschaft legt davon Zeugnis ab. Das letzte Viertel des 19. Jahrhunderts<br />

zeigt, was sich gerade an der englischsprachigen <strong>Utopie</strong> nachweisen lässt, eine<br />

besonders starke Akkumulation von Gesellschaftsentwürfen. Während in vielen<br />

dieser Texte angesichts der nahen Jahrhundertwende quasi chiliastische<br />

Hoffnungen bewusst oder unbewusst angesprochen werden, lassen sich hier<br />

auch die ersten skeptischen Vertreter des Genres ausmachen.« 27 Eine genaue<br />

Analyse der <strong>Utopie</strong>produktion um 1900 führt tatsächlich zu der Einsicht, dass<br />

sich in dieser Zeit zahlreiche und wichtige Wandlungen des gesamten Diskurses<br />

vollzogen, die in ihrer Intensität auf jene Umbrüche verweisen, die um<br />

1750 zu beobachten sind. Einige dieser Trends, in denen sich die neue Ausrichtung<br />

des Umgangs mit der <strong>Utopie</strong> und die Änderungen des Utopischen<br />

selbst erkennen lassen, seien in der Folge kurz genannt.<br />

Neben Biesterfeld stellte vor allem der Historiker Lucian Hölscher richtig<br />

heraus, dass ein charakteristisches Merkmal der Jahrhundertwende um 1900<br />

in der Verbindung von utopischem Denken und chiliastisch motivierter Hoffnung<br />

zu sehen ist. Sie ist nicht nur in dem von Engels metaphysisch behaupteten<br />

»Sprung vom Reich der Notwendigkeit ins Reich der Freiheit« zu orten,<br />

sondern entlud sich an vielen Orten. <strong>Die</strong> Hysterie vor dem epochalen Datum<br />

1900 löste Bewegungen aus, die sich mit unserer modernen Angst vor dem<br />

letzten Jahrhundertumbruch vergleichen lassen. <strong>Die</strong> Vorstellungen von der<br />

27 Biesterfeld 1983, S. 297.<br />

38

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