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Die Go-West-Strategie der chinesischen Regierung - Roland Berger

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Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie<br />

Studie<br />

<strong>Die</strong> <strong>Go</strong>-<strong>West</strong>-<strong>Strategie</strong> <strong>der</strong><br />

<strong>chinesischen</strong> <strong>Regierung</strong><br />

Chancen für die deutsche Wirtschaft?


Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie<br />

Studie<br />

<strong>Die</strong> <strong>Go</strong>-<strong>West</strong>-<strong>Strategie</strong> <strong>der</strong><br />

<strong>chinesischen</strong> <strong>Regierung</strong><br />

Chancen für die deutsche Wirtschaft?


2 |<br />

Studie<br />

Inhalt<br />

Abbildungsverzeichnis<br />

Vorwort<br />

A. Management Summary<br />

B. <strong>Die</strong> Entwicklung Gesamtchinas<br />

1. Rasantes Wirtschaftswachstum<br />

2. <strong>Die</strong> gewandelte Rolle Chinas in <strong>der</strong> Weltwirtschaft<br />

3. China in <strong>der</strong> Krise<br />

4. Kehrseiten des Wirtschaftsbooms<br />

5. Das Leitkonzept <strong>der</strong> "harmonischen Gesellschaft"<br />

6. <strong>Go</strong>-<strong>West</strong>-<strong>Strategie</strong><br />

C. <strong>Die</strong> <strong>chinesischen</strong> <strong>West</strong>provinzen: Nahaufnahme<br />

1. Natur und Raum<br />

1.1 Geografie<br />

1.2 Klima<br />

1.3 Natürliche Ressourcen und Rohstoffe<br />

2. Soziodemografie<br />

2.1 Bevölkerungsentwicklung und -verteilung<br />

2.2 Altersstruktur<br />

2.3 Bildungsniveau<br />

2.4 Forschung und Entwicklung<br />

2.5 Einkommensniveau<br />

2.6 Privater Konsum<br />

3. Beson<strong>der</strong>e politische Herausfor<strong>der</strong>ungen<br />

3.1 Soziale Brennpunkte: Armut, Arbeitslosigkeit,<br />

Wan<strong>der</strong>arbeiter<br />

3.2 Nationale Min<strong>der</strong>heiten und ethnische Konflikte<br />

3.3 Umwelt und Naturschutz<br />

D. <strong>Die</strong> <strong>Go</strong>-<strong>West</strong>-<strong>Strategie</strong> <strong>der</strong> <strong>chinesischen</strong> <strong>Regierung</strong>:<br />

Ziele, Ergebnisse und Ausblick<br />

1. <strong>Die</strong> erste Phase <strong>der</strong> <strong>Go</strong>-<strong>West</strong>-<strong>Strategie</strong><br />

1.1 <strong>Die</strong> Einbettung <strong>der</strong> <strong>Go</strong>-<strong>West</strong>-<strong>Strategie</strong> in die zentrale<br />

Planung <strong>der</strong> Volksrepublik China<br />

1.2 <strong>Die</strong> <strong>Go</strong>-<strong>West</strong>-<strong>Strategie</strong> im 10. Fünfjahresplan<br />

(2001-2005)<br />

1.3 <strong>Die</strong> <strong>Go</strong>-<strong>West</strong>-<strong>Strategie</strong> im 11. Fünfjahresplan<br />

(2006-2010)<br />

1.4 Der "<strong>Go</strong> <strong>West</strong> Implementation Guide" und die För<strong>der</strong>ung<br />

ausländischer Direktinvestitionen<br />

2. Status quo: Infrastrukturentwicklung<br />

2.1 Ziele<br />

2.2 Infrastrukturentwicklung in den <strong>West</strong>provinzen<br />

2000 bis 2008<br />

2.3 Weitere Planungen<br />

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3 |<br />

<strong>Die</strong> <strong>Go</strong>-<strong>West</strong>-<strong>Strategie</strong> <strong>der</strong> <strong>chinesischen</strong> <strong>Regierung</strong> – Chancen für die deutsche Wirtschaft?<br />

3. Status quo: Wirtschaft<br />

3.1 Wirtschaftsentwicklung<br />

3.2 Auswirkungen <strong>der</strong> Wirtschaftskrise<br />

3.3 Wirtschafts- und Industriestruktur<br />

3.4 Industrielle Kerne<br />

3.5 Wirtschaftsför<strong>der</strong>ung durch Industrie- und Hightech-Parks<br />

4. Status quo: Außenwirtschaft<br />

4.1 Außenhandel<br />

4.2 Ausländische Direktinvestitionen<br />

4.3 Präsenz ausländischer Unternehmen in <strong>West</strong>china<br />

5. Status quo: Rahmenbedingungen für ausländische Firmen in <strong>West</strong>china<br />

5.1 Rahmenbedingungen in China insgesamt<br />

5.2 Rahmenbedingungen in <strong>West</strong>china<br />

5.3 Wesentliche Motive für das Engagement<br />

ausländischer Unternehmen in <strong>West</strong>china im Speziellen<br />

5.4 Beson<strong>der</strong>e Herausfor<strong>der</strong>ungen<br />

für ausländische Unternehmen in <strong>West</strong>china<br />

5.5 Stärken und Schwächen <strong>der</strong> <strong>West</strong>provinzen<br />

6. <strong>Die</strong> zweite Phase <strong>der</strong> <strong>Go</strong>-<strong>West</strong>-<strong>Strategie</strong>: Blick in die Zukunft<br />

6.1 Zehn Jahre <strong>Go</strong>-<strong>West</strong>-<strong>Strategie</strong>: Zwischenbilanz<br />

6.2 Das chinesische Konjunkturprogramm<br />

6.3 Der Zehn-Industrien-Revitalisierungsplan<br />

6.4 Weiterentwicklung <strong>der</strong> <strong>Go</strong>-<strong>West</strong>-<strong>Strategie</strong><br />

E. <strong>Die</strong> Attraktivität <strong>der</strong> <strong>chinesischen</strong> <strong>West</strong>provinzen:<br />

Benchmarking <strong>der</strong> Gebietskörperschaften<br />

1. Methodik<br />

2. Kernergebnisse des Benchmarkings auf Provinzebene<br />

3. Kernergebnisse des Städte-Benchmarkings<br />

4. Schlussfolgerungen zur Attraktivität <strong>der</strong> <strong>West</strong>provinzen im Vergleich<br />

F. Schlussfolgerungen und Empfehlungen<br />

1. Deutsch-chinesische Wirtschaftsbeziehungen<br />

2. <strong>Die</strong> Bedeutung <strong>West</strong>chinas für die deutsche Wirtschaft<br />

3. Chancen für die deutsche Wirtschaft: Marktperspektive<br />

4. Chancen für die deutsche Wirtschaft: regionale Perspektive<br />

5. Chancen für die deutsche Wirtschaft: Branchenperspektive<br />

6. Empfehlungen an das Ministerium für Wirtschaft und Technologie<br />

G. Profile <strong>der</strong> Provinzen<br />

Sichuan<br />

Chongqing<br />

Shaanxi<br />

Xinjiang<br />

Steckbriefe <strong>der</strong> übrigen <strong>West</strong>provinzen<br />

Verwendete Quellen<br />

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204


4 |<br />

Studie<br />

Abbildungsverzeichnis<br />

Abb. 1:<br />

Abb. 2:<br />

Übersicht über wichtige Kenngrößen <strong>der</strong> <strong>chinesischen</strong> <strong>West</strong>provinzen<br />

Bruttoinlandsprodukt und BIP pro Kopf <strong>der</strong> Volksrepublik China<br />

zu konstanten Preisen 1980-2009<br />

Abb. 3: Entwicklung ausländischer Direktinvestitionen in China 1983-2008<br />

Abb. 4: Chinas Außenhandel 1998-2008<br />

Abb. 5:<br />

Abb. 6:<br />

Abb. 7:<br />

Abb. 8:<br />

Abb. 9:<br />

Abb. 10:<br />

Abb. 11:<br />

Abb. 12:<br />

Abb. 13:<br />

Abb. 14:<br />

Geografische Übersicht über die <strong>chinesischen</strong> <strong>West</strong>provinzen<br />

Topografische Karte China<br />

Verfügbarkeit von Rohstoffen in <strong>West</strong>china: Anteil an den<br />

gesamt<strong>chinesischen</strong> Reserven<br />

Bevölkerungsverteilung in den <strong>West</strong>provinzen<br />

Kaufkraft <strong>der</strong> städtischen Bevölkerung in China<br />

Unterschiede bei <strong>der</strong> Anzahl <strong>der</strong> im Besitz befindlichen Konsumgüter<br />

pro 100 Haushalte in <strong>West</strong>china gegenüber Ostchina 2008<br />

Für die <strong>Go</strong>-<strong>West</strong>-<strong>Strategie</strong> relevante Pläne und Programme<br />

Regionale Schwerpunkte von Industrieprodukten und Hightech-<br />

Forschung in den <strong>West</strong>provinzen nach den Vorgaben des<br />

11. Fünfjahresplans<br />

Kernregionen in den <strong>West</strong>provinzen nach <strong>der</strong> Festlegung<br />

des 11. Fünfjahresplans<br />

Entwicklung infrastruktureller Ressourcen in <strong>West</strong>china<br />

Abb. 15: Hauptachsen des Energienetz-Entwicklungsplans bis 2020:<br />

4 Horizontal/6 Vertikal Energienetz-Struktur<br />

Abb. 16:<br />

Abb. 17:<br />

Abb. 18:<br />

Abb. 19:<br />

Abb. 20:<br />

Abb. 21:<br />

Nominales BIP-Wachstum <strong>der</strong> <strong>West</strong>provinzen und Gesamtchinas<br />

Volkswirtschaften <strong>der</strong> <strong>West</strong>provinzen im Vergleich<br />

Vergleich <strong>der</strong> Entwicklung <strong>der</strong> Exporte aus den <strong>West</strong>provinzen und<br />

Gesamtchina mit dem Vorjahreswert im ersten Halbjahr 2009<br />

Übersicht über BIP und BIP-Glie<strong>der</strong>ung nach Sektoren auf<br />

Provinzebene in <strong>West</strong>china<br />

Übersicht über die Gewerbe- und Hightech-Parks in <strong>West</strong>china<br />

und ihre Ratings<br />

Entwicklung FDI-Anteil und BIP-Anteil des <strong>West</strong>ens<br />

an gesamt<strong>chinesischen</strong> Größen 2005-2008<br />

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5 |<br />

<strong>Die</strong> <strong>Go</strong>-<strong>West</strong>-<strong>Strategie</strong> <strong>der</strong> <strong>chinesischen</strong> <strong>Regierung</strong> – Chancen für die deutsche Wirtschaft?<br />

Abb. 22: Präsenz ausländischer Unternehmen in den <strong>chinesischen</strong> Provinzen:<br />

Vergleich <strong>der</strong> Anzahl registrierter ausländischer Firmen in China<br />

Abb. 23: Regionale und Branchen-Verteilung deutscher Unternehmen<br />

in den <strong>chinesischen</strong> <strong>West</strong>provinzen<br />

Abb. 24:<br />

Vergleich <strong>der</strong> Rahmenbedingungen für den Geschäftsbetrieb in China:<br />

Zeitdauer für relevante unternehmensbezogene Vorgänge (ohne Tibet)<br />

Abb. 25: Beurteilung <strong>der</strong> Bedeutung verschiedener Standortfaktoren für<br />

Unternehmen in China und Ausprägung in den <strong>West</strong>provinzen<br />

Abb. 26: Stärken-Schwächen-Profil <strong>der</strong> <strong>West</strong>provinzen<br />

Abb. 27: Planerfüllung <strong>der</strong> <strong>chinesischen</strong> <strong>West</strong>provinzen im 10. Fünfjahresplan<br />

Abb. 28: Überblick zum Verhältnis <strong>der</strong> <strong>West</strong>provinzen zu Gesamtchina<br />

Abb. 29: Das "4 Billionen-Konjunkturprogramm" und seine Bedeutung<br />

für die <strong>West</strong>provinzen<br />

Abb. 30: Für das Benchmarking auf <strong>der</strong> analytischen Ebene verwendete<br />

Indikatoren und Maßzahlen<br />

Abb. 31: Schematische Übersicht zur Methodik <strong>der</strong> vergleichenden<br />

Beurteilung <strong>der</strong> Gebietskörperschaften<br />

Abb. 32: 13 wichtigste Wirtschaftszentren in den <strong>West</strong>provinzen<br />

Abb. 33: Abbildung <strong>der</strong> Attraktivität <strong>der</strong> <strong>West</strong>provinzen aus analytischer<br />

und Unternehmensperspektive<br />

Abb. 34: Erzielte Rangplätze <strong>der</strong> Provinzen aus <strong>der</strong> analytischen Perspektive<br />

in den einzelnen analysierten Dimensionen<br />

Abb. 35: Erzielte Rangplätze <strong>der</strong> Provinzen aus <strong>der</strong> Unternehmensperspektive<br />

Abb. 36: Abbildung <strong>der</strong> Attraktivität führen<strong>der</strong> Agglomerationen aus analytischer<br />

und Unternehmensperspektive<br />

Abb. 37:<br />

Erzielte Rangplätze <strong>der</strong> 13 führenden Wirtschaftszentren aus <strong>der</strong><br />

analytischen Perspektive in den einzelnen analysierten Dimensionen<br />

Abb. 38: Entwicklung bilaterales Handelsvolumen China und Deutschland<br />

Abb. 39: Für deutsche Unternehmen attraktive Standorte nach Industriezweigen<br />

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6 |<br />

Studie<br />

Vorwort<br />

<strong>Die</strong> chinesische <strong>Regierung</strong> bemüht sich mit ihrer <strong>Go</strong>-<strong>West</strong>-<strong>Strategie</strong> seit fast<br />

zehn Jahren, die ökonomischen, sozialen und ökologischen Rahmenbedingungen<br />

für die Entwicklung <strong>West</strong>chinas zu verbessern.<br />

<strong>Die</strong> vorliegende Studie geht auf deutsch-chinesische Wirtschaftskonsultationen<br />

und das Interesse <strong>der</strong> <strong>chinesischen</strong> <strong>Regierung</strong> zurück, mehr Investitionen<br />

aus Deutschland für den <strong>chinesischen</strong> <strong>West</strong>en anzuziehen.<br />

Vor diesem Hintergrund hat das Bundesministerium für Wirtschaft und<br />

Technologie <strong>Roland</strong> <strong>Berger</strong> Strategy Consultants im Juni 2009 beauftragt,<br />

eine Studie zu den ökonomischen Potenzialen für deutsche Unternehmen<br />

im <strong>West</strong>en Chinas zu erstellen.<br />

<strong>Die</strong> Kernaufgaben <strong>der</strong> Studie waren dabei<br />

> Eine Bestandsaufnahme <strong>der</strong> wirtschaftlichen Situation in den<br />

<strong>West</strong>provinzen<br />

> Eine Bewertung <strong>der</strong> <strong>Go</strong>-<strong>West</strong>-<strong>Strategie</strong> und <strong>der</strong> zukünftig geplanten<br />

Weichenstellungen, einschließlich des <strong>chinesischen</strong> Konjunkturpakets<br />

> Ein Beurteilung <strong>der</strong> Infrastrukturentwicklung in <strong>West</strong>china<br />

> <strong>Die</strong> Ermittlung von Geschäftsmöglichkeiten für die deutsche Wirtschaft<br />

sowie die Ableitung von Handlungsempfehlungen<br />

<strong>Die</strong> Studie wurde bei <strong>Roland</strong> <strong>Berger</strong> zwischen Juni und August 2009 vom<br />

Competence Center Civil Economics in enger Zusammenarbeit mit unseren<br />

drei <strong>chinesischen</strong> Büros erarbeitet. Große Teile <strong>der</strong> Datenaufnahme sowie<br />

die Interviews mit Experten und Unternehmen wurden gemeinsam mit den<br />

Büros von <strong>Roland</strong> <strong>Berger</strong> Strategy Consultants in China vor Ort durchgeführt.<br />

<strong>Die</strong> Studie glie<strong>der</strong>t sich fünf Hauptteile:<br />

> <strong>Die</strong> Management Summary in Teil A fasst die wesentlichen Ergebnisse<br />

<strong>der</strong> Studie in geraffter Form zusammen.<br />

> Teil B bietet eine Hinführung zum Thema und beschreibt den Kontext<br />

für die <strong>Go</strong>-<strong>West</strong>-<strong>Strategie</strong> in <strong>der</strong> Entwicklung Gesamtchinas.


7 |<br />

<strong>Die</strong> <strong>Go</strong>-<strong>West</strong>-<strong>Strategie</strong> <strong>der</strong> <strong>chinesischen</strong> <strong>Regierung</strong> – Chancen für die deutsche Wirtschaft?<br />

> Teil C leistet eine zusammenfassende Darstellung <strong>der</strong> <strong>West</strong>provinzen.<br />

Kernaufgabe ist hier, die Spezifika <strong>der</strong> <strong>West</strong>provinzen gegenüber<br />

Gesamtchina und den östlichen Provinzen herauszuarbeiten.<br />

> Teil D erläutert die Zielsetzung, die bisherigen Ergebnisse sowie die<br />

weiteren Planungen <strong>der</strong> <strong>Go</strong>-<strong>West</strong>-<strong>Strategie</strong> <strong>der</strong> <strong>chinesischen</strong> <strong>Regierung</strong>.<br />

Schwerpunkte sind dabei zwei wesentliche Themenfel<strong>der</strong> <strong>der</strong> <strong>Go</strong>-<strong>West</strong>-<br />

<strong>Strategie</strong>: die Infrastruktur und die För<strong>der</strong>ung des Außenhandels. In<br />

diesem Kontext werden auch die Aktivitäten ausländischer Unternehmen<br />

in den westlichen Provinzen betrachtet.<br />

> In Teil E werden dann die einzelnen Provinzen und die wichtigsten<br />

Wirtschaftszentren in einem systematischen Vergleich auf Basis statistischer<br />

Daten und <strong>der</strong> Ergebnisse <strong>der</strong> Unternehmensgespräche gegenübergestellt<br />

und anhand verschiedener Kriterien in eine Rangfolge gebracht.<br />

> Teil F leitet aus den Ergebnissen <strong>der</strong> Studie Schlussfolgerungen bezüglich<br />

<strong>der</strong> Chancen für die deutsche Wirtschaft in <strong>West</strong>china und Handlungsempfehlungen<br />

für das Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie<br />

ab.<br />

> Teil G enthält schließlich in geraffter Form Steckbriefe <strong>der</strong> zwölf <strong>West</strong>provinzen<br />

und <strong>der</strong> wichtigsten ökonomischen Zentren sowie ausführliche<br />

Textdarstellungen zu vier ausgewählten Regionen.<br />

Für die systematische und stimmige Aufbereitung von Informationen stellte<br />

die Datenlage in den offiziellen <strong>chinesischen</strong> Statistiken häufig eine Herausfor<strong>der</strong>ung<br />

dar. Wo immer möglich, basieren die in dieser Studie präsentierten<br />

Auswertungen auf Daten aus den Publikationen des Nationalen Amtes<br />

für Statistik <strong>der</strong> Volksrepublik China (National Bureau of Statistics of China,<br />

im Folgenden zitiert als NBS) sowie auf Quellen anerkannter internationaler<br />

Organisationen, etwa <strong>der</strong> Weltbank o<strong>der</strong> dem Internationalen Währungsfonds.<br />

Teilweise gelten die offiziellen Statistiken aber als nicht beson<strong>der</strong>s aussagekräftig.<br />

<strong>Die</strong>s ist zum Beispiel bei Angaben zu Arbeitslosenquoten <strong>der</strong> Fall,<br />

weil die entsprechenden Statistiken in <strong>der</strong> Regel nicht die komplette relevante<br />

Grundgesamtheit <strong>der</strong> Bevölkerung erfassen. Eine Reihe von Datenpunkten<br />

zu den Gebietskörperschaften ist außerdem in China nur aus den<br />

einzelnen Jahrbüchern <strong>der</strong> Provinzen o<strong>der</strong> Städte zu ermitteln. Dabei hat<br />

sich gezeigt, dass diese nicht immer mit den nationalen Statistiken konsistent<br />

sind und zum Beispiel bereits bei Angaben zu Wirtschaftsleistung o<strong>der</strong><br />

zu ausländischen Direktinvestitionen abweichen. An den Stellen <strong>der</strong> Studie,<br />

an denen Daten nicht komplett plausibilisiert werden konnten, erfolgt ein<br />

entsprechen<strong>der</strong> Hinweis.


8 |<br />

Studie<br />

Noch zwei formale Hinweise: Chinesische Namen und geografische<br />

Bezeichnungen sind in <strong>der</strong> international üblichen Hanyu-Pinyin-Umschrift<br />

wie<strong>der</strong>gegeben. Eine Ausnahme von dieser Regel wird lediglich in solchen<br />

Fällen gemacht, bei denen im Deutschen geläufige Benennungen existieren:<br />

Den Huang He kennen sicherlich die meisten deutschsprachigen Leser als<br />

Gelben Fluss, den Chang Jiang als Jangtse.<br />

Währungsangaben erfolgen im Rahmen dieser Studie durchgehend in<br />

<strong>chinesischen</strong> Yuan Renminbi (CNY). An einigen Stellen wird zur Plausibilisierung<br />

eine Umrechnung in US-Dollar mit angegeben. Umrechnungen<br />

erfolgten mit dem jeweiligen durchschnittlichen Wechselkurs des betreffenden<br />

Jahres. So entsprechen etwa für 2008 100 CNY circa 14,4 USD o<strong>der</strong><br />

9,81 EUR.<br />

<strong>Die</strong> Realisierung dieser Studie in <strong>der</strong> vorliegenden Form war nur durch die<br />

engagierte Mitwirkung zahlreicher Akteure und Institutionen auf deutscher<br />

und chinesischer Seite möglich. Unser herzlicher Dank für die tatkräftige<br />

Unterstützung bei den Recherchen gilt den Gesprächspartnern in China:<br />

zum einen den Experten aus dem Kreis von Entwicklungsbanken und <strong>der</strong><br />

<strong>chinesischen</strong> Akademie <strong>der</strong> Wissenschaften, die uns für Gespräche zur<br />

Verfügung standen, zum an<strong>der</strong>en den in China aktiven Unternehmen,<br />

die sich die Zeit für ausführliche Interviews genommen haben.<br />

Zu großem Dank verpflichtet sind wir auch <strong>der</strong> Deutschen Botschaft und<br />

<strong>der</strong> Deutschen Handelskammer in China, die uns in vielfältiger Form unterstützt<br />

haben, sowie dem Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie<br />

für die pragmatische Hilfe. Dank sagen möchten wir außerdem <strong>der</strong> Nationalen<br />

Entwicklungs- und Reformkommission (NDRC) und dem <strong>chinesischen</strong><br />

Handelsministerium (MOFCOM) für ihre Bereitschaft zur Kooperation.


9 |<br />

<strong>Die</strong> <strong>Go</strong>-<strong>West</strong>-<strong>Strategie</strong> <strong>der</strong> <strong>chinesischen</strong> <strong>Regierung</strong> – Chancen für die deutsche Wirtschaft?<br />

A. Management Summary<br />

Summarisch kann die Stellung <strong>der</strong> <strong>West</strong>provinzen in China anhand von<br />

einigen Kernkenngrößen in <strong>der</strong> folgenden Abbildung dargestellt werden:<br />

<strong>Die</strong> weiteren Ergebnisse <strong>der</strong> vorliegenden Studie lassen sich in den folgenden<br />

45 Kernaussagen zusammenfassen. <strong>Die</strong> Struktur <strong>der</strong> Darstellung entspricht<br />

dabei zur leichteren Orientierung <strong>der</strong> Kapitelfolge <strong>der</strong> Studie.<br />

<strong>Die</strong> <strong>chinesischen</strong> <strong>West</strong>provinzen: Nahaufnahme<br />

> "<strong>Die</strong> <strong>West</strong>provinzen": <strong>Die</strong> <strong>West</strong>provinzen in <strong>der</strong> Definition <strong>der</strong> <strong>chinesischen</strong><br />

<strong>Regierung</strong> stellen keine in irgendeiner Form homogene Gruppe<br />

von Regionen dar – im Gegenteil: <strong>Die</strong> sechs Provinzen, fünf Autonomen<br />

Regionen und eine regierungsunmittelbare Stadt sind in fast je<strong>der</strong> Hinsicht<br />

heterogen: geografisch, klimatisch, bezüglich spezifischer Ressourcen,<br />

Einwohnerzahl und Bevölkerungsdichte, Wirtschaftsstrukturen,<br />

Wirtschaftsleistung o<strong>der</strong> <strong>der</strong> Affinität für ausländische Investoren. <strong>Die</strong><br />

Gemeinsamkeit <strong>der</strong> einzelnen Provinzen besteht lediglich darin, dass sie<br />

im Vergleich zu den übrigen <strong>chinesischen</strong> Regionen Chinas als weniger<br />

entwickelt gelten und deshalb im Rahmen <strong>der</strong> <strong>Go</strong>-<strong>West</strong>-<strong>Strategie</strong> in <strong>der</strong><br />

politischen Planung gemeinsam betrachtet werden.


10 |<br />

Studie<br />

> Natur und Raum: Zum Teil weisen die <strong>West</strong>provinzen extreme geografische<br />

und klimatische Bedingungen auf (Wüsten, ausgeprägte Höhenlagen),<br />

was die Rahmenbedingungen für wirtschaftliche Tätigkeit, etwa<br />

bei <strong>der</strong> Landwirtschaft, deutlich erschwert. Gerade in den nördlichen<br />

und einigen westlichen Regionen fallen sehr geringe Nie<strong>der</strong>schläge<br />

und es herrscht Wassermangel.<br />

> Ressourcen: <strong>Die</strong> <strong>West</strong>provinzen sind reich an natürlichen Ressourcen:<br />

Es finden sich sehr große Anteile wichtiger Rohstoffe, zum Beispiel Kohle<br />

(53% <strong>der</strong> <strong>chinesischen</strong> Reserven), Erdgas (68% <strong>der</strong> <strong>chinesischen</strong> Reserven),<br />

Zinn (80% <strong>der</strong> <strong>chinesischen</strong> Reserven) o<strong>der</strong> Nickel (97% <strong>der</strong> <strong>chinesischen</strong><br />

Reserven). Außerdem liegen 37% des verfügbaren Ackerlandes<br />

– eine in China zunehmend knappe Ressource – im <strong>West</strong>en.<br />

> Demografie: In den <strong>West</strong>provinzen leben 365 Mio. Menschen, die sich<br />

aber sehr ungleich über die riesige Fläche dieser Regionen (69% <strong>der</strong><br />

Fläche Chinas) verteilen: So leben in Sichuan 81 Mio. Menschen, in <strong>der</strong><br />

weit größeren Autonomen Region Tibet nur knapp 3 Millionen. Von <strong>der</strong><br />

Gesamtbevölkerung leben mit 35% noch deutlich unterdurchschnittlich<br />

viele Menschen in den Städten (China gesamt: 45%). <strong>Die</strong> Bevölkerungsentwicklung<br />

ist analog zu Gesamtchina praktisch stabil. Überdurchschnittlich<br />

wächst die Bevölkerungszahl nur in einigen Autonomen<br />

Regionen, in denen die Angehörigen <strong>der</strong> nationalen Min<strong>der</strong>heiten<br />

von den Vorgaben <strong>der</strong> Ein-Kind-Politik ausgenommen sind.<br />

> Bildung: <strong>West</strong>china liegt bei den Bevölkerungsanteilen mit höherer<br />

Schulbildung mit 11% und einem Akademikeranteil von 5% leicht unter<br />

den gesamt<strong>chinesischen</strong> Werten von 13% beziehungsweise 7%. Auch<br />

was die Zahl <strong>der</strong> Universitäten angeht, ist <strong>West</strong>china mit 1,1 Einrichtungen<br />

pro 1 Million Einwohner nicht deutlich schlechter gestellt als<br />

<strong>der</strong> Osten Chinas (1,3). Allerdings wird mit im Schnitt 170.000 CNY<br />

(circa 24.500 USD) pro 1.000 Einwohner im <strong>West</strong>en deutlich weniger<br />

in Bildungseinrichtungen investiert als im Osten (211.000 CNY,<br />

circa 30.400 USD).<br />

> Forschung: In <strong>der</strong> Forschungsleistung – gemessen an <strong>der</strong> Zahl <strong>der</strong><br />

Patente – liegen die <strong>West</strong>provinzen noch deutlich hinter dem Osten<br />

Chinas zurück: So wurden 2008 nur 10% <strong>der</strong> in China angemeldeten<br />

Patente im <strong>West</strong>en erarbeitet (insgesamt 33.000). Innerhalb <strong>der</strong> <strong>West</strong>provinzen<br />

sind die Unterschiede zudem sehr stark: Zwei Drittel <strong>der</strong> in<br />

<strong>West</strong>china angemeldeten Patente entfallen auf die Provinzen Sichuan<br />

(40%), Chongqing (14%) und Shaanxi (13%).


11 |<br />

<strong>Die</strong> <strong>Go</strong>-<strong>West</strong>-<strong>Strategie</strong> <strong>der</strong> <strong>chinesischen</strong> <strong>Regierung</strong> – Chancen für die deutsche Wirtschaft?<br />

> Kaufkraft und Konsum: Das verfügbare Pro-Kopf-Einkommen liegt in den<br />

westlichen Provinzen mit knapp 10.000 CNY (circa 1.400 USD) deutlich<br />

unter dem <strong>der</strong> östlichen Provinzen mit 12.000 CNY (circa 1.700 USD).<br />

Dementsprechend reduziert ist das Konsumverhalten: Zwar entsprechen<br />

die Konsumausgaben <strong>der</strong> west<strong>chinesischen</strong> Bevölkerung mit einem<br />

Anteil von 17% an denen Gesamtchinas ungefähr dem Anteil <strong>der</strong> Wirtschaftsleistung<br />

(19%). <strong>Die</strong> Ausstattung mit Wohlstandsgütern wie Fahrzeugen,<br />

Klimaanlagen o<strong>der</strong> Computern liegt aber noch deutlich unter<br />

<strong>der</strong> im östlichen Teil Chinas (zum Beispiel 5,7 Fahrzeuge pro 100 Einwohner<br />

im <strong>West</strong>en vs. 8,8 im Osten).<br />

> Herausfor<strong>der</strong>ungen: Spezifische Herausfor<strong>der</strong>ungen für die Politik stellen<br />

Armut und Arbeitslosigkeit und die ethnische Situation dar: Das Armutsniveau<br />

ist im <strong>West</strong>en mit 8,7% <strong>der</strong> Bevölkerung deutlich höher als im<br />

Osten (3,8%). <strong>Die</strong> offiziellen Arbeitslosenquoten liegen zwar im <strong>chinesischen</strong><br />

Schnitt, berücksichtigen aber in <strong>der</strong> Regel die ländliche Bevölkerung<br />

und Wan<strong>der</strong>arbeiter nicht ausreichend, sodass man auch hier<br />

von höheren Werten im <strong>West</strong>en ausgehen kann. Darüber hinaus lebt<br />

in <strong>West</strong>china ein Großteil <strong>der</strong> nationalen Min<strong>der</strong>heiten Chinas: <strong>Die</strong>se<br />

stellen im <strong>West</strong>en 20% <strong>der</strong> Bevölkerung (vs. 8% im Osten), und die<br />

strikte Assimilierungspolitik <strong>der</strong> <strong>chinesischen</strong> Zentralregierung führt<br />

immer wie<strong>der</strong> zu gewaltsamen Konflikten wie in Tibet im Jahre 2008<br />

o<strong>der</strong> in Xinjiang im Sommer 2009.<br />

> Umweltverschmutzung: Der <strong>West</strong>en Chinas ist in beson<strong>der</strong>em Maße von<br />

Umweltproblemen betroffen. Dazu zählen Wasserknappheit und Wasserverschmutzung,<br />

Erosion und Degradation von Böden sowie verstärkte<br />

Wüstenbildung, Entwaldung sowie starke Luftverschmutzung<br />

<strong>Die</strong> <strong>Go</strong>-<strong>West</strong>-<strong>Strategie</strong> <strong>der</strong> <strong>chinesischen</strong> <strong>Regierung</strong>:<br />

Ziele, Ergebnisse und Ausblick<br />

> <strong>Die</strong> <strong>Go</strong>-<strong>West</strong>-<strong>Strategie</strong>: <strong>Die</strong> politischen Zielsetzungen <strong>der</strong> <strong>Go</strong>-<strong>West</strong>-<strong>Strategie</strong><br />

müssen im Kontext des <strong>chinesischen</strong> Systems <strong>der</strong> "sozialistischen<br />

Marktwirtschaft" verstanden werden, die noch starke Züge einer Zentralverwaltungswirtschaft<br />

trägt. <strong>Die</strong> <strong>Go</strong>-<strong>West</strong>-<strong>Strategie</strong> wurde 1999 aus<br />

<strong>der</strong> Motivation heraus entwickelt, die drastischen Entwicklungsunterschiede<br />

zwischen den westlichen Regionen Chinas und den sich stark<br />

entwickelnden östlichen Regionen auszu-gleichen. Im Jahr 2000 wurde<br />

die <strong>Go</strong>-<strong>West</strong>-<strong>Strategie</strong> in den 10. Fünfjahresplan (2001-2006) integriert.


12 |<br />

Studie<br />

> Politische Programme: <strong>Die</strong> wichtigsten politischen Regelungen <strong>der</strong><br />

<strong>Go</strong>-<strong>West</strong>-<strong>Strategie</strong> sind <strong>der</strong> 10. und <strong>der</strong> 11. Fünfjahresplan mit jeweils<br />

spezifischen <strong>Go</strong>-<strong>West</strong>-Programmen, <strong>der</strong> "<strong>Go</strong> <strong>West</strong> Implementation Guide"<br />

sowie die Liste <strong>der</strong> geför<strong>der</strong>ten Industrien für Auslandsinvestitionen.<br />

> Der 10. und <strong>der</strong> 11. Fünfjahresplan: <strong>Die</strong> <strong>Go</strong>-<strong>West</strong>-<strong>Strategie</strong> wurde als<br />

zentraler Baustein in den 10. Fünfjahresplan (2001-2006) integriert.<br />

Als wesentliche Ziele wurden dabei festgeschrieben, die Infrastruktur in<br />

ländlichen Gebieten zu verbessern, umfassende Wie<strong>der</strong>aufforstung und<br />

Sanierung von Flächen vorzunehmen, das Bildungsniveau in den <strong>West</strong>provinzen<br />

anzuheben und die Effizienz in Industriebetrieben zu steigern.<br />

Da diese Ziele (siehe Teil C) nur zum Teil erreicht wurden, wurde die<br />

<strong>Go</strong>-<strong>West</strong>-<strong>Strategie</strong> im 11. Fünfjahresplan (2006-2010) fortgeschrieben,<br />

<strong>der</strong> insgesamt eine Kurskorrektur von einer quantitativen zu einer mehr<br />

qualitativen Wirtschaftsentwicklung vorsieht. Für die <strong>West</strong>provinzen sind<br />

eine Forcierung <strong>der</strong> Infrastrukturentwicklung, vor allem beim Straßenund<br />

Schienenbau, sowie die För<strong>der</strong>ung bestimmter Wirtschaftszweige<br />

vorgesehen. Der Schwerpunkt liegt dabei auf <strong>der</strong> Energiewirtschaft, <strong>der</strong><br />

Chemiebranche, dem Abbau und <strong>der</strong> Verarbeitung von Mineralien, <strong>der</strong><br />

Verarbeitung landwirtschaftlicher Produkte, dem Maschinenbau, Hightech-Industrien<br />

und dem Tourismus. Außerdem ist die För<strong>der</strong>ung von<br />

drei Fokusregionen mit Leuchtturmfunktion vorgesehen, <strong>der</strong> Region<br />

Guanzhong-Tianshui (in den Provinzen Shaanxi und Gansu), <strong>der</strong> Region<br />

Chengdu-Chongqing und <strong>der</strong> sogenannten "North Bay" in <strong>der</strong> Provinz<br />

Guangxi.<br />

> Der "<strong>Go</strong> <strong>West</strong> Implementation Guide" und die Liste <strong>der</strong> geför<strong>der</strong>ten Industrien<br />

für Auslandsinvestitionen: In <strong>der</strong> Umsetzungsrichtline <strong>der</strong> <strong>Go</strong>-<strong>West</strong>-<br />

<strong>Strategie</strong> wurden zehn wesentliche Politikmaßnahmen definiert, die im<br />

Rahmen <strong>der</strong> <strong>Strategie</strong> umzusetzen sind. Mehr als die Hälfte <strong>der</strong> aufgeführten<br />

Maßnahmen zielt darauf ab, die Bedingungen für Unternehmen<br />

mit ausländischer Beteiligung zu verbessern, etwa im Bereich <strong>der</strong> Steuerpolitik.<br />

Für Auslandsinvestitionen in den <strong>chinesischen</strong> <strong>West</strong>provinzen<br />

wurde außerdem ein sehr ausführlicher Katalog <strong>der</strong> "geför<strong>der</strong>ten Branchen"<br />

und <strong>der</strong> in diesen Branchen vorrangig geför<strong>der</strong>ten Aktivitäten<br />

erstellt. Für diese Branchen kann in den jeweils benannten Regionen<br />

von ausländischen Unternehmen insbeson<strong>der</strong>e <strong>der</strong> vermin<strong>der</strong>te Körperschaftssteuersatz<br />

von 15% in Anspruch genommen werden.<br />

> Status quo Infrastrukturentwicklung: In <strong>der</strong> ersten Phase <strong>der</strong> <strong>Go</strong>-<strong>West</strong>-<br />

<strong>Strategie</strong> lag <strong>der</strong> Fokus im Wesentlichen auf dem Ausbau <strong>der</strong> Infrastruktur.<br />

Neben Großprojekten wie <strong>der</strong> Eisenbahnverbindung Qinghai-Lhasa<br />

(abgeschlossen 2006), den <strong>West</strong>-Ost-Gaspipelines, dem <strong>West</strong>-Ost-Elektri-


13 |<br />

<strong>Die</strong> <strong>Go</strong>-<strong>West</strong>-<strong>Strategie</strong> <strong>der</strong> <strong>chinesischen</strong> <strong>Regierung</strong> – Chancen für die deutsche Wirtschaft?<br />

zitätsübertragungssystem und dem Süd-Nord-Wassertransferprojekt<br />

(<strong>der</strong>zeit in <strong>der</strong> Umsetzung) wurden vor allem Verkehrsinfrastruktur-<br />

Entwicklungsprojekte angestoßen. So wurden zwischen 1999 und 2007<br />

über 12.000 Kilometer Autobahnen und 8.000 Kilometer Schienenwege<br />

gebaut. Dabei stand vor allem die Anbindung <strong>der</strong> <strong>West</strong>provinzen an den<br />

Osten Chinas im Vor<strong>der</strong>grund. Der Ausbau soll auch in Zukunft weitergehen:<br />

Bis 2030 ist eine Verdopplung <strong>der</strong> Länge <strong>der</strong> Schnellstraßen im<br />

<strong>West</strong>en vorgesehen, <strong>der</strong> Ausbau des Schienenverkehrs wird eine größere<br />

Rolle spielen, außerdem wird ein stärkerer Fokus darauf gelegt werden,<br />

die Zentren <strong>West</strong>chinas miteinan<strong>der</strong> zu verknüpfen.<br />

> Energieerzeugung: <strong>Die</strong> Elektrizitätserzeugungskapazität stieg zwischen<br />

1999 und 2007 von 71 Gigawatt auf über 200 Gigawatt. <strong>Die</strong> Netz- und<br />

Übertragungskapazitäten haben mit dieser Entwicklung aber nicht Schritt<br />

gehalten, daher sind weiterhin große Investitionen in den Netzausbau<br />

nötig. Geplant ist, ein chinaweites Netz von Hochspannungsübertragungsleitungen<br />

zu errichten, das die starken Erzeugungskapazitäten im<br />

<strong>West</strong>en systematisch mit den Ostprovinzen und den Norden mit dem<br />

Süden des Landes verbindet. Künftig soll auf die erneuerbaren Energien<br />

ein größerer Anteil an <strong>der</strong> Energieerzeugung entfallen, weil es gerade<br />

im <strong>West</strong>en große Potenziale und vielversprechende erste Projekte im<br />

Bereich Wind- und Solarenergie gibt.<br />

> Wirtschaftliche Entwicklung: Das Bruttoinlandsprodukt <strong>der</strong> <strong>West</strong>provinzen<br />

lag 2008 bei 5,8 Billionen CNY (circa 840 Mrd. USD). Das entspricht<br />

einem Anteil von 19% an <strong>der</strong> Wirtschaftsleistung <strong>der</strong> Volksrepublik<br />

China. Bis zum Jahr 2000 hinkte die wirtschaftliche Entwicklung <strong>der</strong><br />

westlichen Provinzen <strong>der</strong>jenigen Gesamtchinas hinterher. Seit 2001<br />

konnte <strong>der</strong> <strong>West</strong>en jedoch im Wachstumstempo aufholen und lag<br />

beim Wachstum in etwa im gesamt<strong>chinesischen</strong> Schnitt. Um in <strong>der</strong><br />

Wirtschaftskraft aber zum Osten aufzuschließen, müsste <strong>der</strong> <strong>West</strong>en<br />

deutlich stärker wachsen als Gesamtchina. <strong>Die</strong>s ist zur Zeit nicht <strong>der</strong><br />

Fall. <strong>Die</strong> Wirtschaftsleistung in den <strong>West</strong>provinzen ist extrem ungleich<br />

verteilt: Allein Sichuan, die Innere Mongolei, Guangxi, Shaanxi und<br />

Chongqing erwirtschaften knapp 60% des westlichen BIP.<br />

> Wirtschaftskrise: Glaubt man den offiziellen Statistiken trotz einiger<br />

Unklarheiten, gibt es Indikationen dafür, dass die <strong>West</strong>provinzen von<br />

den Auswirkungen <strong>der</strong> Wirtschaftskrise zwar ebenso wie Gesamtchina<br />

hart getroffen werden, aber weniger stark als die östlichen Regionen.<br />

<strong>Die</strong>s lässt sich anhand <strong>der</strong> Wachstums- und <strong>der</strong> Exportentwicklung<br />

zeigen. <strong>Die</strong> These wird außerdem durch die Tatsache gestützt, dass <strong>der</strong><br />

Schwerpunkt des <strong>chinesischen</strong> Konjunkturpakets auf Leistungen für<br />

den <strong>West</strong>teil des Landes liegt.


14 |<br />

Studie<br />

> Industriestruktur: <strong>Die</strong> Industriestruktur ist in <strong>West</strong>china noch sehr stark<br />

am primären Sektor orientiert: Während im Osten Chinas nur 9% <strong>der</strong><br />

Wirtschaftsleistung aus <strong>der</strong> Landwirtschaft und 4% aus dem Bergbau<br />

stammen, spielen in den <strong>West</strong>provinzen die Landwirtschaft mit 16%<br />

und <strong>der</strong> Bergbau mit 9% <strong>der</strong> Wirtschaftsleistung eine sehr viel wichtigere<br />

Rolle. Dagegen ist <strong>der</strong> <strong>Die</strong>nstleistungssektor mit im Schnitt 35% Anteil<br />

am Bruttoinlandsprodukt im <strong>West</strong>en noch stark unterentwickelt.<br />

> Industrielle Zentren im <strong>West</strong>en: Im <strong>West</strong>en zeigen sich neben Bergbau<br />

und Landwirtschaft sechs weitere Industriezweige, in denen sich die<br />

Wertschöpfung <strong>der</strong> <strong>West</strong>provinzen deutlich positiv vom durchschnittlichen<br />

Beitrag des <strong>West</strong>ens zum gesamt<strong>chinesischen</strong> Volkseinkommen<br />

abhebt und regionale Stärken zeigt: die Getränkeindustrie, die Tabakindustrie,<br />

die Metallverarbeitung (ohne Eisen und Stahl), die Erzeugung<br />

von Erdgas, Wasser und Elektrizität, das Hotel- und Gaststättengewerbe<br />

sowie die pharmazeutische Industrie.<br />

> Gewerbe- und Hightech-Parks im <strong>West</strong>en: <strong>Die</strong> beiden wichtigsten Gruppen<br />

von Industrieparks in China sind die Nationalen Wirtschafts- und Technologie-Entwicklungszonen<br />

(National Economic and Technological Development<br />

Zones, ETDZ) auf <strong>der</strong> einen Seite und die Nationalen Hightech-<br />

Entwicklungszonen (National Hi-Tech Industrial Development Zones,<br />

HIDZ) auf <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en Seite. Heute existieren in ganz China 54 ETDZ,<br />

davon 13 in <strong>West</strong>china, und 53 HTDZ, davon 12 in <strong>West</strong>china. Mit<br />

wenigen Ausnahmen sind diese Industrie- und Hightech-Parks in <strong>der</strong><br />

Nähe <strong>der</strong> jeweiligen Provinzhauptstädte angesiedelt. Bezüglich <strong>der</strong><br />

Anzahl von jeweils etwa einem Fünftel entspricht die Zahl <strong>der</strong> Entwicklungszonen<br />

in <strong>West</strong>china also in etwa <strong>der</strong> west<strong>chinesischen</strong> Wirtschaftsleistung.<br />

In <strong>der</strong> Qualität <strong>der</strong> Industrieparks können aber nur sehr wenige<br />

Parks in <strong>West</strong>china (vor allem Chongqing, Xi'an und Chengdu) mit den<br />

Wettbewerbern im Osten mithalten, wie ein Rating aller <strong>chinesischen</strong><br />

Industrieparks ergab.<br />

> Außenhandel des <strong>West</strong>ens: Beim Außenhandel liegen die <strong>West</strong>provinzen<br />

nach wie vor sehr weit hinter den an<strong>der</strong>en Regionen Chinas zurück: Der<br />

Anteil <strong>der</strong> westlichen Provinzen an den gesamt<strong>chinesischen</strong> Exporten<br />

beträgt knapp 4%. Auf <strong>der</strong> Importseite liegt <strong>der</strong> Anteil ebenfalls nur<br />

bei 4%. Den dominierenden Part im Außenhandel <strong>West</strong>chinas spielen<br />

bei den Exporten die Autonome Region Xinjiang sowie die Provinzen<br />

Sichuan und Shaanxi; die drei Provinzen erreichen zusammen einen<br />

Anteil von 50%.


