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Die Utopie steht links! - eDoc

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ebenso in einer von Jahr zu Jahr sich mehrenden wissenschaftlichen Literatur<br />

der verschiedensten Sprachen, die uns immer tiefere Einblicke in Vergangenheit<br />

und Gegenwart erschließt, wie in der Sicherheit und Konsequenz, die sie<br />

der Praxis des proletarischen Klassenkampfes in allen Kulturländern verleiht.«<br />

(TMU 7) Es kann kein Zweifel daran bestehen, dass diese Selbsteinschätzung<br />

Kautskys durchaus zutreffend ist. In seiner Auseinandersetzung<br />

mit Thomas Morus, und dieser Punkt interessiert uns hier, bekräftigte er in<br />

vollem Umfang die von Marx und Engels vorgegebenen Prämissen des Umgangs<br />

mit dem utopischen Diskurs. An einem Punkt aber ging er über diese<br />

hinaus. Der Vergleich von Morus und Thomas Münzer erbringe den Nachweis,<br />

dass Morus eine Änderung der Verhältnisse immer von »oben« dachte.<br />

D. h. er konfrontiere seiner Kritik die Idee eines Fürsten, der unter Leitung der<br />

Humanisten sein Land weise und besser regiere. Zeitlich nur etwas versetzt<br />

zeige Thomas Münzer in Deutschland aber in aller Radikalität auf, dass die<br />

Befreiung der unterdrückten Schichten (als Vorläufer des modernen Proletariats)<br />

nur von »unten« erfolgen kann. Nicht der Intellektuelle, abseits des<br />

Volkes, weise nach Kautsky den »richtigen Weg«, sondern der Agitator, der<br />

Bauernführer, der Mann der Tat. Hier ist das aktuelle Potential der historischen<br />

Betrachtung offensichtlich, ja, es wurde einige Jahre später von Lenin in<br />

Staat und Revolution bestätigt. Und auch bei Ernst Bloch findet sich in den 20er<br />

Jahren des 20. Jahrhunderts diese Konfrontation von Münzer und dem utopischen<br />

Diskurs. Ein längeres Zitat kann Kautskys Argumentation verdeutlichen.<br />

»Der Gegensatz zwischen More und Münzer enthält den Keim des<br />

großen Gegensatzes, der sich durch die ganze Geschichte des Sozialismus<br />

zieht und der erst durch das Kommunistische Manifest überwunden worden ist,<br />

des Gegensatzes zwischen dem Utopismus und der Arbeiterbewegung. Der<br />

Gegensatz zwischen More und Münzer, dem Theoretiker und dem Agitator,<br />

ist im wesentlichen derselbe wie der zwischen Owenismus und Chartismus,<br />

zwischen dem Fourierismus und dem Gleichheitskommunismus in Frankreich.<br />

So sehnsüchtig auch More wünschte, seinen Idealstaat verwirklicht zu<br />

sehen, so scheu bebte er doch vor jedem Versuch zurück, der Ausbeutung von<br />

unter her ein Ende zu machen. Der Kommunismus konnte sich daher von seinem<br />

Standpunkt aus nicht im Klassenkampf durch die Logik der Tatsachen<br />

entwickeln, er musste im Kopfe fertig sein, ehe man daran denken konnte, einen<br />

der Mächtigen für ihn zu gewinnen, der ihn der Menschheit von oben<br />

herab aufoktroyieren sollte. Das war eine Illusion. Aber gerade ihr verdankte<br />

More seinen höchsten Triumph, ihr verdanken wir den ersten Versuch, eine<br />

Produktionsweise zu malen, die den Gegensatz zur kapitalistischen bildet,<br />

gleichzeitig aber an den Errungenschaften festhält, die die kapitalistische Zivilisation<br />

über die vorherigen Entwicklungsstufen hinaus gemacht hat, eine<br />

Produktionsweise, deren Gegensatz zur kapitalistischen nicht in der Reaktion<br />

be<strong>steht</strong>.« (TMU 248f.) Morus wird von Kautsky durchaus in seinen Intentio-<br />

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