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Die Utopie steht links! - eDoc

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Einer der entscheidenden Einschnitte mit Blick auf das Verhältnis von Marxismus<br />

und <strong>Utopie</strong> ist durch die Studien Ernst Blochs interpretativ zu bezeichnen.<br />

Seine Überlegungen kulminierten in der knapp 1600 Seiten umfassenden<br />

Arbeit Das Prinzip Hoffnung. Doch auch dieses Werk blieb nicht<br />

unkritisiert. Verwiesen sei hier nur auf die Ansätze von Hans Jonas und Jürgen<br />

Habermas. Ende der 60er Jahre änderte sich im Zuge der Protestwellen in<br />

Amerika und Europa, der sogenannten Kulturrevolution, der Stellenwert der<br />

<strong>Utopie</strong>. Sie wurde wieder salonfähig. Es erschienen zahlreiche Ansätze, in<br />

denen sich die modernen Problemlagen im Medium der politischen <strong>Utopie</strong><br />

artikulierten. In Romanen entlud sich die Frauenfrage ebenso wie die Ökologiebewegung<br />

oder die Kulturideale der Studenten und Hippies. Der Zusammenbruch<br />

der sozialistischen Staaten des Ostblocks führte noch einmal zu<br />

Einschnitten. Nun setzte eine neue Entwicklung ein, die bis heute nachzuweisen<br />

ist. Es sind »linke« Autoren, Wissenschaftler, Publizisten und Intellektuelle,<br />

die das Erbe des utopischen Diskurses gegen die Angriffe aus dem<br />

konservativen Lager verteidigen. Dabei beziehen sie, dies ist entscheidend,<br />

unabhängige Positionen, die sich nur noch in partieller Deckung mit dem<br />

Marxismus befinden oder sogar explizit anti-marxistisch argumentieren.<br />

<strong>Die</strong>se kurzen Bemerkungen müssen ausreichen, um zu verdeutlichen,<br />

warum eine Verbindung von <strong>Utopie</strong> und Sozialismus konstruiert werden<br />

kann. Denn die politischen <strong>Utopie</strong>n sind nicht nur Reaktionen auf die radikal<br />

kritisierten Folgen des real existierenden Kapitalismus. Darüber hinaus liegt<br />

die Zusammengehörigkeit im Begriff der Sache selbst. <strong>Utopie</strong>n sind Wunschoder<br />

Furchtbilder imaginierter Gesellschaften, in denen den kritisierten Missständen<br />

der eigenen Zeit eine in sich logische und rational nachvollziehbare<br />

Alternative gegenübergestellt wird. Und zwar so, dass Kritik und Alternative<br />

einander ergänzen, aufeinander bezogen sind. <strong>Die</strong> politische <strong>Utopie</strong> eröffnet<br />

die Möglichkeit, die Tür zur Zukunft weit aufzustoßen, zumindest vermag<br />

man in die neuen und anderen Räume einen wissenden und hoffenden Blick<br />

zu werfen. Auf den folgenden Seiten <strong>steht</strong> diese Stellung des Menschen zu der<br />

von ihm zu gestaltenden Zukunft im Mittelpunkt unserer Betrachtungen. Dabei<br />

gehen wir der Frage nach, welche Reaktionen, Theorien und Prämissen<br />

verschiedene »linke« Autoren vertraten, wie sie sich zur <strong>Utopie</strong> stellten. <strong>Die</strong><br />

zu analysierenden Texte stehen also im (sich permanent erneuernden) Spannungsgefüge<br />

der <strong>Utopie</strong>-Kritik und der Bejahung der Phantasie.<br />

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