15 |<br />

<strong>Die</strong> <strong>Go</strong>-<strong>West</strong>-<strong>Strategie</strong> <strong>der</strong> <strong>chinesischen</strong> <strong>Regierung</strong> – Chancen für die deutsche Wirtschaft?<br />

> Ausländische Direktinvestitionen: <strong>Die</strong> ausländischen Direktinvestitionen<br />

in <strong>der</strong> Volksrepublik China sind in den zehn Jahren zwischen 1999 und<br />

2008 mit durchschnittlich 10% pro Jahr sehr dynamisch gewachsen und<br />

lagen 2008 bei 92 Mrd. USD. Der <strong>West</strong>en absorbiert aber nach wie vor<br />

sehr viel weniger ausländische Direktinvestitionen, als es eigentlich dem<br />

Anteil seiner Wirtschaftsleistung entsprechen würde. Der Anteil an allen<br />

ausländischen Direktinvestitionen in China, <strong>der</strong> in die <strong>West</strong>provinzen<br />

geflossen ist, hat sich von einer niedrigen Basis ausgehend zwischen<br />

2005 und 2008 von 8% auf 14% vergrößert und liegt damit noch deutlich<br />

unter dem Anteil <strong>der</strong> Wirtschaftsleistung von 19%.<br />

> Präsenz internationaler Unternehmen: Von den 286.000 in <strong>der</strong> Volksrepublik<br />

registrierten ausländischen Unternehmen sind nur 16.600<br />

– das entspricht einem Anteil von 6% – in den westlichen Provinzen<br />

präsent. <strong>Die</strong> meisten Unternehmen mit ausländischer Beteiligung finden<br />

sich heute in den Provinzen Sichuan und Shaanxi sowie in den südlichen<br />

Provinzen Yunnan und Guangxi. Als Beispiele für das Engagement ausländischer<br />

Unternehmen in <strong>West</strong>china können Intel in Chengdu, Fraport<br />

in Xi'an, Duravit in Chongqing, BASF in Kunming, Joh. Barth und Sohn<br />

in Ürümqi o<strong>der</strong> die Veolia-Gruppe in verschiedenen <strong>West</strong>provinzen<br />

aufgeführt werden.<br />

> Präsenz deutscher Unternehmen: Von den knapp 3.600 Unternehmen<br />

in <strong>der</strong> Datenbank <strong>der</strong> Deutschen Handelskammer in China sind nur 167<br />

(5%) in <strong>West</strong>china registriert. Deren Verteilung innerhalb des <strong>West</strong>ens<br />

zeigt dabei einen Schwerpunkt in den Provinzen Sichuan, Shaanxi<br />

und Chongqing. In <strong>der</strong> Branchenverteilung zeigt sich die Dominanz<br />

des Maschinenbaus, dem fast die Hälfte <strong>der</strong> deutschen Unternehmen<br />

in <strong>West</strong>china zuzurechnen sind. Es folgen mit deutlichem Abstand in<br />

<strong>der</strong> Bedeutung die Elektronik-, IT-, Automobil- und Chemiebranche.<br />

> Rahmenbedingungen für ausländische Unternehmen: <strong>Die</strong> Aufnahme<br />

und die Ausübung einer Geschäftstätigkeit in den <strong>West</strong>provinzen werden<br />

immer noch als schwieriger beurteilt als in Ostchina. <strong>Die</strong> Gründung eines<br />

Unternehmens dauert mit durchschnittlich 45 Tagen länger als im Osten<br />

(39 Tage). Ähnlich verhält es sich mit <strong>der</strong> Zeit, die die Registrierung von<br />

Eigentum (57 Tage im <strong>West</strong>en vs. 50 Tage im Osten), die Registrierung<br />

von Kreditgarantien (21 Tage im <strong>West</strong>en vs. 14 Tage im Osten) und die<br />

Durchsetzung von Verträgen vor Gericht (351 Tage im <strong>West</strong>en vs. 300<br />

Tage im Osten) in Anspruch nehmen. Sichuan, Chongqing und Shaanxi<br />

erzielen dabei nicht nur die besten Platzierungen unter allen <strong>West</strong>provinzen;<br />

sie schneiden im Schnitt auch besser ab als die ost<strong>chinesischen</strong><br />

Provinzen.


16 |<br />

Studie<br />

> Motivation <strong>der</strong> Unternehmen für eine Tätigkeit in den <strong>West</strong>provinzen: <strong>Die</strong><br />

Unternehmensinterviews, die für die vorliegende Studie geführt wurden,<br />

machten deutlich, dass für das Engagement in <strong>West</strong>china im Prinzip vor<br />

allem die lokalen Marktchancen, das Mitgehen mit Kunden o<strong>der</strong> Lieferanten<br />

und bis zu einem gewissen Grad die bessere Kostensituation<br />

ausschlaggebend sind. Gleicht man diese Motivationslage mit dem<br />

Stärken-Schwächen-Profil <strong>der</strong> <strong>West</strong>provinzen ab, so zeigt sich, dass <strong>der</strong><br />

<strong>West</strong>en eher in den Bereichen punkten kann, die von den Unternehmen<br />

als weniger wichtig betrachtet werden, also etwa bei <strong>der</strong> Verfügbarkeit<br />

natürlicher Ressourcen o<strong>der</strong> bei <strong>der</strong> Wirtschaftspolitik. Überraschend<br />

wenig Bedeutung messen die befragten Unternehmen <strong>der</strong> vorhandenen<br />

politischen Unterstützung und <strong>der</strong> Wirtschaftför<strong>der</strong>ung zu. <strong>Die</strong>s wird<br />

nicht als beson<strong>der</strong>er Mehrwert <strong>der</strong> <strong>West</strong>provinzen betrachtet, weil<br />

viele an<strong>der</strong>e Standorte in China ähnliche Konditionen bieten.<br />

> Spezifische Herausfor<strong>der</strong>ungen für Unternehmen in <strong>West</strong>china: Insgesamt<br />

lässt sich festhalten, dass sich aus Sicht <strong>der</strong> Unternehmen die Rahmenbedingungen<br />

in <strong>West</strong>china nicht grundsätzlich o<strong>der</strong> extrem, son<strong>der</strong>n<br />

eher graduell und bezüglich einiger Spezifika von den Gegebenheiten<br />

in an<strong>der</strong>en Regionen Chinas unterscheiden. Als spezifische Herausfor<strong>der</strong>ungen<br />

wurden insbeson<strong>der</strong>e das Qualifikationsniveau des Personals, die<br />

schwierigere Situation für Expatriates, die geringere Erfahrung lokaler<br />

Behörden im Umgang mit Auslän<strong>der</strong>n und ausländischen Unternehmen,<br />

die enormen Entfernungen und die an<strong>der</strong>en logistischen Herausfor<strong>der</strong>ungen<br />

sowie die Langwierigkeit administrativer Vorgänge angeführt.<br />

Außerdem gilt <strong>der</strong> Aufbau langfristiger und intensiver persönlicher<br />

Beziehungen im <strong>West</strong>en als noch wichtiger für den Geschäftserfolg<br />

als im östlichen China – das erfor<strong>der</strong>t Zeit und Geduld.<br />

> Spezifische Stärken <strong>der</strong> <strong>West</strong>provinzen:<br />

– Große Vorkommen wichtiger Bodenschätze, vor allem bezüglich<br />

Energierohstoffen (Erdgas, Kohle, Wasserkraft)<br />

– Boomende Rohstoffbranchen und bisher niedriger Grad an<br />

Ausbeutung <strong>der</strong> Naturressourcen<br />

– Rolle als wichtige Schaltstelle für den Handel mit Zentralasien<br />

(Xinjiang) und Südostasien (Yunnan)<br />

– Niedriges Kostenniveau im Vergleich zu den Ostküstenregionen<br />

– Stark verbesserte Verkehrsinfrastruktur<br />

– Starke ökonomische Entwicklung in einzelnen Regionen und Herausbildung<br />

wichtiger Konsumentenmärkte in einzelnen Ballungszentren<br />

– Herausbildung einzelner relevanter technologischer Zentren,<br />

vor allem in Sichuan, Chongqing und Shaanxi


17 |<br />

<strong>Die</strong> <strong>Go</strong>-<strong>West</strong>-<strong>Strategie</strong> <strong>der</strong> <strong>chinesischen</strong> <strong>Regierung</strong> – Chancen für die deutsche Wirtschaft?<br />

> Spezifische Schwächen <strong>der</strong> <strong>West</strong>provinzen:<br />

– Einzelne Regionen geografisch sehr stark abgelegen, vor allem<br />

Qinghai und Tibet<br />

– Teilweise extremes Klima, vor allem in den nördlichen und<br />

westlichen Regionen<br />

– Schwelende ethnische Konflikte, vor allem in Tibet und in Xinjiang<br />

– Starke Umweltverschmutzung, bereits starke Abholzung und<br />

zunehmende Wüstenbildung<br />

– Überproportionale Bedeutung von Landwirtschaft und Bergbau in<br />

<strong>der</strong> Wirtschaft – dagegen geringe Bedeutung von <strong>Die</strong>nstleistungen<br />

– Starke Uneinheitlichkeit <strong>der</strong> Wirtschaftsentwicklung in den<br />

Provinzen<br />

– Unterentwickelte Konsumentenmärkte wegen <strong>der</strong> Armut signifikanter<br />

Teile <strong>der</strong> Bevölkerung<br />

– Teilweise nicht hinreichend qualifizierte Arbeitskräfte<br />

– Geringe Ausrichtung an und Erfahrung mit Auslandsinvestitionen<br />

Zehn Jahre <strong>Go</strong>-<strong>West</strong>-<strong>Strategie</strong>: <strong>Die</strong> chinesische <strong>Regierung</strong> hebt in ihrer<br />

bisherigen offiziellen Bewertung die positiven Effekte <strong>der</strong> <strong>Go</strong>-<strong>West</strong>-<strong>Strategie</strong><br />

hervor: Erfolge seien insbeson<strong>der</strong>e bei <strong>der</strong> Infrastrukturentwicklung, dem<br />

Wirtschaftswachstum, <strong>der</strong> Erhöhung <strong>der</strong> Haushaltseinkommen sowie durch<br />

die Verän<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Wirtschaftsstruktur – stärkere Entwicklung <strong>der</strong> Industrieproduktion<br />

relativ zur Landwirtschaft – erzielt worden. Es wurden<br />

auch in <strong>der</strong> Tat einige messbare Fortschritte erreicht. Beispielhaft sei hier<br />

angeführt, dass sich <strong>der</strong> Human Development Index <strong>der</strong> Vereinten Nationen<br />

für die <strong>West</strong>provinzen zwischen 1999 und 2008 von im Schnitt 0,59 auf<br />

0,72 verbessert hat.<br />

Erfolge <strong>der</strong> Provinzen: <strong>Die</strong> Provinzebene in <strong>der</strong> Umsetzung <strong>der</strong> <strong>Go</strong>-<strong>West</strong>-<br />

<strong>Strategie</strong> ist sehr stark auf die Funktion eines rein ausführenden Organs<br />

beschränkt. Zwar dürfen eigenständige ergänzende Programme entwickelt<br />

werden, dies unterbleibt aber häufig aufgrund <strong>der</strong> starken Budgetknappheit<br />

<strong>der</strong> regionalen Gebietskörperschaften. <strong>Die</strong> Umsetzung <strong>der</strong> <strong>Strategie</strong> ist<br />

damit immer noch sehr stark zentralistisch von oben nach unten gesteuert.<br />

Eine Analyse <strong>der</strong> Planerfüllung <strong>der</strong> Provinzen im 10. Fünfjahresplan zeigt,<br />

dass alle Provinzen die in den Fünfjahresplänen vorgesehenen Ziele weitestgehend<br />

erfüllt haben. Es ist davon auszugehen, dass im offiziellen <strong>chinesischen</strong><br />

Reporting-Mechanismus im Regelfall eine volle Zielerreichung berichtet<br />

wird, gegebenenfalls mit entsprechen<strong>der</strong> Anpassung <strong>der</strong> Daten. <strong>Die</strong><br />

Aussagefähigkeit dieser Berichte für einen systematischen Vergleich <strong>der</strong><br />

Provinzen ist daher eingeschränkt.


18 |<br />

Studie<br />

Status <strong>der</strong> <strong>West</strong>provinzen heute: Es muss generell festgehalten werden, dass<br />

zehn Jahre nach dem Start <strong>der</strong> <strong>Go</strong>-<strong>West</strong>-<strong>Strategie</strong> in vielen Bereichen noch<br />

ein erheblicher Abstand zwischen den <strong>West</strong>provinzen und den wohlhaben<strong>der</strong>en<br />

Ostprovinzen klafft. Beispielhaft sei angeführt, dass die <strong>West</strong>provinzen<br />

zwar 69% <strong>der</strong> Fläche und 28% <strong>der</strong> Bevölkerung ausmachen, aber lediglich<br />

19% des Bruttoinlandsprodukts, 17% <strong>der</strong> Konsumausgaben, 14% <strong>der</strong><br />

ausländischen Direktinvestitionen, 10% <strong>der</strong> angemeldeten Patente, 6% <strong>der</strong><br />

ausländischen Unternehmen und 4% <strong>der</strong> Exporte erreichen. <strong>Die</strong> <strong>Go</strong>-<strong>West</strong>-<br />

<strong>Strategie</strong> hat daher ihre Ziele noch nicht erreicht und muss fortgeführt<br />

werden.<br />

Das chinesische Konjunkturpaket: Das im November 2008 aufgelegte chinesische<br />

"4 Billionen-Konjunkturprogramm" kommt überwiegend den <strong>West</strong>provinzen<br />

zugute. Wesentliche Bestandteile dieses Konjunkturpakets sind<br />

auf <strong>West</strong>china ausgerichtet und zielen auf die Beschleunigung beziehungsweise<br />

die Erweiterung von Maßnahmen, die bereits im aktuellen Fünfjahresplan<br />

aufgenommen waren. Dazu gehört <strong>der</strong> forcierte Aufbau von Transport-<br />

und Infrastrukturprojekten, unter an<strong>der</strong>em <strong>der</strong> <strong>West</strong>-Ost-Gaspipeline.<br />

Ein hoher Stellenwert wird auch den Wie<strong>der</strong>aufbaumaßnahmen in <strong>der</strong><br />

Provinz Sichuan eingeräumt, um die Beseitigung <strong>der</strong> von dem Erdbeben<br />

2008 verursachten Schäden zu beschleunigen.<br />

Der Zehn-Industrien-Revitalisierungsplan: Als Ergänzung zum Konjunkturpaket<br />

hat die chinesische <strong>Regierung</strong> im Frühjahr 2009 den sogenannten<br />

"Zehn-Industrien-Revitalisierungsplan" vorgelegt. <strong>Die</strong> dabei in den Fokus<br />

genommenen Branchen <strong>der</strong> Industrieproduktion (außer Logistik) tragen<br />

heute einen Anteil von 40% zum <strong>chinesischen</strong> Bruttoinlandsprodukt bei.<br />

Wie sich zeigt, weisen die im Zehn-Industrien-Revitalisierungsprogramm<br />

adressierten Branchen eine hohe Korrelation mit denjenigen Wirtschaftszweigen<br />

auf, die bereits das ökonomische Profil <strong>der</strong> <strong>West</strong>provinzen prägen<br />

beziehungsweise in diesen Regionen beson<strong>der</strong>s geför<strong>der</strong>t werden sollen.<br />

Weiterentwicklung <strong>der</strong> <strong>Go</strong>-<strong>West</strong>-<strong>Strategie</strong>: Im Sommer 2009 hat die chinesische<br />

Zentralregierung angekündigt, bereits Ende des Jahres ein überarbeitetes<br />

und erweitertes Programm für die <strong>Go</strong>-<strong>West</strong>-<strong>Strategie</strong> zu entwerfen und<br />

zu veröffentlichen. Bereits heute zeichnet sich ab, dass dieses Programm<br />

ebenso wie <strong>der</strong> nächste Fünfjahresplan vor allem den Ausbau und die Differenzierung<br />

<strong>der</strong> Industrieentwicklung in den <strong>West</strong>provinzen zum Inhalt<br />

haben wird. In den Interviews, die bei den Recherchen zur vorliegenden<br />

Studie geführt wurden, hielten sich Vertreter <strong>der</strong> offiziellen Stellen noch<br />

sehr bedeckt, was die konkrete Ausgestaltung des aktualisierten <strong>Go</strong>-<strong>West</strong>-<br />

Programms anbelangt. Allerdings deuteten sie an, dass es ein o<strong>der</strong> zwei<br />

neue Fokusregionen im <strong>West</strong>en geben wird.


19 |<br />

<strong>Die</strong> <strong>Go</strong>-<strong>West</strong>-<strong>Strategie</strong> <strong>der</strong> <strong>chinesischen</strong> <strong>Regierung</strong> – Chancen für die deutsche Wirtschaft?<br />

<strong>Die</strong> Attraktivität <strong>der</strong> <strong>chinesischen</strong> <strong>West</strong>provinzen – Benchmarking <strong>der</strong> Gebietskörperschaften<br />

> <strong>Die</strong> <strong>West</strong>provinzen im Vergleich: Ziel des Benchmarkings <strong>der</strong> Provinzen<br />

und <strong>der</strong> 13 wesentlichen Wirtschaftszentren in <strong>West</strong>china war es,<br />

anhand verschiedener Standortfaktoren die Attraktivität <strong>der</strong> einzelnen<br />

Gebietskörperschaften für ein unternehmerisches Engagement zu beurteilen.<br />

Dabei wurden Kriterien wie Marktattraktivität, Infrastrukturniveau,<br />

Kostenniveau, wirtschaftspolitische Rahmenbedingungen, Personal<br />

und Innovation sowie Rahmenbedingungen für den Geschäftsbetrieb<br />

genutzt, <strong>der</strong>en Parameter aus den offiziellen Statistiken ermittelt wurden<br />

(analytische Perspektive). Parallel zu dieser Analyse wurden ausführliche<br />

Interviews mit 15 ausländischen Unternehmen geführt, die in den <strong>West</strong>provinzen<br />

aktiv sind (Unternehmensperspektive). <strong>Die</strong> Unternehmen<br />

wurden aufgefor<strong>der</strong>t, gemäß ihrer Beurteilung Rangplätze zur Attraktivität<br />

einzelner Standorte in den <strong>West</strong>provinzen (Provinz- und Stadtebene)<br />

zu vergeben.<br />

> Attraktivität <strong>der</strong> <strong>West</strong>provinzen: Im Ergebnis des Provinzvergleichs ergab<br />

sich eine Dreiergruppe von klar "führenden" Provinzen ("Stars"), die sich<br />

sowohl aus analytischer als auch aus Unternehmensperspektive als die<br />

attraktivsten Standorte unter den <strong>West</strong>provinzen positioniert haben:<br />

Chongqing, Shaanxi und Sichuan. In einer zweiten Verfolgergruppe<br />

("Fast Follower") finden sich die Autonome Region Innere Mongolei,<br />

die in <strong>der</strong> analytischen Perspektive überraschen<strong>der</strong>weise sogar Platz eins<br />

unter allen <strong>West</strong>provinzen erreicht, sowie die südlichen Grenzregionen<br />

Yunnan und Guangxi. <strong>Die</strong> an<strong>der</strong>en sechs weiter nördlich und westlich<br />

gelegenen Provinzen fallen dabei alle in beiden Perspektiven deutlich<br />

zurück und gehören damit in die Gruppe <strong>der</strong> Provinzen mit <strong>der</strong> geringsten<br />

Attraktivität ("Dogs"), mit Tibet als eindeutigem Schlusslicht aus<br />

beiden Perspektiven.<br />

> Attraktivität <strong>der</strong> wichtigsten Wirtschaftszentren: Auf <strong>der</strong> Ebene des Städtevergleichs<br />

zeigten sich sowohl aus analytischer als auch aus Unternehmensperspektive<br />

deutlich die wichtigsten Agglomerationen in denjenigen<br />

Provinzen, die auch auf den ersten Plätzen des Provinz-Benchmarkings<br />

liegen: Xi'an in Shaanxi und Chengdu in Sichuan. Im Vergleich zur<br />

Provinzperspektive überraschend fiel die sehr positive Beurteilung von<br />

Yunnans Hauptstadt Kunming aus beiden Perspektiven aus. Auf <strong>der</strong><br />

Unternehmensseite waren viele <strong>der</strong> Interview-Partner von den ökonomischen<br />

Potenzialen dieses "Tors nach Südostasien" überzeugt. <strong>Die</strong> auf<br />

Provinzebene weit oben platzierte Innere Mongolei erzielt hier mit<br />

Baotou und ihrer Hauptstadt Hohhot eine hohe analytische Bewertung,<br />

während analog zu <strong>der</strong> aus Unternehmenssicht wichtigen Region<br />

Guangxi <strong>der</strong>en Hauptstadt Nanning auch in <strong>der</strong> Städtebetrachtung<br />

hoch bewertet wird.


20 |<br />

Studie<br />

Schlussfolgerungen aus dem Benchmarking: Generell ist zu beobachten,<br />

dass die Unternehmen – und dies deckt sich mit <strong>der</strong> faktischen Verteilung<br />

ausländischer Unternehmen in <strong>West</strong>china – in ihren Präferenzen den schon<br />

stärker eingetretenen Pfaden folgen und die südlicher gelegenen Provinzen<br />

bevorzugen. <strong>Die</strong>s gilt für die Beurteilung auf <strong>der</strong> Provinzebene, zeigt sich<br />

jedoch noch deutlicher bei <strong>der</strong> Bewertung <strong>der</strong> Städte. Den neuen Chancen,<br />

die <strong>der</strong>zeit auf Basis <strong>der</strong> starken Wirtschaftsentwicklung auch im nördlichen<br />

Teil <strong>West</strong>chinas entstehen, wird bislang noch keine große Aufmerksamkeit<br />

geschenkt.<br />

Schlussfolgerungen und Empfehlungen<br />

> Chancen für die deutsche Wirtschaft – Außenhandel: Im Außenhandel<br />

Deutschlands mit China insgesamt dominieren heute hochwertige Industriegüter.<br />

Der Anteil des Maschinen- und Anlagenbaus an den gesamten<br />

deutschen Ausfuhren liegt bei circa 30%. <strong>Die</strong> Automobilindustrie kommt<br />

nach dem deutlichen Rückgang 2009 auf einen Anteil von 13%. Auf die<br />

Elektrotechnik und chemische Erzeugnisse entfallen jeweils 11%. <strong>Die</strong>se<br />

Struktur weist eine starke Übereinstimmung mit <strong>der</strong> Verteilung <strong>der</strong><br />

deutschen Unternehmen auf, die heute in den <strong>chinesischen</strong> <strong>West</strong>provinzen<br />

vertreten sind. Von den dort aktiven Firmen finden sich 45%<br />

im Maschinenbau, 9% in <strong>der</strong> Automobilindustrie, 11% im Bereich<br />

Elektronik und 7% in <strong>der</strong> Chemiebranche.<br />

> Chancen für die deutsche Wirtschaft – Marktperspektive: <strong>Die</strong> Volkswirtschaft<br />

wächst in <strong>West</strong>china immer noch stärker als im restlichen China.<br />

Damit geht vor allem in den Städten eine Steigerung des Einkommens<br />

und <strong>der</strong> Konsumausgaben einher. Allein durch die laufende Anpassung<br />

<strong>der</strong> Urbanisierungsraten in <strong>West</strong> und Ost können darüber hinaus zusätzliche<br />

für Konsum verfügbare Einkommen von 33 Mrd. USD jährlich<br />

entstehen. Da deutsche Unternehmen bisher weniger im Konsumgütersektor<br />

aktiv sind, bestehen für diese in <strong>West</strong>china eher Chancen beim<br />

Ausbau bestehen<strong>der</strong> und beim Aufbau neuer Produktionsstätten in<br />

denjenigen Branchen, die an den eigentlichen Konsumgütersektor<br />

angrenzen, etwa dem Handel o<strong>der</strong> <strong>der</strong> Logistik.<br />

> Chancen für die deutsche Wirtschaft – regionale Perspektive: Bei <strong>der</strong><br />

Investitionstätigkeit ausländischer Unternehmen in <strong>West</strong>china zeichnen<br />

sich heute klare Schwerpunkte ab: 80% aller Auslandsinvestitionen in<br />

<strong>West</strong>china fließen in die Provinzen Sichuan (26%), Chongqing (22%),<br />

in die Innere Mongolei (21%) und nach Shaanxi (11%).


21 |<br />

<strong>Die</strong> <strong>Go</strong>-<strong>West</strong>-<strong>Strategie</strong> <strong>der</strong> <strong>chinesischen</strong> <strong>Regierung</strong> – Chancen für die deutsche Wirtschaft?<br />

<strong>Die</strong> vorgenommene Potenzialanalyse und die tatsächliche regionale<br />

Verteilung <strong>der</strong> ausländischen Direktinvestitionen in den westlichen<br />

Provinzen kommen daher zu ähnlichen Ergebnissen. Auf Basis <strong>der</strong><br />

Gespräche mit den Unternehmen, die die lokalen Märkte und Faktoren<br />

wie die Bedeutung <strong>der</strong> bereits vorhandenen Netzwerke für Expatriates<br />

für die Standortentscheidung als wichtig hervorheben, lässt sich als<br />

regionale Orientierungsempfehlung für deutsche Unternehmen bei <strong>der</strong><br />

Auswahl möglicher Standorte in den <strong>West</strong>provinzen eine Priorisierung<br />

anhand <strong>der</strong> Rangfolgen aus dieser Studie ableiten.<br />

> Chancen für die deutsche Wirtschaft – Branchenperspektive: Für deutsche<br />

Unternehmen, die vor allem in den Segmenten Maschinenbau und Industrieausrüstung<br />

sowie im Anlagenbereich für Energie und Versorgung eine<br />

starke Position sowohl auf dem Weltmarkt als auch in China haben,<br />

bieten sich in erster Linie in diesen Segmenten Chancen. Geson<strong>der</strong>t zu<br />

betrachten sind außerdem die Branchen, die entwe<strong>der</strong> in den Statistiken<br />

nicht klar abgrenzbar sind o<strong>der</strong> vor allem spezifische Regionen betreffen.<br />

So sind einzelne Branchen wie beispielsweise die Automobilindustrie<br />

eher darauf angewiesen, sich an den bereits existierenden Clustern zu<br />

orientieren, also vor allem an Chongqing und Sichuan. Aus den massiven<br />

Herausfor<strong>der</strong>ungen <strong>West</strong>chinas im Bereich <strong>der</strong> Umweltverschmutzung<br />

ergeben sich aber auch starke Potenziale für die weltweit führende<br />

deutsche Greentech-Branche: <strong>Die</strong>s gilt in unterschiedlichen Ausprägungen<br />

für fast alle westlichen Provinzen.<br />

> Empfehlungen an das BMWi – Transparenz: Es hat sich im Rahmen <strong>der</strong><br />

Arbeiten an <strong>der</strong> Studie gezeigt, dass die Verfügbarkeit von Informationen,<br />

die für eine Analyse von Standorten in <strong>West</strong>china relevant sind, stark<br />

reduziert ist. Viele statistische Quellen liegen nur in chinesischer Sprache<br />

vor, nur wenige auf Englisch, praktisch keine in deutscher Sprache.<br />

Auch wichtige Dokumente über die Wirtschaftspolitik, etwa die Liste<br />

<strong>der</strong> für Auslandsinvestitionen geför<strong>der</strong>ten Industriezweige, sind nicht<br />

ohne weiteres zu erhalten. In Bezug auf Chinas <strong>West</strong>en kann daher<br />

zunächst einmal eine weitergehende und bessere Aufbereitung und<br />

Verbreitung von Basisinformationen helfen.


22 |<br />

Studie<br />

> Empfehlungen an das BMWi – Aktivitäten: <strong>Die</strong> Ergebnisse dieser Studie<br />

können dazu dienen, die existierenden Aktivitäten <strong>der</strong> Außenwirtschaftsför<strong>der</strong>ung<br />

regional und industriebezogen zu fokussieren. Auf Basis <strong>der</strong> in<br />

dieser Studie enthaltenen Informationen können Maßnahmen <strong>der</strong> Absatzund<br />

Kooperationsför<strong>der</strong>ung avisiert werden, also zum Beispiel Informations-<br />

und Kontaktveranstaltungen mit Industrie- und Handelskammern in<br />

Deutschland o<strong>der</strong> mit an<strong>der</strong>en Institutionen <strong>der</strong> Außenwirtschaftsför<strong>der</strong>ung.<br />

Empfehlenswert wäre auch die Organisation von Delegationsreisen<br />

von hochrangigen deutschen <strong>Regierung</strong>s- und Wirtschaftsvertretern nach<br />

<strong>West</strong>china. <strong>Die</strong> Ziele sollten sich gemäß den Ergebnissen dieser Studie<br />

fokussieren: Zu den Destinationen sollten neben den "Stars" unter den<br />

<strong>West</strong>provinzen (Sichuan, Chongqing und Shaanxi) auch die "Fast Follower"<br />

Innere Mongolei und Yunnan gehören.<br />

> Empfehlungen an das BMWi – Dialog: <strong>Die</strong> Ergebnisse dieser Studie lassen<br />

sich schließlich auch auf <strong>der</strong> nationalen Ebene für den weiteren Austausch<br />

mit <strong>der</strong> <strong>chinesischen</strong> <strong>Regierung</strong> nutzen. <strong>Die</strong> Resultate erlauben<br />

ein fundiertes Gespräch mit <strong>der</strong> <strong>chinesischen</strong> <strong>Regierung</strong> darüber, dass<br />

nach Maßgabe <strong>der</strong> vorgenommenen Analysen, aber auch rein faktisch die<br />

Rahmenbedingungen in <strong>West</strong>china offensichtlich in <strong>der</strong> Wahrnehmung<br />

<strong>der</strong> Unternehmen noch nicht hinreichend attraktiv sind, um den Nachholbedarf<br />

<strong>der</strong> westlichen Provinzen beim Zufluss ausländischer Direktinvestition<br />

zu decken. Will die chinesische <strong>Regierung</strong> also eine höhere<br />

Attraktivität <strong>der</strong> <strong>West</strong>provinzen für ausländische Unternehmen bewirken,<br />

muss sie ihre Anstrengungen bezüglich industriepolitischer Anreize<br />

verstärken. Hinzu kommt, dass in puncto Aufbereitung von Informationen<br />

– zum Beispiel statistische Daten, Verzeichnisse von spezifischen<br />

För<strong>der</strong>möglichkeiten für einzelne Regionen, Investitionsführer etc. – für<br />

potenzielle Investoren auf chinesischer Seite noch erhebliches Verbesserungspotenzial<br />

besteht. Auch auf diesen Punkt sollte im Dialog mit <strong>der</strong><br />

<strong>chinesischen</strong> <strong>Regierung</strong> hingewiesen werden.


23 |<br />

<strong>Die</strong> <strong>Go</strong>-<strong>West</strong>-<strong>Strategie</strong> <strong>der</strong> <strong>chinesischen</strong> <strong>Regierung</strong> – Chancen für die deutsche Wirtschaft?<br />

B. <strong>Die</strong> Entwicklung Gesamtchinas<br />

1. Rasantes Wirtschaftswachstum<br />

Seit fast drei Jahrzehnten beeindruckt die Volksrepublik China die Welt<br />

mit einer Wirtschaftsentwicklung, die zwischen 1980 und 2008 eine durchschnittliche<br />

jährliche Wachstumsrate von real 9,9% vorweisen kann. Im<br />

selben Zeitraum hat sich das Pro-Kopf-Einkommen um den Faktor 7,4<br />

erhöht (siehe Abbildung 2). Beachtliche Erfolge wurden bei <strong>der</strong> Bekämpfung<br />

<strong>der</strong> Armut erzielt: So geht die UNO davon aus, dass die Zahl <strong>der</strong> als arm<br />

geltenden ländlichen Bevölkerung von 130 Millionen Menschen im Jahr<br />

1984 auf circa 20 Millionen Menschen im Jahr 2007 zurückgegangen ist.<br />

<strong>Die</strong> Lebenserwartung ist seit 1980 von durchschnittlich 66 auf 72,6 Jahre<br />

gestiegen.<br />

Gemessen an seiner Wirtschaftsleistung ist China heute weltweit die Nummer<br />

drei hinter den USA und Japan und vor Deutschland, Frankreich und<br />

Großbritannien. Zum Vergleich: 1978 belegte die Volksrepublik mit ihrem<br />

Bruttoinlandsprodukt den zehnten Platz. Seit 2007 rangiert China als<br />

zweitgrößte Exportnation <strong>der</strong> Welt hinter Deutschland, gefolgt von den USA,<br />

Japan, Frankreich und den Nie<strong>der</strong>landen. <strong>Die</strong> Basis für diese im internationalen<br />

Maßstab beispiellose Erfolgsgeschichte legte die Ende <strong>der</strong> 1970er<br />

Jahre einsetzende Liberalisierungs- und Öffnungspolitik. Den Beginn <strong>der</strong><br />

Transformation von einer Zentralverwaltungswirtschaft zu einer "Marktwirtschaft<br />

sozialistischer Prägung" markierte 1978 Deng Xiaopings


24 |<br />

Studie<br />

Konzept <strong>der</strong> "Vier Mo<strong>der</strong>nisierungen", das dringende Reformen <strong>der</strong> Landwirtschaft,<br />

Industrie, Wissenschaft und Technik anmahnte. Im Kern ging<br />

es bei <strong>der</strong> Wirtschaftsreform darum, durch marktwirtschaftliche Reformen<br />

die Leistungsfähigkeit <strong>der</strong> <strong>chinesischen</strong> Volkswirtschaft zu steigern.<br />

Neben einer Agrarreform und <strong>der</strong> Zulassung des Privateigentums an<br />

Produktionsmitteln gehörte die Öffnung <strong>der</strong> <strong>chinesischen</strong> Wirtschaft für<br />

den Außenhandel zu den tragenden Säulen <strong>der</strong> wirtschaftlichen Reformpolitik.<br />

<strong>Die</strong> Volksrepublik setzte bei <strong>der</strong> Mo<strong>der</strong>nisierung ihrer Wirtschaft<br />

und bei <strong>der</strong> Industrialisierung des Landes auf ausländisches Kapital und<br />

die Entwicklung einer leistungsfähigen Exportwirtschaft. Um attraktive<br />

Rahmenbedingungen für ausländische Investoren zu schaffen, wurden<br />

Anfang <strong>der</strong> 1980er Jahre die ersten Son<strong>der</strong>wirtschaftszonen an <strong>der</strong> Ostküste<br />

gegründet. Außerdem wurden chinesisch-ausländische Gemeinschaftsunternehmen<br />

zugelassen.<br />

<strong>Die</strong> Industrialisierung des Landes, so die Vorstellung <strong>der</strong> <strong>chinesischen</strong><br />

Führung, sollte vor allem durch den Export getrieben und überwiegend<br />

durch ausländisches Kapital finanziert werden. Dabei verfolgte China eine<br />

zweigleisige Exportstrategie: Zum einen etablierte es sich aufgrund <strong>der</strong><br />

relativ niedrigen Arbeitskosten als "verlängerte Werkbank" <strong>der</strong> Industrienationen.<br />

Zum an<strong>der</strong>en sollte <strong>der</strong> Know-how-Transfer die Produktion und<br />

den Export technologisch höherwertiger Güter för<strong>der</strong>n und so zu einer<br />

qualitativen Aufwertung <strong>der</strong> wirtschaftlichen Entwicklung führen.<br />

Ein Meilenstein bei <strong>der</strong> Integration <strong>der</strong> Volksrepublik China in die Weltwirtschaft<br />

war <strong>der</strong> Beitritt zur WTO im Dezember 2001. <strong>Die</strong>ser Schritt hat<br />

den Abbau von tarifären und nichttarifären Handelshemmnissen erheblich<br />

beschleunigt und damit die Anziehungskraft <strong>der</strong> Volksrepublik für ausländi-


25 |<br />

<strong>Die</strong> <strong>Go</strong>-<strong>West</strong>-<strong>Strategie</strong> <strong>der</strong> <strong>chinesischen</strong> <strong>Regierung</strong> – Chancen für die deutsche Wirtschaft?<br />

sche Investoren noch einmal beträchtlich gesteigert (siehe Abbildung 3).<br />

Ein Indikator für die Attraktivität des Standorts ist <strong>der</strong> Zustrom ausländischer<br />

Direktinvestitionen (ADI). In <strong>der</strong> Gruppe <strong>der</strong> Schwellenlän<strong>der</strong> zieht<br />

die Volksrepublik China die höchsten Summen ausländischen Direktinvestitionen<br />

an. Weltweit belegt sie auf <strong>der</strong> Liste <strong>der</strong> wichtigsten Empfängerlän<strong>der</strong><br />

im Jahr 2007 Rang sechs. Der Blick auf die Außenhandelsstatistik (siehe<br />

Abbildung 4) zeigt die enorme Bedeutung <strong>der</strong> Exporte für die chinesische<br />

Volkswirtschaft: Exporte machten 2008 ein Drittel <strong>der</strong> <strong>chinesischen</strong> Wirtschaftsleistung<br />

aus. Träger des Wirtschaftswachstums <strong>der</strong> vergangenen<br />

Jahrzehnte waren im Wesentlichen <strong>der</strong> Außenhandel und die lokalen<br />

Investitionen. Dagegen spielte die Binnennachfrage eine geringere Rolle.<br />

2. <strong>Die</strong> gewandelte Rolle Chinas in <strong>der</strong> Weltwirtschaft<br />

Mit <strong>der</strong> rasanten wirtschaftlichen Entwicklung hat sich die Rolle <strong>der</strong> Volksrepublik<br />

China in <strong>der</strong> Weltwirtschaft und in <strong>der</strong> Weltpolitik gravierend<br />

verän<strong>der</strong>t: Chinesische Unternehmen sind heute zunehmend als Anbieter<br />

und Investoren auf dem Weltmarkt aktiv. Wesentliche Ziele sind dabei die<br />

Sicherung von Energie- und Rohstoffquellen, <strong>der</strong> Erwerb von Technologien<br />

und Markennamen sowie <strong>der</strong> Know-how-Transfer. Das staatseigene Finanzund<br />

Investmentunternehmen China International Trust and Investment<br />

Company (CITIC) zählt zu den wichtigsten Staatsfonds <strong>der</strong> Welt. Zur<br />

CITIC-Group gehören 44 Banken und Finanzunternehmen weltweit.


26 |<br />

Studie<br />

Will die Volksrepublik China ihre Wirtschaft auf einem konstanten Wachstumspfad<br />

halten und dabei die politische Stabilität im Innern sichern, ist<br />

sie auf zuverlässige Beziehungen zu den südostasiatischen Nachbarlän<strong>der</strong>n<br />

angewiesen. Vor diesem Hintergrund sind Chinas Bemühungen um die<br />

Festigung und den Ausbau <strong>der</strong> Wirtschaftsbeziehungen zu den ASEAN-<br />

Staaten 1) zu sehen. Auf Initiative China wurde bereits 2002 ein Rahmenabkommen<br />

unterzeichnet, das ab 2010 die Gründung einer China-ASEAN-<br />

Freihandelszone vorsieht.<br />

In Zentralasien will China ebenfalls die Kooperation mit den Nachbarstaaten<br />

intensivieren. <strong>Die</strong> Gründung <strong>der</strong> Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit<br />

(SOZ) mit Russland, Usbekistan, Kasachstan, Kirgisistan und Tadschikistan<br />

war ein Signal, dass die Volksrepublik dieser Region erhebliche politische<br />

und wirtschaftliche Bedeutung beimisst.<br />

3. China in <strong>der</strong> Krise<br />

<strong>Die</strong> Volksrepublik China wurde von den Auswirkungen <strong>der</strong> globalen Wirtschaftskrise<br />

im Herbst 2008 empfindlich getroffen: Das Wirtschaftswachstum<br />

ging im 4. Quartal 2008 auf 6,8% zurück. <strong>Die</strong>se Entwicklung kam<br />

aufgrund <strong>der</strong> engen Verflechtung Chinas mit <strong>der</strong> Weltwirtschaft nicht unerwartet,<br />

denn für das Wachstum Chinas spielt die Exportnachfrage eine<br />

Schlüsselrolle. Ministerpräsident Wen Jiabao kündigte im November 2008<br />

Schritte an, um die Konjunktur vor einem Abwärtssog zu schützen. Als<br />

wichtige Ziele nannte er dabei die Stärkung <strong>der</strong> binnenwirtschaftlichen<br />

Entwicklung, unter an<strong>der</strong>em durch die För<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> privaten Konsumnachfrage,<br />

die Erhöhung <strong>der</strong> Investitionen sowie die Stabilisierung des<br />

Exportwachstums.<br />

Ende 2008 wurden mit dem "4 Billionen CYN"-Konjunkturpaket umfangreiche<br />

Maßnahmen zur Ankurbelung <strong>der</strong> Konjunktur verabschiedet: <strong>Die</strong><br />

expansive Fiskal- und Geldpolitik zeigt Wirkung: Während das Bruttoinlandsprodukt<br />

im 1. Quartal 2009 in den USA um 5,7%, in <strong>der</strong> Eurozone<br />

um 9,7% und in Japan um 14,2% schrumpfte, verzeichnete China im selben<br />

Zeitraum einen Zuwachs von 6,1%; für das 2. Quartal 2009 verkündete<br />

das Staatliche Amt für Statistik <strong>der</strong> Volksrepublik China ein Wachstum<br />

von 7,9%. <strong>Die</strong>ser Wert liegt nur knapp unter <strong>der</strong> Zielmarke von 8%, die<br />

die chinesische Führung für 2009 gesetzt hat, wird aber von einzelnen<br />

Experten angezweifelt, da kein gleichlaufendes Wachstum des Energieverbrauchs<br />

nachweisbar ist.<br />

1) ASEAN (Association of Southeast Asian Nations) ist ein Zusammenschluss <strong>der</strong> südostasiatischen<br />

Staaten Kambodscha, Indonesien, Brunei, Laos, Malaysia, Thailand, Myanmar, Philippinen,<br />

Singapur und Vietnam mit dem Ziel, die wirtschaftliche und soziale Entwicklung und die<br />

politische Stabilität in <strong>der</strong> Region zu för<strong>der</strong>n.


27 |<br />

<strong>Die</strong> <strong>Go</strong>-<strong>West</strong>-<strong>Strategie</strong> <strong>der</strong> <strong>chinesischen</strong> <strong>Regierung</strong> – Chancen für die deutsche Wirtschaft?<br />

Das Wachstum <strong>der</strong> <strong>chinesischen</strong> Wirtschaft wird maßgeblich von den im<br />

Konjunkturprogramm vorgesehenen öffentlichen Investitionen in die Infrastruktur<br />

sowie von den Investitionen <strong>der</strong> Staatsunternehmen getragen. Der<br />

private Konsum hält sich stabil. <strong>Die</strong> Exportnachfrage liegt allerdings noch<br />

weit hinter dem entsprechenden Vorjahreswert zurück: Ein Vergleich <strong>der</strong><br />

Monate April/Mai 2009 und 2008 zeigt ein Minus von 20%. Investoren aus<br />

dem Ausland zeigen sich angesichts <strong>der</strong> Krise zurückhaltend: <strong>Die</strong> ausländischen<br />

Direktinvestitionen sind im 1. Quartal 2009 im Vergleich zum Vorjahreszeitraum<br />

um 20,6% zurückgegangen.<br />

<strong>Die</strong> globale Wirtschaftskrise verstärkt den Druck auf China, ein angemessenes<br />

Wachstum zu erreichen und gleichzeitig seine Strukturprobleme zu<br />

lösen. Angemessen bedeutet in diesem Kontext, dass ausreichend Arbeitsplätze<br />

für Schul- und Hochschulabgänger sowie für die im Zuge von Restrukturierung<br />

und Stilllegung von Staatsbetriebenen entlassenen Arbeitskräfte<br />

geschaffen werden. Um die strukturellen Probleme des bisherigen<br />

Wachstumsmodells zu korrigieren, ist die Stärkung <strong>der</strong> Binnennachfrage<br />

ein erklärtes Ziel <strong>der</strong> <strong>chinesischen</strong> Wirtschaftspolitik. Nur unter dieser<br />

Voraussetzung kann es gelingen, die enorme Abhängigkeit <strong>der</strong> <strong>chinesischen</strong><br />

Wirtschaftsentwicklung von <strong>der</strong> Exportnachfrage zu reduzieren. Und diese<br />

Aufgabe gewinnt angesichts <strong>der</strong> jüngsten Weltbank-Prognose an Dringlichkeit:<br />

<strong>Die</strong> Entwicklung <strong>der</strong> Exporte soll in den nächsten zehn Jahren erheblich<br />

schwächer verlaufen als in den letzten zehn Jahren.<br />

4. Kehrseiten des Wirtschaftsbooms<br />

Das exorbitante Wirtschaftswachstum, das China in den letzten Jahrzehnten<br />

durchlief, hat jedoch auch einen Preis: <strong>Die</strong> Turbo-Mo<strong>der</strong>nisierung <strong>der</strong><br />

Wirtschaft hat die inneren Wi<strong>der</strong>sprüche und Disparitäten innerhalb <strong>der</strong><br />

<strong>chinesischen</strong> Gesellschaft verschärft: <strong>Die</strong> Schere zwischen den Gewinnern<br />

und den Verlierern des Reformprozesses klafft weit auseinan<strong>der</strong>, was sich<br />

unter an<strong>der</strong>em in <strong>der</strong> Einkommensverteilung wi<strong>der</strong>spiegelt: Das Einkommensgefälle<br />

zwischen Stadt und Land ist erheblich und steigt weiter. Auch<br />

innerhalb <strong>der</strong> Städte spitzen sich die sozialen Gegensätze zu: Ein Heer von<br />

Wan<strong>der</strong>arbeitern – Schätzungen gehen von bis zu 150 Millionen aus – ist<br />

aus den ländlichen Regionen in die boomenden Metropolen Ostchinas<br />

gezogen. Hier verdingen sie sich zu weitaus schlechteren Konditionen als<br />

ihre städtischen Kollegen. <strong>Die</strong> meisten Wan<strong>der</strong>arbeiter sind in sogenannten<br />

"informellen Beschäftigungsverhältnissen" tätig – ein Euphemismus für<br />

eine gering entlohnte Arbeit ohne Vertrag und soziale Absicherung.


28 |<br />

Studie<br />

Trotz <strong>der</strong> unbestrittenen Erfolge bei <strong>der</strong> Armutsbekämpfung steht die Volksrepublik<br />

vor sozialpolitischen Herausfor<strong>der</strong>ungen: Das Einkommen von 254<br />

Millionen Chinesen liegt nach wie vor unter <strong>der</strong> von <strong>der</strong> Weltbank definierten<br />

Armutsgrenze von 1,25 USD (PPP-USD 2005) pro Person und Tag. <strong>Die</strong><br />

Arbeitslosigkeit, die von den amtlichen Statistiken nicht vollständig wie<strong>der</strong>gegeben<br />

wird, war bereits vor <strong>der</strong> Wirtschaftskrise ein Strukturproblem<br />

<strong>der</strong> <strong>chinesischen</strong> Volkswirtschaft. Durch die Stilllegung beziehungsweise<br />

Restrukturierung unrentabler Staatsbetriebe verloren zwischen 1994 und<br />

2006 circa 73 Millionen Chinesen ihren Arbeitsplatz. <strong>Die</strong>se Entwicklung<br />

konnte durch die neu entstandenen Beschäftigungsmöglichkeiten im<br />

privaten Sektor nicht hinreichend kompensiert werden.<br />

Zu den negativen Folgen des <strong>chinesischen</strong> Wirtschaftswun<strong>der</strong>s gehört auch<br />

die erhebliche Belastung <strong>der</strong> Umwelt: Zu den gravierendsten Umweltproblemen<br />

zählt die starke Luftverschmutzung. In China befinden sich 16 <strong>der</strong> 20<br />

Städte mit <strong>der</strong> weltweit schlechtesten Luftqualität. <strong>Die</strong> Hauptverursacher<br />

<strong>der</strong> Luftverschmutzung sind veraltete Industrieanlagen und Kohlekraftwerke.<br />

Bei <strong>der</strong> CO 2 -Emission hat die Volksrepublik inzwischen die USA als<br />

globalen Spitzenreiter abgelöst. Durch die Einleitung von unbehandelten<br />

industriellen und städtischen Abwässern sowie durch die Einschwemmung<br />

von Düngemitteln und Pestiziden gilt ein großer Teil <strong>der</strong> Wasserressourcen<br />

Chinas als erheblich belastet. Nach offiziellen Angaben haben etwa 340<br />

Millionen Chinesen keinen Zugang zu sauberem Trinkwasser. Nach Schätzungen<br />

von NGO sterben jedes Jahr 750.000 Chinesen an den Folgen <strong>der</strong><br />

Umweltverschmutzung. <strong>Die</strong> Fehlbildungen bei Neugeborenen in <strong>der</strong> Volksrepublik<br />

China haben zwischen 2001 und 2006 um 40% zugenommen; als<br />

wichtigste Ursache dieses drastischen Anstiegs betrachtet die chinesische<br />

<strong>Regierung</strong> die Umweltverschmutzung.<br />

5. Das Leitkonzept <strong>der</strong> "harmonischen Gesellschaft"<br />

Der Ausschnitt aus <strong>der</strong> umfangreichen Liste von Chinas Umweltproblemen<br />

lässt auf den Handlungsdruck schließen, unter dem die Zentralregierung<br />

steht: Laut Weltbank kosten die Folgen <strong>der</strong> Umweltverschmutzung die chinesische<br />

Volkswirtschaft jährlich 5,8% ihres BIP. <strong>Die</strong>s ist ein gewichtiges<br />

Argument, um einer weiteren Verschärfung <strong>der</strong> Umweltsituation gegenzusteuern.<br />

Aber auch in <strong>der</strong> Sozialpolitik ist die chinesische Führung zunehmend<br />

gefor<strong>der</strong>t, wenn sie nicht das Risiko einer gesellschaftlichen Destabilisierung<br />

und damit einhergehend des Verlustes ihrer Autorität eingehen will:<br />

<strong>Die</strong> sozialen Spannungen entladen sich immer häufiger in Protestaktionen,<br />

zum Beispiel Demonstrationen und Sitzstreiks.


29 |<br />

<strong>Die</strong> <strong>Go</strong>-<strong>West</strong>-<strong>Strategie</strong> <strong>der</strong> <strong>chinesischen</strong> <strong>Regierung</strong> – Chancen für die deutsche Wirtschaft?<br />

Vor diesem Hintergrund hat die Zentralregierung in ihrem politischen und<br />

wirtschaftspolitischen Kurs neue Akzente gesetzt: Wichtige Elemente des<br />

11. Fünfjahresplans (2006-2010) sind eine Reduzierung des Stadt-Land-<br />

Gefälles sowie eine stärkere Berücksichtigung des Umweltschutzes. <strong>Die</strong><br />

politische Führung Chinas hat sich auf ihrem 17. Parteikongress im Oktober<br />

2007 klar zum Leitkonzept <strong>der</strong> "harmonischen Gesellschaft" bekannt.<br />

Kernelement dieser Idee ist nachhaltiges Wachstum, das einen Ausgleich<br />

zwischen ökonomischen, ökologischen und sozialen Interessen anstrebt.<br />

6. <strong>Go</strong>-<strong>West</strong>-<strong>Strategie</strong><br />

<strong>Die</strong> <strong>Go</strong>-<strong>West</strong>-<strong>Strategie</strong> spielt bei <strong>der</strong> Umsetzung des Leitkonzepts <strong>der</strong> harmonischen<br />

Gesellschaft eine Schlüsselrolle: <strong>Die</strong> Angleichung <strong>der</strong> Lebensund<br />

Einkommensverhältnisse innerhalb Chinas setzt voraus, dass die ärmeren<br />

Provinzen in Zentral- und <strong>West</strong>china aufholen und ihren Abstand zu<br />

den relativ wohlhabenden Provinzen im Osten verringern. <strong>Die</strong>s ist die<br />

Voraussetzung für politische und wirtschaftliche Stabilität in <strong>der</strong> Volksrepublik<br />

China. <strong>Die</strong> chinesische Zentralregierung ist sich dieses Zusammenhangs<br />

sicherlich bewusst und misst <strong>der</strong> För<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Provinzen in Zentral- und<br />

<strong>West</strong>china einen hohen Stellenwert bei. <strong>Die</strong>s spiegelt sich unter an<strong>der</strong>em<br />

in den Konjunkturpaketen wi<strong>der</strong>, die zahlreiche Maßnahmen zur Verbesserung<br />

<strong>der</strong> Infrastruktur in den <strong>West</strong>provinzen enthalten. Ein weiteres,<br />

gewichtiges Argument für die <strong>Go</strong>-<strong>West</strong>-<strong>Strategie</strong> <strong>der</strong> Zentralregierung ist<br />

die angestrebte Stärkung <strong>der</strong> Binnennachfrage bei <strong>der</strong> angestrebten Neujustierung<br />

<strong>der</strong> Wirtschaftspolitik: <strong>Die</strong>ses Ziel lässt sich nur erreichen, wenn<br />

die Wirtschaftskraft – und damit das Einkommensniveau – <strong>der</strong> <strong>West</strong>provinzen<br />

deutlich erhöht wird.


30 |<br />

Studie<br />

C. <strong>Die</strong> <strong>chinesischen</strong> <strong>West</strong>provinzen: Nahaufnahme<br />

1. Natur und Raum<br />

1.1 Geografie<br />

"By the middle of the 21st century, the <strong>West</strong>ern Region of China will<br />

become a new <strong>West</strong> with economic and social prosperity and stable and<br />

harmonious life." – <strong>Die</strong>se Absichtserklärung steht mit großen Lettern auf<br />

dem Titelblatt <strong>der</strong> offiziellen Broschüre über die Erfolge <strong>der</strong> <strong>Go</strong>-<strong>West</strong>-<strong>Strategie</strong><br />

<strong>der</strong> <strong>chinesischen</strong> <strong>Regierung</strong> geschrieben. Das 1999 entwickelte und<br />

zwischenzeitlich aktualisierte Programm hat das Ziel, den deutlichen<br />

Entwicklungsrückstand <strong>der</strong> westlichen Provinzen im Vergleich zum<br />

Osten des Landes zu verringern und damit zum Abbau <strong>der</strong> sozialen und<br />

ökonomischen Disparitäten innerhalb <strong>der</strong> Volksrepublik China beizutragen.<br />

<strong>Die</strong> Bezeichnung "<strong>der</strong> <strong>West</strong>en Chinas" darf keinesfalls zu <strong>der</strong> Illusion verleiten,<br />

es handle sich um einen relativ homogenen Raum – ganz im Gegenteil:<br />

Das Gebiet ist von einer extremen Heterogenität geprägt, und zwar landschaftlich,<br />

klimatisch, ethnisch und ökonomisch. <strong>Die</strong>s wird im Folgenden<br />

näher ausgeführt. Zugespitzt formuliert besteht die wesentliche Gemeinsamkeit<br />

<strong>der</strong> westlichen Provinzen darin, dass sie in ihrer wirtschaftlichen<br />

und sozialen Entwicklung teilweise erheblich hinter den östlichen Provinzen<br />

zurückliegen.<br />

<strong>Die</strong> <strong>Go</strong>-<strong>West</strong>-<strong>Strategie</strong> umfasst die Provinzen Gansu, Guizhou, Qinghai,<br />

Shaanxi, Sichuan und Yunnan, die regierungsunmittelbare Stadt Chongqing<br />

sowie die fünf Autonomen Regionen Tibet, Xinjiang, Innere Mongolei,<br />

Guangxi und Ningxia 2) . Wer diese 12 Gebietskörperschaften auf <strong>der</strong> Landkarte<br />

Chinas betrachtet (siehe Abbildung 5), wird feststellen, dass <strong>der</strong><br />

Terminus "die westlichen Provinzen" 3) nicht streng geografisch zu interpretieren<br />

ist: Der "<strong>West</strong>en" im Sinne <strong>der</strong> <strong>Go</strong>-<strong>West</strong>-<strong>Strategie</strong> umfasst Gebiete,<br />

die nach <strong>der</strong> üblichen Diktion im Norden (zum Beispiel die Innere Mongolei),<br />

in <strong>der</strong> Mitte (Sichuan, Shaanxi) und im Süden Chinas (Yunnan,<br />

Guangxi) verortet sind.<br />

2) <strong>Die</strong> fünf Autonomen Regionen wurden auf <strong>der</strong> Basis <strong>der</strong> gesetzlichen "regionalen Autonomie <strong>der</strong><br />

Nationalitäten" gegründet. <strong>Die</strong> Autonomen Regionen entsprechen auf <strong>der</strong> Verwaltungsebene den<br />

Provinzen. Zwar ist mit dem Autonomie-Status, den es auch auf den administrativen Ebenen <strong>der</strong><br />

Bezirke und Kreise gibt, das Recht auf ein gewisses Maß an Selbstbestimmung verbunden.<br />

De facto gelten die Entscheidungsbefugnisse <strong>der</strong> Autonomen Regionen als gering, vor allem<br />

in politischen Angelegenheiten.<br />

3) Wenn in <strong>der</strong> vorliegenden Studie von den "westlichen Provinzen", den "<strong>West</strong>provinzen" o<strong>der</strong><br />

"<strong>West</strong>china" gesprochen wird, sind stets diese Regionen gemeint. Umgekehrt steht die Bezeichnung<br />

"Ostprovinzen" o<strong>der</strong> "<strong>der</strong> Osten Chinas" für alle an<strong>der</strong>en 19 Provinzen und regierungsunmittelbaren<br />

Städte (ohne Hong Kong und Macau).


31 |<br />

<strong>Die</strong> <strong>Go</strong>-<strong>West</strong>-<strong>Strategie</strong> <strong>der</strong> <strong>chinesischen</strong> <strong>Regierung</strong> – Chancen für die deutsche Wirtschaft?<br />

Das Territorium <strong>der</strong> <strong>West</strong>provinzen umfasst eine Fläche von 6,6 Mio.<br />

Quadratkilometern. Das entspricht einem Anteil von 69% an <strong>der</strong> Fläche<br />

<strong>der</strong> Volksrepublik China. <strong>Die</strong> Höhenunterschiede auf dem Gebiet <strong>der</strong><br />

westlichen Provinzen sind beträchtlich: Aus diesen Voraussetzungen resultieren<br />

erhebliche Klimaunterschiede zwischen den einzelnen Regionen<br />

des <strong>West</strong>ens, was wie<strong>der</strong>um sehr unterschiedliche Rahmenbedingungen für<br />

die landwirtschaftliche Nutzung bedingt. <strong>Die</strong> geografischen Gegebenheiten<br />

sind seit jeher eine wichtige Determinante für die Entwicklung <strong>der</strong> <strong>West</strong>provinzen.<br />

Deshalb werden in den folgenden Abschnitten die Landschaft<br />

und das Klima <strong>der</strong> westlichen Provinzen beschrieben.<br />

<strong>Die</strong> Landschaft Chinas ist von <strong>West</strong> nach Ost in drei Höhenstufen geglie<strong>der</strong>t:<br />

An die tibetische Hochebene schließen sich auf einem Höhenniveau<br />

zwischen 3.000 und 1.500 Metern Sichuan und Zentralchina an. Ab einer<br />

Höhe von 1.500 Metern ziehen sich fruchtbare Tiefebenen zum Meer.<br />

Der Blick auf die Karte (siehe Abbildung 6) zeigt auf Anhieb, dass die Landschaft<br />

<strong>der</strong> <strong>West</strong>provinzen von Gebirgszügen und Hochebenen geprägt wird.<br />

Das felsige Qinghai-Tibet-Plateau zwischen dem Kunlun-Gebirge im Norden,<br />

dem Karakorum im <strong>West</strong>en und dem Himalaja im Süden ist mit einer<br />

Höhe von mehr als 4.000 Metern die höchstgelegene Ebene <strong>der</strong> Welt. Auf<br />

das Qinghai-Tibet-Plateau entfällt etwa ein Drittel <strong>der</strong> Landmasse <strong>der</strong> gesamten<br />

<strong>West</strong>provinzen. Im tibetischen Hochland liegen die Quellgebiete <strong>der</strong><br />

Flüsse Brahmaputra, Mekong, Irrawaddy und Salween.


32 |<br />

Studie<br />

Auf einer "zweiten Ebene" finden sich in den <strong>West</strong>provinzen einige Hochebenen,<br />

die auf einer Höhe zwischen 1.000 und 2.000 Metern liegen: Der<br />

große Teil des Territoriums <strong>der</strong> Inneren Mongolei liegt auf <strong>der</strong> innermongolischen<br />

Hochebene. Das 530.000 Quadratkilometer große Tarim-Becken<br />

in <strong>der</strong> Autonomen Region Xinjiang liegt bis zu 1.400 Meter hoch über dem<br />

Meeresspiegel. Im Zentrum des Tarim-Beckens befindet sich die Wüste<br />

Taklamakan, die zweitgrößte Sandwüste <strong>der</strong> Welt. Das Plateau <strong>der</strong> Yunnan-<br />

Guizhou-Hochebene liegt im Südwesten Chinas und erreicht Höhen zwischen<br />

1.000 und 2.000 Meter. Es umfasst den Ostteil von Yunnan, die<br />

gesamte Provinz Guizhou, den Nordwesten von Guangxi sowie die Grenzgebiete<br />

von Sichuan, Hunan und Hubei. Das Löss-Plateau, das sich auf<br />

weite Teile <strong>der</strong> <strong>West</strong>provinzen Shaanxi, Ningxia und Gansu erstreckt, liegt<br />

zwischen 1.000 und 1.600 Meter hoch. Ein Großteil <strong>der</strong> Fläche <strong>der</strong> <strong>West</strong>provinzen<br />

liegt also alleine schon von <strong>der</strong> Höhenlage her in Regionen, die<br />

Landwirtschaft und wirtschaftliche Aktivität erschweren. Eine Ausnahme<br />

im bergigen Relief <strong>der</strong> <strong>West</strong>provinzen bildet das 200.000 Quadratkilometer<br />

große Sichuan-Becken. Es liegt auf etwa 200 Metern über dem Meeresspiegel<br />

und wird wegen seines roten Bodens auch Rotes Becken genannt.


33 |<br />

<strong>Die</strong> <strong>Go</strong>-<strong>West</strong>-<strong>Strategie</strong> <strong>der</strong> <strong>chinesischen</strong> <strong>Regierung</strong> – Chancen für die deutsche Wirtschaft?<br />

1.2 Klima<br />

Aufgrund <strong>der</strong> geografischen Bedingungen weisen die <strong>West</strong>provinzen erhebliche<br />

Klimaunterschiede auf. Bei einer groben Einteilung ergeben sich drei<br />

Klimaregionen: <strong>der</strong> subtropisch bis tropisch-feuchtwarme Süden, <strong>der</strong> Südwesten<br />

mit einem rauen Hochgebirgsklima sowie Norden und Nordwesten,<br />

die durch ein sehr trockenes, vorwiegend kontinentales Klima geprägt sind.<br />

Süden<br />

<strong>Die</strong> Provinzen Yunnan und Guangxi liegen in den nördlichen Tropen. <strong>Die</strong><br />

jahreszeitlichen Temperaturschwankungen sind gering ausgeprägt. So gilt<br />

Kunming, die Provinzhauptstadt Yunnans, wegen ihres milden Klimas als<br />

"Stadt des ewigen Frühlings". <strong>Die</strong> Jahresdurchschnittstemperatur liegt etwas<br />

über 20° C. In <strong>der</strong> Regenzeit zwischen Mai und Oktober fällt <strong>der</strong> Großteil<br />

des jährlichen Nie<strong>der</strong>schlags, <strong>der</strong> zwischen 750 und 1.750 Millimetern<br />

liegt. Das Monsunklima wird teilweise durch die gebirgige Topografie abgemil<strong>der</strong>t,<br />

sodass auf dem Gebiet <strong>der</strong> beiden Provinzen gemäßigte, subtropische<br />

und tropische Zonen vorzufinden sind.<br />

Das Sichuan-Becken umfasst Chongqing sowie den Ostteil <strong>der</strong> Provinz<br />

Sichuan mit <strong>der</strong> Hauptstadt Chengdu sowie die Provinz Guizhou und<br />

liegt in den nördlichen Subtropen mit einer Jahresdurchschnittstemperatur<br />

zwischen 16 und 19° C. <strong>Die</strong> Gebirge im Norden und Osten schirmen die<br />

Region gegen kontinentale Kaltluft ab, während die subtropischen Luftmassen<br />

von Süden her für ein feuchtes Klima sorgen. <strong>Die</strong> Sommer sind feucht<br />

und heiß – in Chongqing sind Temperaturen über 40° C keine Seltenheit.<br />

Charakteristisch für das Sichuan-Becken ist <strong>der</strong> Nebel: Der Himmel über<br />

Guizhou ist an 220 Tagen im Jahr wolkenverhangen. <strong>Die</strong> jährliche Nie<strong>der</strong>schlagsmenge<br />

im Sichuan-Becken beträgt im Mittel 900 bis 1.500 Millimeter;<br />

<strong>der</strong> Großteil des Regens fällt im Sommer. Das Rote Becken ist bereits<br />

seit mehr als zwei Jahrtausenden für seine Fruchtbarkeit bekannt. In manchen<br />

Gegenden bringen die Bauern sogar zwei Reisernten im Jahr ein.<br />

Südwesten<br />

Mit starker Sonnenstrahlung, niedrigen Temperaturen und erheblichen<br />

Tag-Nacht-Temperaturschwankungen bei sehr dünner Höhenluft weist das<br />

Qinghai-Tibet-Plateau die typischen Klimamerkmale einer Hochebene auf.<br />

Weite Gebiete sind die meiste Zeit des Jahres mit Eis und Schnee bedeckt.<br />

Mit jährlichen Nie<strong>der</strong>schlägen zwischen 75 Millimetern im <strong>West</strong>en und<br />

400 Millimetern im Osten und Süden <strong>der</strong> Hochebene ist es im Allgemeinen<br />

trocken bis sehr trocken. Das Gebiet um den auf 3.200 Metern liegenden<br />

Qinghai-See (bei Xining), das Qaidam-Becken (im Norden Qinghais) und das<br />

Brahmaputra-Flusstal (inkl. Lhasa) sind durch etwas mil<strong>der</strong>es Klima gekennzeichnet<br />

und lassen sich deshalb – auch aufgrund <strong>der</strong> starken Sonneneinstrahlung<br />

– landwirtschaftlich besser nutzen.


34 |<br />

Studie<br />

Norden und Nordwesten<br />

<strong>Die</strong> Provinzen Innere Mongolei, Ningxia, Shaanxi, Gansu und Xinjiang<br />

befinden sich in gemäßigten Klimazonen mit ausgeprägten Jahreszeiten.<br />

Praktisch alle nördlichen <strong>West</strong>provinzen Chinas haben ein Kontinentalklima<br />

mit heißen Sommern und kalten Wintern. <strong>Die</strong> Monatsdurchschnittstemperaturen<br />

schwanken zwischen -10°C im Winter und circa 25° C im Sommer.<br />

<strong>Die</strong> Extremwerte liegen jedoch weit tiefer beziehungsweise höher: In<br />

Xinjiang steigt das Thermometer im Sommer auf bis zu 40° C, im Winter<br />

fällt es auf bis zu -30° C. Am Huoyan Shan ("Flammen<strong>der</strong> Berg") östlich<br />

von Turpan wurde die Rekordtemperatur von 81,2° C gemessen.<br />

Da <strong>der</strong> Himalaja und das tibetische Hochland den Monsunregen aus dem<br />

Indischen Ozean abhalten, sind die Nie<strong>der</strong>schlagsmengen mit maximal<br />

300 Millimetern pro Jahr sehr gering. Beson<strong>der</strong>s Xinjiang, Qinghai und <strong>der</strong><br />

<strong>West</strong>en <strong>der</strong> Inneren Mongolei sind sehr trocken – was in <strong>der</strong> Landwirtschaft<br />

großflächige Bewässerung notwendig macht.<br />

<strong>Die</strong> ganz nördliche Region Chinas ist also strukturell unterversorgt mit<br />

Wasserressourcen für die Landwirtschaft, was die Politik vor große Herausfor<strong>der</strong>ungen<br />

stellt und Großprojekte wie das Süd-Nord-Wassertransferprojekt<br />

motiviert hat (siehe Seite 69).<br />

1.3 Natürliche Ressourcen und Rohstoffe<br />

<strong>Die</strong> <strong>West</strong>provinzen Chinas sind reich an natürlichen Ressourcen: Von 33<br />

wichtigen Bodenschätzen verfügt <strong>West</strong>china über mehr als die Hälfte <strong>der</strong><br />

landesweiten Reserven. Mehr als die Hälfte (53%) <strong>der</strong> <strong>chinesischen</strong> Kohlevorkommen<br />

findet sich im <strong>West</strong>en, Shaanxi gilt als die Kohleprovinz <strong>der</strong><br />

Volksrepublik. In <strong>der</strong> Autonomen Region Xinjiang und in den Provinzen<br />

Qinghai und Shaanxi liegen 68% <strong>der</strong> <strong>chinesischen</strong> Erdgasvorkommen. Fast<br />

ein Fünftel <strong>der</strong> Erdölquellen Chinas sprudelt in den westlichen Provinzen.<br />

Einige Bodenschätze kommen fast ausschließlich im <strong>West</strong>teil <strong>der</strong> Volksrepublik<br />

vor (siehe Abbildung 7).<br />

Aber nicht nur Rohstoffe, son<strong>der</strong>n auch landwirtschaftliche Flächen sind<br />

eine wesentliche Ressource für China. Um die Ernährung <strong>der</strong> Bevölkerung<br />

sicherzustellen, geht die chinesische <strong>Regierung</strong> davon aus, eine Zielgröße<br />

von 120 Mio. Hektar landwirtschaftlicher Nutzfläche zu benötigen. Durch<br />

Flächenumwandlung für Besiedelung, Bodenerosion und Wüstenbildung<br />

(siehe Abschnitt Umwelt, Seite 46) gehen <strong>der</strong> Volksrepublik aber nach<br />

Schätzungen von Experten jedes Jahr circa 0,5% <strong>der</strong> landwirtschaftlichen<br />

Flächen verloren. So wurden zwischen 1986 und 2005 Statistiken zufolge<br />

17,7 Mio. Hektar Ackerland in Bauland verwandelt.


35 |<br />

<strong>Die</strong> <strong>Go</strong>-<strong>West</strong>-<strong>Strategie</strong> <strong>der</strong> <strong>chinesischen</strong> <strong>Regierung</strong> – Chancen für die deutsche Wirtschaft?<br />

Offizielle Statistiken geben für 2007 in ganz China eine verfügbare landwirtschaftliche<br />

Nutzfläche von 121 Mio. Hektar an. Davon liegen 37% in den<br />

<strong>West</strong>provinzen – also ein im Vergleich zur Bevölkerungsanzahl des <strong>West</strong>ens<br />

überproportional hoher Anteil. Der Erhalt von Flächen für die Landwirtschaft<br />

und die För<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Landwirtschaft in den <strong>West</strong>provinzen ist daher<br />

neben <strong>der</strong> Industrieentwicklung ein wichtiges strategisches Ressourcenthema<br />

für China. So gehen Experten zum Beispiel davon aus, dass es in<br />

<strong>der</strong> Provinz Xinjiang noch rund 1,3 Mio. Hektar ungenutztes ackerfähiges<br />

Land gibt.<br />

Um ihren ökonomischen Expansionskurs fortsetzen zu können, ist die<br />

Volksrepublik China in erheblichem Umfang auf Rohstoffe angewiesen.<br />

An<strong>der</strong>s formuliert: <strong>Die</strong> Versorgung mit Rohstoffen ist eine Achillesferse des<br />

Wachstums. Und dabei ist <strong>der</strong> Bedarf beträchtlich: Mehr als ein Drittel <strong>der</strong><br />

weltweiten Eisenerzför<strong>der</strong>ung wird in China verbraucht. Im Vergleich zum<br />

Vorjahr sind die Eisenerzimporte im zweiten Quartal 2009 um 41% gestiegen,<br />

die Kupferimporte um 140%, die Einfuhr von Kohle hat sich sogar<br />

verdreifacht. Ob Kupfer, Zinn o<strong>der</strong> Blei – China gehört weltweit zu den<br />

Top Five unter den Rohstoffimporteuren. Vor dem Hintergrund dieses<br />

rapide wachsenden Bedarfs an Rohstoffen ist leicht nachvollziehbar, dass<br />

die <strong>West</strong>provinzen mit ihrem großen Ressourcenreichtum für die Zentralregierung<br />

in Peking eine strategische Rolle spielen: Nur wenn <strong>der</strong> westliche<br />

Teil über eine gut entwickelte Infrastruktur verfügt und die politische Stabilität<br />

aufrechterhalten werden kann, lässt sich die Versorgung <strong>der</strong> Ostprovinzen<br />

mit den dringend benötigten Rohstoffen sichern.


36 |<br />

Studie<br />

2. Soziodemografie<br />

2.1 Bevölkerungsentwicklung und -verteilung<br />

In den <strong>West</strong>provinzen leben 365 Millionen Menschen (Stand 2008), das<br />

entspricht etwas über einem Viertel (28%) <strong>der</strong> <strong>chinesischen</strong> Gesamtbevölkerung<br />

von etwa 1,3 Milliarden Menschen. <strong>Die</strong> Bevölkerungsverteilung auf die<br />

Provinzen ist dabei sehr unterschiedlich (siehe Abbildung 8): In den sechs<br />

größten Provinzen leben mehr als drei Viertel <strong>der</strong> Bevölkerung, und die drei<br />

bevölkerungsmäßig kleinsten (aber flächenmäßig bedeutsamen) Provinzen<br />

Ningxia, Qinghai und Tibet reichen nicht einmal an die Einwohnerzahl<br />

chinesischer Großstädte heran: In den Autonomen Regionen Tibet und<br />

Xinjiang sowie in <strong>der</strong> Provinz Qinghai leben nur 8% <strong>der</strong> Bevölkerung<br />

<strong>West</strong>chinas, obwohl sie 53% <strong>der</strong> Fläche ausmachen.<br />

<strong>Die</strong> Bevölkerungsdichte in <strong>West</strong>china nimmt von Osten nach <strong>West</strong>en und<br />

von Süden nach Norden hin ab. Relativ hoch ist die Besiedelungsdichte mit<br />

100-600 Einwohnern pro Quadratkilometer im Ostteil <strong>der</strong> Provinz Yunnan,<br />

in Guangxi und Guizhou sowie im Ostteil von Sichuan, in Chongqing,<br />

Gansu, Ningxia und Shaanxi. Der Norden und <strong>West</strong>en sind mit einer<br />

Bevölkerungsdichte von 1-10 Einwohnern pro Quadratkilometer extrem<br />

dünn besiedelt. Im westlichen Himalaja und in den Wüsten liegt die<br />

Bevölkerungsdichte sogar unterhalb <strong>der</strong> Marke von 1 Einwohner pro<br />

Quadratkilometer.


37 |<br />

<strong>Die</strong> <strong>Go</strong>-<strong>West</strong>-<strong>Strategie</strong> <strong>der</strong> <strong>chinesischen</strong> <strong>Regierung</strong> – Chancen für die deutsche Wirtschaft?<br />

In den <strong>West</strong>provinzen gibt es bereits eine Vielzahl von Millionenstädten,<br />

so unter an<strong>der</strong>em Baotou, Chongqing, Chengdu, Guiyang, Kunming, Xi'an,<br />

Lanzhou, Ürümqi o<strong>der</strong> Nanning. <strong>Die</strong> größten westlichen Metropolen sind<br />

Chongqing (28 Millionen Einwohner), Chengdu (13 Millionen Einwohner)<br />

und Xi'an (8 Millionen Einwohner).<br />

1978 lebte etwa ein Fünftel <strong>der</strong> <strong>chinesischen</strong> Bevölkerung in Städten,<br />

gut 40 Jahre später sind fast die Hälfte aller Chinesen Stadtbewohner:<br />

Der durchschnittliche Urbanisierungsgrad in <strong>der</strong> Volksrepublik lag 2008 bei<br />

45%. In den <strong>West</strong>provinzen ist <strong>der</strong> durchschnittliche Urbanisierungsgrad im<br />

selben Zeitraum von 18% auf rund 38% gestiegen und liegt damit unter dem<br />

Wert für Gesamtchina. Angesichts <strong>der</strong> dynamischen Wirtschaftsentwicklung<br />

einiger Städte in den <strong>West</strong>provinzen ist jedoch eine Angleichung an das<br />

gesamtchinesische Niveau zu erwarten.<br />

<strong>Die</strong> Urbanisierungsgrad in den Provinzen Chongqing, Shaanxi, Innere<br />

Mongolei und Ningxia liegt schon heute über dem <strong>chinesischen</strong> Durchschnitt.<br />

Zwischen 2003 und 2008 hat die Einwohnerzahl von Chongqing<br />

sowie <strong>der</strong> Städte in den Provinzen Sichuan, Guangxi und Tibet beson<strong>der</strong>s<br />

stark zugenommen.<br />

<strong>Die</strong> Bevölkerungsentwicklung in den <strong>West</strong>provinzen ist weitgehend stabil.<br />

Zwischen 2003 und 2008 ging die Einwohnerzahl um durchschnittlich<br />

0,2% pro Jahr zurück. Abweichungen von diesem Wert wurden in Chongqing<br />

und Sichuan registriert: Im genannten Zeitraum nahm hier die Bevölkerungszahl<br />

um durchschnittlich 2,1% beziehungsweise 1,3% pro Jahr ab.<br />

Dagegen war in den Autonomen Regionen Xinjiang und Tibet ein Bevölkerungsanstieg<br />

von durchschnittlich 2% beziehungsweise 1,2% pro Jahr zu<br />

verzeichnen. Eine mögliche Erklärung dafür ist, dass die dort lebenden<br />

nationalen Min<strong>der</strong>heiten von <strong>der</strong> Ein-Kind-Politik ausgenommen sind.<br />

Auch in <strong>der</strong> Autonomen Region Ningxia, einem Kernsiedlungsgebiet <strong>der</strong><br />

Hui-Chinesen, lag <strong>der</strong> Bevölkerungsanstieg mit durchschnittlich 1,3%<br />

pro Jahr deutlich höher als im Durchschnittswert aller <strong>West</strong>provinzen.<br />

<strong>Die</strong> Bevölkerungszahl Gesamtchinas ist von 2003 bis 2008 um durchschnittlich<br />

0,66% pro Jahr gewachsen. <strong>Die</strong> Diskrepanz zwischen diesem<br />

Wert und dem leichten Bevölkerungsrückgang in <strong>West</strong>china kann als Hinweis<br />

auf eine Wan<strong>der</strong>ungsbewegung von <strong>West</strong> nach Ost interpretiert<br />

werden.


38 |<br />

Studie<br />

2.2 Altersstruktur<br />

<strong>Die</strong> Altersstruktur in den <strong>West</strong>provinzen entspricht in etwa <strong>der</strong>jenigen<br />

Gesamtchinas. Etwa ein Fünftel (21%) ist jünger als 14 Jahre, und 70%<br />

gehören zur Gruppe zwischen 15 bis 64 Jahre. In <strong>der</strong> Provinz Guizhou sind<br />

sogar 27% <strong>der</strong> Bevölkerung jünger als 14 Jahre. Im Vergleich zum Osten des<br />

Landes hat die Alterspyramide <strong>der</strong> westlichen Provinzen ein etwas breiteres<br />

Fundament an jungen Menschen: Im Durchschnitt <strong>der</strong> Ostprovinzen liegt<br />

<strong>der</strong> Anteil von unter 14-Jährigen an <strong>der</strong> Bevölkerung bei 17%, 74% <strong>der</strong><br />

Bevölkerung sind zwischen 15 und 64 Jahre alt.<br />

Mit knapp 68 Jahren ist die Lebenserwartung in den <strong>West</strong>provinzen aktuell<br />

(2008) noch etwas geringer als in Gesamtchina, wo sie bei fast 73 Jahren<br />

liegt. Noch stärker ist die Diskrepanz, wenn man die Lebenserwartung in<br />

den westlichen Provinzen mit <strong>der</strong>jenigen in den wohlhabenden Ostküstenprovinzen<br />

vergleicht: In Shanghai beträgt sie 78 Jahre, in Peking 76 Jahre.<br />

Zum Vergleich: In Deutschland beträgt die Lebenserwartung im Durchschnitt<br />

knapp 80 Jahre. Chongqing und Guangxi führen das Feld mit 72<br />

und 71 Jahren an, während die Lebenserwartung in Tibet nur 64 und in<br />

Qinghai nur 66 Jahre beträgt.<br />

2.3 Bildungsniveau<br />

Ein wichtiger Aspekt bei <strong>der</strong> Beurteilung des ökonomischen Potenzials <strong>der</strong><br />

<strong>West</strong>provinzen ist das Bildungsniveau. Dabei sind <strong>der</strong> Anteil <strong>der</strong> Akademiker<br />

an <strong>der</strong> Bevölkerung sowie <strong>der</strong>en Verfügbarkeit auf dem Arbeitsmarkt<br />

von beson<strong>der</strong>em Interesse.<br />

Das Bildungswesen in China glie<strong>der</strong>t sich in die Bereiche Grundschul-,<br />

Mittelschul- und Hochschulbildung. Es besteht eine neunjährige Schulpflicht,<br />

die die sechsjährige Grundschulzeit und die Unterstufe <strong>der</strong> Mittelschule<br />

umfasst. <strong>Die</strong> Oberstufe <strong>der</strong> Mittelstufe dauert drei Jahre. Für die<br />

Immatrikulation an einer Hochschule müssen die Absolventen <strong>der</strong> Mittelschule<br />

eine Aufnahmeprüfung ablegen.<br />

Mit im Schnitt 13% hat ein in Vergleich zu Gesamtchina (8%) hoher Anteil<br />

<strong>der</strong> Bevölkerung <strong>der</strong> <strong>West</strong>provinzen gar keinen Schulabschluss. Beson<strong>der</strong>s<br />

hoch ist <strong>der</strong> Anteil <strong>der</strong> Bevölkerung ohne Schulabschluss mit 34% in Tibet,<br />

und auch Gansu und Qinghai erreichen einen Anteil von 17%. Der Anteil<br />

<strong>der</strong> Bevölkerung, <strong>der</strong> mindestens die neunjährige Pflichtschulzeit absolviert<br />

hat, liegt dagegen im <strong>West</strong>en mit im Schnitt 71% nah an <strong>der</strong> Quote Gesamtchinas<br />

(72%), auch hier ist Tibet mit 61% das Schlusslicht <strong>der</strong> <strong>West</strong>provinzen.


39 |<br />

<strong>Die</strong> <strong>Go</strong>-<strong>West</strong>-<strong>Strategie</strong> <strong>der</strong> <strong>chinesischen</strong> <strong>Regierung</strong> – Chancen für die deutsche Wirtschaft?<br />

Eine höhere Schulbildung im Sinne eines Sekundarschulabschluss (zwölfjährige<br />

Schulzeit) können in den <strong>West</strong>provinzen im Schnitt 11% <strong>der</strong><br />

Bevölkerung vorweisen, was auch nah am gesamt<strong>chinesischen</strong> Niveau<br />

von 13% liegt.<br />

Der relativ geringe Akademikeranteil von im Schnitt 5% an <strong>der</strong> Gesamtbevölkerung<br />

scheint typisch für die <strong>West</strong>provinzen, Gesamtchina erreicht<br />

hier 7%. Den höchsten Akademikeranteil hat die Autonome Region Xinjiang<br />

mit 9%, gefolgt von <strong>der</strong> Provinz Shaanxi (8%) sowie <strong>der</strong> Inneren Mongolei,<br />

Ningxia und Qinghai mit jeweils 7%. Es überrascht, dass die als westliche<br />

Boom-Zonen geltenden Provinzen Yunnan, Chongqing und Sichuan nur<br />

mit einem Akademikeranteil von 4% aufwarten können.<br />

Bei <strong>der</strong> Zahl <strong>der</strong> jährlichen Hochschulabsolventen liegen zwar alle <strong>West</strong>provinzen<br />

(Schnitt im <strong>West</strong>en: 2,5 Absolventen pro 1.000 Einwohner p.a.)<br />

hinter <strong>der</strong> östlichen Spitzenregion Shanghai (6,8 Absolventen pro Jahr je<br />

1.000 Einwohner), aber <strong>der</strong> Vergleich mit Guangzhou (1,7) zeigt, dass sie<br />

keinen generellen Rückstand gegenüber den Ostprovinzen aufweisen. So<br />

kann Shaanxi (6,0) fast mit Shanghai gleichziehen, und auch die Provinzen<br />

Chongqing (3,6), Innere Mongolei (3,2) und Sichuan (3,1) schneiden im<br />

Vergleich <strong>der</strong> <strong>West</strong>provinzen gut ab.<br />

Von den 1.666 <strong>chinesischen</strong> Universitäten liegen 390 in den <strong>West</strong>provinzen.<br />

Dabei sind vor allem Shaanxi, Sichuan und Guangxi mit einer Zahl zwischen<br />

jeweils 50 und 65 Universitäten in Bezug auf die akademische Infrastruktur<br />

gut ausgestattet. In Relation zur Bevölkerungszahl ist <strong>der</strong> <strong>West</strong>en<br />

Chinas mit 1,1 Universitäten je eine Million Einwohner nicht wesentlich<br />

schlechter gestellt als die Ostprovinzen. Hier liegt das Verhältnis bei 1,3<br />

Universitäten je 1 Million Einwohner. Schließt man die Städte Peking<br />

(4,8 Universitäten je 1 Million Einwohner), Shanghai (3,2 Universitäten<br />

je 1 Million Einwohner) und Tianjin (3,7 Universitäten je 1 Million Einwohner)<br />

aus dem Vergleich zwischen <strong>West</strong>- und Ostprovinzen aus, dann reduziert<br />

sich <strong>der</strong> Unterschied in <strong>der</strong> akademischen Infrastruktur gegen null. Im<br />

<strong>West</strong>en weisen die Autonome Region Ningxia (2,1 Universitäten je 1 Million<br />

Einwohner) sowie die Provinzen Qinghai (2,0 Universitäten je 1 Million<br />

Einwohner) und Shaanxi (1,7 Universitäten je 1 Million Einwohner)<br />

die höchste Hochschulkonzentration auf. Allerdings können sie noch nicht<br />

mit den Metropolen <strong>der</strong> Küstenregionen mithalten.<br />

Auch bei den Bildungsinvestitionen liegt <strong>der</strong> <strong>West</strong>en noch zurück. 2007<br />

wurden nach offiziellen <strong>chinesischen</strong> Statistiken in Gesamtchina knapp<br />

200.000 CNY pro 1.000 Einwohner in Bildungseinrichtungen investiert.<br />

Dabei liegen die östlichen Provinzen mit im Schnitt 211.000 CNY pro<br />

1.000 Einwohner deutlich über den <strong>West</strong>provinzen, wo nur circa 170.000<br />

CNY ausgegeben werden. <strong>Die</strong> geringsten Pro-Kopf-Bildungsinvestitionen<br />

finden sich dabei in den Provinzen Guizhou, Gansu und Qinghai.


40 |<br />

Studie<br />

2.4 Forschung und Entwicklung<br />

Als Indikator für die Forschungsleistung in den <strong>West</strong>provinzen kann die<br />

Zahl <strong>der</strong> angemeldeten Patente herangezogen werden. Bei dieser Kennzahl<br />

bleiben die <strong>West</strong>provinzen im Allgemeinen weit hinter den Ostprovinzen<br />

zurück, vor allem im Vergleich zu den Küstenregionen. So wurden 2008<br />

nur 10% <strong>der</strong> in China angemeldeten Patente im <strong>West</strong>en erarbeitet (insgesamt<br />

33.000). Innerhalb <strong>der</strong> <strong>West</strong>provinzen sind die Unterschiede zudem<br />

sehr stark: Zwei Drittel <strong>der</strong> in <strong>West</strong>china angemeldeten Patente entfallen<br />

auf die Provinzen Sichuan (40%), Chongqing (14%) und Shaanxi (13%).<br />

In <strong>der</strong> bezüglich Forschung und Entwicklung produktivsten Provinz im<br />

östlichen China, Guangzhou, wurden 2008 aber immer noch fast doppelt<br />

so viele Patente angemeldet wie in Sichuan. Allerdings gibt es auch in den<br />

<strong>West</strong>provinzen wichtige Zentren für Forschung und Entwicklung, so in<br />

Shaanxi, Sichuan o<strong>der</strong> Chongqing. Nähere Informationen dazu finden<br />

sich in den Provinzportraits in Teil G dieser Studie.<br />

2.5 Einkommensniveau<br />

<strong>Die</strong> Kaufkraft <strong>der</strong> städtischen Bevölkerung liegt in den <strong>West</strong>provinzen im<br />

Schnitt bei 9.650 CNY pro Jahr (circa 1.400 USD), bei einer Schwankungsbreite<br />

von 8.900 CNY (Xinjiang und Tibet) und 11.600 CNY (Chongqing).<br />

Im Vergleich dazu liegt das verfügbare Pro-Kopf-Einkommen <strong>der</strong> städtischen<br />

Bevölkerung in den an<strong>der</strong>en <strong>chinesischen</strong> Provinzen im Schnitt bei 12.100<br />

CNY (circa 1.700 USD), also deutlich höher.<br />

Betrachtet man die Kaufkraft <strong>der</strong> ländlichen Bevölkerung, fallen die Unterschiede<br />

noch drastischer aus (siehe Abbildung 9). Im <strong>West</strong>en kommt die<br />

ländliche Bevölkerung im Schnitt auf ein verfügbares Pro-Kopf-Einkommen<br />

von 2.600 CNY (rund 375 USD), in den an<strong>der</strong>en Provinzen im Schnitt auf<br />

4.400 CNY (rund 630 USD). Der ohnehin schon sehr starke Einkommensunterschied<br />

zwischen Stadt und Land in China ist in den <strong>West</strong>provinzen<br />

also noch stärker ausgeprägt.


41 |<br />

<strong>Die</strong> <strong>Go</strong>-<strong>West</strong>-<strong>Strategie</strong> <strong>der</strong> <strong>chinesischen</strong> <strong>Regierung</strong> – Chancen für die deutsche Wirtschaft?<br />

2.6 Privater Konsum<br />

<strong>Die</strong> Konsumentenmärkte sind in <strong>West</strong>china noch deutlich schwächer ausgeprägt<br />

als im östlichen China, was im Wesentlichen auf das im Schnitt geringere<br />

Einkommensniveau zurückzuführen ist. Analog zum Anteil des Bruttoinlandsprodukts<br />

an Gesamtchina (19%) betrugen in <strong>West</strong>china die Ausgaben<br />

für Konsumgüter 2008 im Einzelhandel 17% <strong>der</strong>jenigen Gesamtchinas. Da<br />

sich diese Ausgaben aber auf einen Bevölkerungsanteil von 28% <strong>der</strong> ganzen<br />

Volksrepublik verteilen, sind die Konsumausgaben pro Kopf in <strong>West</strong>china im<br />

Schnitt deutlich geringer als im Osten: Gaben die Menschen im <strong>West</strong>en im<br />

Schnitt 5.300 CNY (rund 760 USD) im Jahr für Konsumgüter aus, sind es<br />

im Osten 11.100 CNY (rund 1.600 USD). Deutlich über dem Schnitt liegen<br />

dabei in den <strong>West</strong>provinzen die Innere Mongolei, Chongqing, Shaanxi und<br />

Sichuan. <strong>Die</strong> Metropolregionen im <strong>West</strong>en reichen dabei meistens an die<br />

Durchschnittswerte im Osten Chinas heran, wenn auch nicht an die Spitzenwerte<br />

<strong>der</strong> Ostregionen in Peking o<strong>der</strong> Shanghai.<br />

Wohlstandsgüter wie Autos, Klimaanlagen und Computer sind in den <strong>West</strong>provinzen<br />

ebenfalls noch weniger stark verbreitet als im Osten. Auf hun<strong>der</strong>t<br />

städtische Haushalte kommen 5,7 Autos, 48 Klimaanlagen und 44 Computer.<br />

In den stärker entwickelten Ostprovinzen sind es dagegen im Durch-


42 |<br />

Studie<br />

schnitt 8,8 Fahrzeuge, 104 Klimaanlagen und 62 Computer (siehe Abbildung<br />

10). Bei <strong>der</strong> Anzahl <strong>der</strong> Computer fällt auf, dass es zwischen den<br />

Städten Ost und <strong>West</strong>chinas keine starke "Digitale Kluft" zu geben scheint.<br />

Damit besteht zumindest in den <strong>West</strong>-Städten bei Arbeitnehmern und<br />

Konsumenten keine weitere Hürde für die Entwicklung hin zu einer<br />

mo<strong>der</strong>nen <strong>Die</strong>nstleistungsgesellschaft.<br />

Konsumbremsend wirkt sich in den <strong>West</strong>provinzen außerdem aus, dass<br />

die gesamtwirtschaftliche Sparquote mit im Schnitt 65% deutlich über dem<br />

gesamt<strong>chinesischen</strong> Schnitt von circa 50% liegt.<br />

Eine von <strong>Roland</strong> <strong>Berger</strong> in ausgewählten Ballungszentren in Ostchina und<br />

einigen Wachstumsregionen <strong>West</strong>chinas 2008 durchgeführte Konsumentenbefragung<br />

ergab, dass in den am weitesten entwickelten Städten des <strong>West</strong>ens<br />

(insbeson<strong>der</strong>e wurden Konsumenten in größeren Städten Sichuans,<br />

Guangxis, Yunnans und in Chongqing befragt) bereits ähnliche Konsum<br />

präferenzen wie im Osten herrschen 4) .<br />

So gibt in Bezug auf Reiseaktivitäten sowohl in den ost- als auch in den<br />

west<strong>chinesischen</strong> Metropolen über die Hälfte <strong>der</strong> Befragten an, dass sie<br />

mindestens einmal im Jahr verreist. Auch einmal wöchentlich o<strong>der</strong> häufiger<br />

Essen zu gehen, ist in <strong>West</strong>china genauso selbstverständlich wie im Osten.<br />

Beim Klei<strong>der</strong>kauf setzen sich die Parallelen zwischen Ost- und <strong>West</strong>china<br />

fort. Interessant ist das starke Preisbewusstsein chinesischer Konsumenten.<br />

4) <strong>Roland</strong> <strong>Berger</strong> Chinese Consumer Market Survey<br />

(http://www.rolandberger.com/news/2009-06-25-rbsc-news-ChineseConsumerSurvey.html).


43 |<br />

<strong>Die</strong> <strong>Go</strong>-<strong>West</strong>-<strong>Strategie</strong> <strong>der</strong> <strong>chinesischen</strong> <strong>Regierung</strong> – Chancen für die deutsche Wirtschaft?<br />

So ist in allen Regionen für 70% <strong>der</strong> Befragten <strong>der</strong> Preis wichtiger als die<br />

Marke. Bei den Kaufkriterien zeigt sich bei den Konsumenten aus dem<br />

<strong>West</strong>en eine leichte Bevorzugung <strong>der</strong> Kategorien Preis, Design und Marke<br />

bei Einkaufsentscheidungen.<br />

In Summe ist daher für die Metropolen im <strong>West</strong>en für die Zukunft eine<br />

analog zu den Ostprovinzen verlaufende Konsumentwicklung zu erwarten,<br />

die für entsprechend positionierte Konsumgüterhersteller und -vermarkter<br />

große Wachstumspotenziale darstellt.<br />

3. Beson<strong>der</strong>e politische Herausfor<strong>der</strong>ungen<br />

3.1 Soziale Brennpunkte: Armut, Arbeitslosigkeit und Wan<strong>der</strong>arbeiter<br />

China hat es in den letzten 25 Jahren geschafft, die Armut deutlich zu reduzieren.<br />

So geht die UNO davon aus, dass die Zahl <strong>der</strong> als arm geltenden<br />

ländlichen Bevölkerung von 130 Millionen Menschen im Jahr 1984 auf<br />

circa 20 Mio. Menschen im Jahr 2007 zurückgegangen ist. <strong>Die</strong> chinesische<br />

<strong>Regierung</strong> weist in ihren offiziellen Statistiken für das Jahr 2008 das Armutsniveau<br />

in Gesamtchina mit knapp 5% <strong>der</strong> Bevölkerung noch etwas höher<br />

aus. Dabei ist <strong>der</strong> Anteil <strong>der</strong> armen Bevölkerung mit durchschnittlich 8,7%<br />

im <strong>West</strong>en deutlich höher als <strong>der</strong> im Osten (3,8%). <strong>Die</strong> höchsten Werte<br />

weisen dabei die Provinzen Gansu (15%) und Qinghai (10%) auf.<br />

Nach offiziellen Statistiken liegt die Arbeitslosenquote in <strong>West</strong>china bei<br />

Werten zwischen 3,2 und 4,6%. Allerdings muss man davon ausgehen, dass<br />

diese Statistiken wenig mit <strong>der</strong> Realität vor Ort zu tun haben: <strong>Die</strong> Datenlage<br />

ist aufgrund des uneinheitlichen und unvollständigen Systems <strong>der</strong> statistischen<br />

Erfassung von Arbeitsmarktzahlen unzureichend. Hinzu kommt, dass<br />

selbst die veröffentlichten Daten aufgrund politischer Restriktionen unter<br />

Vorbehalt zu sehen sind. <strong>Die</strong> offizielle Arbeitslosenquote erfasst nur diejenigen<br />

städtischen Arbeitskräfte, die sich als arbeitssuchend registriert haben.<br />

In <strong>der</strong> Arbeitslosenstatistik nicht berücksichtigt werden Wan<strong>der</strong>arbeiter,<br />

Hochschulabsolventen, die neu auf den Arbeitsmarkt kommen, und ehemalige<br />

Beschäftigte <strong>der</strong> Staatsbetriebe. Bezieht man diese Gruppen bei <strong>der</strong><br />

Betrachtung <strong>der</strong> Arbeitslosigkeit in China mit ein, dürfte die Arbeitslosenquote<br />

in den Stadtgebieten zwischen 12% und 14% liegen. Das heißt, dass<br />

die Zahl <strong>der</strong> Arbeitslosen in den <strong>chinesischen</strong> Städten in Gesamtchina auf<br />

fast 46 Millionen geschätzt wird. Darunter sind etwa 20 bis 30 Millionen<br />

Wan<strong>der</strong>arbeiter.


44 |<br />

Studie<br />

<strong>Die</strong> Zahl <strong>der</strong> Wan<strong>der</strong>arbeiter aus ländlichen Regionen, die außerhalb ihrer<br />

Heimatprovinz arbeiten, wird mit rund 140 Millionen veranschlagt 5) . <strong>Die</strong><br />

Hälfte davon ist im Baugewerbe und in – meist exportorientierten – Industriebetrieben<br />

tätig. So kann man davon ausgehen, dass Wan<strong>der</strong>arbeiter von<br />

den Folgen <strong>der</strong> Wirtschaftskrise stark betroffen sind. Im zweiten Halbjahr<br />

2008 hat <strong>der</strong> Rückgang <strong>der</strong> Exportnachfrage nach Angaben des Ministeriums<br />

für Arbeit und Soziale Sicherheit über 10 Millionen Wan<strong>der</strong>arbeiter<br />

ihren Arbeitsplatz gekostet. Mittelbar trifft diese Entwicklung die <strong>West</strong>provinzen<br />

beson<strong>der</strong>s hart, denn viele Wan<strong>der</strong>arbeiter kommen aus den ländlichen<br />

Regionen des <strong>West</strong>ens. Zieht man in Betracht, dass die Transferzahlungen<br />

<strong>der</strong> Wan<strong>der</strong>arbeiter etwa 40% des Einkommens in den ländlichen<br />

Regionen Chinas ausmachen, zeichnet sich ab, dass die erhöhte Arbeitslosigkeit<br />

das Einkommensgefälle zwischen den ländlichen Regionen des<br />

<strong>West</strong>ens und den wohlhaben<strong>der</strong>en Regionen des Ostens zusätzlich<br />

verschärfen wird.<br />

3.2 Nationale Min<strong>der</strong>heiten und ethnische Konflikte<br />

Auf chinesischem Territorium leben 55 anerkannte nationale Min<strong>der</strong>heiten.<br />

Der Anteil <strong>der</strong> dominierenden Han-Chinesen an <strong>der</strong> Bevölkerung Gesamtchinas<br />

liegt bei etwa 92%.<br />

Seit Gründung <strong>der</strong> Volksrepublik 1949 gilt in China offiziell das politische<br />

Konzept eines "einheitlichen Vielvölkerstaats". In dessen Rahmen führte<br />

die kommunistische <strong>Regierung</strong> das Prinzip <strong>der</strong> regionalen Gebietsautonomie<br />

ein: 1947 wurde die Autonome Region Innere Mongolei gegründet, 1955<br />

die Autonome Region Xinjiang; Mit dieser Politik sollte "ein goldener Mittelweg<br />

zwischen den beiden Extremen des 'Groß-Han-Chauvinismus' auf<br />

Kosten <strong>der</strong> Min<strong>der</strong>heiten auf <strong>der</strong> einen Seite und des 'lokalen Nationalismus',<br />

das heißt separatistischer Tendenzen auf <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en beschritten<br />

werden", wie <strong>der</strong> China-Experte Thoralf Klein erklärt.<br />

Im <strong>West</strong>en Chinas liegen fünf Autonome Regionen: Guangxi, Innere Mongolei,<br />

Ningxia, Tibet und Xinjiang, die allein 44% <strong>der</strong> Fläche <strong>der</strong> Volksrepublik<br />

China ausmachen, allerdings nur 8% <strong>der</strong> Bevölkerung. Außerdem bilden<br />

diese Regionen den größten Teil <strong>der</strong> Außengrenze Chinas und verfügen<br />

über beträchtliche Rohstoffvorkommen (siehe Seite 34f.). Sie sind außerdem<br />

im Außenhandel von strategischer Bedeutung und erlauben es China, seinen<br />

ökonomischen Einflussbereich weit über die eigenen Grenzen hinaus<br />

nach Zentralasien auszudehnen (siehe dazu Portrait <strong>der</strong> Autonomen Region<br />

Xinjiang, Seite 166ff.). Vor diesem Hintergrund wird deutlich, dass Autonomiebestrebungen<br />

<strong>der</strong> nationalen Min<strong>der</strong>heiten in diesen Gebieten den<br />

geopolitischen und wirtschaftlichen Interessen <strong>der</strong> <strong>chinesischen</strong> Zentralregierung<br />

zuwi<strong>der</strong>laufen.<br />

5) Es existieren unterschiedliche Schätzungen über die Zahl <strong>der</strong> Wan<strong>der</strong>arbeiter und ihre Herkunftsregionen.<br />

<strong>Die</strong> unklare Datenlage ist darauf zurückzuführen, dass es sich hier um eine Grauzone<br />

des Arbeitsmarktes handelt: Viele Wan<strong>der</strong>arbeiter halten sich illegal und damit ohne Anmeldung<br />

an ihren Arbeitsorten auf.


45 |<br />

<strong>Die</strong> <strong>Go</strong>-<strong>West</strong>-<strong>Strategie</strong> <strong>der</strong> <strong>chinesischen</strong> <strong>Regierung</strong> – Chancen für die deutsche Wirtschaft?<br />

In den Ostprovinzen gehören 8% <strong>der</strong> Bevölkerung einer nationalen Min<strong>der</strong>heit<br />

an. In den <strong>West</strong>provinzen beträgt <strong>der</strong> Anteil <strong>der</strong> nicht<strong>chinesischen</strong><br />

Ethnien an <strong>der</strong> Bevölkerung rund 20%; das heißt, dort sind etwa 77 Millionen<br />

Menschen Angehörige einer nationalen Min<strong>der</strong>heit. <strong>Die</strong> west<strong>chinesischen</strong><br />

Provinzen beziehungsweise Autonomen Regionen mit den höchsten<br />

Anteilen an nationalen Min<strong>der</strong>heiten sind Tibet (94%), Xinjiang (59%),<br />

Qinghai (46%), Guangxi (38%), Guizhou (38%), Ningxia (35%), Yunnan<br />

(33%) und die Innere Mongolei (21%).<br />

Der offiziellen Doktrin vom "einheitlichen Vielvölkerstaat" zum Trotz<br />

schwelen in <strong>der</strong> Volksrepublik China nach wie vor ethnische Konflikte, die<br />

sich insbeson<strong>der</strong>e in Tibet und in Xinjiang immer wie<strong>der</strong> in gewaltsamen<br />

Auseinan<strong>der</strong>setzungen zwischen Staatsmacht und Demonstranten entladen.<br />

Angehörige nationaler Min<strong>der</strong>heiten kritisieren die politische, ökonomische<br />

und kulturelle Dominanz <strong>der</strong> Han-Chinesen sowie den indirekten Zwang<br />

zur Assimilierung: Sozialer Aufstieg sei für Angehörige nationaler Min<strong>der</strong>heiten<br />

nur um den Preis <strong>der</strong> Sinisierung zu haben. Beklagt wird außerdem,<br />

dass die chinesische Zentralregierung den Anteil <strong>der</strong> nationalen Min<strong>der</strong>heiten<br />

an <strong>der</strong> Bevölkerung <strong>der</strong> Autonomen Regionen durch Anreize für den<br />

Zuzug von Han-Chinesen reduzieren will. Vor diesem Hintergrund ist das<br />

ethnisch motivierte Konfliktpotenzial in Chinas <strong>West</strong>en höher als im Osten.<br />

Obwohl die chinesische <strong>Regierung</strong> die Berichterstattung ausländischer<br />

Journalisten über ethnische Konflikte so weit wie möglich unterdrückt, wird<br />

in den internationalen Medien immer wie<strong>der</strong> über Proteste und Ausschreitungen<br />

berichtet. Im März 2008 eskalierte die Situation in Tibet, das seit<br />

1950 nach dem Einmarsch chinesischer Truppen in das Herrschaftsgebiet<br />

Pekings integriert ist: Eine Demonstration von Mönchen in <strong>der</strong> Hauptstadt<br />

Lhasa, die die Freilassung von politischen Gefangenen for<strong>der</strong>ten, war <strong>der</strong><br />

Auftakt zu den schwersten Protesten seit 20 Jahren. Im Juli 2009 lieferten<br />

sich in Xinjiangs Hauptstadt Ürümqi Sicherheitskräfte und Polizei erbitterte<br />

Straßenschlachten, bei denen über 180 Todesopfer zu beklagen waren und<br />

die mindestens 1.700 Verhaftungen nach sich zogen 6) .<br />

Es bleibt abzuwarten, inwieweit die sozialen Auswirkungen <strong>der</strong> Wirtschaftskrise<br />

zu einer weiteren Verschärfung <strong>der</strong> ethnischen Konflikte führen werden.<br />

Experten sehen die Gefahr, dass die tendenziell sozial und politisch<br />

schlechter gestellten Min<strong>der</strong>heiten bei steigen<strong>der</strong> Arbeitslosigkeit und<br />

erhöhtem Druck auf soziale Budgets stärker betroffen sind und dadurch<br />

das Gewaltpotenzial steigen könnte.<br />

Bislang war nicht zu beobachten, dass im Fall gewaltsamer Konflikte Auslän<strong>der</strong><br />

o<strong>der</strong> ausländische Unternehmen bewusst angegriffen werden. Allerdings<br />

besteht natürlich das Risiko, bei einer Eskalation <strong>der</strong> Auseinan<strong>der</strong>-<br />

6) Auf die Hintergründe <strong>der</strong> Konflikte in Xinjiang wird im Profil dieser Autonomen Region ab Seite 166<br />

eingegangen.


46 |<br />

Studie<br />

setzung zwischen nationalistischen Kräften und Staatsmacht beziehungsweise<br />

Han-Chinesen "zwischen die Fronten" zu geraten und zufällig Opfer<br />

einer Gewalttat zu werden.<br />

3.3 Umwelt und Naturschutz<br />

"Das Wirtschaftswun<strong>der</strong> ist bald zu Ende, denn die Umwelt hält nicht mehr<br />

mit: Auf einem Drittel des <strong>chinesischen</strong> Territoriums geht saurer Regen<br />

nie<strong>der</strong>, […], ein Viertel <strong>der</strong> Bürger hat keinen Zugang zu sauberem Trinkwasser.<br />

Ein Drittel <strong>der</strong> Städter muss stark verdreckte Luft einatmen, weniger<br />

als 20% des städtischen Mülls werden umweltverträglich entsorgt." –<br />

Derart drastisch hat Pan Yue, Vizeminister <strong>der</strong> <strong>chinesischen</strong> Umweltbehörde<br />

SEPA, bereits 2005 in einem Interview mit dem "Spiegel" die ökologischen<br />

Probleme <strong>der</strong> Volksrepublik China zusammengefasst. <strong>Die</strong>ser Befund hat sich<br />

kaum verän<strong>der</strong>t, obgleich die chinesische Zentralregierung inzwischen dem<br />

Schutz <strong>der</strong> Umwelt in ihrer offiziellen Politik einen höheren Stellenwert<br />

einräumt: So ist die State Environmental Protection Administration (SEPA)<br />

zum Ministry of Environmental Protection (MEP) aufgewertet worden.<br />

Im 11. Fünfjahresplan (2006-2010) wurden die Energieeffizienz und die<br />

För<strong>der</strong>ung erneuerbarer Energien aufgenommen.<br />

<strong>Die</strong> enormen Umweltprobleme <strong>der</strong> Volksrepublik China resultieren zum<br />

einen aus den geografischen und klimatischen Bedingungen (siehe Seite<br />

30ff.): In weiten Teilen des <strong>chinesischen</strong> Territoriums von 9,6 Mio. Quadratkilometern<br />

ist Ackerbau gar nicht o<strong>der</strong> nur eingeschränkt möglich. Von den<br />

Erträgen <strong>der</strong> landwirtschaftlich genutzten Fläche – ihr Anteil liegt bei nur<br />

13,5% <strong>der</strong> Gesamtfläche Chinas – müssen sehr viele Menschen satt werden,<br />

sodass <strong>der</strong> Druck auf die natürlichen Ressourcen steigt. <strong>Die</strong> Inten-sivierung<br />

<strong>der</strong> Landwirtschaft und das rapide Wirtschaftswachstum <strong>der</strong> letzten drei<br />

Jahrzehnte haben die Belastung <strong>der</strong> Umwelt erheblich erhöht. Der <strong>West</strong>en<br />

Chinas ist davon in beson<strong>der</strong>em Maße betroffen.<br />

Wasserverschmutzung und Wasserknappheit<br />

<strong>Die</strong> Wasserressourcen Chinas sind ungleich verteilt: Vor allem im Norden<br />

<strong>der</strong> Volksrepublik ist Wasser ein immer knapper werdendes Gut. In diesen<br />

Teilen des Landes befinden sich jedoch wichtige Industriezentren sowie<br />

zwei Drittel <strong>der</strong> landwirtschaftlich genutzten Flächen. Für <strong>der</strong>en Bewässerung<br />

und für die Trinkwasseraufbereitung wird zu einem großen Teil Tiefenwasser<br />

verwendet, dessen Vorkommen sich langsamer erneuert als Grundwasser<br />

o<strong>der</strong> Oberflächenwasser. <strong>Die</strong> Entnahme von Wasser aus tiefen<br />

Schichten begünstigt außerdem die Wüstenbildung. Von den <strong>West</strong>provinzen<br />

sind hiervon insbeson<strong>der</strong>e die Autonomen Regionen Ningxia und die<br />

Innere Mongolei betroffen.


47 |<br />

<strong>Die</strong> <strong>Go</strong>-<strong>West</strong>-<strong>Strategie</strong> <strong>der</strong> <strong>chinesischen</strong> <strong>Regierung</strong> – Chancen für die deutsche Wirtschaft?<br />

70% des Wasserverbrauchs Nordchinas fließen in die Bewässerung; davon<br />

gehen circa 60% durch Leitungsverluste verloren (zum Vergleich: In den<br />

USA liegen die Leitungsverluste zwischen 20% und 25%). <strong>Die</strong> Wassereffizienz<br />

in <strong>der</strong> Produktion lässt ebenfalls zu wünschen übrig: Nach Angaben<br />

<strong>der</strong> Weltbank verbraucht die chinesische Industrie vier- bis zehnmal so<br />

viel Wasser wie die Industriestaaten.<br />

Das Problem <strong>der</strong> Wasserknappheit wird durch die Wasserverschmutzung<br />

zusätzlich verschärft: <strong>Die</strong> Gewässer Chinas sind durch die Einleitung von<br />

unbehandelten städtischen und industriellen Abwässern sowie durch Pestizide<br />

und Düngemittel extrem belastet: Zwei Drittel <strong>der</strong> Oberflächengewässer<br />

gelten als verschmutzt.<br />

Wüstenbildung<br />

Fast ein Drittel des <strong>chinesischen</strong> Territoriums besteht aus Stein- und Sandwüsten<br />

– und diese sind vielerorts auf dem Vormarsch und erobern weitere<br />

Gebiete. Wan<strong>der</strong>dünen bedrohen in <strong>der</strong> Provinz Gansu ganze Siedlungen.<br />

<strong>Die</strong> Sanddünen sind inzwischen auf eine Entfernung von 70 Kilometern an<br />

die Hauptstadt Peking herangekommen, und Sandstürme sind wesentlich<br />

häufiger geworden. <strong>Die</strong> Hauptursachen für die Desertifikation sind Abholzung,<br />

Überweidung und die Übernutzung <strong>der</strong> Wasserreserven. In den<br />

westlichen Provinzen sind die Sandwüsten vor allem in den Autonomen<br />

Regionen Xinjiang und <strong>der</strong> Inneren Mongolei zu finden. Um die Ausbreitung<br />

<strong>der</strong> Wüsten aufzuhalten, hat die chinesische Zentralregierung Aufforstungsprogramme<br />

aufgelegt. Nach offiziellen Angaben haben diese 2006<br />

bewirkt, dass erstmals die Gesamtwüstenfläche reduziert werden konnte.<br />

Entwaldung<br />

Ursprünglich war China vor allem im <strong>West</strong>en und im Süden dicht bewaldet.<br />

Das starke Bevölkerungswachstum, die Ausdehnung <strong>der</strong> Agrarflächen und<br />

intensiver Holzeinschlag ließen die Waldfläche schrumpfen. Große Wäl<strong>der</strong><br />

gibt es in den <strong>West</strong>provinzen noch in Yunnan, Sichuan sowie in <strong>der</strong> Inneren<br />

Mongolei. Nach <strong>der</strong> großen Flutkatastrophe in <strong>der</strong> Jangtse-Region und in<br />

Nordostchina von 1998, die durch exzessive Rodungen im Quellgebiet des<br />

Jangtse und Mekong begünstigt wurde, verbot die <strong>Regierung</strong> die Abholzung<br />

von Naturwäl<strong>der</strong>n. Um Überflutungen vorzubeugen und Erosion sowie<br />

Desertifikation zu verhin<strong>der</strong>n, wurden teilweise groß angelegte Aufforstungsprogramme<br />

initiiert. Das wohl bekannteste ist die sogenannte "Great<br />

Green Wall", ein 4.480 Kilometer langer Baumgürtel, <strong>der</strong> vor allem die<br />

nordwestlichen Provinzen und Peking schützen soll. Durch die Aufforstungsmaßnahmen<br />

hat sich <strong>der</strong> Anteil <strong>der</strong> Waldbedeckung an <strong>der</strong> Gesamtfläche<br />

Chinas wie<strong>der</strong> auf 18,2% erhöht (Stand 2006). Der zusätzliche<br />

Flächenbedarf <strong>der</strong> Landwirtschaft (siehe Seite 34) und <strong>der</strong> Industrie erzeugt<br />

aber Konflikte zwischen Wie<strong>der</strong>aufforstung und an<strong>der</strong>en Nutzungsmöglichkeiten,<br />

sodass einzelne Aufforstungsprogramme schon wie<strong>der</strong> gestoppt<br />

o<strong>der</strong> verlangsamt wurden.


48 |<br />

Studie<br />

Luftverschmutzung<br />

Seit 2008 ist die Volksrepublik China <strong>der</strong> größte CO 2 -Emittent <strong>der</strong> Welt<br />

und hat die USA als das Land mit dem höchsten CO 2 -Ausstoß abgelöst.<br />

Am globalen CO 2 -Ausstoß hat China einen Anteil von 20,7%. China hat das<br />

Kyoto-Protokoll unterzeichnet; allerdings lehnte es die Volksrepublik unter<br />

Berufung auf ihren Status als Schwellenland bislang ab, verbindliche Verpflichtungen<br />

zur CO 2 -Reduktion einzugehen. Hier zeichnet sich jedoch<br />

ein Kurswechsel ab: Im August 2009 benannte China erstmals konkrete<br />

Ziele, die Zunahme seines CO 2 -Ausstoßes zu begrenzen.<br />

Eine wesentliche Ursache für die hohen Treibhausgas-Emissionen ist die<br />

Struktur des nationalen Energiemix: Mit einem Anteil von zwei Dritteln<br />

dominiert hier die Kohle. China hat die größten Kohlevorkommen <strong>der</strong> Welt<br />

und greift vorwiegend auf diese Ressource zurück, um den enormen Energiebedarf<br />

zu decken, den das rasante Wirtschaftswachstum verursacht: Seit<br />

1990 ist <strong>der</strong> Energieverbrauch des Landes um 70% gestiegen. Jede Woche<br />

geht in China ein neues Kohlekraftwerk in Betrieb. In den großen Städten<br />

wird das Problem <strong>der</strong> Luftverschmutzung außerdem durch die Zunahme<br />

des Individualverkehrs verschärft: Der Bestand an privaten Fahrzeugen<br />

soll sich von <strong>der</strong>zeit rund 20 Millionen bis 2023 auf 140 Millionen<br />

erhöhen.<br />

Nach einer Studie <strong>der</strong> Weltbank sind gerade die Städte in den westlichen<br />

Provinzen – vor allem in Qinghai, Ningxia und Chongqing – beson<strong>der</strong>s von<br />

Luftverschmutzung durch Feinstaub betroffen.<br />

<strong>Die</strong> Emissionen von Schwefeldioxid (SO 2 ) und Stickoxiden (NO X ) haben<br />

sich seit den achtziger Jahren bezogen auf Gesamtchina verringert und<br />

betreffen heute vornehmlich den geografischen Süden und Südosten <strong>der</strong><br />

Volksrepublik. Seit 2003 ist allerdings in den Provinzen Chongqing,<br />

Guizhou und Guangxi wie<strong>der</strong> eine Zunahme <strong>der</strong> Schadstoffbelastung<br />

zu beobachten. <strong>Die</strong>se ist vor allem auf das stärkere Wirtschaftswachstum<br />

sowie die Ausweitung <strong>der</strong> Energieproduktion durch die Verstromung von<br />

Kohle zurückzuführen.<br />

Angesichts des dramatischen Ausmaßes <strong>der</strong> Umweltschäden wächst in den<br />

<strong>West</strong>provinzen <strong>der</strong> Handlungsbedarf, Maßnahmen zum Schutz <strong>der</strong> Umwelt<br />

zu ergreifen. Daraus ergeben sich vielversprechende Perspektiven für ausländische<br />

Unternehmen aus <strong>der</strong> Greentech-Branche, in <strong>der</strong> deutsche Anbieter<br />

eine dominierende Stellung einnehmen.<br />

<strong>Die</strong> spezifischen Rahmenbedingungen <strong>der</strong> <strong>chinesischen</strong> <strong>West</strong>provinzen<br />

und die beson<strong>der</strong>en politischen Herausfor<strong>der</strong>ungen, die sich für sie stellen,<br />

bildeten und bilden immer noch wesentliche Motivationsfaktoren für die<br />

Entwicklung und Weiterführung <strong>der</strong> <strong>Go</strong>-<strong>West</strong>-<strong>Strategie</strong> <strong>der</strong> <strong>chinesischen</strong><br />

<strong>Regierung</strong>.


49 |<br />

<strong>Die</strong> <strong>Go</strong>-<strong>West</strong>-<strong>Strategie</strong> <strong>der</strong> <strong>chinesischen</strong> <strong>Regierung</strong> – Chancen für die deutsche Wirtschaft?<br />

D. <strong>Die</strong> <strong>Go</strong>-<strong>West</strong>-<strong>Strategie</strong> <strong>der</strong> <strong>chinesischen</strong> <strong>Regierung</strong>:<br />

Ziele, Ergebnisse und Ausblick<br />

1. <strong>Die</strong> erste Phase <strong>der</strong> <strong>Go</strong>-<strong>West</strong>-<strong>Strategie</strong><br />

1.1 <strong>Die</strong> Einbettung <strong>der</strong> <strong>Go</strong>-<strong>West</strong>-<strong>Strategie</strong> in die zentrale Planung<br />

<strong>der</strong> Volksrepublik China<br />

Seit 1953 werden die politischen Rahmenbedingungen für die volkswirtschaftliche<br />

und gesellschaftliche Entwicklung in China durch Fünfjahrespläne<br />

bestimmt. Allerdings haben sich die Rolle und Ausgestaltung dieser<br />

Pläne mit Beginn <strong>der</strong> Reform- und Öffnungspolitik 1978 deutlich verän<strong>der</strong>t.<br />

Bis dahin regelte die zentrale Planung was, wie viel, von wem für wen<br />

produziert wird. Per definitionem handelte es sich um eine Zentralverwaltungswirtschaft,<br />

in <strong>der</strong> alle Wirtschaftsprozesse von einer staatlichen Zentralinstanz<br />

geplant und gelenkt wurden. Der Mo<strong>der</strong>nisierungskurs führte<br />

zu einer allmählichen Transformation des Wirtschaftssystems: Immer mehr<br />

marktwirtschaftliche Elemente – zum Beispiel Privateigentum an Produktionsmitteln,<br />

freie Preisbildung für den Großteil <strong>der</strong> Waren und <strong>Die</strong>nstleistungen<br />

– verän<strong>der</strong>ten die Wirtschaftsordnung, die sich nach und nach<br />

zu einer "sozialistischen Marktwirtschaft" entwickelt hat.<br />

<strong>Die</strong>ser Wandel des Wirtschaftssystems bedingte ein verän<strong>der</strong>tes Verständnis<br />

für die Rolle <strong>der</strong> Fünfjahrespläne. Ausdruck dieses Gesinnungswechsels ist<br />

die neue Bezeichnung, die das Zentralkomitee <strong>der</strong> KPCh 2005 eingeführt<br />

hat. Zum ersten Mal wurde nicht mehr von "Plänen" gesprochen, son<strong>der</strong>n<br />

von "Richtlinienzielsetzungen". Bei dieser Terminologie geht es um weit<br />

mehr als um sprachliche Feinheiten. <strong>Die</strong>s zeigt sich auch daran, dass die<br />

Rolle <strong>der</strong> Nationalen Entwicklungs- und Reformkommission (NDRC) im Zuge<br />

einer Verwaltungsreform verän<strong>der</strong>t wurde. <strong>Die</strong>se Institution, die als "Ministerium<br />

<strong>der</strong> Ministerien" gilt, soll sich künftig im Rahmen <strong>der</strong> volkswirtschaftlichen<br />

Lenkung auf die Themenfel<strong>der</strong> Planung, Forschung und Prognosen<br />

fokussieren.<br />

Doch selbst nach <strong>der</strong> Verwaltungsreform behält die NDRC ihre Schlüsselposition<br />

in <strong>der</strong> <strong>chinesischen</strong> Wirtschaftspolitik. In den Händen dieser Kommission<br />

liegt nach wie vor die Hauptverantwortung für die Entwicklung<br />

und die Umsetzung <strong>der</strong> Fünfjahrespläne. Somit gehört die NDRC zu den<br />

maßgeblichen Akteuren bei <strong>der</strong> Ausarbeitung und Umsetzung <strong>der</strong> <strong>Go</strong>-<strong>West</strong>-<br />

<strong>Strategie</strong>.


50 |<br />

Studie<br />

<strong>Die</strong> <strong>Go</strong>-<strong>West</strong>-<strong>Strategie</strong> wurde 1999 entwickelt und im Jahr 2000 erstmals<br />

<strong>der</strong> Öffentlichkeit präsentiert. <strong>Die</strong> chinesische Führung integrierte das<br />

Konzept dann als wesentlichen Baustein in den 10. Fünfjahresplan. <strong>Die</strong><br />

<strong>Go</strong>-<strong>West</strong>-<strong>Strategie</strong> hat die Zielsetzung, den deutlichen Entwicklungsrückstand<br />

<strong>der</strong> westlichen Provinzen im Vergleich zum östlichen China zu verringern<br />

und damit zum Abbau <strong>der</strong> sozialen und ökonomischen Disparitäten<br />

innerhalb <strong>der</strong> Volksrepublik China beizutragen.<br />

Das Konzept ist als Reaktion auf die zunehmende Diskrepanz zwischen <strong>der</strong><br />

Entwicklung <strong>der</strong> Ost- und <strong>West</strong>provinzen entstanden: Während <strong>der</strong> ersten<br />

zwei Jahrzehnte <strong>der</strong> Reform- und Öffnungspolitik hat sich China bewusst<br />

und ausschließlich auf die Entwicklung <strong>der</strong> östlichen Küstenregionen<br />

konzentriert. Durch <strong>der</strong>en extremes Wachstum – das durch die "Coastal<br />

Development Strategy" geför<strong>der</strong>t wurde – hat die Ungleichheit zwischen<br />

den Küsten- und den Inlandsregionen <strong>der</strong> Volksrepublik stark zugenommen.<br />

Vor diesem Hintergrund zeichneten sich Ende <strong>der</strong> neunziger Jahre deutliche<br />

Unterschiede zwischen dem Osten und dem <strong>West</strong>en Chinas ab:<br />

> Sowohl das Volkseinkommen als auch das Niveau <strong>der</strong> individuellen Einkommen<br />

war extrem ungleich verteilt: 1999 haben die <strong>West</strong>provinzen<br />

zum Bruttoinlandsprodukt <strong>der</strong> gesamten Volksrepublik China nur knapp<br />

ein Fünftel beigetragen. Das Bruttoinlandsprodukt <strong>der</strong> Provinz Guizhou<br />

lag beispielsweise bei einem Zwölftel <strong>der</strong> Wirtschaftsleistung von<br />

Shanghai.<br />

> In den ländlichen Gebieten des <strong>West</strong>ens herrschte teilweise extreme<br />

Armut: 56% <strong>der</strong> armen Bevölkerung Chinas lebten in den westlichen<br />

Regionen; <strong>der</strong> Anteil <strong>der</strong> als arm einzuschätzenden Bevölkerung lag in<br />

den Provinzen Innere Mongolei, Gansu und Quinghai bei über 20%,<br />

in den übrigen <strong>West</strong>provinzen immerhin noch bei über 10%.<br />

> Der Human Development Index (HDI) <strong>der</strong> Vereinten Nationen, <strong>der</strong> die<br />

Faktoren Lebenserwartung, Alphabetenquote, Schuleinschreibungsquote<br />

und reale Kaufkraft in einem Index vereinigt, stand 1999 in den <strong>West</strong>provinzen<br />

im Schnitt bei 0,59, während die Ostprovinzen im Schnitt<br />

0,76 erreichten. <strong>Die</strong> <strong>West</strong>provinzen liegen hierbei noch relativ nah an<br />

<strong>der</strong> Grenze zu einem HDI von 0,5. Unterhalb dieser Marke spricht man<br />

von gering entwickelten Län<strong>der</strong>n, während ein HDI von 0,8 die Grenze<br />

zwischen Län<strong>der</strong>n mit mittlerem und denjenigen mit hohem Entwicklungsstand<br />

bildet.<br />

> Min<strong>der</strong>heiten sind im <strong>West</strong>en deutlich stärker vertreten als im Osten<br />

(siehe Seite 44f.). Ethnische Spannungen und daraus entstehende<br />

Konflikte sind umso schwieriger zu lösen, je größer die soziale<br />

Ungleichheit ist.


51 |<br />

<strong>Die</strong> <strong>Go</strong>-<strong>West</strong>-<strong>Strategie</strong> <strong>der</strong> <strong>chinesischen</strong> <strong>Regierung</strong> – Chancen für die deutsche Wirtschaft?<br />

> <strong>Die</strong> <strong>West</strong>provinzen waren – und sind – erheblich von Umweltschäden<br />

betroffen, insbeson<strong>der</strong>e von Entwaldung, Wüstenbildung und daraus<br />

resultieren<strong>der</strong> Devastierung von Land. Schätzungen gehen davon aus,<br />

dass 77% <strong>der</strong> Bodenerosion auf chinesischem Territorium im <strong>West</strong>en<br />

<strong>der</strong> Volksrepublik stattfinden.<br />

Obwohl das chinesische System <strong>der</strong> Planwirtschaft auch dezentrale Elemente<br />

aufweist, so liegt die Verantwortung für die Umsetzung <strong>der</strong> <strong>Go</strong>-<strong>West</strong>-<br />

<strong>Strategie</strong> für alle wesentlichen zentral definierten Programme – insbeson<strong>der</strong>e<br />

im Bereich <strong>der</strong> Infrastruktur – in den Händen <strong>der</strong> Zentralregierung.<br />

<strong>Die</strong> zentrale Planung ist in jedem Falle – und das gilt auch für die Elemente<br />

<strong>der</strong> <strong>Go</strong>-<strong>West</strong>-<strong>Strategie</strong> – eine verbindliche Vorgabe für die regionalen und<br />

lokalen Gebietskörperschaften und muss von diesen in ihre eigenen Fünfjahrespläne<br />

übersetzt werden.<br />

Innerhalb <strong>der</strong> NDRC ist eine eigene Abteilung für die Planung und Umsetzung<br />

<strong>der</strong> <strong>Go</strong>-<strong>West</strong>-<strong>Strategie</strong> zuständig. Außerdem koordiniert die Nationale Entwicklungs-<br />

und Reformkommission auf <strong>der</strong> Ebene <strong>der</strong> Zentralregierung die<br />

Vorgaben <strong>der</strong> <strong>Go</strong>-<strong>West</strong>-<strong>Strategie</strong> mit den an<strong>der</strong>en Ministerien. Sind also zum<br />

Beispiel für <strong>West</strong>china eine bestimmte fiskalische För<strong>der</strong>ung o<strong>der</strong> ermäßigte<br />

Steuersätze für Unternehmen in dieser Region vorgesehen, muss das Finanzministerium<br />

die hierfür erfor<strong>der</strong>lichen Mittel bereitstellen beziehungsweise<br />

ins Budget einplanen. Analog erfolgt die Planung und Umsetzung <strong>der</strong><br />

meisten Infrastrukturprojekte aus den Einzelministerien heraus, also etwa<br />

aus dem Ministerium für Verkehr und Transport.<br />

<strong>Die</strong>ser Koordinationsmechanismus liegt auch darin begründet, dass die<br />

Finanzierung <strong>der</strong> im Rahmen <strong>der</strong> <strong>Go</strong>-<strong>West</strong>-<strong>Strategie</strong> vorgesehenen Maßnahmen<br />

weitgehend zentral erfolgen muss: <strong>Die</strong> Haushalte <strong>der</strong> westlichen<br />

Provinzen sind ohnehin schon chronisch überlastet. Extrabudgetäre Vorgaben<br />

sind in <strong>der</strong> Regel kaum auf <strong>der</strong> Basis <strong>der</strong> regionalen Einnahmen<br />

zu finanzieren.<br />

<strong>Die</strong> begrenzten Mittel <strong>der</strong> Provinzen schränken de facto auch <strong>der</strong>en Spielraum<br />

für die Verwirklichung eigener Initiativen ein: Theoretisch können<br />

die verantwortlichen Institutionen auf <strong>der</strong> Ebene <strong>der</strong> Provinzen beziehungsweise<br />

<strong>der</strong> Bezirke und Städte zwar weitere Maßnahmen und Programme<br />

definieren, aber die Verwirklichung scheitert praktisch am knappen Budget.<br />

Selbst wenn es also regionale Umsetzungspläne für die <strong>Go</strong>-<strong>West</strong>-<strong>Strategie</strong><br />

gibt, bleibt die Gesamtstrategie überwiegend ein stark zentral beziehungsweise<br />

national getriebenes Programm. <strong>Die</strong> Rolle <strong>der</strong> regionalen <strong>Regierung</strong>en<br />

besteht im Wesentlichen daraus, die zentralen Programme administrativ zu<br />

unterstützen, etwa durch verstärkende Beschlüsse für die Umsetzung auf<br />

den nachgeordneten Verwaltungsebenen, durch Planungsleistungen o<strong>der</strong><br />

Genehmigungen.


52 |<br />

Studie<br />

Für die <strong>Go</strong>-<strong>West</strong> <strong>Strategie</strong> ist eine Vielzahl von Regelungen relevant (siehe<br />

Abbildung 11). <strong>Die</strong> wichtigsten sind:<br />

> <strong>Die</strong> spezifischen "<strong>Go</strong>-<strong>West</strong>"-Pläne als Teil des 10. und des<br />

11. Fünfjahresplans<br />

> Der "<strong>Go</strong>-<strong>West</strong>" Implementation Guide und die Regelungen zu geför<strong>der</strong>ten<br />

Branchen für Auslandsinvestitionen ("Encouraged industries")<br />

> Das chinesische Konjunkturprogramm<br />

> Das 10-Industrien-Revitalisierungspaket<br />

<strong>Die</strong>se wichtigsten Politikmaßnahmen werden im Folgenden kurz vorgestellt.<br />

<strong>Die</strong> weiteren auf <strong>der</strong> Abbildung 11 dargestellten Programme haben<br />

flankierenden Charakter und bilden Umsetzungspläne in den einzelnen<br />

Regionen und in den Fokusregionen, die aus den zentralen Plänen abgeleitet<br />

werden.


53 |<br />

<strong>Die</strong> <strong>Go</strong>-<strong>West</strong>-<strong>Strategie</strong> <strong>der</strong> <strong>chinesischen</strong> <strong>Regierung</strong> – Chancen für die deutsche Wirtschaft?<br />

1.2 <strong>Die</strong> <strong>Go</strong>-<strong>West</strong>-<strong>Strategie</strong> im 10. Fünfjahresplan (2001-2005)<br />

Den 10. Fünfjahresplan (2001-2005) bestimmten ganz wesentlich folgende<br />

"Leitlinien und Kampfziele", die auf dem XVI. Parteitag <strong>der</strong> KPCh im<br />

November 2002 vorgestellt wurden:<br />

> <strong>Die</strong> Inlandsnachfrage sollte wesentlich gesteigert werden.<br />

> <strong>Die</strong> landwirtschaftliche Entwicklung sollte beschleunigt und das<br />

Einkommensniveau <strong>der</strong> Landbevölkerung angehoben werden.<br />

> Vorgesehen war eine Verän<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Industriestruktur, wobei die<br />

Reform <strong>der</strong> Staatsbetriebe sowie die För<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Industrialisierung<br />

eine zentrale Rolle spielten. Als beson<strong>der</strong>s wichtige Branchen wurden<br />

die chemische Industrie sowie die Leicht-, Maschinen- und Brennstoffindustrie<br />

genannt.<br />

> <strong>Die</strong> Schaffung einer mo<strong>der</strong>nen Verkehrsinfrastruktur sollte forciert<br />

werden.<br />

> <strong>Die</strong> staatlichen Investitionen in die Bereiche Wissenschaft, Forschung,<br />

Bildung und Ausbildung sollten erhöht werden.<br />

Als explizites Ziel des 10. Fünfjahresplans nannte die politische Führung<br />

auch die För<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> west<strong>chinesischen</strong> Provinzen als integralen Bestandteil<br />

<strong>der</strong> Entwicklung <strong>der</strong> "harmonischen Gesellschaft" in China. Kernelement<br />

dieser Idee ist nachhaltiges Wachstum, das einen Ausgleich zwischen<br />

ökonomischen, ökologischen und sozialen Interessen anstrebt.<br />

<strong>Die</strong>se übergeordnete Zielsetzung bedingt, dass die <strong>Go</strong>-<strong>West</strong>-<strong>Strategie</strong> als<br />

zentraler Baustein in den 10. Fünfjahresplan integriert worden ist. Als<br />

wesentliche Ziele wurden dabei festgeschrieben:<br />

> <strong>Die</strong> Infrastruktur in ländlichen Gebieten sollte verbessert werden;<br />

<strong>der</strong> Fokus lag dabei auf dem Ausbau <strong>der</strong> Verkehrsinfrastruktur:<br />

– Durch eine Erweiterung des Fernstraßennetzes soll die Anbindung<br />

<strong>der</strong> Regionen verbessert werden.<br />

– Bis 2010 sollten neun wichtige Autobahnverbindungen zwischen<br />

Ost und <strong>West</strong> fertig gestellt sein.<br />

– Bis 2005 sollte das Eisenbahnnetz in <strong>West</strong>china auf 18.000 Kilometer<br />

ausgebaut werden. Dafür waren 40% <strong>der</strong> Finanzmittel vorgesehen,<br />

die im 10. Fünfjahresplan für den Ausbau beziehungsweise die<br />

Erweiterung des Schienenverkehrs budgetiert waren.<br />

– <strong>Die</strong> Wasserwege, vor allem die Ost-<strong>West</strong>-Verbindungen, sollten<br />

ausgebaut werden.


54 |<br />

Studie<br />

Im Bereich Umweltschutz wurden Wie<strong>der</strong>aufforstung und Rehabilitation<br />

von Flächen als vordringliche Aufgaben benannt.<br />

– Zu den wichtigsten Herausfor<strong>der</strong>ungen gehört <strong>der</strong> Kampf gegen<br />

Degradation von Böden, gegen Erosion, Entwaldung und Wüstenbildung.<br />

<strong>Die</strong> Maßnahmen konzentrieren sich auf die Gebiete an den<br />

Oberläufen des Jangtse und des Gelben Flusses. Bis 2010 sollen dort<br />

11,6 Mio. Hektar Ackerland wie<strong>der</strong>aufgeforstet beziehungsweise in<br />

Grasland zurückverwandelt werden.<br />

– In den <strong>West</strong>provinzen sollen bis 2010 270 neue Naturschutzzonen<br />

geschaffen werden. <strong>Die</strong>s würde eine Erhöhung <strong>der</strong> Naturschutzflächen<br />

von 63 auf 128 Mio. Hektar bedeuten.<br />

> Um das Bildungsniveau in den <strong>West</strong>provinzen anzuheben, wurde eine<br />

Vielzahl von Projekten zur Verbesserung <strong>der</strong> Bildungs- und Ausbildungssituation<br />

vorgesehen. Der Schwerpunkt liegt dabei vor allem in ländlichen<br />

Gebieten.<br />

> <strong>Die</strong> Steigerung <strong>der</strong> Effizienz in Industriebetrieben sowie eine Optimierung<br />

<strong>der</strong> Wirtschaftsstruktur durch die För<strong>der</strong>ung bestimmter Industriezweige<br />

zählten ebenfalls zu den Zielsetzungen des 10. Fünfjahresplans<br />

für die <strong>West</strong>provinzen. Dabei spielte allerdings <strong>der</strong> primäre Sektor<br />

immer noch eine starke Rolle.<br />

– <strong>Die</strong> landwirtschaftliche Produktion sollte verbessert werden. Vorgesehen<br />

war eine Fokussierung auf den Anbau von Baumwolle, Zuckerrohr,<br />

Früchten, Gemüse, Blumen, Medizinpflanzen und Tabak sowie<br />

eine Konzentration auf ertragsstärkere Tierarten in <strong>der</strong> Viehzucht.<br />

– <strong>Die</strong> Potenziale zur Energieerzeugung durch Wasserkraft und die<br />

Erdgasvorkommen <strong>der</strong> <strong>West</strong>provinzen sollten stärker genutzt werden.<br />

– <strong>Die</strong> Rohstoffverarbeitung sollte ausgebaut werden, insbeson<strong>der</strong>e die<br />

Verarbeitung von mineralischen Rohstoffen, zum Beispiel bei <strong>der</strong><br />

Produktion mineralischer Düngemittel. Außerdem sollte die Forschung<br />

im Bereich <strong>der</strong> Rohstoffverarbeitung intensiviert werden, etwa auf<br />

dem Gebiet seltener Erze.<br />

– Der Tourismus in den <strong>West</strong>provinzen sollte durch den Aufbau beziehungsweise<br />

den Ausbau <strong>der</strong> entsprechenden Infrastruktur geför<strong>der</strong>t<br />

werden.<br />

Wie diese Übersicht zeigt, wurden insgesamt durch die <strong>Go</strong>-<strong>West</strong>-<strong>Strategie</strong><br />

im Rahmen des 10. Fünfjahresplans in vielen Bereichen Maßnahmen angestoßen<br />

und Projekte initiiert. Allerdings waren Programme zur Verbesserung<br />

<strong>der</strong> Infrastruktur, des Naturschutzes, <strong>der</strong> Bildung und zur Verän<strong>der</strong>ung<br />

<strong>der</strong> Industriestruktur sowie zur Ansiedlung neuer Industriebetriebe langfristig<br />

angelegt. <strong>Die</strong>s bedingte, dass im Zeitraum des 10. Fünfjahresplans<br />

nur die ersten Schritte auf dem Weg zur Entwicklung <strong>der</strong> <strong>West</strong>provinzen<br />

erfolgen konnten.


55 |<br />

<strong>Die</strong> <strong>Go</strong>-<strong>West</strong>-<strong>Strategie</strong> <strong>der</strong> <strong>chinesischen</strong> <strong>Regierung</strong> – Chancen für die deutsche Wirtschaft?<br />

1.3 <strong>Die</strong> <strong>Go</strong>-<strong>West</strong>-<strong>Strategie</strong> im 11. Fünfjahresplan (2006-2010)<br />

Als <strong>der</strong> 11. Fünfjahresplan im März 2006 vom Nationalen Volkskongress<br />

verabschiedet wurde, betonte Hu Jintao, Staatspräsident und Vorsitzen<strong>der</strong><br />

<strong>der</strong> KPCh, dass damit eine Kurskorrektur von einer quantitativen zu einer<br />

mehr qualitativen Wirtschaftsentwicklung eingeleitet würde. <strong>Die</strong> Wirtschaftspolitik<br />

sollte künftig stärker die Leitmotive Nachhaltigkeit und soziale<br />

Gerechtigkeit berücksichtigen, um "Wi<strong>der</strong>sprüche innerhalb des Volkes"<br />

zu überwinden. <strong>Die</strong>ser Anspruch spiegelt sich in den politischen Zielen<br />

des 11. Fünfjahresplans wi<strong>der</strong>. Dazu gehört die Angleichung <strong>der</strong> sozialen<br />

und ökonomischen Verhältnisse in allen Regionen <strong>der</strong> Volksrepublik China,<br />

wobei beson<strong>der</strong>e Anstrengungen <strong>der</strong> Verbesserung <strong>der</strong> Lebensverhältnisse<br />

in den ländlichen Regionen gelten sollen. Der 11. Fünfjahresplan unterstreicht<br />

außerdem die Bedeutung des Umweltschutzes sowie <strong>der</strong> Energieeffizienz<br />

für die weitere Entwicklung <strong>der</strong> <strong>chinesischen</strong> Wirtschaft.<br />

Angesichts dieser Meta-Ziele ist die Fortsetzung beziehungsweise <strong>der</strong><br />

qualitative und quantitative Ausbau <strong>der</strong> gezielten För<strong>der</strong>maßnahmen für<br />

die <strong>West</strong>provinzen ein zwingend logischer Schritt <strong>der</strong> <strong>chinesischen</strong> Wirtschaftspolitik:<br />

<strong>Die</strong> <strong>Go</strong>-<strong>West</strong>-<strong>Strategie</strong> im 11. Fünfjahresplan knüpft daher<br />

an die Zielsetzung des 10. Fünfjahresplans an und entwickelt sie weiter.<br />

<strong>Die</strong> Schwerpunkte bei den Zielen und Programmen bilden die weitere<br />

Forcierung <strong>der</strong> Infrastrukturentwicklung, vor allem beim Straßen- und<br />

Schienenbau, sowie die För<strong>der</strong>ung bestimmter Wirtschaftszweige mit<br />

dem Schwerpunkt auf folgenden Branchen:<br />

> Energiewirtschaft<br />

> Chemiebranche<br />

> Abbau und Verarbeitung von Mineralien<br />

> Verarbeitung landwirtschaftlicher Produkte<br />

> Maschinenbau<br />

> Hightech-Industrien<br />

> Tourismus<br />

Insbeson<strong>der</strong>e bei den höherwertigen Industrieprodukten und den Hightech-Bereichen<br />

zeigt sich, dass <strong>der</strong> 11. Fünfjahresplan eine regionale<br />

Schwerpunktsetzung vorsieht: <strong>Die</strong> Ansiedlung dieser Branchen soll<br />

vor allem in den Provinzen Sichuan, Chongqing und Shaanxi erfolgen<br />

siehe Abbildung 12).


56 |<br />

Studie<br />

Im 11. Fünfjahresplan ist für die <strong>West</strong>provinzen die beson<strong>der</strong>e<br />

För<strong>der</strong>ung von drei Fokusregionen mit Leuchtturmfunktion vorgesehen<br />

(siehe Abbildung 13):<br />

> Guanzhong-Tianshui (Provinzen Shaanxi und Gansu, Städte Xi'an,<br />

Xianyang, Baoji und Tianshui): Fokussierung <strong>der</strong> Entwicklung auf Hightech-Industrien,<br />

Anlagen- und Gerätebau, Luftfahrtindustrie, mo<strong>der</strong>ne<br />

Landwirtschaft und Tourismus, Errichtung einer ökologischen Schutzzone<br />

für den Oberlauf des Jangtse (siehe auch Portrait <strong>der</strong> Provinz<br />

Shaanxi, Seite 152ff.)<br />

> Chengdu-Chongqing: Fokussierung auf Anlagen- und Gerätebau, Hightech-Industrien,<br />

Wasserkraftanlagen, spezielle landwirtschaftliche Produkte,<br />

Erdgas-För<strong>der</strong>ung, Chemieindustrie und Tourismus<br />

> "North Bay": Provinz Guangxi und Städte Nanning, Beihai, Qinzhou,<br />

Anbindung an Guangdong und Hainan; dort Fokussierung auf Hafenwirtschaft,<br />

Raffinerie und Petrochemie, Forst- und Papierwirtschaft


57 |<br />

<strong>Die</strong> <strong>Go</strong>-<strong>West</strong>-<strong>Strategie</strong> <strong>der</strong> <strong>chinesischen</strong> <strong>Regierung</strong> – Chancen für die deutsche Wirtschaft?<br />

In an<strong>der</strong>en Bereichen greift <strong>der</strong> 11. Fünfjahresplan die wesentlichen Zielsetzungen<br />

<strong>der</strong> vorangehenden Planungsperiode auf und entwickelt sie weiter:<br />

> Im Bereich Umwelt- und Naturschutz sollen weitere Schutzzonen eingerichtet<br />

werden. Auch <strong>der</strong> Schutz natürlicher Ressourcen sowie die<br />

Bekämpfung <strong>der</strong> Wüstenbildung haben nach wie vor einen hohen Stellenwert,<br />

<strong>der</strong> sich in Wie<strong>der</strong>aufforstungsprogrammen wi<strong>der</strong>spiegelt.<br />

> Angebot und Qualität <strong>der</strong> <strong>Die</strong>nstleistungen des öffentlichen Sektors<br />

sollen verbessert werden, vor allem im Bildungs- und Gesundheitswesen.<br />

> Diverse Programme zur Bildungs- und Ausbildungsför<strong>der</strong>ung sollen zur<br />

För<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Talententwicklung beitragen. Ein Schwerpunkt liegt dabei<br />

im akademischen Bereich.<br />

> Durch den Ausbau <strong>der</strong> "Öffnung nach außen" soll die Einbindung <strong>der</strong><br />

<strong>West</strong>provinzen in die Außenwirtschaft forciert werden. Dazu gehören<br />

die För<strong>der</strong>ung und Lenkung von Auslandsinvestitionen in <strong>West</strong>china<br />

sowie die verstärkte Zusammenarbeit zwischen den <strong>chinesischen</strong> Provinzen<br />

und mit dem Ausland, beispielweise in <strong>der</strong> Shanghai-Organisation<br />

für Zusammenarbeit (SCO).<br />

Shanghai-Organisation für<br />

Zusammenarbeit (SCO)<br />

<strong>Die</strong> im Jahr 2001 gegründete<br />

SCO hat sechs Staaten Zentralund<br />

Ostasiens als Mitglie<strong>der</strong>: die<br />

Volksrepublik China, Kasachstan,<br />

Kirgisistan, Russland, Tadschikistan,<br />

Usbekistan. Als Beobachter<br />

sind Indien, Iran, Mongolei und<br />

Pakistan mit an Bord. <strong>Die</strong> Ziele<br />

<strong>der</strong> SCO, die ihren Sitz in Peking<br />

hat, sind die Verbesserung <strong>der</strong><br />

nachbarschaftlichen Beziehungen<br />

und <strong>der</strong> Zusammenarbeit in<br />

Zentralasien, insbeson<strong>der</strong>e in<br />

den Bereichen Handel, Wissenschaft<br />

und Forschung, Energie,<br />

Transport, Tourismus, Umweltschutz<br />

sowie Kultur und Bildung.


58 |<br />

Studie<br />

1.4 Der "<strong>Go</strong> <strong>West</strong> Implementation Guide" und die För<strong>der</strong>ung ausländischer<br />

Direktinvestitionen<br />

<strong>Die</strong> chinesische <strong>Regierung</strong> hat die Eckpfeiler <strong>der</strong> inhaltlichen Ausrichtung<br />

<strong>der</strong> <strong>Go</strong>-<strong>West</strong>-<strong>Strategie</strong> im "<strong>Go</strong> <strong>West</strong> Implementation Guide" festgelegt. Darin<br />

werden zehn wesentliche Politikmaßnahmen definiert, die im Rahmen <strong>der</strong><br />

<strong>Go</strong>-<strong>West</strong>-<strong>Strategie</strong> umzusetzen sind:<br />

1. Finanzierung <strong>der</strong> Infrastruktur: <strong>Die</strong> Zentralregierung stellt zusätzliche<br />

Finanzmittel für die Entwicklung <strong>der</strong> Infrastruktur in den <strong>West</strong>provinzen<br />

bereit, insbeson<strong>der</strong>e für die vier auf Seite 66ff. dargestellten Großprojekte.<br />

2. Fiskalische Transfers in die Provinzen: Seitens <strong>der</strong> Zentralregierung<br />

werden den Provinzen zusätzliche Transferzahlungen zur Unterstützung<br />

von Maßnahmen in <strong>der</strong> Landwirtschaftsentwicklung, zur Armutsbekämpfung<br />

und für den Umweltschutz gewährt.<br />

3. Verbesserte Kreditunterstützung: <strong>Die</strong> chinesische Entwicklungsbank<br />

und an<strong>der</strong>e Banken sollen insbeson<strong>der</strong>e für Infrastrukturprojekte die<br />

Konditionen für die Finanzierung verbessern; dies betrifft vor allem<br />

die Einräumung von längeren Kreditlaufzeiten.<br />

4. Verbesserung <strong>der</strong> "weichen" Rahmenbedingungen für Investitionen: Hier<br />

werden Maßnahmen zur verstärkten (Teil-)Privatisierung von Staatsbetrieben<br />

und zur Vereinfachung <strong>der</strong> Verfahren zur Anerkennung eines<br />

Projekts in einer "geför<strong>der</strong>ten Branche" definiert.<br />

5. Steueranreize für Firmen mit ausländischer Kapitalbeteiligung: Für Aktivitäten<br />

ausländischer Unternehmen, die unter die "geför<strong>der</strong>ten Branchen"<br />

fallen, gilt bei einem Mindestumsatz von 70% in diesen Bereichen<br />

eine reduzierte Körperschaftssteuer von 15% auf die Gewinne. Der Vorteil<br />

für ausländische Unternehmen aus dieser Regelung fällt allerdings<br />

seit <strong>der</strong> Einführung des "Foreign Enterprise Income Tax Systems" (FEIT)<br />

2008 geringer aus. Mit dieser neuen, vereinheitlichten Steuerregelung<br />

hat sich nämlich <strong>der</strong> reguläre Steuersatz für ausländische Unternehmen<br />

von 33% auf 25% reduziert. Im Zuge dieser Neuregelung sind außerdem<br />

viele Ausnahmeregelungen für ermäßigte Steuersätze abgeschafft<br />

worden.<br />

6. Landnutzungsrechte gegen Beteiligung: Lokale <strong>Regierung</strong>en können im<br />

Gegenzug zur Bereitstellung von Land für ein Projekt eines ausländischen<br />

Unternehmens Anteile an diesem Projekt erwerben.


59 |<br />

<strong>Die</strong> <strong>Go</strong>-<strong>West</strong>-<strong>Strategie</strong> <strong>der</strong> <strong>chinesischen</strong> <strong>Regierung</strong> – Chancen für die deutsche Wirtschaft?<br />

7. Mineralische Ressourcen: In diesem Segment wird ausländischen Unternehmen<br />

die Gebühr für die Nutzung von Prospektions- und Schürfrechten<br />

ein Jahr lang erlassen und im zweiten Jahr um 50% reduziert.<br />

8. Ausweitung <strong>der</strong> geför<strong>der</strong>ten Industriezweige für Auslandsinvestitionen: <strong>Die</strong><br />

Liste <strong>der</strong> in den <strong>West</strong>regionen bei Auslandsinvestitionen för<strong>der</strong>fähigen<br />

Branchen wird erweitert (Details dazu siehe nächste Seite), außerdem<br />

soll <strong>der</strong> Zugang ausländischer Firmen in <strong>Die</strong>nstleistungsbranchen wie<br />

Banken, Versicherungen, Einzelhandel o<strong>der</strong> Ingenieur-<strong>Die</strong>nstleistungen<br />

erleichtert werden.<br />

9. Verbesserung <strong>der</strong> Investitionsbedingungen für Auslandsinvestitionen: So<br />

sollen "build-operate-transfer"(BOT)-Modelle 7) für Infrastrukturprojekte<br />

stärker geför<strong>der</strong>t werden, und ausländische Unternehmen erhalten<br />

Zugang zu Finanzierungsmöglichkeiten in lokaler Währung.<br />

10. Reduktion von Investitionsanfor<strong>der</strong>ungen: <strong>Die</strong> Rahmenbedingungen<br />

für Investitionen in Infrastrukturprojekte werden im Vergleich zu den<br />

Regelungen für die östlichen Provinzen erleichtert. So wird zum Beispiel<br />

eine niedrigere Mindestkapitaleinlage verlangt, und das Kreditlimit<br />

für Fremdkapital in lokaler Währung wird erhöht. Joint Ventures<br />

können sich demnach bis zu einer Höhe von 120% des <strong>chinesischen</strong><br />

Kapitalanteils verschulden, Gesellschaften mit ausschließlich ausländischer<br />

Beteiligung (Wholly Foreign Owned Enterprise – WFOE) bis zu<br />

einem Limit in Höhe von 100% des ausländischen Kapitals.<br />

<strong>Die</strong> Inhalte des "<strong>Go</strong> <strong>West</strong> Implementation Guide" signalisieren deutlich, wo<br />

die Akzentsetzung liegt: Mehr als die Hälfte <strong>der</strong> aufgeführten Maßnahmen<br />

zielt darauf ab, die Bedingungen für Unternehmen mit ausländischer Beteiligung<br />

zu verbessern. <strong>Die</strong>s zeigt eindeutig, welchen hohen Stellenwert die<br />

chinesische <strong>Regierung</strong> den Auslandsinvestitionen für die Entwicklung des<br />

<strong>West</strong>ens beimisst.<br />

Für Auslandsinvestitionen in den <strong>chinesischen</strong> <strong>West</strong>provinzen wurde außerdem<br />

ein sehr ausführlicher Katalog <strong>der</strong> "geför<strong>der</strong>ten Branchen" und <strong>der</strong> in<br />

diesen Branchen vorrangig geför<strong>der</strong>ten Aktivitäten ("Catalogue of Advantaged<br />

Industries for Foreign Investment in the Central-<strong>West</strong>ern Region")<br />

erstellt. Für diese Branchen können in den jeweils benannten Regionen<br />

von ausländischen Unternehmen die sogenannten "preferential policies"<br />

in Anspruch genommen werden, insbeson<strong>der</strong>e <strong>der</strong> vermin<strong>der</strong>te Körperschaftssteuersatz<br />

von 15%.<br />

7) Bei BOT-Projekten stellt <strong>der</strong> private Investor die Entwicklung, Finanzierung und Errichtung sowie<br />

den Betrieb eines Projektes sicher, während das Eigentum am Projekt in <strong>der</strong> Hand des <strong>chinesischen</strong><br />

Staates bleibt. Refinanzierung und Gewinne werden durch die Erhebung von Nutzungsentgelten<br />

erwirtschaftet.


60 |<br />

Studie<br />

In den <strong>West</strong>provinzen werden dabei spezifisch für einzelne Provinzen<br />

insgesamt 218 Industriezweige und Aktivitäten benannt, die als "geför<strong>der</strong>te<br />

Branchen" gelten. <strong>Die</strong> geför<strong>der</strong>ten Branchen verteilen sich relativ gleichmäßig<br />

auf die einzelnen Provinzen, für jede Provinz stehen zwischen 15<br />

(Quinghai) und 25 (Xinjiang) geför<strong>der</strong>te Industrien zur Verfügung.<br />

Der Großteil dieser Anreize wird dabei nach wie vor in den rohstoff- und<br />

infrastrukturbezogenen Bereichen gesetzt, also zum Beispiel bei mineralischen<br />

Produkten (32 geför<strong>der</strong>te Sektoren) und bei Maßnahmen zur Bewässerung<br />

o<strong>der</strong> zur Sanierung von Flächen (23 geför<strong>der</strong>te Sektoren). Aufgrund<br />

<strong>der</strong> unterschiedlichen Akzente <strong>der</strong> För<strong>der</strong>ung je nach Region enthalten die<br />

Regelungen kaum allgemeine Trends für den <strong>West</strong>en. Für einzelne Industrien<br />

wurden allerdings Schwerpunktregionen definiert, zum Beispiel für<br />

Chongqing <strong>der</strong> Automobilbau o<strong>der</strong> für Xinjiang verschiedene Mineralien<br />

und landwirtschaftliche Produkte. Weil die Definition <strong>der</strong> geför<strong>der</strong>ten<br />

Branchen zum Teil sehr spezifisch ist – etwa die För<strong>der</strong>ung und Verarbeitung<br />

von Baryt in Guangxi –, kann im Rahmen dieser Studie keine vollständige<br />

Darstellung erfolgen. <strong>Die</strong> Schwerpunktbereiche werden allerdings<br />

in Teil F "Schlussfolgerungen und Empfehlungen" (siehe Seite 120)<br />

bezogen auf Chancen für deutsche Unternehmen noch einmal summarisch<br />

aufbereitet.<br />

<strong>Die</strong> Entwicklung <strong>der</strong> ausländischen Direktinvestitionen lässt jedoch noch<br />

nicht erkennen, dass diese Maßnahmen zur Lenkung von ADI bislang<br />

große Wirkung gezeigt haben (siehe Seite 82f.).<br />

Nach diesem Überblick über die wichtigsten politischen Rahmenprogramme<br />

<strong>der</strong> <strong>Go</strong>-<strong>West</strong>-<strong>Strategie</strong> aus den ersten zehn Jahren soll nun eine Bestandsaufnahme<br />

des bisher Erreichten in den Bereichen Infrastruktur, Wirtschaftsentwicklung<br />

und Außenwirtschaft erfolgen, bevor auf einige aktuell, das<br />

heißt im Jahr 2009, für die Entwicklung <strong>der</strong> <strong>West</strong>provinzen wichtige Politikmaßnahmen<br />

und die Weiterentwicklung <strong>der</strong> <strong>Go</strong>-<strong>West</strong>-<strong>Strategie</strong> in <strong>der</strong><br />

Zukunft eingegangen wird.


61 |<br />

<strong>Die</strong> <strong>Go</strong>-<strong>West</strong>-<strong>Strategie</strong> <strong>der</strong> <strong>chinesischen</strong> <strong>Regierung</strong> – Chancen für die deutsche Wirtschaft?<br />

2. Status quo: Infrastrukturentwicklung<br />

2.1 Ziele <strong>der</strong> Infrastrukturentwicklung<br />

Wie im vorangehenden Kapitel deutlich wurde, hat die Entwicklung <strong>der</strong><br />

Infrastruktur innerhalb <strong>der</strong> <strong>Go</strong>-<strong>West</strong>-<strong>Strategie</strong> bisher eine übergeordnete<br />

Rolle gespielt. Dabei waren aus chinesischer Sicht zwei Aspekte von zentraler<br />

Bedeutung: zum einen <strong>der</strong> Ausbau <strong>der</strong> Verkehrswege, zum an<strong>der</strong>en <strong>der</strong><br />

Aufbau weiterer Kapazitäten für die Energieerzeugung und -übertragung. Um<br />

den Rahmen dieser Studie nicht zu sprengen und die für die Wirtschaftsentwicklung<br />

wichtigsten Parameter zu erfassen, wird sich die Darstellung in<br />

diesem Kapitel vor allem auf die Verkehrs- und Energieinfrastruktur fokussieren.<br />

<strong>Die</strong> Schwerpunktsetzung <strong>der</strong> <strong>chinesischen</strong> Politik <strong>der</strong> Infrastrukturentwicklung<br />

zeigt sich in den vier wichtigsten Großprojekten, die im Rahmen<br />

<strong>der</strong> ersten Fassung <strong>der</strong> <strong>Go</strong>-<strong>West</strong>-<strong>Strategie</strong> seit dem Jahr 2000 in<br />

Angriff genommen wurden:<br />

> Süd-Nord-Wassertransferprojekt<br />

> <strong>West</strong>-Ost-Elektrizitätsübertragungssystem<br />

> <strong>West</strong>-Ost-Gaspipelines<br />

> Eisenbahnstrecke von Qinghai nach Lhasa<br />

Von diesen vier Projekten wurde bisher allerdings nur <strong>der</strong> Bau <strong>der</strong> Qinghai-<br />

Tibet-Eisenbahn abgeschlossen, die 2006 ihren Betrieb aufnahm. Angesichts<br />

<strong>der</strong> Dimensionen <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en drei Projekte (sie werden ab Seite 67 im<br />

Detail dargestellt) war von vornherein klar, dass <strong>der</strong>en Realisierung nicht<br />

innerhalb <strong>der</strong> Laufzeit des 10. Fünfjahresplans zu schaffen sein würde. Von<br />

<strong>der</strong> <strong>West</strong>-Ost-Erdgasleitung und dem <strong>West</strong>-Ost-Stromleitungsprojekt sind<br />

Teilstücke fertig gestellt. <strong>Die</strong> Umsetzung des Süd-Nord-Wassertransferprojekts<br />

hat begonnen.<br />

Neben diesen Großprojekten wurden konkrete Pläne für weitere Maßnahmen<br />

entworfen, vor allem im Bereich <strong>der</strong> Verkehrsinfrastruktur. Außerdem<br />

wurden in diesem Sektor Elemente aus bereits vorhandenen Planungen<br />

aufgegriffen und neu priorisiert.<br />

Zu den wichtigsten Vorhaben im Straßenbau gehört das sogenannte<br />

"5-vertikale & 7-horizontale Fernstraßen"-Projekt, das die wesentlichen<br />

ökonomischen Zentren Chinas verknüpfen soll. Von diesen insgesamt zwölf<br />

Verbindungen liegen neun (alle horizontalen und zwei vertikale) zumindest<br />

teilweise in den <strong>West</strong>provinzen. Wichtige Beispiele für diese Strecken sind:


62 |<br />

Studie<br />

> <strong>Die</strong> über 4.500 Kilometer lange Ost-<strong>West</strong>-Querung Chinas; sie führt von<br />

Dandong (an <strong>der</strong> Grenze zu Nordkorea im äußersten Nordosten Chinas)<br />

über Peking weiter über die Hauptstädte <strong>der</strong> <strong>West</strong>provinzen Innere<br />

Mongolei (Hohhot), Ningxia (Yinchuan), Gansu (Lanzhou), Qinghai<br />

(Xining) bis nach Tibet (Lhasa)<br />

> <strong>Die</strong> etwas südlicher verlaufende und fast 4.000 Kilometer lange Ost-<br />

<strong>West</strong>-Querung Chinas; ausgehend von <strong>der</strong> Küstenstadt Lianyungang in<br />

<strong>der</strong> Provinz Jiangsu führt sie über Xi'an (Shaanxi) und Lanzhou (Gansu)<br />

bis nach Ürümqi und nach Huoerguosi an <strong>der</strong> Grenze zu Kasachstan<br />

> <strong>Die</strong> beiden noch weiter südlich verlaufenden Ost-<strong>West</strong>-Verbindungen,<br />

die in Shanghai beginnen. <strong>Die</strong> eine Strecke führt über Chongqing nach<br />

Chengdu; die an<strong>der</strong>e Trasse verläuft südlich über die Stadt Guiyang<br />

(Provinz Guizhou) bis nach Kunming (Provinz Yunnan)<br />

> <strong>Die</strong> über 3.500 Kilometer lange Nord-Süd-Querung Chinas zwischen<br />

Erenhot an <strong>der</strong> Nordgrenze <strong>der</strong> Autonomen Region Innere Mongolei zur<br />

Mongolei über Taiyuan in <strong>der</strong> Provinz Shanxi weiter über Xi'an, Chengdu<br />

und Kunming bis zur Grenze von Yunnan nach Vietnam in <strong>der</strong> Stadt<br />

Hekou<br />

Vor allem in <strong>der</strong> Neufassung <strong>der</strong> <strong>Go</strong>-<strong>West</strong>-<strong>Strategie</strong> im Rahmen des 11.<br />

Fünfjahresplans wurde zusätzlich zu diesen Großprojekten im Bereich<br />

Straßenbau eine Vielzahl von Detailplänen zum Ausbau weiterer Straßenund<br />

Schienenverbindungen, von Wasserwegen, Flughäfen sowie Projekten<br />

im Bereich <strong>der</strong> Energie- und Informationsinfrastruktur sowie städtischer<br />

Infrastruktur-Maßnahmen erstellt. Unter an<strong>der</strong>em sollte die Internetversorgung<br />

in ländlichen und abgelegenen Regionen, die Versorgung <strong>der</strong> Städte<br />

mit Breitbandinternetverbindungen und Digital-TV sowie <strong>der</strong> öffentliche<br />

Nahverkehr verbessert werden. Dafür war beispielsweise <strong>der</strong> Bau von U-<br />

Bahnen und Straßenbahnen in Chengdu, Chongqing und Xi'an geplant.<br />

Weiterhin war <strong>der</strong> Ausbau <strong>der</strong> Wasser-, Strom-, Gas-, Fernwärmeversorgung<br />

sowie <strong>der</strong> Abfallentsorgung und des Umweltschutzes in den Städten<br />

vorgesehen.<br />

2.2 Infrastrukturentwicklung in den <strong>West</strong>provinzen 2000 bis 2008<br />

Zieht man ein Zwischenfazit <strong>der</strong> <strong>Go</strong>-<strong>West</strong>-<strong>Strategie</strong> für den Zeitraum 2000<br />

bis 2008, so fällt die Bilanz im Bereich Infrastrukturentwicklung sehr positiv<br />

aus: <strong>Die</strong> Infrastruktur in den <strong>West</strong>provinzen wurde erheblich ausgebaut,<br />

wie die folgende Übersicht zeigt (siehe Abbildung 14):


63 |<br />

<strong>Die</strong> <strong>Go</strong>-<strong>West</strong>-<strong>Strategie</strong> <strong>der</strong> <strong>chinesischen</strong> <strong>Regierung</strong> – Chancen für die deutsche Wirtschaft?<br />

Straßenbau<br />

Bis 1999 existierten in den zwölf west<strong>chinesischen</strong> Provinzen insgesamt<br />

circa 530.000 Straßenkilometer (davon 2.800 Kilometer Autobahnen). Bis<br />

Ende des Jahres 2007 hatte sich die Gesamtlänge des Straßennetzes in<br />

<strong>West</strong>china bereits auf 1.340.000 Kilometer erhöht (davon 15.000 Kilometer<br />

Autobahnen). Somit wurde das Straßennetz zwischen 2000 und 2007<br />

jährlich um durchschnittlich 12% ausgebaut, das Autobahnnetz sogar<br />

um durchschnittlich jährlich 23%.<br />

Der Großteil <strong>der</strong> zwischen 2000 und 2008 fertig gestellten Schnellstraßen<br />

beziehungsweise Autobahnen kam den Provinzen Xinjiang, Gansu, Shaanxi,<br />

Yunnan und Guangxi zugute. Etwa die Hälfte dieser Verbindungen schafft<br />

mittelbar einen Schnellstraßen-Anschluss nach Peking.<br />

Der "5/7"-Fernstraßenplan ist heute mit etwa 34.000 Straßenkilometern<br />

(davon 26.000 Kilometern Schnellstraßen) nahezu fertig gestellt. Grenzüberschreitende<br />

Strecken wurden von Kunming (Yunnan) nach Laos in die<br />

Stadt Modun (mit geplanter Weiterverbindung nach Bangkok) und von<br />

Nanning (Guangxi) nach Youyi Guan in Vietnam gebaut.


64 |<br />

Studie<br />

Schienennetz<br />

<strong>Die</strong> Erweiterung des Schienennetzes in den <strong>chinesischen</strong> <strong>West</strong>provinzen<br />

blieb mit einer durchschnittlichen jährlichen Wachstumsrate von 4% hinter<br />

dem Verkehrsträger Straße zurück: <strong>Die</strong>se Diskrepanz spielt die politische<br />

Gewichtung von "Schiene" und "Straße" in den letzten beiden Fünfjahresplänen<br />

wi<strong>der</strong>.<br />

<strong>Die</strong> Länge des west<strong>chinesischen</strong> Schienennetzes erhöhte sich von 1999<br />

bis 2007 von 21.000 Kilometern auf 29.000 Kilometer. Darin enthalten<br />

sind Abschnitte <strong>der</strong> wichtigsten bis 2009 fertig gestellten Verbindungen<br />

zwischen <strong>Go</strong>lmud (Qinghai) und Lhasa (Tibet) sowie zwischen Xi'an<br />

(Shaanxi) und Nanjing (Jiangsu).<br />

Im Vergleich <strong>der</strong> <strong>West</strong>provinzen untereinan<strong>der</strong> kam <strong>der</strong> Netzausbau von<br />

1999 bis 2007 mit einem jährlichen Plus von 10% in <strong>der</strong> Provinz Chongqing<br />

mit Abstand am schnellsten voran. Dort soll nach offiziellen Planungen<br />

<strong>der</strong> fünftgrößte chinesische Eisenbahnknotenpunkt entstehen. Ein<br />

Containerterminal ist momentan im Bau, außerdem laufen die Arbeiten an<br />

mehreren regionalen Verbindungsstrecken von Chongqing in nahegelegene<br />

Städte. So wurde beispielsweise die Strecke Chongqing-Chengdu 2006 in<br />

Betrieb genommen.<br />

Luftverkehr<br />

Bis 2000 gab es in den <strong>West</strong>provinzen insgesamt 49 Flughäfen, davon 15<br />

mit internationalen Verbindungen. Pro Jahr wurden rund 361.000 Flüge<br />

mit 29 Millionen Passagieren und 570.000 Tonnen Fracht abgewickelt.<br />

Obwohl bis 2008 nur acht Inlandsflughäfen und ein internationaler Flughafen<br />

(Yunnan) hinzukamen, hat sich die Anzahl <strong>der</strong> Flüge auf 981.000 fast<br />

verdreifacht (plus 12% pro Jahr); dementsprechend stiegen die Passagierzahlen<br />

auf 92 Millionen (plus 14% pro Jahr) und das Frachtaufkommen auf<br />

1,2 Mio. Tonnen (plus 8% pro Jahr). <strong>Die</strong>se Zuwächse sind im Wesentlichen<br />

auf Mo<strong>der</strong>nisierungsmaßnahmen und Kapazitätserweiterungen bestehen<strong>der</strong><br />

Flughäfen zurückzuführen.<br />

Im Bereich des Luftverkehrs konzentrierten sich die Anstrengungen in den<br />

letzten zehn Jahren auf die Schaffung weiterer Knotenpunkte (Hubs) in den<br />

Provinzen Xinjiang, Yunnan und Sichuan neben den bestehenden Hubs in<br />

Chongqing und Xi'an (Shaanxi). In diesem Rahmen wurden die Flughäfen<br />

in Ürümqi (Xinjiang) und Chengdu (Sichuan) ausgebaut, <strong>der</strong> Flughafen<br />

in Kunming (Yunnan) wurde neu errichtet. Der Flughafen Xi'an (Shaanxi)<br />

wurde mo<strong>der</strong>nisiert und einige Dutzend kleinerer Zubringerflughäfen in<br />

<strong>der</strong> Fläche eröffnet, die zur För<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> regionalen Integration sowie<br />

des Tourismus dienen sollen.


65 |<br />

<strong>Die</strong> <strong>Go</strong>-<strong>West</strong>-<strong>Strategie</strong> <strong>der</strong> <strong>chinesischen</strong> <strong>Regierung</strong> – Chancen für die deutsche Wirtschaft?<br />

Energieinfrastruktur<br />

<strong>Die</strong> Erzeugungskapazität <strong>der</strong> west<strong>chinesischen</strong> Kraftwerke betrug Ende<br />

1999 insgesamt 71 Gigawatt und erhöhte sich aufgrund gestiegener <strong>Regierung</strong>sinvestitionen<br />

mit einer jährlichen Zuwachsrate von 14% bis 2007 auf<br />

200 Gigawatt. Wegen <strong>der</strong> großen Kohlevorkommen sowie <strong>der</strong> Entwicklung<br />

von Windkraftanlagen fiel in <strong>der</strong> Inneren Mongolei <strong>der</strong> Anstieg <strong>der</strong> Erzeugungskapazität<br />

am stärksten aus (plus 21% pro Jahr auf 42 Gigawatt 2007).<br />

Zu Beginn <strong>der</strong> <strong>Go</strong>-<strong>West</strong>-<strong>Strategie</strong> im Jahr 2000 bestand allerdings noch ein<br />

großes Ungleichgewicht zwischen einer schnell wachsenden Kapazität zur<br />

Stromerzeugung und <strong>der</strong> hinterherhinkenden Transportkapazität <strong>der</strong> Leitungsnetze.<br />

<strong>Die</strong> suboptimale Netzqualität sowie Engpässe o<strong>der</strong> das Fehlen<br />

von Netzübergängen zwischen den einzelnen Regionalnetzen führen oft zu<br />

regionalen Problemen in <strong>der</strong> Stromversorgung. <strong>Die</strong>ses Ungleichgewicht ist<br />

bis heute noch nicht überwunden. Nach Aussagen von Experten konnte <strong>der</strong><br />

Netzausbau auch in den letzten Jahren nicht mit <strong>der</strong> Ausweitung <strong>der</strong> Erzeugungskapazität<br />

Schritt halten.


66 |<br />

Studie<br />

BAHNLINIE QINGHAI-TIBET<br />

<strong>Die</strong> 2006 eingeweihte Strecke war bisher das größte und wohl auch das aufwändigste<br />

Eisenbahnprojekt des 21. Jahrhun<strong>der</strong>ts. Sie schafft über Qinghais Provinzhauptstadt<br />

Xining und <strong>Go</strong>lmud (Qinghai) eine durchgehende, komfortable und für viele Chinesen<br />

erschwingliche Verbindung von Peking nach Lhasa mit einer Fahrzeit von 48 Stunden.<br />

<strong>Die</strong> eigentliche Neubaustrecke von <strong>Go</strong>lmud nach Lhasa ist 1.125 Kilometer lang, davon<br />

sind 550 Kilometer Schienen auf Permafrostboden verlegt. <strong>Die</strong> Trasse wurde zwischen<br />

2000 und 2005 gebaut, wobei sich die Kosten auf circa 3,3 Mrd. EUR beliefen. Ein<br />

großer Teil <strong>der</strong> Strecke liegt in einer Höhe von mehr als 4.000 Metern. Der Tanggula-Pass<br />

(5.072 Meter über dem Meeresspiegel) ist <strong>der</strong> höchste Punkt <strong>der</strong> Trasse –<br />

und zugleich <strong>der</strong> höchste Punkte weltweit, den eine Eisenbahn erreicht.<br />

Aus Sicht <strong>der</strong> <strong>chinesischen</strong> Tibet-Politik hat dieses Verkehrsprojekt enorme strategische<br />

Bedeutung. Erklärtes Ziel war es, mit <strong>der</strong> Errichtung <strong>der</strong> Neubaustrecke die wirtschaftliche<br />

Entwicklung Tibets durch eine stärkere Integration mit China zu för<strong>der</strong>n: <strong>Die</strong> Transportkosten<br />

für die tibetische Wirtschaft sollten gesenkt und <strong>der</strong> Zugang zu Tibets<br />

Rohstoffen erleichtert werden. Außerdem sollte die Entwicklung des Tourismus neue<br />

Arbeitsplätze in Tibet schaffen. Tatsächlich war nach <strong>der</strong> Fertigstellung <strong>der</strong> Linie ein<br />

sprunghafter Anstieg des Tourismus zu verzeichnen. Nicht bestätigt hat sich die<br />

Befürchtung mancher Tibeter, dass nach <strong>der</strong> Eröffnung <strong>der</strong> Bahnstrecke <strong>der</strong> Zuzug<br />

von Han-Chinesen in die Autonome Region wächst.<br />

Aus <strong>der</strong> Perspektive vieler Tibeter war <strong>der</strong> Bau dieser Bahnlinie politisch brisant. Einige<br />

Kritiker sehen machtpolitische Ziele <strong>der</strong> Zentralregierung als die Hauptgründe für dieses<br />

Infrastrukturprojekt: Damit solle <strong>der</strong> chinesische Anspruch auf Tibet zementiert werden.<br />

Ein Ausbau <strong>der</strong> Straßenverbindung wäre weit wirtschaftlicher gewesen als das<br />

aufwändige Großprojekt.


67 |<br />

<strong>Die</strong> <strong>Go</strong>-<strong>West</strong>-<strong>Strategie</strong> <strong>der</strong> <strong>chinesischen</strong> <strong>Regierung</strong> – Chancen für die deutsche Wirtschaft?<br />

WEST-OST-ELEKTRIZITÄTSÜBERTRAGUNGSSYSTEM<br />

Der Energiebedarf Ostchinas wird nach Prognosen <strong>der</strong> Internationalen Energieagentur<br />

2030 bei 773 Gigawatt liegen – das entspricht gegenüber 2005 einer Steigerung um<br />

den Faktor 4,5. Aus eigener Kraft können die östlichen Provinzen ihren zunehmenden<br />

Energiebedarf nicht decken, denn auf ihrem Territorium befindet sich <strong>der</strong> geringere Teil<br />

<strong>der</strong> Energieträger, also etwa 47% <strong>der</strong> Kohlevorkommen und 32% <strong>der</strong> Erdgasvorkommen.<br />

<strong>Die</strong> <strong>West</strong>provinzen dagegen verfügen reichlich über Ressourcen zur Energieerzeugung.<br />

<strong>Die</strong>ses Problem <strong>der</strong> Diskrepanz zwischen regionalem Angebot und regionaler Nachfrage<br />

zu bewältigen, ist und bleibt eine <strong>der</strong> großen Herausfor<strong>der</strong>ungen <strong>der</strong> Energiepolitik<br />

Chinas.<br />

Ein Lösungsansatz <strong>der</strong> <strong>chinesischen</strong> <strong>Regierung</strong> ist das im Rahmen des 10. Fünfjahresplans<br />

initiierte <strong>West</strong>-Ost-Elektrizitätsübertragungssystem. Damit wird <strong>der</strong> Energietransfer<br />

in <strong>West</strong>-Ost-Richtung durch weitere Ausbaumaßnahmen auf <strong>der</strong> Basis <strong>der</strong><br />

bereits Ende <strong>der</strong> achtziger Jahre festgelegten Struktur verbessert. <strong>Die</strong>se Struktur besteht<br />

aus Hochspannungs-Gleichstrom-Übertragungssystemen auf den drei Hauptrouten<br />

Nord (Innere Mongolei nach Peking-Tianjin-Tangshan), Zentral (Sichuan/Gezhouba<br />

nach Shanghai) und Süd (Yunnan/Guangxi nach Guangdong). <strong>Die</strong> drei Trassen werden<br />

bis 2020 sukzessive auf eine Leistung von insgesamt 110 Gigawatt erweitert; die<br />

Nord- und die Zentralroute werden dann eine Leistung von jeweils 40 Gigawatt haben,<br />

die Südroute von 30 Gigawatt. Teilabschnitte des <strong>West</strong>-Ost-Elektrizitätsübertragungssystems<br />

sind bereits fertig gestellt: Bis 2005 steigerte Sichuan (Zentralroute) die<br />

für an<strong>der</strong>e Regionen verfügbare Leistung auf 1,5 Gigawatt und Yunnan/Guangxi<br />

(Südroute) auf 7 Gigawatt.<br />

An das <strong>West</strong>-Ost-Elektrizitätsübertragungssystem knüpft die chinesische <strong>Regierung</strong><br />

die Erwartung, die Ressourcenvorkommen des <strong>West</strong>ens besser zu erschließen und den<br />

Energienachschub für die Ostprovinzen mittel- und langfristig sicherzustellen. Neben<br />

dem Stromtransport soll das Projekt auch die Verbindungen zwischen den regionalen<br />

Leitungsnetzen verbessern.


68 |<br />

Studie<br />

WEST-OST-GASPIPELINES<br />

<strong>Die</strong> industriellen Zentren in den ost<strong>chinesischen</strong> Küstenprovinzen können ihren zunehmenden<br />

Energiebedarf nur decken, solange <strong>der</strong> Nachschub aus dem ressourcenreichen<br />

<strong>West</strong>en <strong>der</strong> Volksrepublik gesichert ist. <strong>Die</strong>s gilt auch für den Energieträger Erdgas.<br />

Insbeson<strong>der</strong>e die Autonome Region Xinjiang spielt eine Schlüsselrolle in <strong>der</strong> Erdgas-<br />

Versorgung Chinas: Hier wurden 2008 24 Mrd. Kubikmeter Erdgas geför<strong>der</strong>t, davon<br />

wurden 15 Mrd. Kubikmeter nach Ostchina geliefert. Allein im Tarim-Becken liegen<br />

22% <strong>der</strong> <strong>chinesischen</strong> Gasvorräte. Vor diesem Hintergrund hat die chinesische Zentralregierung<br />

im Rahmen <strong>der</strong> <strong>Go</strong>-<strong>West</strong>-<strong>Strategie</strong> beschlossen, <strong>West</strong>-Ost-Pipelines zu<br />

bauen, um die Versorgung Ostchinas mit diesem fossilen Brennstoff zu gewährleisten.<br />

Bereits 2005 wurde die erste <strong>West</strong>-Ost-Pipeline fertig gestellt, in <strong>der</strong> Erdgas aus<br />

Xinjiang für die Energieerzeugung in das Jangtse-Delta an die Ostküste Chinas transportiert<br />

wird. Von ihrem Ausgangspunkt in Lunnan bis zu ihrem Ziel Shanghai durchquert<br />

sie auf einer Länge von 4.000 Kilometern zehn Provinzen. Eigentümer und Betreiber<br />

dieser Pipeline, durch die jährlich etwa 12 Mrd. Kubikmeter Gas fließen sollen, ist<br />

PetroChina. <strong>Die</strong> Trasse ist an die 2004 vollendete Shaan-Jing-Gaspipeline angeschlossen,<br />

die vom Sulige-Gasfeld in <strong>der</strong> Provinz Shaanxi über Shijiazhuang in <strong>der</strong> Provinz<br />

Hebei nach Peking verläuft. Zusammen mit einer fast parallel geführten Pipeline vom<br />

Changqing-Gasfeld (Shaanxi) versorgt diese Trasse die Provinzen Shanxi, Hebei sowie<br />

die Städte Peking und Tianjin mit Gas. 2008 wurde mit dem Bau <strong>der</strong> zweiten <strong>West</strong>-<br />

Ost-Pipeline begonnen, die – ihre acht Abzweigungen mit eingerechnet – 9.000 Kilometer<br />

lang ist und 30 Mrd. Kubikmeter Gas pro Jahr transportieren soll.<br />

Sie verläuft von Khorgas (Xinjiang) nach Guangzhou (Provinz Guangdong). <strong>Die</strong> Streckenführung<br />

ist bis zur Provinz Gansu parallel zur ersten <strong>West</strong>-Ost-Pipeline geplant; außerdem<br />

soll es Verbindungen zwischen den beiden Trassen geben. Der westliche, 4.800<br />

Kilometer lange Teil <strong>der</strong> zweiten <strong>West</strong>-Ost-Pipeline soll Ende 2009 in Betrieb genommen<br />

werden, <strong>der</strong> östliche Teil Mitte 2011. <strong>Die</strong> Gesamtkosten des Projekts sind mit<br />

20 Mrd. USD veranschlagt.<br />

Da China seinen Erdgasbedarf mittel- und langfristig nicht aus inländischen Vorkommen<br />

decken kann, son<strong>der</strong>n auf Importe angewiesen ist, setzt die Volksrepublik auf eine<br />

<strong>Strategie</strong> des "going out": Bei den Erdgas-Importen kommt den zentralasiatischen<br />

Nachbarlän<strong>der</strong>n eine Schlüsselrolle zu. In diesem Kontext ist die neue Zentralasien-<br />

China-Gaspipeline zu betrachten. Seit Mitte 2007 sind mehrere Abschnitte dieser<br />

neuen Pipeline in Bau, <strong>der</strong>en Kosten sich insgesamt auf 7,3 Mrd. USD belaufen sollen.<br />

<strong>Die</strong> Trasse startet in Turkmenistan an den Gasfel<strong>der</strong>n am Ufer des Amu Darya, quert bei<br />

Olot nach Usbekistan und verläuft dann vom südlichen Kasachstan über die Gasfel<strong>der</strong><br />

Tengiz und Kashagan nach Alashankou in Xinjiang. Das angelieferte Gas fließt hier in die<br />

<strong>West</strong>-Ost-Gaspipeline weiter Richtung Osten. Der erste Bauabschnitt <strong>der</strong> Zentralasien-<br />

China-Pipeline soll bis Ende 2009 fertig gestellt sein. <strong>Die</strong> Vollendung des zweiten<br />

Bauabschnitts – mit einer Kapazität von 30 Mrd. Kubikmetern – ist bis 2011 geplant.


69 |<br />

<strong>Die</strong> <strong>Go</strong>-<strong>West</strong>-<strong>Strategie</strong> <strong>der</strong> <strong>chinesischen</strong> <strong>Regierung</strong> – Chancen für die deutsche Wirtschaft?<br />

SÜD-NORD-WASSERTRANSFERPROJEKT<br />

<strong>Die</strong> Probleme bei <strong>der</strong> Wasserversorgung in China entstehen durch die extrem ungleiche<br />

Verteilung dieser Ressource: In <strong>der</strong> Jangtse-Region und im Süden befinden sich über<br />

80% <strong>der</strong> Wasservorkommen <strong>der</strong> Volksrepublik, die nördlichen und nordwestlichen Teile<br />

des Landes leiden dagegen unter Wassermangel. Hinzu kommt, dass im Norden und<br />

Nordwesten aufgrund <strong>der</strong> dichten Besiedelung und <strong>der</strong> intensiven landwirtschaftlichen<br />

Nutzung – hier leben 46% <strong>der</strong> Bevölkerung – <strong>der</strong> Wasserbedarf immens hoch ist.<br />

<strong>Die</strong>ses krasse Missverhältnis von natürlichem Wasserangebot und <strong>der</strong> Nachfrage<br />

von Haushalten, Landwirtschaft und Industrie führt dazu, dass verstärkt Grund- und<br />

Tiefenwasser entnommen wird. Experten warnen, dass die Grundwasservorräte unter <strong>der</strong><br />

nord<strong>chinesischen</strong> Tiefebene – hier befinden sich die Provinzen Hebei, Henan, Shandong<br />

sowie die Städte Peking und Tianjin – bis 2030 aufgebraucht sein werden.<br />

<strong>Die</strong>ser Entwicklung will die chinesische <strong>Regierung</strong> nicht tatenlos zusehen: Bereits in<br />

den fünfziger Jahren entstanden erste Pläne, Wasser aus dem "feuchten" Süden in den<br />

trockenen Norden umzuleiten. <strong>Die</strong>se Idee wird nun im Süd-Nord-Wassertransferprojekt<br />

umgesetzt, dessen Gesamtkosten auf bis zu 62 Mrd. USD geschätzt werden. Bei diesem<br />

größten Wassertransferprojekt <strong>der</strong> Welt sollen vom Ober-, Mittel- und Unterlauf des<br />

Jangtse bis zu 52 Mrd. Kubikmeter Wasser pro Jahr in den Gelben Fluss, den Huaihe<br />

und den Haihe umgeleitet werden. Das Wasser soll auf einer östlichen, einer zentralen<br />

und einer westlichen Trasse Richtung Norden fließen.<br />

Mit dem Bau <strong>der</strong> östlichen Route wurde 2002 begonnen; ihre Fertigstellung ist 2012<br />

geplant. Sie soll nahe Jiangdu Wasser aus dem Jangtse abzweigen und nach Tianjin<br />

bringen. <strong>Die</strong> zentrale Route soll vom Danjiangkou-Staudamm (Provinz Hubei) am<br />

Oberlauf des Han-Flusses – eines Nebenflusses des Jangtse – nach Peking führen. Mit<br />

den Bauarbeiten wurde 2004 begonnen, bis 2014 sollen sie abgeschlossen sein. Eine<br />

technische Herausfor<strong>der</strong>ung ist die Untertunnelung des Gelben Flusses. Bislang wurde<br />

erst <strong>der</strong> 300 Kilometer lange Nordteil <strong>der</strong> zentralen Route fertig gestellt. Eine weitere<br />

Schwierigkeit stellt die Anhebung des Danjiangkou-Staudamms dar. <strong>Die</strong> westliche<br />

Route soll von den Zuflüssen am Oberlauf des Jangtse zum Gelben Fluss führen. <strong>Die</strong>s<br />

würde allerdings den Bau mehrerer Dämme und eines hun<strong>der</strong>te von Kilometern langen<br />

Tunnels durch die Bayankel-Gebirgskette erfor<strong>der</strong>n. Es ist deshalb fraglich, ob in absehbarer<br />

Zukunft mit <strong>der</strong> Umsetzung dieser Pläne begonnen wird. <strong>Die</strong> Bauzeit für diese<br />

westliche Route wird auf bis zu 50 Jahre veranschlagt.<br />

Das Süd-Nord-Wassertransferprojekt ist wegen seiner ökologischen Folgen stark<br />

umstritten: Es ist zu befürchten, dass die zusätzliche Wasserentnahme die ohnehin<br />

schon grenzwertige Wasserqualität des Jangtse erheblich verschlechtern wird. Noch ist<br />

<strong>der</strong> Fluss, in den 2006 über 30,5 Mrd. Tonnen Abfälle aus Industrie, Landwirtschaft und<br />

Privathaushalten "entsorgt" wurden, nur deshalb nicht umgekippt, weil seine riesigen<br />

Wassermengen die Konzentration <strong>der</strong> Schadstoffe verdünnen.<br />

8) Medium and Long-Term Development Plan for Renewable Energy.


70 |<br />

Studie<br />

ERNEUERBARE ENERGIEN<br />

<strong>Die</strong> chinesische Führung hat eindeutige Signale gesetzt: Erneuerbare Energien sollen<br />

mittel- und langfristig die Nischenrolle verlassen, die sie bisher bei <strong>der</strong> Energieversorgung<br />

des Landes gespielt haben: 2007 hat die Nationale Entwicklungs- und Reformkommission<br />

den "Mittel- und langfristigen Entwicklungsplan für Erneuerbare<br />

Energien" 8) veröffentlicht. Danach soll <strong>der</strong> Anteil <strong>der</strong> erneuerbaren Energien am gesamten<br />

Primärenergieverbrauch Chinas bis 2010 auf 10% steigen – dies bedeutet eine<br />

Zunahme von 2,5 Prozentpunkten im Vergleich zu 2005. Bis 2020 soll sich <strong>der</strong> Anteil<br />

regenerativer Energiequellen am Energiemix <strong>der</strong> Volksrepublik auf 15% erhöhen. <strong>Die</strong>se<br />

Planung wird vom Erneuerbare-Energien-Gesetz flankiert, das 2006 in Kraft getreten ist.<br />

Der Entwicklungsplan für erneuerbare Energie sieht bei <strong>der</strong> Windkraft bis 2020 eine<br />

Erweiterung <strong>der</strong> installierten Leistung auf 30 Gigawatt vor. In <strong>der</strong> Inneren Mongolei,in<br />

Tibet und im nördlichen Xinjiang sowie in den Provinzen Gansu und Qinghai sind die<br />

Bedingungen für die Energieerzeugung durch Windkraft beson<strong>der</strong>s gut. In diesen<br />

Regionen sind im Rahmen des "Renewable Energy Development Plan" zahlreiche<br />

Projekte zum Ausbau <strong>der</strong> Windenergie geplant. Anlagen mit einer Kapazität von mehr<br />

als 1 Gigawatt sollen in Huitengxile (Innere Mongolei), in <strong>der</strong> Region Dabancheng<br />

(Xinjiang) sowie in <strong>der</strong> Region Yumen (Gansu) errichtet werden. Im <strong>West</strong>teil <strong>der</strong> Provinz<br />

Gansu sollen bis zum Jahr 2015 in <strong>der</strong> Stadt Jiuquan außerdem 28 Windparks mit<br />

einer Gesamtkapazität von 12 Gigawatt entstehen. Außerdem sind an verschiedenen<br />

Standorten in <strong>der</strong> Inneren Mongolei Windparks mit einer Kapazität von mehr als<br />

2 Gigawatt geplant.<br />

Bis 2020 soll die Erzeugungskapazität von Solarenergie auf eine Leistung von 1,8 Gigawatt<br />

ausgebaut werden. Dank <strong>der</strong> großen Anzahl jährlicher Sonnenstunden sind<br />

<strong>West</strong>provinzen wie Gansu, Qinghai, Shaanxi, Innere Mongolei, Tibet o<strong>der</strong> Xinjiang für<br />

den Ausbau <strong>der</strong> Solarenergie prädestiniert. Dementsprechend sieht <strong>der</strong> "Renewable<br />

Energy Development Plan" eine Vergrößerung <strong>der</strong> Kapazitäten vor. Übrigens wird mit<br />

deutscher Beteiligung in <strong>der</strong> Inneren Mongolei ein großes solar-thermisches Kraftwerk<br />

mit einer Leistung von 50 Megawatt projektiert. <strong>Die</strong>ses erste Parabolrinnenkraftwerk<br />

Asiens wird von einem Joint Venture zwischen einem <strong>chinesischen</strong> Unternehmen und<br />

<strong>der</strong> deutschen Solar Millennium AG realisiert.


71 |<br />

<strong>Die</strong> <strong>Go</strong>-<strong>West</strong>-<strong>Strategie</strong> <strong>der</strong> <strong>chinesischen</strong> <strong>Regierung</strong> – Chancen für die deutsche Wirtschaft?<br />

2.3 Weitere Planungen<br />

Trotz <strong>der</strong> durchaus erfolgreichen Bilanz <strong>der</strong> bisherigen Maßnahmen: <strong>Die</strong><br />

Infrastrukturentwicklung <strong>der</strong> <strong>West</strong>provinzen kann noch lange nicht als<br />

abgeschlossen betrachtet werden. Es sind <strong>der</strong>zeit verschiedene Großprojekte<br />

in <strong>der</strong> Umsetzung, und auch bei <strong>der</strong> Verkehrs- und Energieinfrastruktur<br />

sind weiterhin erhebliche Anstrengungen vorgesehen.<br />

Auf den nationalen Fernstraßenplan von 1992, <strong>der</strong> inzwischen fast vollständig<br />

verwirklicht worden ist, folgte 2004 ein neuer Netzwerkplan (das sogenannte<br />

"7918"- Netz – 7x radial nach Peking, 9 Nord-Süd-Achsen, 18 Ost-<br />

<strong>West</strong>-Achsen), <strong>der</strong> auf einen Zeithorizont bis 2020 ausgelegt ist. Im Rahmen<br />

dieser Planung sind 21 Fernstraßen im Bau, vor allem in Xinjiang, Sichuan,<br />

Gansu, Shaanxi und Yunnan. Von Xinjiang aus ist auch eine internationale<br />

Verbindung ins Nachbarland Tadschikistan in Arbeit, die von Ku'erle (Xinjiang)<br />

nach Yierkeshitan (Tadschikistan) führen wird. Bis 2030 sollen in den<br />

<strong>West</strong>provinzen insgesamt weitere 32.000 Kilometer Schnellstraßen gebaut<br />

werden – damit würde sich die Länge <strong>der</strong> heute existierenden Strecken<br />

mehr als verdreifachen.<br />

Auf <strong>der</strong> aktuellen Liste <strong>der</strong> wichtigsten Schienenbauprojekte stehen<br />

14 Verbindungen mit insgesamt 8.700 Kilometern; als die wichtigsten<br />

Verbindungen gelten<br />

> Provinzinterne Verbindungen in Xinjiang und Yunnan<br />

> Verbindungen <strong>der</strong> Zentren Zentralchinas untereinan<strong>der</strong> (in Shaanxi,<br />

Gansu, Chongqing und Sichuan)<br />

> Verbindungen <strong>West</strong>chinas mit dem angrenzenden Ausland (Myanmar,<br />

Kirgisistan, Usbekistan)<br />

<strong>Die</strong> längsten Strecken (1.450 Kilometer) sollen von Hami (Xinjiang) nach<br />

Bayan Nur (Innere Mongolei) sowie über eine Entfernung von 1.240 Kilometern<br />

von Ku'erle (Xinjiang) nach Ge'ermu (Qinghai) führen. Bis 2020<br />

sollen dann alle großen Städte in den Provinzen Innere Mongolei, Sichuan,<br />

Tibet, Xinjiang und Yunnan miteinan<strong>der</strong> verbunden sein. Bis zu diesem<br />

Zeitpunkt sollen auch die grenzüberschreitenden Strecken nach Kirgisistan,<br />

Myanmar, Laos und Vietnam in Betrieb genommen werden.<br />

Gemäß dem National Airport Allocation Plan vom Januar 2008 beabsichtigt<br />

China, im Zeitraum 2011 bis 2020 52 neue Flughäfen zu bauen. Davon<br />

sollen 29 in <strong>West</strong>china errichtet werden. Dabei stehen die Provinzen Xinjiang<br />

(sechs Flughäfen), Gansu (fünf Flughäfen) sowie Yunnan und Qinghai<br />

(je vier Flughäfen) in den Plänen <strong>der</strong> <strong>Regierung</strong> an oberster Stelle.


72 |<br />

Studie<br />

Hinzu kommt <strong>der</strong> Neubau von 97 Regionalflughäfen, den die chinesische<br />

<strong>Regierung</strong> zwischen 2008 und 2020 plant. Davon sollen 45 bereits Ende<br />

2010 fertig gestellt sein. <strong>Die</strong> Verwirklichung dieser Pläne würde bedeuten,<br />

dass etwa 80% <strong>der</strong> Bevölkerung im Umkreis von 100 Kilometern im Einzugsgebiet<br />

von mindestens einem Flughafen leben.<br />

In ihrem Referenzszenario geht die Internationale Energieagentur (IEA)<br />

davon aus, dass <strong>der</strong> Energiebedarf <strong>der</strong> Volksrepublik China im Jahr 2030<br />

bei 3.819 Mio. Tonnen Öleinheiten liegen wird (2005: 1.742 Mio. Tonnen<br />

Öleinheiten). Das heißt, <strong>der</strong> Energieverbrauch Chinas wird im Prognosezeitraum<br />

mit einem Wachstum von durchschnittlich 3,2% pro Jahr zulegen.<br />

2010 wird China voraussichtlich die USA als größten Energieverbraucher<br />

<strong>der</strong> Welt ablösen. Um seinen zunehmenden Energiebedarf zu decken, muss<br />

das Land die Kapazitäten für die Erzeugung und für die Übertragung von<br />

Energie massiv ausbauen.<br />

Im Energiemix Chinas entfällt auf Kohle ein Anteil von über 60%. An <strong>der</strong><br />

dominierenden Rolle dieses Energieträgers wird sich auch in Zukunft kaum<br />

etwas än<strong>der</strong>n. <strong>Die</strong> Prognosen <strong>der</strong> IEA gehen davon aus, dass <strong>der</strong> Kohle-<br />

Anteil am <strong>chinesischen</strong> Primärenergiebedarf auch 2030 noch über <strong>der</strong><br />

60-Prozent-Marke liegen wird. Vor diesem Hintergrund ist auch in <strong>West</strong>china<br />

ein weiterer Ausbau von Kraftwerken zur Kohleverstromung vorgesehen.<br />

In den Provinzen Shaanxi und Ningxia ist <strong>der</strong> Neubau mehrerer großer<br />

Kohlekraftwerke geplant, um über Leitungsnetze mit hoher Kapazität die<br />

Versorgung Pekings sicherzustellen beziehungsweise zu verbessern.<br />

Als Ergänzung zur Stromerzeugung durch fossile Energieträger will China<br />

die Nutzung <strong>der</strong> erneuerbaren Energien stark ausbauen (siehe Textbox Seite<br />

70) und die Wasserkraft-Potenziale stärker als bisher nutzen. Dabei hat <strong>der</strong><br />

Ausbau <strong>der</strong> Wasserkraft in den <strong>West</strong>provinzen einen hohen Stellenwert:<br />

Insbeson<strong>der</strong>e entlang <strong>der</strong> Flüsse Jinsha (Yunnan, Sichuan), Yalong (Qinghai,<br />

Sichuan, Yunnan), Dadu (Qinghai, Sichuan), Lancang (Qinghai, Tibet), am<br />

Oberlauf des Gelben Flusses (Qinghai) sowie am Nu (Tibet, Yunnan) sind<br />

konkrete Projekte geplant.


73 |<br />

<strong>Die</strong> <strong>Go</strong>-<strong>West</strong>-<strong>Strategie</strong> <strong>der</strong> <strong>chinesischen</strong> <strong>Regierung</strong> – Chancen für die deutsche Wirtschaft?<br />

Im Bereich Energieübertragung ist absehbar, dass <strong>der</strong> Netzausbau mindestens<br />

in den kommenden fünf Jahren mit hoher Priorität vorangetrieben<br />

werden muss. <strong>Die</strong> Zentralregierung stuft den Ausbau <strong>der</strong> regionalen Netze<br />

und die Verbindung <strong>der</strong> Netze via Ultrahochspannungsleitungen als sehr<br />

wichtig ein, um Effizienz und Versorgungssicherheit zu erhöhen. So werden<br />

auch die großen Wasserkraftpotenziale des <strong>West</strong>ens verstärkt nutzbar<br />

gemacht.<br />

<strong>Die</strong> staatliche State Grid Corporation of China sieht in ihrem Netzentwicklungsplan<br />

bis 2020 eine "4x Ost-<strong>West</strong>-/6x Nord-Süd-Struktur" vor, das heißt<br />

den Aufbau o<strong>der</strong> Ausbau von zehn Fernleitungen. <strong>Die</strong> Hauptachsen dieses<br />

Netzes laufen von Shaanxi, Sichuan und <strong>der</strong> Inneren Mongolei nach Süden<br />

und Osten in die Küstenregionen. Zusätzlich plant die China Southern<br />

Power Grid Corporation 9) bis 2030 den Bau zweier 1000-Kilovolt-Fernleitungen<br />

von Yunnan über Guangxi und Guizhou in die Ostprovinz Guangdong<br />

(siehe Abbildung 15).<br />

9) <strong>Die</strong> State Grid Corporation of China (SGCC) und die China Southern Power Grid Corporation (CSG)<br />

sind im Zuge einer Umstrukturierung 2002 <strong>der</strong> State Power Corporation entstanden, die in zwei<br />

Gesellschaften für die Stromübertragung und fünf für die Stromerzeugung aufgespalten wurde. <strong>Die</strong><br />

SGCC und die CSG decken bei <strong>der</strong> Stromübertragung 80% beziehungsweise 20% des <strong>chinesischen</strong><br />

Marktes ab.


74 |<br />

Studie<br />

3. Status quo: Wirtschaft<br />

3.1 Wirtschaftsentwicklung<br />

<strong>Die</strong> Analyse <strong>der</strong> Wirtschaftsentwicklung zeigt deutlich, dass die <strong>West</strong>provinzen<br />

bislang nicht im selben Ausmaß vom gesamt<strong>chinesischen</strong> Wirtschaftswun<strong>der</strong><br />

profitieren konnten wie die östlichen Regionen. Das Bruttoinlandsprodukt<br />

<strong>der</strong> <strong>West</strong>provinzen lag 2008 bei 5,8 Billionen CNY (ca. 840 Mrd.<br />

USD). Das entspricht einem Anteil von 19% an <strong>der</strong> Wirtschaftsleistung <strong>der</strong><br />

Volksrepublik China. Bis zum Jahr 2000 hinkte die wirtschaftliche Entwicklung<br />

<strong>der</strong> westlichen Provinzen <strong>der</strong>jenigen Gesamtchinas hinterher. Seit<br />

2001 konnte <strong>der</strong> <strong>West</strong>en jedoch im Wachstumstempo aufholen und lag<br />

beim Wachstum in etwa im gesamt<strong>chinesischen</strong> Schnitt. Um in <strong>der</strong> Wirtschaftskraft<br />

aber zum Osten aufzuschließen, müsste <strong>der</strong> <strong>West</strong>en deutlich<br />

stärker wachsen als Gesamtchina. <strong>Die</strong>s ist zur Zeit nicht <strong>der</strong> Fall (siehe<br />

Abbildung 16).<br />

<strong>Die</strong> Wirtschaftsleistung in den <strong>West</strong>provinzen ist extrem ungleich verteilt;<br />

in <strong>der</strong> Größe und <strong>der</strong> Zusammensetzung ihrer Bruttoinlandsprodukte unterscheiden<br />

sich die einzelnen Autonomen Regionen und Provinzen erheblich.<br />

Während die Wirtschaftskraft von Qinghai o<strong>der</strong> Tibet eher gering ist, erwirtschaften<br />

allein Sichuan, die Innere Mongolei, Guangxi, Shaanxi knapp 60%<br />

des gesamten Bruttoinlandsproduktes des <strong>West</strong>ens (siehe Abbildung 17).


75 |<br />

<strong>Die</strong> <strong>Go</strong>-<strong>West</strong>-<strong>Strategie</strong> <strong>der</strong> <strong>chinesischen</strong> <strong>Regierung</strong> – Chancen für die deutsche Wirtschaft?<br />

Pro Kopf liegt das Bruttosozialprodukt in <strong>West</strong>china im Schnitt nur bei<br />

60% des östlichen Chinas. Von <strong>der</strong> Inneren Mongolei abgesehen, bleibt<br />

das Pro-Kopf-Bruttoinlandsprodukt <strong>der</strong> westlichen Provinzen auch hinter<br />

dem gesamt<strong>chinesischen</strong> Durchschnitt zurück.<br />

3.2 Auswirkungen <strong>der</strong> Wirtschaftskrise<br />

China ist Mitte 2009 eines <strong>der</strong> wenigen Län<strong>der</strong> <strong>der</strong> Erde, dessen Volkswirtschaft<br />

trotz <strong>der</strong> internationalen Wirtschafts- und Finanzkrise weiter wächst.<br />

Trotz des starken Einbruchs <strong>der</strong> Exportwirtschaft wurden in den ersten<br />

beiden Quartalen 2009 gemäß <strong>der</strong> offiziellen Verlautbarungen <strong>der</strong> <strong>chinesischen</strong><br />

<strong>Regierung</strong> immer noch höhere einstellige Wachstumsraten erreicht.<br />

In Expertenkreisen wird zum Teil die Validität dieser Statistiken kritisch<br />

diskutiert, da die Exportabhängigkeit <strong>der</strong> <strong>chinesischen</strong> Wirtschaft doch sehr<br />

stark ist. Was die <strong>West</strong>provinzen angeht, ist eine verlässliche Aussage über<br />

die Auswirkungen <strong>der</strong> Wirtschaftskrise eine noch größere Herausfor<strong>der</strong>ung,<br />

weil die statistischen Daten auf Provinzebene häufig erst mit Zeitverzögerung<br />

zur Verfügung stehen und sich oft nicht mit den national berichteten<br />

Zahlen decken.


76 |<br />

Studie<br />

Glaubt man den offiziellen Statistiken trotz einiger Unklarheiten, gibt es<br />

Indikationen dafür, dass die <strong>West</strong>provinzen von den Auswirkungen <strong>der</strong><br />

Wirtschaftskrise zwar ebenso wie Gesamtchina hart getroffen werden,<br />

aber weniger stark als die östlichen Regionen. <strong>Die</strong>s lässt sich anhand<br />

von drei Aspekten belegen:<br />

> Wachstum <strong>der</strong> Volkswirtschaft: Zieht man die offiziellen <strong>chinesischen</strong><br />

Statistiken zu Rate, zeigen sich in den drei Quartalen, in denen man<br />

die härtesten Effekte <strong>der</strong> Wirtschaftskrise erwarten kann, nämlich dem<br />

dritten und vierten Quartal 2008 und dem ersten Quartal 2009, die<br />

<strong>West</strong>provinzen leicht stärker in <strong>der</strong> Entwicklung als das östliche China.<br />

Zwar sinkt das Wirtschaftswachstum in beiden Regionen (Ost/<strong>West</strong>)<br />

deutlich, aber im <strong>West</strong>en jeweils weniger stark als im Osten.<br />

> Exporte: In <strong>der</strong> <strong>chinesischen</strong> Exportwirtschaft hat die Finanz- und<br />

Wirtschaftskrise zu einem massiven Einbruch geführt, und das trifft die<br />

Exporteure in den <strong>West</strong>provinzen. So lässt sich aus den offiziellen Statistiken<br />

ablesen, dass die Exporte im ersten Halbjahr 2009 im Vergleich<br />

zum Vorjahresmonat jeweils ähnlich stark gesunken sind wie in Gesamtchina<br />

(siehe Abbildung 18). Von daher zeigt sich kaum ein Unterschied<br />

zwischen <strong>West</strong> und Ost. Zusätzlich kommt nun allerdings ins Spiel, dass<br />

<strong>der</strong> <strong>West</strong>en in seiner Wirtschaftsstruktur deutlich weniger stark vom<br />

Export geprägt ist als das östliche China. Machten 2008 nach offiziellen<br />

Statistiken die Exporte in Gesamtchina 33% <strong>der</strong> gesamten Wirtschaftsleistung<br />

aus, waren es im <strong>West</strong>en nur knapp 8%. Auch ein gleicher prozentueller<br />

Rückgang <strong>der</strong> Exporte trifft den <strong>West</strong>en daher weniger stark<br />

als den Osten Chinas.<br />

> Konjunkturpaket: Als drittes Argument lässt sich anführen, dass das chinesische<br />

Konjunkturpaket zu großen Teilen dem <strong>West</strong>en Chinas zugute<br />

kommt (siehe Seite 97). Allein in den Wie<strong>der</strong>aufbau Sichuans fließen<br />

1 Billion CNY (144 Mrd. USD).


77 |<br />

<strong>Die</strong> <strong>Go</strong>-<strong>West</strong>-<strong>Strategie</strong> <strong>der</strong> <strong>chinesischen</strong> <strong>Regierung</strong> – Chancen für die deutsche Wirtschaft?<br />

3.3 Wirtschafts- und Industriestruktur<br />

<strong>Die</strong> Wirtschaftsstruktur <strong>der</strong> <strong>West</strong>provinzen ist noch stärker am primären<br />

Sektor, das heißt an <strong>der</strong> Landwirtschaft, orientiert als im östlichen China.<br />

Machte die Landwirtschaft 2007 im <strong>West</strong>en im Schnitt 16% <strong>der</strong> volkswirtschaftlichen<br />

Wertschöpfung aus, sind es im Osten Chinas nur 9%. Allerdings<br />

liegt <strong>der</strong> Anteil <strong>der</strong> Landwirtschaft bereits erheblich niedriger als vor einem<br />

Jahrzehnt: Im Jahr 2000 erreichte <strong>der</strong> Anteil <strong>der</strong> Landwirtschaft am Bruttoinlandsprodukt<br />

(BIP) in praktisch allen <strong>West</strong>provinzen noch Werte zwischen<br />

20% und 30%. Im Vergleich <strong>der</strong> einzelnen <strong>West</strong>provinzen zeigt sich,<br />

dass die Landwirtschaft vor allem in den südlicheren Provinzen Sichuan<br />

(fast 20% Anteil am BIP), Guangxi (18%), Yunnan (18%) sowie in Xinjiang<br />

(19%) eine sehr wichtige Rolle spielt.<br />

Im sekundären Sektor 10) , <strong>der</strong> eigentlichen Industrieproduktion, gibt es<br />

anteilsmäßig nur geringe Unterschiede zwischen Ost und <strong>West</strong>. Der <strong>West</strong>en<br />

liegt hier knapp unter, <strong>der</strong> Osten knapp über 50% am jeweiligen Bruttoinlandsprodukt<br />

(48% vs. 53%). Der Überhang des primären Sektors in den<br />

<strong>West</strong>provinzen wird durch einen geringer ausgeprägten (tertiären) <strong>Die</strong>nstleistungssektor<br />

kompensiert, <strong>der</strong> im <strong>West</strong>en im Schnitt 35%, im Osten<br />

dagegen 39% <strong>der</strong> Wertschöpfung ausmacht. Einen Überblick über die<br />

Zusammensetzung <strong>der</strong> Wirtschaftsleistungen <strong>der</strong> Einzelprovinzen bietet<br />

Abbildung 19 (zur Vermeidung von Missverständnissen wird <strong>der</strong> Bergbau<br />

separat ausgewiesen).<br />

10) Inklusive Verarbeitung von landwirtschaftlichen Produkten, Bergbau und Energieerzeugung.


78 |<br />

Studie<br />

In <strong>der</strong> Zusammensetzung des sekundären Sektors zeigen sich deutliche<br />

Unterschiede zwischen <strong>West</strong> und Ost. So macht <strong>der</strong> Bergbau im <strong>West</strong>en im<br />

Schnitt 8,5% <strong>der</strong> Wertschöpfung aus (gegenüber 4,0% im Osten). Der Bergbau<br />

gehört vor allem in Xinjiang (29% Anteil am BIP), Shaanxi (19%), Qinghai<br />

(16%) und <strong>der</strong> Inneren Mongolei (13%) zu den wichtigsten Wirtschaftsfaktoren.<br />

Auf die Bereitstellung von Energie, Gas und Wasser entfallen<br />

4,5% im <strong>West</strong>en, gegenüber 2,8% im Osten.<br />

Dagegen ist die verarbeitende Industrie von beson<strong>der</strong>s hoher Bedeutung<br />

für die Ökonomie in den Provinzen Qinghai (40% Anteil am BIP), Sichuan<br />

(39%), Chongqing (28%), und Yunnan (27%), wobei hier eine detaillierte<br />

Betrachtung zeigt, dass <strong>der</strong> hohe Anteil in Sichuan und Chongqing vor<br />

allem auf verschiedenen Segmenten des Anlagenbaus beruht (11% beziehungsweise<br />

14% am BIP), während in Qinghai stärker die Metallverarbeitung<br />

(allein 19% am BIP) und in Yunnan die Verarbeitung von Tabak<br />

(13% am BIP) dominieren.


79 |<br />

<strong>Die</strong> <strong>Go</strong>-<strong>West</strong>-<strong>Strategie</strong> <strong>der</strong> <strong>chinesischen</strong> <strong>Regierung</strong> – Chancen für die deutsche Wirtschaft?<br />

Man kann also zu <strong>der</strong> Schlussfolgerung gelangen, dass nicht nur die Wirtschaftsleistung,<br />

son<strong>der</strong>n auch die Wirtschaftsstruktur im <strong>West</strong>en <strong>der</strong>zeit<br />

nicht so weit entwickelt ist wie im östlichen China. Noch deutlicher wird<br />

dies bei <strong>der</strong> Betrachtung einzelner Sektoren: Während 2007 <strong>der</strong> <strong>West</strong>en<br />

in den Sektoren Landwirtschaft und Bergbau mit 26% und 29% <strong>der</strong> <strong>chinesischen</strong><br />

Wirtschaftsleistung in diesen Sektoren deutlich über dem BIP-Anteil<br />

von 19% liegt, liegt <strong>der</strong> Anteil <strong>der</strong> produzierenden Industriezweige mit<br />

12% deutlich darunter.<br />

3.4 Industrielle Kerne<br />

Insgesamt zeigen sich neben Bergbau und Landwirtschaft sechs weitere<br />

Industriezweige, in denen sich die Wertschöpfung <strong>der</strong> <strong>West</strong>provinzen deutlich<br />

positiv vom durchschnittlichen Beitrag des <strong>West</strong>ens zum gesamt<strong>chinesischen</strong><br />

Volkseinkommen abhebt und regionale Stärken zeigt:<br />

> In <strong>der</strong> Getränkeindustrie mit 30% <strong>der</strong> gesamt<strong>chinesischen</strong> Wertschöpfung,<br />

vor allem in Sichuan<br />

> In <strong>der</strong> Tabakindustrie mit mehr als einem Drittel <strong>der</strong> gesamt<strong>chinesischen</strong><br />

Wertschöpfung, vor allem in Yunnan<br />

> In <strong>der</strong> Metallverarbeitung (ohne Eisen und Stahl) mit 29% <strong>der</strong> gesamt<strong>chinesischen</strong><br />

Wertschöpfung, vor allem in Yunnan, Gansu und <strong>der</strong><br />

Inneren Mongolei<br />

> Bei <strong>der</strong> Erzeugung von Erdgas, Wasser und Elektrizität mit einem Fünftel<br />

<strong>der</strong> gesamt<strong>chinesischen</strong> Wertschöpfung, vor allem in Sichuan und <strong>der</strong><br />

Inneren Mongolei<br />

> Im Hotel- und Gaststättengewerbe mit einem Fünftel <strong>der</strong> gesamt<strong>chinesischen</strong><br />

Wertschöpfung, vor allem in Sichuan und <strong>der</strong> Inneren Mongolei<br />

> In <strong>der</strong> pharmazeutischen Industrie mit knapp einem Fünftel <strong>der</strong> gesamt<strong>chinesischen</strong><br />

Wertschöpfung, vor allem in Sichuan und Shaanxi<br />

Beim Blick auf die relative Stärke von bestimmten Branchen <strong>der</strong> einzelnen<br />

<strong>West</strong>provinzen im Vergleich zu Gesamtchina fällt auf, dass Sichuan in fast<br />

allen verarbeitenden Branchen, in <strong>der</strong> Landwirtschaft, dem Tourismus sowie<br />

bei kommunalen <strong>Die</strong>nstleistungen unter den <strong>West</strong>provinzen eine führende<br />

Stellung einnimmt; bezogen auf den Anteil am gesamt<strong>chinesischen</strong><br />

BIP spielt die Provinz insbeson<strong>der</strong>e eine Führungsrolle in <strong>der</strong> Getränkeherstellung<br />

(16% <strong>der</strong> gesamt<strong>chinesischen</strong> Wertschöpfung in diesem Bereich).<br />

In vielen an<strong>der</strong>en Branchen zeigt Sichuan im Vergleich zu seinem Anteil am<br />

gesamt<strong>chinesischen</strong> BIP von 3% deutliche Stärken, zum Beispiel im Tourismus<br />

(6%), <strong>der</strong> Pharmaindustrie (6%) o<strong>der</strong> in <strong>der</strong> Landwirtschaft (6%).


80 |<br />

Studie<br />

Darüber hinaus finden sich in einzelnen <strong>West</strong>provinzen wichtige regionale<br />

Industriekerne, die jeweils im Vergleich zum Beitrag <strong>der</strong> Provinz zum BIP<br />

Gesamtchinas überproportional ausgeprägt sind. Dabei sind insbeson<strong>der</strong>e<br />

zu nennen:<br />

> <strong>Die</strong> Verarbeitung landwirtschaftlicher Produkte in Sichuan und Guangxi<br />

und die Lebensmittelproduktion in <strong>der</strong> Inneren Mongolei<br />

> <strong>Die</strong> Medienindustrie in Sichuan und Yunnan<br />

> <strong>Die</strong> kohle- und erdölverarbeitende Industrie in Shaanxi<br />

> <strong>Die</strong> chemische Industrie und die Mineralienverarbeitung in Sichuan<br />

> <strong>Die</strong> Eisen- und Stahlverarbeitung in Sichuan und <strong>der</strong> Inneren Mongolei<br />

> <strong>Die</strong> Automobilindustrie in Chongqing<br />

3.5 Wirtschaftsför<strong>der</strong>ung durch Industrie- und Hightech-Parks<br />

Chinas Wirtschaftsentwicklung ist sehr stark mit dem Auf- und Ausbau von<br />

speziellen Entwicklungszonen verbunden, in den denen die Wirtschaftsför<strong>der</strong>ung<br />

regional fokussiert wird. Schon <strong>der</strong> Beginn <strong>der</strong> Politik <strong>der</strong> ökonomischen<br />

Öffnung Chinas in den 1980er Jahren ist mit <strong>der</strong> Einrichtung von vier<br />

Son<strong>der</strong>wirtschaftszonen verbunden (Shenzen, Zhuhai, Shantou, Xiamen).<br />

Im weiteren Verlauf wurden dann auch in vielen an<strong>der</strong>en Gebieten Chinas<br />

Industrieparks eingerichtet, die gut ausgebaute Infrastruktur anbieten und in<br />

denen spezifische För<strong>der</strong>bedingungen gelten, also etwa reduzierte Ertragssteuersätze<br />

o<strong>der</strong> bestimmte Zoll- und Umsatzsteuerregeln für Importe und<br />

Exporte. <strong>Die</strong> beiden wichtigsten Gruppen von Industrieparks sind die Nationalen<br />

Wirtschafts- und Technologie-Entwicklungszonen (National Economic<br />

and Technological Development Zones, ETDZ) auf <strong>der</strong> einen Seite und die<br />

Nationalen Hightech Entwicklungszonen (National High Tech Industrial<br />

Development Zones, HIDZ) auf <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en Seite. Erstere wurden seit den<br />

1980er Jahren in verschiedenen Städten zur fokussierten Entwicklung <strong>der</strong><br />

lokalen Wirtschaft geschaffen, letztere waren in den 1990er Jahren Ergebnis<br />

des sogenannten "Fackel-Programms", mit dem die chinesische <strong>Regierung</strong><br />

die Technologieentwicklung im Land vorantreiben wollte. <strong>Die</strong> HIDZ sind im<br />

Unterschied zu den ETDZ stärker auf den Austausch mit Forschungseinrichtungen<br />

angelegt.<br />

Heute existieren in ganz China 54 ETDZ, davon 13 in <strong>West</strong>china, und 53<br />

HTDZ, davon 12 in <strong>West</strong>china. Mit wenigen Ausnahmen sind diese Industrie-<br />

und Hightech-Parks in <strong>der</strong> Nähe <strong>der</strong> jeweiligen Provinzhauptstädte<br />

angesiedelt. Bezüglich <strong>der</strong> Anzahl von jeweils etwa einem Fünftel entspricht<br />

die Zahl <strong>der</strong> Entwicklungszonen in <strong>West</strong>china also in etwa dem Anteil <strong>der</strong><br />

Wirtschaftsleistung. In <strong>der</strong> Qualität können aber nur sehr wenige Parks in<br />

<strong>West</strong>china mit den Wettbewerbern im Osten mithalten, wie ein Rating aller<br />

<strong>chinesischen</strong> Industrieparks von www.ChinaKnowlegde.com ergab.


81 |<br />

<strong>Die</strong> <strong>Go</strong>-<strong>West</strong>-<strong>Strategie</strong> <strong>der</strong> <strong>chinesischen</strong> <strong>Regierung</strong> – Chancen für die deutsche Wirtschaft?<br />

Darin wurden die Industrieparks in einem gewichteten Ranking nach Kategorien<br />

wie Wirtschaftsleistung <strong>der</strong> jeweiligen Stadt, Wirtschaftsleistung<br />

des Parks, Kostenstrukturen, Zugang zu qualifiziertem Personal und Park-<br />

Management in sieben Kategorien von AAA (sehr gut) bis C (unbefriedigend)<br />

eingeordnet. Das Abschneiden <strong>der</strong> in den <strong>West</strong>provinzen angesiedelten<br />

Parks ist in Abbildung 20 zusammengefasst.<br />

Es zeigt sich, dass es nur die Parks in Chongqing, Shaanxi und Sichuan in<br />

die Spitzengruppe einer A-Bewertung schaffen, eine ganze Reihe von Parks<br />

im <strong>West</strong>en dagegen in den unteren Kategorien landet – vor allem die Parks<br />

in den wirtschaftlich schwachen Regionen Qinghai, Ningxia und Tibet, aber<br />

auch die in Xinjiang. Auch bezüglich <strong>der</strong> Industrieparks besteht also noch<br />

Nachholbedarf in <strong>West</strong>china.


82 |<br />

Studie<br />

4. Status quo: Außenwirtschaft<br />

4.1 Außenhandel<br />

Beim Außenhandel liegen die <strong>West</strong>provinzen nach wie vor sehr weit hinter<br />

den an<strong>der</strong>en Regionen Chinas zurück: Der Anteil <strong>der</strong> westlichen Provinzen<br />

an den gesamt<strong>chinesischen</strong> Exporten beträgt knapp 4%. Auf <strong>der</strong> Importseite<br />

liegt <strong>der</strong> Anteil ebenfalls nur bei 4%.<br />

Den dominierenden Part im Außenhandel <strong>West</strong>chinas spielen bei den Exporten<br />

die Autonome Region Xinjiang sowie die Provinzen Sichuan und Shaanxi;<br />

die drei Provinzen erreichen zusammen einen Anteil von 50%. <strong>Die</strong> Innere<br />

Mongolei und die Provinzen Sichuan und Guangxi kommen bei den Importen<br />

zusammen auf einen Anteil von 35%. <strong>Die</strong> starke Rolle von Guangxi bei<br />

den Einfuhren lässt sich durch die Küstenlage und die damit verbundene<br />

direkte Anbindung an Seehäfen und internationale Handelsströme erklären.<br />

Analog erklärt sich die große Bedeutung Xinjiangs bzgl. <strong>der</strong> Exporte aus <strong>der</strong><br />

Grenzlage <strong>der</strong> Provinz zu den Zentralasiatischen Republiken Kasachstan,<br />

Kirgisistan, Tadschikistan sowie zu Russland, <strong>der</strong> Mongolei und Indien und<br />

dem daraus entstehenden Handelsverkehr. Ihre Lage und die starke Rolle<br />

im Handel ist einer <strong>der</strong> Hauptgründe für die hohe strategische Bedeutung,<br />

die die chinesische Zentralregierung dieser Autonomen Region beimisst<br />

(siehe Portrait <strong>der</strong> Autonomen Region Xinjiang, Seite 166ff.).<br />

4.2 Ausländische Direktinvestitionen<br />

Zu den zentralen Zielen <strong>der</strong> <strong>chinesischen</strong> <strong>Regierung</strong> im Rahmen <strong>der</strong> <strong>Go</strong>-<br />

<strong>West</strong>-<strong>Strategie</strong> zählt die För<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> ausländischen Direktinvestitionen 11)<br />

in den <strong>West</strong>provinzen. Man könnte dies als Versuch <strong>der</strong> Wie<strong>der</strong>auflage des<br />

Erfolgsmodells interpretieren, das sich bereits in den Küstenregionen Ostchinas<br />

bewährt hat: Hier wurden die Industrialisierung und <strong>der</strong> damit<br />

einhergehende wirtschaftliche Aufschwung überwiegend durch den<br />

Zustrom ausländischen Kapitals getrieben.<br />

Ob beziehungsweise in welchem Umfang es gelungen ist, ausländische<br />

Investoren zu einem Engagement in <strong>West</strong>china zu bewegen, lässt sich<br />

nur im Vergleich mit <strong>der</strong> gesamt<strong>chinesischen</strong> Entwicklung beurteilen: <strong>Die</strong><br />

ausländischen Direktinvestitionen in <strong>der</strong> Volksrepublik China sind in den<br />

zehn Jahren zwischen 1999 und 2008 mit durchschnittlich 10% pro Jahr<br />

sehr dynamisch gewachsen und lagen 2008 bei 92 Mrd. USD.<br />

11) Unter ausländischen Direktinvestitionen sind hier Kapitalanlagen ausländischer natürlicher o<strong>der</strong><br />

juristischer Personen in China zu verstehen, die typischerweise zu einer Kapitalbeteiligung von<br />

über 10% an dem entsprechenden Unternehmen führen.


83 |<br />

<strong>Die</strong> <strong>Go</strong>-<strong>West</strong>-<strong>Strategie</strong> <strong>der</strong> <strong>chinesischen</strong> <strong>Regierung</strong> – Chancen für die deutsche Wirtschaft?<br />

Betrachtet man die Entwicklung <strong>der</strong> ausländischen Direktinvestitionen in<br />

den <strong>West</strong>provinzen, stellt man fest, dass das Gefälle zu Gesamtchina sehr<br />

groß ist. Beim Zustrom ausländischen Kapitals liegt <strong>der</strong> <strong>West</strong>en noch weiter<br />

zurück als bei <strong>der</strong> Wirtschaftsleistung. Allerdings zeichnet sich ein Aufwärtstrend<br />

ab: In den letzten Jahren sind die ausländischen Direktinvestitionen<br />

in <strong>West</strong>china deutlich gestiegen. Sie haben zwischen 2004 und 2008 mit<br />

einer durchschnittlichen jährlichen Wachstumsrate von 35% zugelegt,<br />

während die ausländischen Direktinvestitionen bezogen auf Gesamtchina<br />

um durchschnittlich 11% gewachsen sind.<br />

<strong>Die</strong> wichtigsten Formen ausländischer Direktinvestitionen 12)<br />

> Wholly Foreign Owned Enterprise (WFOE) – Gesellschaft mit ausschließlich<br />

ausländischer Beteiligung<br />

> Equity Joint Venture (EJV) – Gründung erfolgt als haftungsbeschränkte<br />

Gesellschaft <strong>chinesischen</strong> Rechts; Beteiligung des ausländischen Investors<br />

grundsätzlich mindestens 25%; Kapitalstruktur, Einlagen und Gewinnverteilung<br />

entsprechen dem Verhältnis <strong>der</strong> Investitionen <strong>der</strong> Gesellschafter<br />

> Cooperative Joint Venture (CJV)/Contractual Joint Venture – Intention,<br />

Flexibilität für die Zusammenarbeit zwischen ausländischen Investoren und<br />

<strong>chinesischen</strong> Partnern zu ermöglichen; Gesellschaftsform ist vor allem für<br />

Projekte mit beschränkter Laufzeit gedacht<br />

> Nie<strong>der</strong>lassung (Branch) – unselbständige Nie<strong>der</strong>lassung ohne eigene<br />

Rechtspersönlichkeit; nur in bestimmten Bereichen möglich, zum Beispiel<br />

Finanzdienstleistungen<br />

> Personengesellschaften – Gründung von Personengesellschaften durch<br />

ausländische Unternehmen o<strong>der</strong> natürliche Personen; in <strong>der</strong> Praxis <strong>der</strong>zeit<br />

noch schwierig<br />

Der Anteil an allen ausländischen Direktinvestitionen in China, <strong>der</strong> in die<br />

<strong>West</strong>provinzen geflossen ist, hat sich von einer niedrigen Basis ausgehend<br />

zwischen 2005 und 2008 von 8% auf 14% vergrößert. Er liegt damit aber<br />

immer noch deutlich unter dem Anteil, den die westlichen Provinzen an<br />

<strong>der</strong> gesamt<strong>chinesischen</strong> Wertschöpfung erwirtschaften (siehe Abbildung<br />

21). Das heißt, <strong>der</strong> <strong>West</strong>en absorbiert nach wie vor sehr viel weniger<br />

ausländische Direktinvestitionen, als es eigentlich dem Anteil seiner<br />

Wirtschaftsleistung entsprechen würde.<br />

12) <strong>Die</strong> Darstellung erfolgt nach dem Investitionsführer China 2009, hrsg. von DEG, F.A.Z. Institut<br />

und Rödl & Partner, Seite 58 ff.


84 |<br />

Studie<br />

Bei <strong>der</strong> Investitionstätigkeit ausländischer Unternehmen zeichnen sich klare<br />

Schwerpunkte ab: 80% aller Auslandsinvestitionen in <strong>West</strong>china fließen in<br />

die Provinzen Sichuan (26%), Chongqing (22%), in die Innere Mongolei<br />

(21%) und nach Shaanxi (11%).<br />

BASF eröffnet Produktionsstätte für Betonzusatzmittel in Kunming<br />

<strong>Die</strong> BASF AG hat im Mai 2009 in Kunming eine Fabrik für Betonzusatzmittel<br />

eingeweiht. Damit gehört das Unternehmen – es beschäftigt weltweit 97.000<br />

Mitarbeiter, davon 6.300 in China – zu den deutschen Pionieren in <strong>der</strong> von ausländischen<br />

Firmen bislang eher weniger stark frequentierten west<strong>chinesischen</strong><br />

Provinz Yunnan.<br />

Im Segment Construction Chemicals stellt BASF in China bereits seit 1988<br />

Betonzusatzmittel her. <strong>Die</strong> Fabrik in <strong>der</strong> Provinzhauptstadt Kunming ist die<br />

13. Produktionsanlage im Bereich Bauchemie, die das Unternehmen in <strong>der</strong><br />

Volksrepublik errichtet hat. Das 6.500 Quadratmeter große Werksgelände<br />

befindet sich in <strong>der</strong> Kunming State New & High Technology Development Zone<br />

40 Kilometer außerhalb von Kunming. Mit den bereits bestehenden Produktionsstätten<br />

in Chongqing und Chengdu und <strong>der</strong> neuen Fabrik in Kunming will<br />

das deutsche Unternehmen die Nachfrage auf dem wachsenden Markt des<br />

Baugewerbes in dieser Region decken.


85 |<br />

<strong>Die</strong> <strong>Go</strong>-<strong>West</strong>-<strong>Strategie</strong> <strong>der</strong> <strong>chinesischen</strong> <strong>Regierung</strong> – Chancen für die deutsche Wirtschaft?<br />

4.3 Präsenz ausländischer Unternehmen in <strong>West</strong>china<br />

Wie die Zahlen und Fakten zur Entwicklung <strong>der</strong> ausländischen Direktinvestitionen<br />

und des Warenhandels bereits nahelegen, ist die Präsenz ausländischer<br />

Unternehmen in den <strong>West</strong>provinzen weitaus schwächer ausgeprägt<br />

als im Osten Chinas. Von den 286.000 in <strong>der</strong> Volksrepublik registrierten<br />

ausländischen Unternehmen sind nur 16.600 – das entspricht einem Anteil<br />

von 6% – in den westlichen Provinzen präsent. <strong>Die</strong> meisten Unternehmen<br />

mit ausländischer Beteiligung finden sich heute in den Provinzen Sichuan<br />

und Shaanxi sowie in den südlichen Provinzen Yunnan und Guangxi<br />

(siehe Abbildung 22).<br />

Bislang machen sich deutsche Unternehmen rar in <strong>West</strong>china: Von den<br />

knapp 3.600 Unternehmen in <strong>der</strong> Datenbank <strong>der</strong> Deutschen Auslandshandelskammer<br />

in China sind nur 167 (5%) in <strong>West</strong>china registriert. Der Anteil<br />

liegt damit noch knapp unterhalb des Anteils aller ausländischen Unternehmen<br />

in den <strong>West</strong>provinzen (6%). <strong>Die</strong> Verteilung <strong>der</strong> deutschen Unternehmen<br />

innerhalb des <strong>West</strong>ens zeigt dabei – analog zu den Ergebnissen beim<br />

Engagement aller ausländischen Unternehmen in China – einen Schwerpunkt<br />

in den Provinzen Sichuan, Shaanxi und Chongqing (siehe<br />

Abbildung 23).


86 |<br />

Studie<br />

In <strong>der</strong> Branchenverteilung zeigt sich die Dominanz des Maschinenbaus,<br />

dem fast die Hälfte <strong>der</strong> deutschen Unternehmen in <strong>West</strong>china zuzurechnen<br />

ist. Es folgen mit deutlichem Abstand in <strong>der</strong> Bedeutung die Elektronik-,<br />

IT-, Automobil- und Chemiebranche (siehe Abbildung 23). Dass sich trotz<br />

dieser in praktisch allen Dimensionen <strong>der</strong> Außenwirtschaft stark zurückliegenden<br />

Position in <strong>West</strong>china auch Chancen für Unternehmen bieten<br />

können, die die sich in dieser Region entwickelnden Märkte und die spezifischen<br />

Rahmenbedingungen zu nutzen verstehen, soll anhand <strong>der</strong> Beispiele<br />

in den Textkästen in diesem Kapitel und in den Provinzportraits verdeutlicht<br />

werden.<br />

Veolia-Gruppe betreibt zahlreiche Wasseraufbereitungsanlagen in<br />

<strong>West</strong>china<br />

<strong>Die</strong> französische Veolia-Gruppe ist seit 1995 in China in verschiedenen Infrastrukturbereichen<br />

tätig, wobei Projekte in <strong>der</strong> Wasserwirtschaft den Schwerpunkt<br />

bilden. So betreibt <strong>der</strong> internationale Umweltdienstleister mit weltweit<br />

300.000 Mitarbeitern <strong>der</strong>zeit 27 Wassermanagement-Projekte in China,<br />

zum Beispiel für den Stadtbezirk Pudong in Shanghai.<br />

In den <strong>West</strong>provinzen ist Veolia in verschiedenen Projekten aktiv: Das Unternehmen<br />

hat 1998 eine Wasseraufbereitungsanlage in Chengdu errichtet und<br />

ist Betreiber <strong>der</strong> Anlage. Außerdem hat Veolia 2004 die Trinkwasserversorgung<br />

in Hohhot, <strong>der</strong> Hauptstadt <strong>der</strong> Inneren Mongolei, übernommen. Seit 2009<br />

betreibt <strong>der</strong> französische Umweltdienstleister neun Anlagen zur Wasserversorgung<br />

in <strong>der</strong> Provinzhauptstadt von Yunnan, Kunming, und seit 2007 vier Wasseraufbereitungsanlagen<br />

in Lanzhou, <strong>der</strong> Hauptstadt <strong>der</strong> Provinz Guangxi. <strong>Die</strong><br />

<strong>Go</strong>-<strong>West</strong>-<strong>Strategie</strong> kam <strong>der</strong> Expansion von Veolia zugute, denn im Zuge des<br />

Ausbaus <strong>der</strong> Infrastruktur in den <strong>West</strong>provinzen wurden die kommunalen<br />

Versorgungsnetze stark erweitert und mo<strong>der</strong>nisiert.


87 |<br />

<strong>Die</strong> <strong>Go</strong>-<strong>West</strong>-<strong>Strategie</strong> <strong>der</strong> <strong>chinesischen</strong> <strong>Regierung</strong> – Chancen für die deutsche Wirtschaft?<br />

5. Status quo: Rahmenbedingungen für ausländische Firmen in <strong>West</strong>china<br />

5.1 Rahmenbedingungen in China insgesamt<br />

<strong>Die</strong> <strong>West</strong>provinzen sind ein Teil Chinas. Das heißt, die Rahmenbedingungen<br />

und Spielregeln, denen ausländische Unternehmen bei ihrer Geschäftstätigkeit<br />

in <strong>der</strong> Volksrepublik unterworfen werfen, gelten für den <strong>West</strong>en und<br />

den Osten gleichermaßen. <strong>Die</strong> Studie "German Business Expansion in China<br />

2008-2010", die die Deutsche Handelskammer China veröffentlicht hat,<br />

gibt einen Überblick, wie deutsche Unternehmen ihre Lage und Perspektiven<br />

in China einschätzen. Für diese Publikation wurde ein repräsentatives<br />

Sample <strong>der</strong> rund 4.500 deutschen Unternehmen befragt, die mittlerweise<br />

in China aktiv sind.<br />

<strong>Die</strong> befragten Unternehmen kommen zu <strong>der</strong> Einschätzung, dass sich die<br />

Rahmenbedingungen für ihre Geschäftstätigkeit insgesamt verbessert haben.<br />

<strong>Die</strong> große Mehrheit <strong>der</strong> deutschen Unternehmen (80%) gibt an, dass die<br />

Ziele ihres China-Engagements erreicht, wenn nicht sogar übertroffen<br />

wurden.<br />

Auch <strong>der</strong> Blick in die Zukunft fällt in <strong>der</strong> Studie "German Business Expansion<br />

in China 2008-2010" positiv aus: Etwa zwei Drittel <strong>der</strong> Firmen rechnen<br />

mit wachsenden Marktchancen. Außerdem erwarten sie, dass sich die<br />

Möglichkeiten verbessern, lokale Zulieferer in ihre Wertschöpfungsketten<br />

einzubinden. Fast alle Unternehmen (90%) <strong>der</strong> Stichprobe beabsichtigen,<br />

ihre Aktivitäten in China auszuweiten. Allerdings erwarten sie steigende<br />

Arbeits- und Energiekosten. Mehr als die Hälfte glaubt, dass sich die steuerlichen<br />

Bedingungen verschlechtern werden, über 40% rechnen mit einer<br />

Intensivierung des Wettbewerbs.<br />

Obwohl die Perspektiven auf dem <strong>chinesischen</strong> Markt nach wie vor positiv<br />

eingeschätzt werden, beklagen die im Rahmen <strong>der</strong> Studie "German Business<br />

Expansion in China 2008-2010" befragten Unternehmen einige Hin<strong>der</strong>nisse,<br />

mit denen sie bei ihrer Geschäftstätigkeit konfrontiert sind: Als "Problem<br />

o<strong>der</strong> großes Problem" bezeichnen 80% <strong>der</strong> Umfrageteilnehmer die<br />

Rechtssicherheit und die Einhaltung von Vereinbarungen. 75% klagen über<br />

den Mangel an qualifiziertem Personal. Ebenso viele Unternehmen sehen<br />

die Verletzung gewerblicher Schutzrechte sowie Bürokratie als "Problem<br />

o<strong>der</strong> großes Problem". Korruption wird als weniger gravierend wahrgenommen<br />

als in <strong>der</strong> Vergangenheit, aber immerhin zwei Drittel <strong>der</strong> Befragten<br />

bewerten sie noch als erschwerenden Faktor für die Geschäftstätigkeit.


88 |<br />

Studie<br />

Generell gehen die Firmen (90%) jedoch davon aus, dass sich die Rahmenbedingungen<br />

in China verbessern o<strong>der</strong> zumindest stabil bleiben. Skepsis<br />

zeigen sie jedoch bei den Themen Rechtssicherheit und Einhaltung von<br />

Vereinbarungen: Hier glauben nur 20% beziehungsweise 30% <strong>der</strong> Befragten<br />

an eine Verbesserung <strong>der</strong> Situation. Fast drei Viertel <strong>der</strong> Unternehmen<br />

beabsichtigen, ihre Beschäftigtenzahl zu erhöhen. Mehr als die Hälfte plant,<br />

beim Einkauf den lokalen Anteil auszuweiten und mehr Forschung vor Ort<br />

zu betreiben; aber nur 20% haben vor, eine eigene Produktion in China<br />

aufzubauen.<br />

<strong>Die</strong> grundsätzliche Zuversicht in die Entwicklung des <strong>chinesischen</strong> Marktes<br />

hat bislang auch die Wirtschaftskrise nicht nachhaltig erschüttert: Wie die<br />

im Sommer 2009 durchgeführte "China Business Confidence Survey" <strong>der</strong><br />

Auslandshandelskammern in China ergab, schätzen die deutschen Unternehmen<br />

in <strong>der</strong> Volksrepublik ihre Lage nach wie vor positiv ein. Fast drei<br />

Viertel <strong>der</strong> Befragten, darunter viele kleine und mittelständische Betriebe,<br />

gehen davon aus, dass sich die chinesische Wirtschaft im ersten Halbjahr<br />

2010 wie<strong>der</strong> erholen wird. Viele Unternehmen gaben an, dass sie Umsatzeinbußen<br />

im Exportgeschäft durch höhere Absätze auf dem <strong>chinesischen</strong><br />

Markt zumindest teilweise kompensieren konnten.<br />

5.2 Rahmenbedingungen in <strong>West</strong>china im Speziellen<br />

Was die Rahmenbedingungen anbelangt, so werden die Aufnahme und die<br />

Ausübung einer Geschäftstätigkeit in den <strong>West</strong>provinzen immer noch als<br />

schwieriger beurteilt als in Ostchina. Zu diesem Ergebnis kommt die Weltbank-Studie<br />

"Doing Business in China 2008": <strong>Die</strong> Gründung eines Unternehmens<br />

dauert mit durchschnittlich 45 Tagen länger als im Osten (39<br />

Tage). Ähnlich verhält es sich mit <strong>der</strong> Zeit, die die Registrierung von Eigentum<br />

(57 Tage im <strong>West</strong>en vs. 50 Tage im Osten), die Registrierung von<br />

Kreditgarantien (21 Tage im <strong>West</strong>en vs. 14 Tage im Osten) und zur Durchsetzung<br />

von Verträgen vor Gericht (351 Tage im <strong>West</strong>en vs. 300 Tage im<br />

Osten) in Anspruch nehmen. Im Rahmen dieser Weltbank-Studie erhalten<br />

Sichuan, Chongqing und Shaanxi nicht nur die besten Platzierungen unter<br />

allen <strong>West</strong>provinzen; sie schneiden im Schnitt auch besser ab als die ost<strong>chinesischen</strong><br />

Provinzen (siehe Abbildung 24).


89 |<br />

<strong>Die</strong> <strong>Go</strong>-<strong>West</strong>-<strong>Strategie</strong> <strong>der</strong> <strong>chinesischen</strong> <strong>Regierung</strong> – Chancen für die deutsche Wirtschaft?<br />

5.3 Wesentliche Motive für das Engagement ausländischer Unternehmen<br />

in <strong>West</strong>china<br />

Im Rahmen <strong>der</strong> Studie "German Business Expansion in China 2008-2010"<br />

nannten die befragten Unternehmen im Wesentlichen die folgenden Motive<br />

für ihr China-Engagement:<br />

> Der überwiegende Teil <strong>der</strong> befragten deutschen Unternehmen (80%) gibt<br />

an, dass die Größe des <strong>chinesischen</strong> Absatzmarktes das ausschlaggebende<br />

Argument für den Schritt nach China war.<br />

> Mehr als 40% <strong>der</strong> Firmen unternahmen den Schritt auf den <strong>chinesischen</strong><br />

Markt, weil sie einem Kunden nachgefolgt sind.<br />

> Für etwa ein Drittel <strong>der</strong> Unternehmen war <strong>der</strong> kostengünstige Einkauf<br />

das Motiv für eine Geschäftstätigkeit in China. Rund 40% <strong>der</strong> Firmen<br />

führen die niedrigen Produktionskosten als Grund an.<br />

> Der Exportanteil <strong>der</strong> deutschen Unternehmen mit einer Produktionsstätte<br />

in China liegt im Durchschnitt bei knapp 30%. <strong>Die</strong>s stützt die<br />

Einschätzung, dass die meisten Firmen aus Deutschland die Perspektiven<br />

auf dem <strong>chinesischen</strong> Absatzmarkt als Hauptmotiv ihrer China-Aktivitäten<br />

betrachten.


90 |<br />

Studie<br />

<strong>Die</strong> Unternehmensinterviews, die für die vorliegende Studie geführt wurden,<br />

machten deutlich, dass das Engagement in <strong>West</strong>china im Prinzip auf einer<br />

ähnlichen Motivationslage basiert. Unterschiede gibt es allenfalls bei <strong>der</strong><br />

Gewichtung <strong>der</strong> einzelnen Faktoren: So werden die Marktchancen als<br />

bedeutsamer eingeschätzt, die Kostenposition dagegen als weniger relevant.<br />

Der lokale Einkauf spielt – sofern es nicht um den Bezug von Rohstoffen<br />

geht – eine eher geringe Rolle. Gleicht man diese Motivationslage mit dem<br />

Stärken-Schwächen-Profil <strong>der</strong> <strong>West</strong>provinzen ab, so zeigt sich, dass <strong>der</strong><br />

<strong>West</strong>en eher in den Bereichen punkten kann, die von den Unternehmen<br />

als weniger wichtig betrachtet werden (siehe Abbildung 25).<br />

Überraschend wenig Bedeutung messen die befragten Unternehmen <strong>der</strong><br />

vorhandenen politischen Unterstützung und <strong>der</strong> Wirtschaftsför<strong>der</strong>ung zu.<br />

<strong>Die</strong>s wird nicht als beson<strong>der</strong>er Mehrwert <strong>der</strong> <strong>West</strong>provinzen betrachtet, da<br />

viele an<strong>der</strong>e Standorte in China ähnliche Konditionen bieten. Auch Kostenfaktoren<br />

sind in <strong>der</strong> Regel eher in zweiter Linie relevant für ein Engagement<br />

im <strong>West</strong>en. <strong>Die</strong> (stark verbesserte) Infrastruktur ist eher ein "hygienischer"<br />

Faktor: Sie wird als notwendige Voraussetzung angesehen und nicht als<br />

Differenzierungsmerkmal, das den Ausschlag für eine Standortentscheidung<br />

zugunsten <strong>der</strong> <strong>West</strong>provinzen geben könnte.


91 |<br />

<strong>Die</strong> <strong>Go</strong>-<strong>West</strong>-<strong>Strategie</strong> <strong>der</strong> <strong>chinesischen</strong> <strong>Regierung</strong> – Chancen für die deutsche Wirtschaft?<br />

5.4 Beson<strong>der</strong>e Herausfor<strong>der</strong>ungen für ausländische Unternehmen<br />

in <strong>West</strong>china<br />

Bei einem Engagement in den <strong>West</strong>provinzen nehmen die in den Interviews<br />

befragten Unternehmen spezifische Hürden und Hin<strong>der</strong>nisse wahr:<br />

> Das Qualifikationsniveau des Personals ist typischerweise wesentlich<br />

schlechter als an <strong>der</strong> Ostküste. Ausländische Unternehmen müssen also<br />

deutlich mehr Zeit für Aus- und Weiterbildung investieren – und laufen<br />

häufig Gefahr, dass manche Beschäftigte ihre Tätigkeit nur als Sprungbrett<br />

für einen Stellenwechsel an die Ostküste nutzen.<br />

> Nur wenige Expatriates sind bisher nach <strong>West</strong>china gezogen, dementsprechend<br />

klein – o<strong>der</strong> in vielen Städten überhaupt nicht existent – sind die<br />

sozialen Zirkel, in denen sich ausländische Mitarbeiter bewegen können.<br />

<strong>Die</strong> Bereitschaft von Expatriates, eine Tätigkeit in den westlichen Provinzen<br />

aufzunehmen, ist deshalb eher gering. Übrigens verlangen auch viele<br />

chinesische Führungskräfte eine Art "<strong>West</strong>zuschlag", um ihren Wirkungskreis<br />

von den Ost- in die <strong>West</strong>provinzen zu verlegen.<br />

> Lokale Behörden und Partner im <strong>West</strong>en haben häufig weniger Erfahrung<br />

im Umgang mit Auslän<strong>der</strong>n und ausländischen Unternehmen. Dementsprechend<br />

langwierig gestalten sich manche Prozesse, die zudem in <strong>der</strong> Regel<br />

einen größeren persönlichen Einsatz erfor<strong>der</strong>n als in den Ostprovinzen.<br />

> Der Aufbau langfristiger und intensiver persönlicher Beziehungen ist im<br />

<strong>West</strong>en meist noch wichtiger für den Geschäftserfolg als im östlichen<br />

China – das erfor<strong>der</strong>t Zeit und Geduld.<br />

> <strong>Die</strong> enormen Entfernungen und die an<strong>der</strong>en logistischen Herausfor<strong>der</strong>ungen<br />

aufgrund <strong>der</strong> geografischen Gegebenheiten machen den <strong>West</strong>en<br />

im Wesentlichen nur für die Bedienung des lokalen Marktes interessant.<br />

<strong>Die</strong> Märkte außerhalb <strong>der</strong> Ballungszentren sind aber noch wenig entwickelt.<br />

Aus Sicht <strong>der</strong> ausländischen Unternehmen kann <strong>der</strong> <strong>West</strong>en jedoch mit<br />

einem Vorzug aufwarten: Das Thema <strong>der</strong> gewerblichen Schutz- und Urheberrechte<br />

wird hier im Schnitt als weniger problematisch eingestuft als in<br />

Ostchina: Da Verletzungen <strong>der</strong> geistigen Eigentumsrechte typischerweise<br />

vor allem bei Produkten auftreten, die exportiert werden, wirkt sich die<br />

deutlich geringer Exportorientierung <strong>der</strong> Wirtschaft in den <strong>West</strong>provinzen<br />

diesbezüglich positiv aus. Außerdem gibt es aus <strong>der</strong> Perspektive <strong>der</strong> befragten<br />

Unternehmen im <strong>West</strong>en weniger hinreichend qualifizierte und motivierte<br />

Player, die Produkte kopieren.


92 |<br />

Studie<br />

Insgesamt lässt sich festhalten, dass sich aus Sicht <strong>der</strong> Unternehmen die<br />

Rahmenbedingungen in <strong>West</strong>china nicht grundsätzlich o<strong>der</strong> extrem, son<strong>der</strong>n<br />

eher graduell und bezüglich einiger Spezifika von denen in an<strong>der</strong>en<br />

Regionen Chinas unterscheiden.<br />

5.5 Stärken und Schwächen <strong>der</strong> <strong>West</strong>provinzen<br />

<strong>Die</strong> wesentlichen eruierten Stärken und Schwächen <strong>der</strong> <strong>West</strong>provinzen<br />

können nun summarisch zusammengefasst werden (siehe Abbildung 26)<br />

6. <strong>Die</strong> zweite Phase <strong>der</strong> <strong>Go</strong>-<strong>West</strong>-<strong>Strategie</strong>: Blick in die Zukunft<br />

6.1 Zehn Jahre <strong>Go</strong>-<strong>West</strong>-<strong>Strategie</strong>: Zwischenbilanz<br />

Im Sommer 2009 arbeitet man bei <strong>der</strong> Nationalen Entwicklungs- und<br />

Reformkommission an einer Bestandsaufnahme <strong>der</strong> im 11. Fünfjahresplan<br />

vorgesehenen Maßnahmen für die <strong>West</strong>provinzen und an einer Novellierung<br />

<strong>der</strong> <strong>Go</strong>-<strong>West</strong>-<strong>Strategie</strong>. In den Prozess <strong>der</strong> Evaluierung des Erreichten<br />

und <strong>der</strong> Ausarbeitung neuer Maßnahmen ist auch eine Vielzahl von externen<br />

Experten und Forschungseinrichtungen eingebunden, so etwa die<br />

chinesische Akademie <strong>der</strong> Wissenschaften.<br />

<strong>Die</strong> chinesische <strong>Regierung</strong> hebt in ihrer bisherigen offiziellen Bewertung die<br />

positiven Effekte <strong>der</strong> <strong>Go</strong>-<strong>West</strong>-<strong>Strategie</strong> hervor: Erfolge seien insbeson<strong>der</strong>e<br />

bei <strong>der</strong> Infrastrukturentwicklung, dem Wirtschaftswachstum, <strong>der</strong> Erhöhung<br />

<strong>der</strong> Haushaltseinkommen sowie durch die Verän<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Wirtschafts-


93 |<br />

<strong>Die</strong> <strong>Go</strong>-<strong>West</strong>-<strong>Strategie</strong> <strong>der</strong> <strong>chinesischen</strong> <strong>Regierung</strong> – Chancen für die deutsche Wirtschaft?<br />

struktur – stärkere Entwicklung <strong>der</strong> Industrieproduktion relativ zur Landwirtschaft<br />

– erzielt worden. Es wurden auch in <strong>der</strong> Tat einige messbare<br />

Fortschritte erreicht. Beispielhaft sei hier angeführt, dass sich <strong>der</strong> Human<br />

Development Index <strong>der</strong> Vereinten Nationen für die <strong>West</strong>provinzen zwischen<br />

1999 und 2008 von im Schnitt 0,59 auf 0,72 verbessert hat. Damit<br />

hat <strong>der</strong> <strong>West</strong>en fast das Niveau erreicht, das die Ostprovinzen im Jahr<br />

1999 hatten. Heute stehen diese mit einem HDI von 0,82 schon jenseits<br />

<strong>der</strong> Schwelle von 0,8, ab <strong>der</strong> man bei einem Land von einem hohem<br />

Entwicklungsstand spricht.<br />

Auch auf Provinzebene werden hauptsächlich Erfolge berichtet. So zeigt sich<br />

in einer Analyse <strong>der</strong> Planumsetzung im 10. Fünfjahresplan, dass alle Provinzen<br />

die in den Fünfjahresplänen vorgesehenen Ziele weitestgehend erfüllt<br />

haben (siehe Abbildung 27). Betrachtet wurden die Kategorien ökonomische<br />

Entwicklung, soziale Entwicklung, Infrastrukturentwicklung, Industrieansiedlung,<br />

Umwelt und die grundsätzliche Datentransparenz beziehungsweise<br />

Datenverfügbarkeit. Im Ergebnis zeigen sich nur sehr geringe<br />

Schwankungen <strong>der</strong> erzielten Werte im Vergleich zur 100-Prozent-Planerfüllung<br />

und keine signifikanten Abweichungen zwischen den Provinzen – die<br />

Rangfolge ist daher wenig aussagekräftig. Allerdings ist davon auszugehen,<br />

dass im offiziellen <strong>chinesischen</strong> Reporting-Mechanismus im Regelfall eine<br />

volle Zielerreichung berichtet wird, gegebenenfalls mit entsprechen<strong>der</strong><br />

Anpassung <strong>der</strong> Daten. <strong>Die</strong> Aussagefähigkeit dieser Berichte für einen<br />

systematischen Vergleich <strong>der</strong> Provinzen ist daher eingeschränkt.<br />

Das Beispiel zeigt aber deutlich eine wichtige Beobachtung: We<strong>der</strong> bei <strong>der</strong><br />

Definition spezifischer Zielstellungen und Programme noch in <strong>der</strong> politischen<br />

Zielerreichung lassen sich extreme Unterschiede zwischen den Provinzen<br />

feststellen, beziehungsweise die Unterschiede erweisen sich als


94 |<br />

Studie<br />

so gering, dass sie wenig Aussagekraft für einen Standortvergleich haben.<br />

Es muss aber generell festgehalten werden – dies hat die Darstellung in<br />

den vorangehenden Kapiteln gezeigt –, dass zehn Jahre nach dem Start<br />

<strong>der</strong> <strong>Go</strong>-<strong>West</strong>-<strong>Strategie</strong> in vielen Bereichen noch ein erheblicher Abstand<br />

zwischen den <strong>West</strong>provinzen und den wohlhaben<strong>der</strong>en Ostprovinzen klafft:<br />

Paradigmatisch hierfür ist, dass bei einem Bevölkerungsanteil von 28% das<br />

Bruttoinlandsprodukt des <strong>West</strong>ens immer noch nur 19% <strong>der</strong> gesamt<strong>chinesischen</strong><br />

Wirtschaftsleistung ausmacht – es hat sich also im Vergleich zu 1999<br />

nicht verbessert. Schlaglichtartig kann die immer noch problematische<br />

Situation <strong>West</strong>chinas innerhalb <strong>der</strong> Volksrepublik in <strong>der</strong> Abbildung 28<br />

zusammengefasst werden.<br />

In einem Interview mit dem US-Magazin "Newsweek" im Oktober 2008<br />

hat Ministerpräsident Wen Jiabao auch klar benannt, dass die Disparitäten<br />

<strong>der</strong> sozialen und ökonomischen Entwicklung innerhalb <strong>der</strong> Volksrepublik<br />

nach wie vor ein gravierendes Problem darstellen: "Obwohl China mit einer<br />

Bevölkerung von 1,3 Milliarden Menschen in den vergangenen Jahren<br />

durch die Reform- und Öffnungsbemühungen eine sehr schnelle ökonomische<br />

und soziale Entwicklung durchlaufen hat, steht es immer noch vor<br />

<strong>der</strong> Herausfor<strong>der</strong>ung von starken Ungleichgewichten in <strong>der</strong> Entwicklung<br />

zwischen den Regionen und zwischen Stadt und Land (…) China bleibt<br />

ein Entwicklungsland."


95 |<br />

<strong>Die</strong> <strong>Go</strong>-<strong>West</strong>-<strong>Strategie</strong> <strong>der</strong> <strong>chinesischen</strong> <strong>Regierung</strong> – Chancen für die deutsche Wirtschaft?<br />

In ihrer Einschätzung <strong>der</strong> <strong>Go</strong>-<strong>West</strong>-<strong>Strategie</strong> umreißt die chinesische <strong>Regierung</strong><br />

relativ klar diejenigen Problemfel<strong>der</strong>, die die politische Führung <strong>der</strong><br />

Volksrepublik China auch in den nächsten Jahren vor erhebliche Herausfor<strong>der</strong>ungen<br />

stellen wird:<br />

> Im Vergleich zur Infrastrukturentwicklung ist die Entwicklung <strong>der</strong><br />

Industrieproduktion noch zurückgeblieben.<br />

> <strong>Die</strong> Industriestruktur ist noch relativ wenig diversifiziert. Nach wie<br />

vor dominieren Grundstoffe und die Grundstoffverarbeitung.<br />

> Es wird kritisch hinterfragt, ob die Steueranreize für Auslandsinvestitionen<br />

ein hinreichend attraktives Instrument darstellen, um das Engagement<br />

ausländischer Unternehmen in den <strong>West</strong>provinzen zu för<strong>der</strong>n.<br />

> Das Geschäftsklima und die Rahmenbedingungen für die Geschäftstätigkeit<br />

von Unternehmen entsprechen noch nicht den Standards, die in<br />

den Küstenregionen inzwischen üblich sind.<br />

> Das Wirtschaftsleben in den westlichen Provinzen wird immer noch<br />

maßgeblich von den Aktivitäten <strong>der</strong> Staatsbetriebe bestimmt. Kleine und<br />

mittelständische Unternehmen im Privateigentum sind nach wie vor<br />

unterrepräsentiert.<br />

> Als weitere Schwierigkeit zeichnet sich ab, dass die Auswirkungen <strong>der</strong><br />

Finanz- und Wirtschaftkrise auch die Entwicklung <strong>der</strong> <strong>West</strong>provinzen<br />

beeinflussen werden.<br />

Defizite sind außerdem bei <strong>der</strong> Umsetzung einzelner Ziele <strong>der</strong> <strong>Go</strong>-<strong>West</strong>-<strong>Strategie</strong><br />

vor Ort festzustellen: Auf <strong>der</strong> Provinzebene haben sich die Rahmenbedingungen<br />

für eine Geschäftstätigkeit von Unternehmen bisher kaum verbessert.<br />

<strong>Die</strong>s ergab eine Studie <strong>der</strong> Weltbank, die die Reformbemühungen <strong>der</strong><br />

einzelnen Provinzen für die Jahre 2006 und 2007 untersucht hat. In die<br />

Analyse einbezogen waren Kriterien wie <strong>der</strong> Aufwand bei <strong>der</strong> Unternehmensgründung,<br />

Aufwand zur Registrierung von Eigentum, Zugang zu<br />

Krediten und Durchsetzbarkeit von Verträgen. Ergebnis <strong>der</strong> Studie: An<strong>der</strong>s<br />

als in den Ostprovinzen zeigten die Provinzregierungen im <strong>West</strong>en wenig<br />

Initiative, um die Situation auf diesen vier Fel<strong>der</strong>n durch entsprechende<br />

gesetzliche Regelungen zu verbessern. Chongqing ist hier die Ausnahmeerscheinung:<br />

Hier wurden in allen vier Bereichen Maßnahmen ergriffen,<br />

um die Geschäftsbedingungen attraktiver zu gestalten.


96 |<br />

Studie<br />

<strong>Die</strong> <strong>Go</strong>-<strong>West</strong>-<strong>Strategie</strong> muss also fortgeschrieben werden, da ihre Ziele noch<br />

bei weitem nicht erreicht sind. Dazu bereitet die <strong>Regierung</strong> aktuell neue<br />

Initiativen vor. Seit Ende 2008 hat die <strong>Go</strong>-<strong>West</strong>-<strong>Strategie</strong> mit zwei wichtigen<br />

<strong>Regierung</strong>sprogrammen neuen Rückenwind bekommen, dem <strong>chinesischen</strong><br />

Konjunkturprogramm als Reaktion auf die Finanz- und Wirtschaftskrise<br />

und dem Zehn-Industrien-Revitalisierungsplan.<br />

6.2 Das chinesische Konjunkturprogramm<br />

Das im November 2008 aufgelegte chinesische "4 Billionen-Konjunkturprogramm"<br />

kommt überwiegend den <strong>West</strong>provinzen zugute. Wesentliche<br />

Bestandteile dieses Konjunkturpakets sind auf <strong>West</strong>china ausgerichtet (siehe<br />

Übersicht in Abbildung 29) und zielen auf die Beschleunigung beziehungsweise<br />

die Erweiterung von Maßnahmen, die bereits im aktuellen Fünfjahresplan<br />

aufgenommen waren. Dazu gehört <strong>der</strong> forcierte Aufbau von Transport-<br />

und Infrastrukturprojekten, unter an<strong>der</strong>em <strong>der</strong> <strong>West</strong>-Ost-Gaspipelines.<br />

Ein hoher Stellenwert wird auch den Wie<strong>der</strong>aufbaumaßnahmen in <strong>der</strong><br />

Provinz Sichuan eingeräumt, um die Beseitigung <strong>der</strong> von dem Erdbeben<br />

2008 verursachten Schäden zu beschleunigen (Details dazu im Portrait<br />

<strong>der</strong> Provinz Sichuan ab Seite 129).<br />

Außerdem ist im Konjunkturprogramm die Unterstützung strukturschwacher<br />

Gebiete durch den Wohnungsbau und den Aufbau beziehungsweise<br />

die Mo<strong>der</strong>nisierung lokaler Infrastruktur sowie durch Umweltschutzprojekte<br />

vorgesehen.<br />

Allein die Maßnahmen zur Beschleunigung von Transport- und Infrastrukturprojekten<br />

sowie für den Wie<strong>der</strong>aufbau in <strong>der</strong> Provinz Sichuan umfassen<br />

ein Volumen von 2,5 Billionen CNY. <strong>Die</strong>s entspricht fast zwei Dritteln des<br />

Gesamtumfangs des Konjunkturpakets (siehe Abbildung 29). Angesichts<br />

dieser Dimensionierung ist zu erwarten, dass von dem "4 Billionen-Konjunkturprogramm"<br />

noch einmal ein deutlicher Impuls für die Entwicklung<br />

<strong>der</strong> Infrastruktur gerade in den <strong>West</strong>provinzen ausgeht.


97 |<br />

<strong>Die</strong> <strong>Go</strong>-<strong>West</strong>-<strong>Strategie</strong> <strong>der</strong> <strong>chinesischen</strong> <strong>Regierung</strong> – Chancen für die deutsche Wirtschaft?<br />

<strong>Die</strong> stark ausgeprägte Fokussierung auf Infrastrukturmaßnahmen ist ein<br />

auffallendes Merkmal des <strong>chinesischen</strong> Konjunkturprogramms – beson<strong>der</strong>s<br />

dann, wenn man einen Vergleich zu den Konjunkturprogrammen <strong>der</strong> westlichen<br />

Industriestaaten anstellt, bei denen die Stärkung des privaten Konsums<br />

ein wichtiges Element darstellt. <strong>Die</strong> Ankurbelung <strong>der</strong> privaten Nachfrage<br />

spielt dagegen in den konjunkturbelebenden Maßnahmen <strong>der</strong><br />

<strong>chinesischen</strong> <strong>Regierung</strong> eine Nebenrolle.<br />

Nach Informationen <strong>der</strong> <strong>chinesischen</strong> <strong>Regierung</strong> wurden bis Frühjahr<br />

2009 circa 1 Mrd. CNY ausgegeben. Man kann davon ausgehen, dass<br />

das "4 Billionen-Konjunkturprogramm" aktuell deutlich zur Stabilisierung<br />

des Wirtschaftswachstums beiträgt.<br />

6.3 Der Zehn-Industrien-Revitalisierungsplan<br />

Als Ergänzung zum Konjunkturpaket hat die chinesische <strong>Regierung</strong> im<br />

Frühjahr 2009 den sogenannten "Zehn-Industrien-Revitalisierungsplan"<br />

vorgelegt. <strong>Die</strong> dabei in den Fokus genommenen Branchen <strong>der</strong> Industrieproduktion<br />

(außer Logistik) tragen heute einen Anteil von 40% zum<br />

<strong>chinesischen</strong> Bruttoinlandsprodukt bei:


98 |<br />

Studie<br />

> Automobilbau<br />

> Eisen- und Stahlverarbeitung<br />

> Textilindustrie<br />

> Maschinen- und Anlagenbau<br />

> Schiffbau<br />

> Elektronik und Informationstechnologie<br />

> Konsumgüter<br />

> Petrochemie<br />

> Metallverarbeitung (ohne Eisen und Stahl)<br />

> Logistik<br />

Um diese Industriezweige zu för<strong>der</strong>n, wurde ein umfassendes Maßnahmenpaket<br />

geschnürt. Seine Elemente setzen im Wesentlichen an den Hebeln<br />

Nachfrage, Kontrolle <strong>der</strong> Produktionskapazitäten und Mo<strong>der</strong>nisierung <strong>der</strong><br />

Produktion an:<br />

> Zur Stabilisierung <strong>der</strong> Nachfrage sind zum Beispiel Subventionen für den<br />

Kauf von Nutzfahrzeugen in <strong>der</strong> Landwirtschaft und Steuerermäßigungen<br />

beim Kauf von Kleinwagen vorgesehen. Außerdem ist eine Reihe<br />

weiterer Initiativen angelaufen. Dazu gehört die Stärkung <strong>der</strong> lokalen<br />

Automobilbranche durch die öffentliche Hand, die verstärkt chinesische<br />

Modelle kauft. <strong>Die</strong> Kreditzinsen für die Fahrzeugfinanzierung wurden<br />

gesenkt. Um den Konsum anzukurbeln, wurden die Verbrauchssteuern<br />

auf in China produzierte Weine und Spirituosen, Kosmetikprodukte,<br />

Schmuck und Luxusuhren gesenkt; gleichzeitig wurden die Importzölle<br />

für ausländische Produkte angehoben. Mit dem Ankauf von 590.000<br />

Tonnen Aluminium, 59.000 Tonnen Zink und 30 Tonnen Indium trat<br />

die <strong>Regierung</strong> auf dem Rohstoffsektor unmittelbar als Nachfrager in<br />

Erscheinung.<br />

> Um die angestrebte Verbesserung <strong>der</strong> Industriestruktur nicht zu konterkarieren,<br />

sind Maßnahmen zur Kontrolle <strong>der</strong> Produktionskapazitäten<br />

vorgesehen. Eine weitere Expansion in <strong>der</strong> Eisen- und Stahlindustrie<br />

soll verhin<strong>der</strong>t werden; stattdessen ist ein Abbau beziehungsweise eine<br />

Konsolidierung geplant: <strong>Die</strong> Kapazität <strong>der</strong> Stahlerzeugung soll um mindestens<br />

100 Mio. Tonnen verringert werden. Schwerpunkte werden dagegen<br />

auf den Ausbau <strong>der</strong> Produktionskapazitäten im Spezialanlagenbau<br />

gesetzt. Außerdem sind Anreize zur Konsolidierung in den Branchen<br />

Automobilindustrie, Metallverarbeitung und Schiffbau vorgesehen: So<br />

soll in <strong>der</strong> Automobilindustrie die Zahl <strong>der</strong> Anbieter von vierzehn auf<br />

zehn zurückgehen. Alle Pläne zum Ausbau <strong>der</strong> Werften sind für die<br />

nächsten drei Jahre gestoppt.


99 |<br />

<strong>Die</strong> <strong>Go</strong>-<strong>West</strong>-<strong>Strategie</strong> <strong>der</strong> <strong>chinesischen</strong> <strong>Regierung</strong> – Chancen für die deutsche Wirtschaft?<br />

> Durch den Einsatz neuer Technologien sollen Produktionsanlagen und<br />

-prozesse mo<strong>der</strong>nisiert werden. Entsprechende Maßnahmen sind unter<br />

an<strong>der</strong>em für die Automobilindustrie, in den Branchen Elektronik und<br />

Informationstechnologie sowie in <strong>der</strong> Textilindustrie geplant. Hier soll<br />

<strong>der</strong> Fokus auf Industrietextilien und Hightech-Materialien liegen. Für die<br />

Automobilindustrie werden 10 Mrd. CNY bereitgestellt, um Innovationen<br />

und die Entwicklung von Fahrzeugen mit alternativen Antrieben zu<br />

unterstützen. Im Maschinenbau ist die För<strong>der</strong>ung von Zielindustrien<br />

vorgesehen; zu ihnen gehören unter an<strong>der</strong>em erneuerbare Energien,<br />

Kraftwerkstechnik, Hochspannungs- und Stromübertragungstechnik,<br />

Hochgeschwindigkeits-Schienensysteme und städtische Verkehrssysteme.<br />

Wie sich zeigt, weisen die im Zehn-Industrien-Revitalisierungsprogramm<br />

adressierten Branchen eine hohe Korrelation mit denjenigen Wirtschaftszweigen<br />

auf, die bereits das ökonomische Profil <strong>der</strong> <strong>West</strong>provinzen prägen<br />

beziehungsweise in diesen Regionen beson<strong>der</strong>s geför<strong>der</strong>t werden sollen.<br />

So umfasst <strong>der</strong> Bereich Logistik unter an<strong>der</strong>em die För<strong>der</strong>ung von regionalen<br />

Logistikzentren auf <strong>der</strong> Achse Xi'an-Lanzhou-Ürümqi und Chengdu-<br />

Chongqing.<br />

6.4 Weiterentwicklung <strong>der</strong> <strong>Go</strong>-<strong>West</strong>-<strong>Strategie</strong><br />

Im Sommer 2009 hat die chinesische Zentralregierung angekündigt, bereits<br />

Ende des Jahres – und damit vor <strong>der</strong> für 2010 vorgesehenen Präsentation<br />

des 12. Fünfjahresplans – ein überarbeitetes und erweitertes Programm für<br />

die <strong>Go</strong>-<strong>West</strong>-<strong>Strategie</strong> zu entwerfen und zu veröffentlichen. Bereits heute<br />

zeichnet sich ab, dass dieses Programm ebenso wie <strong>der</strong> nächste Fünfjahresplan<br />

vor allem den Ausbau und die Differenzierung <strong>der</strong> Industrieentwicklung<br />

in den <strong>West</strong>provinzen zum Inhalt haben wird. <strong>Die</strong> Gewichtung wird<br />

sich vom Aufbau beziehungsweise von <strong>der</strong> Verbesserung <strong>der</strong> Infrastruktur<br />

in Richtung <strong>der</strong> eigentlichen ökonomischen Entwicklung verschieben. Lag<br />

<strong>der</strong> Schwerpunkt <strong>der</strong> bisherigen För<strong>der</strong>politik also auf <strong>der</strong> Schaffung <strong>der</strong><br />

Rahmenbedingungen für die Ankurbelung <strong>der</strong> Wirtschaft, so geht es jetzt<br />

darum, diesen Rahmen mit ökonomischem Leben zu erfüllen. An<strong>der</strong>s ausgedrückt:<br />

<strong>Die</strong> "Hardware" steht nun bereit; jetzt kommt es darauf an, sie<br />

durch die Installation <strong>der</strong> "Software" zum Laufen zu bringen.<br />

Dabei ist ein wichtiges Anliegen, eine größere Ausgewogenheit <strong>der</strong> Wirtschaftsstruktur<br />

zu erreichen: Als Ergänzung zu den klassischen grundstofforientierten<br />

Industrien sollen deshalb Sektoren wie Hightech-Industrien,<br />

erneuerbare Energien, <strong>Die</strong>nstleistungsbranchen und Tourismus speziell<br />

geför<strong>der</strong>t werden. Außerdem sind verstärkte Anstrengungen und Anreize<br />

zur För<strong>der</strong>ung des Handels zu erwarten; ausgebaut werden sollen sowohl<br />

die interregionalen Handelsbeziehungen <strong>der</strong> <strong>West</strong>provinzen als auch <strong>der</strong><br />

Außenhandel.


100 |<br />

Studie<br />

In den Interviews, die bei den Recherchen zur vorliegenden Studie geführt<br />

wurden, hielten sich Vertreter <strong>der</strong> offiziellen Stellen noch sehr bedeckt, was<br />

die konkrete Ausgestaltung des aktualisierten <strong>Go</strong>-<strong>West</strong>-Programms anbelangt.<br />

<strong>Die</strong> Gesprächspartner <strong>der</strong> NDRC und vom <strong>chinesischen</strong> Handelsministerium<br />

(MOFCOM) wollten keine Details zu Inhalten und neuen Elementen<br />

des Programms preisgeben. Allerdings deuteten sie an, dass es ein o<strong>der</strong><br />

zwei neue Fokusregionen (siehe Seite 56f.) geben wird. Damit würde sich<br />

die Zahl <strong>der</strong> Fokusregionen von <strong>der</strong>zeit drei auf vier beziehungsweise fünf<br />

erhöhen.


101 |<br />

<strong>Die</strong> <strong>Go</strong>-<strong>West</strong>-<strong>Strategie</strong> <strong>der</strong> <strong>chinesischen</strong> <strong>Regierung</strong> – Chancen für die deutsche Wirtschaft?<br />

E. <strong>Die</strong> Attraktivität <strong>der</strong> <strong>chinesischen</strong> <strong>West</strong>provinzen:<br />

Benchmarking <strong>der</strong> Gebietskörperschaften<br />

1. Methodik<br />

Ziel des Benchmarkings <strong>der</strong> Provinzen und <strong>der</strong> wesentlichen Wirtschaftszentren<br />

in <strong>West</strong>china ist es, einen methodischen Vergleich <strong>der</strong> einzelnen<br />

Standorte vorzunehmen. Anhand verschiedener relevanter Standortfaktoren<br />

soll die Attraktivität <strong>der</strong> einzelnen Gebietskörperschaften für ein unternehmerisches<br />

Engagement, das heißt für die Bearbeitung lokaler Märkte o<strong>der</strong><br />

eine Unternehmensansiedlung, beurteilt werden.<br />

<strong>Die</strong> Betrachtung ist dabei in zwei Dimensionen geglie<strong>der</strong>t: <strong>Die</strong> analytische<br />

Perspektive basiert auf neutral erhobenen und statistisch verfügbaren Parametern.<br />

<strong>Die</strong> Unternehmensperspektive liefert auf <strong>der</strong> Grundlage von strukturierten<br />

Interviews eine konkrete, gegebenenfalls subjektive und pragmatische<br />

Einschätzung <strong>der</strong> Standorte aus <strong>der</strong> Sicht <strong>der</strong> Firmen, die bereits in<br />

<strong>West</strong>china aktiv sind.<br />

<strong>Die</strong> vergleichende Betrachtung <strong>der</strong> <strong>West</strong>provinzen und ihrer wichtigsten<br />

Städte erfolgt entlang eines Kriterienrasters mit den wesentlichen Kategorien<br />

> Marktattraktivität<br />

> Infrastrukturniveau<br />

> Kostenniveau<br />

> Wirtschaftspolitische Rahmenbedingungen<br />

> Personal und Innovation<br />

> Rahmenbedingungen für den Geschäftsbetrieb<br />

In den einzelnen Kategorien wurden Parameter definiert, die (soweit<br />

möglich) als statistisch verfügbare Indikationen für die Leistungsfähigkeit<br />

<strong>der</strong> einzelnen Standorte gemessen werden können. Zum Beispiel dient <strong>der</strong><br />

Umfang <strong>der</strong> ausländischen Direktinvestitionen als Indikator für die Qualität<br />

<strong>der</strong> lokalen Wirtschaftspolitik; als Merkmal für den Entwicklungsstand<br />

<strong>der</strong> Verkehrsinfrastruktur wird unter an<strong>der</strong>em die Zahl <strong>der</strong> wöchentlichen<br />

Flugverbindungen nach Peking herangezogen. Eine komplette Aufstellung<br />

<strong>der</strong> für die Ermittlung <strong>der</strong> Rangfolgen verwendeten Parameter findet sich<br />

in Abbildung 30.


102 |<br />

Studie<br />

<strong>Die</strong> Parameter wurden aus den vorhandenen statistischen Quellen, insbeson<strong>der</strong>e<br />

aus den Jahrbüchern <strong>der</strong> einzelnen Gebietskörperschaften, systematisch<br />

für alle zwölf <strong>West</strong>provinzen erhoben. Daraus wurden mit Hilfe<br />

eines Scoring-Modells Rangtabellen für die einzelnen Faktoren abgeleitet.<br />

In einem zweiten Schritt wurden dann die Rangplätze <strong>der</strong> Gebietskörperschaften<br />

unter Gleichgewichtung <strong>der</strong> fünf Hauptkategorien zu einem<br />

Gesamtrangplatz aus analytischer Perspektive aggregiert.


103 |<br />

<strong>Die</strong> <strong>Go</strong>-<strong>West</strong>-<strong>Strategie</strong> <strong>der</strong> <strong>chinesischen</strong> <strong>Regierung</strong> – Chancen für die deutsche Wirtschaft?<br />

Parallel zu dieser Analyse wurden im Juni und Juli 2009 in China ausführliche<br />

persönliche o<strong>der</strong> telefonische Interviews mit 15 ausländischen Unternehmen<br />

geführt, die bereits in den <strong>West</strong>provinzen aktiv sind. Ein wesentliches<br />

Anliegen dieser Gespräche war es, analog zur analytischen Perspektive in<br />

Erfahrung zu bringen, wie die befragten Unternehmen die Rahmenbedingungen<br />

für eine Geschäftstätigkeit in den <strong>West</strong>provinzen einschätzen. <strong>Die</strong><br />

Unternehmen wurden dabei auch explizit aufgefor<strong>der</strong>t, gemäß ihrer Beurteilung<br />

Rangplätze zur Attraktivität einzelner Standorte in den <strong>West</strong>provinzen<br />

(Provinz- und Stadtebene) zu vergeben. Auch diese Einschätzungen<br />

wurden zu einem Gesamtrangplatz aus Unternehmensperspektive aggregiert.<br />

Eine schematische Übersicht <strong>der</strong> angewendeten Methodik findet sich in<br />

Abbildung 31.<br />

Um die Attraktivität von Standorten in den <strong>West</strong>provinzen zu beurteilen,<br />

reicht es aber nicht aus, ausschließlich die Ebene <strong>der</strong> Provinzen zu berücksichtigen.<br />

Auf einer zweiten Ebene werden daher parallel zu den Provinzen<br />

die wichtigsten Wirtschaftszentren in <strong>West</strong>china im Benchmarking gegenübergestellt.<br />

<strong>Die</strong> Auswahl dieser Städte musste bereits im Vorfeld <strong>der</strong> Interviews<br />

erfolgen; dabei wurde folgen<strong>der</strong>maßen vorgegangen: Zunächst<br />

wurden für die 30 größten Städte <strong>der</strong> <strong>West</strong>provinzen die einfach zu bestimmenden<br />

Faktoren Bruttoinlandsprodukt, Wirtschaftswachstum und ausländische<br />

Direktinvestitionen erhoben. Auf dieser Basis erfolgte die Auswahl<br />

<strong>der</strong> 15 wichtigsten Wirtschaftszentren. Xianyang wurde dann im Laufe <strong>der</strong><br />

Analyse aufgrund <strong>der</strong> räumlichen Nähe zu Xi’an nicht separat betrachtet.<br />

<strong>Die</strong> Auswahl wurde mit dem Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie<br />

abstimmt. Wegen ihres Status als regierungsunmittelbare Stadt und<br />

ihrer ökonomischen Bedeutung wird Chongqing auf Ebene <strong>der</strong> Provinzen<br />

betrachtet. So ergibt sich eine Gesamtheit von 13 wichtigen Wirtschaftszentren,<br />

die in Abbildung 32 dargestellt werden.<br />

<strong>Die</strong> Schwerpunktbildung anhand <strong>der</strong> wichtigsten ökonomischen Parameter<br />

hatte zur Folge, dass in dieses Raster keine Städte aus Tibet und aus <strong>der</strong><br />

Provinz Quinghai aufgenommen wurden. Dagegen werden aus an<strong>der</strong>en<br />

Provinzen jeweils mehrere Städte analysiert, etwa Chengdu, Mianyang<br />

und Nanchong in Sichuan.


104 |<br />

Studie<br />

2. Kernergebnisse des Benchmarkings auf Provinzebene<br />

In <strong>der</strong> Zusammenschau aller Ergebnisse des Benchmarkings <strong>der</strong> Provinzen<br />

ergibt sich das Bild gemäß Abbildung 33:


105 |<br />

<strong>Die</strong> <strong>Go</strong>-<strong>West</strong>-<strong>Strategie</strong> <strong>der</strong> <strong>chinesischen</strong> <strong>Regierung</strong> – Chancen für die deutsche Wirtschaft?<br />

Demnach zeigt sich eine Dreiergruppe von "führenden" Provinzen ("Stars"),<br />

die sich sowohl aus analytischer als auch aus Unternehmensperspektive als<br />

die attraktivsten Standorte unter den <strong>West</strong>provinzen positioniert haben.<br />

<strong>Die</strong>s sind die Provinzen Chongqing, Shaanxi und Sichuan. Das Ergebnis ist<br />

insofern keine Überraschung, als sich in diesen Provinzen die industriellen<br />

Kerne des <strong>West</strong>ens befinden und sich auch ein großer Teil des Engagements<br />

ausländischer – und auch deutscher – Unternehmen (siehe Kapitel Industriestruktur<br />

und Außenwirtschaft, Seite 77f. und 82) auf diese Regionen<br />

konzentriert.<br />

In einer zweiten "Verfolger"-Gruppe ("Fast Follower") finden sich die Autonome<br />

Region Innere Mongolei, die in <strong>der</strong> analytischen Perspektive überraschen<strong>der</strong>weise<br />

sogar Platz eins unter allen <strong>West</strong>provinzen erreicht, sowie<br />

die südlichen Grenzregionen Yunnan und Guangxi. Beide wurden aus <strong>der</strong><br />

Unternehmensperspektive hoch bewertet, wobei Guangxi aus analytischer<br />

Sicht noch besser abschneidet als Yunnan.<br />

<strong>Die</strong> an<strong>der</strong>en sechs weiter nördlich und westlich gelegenen Provinzen<br />

fallen alle in beiden Perspektiven deutlich zurück und gehören damit in<br />

die Gruppe <strong>der</strong> Provinzen mit <strong>der</strong> geringsten Attraktivität ("Dogs"), mit Tibet<br />

als – lei<strong>der</strong> wenig überraschendem – eindeutigem Schlusslicht aus beiden<br />

Perspektiven.<br />

<strong>Die</strong>ses Resultat lässt sich nun in Teilergebnisse herunterbrechen. Betrachtet<br />

man die Ergebnisse in den einzelnen Dimensionen <strong>der</strong> analytischen Perspektive<br />

(siehe Abbildung 34), fällt auf den ersten Blick die starke Stellung<br />

<strong>der</strong> Inneren Mongolei auf.


106 |<br />

Studie<br />

<strong>Die</strong>se Führungsposition <strong>der</strong> Inneren Mongolei ist vor allem auf die starke<br />

Wirtschaftsentwicklung in den vergangenen Jahren zurückzuführen: Mit<br />

einem Bruttoinlandsprodukt von 776 CNY (rund 112 Mrd. USD) im Jahr<br />

2008 liegt die Autonome Region auf Platz zwei <strong>der</strong> <strong>West</strong>provinzen und<br />

erreicht mit einem durchschnittlichen (nominalen) Wirtschaftswachstum<br />

über die vergangenen fünf Jahre von über 18% den ersten Platz unter<br />

den westlichen Provinzen.


107 |<br />

<strong>Die</strong> <strong>Go</strong>-<strong>West</strong>-<strong>Strategie</strong> <strong>der</strong> <strong>chinesischen</strong> <strong>Regierung</strong> – Chancen für die deutsche Wirtschaft?<br />

Auch bei <strong>der</strong> Infrastrukturentwicklung und den wirtschaftspolitischen<br />

Rahmenbedingungen liegt die Innere Mongolei im <strong>West</strong>en vorne. <strong>Die</strong>se<br />

Provinz ist inzwischen über alle Verkehrsträger sehr gut an die östlichen<br />

Provinzen angebunden. Bei <strong>der</strong> Betrachtung <strong>der</strong> ausländischen Direktinvestitionen<br />

pro Einwohner liegt die Innere Mongolei im <strong>West</strong>en ebenfalls<br />

an <strong>der</strong> Spitze. Bei dieser Platzierung profitiert sie allerdings auch davon,<br />

dass bei vielen Faktoren eine "Pro Einwohner"-Kategorie als Maßzahl<br />

benutzt wurde, was sich bei gegebener relativ dünner Besiedlung und<br />

dem – mit Chongqing zusammen – höchsten Urbanisierungsgrad in den<br />

<strong>West</strong>provinzen (50%) positiv auf die Bewertung auswirkt.<br />

<strong>Die</strong> drei Provinzen Sichuan, Chongqing und Shaanxi erreichen aus analytischer<br />

Perspektive in allen Dimensionen die <strong>der</strong> Inneren Mongolei nachfolgenden<br />

vor<strong>der</strong>en Ränge. Wenn man die Details <strong>der</strong> Ergebnisse in den<br />

einzelnen Analysedimensionen betrachtet, lässt sich diese Platzierung vor<br />

allem auf folgende Faktoren zurückführen: die starken und dynamisch<br />

wachsenden regionalen Volkswirtschaften, die gute Stellung bezüglich<br />

verfügbarer Hochschulabsolventen und Forschungslandschaft (gemessen<br />

in <strong>der</strong> Zahl <strong>der</strong> Patente relativ zum Bruttoinlandsprodukt) sowie die wirtschaftspolitischen<br />

Rahmenbedingungen, die in höherem Maße als an<strong>der</strong>swo<br />

in <strong>West</strong>china ausländische Direktinvestitionen anziehen.<br />

Eine Umkehrung <strong>der</strong> in den meisten an<strong>der</strong>en Kategorien gegebenen Rangfolgen<br />

lässt sich in Bezug auf das Kostenniveau beobachten. Dort, wo die<br />

stärkste Wirtschaftsleistung und die ansonsten besten Rahmenbedingungen<br />

zu beobachten sind, zeigt sich im Schnitt dann im Gegenzug ein tendenziell<br />

höheres Niveau bei den Arbeits- und Energiekosten.<br />

Der Vergleich <strong>der</strong> <strong>West</strong>provinzen mit dem östlichen China offenbart noch<br />

deutliche Abstände. <strong>Die</strong>s illustriert die Gegenüberstellung von Chongqing,<br />

<strong>der</strong> größten regierungsunmittelbaren Agglomeration des <strong>West</strong>ens, und<br />

Shanghai, <strong>der</strong> größten und ebenfalls direkt <strong>der</strong> Zentralregierung in Peking<br />

unterstellten Stadt in Ostchina. Dabei zeigt sich, dass Shanghai im Vergleich<br />

zu Chongqing<br />

> pro 1.000 Einwohner fast doppelt so viele Universitätsabsolventen<br />

> ein doppelt so hohes verfügbares Pro-Kopf-Einkommen<br />

> um den Faktor 3,3 höhere Konsumausgaben pro Kopf<br />

> viermal höhere ausländische Direktinvestitionen<br />

> 4,8 mal mehr Internetverbindungen pro 1.000 Einwohner und<br />

> 5,1 mal mehr angemeldete Patente pro Jahr


108 |<br />

Studie<br />

aufzuweisen hat. Auch die führenden Wirtschaftskerne <strong>West</strong>chinas liegen in<br />

ihrer Entwicklung also noch mit deutlichem Abstand hinter den ost<strong>chinesischen</strong><br />

Benchmarks zurück.<br />

In <strong>der</strong> Unternehmensperspektive zeigen sich Sichuan, Chongqing und<br />

Shaanxi den an<strong>der</strong>en Provinzen deutlich überlegen (siehe Abbildung 35).<br />

Häufig konnten die Unternehmen auch nur zu diesen drei Provinzen aus<br />

eigener Erfahrung sinnvolle Aussagen treffen.<br />

Aus Unternehmenssicht bietet über diese Dreier-Gruppe hinaus vor allem<br />

<strong>der</strong> südliche Teil <strong>der</strong> <strong>West</strong>provinzen interessante Perspektiven: Im Hinblick<br />

auf die logistischen Möglichkeiten in <strong>der</strong> "North Bay"-Region und den<br />

Seehafenzugang gilt Guangxi als vielversprechen<strong>der</strong> Standort, ebenso<br />

Yunnan, das sich zunehmend zur Handelsdrehscheibe nach Myanmar,<br />

Laos, Thailand und Vietnam entwickelt.<br />

In <strong>der</strong> Rangfolge <strong>der</strong> Unternehmen folgen dann die Autonomen Regionen<br />

Innere Mongolei und Xinjiang, bei denen in den Gesprächen vor allem das<br />

Rohstoff-, das Energie- und das landwirtschaftliche Potenzial hervorgehoben<br />

wurde. Alle an<strong>der</strong>en <strong>West</strong>provinzen werden nur von einzelnen Unternehmen<br />

als relevant erachtet, die spezifische Interessen in den jeweiligen<br />

Regionen haben, etwa Kunden, Geschäftspartner o<strong>der</strong> die Nutzung<br />

bestimmter natürlicher Ressourcen (beispielsweise die Verarbeitung<br />

regionstypischer landwirtschaftlicher Produkte).


109 |<br />

<strong>Die</strong> <strong>Go</strong>-<strong>West</strong>-<strong>Strategie</strong> <strong>der</strong> <strong>chinesischen</strong> <strong>Regierung</strong> – Chancen für die deutsche Wirtschaft?<br />

Man muss beachten, dass aus <strong>der</strong> Unternehmensperspektive nicht allen<br />

Standortfaktoren die gleiche Bedeutung beigemessen wird. Aus Unternehmenssicht<br />

wird als die absolut vorrangige Motivation für ein Engagement<br />

in den <strong>West</strong>provinzen und als wesentlicher treiben<strong>der</strong> o<strong>der</strong> einschränken<strong>der</strong><br />

Faktor weitgehend einheitlich die Möglichkeit <strong>der</strong> Erschließung neuer<br />

Märkte genannt. Nur in Ausnahmefällen werden seitens <strong>der</strong> Unternehmen<br />

an<strong>der</strong>e spezifische Gründe als relevant bezeichnet, zum Beispiel konkrete<br />

Anfragen von regionalen Gebietskörperschaften für Infrastrukturprojekte.<br />

Der zweitwichtigste Faktor aus Unternehmenssicht ist das Infrastrukturniveau.<br />

Hier nehmen die meisten Unternehmen eine deutliche Verbesserung<br />

<strong>der</strong> Situation in den letzten Jahren wahr. <strong>Die</strong> Infrastrukturentwicklung ist<br />

auch nach Einschätzung <strong>der</strong> Unternehmen <strong>der</strong> sichtbarste Erfolg <strong>der</strong><br />

<strong>Go</strong>-<strong>West</strong>-<strong>Strategie</strong>.<br />

Als drittwichtigsten Standortfaktor wird das Thema Personal und Innovation<br />

aufgeführt. <strong>Die</strong> Verfügbarkeit von qualifiziertem Personal hat für die Unternehmen<br />

eine hohe Bedeutung. Teilweise sehen sie hier aber einen Engpass.<br />

Zwar gibt es in <strong>West</strong>china im Unterschied zu den ost<strong>chinesischen</strong> Wirtschaftszentren<br />

weniger Konkurrenz auf dem Arbeitsmarkt: <strong>Die</strong> Zahl <strong>der</strong><br />

ausländischer Unternehmen als Arbeitgeber ist noch relativ gering und die<br />

Zahl qualifizierter Arbeitnehmer ist eigentlich groß. De facto gelten diese<br />

jedoch als weniger gut ausgebildet und weniger vertraut mit den Anfor<strong>der</strong>ungen,<br />

die gerade ausländische Unternehmen an Beschäftigte stellen. Für<br />

viele in den <strong>West</strong>provinzen eingestellte Mitarbeiter ist ihre Tätigkeit vor<br />

Ort auch nur eine Durchgangsstation und ein "Sprungbrett" für einen<br />

Wechsel zu Unternehmen an Chinas Ostküste.<br />

Bei <strong>der</strong> Frage <strong>der</strong> Bedeutung des Kostenniveaus gehen die Meinungen <strong>der</strong><br />

Unternehmen am weitesten auseinan<strong>der</strong>. Für einige produktionsorientierte<br />

Unternehmen ist das Kostenniveau ein sehr wichtiger Faktor und eine wesentliche<br />

Motivation, eine Produktion im <strong>West</strong>en aufzubauen. Der überwiegende<br />

Tenor aller Gespräche war jedoch, dass dem Kostenniveau eher<br />

unterdurchschnittliche Bedeutung beigemessen wird. Hinzu kommt, dass<br />

die Kostenvorteile <strong>der</strong> <strong>West</strong>provinzen durch Nachteile an an<strong>der</strong>er Stelle<br />

(zum Beispiel beim Qualifikationsniveau <strong>der</strong> Mitarbeiter) teilweise aufgehoben<br />

werden.<br />

Wie bereits im Kapitel D (siehe Seite 92f.) dargestellt, ist <strong>der</strong> Faktor Verfügbarkeit<br />

natürlicher Ressourcen – eine <strong>der</strong> wesentlichen Stärken <strong>der</strong> <strong>West</strong>provinzen<br />

– für die befragten Unternehmen eines <strong>der</strong> am wenigsten relevanten<br />

Kriterien für eine Standortentscheidung. Auch die wirtschaftspolitischen<br />

Rahmenbedingungen spielen für die Unternehmen im Prinzip keine<br />

wichtige Rolle.


110 |<br />

Studie<br />

Für die vergleichende Beurteilung <strong>der</strong> <strong>West</strong>provinzen aus Unternehmenssicht<br />

lässt sich aus diesen Bewertungen folgende Schlussfolgerung ziehen:<br />

Es werden diejenigen Provinzen bevorzugt, die heute tendenziell stärkere<br />

lokale Märkte bieten können, logistisch und infrastrukturell besser dastehen<br />

und hinreichend und gut qualifizierte Arbeitskräfte anbieten können.<br />

Bei den darüber hinaus relevanten "weichen" Faktoren für eine Entscheidung<br />

für o<strong>der</strong> gegen bestimmte Standorte spielt insbeson<strong>der</strong>e eine Rolle,<br />

dass man bei <strong>der</strong> Etablierung einer lokalen Repräsentanz in den <strong>West</strong>provinzen<br />

auch die Belange <strong>der</strong> eigenen entsandten nicht-<strong>chinesischen</strong> Mitarbeiter<br />

berücksichtigen muss. Hier gelten die weiter südlich gelegenen Provinzen<br />

als attraktiver für "Expatriates", weil sich hier schon mehr ausländische<br />

Unternehmen angesiedelt haben. Als "entlegener" wahrgenommene Provinzen,<br />

und dazu zählt zum Beispiel auch die analytisch stark bewertete Innere<br />

Mongolei, werden aufgrund <strong>der</strong> geringen Verbreitung von "Expatriate<br />

Communities" als weniger attraktiv beurteilt.<br />

3. Kernergebnisse des Städte-Benchmarkings<br />

<strong>Die</strong> Ergebnisse des Benchmarkings <strong>der</strong> 13 wichtigsten Wirtschaftszentren in<br />

<strong>West</strong>china ergeben ein Bild, das zum Teil mit den Ergebnissen <strong>der</strong> Provinzbetrachtung<br />

korreliert (siehe Abbildung 36).


111 |<br />

<strong>Die</strong> <strong>Go</strong>-<strong>West</strong>-<strong>Strategie</strong> <strong>der</strong> <strong>chinesischen</strong> <strong>Regierung</strong> – Chancen für die deutsche Wirtschaft?<br />

Klar führend – sowohl aus analytischer als auch aus Unternehmensperspektive<br />

– zeigen sich die wichtigsten Agglomerationen in denjenigen Provinzen,<br />

die auf den ersten Plätzen des Provinz-Benchmarkings liegen: Xi'an in<br />

Shaanxi und Chengdu in Sichuan. Auch die auf <strong>der</strong> Provinzebene weit oben<br />

platzierte Innere Mongolei erzielt hier mit Baotou und ihrer Hauptstadt<br />

Hohhot eine hohe analytische Bewertung, während analog zur aus Unternehmenssicht<br />

wichtigen Region Guangxi <strong>der</strong>en Hauptstadt Nanning auch<br />

in <strong>der</strong> Städtebetrachtung hoch bewertet wird.<br />

Überraschend im Vergleich zur Provinzperspektive ist allerdings die überaus<br />

positive Beurteilung von Yunnans Hauptstadt Kunming aus beiden Perspektiven.<br />

Aus analytischer Perspektive sind für diese hohe Bewertung die in<br />

Relation zu den an<strong>der</strong>en "nachfolgenden" Städten relativ stark entwickelte<br />

Wirtschaft sowie die sehr gut ausgebaute Infrastruktur und Erreichbarkeit<br />

ausschlaggebend. Letzteres ist ein Kernaspekt dafür, dass Kunming sich<br />

zunehmend zur <strong>chinesischen</strong> Drehscheibe des Handels mit <strong>der</strong> ASEAN-<br />

Region entwickelt. Auf <strong>der</strong> Unternehmensseite waren viele <strong>der</strong> Interview-<br />

Partner von den ökonomischen Potenzialen dieses "Tors nach Südostasien"<br />

überzeugt: <strong>Die</strong> Chancen <strong>der</strong> geplanten Asian-China Free Trade Area<br />

(ACFTA) steigern die Attraktivität des Standorts für Unternehmensansiedlungen<br />

ebenso wie die mehrfach in den Unternehmensgesprächen<br />

erwähnten Anziehungskräfte <strong>der</strong> "Stadt des ewigen Frühlings".<br />

Auf den hinteren Rangplätzen zeigt sich eine stärkere Spreizung <strong>der</strong> Beurteilungen<br />

aus analytischer und Unternehmenssicht als im Provinzvergleich.<br />

Während aus analytischer Perspektive die weiter nordwestlich gelegenen<br />

Städte Ürümqi, Yinchuan und Lanzhou etwas besser abschneiden, werden<br />

aus Unternehmenssicht die südlicheren Standorte Guiyang, Guilin,<br />

Mianyang und Nanchong als attraktiver wahrgenommen.<br />

Aus <strong>der</strong> Einzelbetrachtung entlang <strong>der</strong> verwendeten Beurteilungskriterien<br />

in <strong>der</strong> analytischen Perspektive (siehe Abbildung 37) geht hervor, dass<br />

die in <strong>der</strong> Spitzengruppe angesiedelten Städte vor allem in den Bereichen<br />

Marktattraktivität, Infrastruktur und bei den Rahmenbedingungen des<br />

Geschäftsbetriebs vorne liegen. Chengdu und Xi'an können außerdem<br />

in den Bereichen Personal und Innovation punkten.


112 |<br />

Studie<br />

In Bezug auf die Kostensituation zeigt sich analog zum Provinz-Benchmarking<br />

eine Umkehrung <strong>der</strong> Favoritenstellungen. Bei den Städten aus <strong>der</strong><br />

zweiten Reihe hinter <strong>der</strong> jeweiligen Provinzhauptstadt, also etwa Guilin,<br />

Nanchong o<strong>der</strong> Mianyang fällt mit Ausnahme von Baotou auf, dass sie in<br />

<strong>der</strong> Bewertung deutlich hinter den führenden Städten zurückbleiben und<br />

in fast allen Kategorien das Schlusslicht <strong>der</strong> analytischen Bewertungsskala<br />

bilden.


113 |<br />

<strong>Die</strong> <strong>Go</strong>-<strong>West</strong>-<strong>Strategie</strong> <strong>der</strong> <strong>chinesischen</strong> <strong>Regierung</strong> – Chancen für die deutsche Wirtschaft?<br />

4. Schlussfolgerungen zur Attraktivität <strong>der</strong> <strong>West</strong>provinzen im Vergleich<br />

<strong>Die</strong> Ergebnisse <strong>der</strong> analytischen Perspektive und <strong>der</strong> Unternehmensperspektive<br />

sind für den Vergleich <strong>der</strong> <strong>West</strong>provinzen insofern synchron, als keine<br />

Extremfälle aufgetreten sind, in denen die Bewertung von Provinzen je<br />

nach Perspektive diametral entgegengesetzt ausfällt. <strong>Die</strong> offensichtlichste<br />

Divergenz <strong>der</strong> Perspektiven ergibt sich in <strong>der</strong> Einschätzung <strong>der</strong> Inneren<br />

Mongolei. Ihre auf Basis <strong>der</strong> gegebenen Fakten hervorragende Ausgangsposition<br />

bewerten die Unternehmen bisher nicht so hoch wie die an<strong>der</strong>er<br />

Regionen. <strong>Die</strong> Vorzüge dieser Provinz werden offensichtlich seitens <strong>der</strong><br />

Unternehmen noch nicht wahrgenommen. <strong>Die</strong> Innere Mongolei hat sich<br />

mittlerweile zur ökonomisch zweitwichtigsten <strong>West</strong>provinz entwickelt,<br />

hat einen hohen Urbanisierungsgrad und kann das zweithöchste Haushaltseinkommen<br />

in <strong>West</strong>china vorweisen. <strong>Die</strong>se Tatsachen sprechen dafür,<br />

dass hier ein stark konzentrierter und daher attraktiver Markt entsteht,<br />

was jedoch bisher anscheinend nicht ins Bewusstsein vieler Unternehmen<br />

gedrungen ist.<br />

Generell ist zu beobachten, dass die Unternehmen – und dies deckt sich<br />

mit <strong>der</strong> faktischen Verteilung ausländischer Unternehmen in <strong>West</strong>china<br />

(siehe Kapitel Außenwirtschaft, Seite 82ff.) – in ihren Präferenzen den<br />

schon stärker eingetretenen Pfaden folgen und die südlicher gelegenen<br />

Provinzen bevorzugen. <strong>Die</strong>s gilt für die Beurteilung auf <strong>der</strong> Provinzebene,<br />

zeigt sich jedoch noch deutlicher bei <strong>der</strong> Bewertung <strong>der</strong> Städte. Den neuen<br />

Chancen, die <strong>der</strong>zeit auf Basis <strong>der</strong> starken Wirtschaftsentwicklung auch im<br />

nördlichen Teil <strong>West</strong>chinas entstehen, wird bislang keine so große Aufmerksamkeit<br />

geschenkt.<br />

Der naheliegende erste Fokus einer Analyse <strong>der</strong> Markt- und Standortpotenziale<br />

in <strong>West</strong>china seitens <strong>der</strong> Unternehmen wird daher aktuell vorrangig<br />

eher in den südlicheren Teilen <strong>West</strong>chinas liegen. <strong>Die</strong> Bearbeitung <strong>der</strong><br />

lokalen Märkte o<strong>der</strong> gar eine Ansiedlung in Provinzen wie <strong>der</strong> Inneren<br />

Mongolei, Gansu o<strong>der</strong> Xinjiang wird selbst von den Unternehmen, die<br />

bereits in diesen Regionen aktiv sind, als Pioniertätigkeit betrachtet.


114 |<br />

Studie<br />

F. Schlussfolgerungen und Empfehlungen<br />

1. Deutsch-chinesische Wirtschaftsbeziehungen<br />

Als die Bundesrepublik Deutschland und China im Jahr 1972 diplomatische<br />

Beziehungen aufnahmen, exportierten deutsche Unternehmen Waren für<br />

270 Mio. USD in die Volksrepublik; 2008 lag dieser Wert bei 34,1 Mrd.<br />

USD. <strong>Die</strong> Zahl <strong>der</strong> deutschen Unternehmen, die auf dem <strong>chinesischen</strong><br />

Markt aktiv sind, wird auf etwa 4.600 geschätzt. Längst sind es nicht mehr<br />

ausschließlich Konzerne, die die Chancen in China nutzen: Immer mehr<br />

mittelständische Unternehmen haben in den letzten Jahren den Schritt<br />

in das "Reich <strong>der</strong> Mitte" gewagt.<br />

Seit Beginn <strong>der</strong> <strong>chinesischen</strong> Reformpolitik haben sich die bilateralen<br />

Wirtschaftsbeziehungen stark intensiviert. Das Handelsvolumen hat<br />

sich dynamisch entwickelt und lag 2008 auf dem Rekordniveau von<br />

93,5 Mrd. EUR (siehe Abbildung 38).<br />

Auf Deutschland entfällt ein Drittel des <strong>chinesischen</strong> Handels mit <strong>der</strong><br />

Europäischen Union. Damit ist Deutschland Chinas wichtigster Handelspartner<br />

unter den EU-Län<strong>der</strong>n. Insgesamt liegt Deutschland auf Rang<br />

sechs <strong>der</strong> <strong>chinesischen</strong> Handelspartner. Umgekehrt ist die Volksrepublik<br />

für Deutschland <strong>der</strong> wichtigste asiatische Handelspartner, gefolgt von<br />

Japan, Südkorea und Indien:


115 |<br />

<strong>Die</strong> <strong>Go</strong>-<strong>West</strong>-<strong>Strategie</strong> <strong>der</strong> <strong>chinesischen</strong> <strong>Regierung</strong> – Chancen für die deutsche Wirtschaft?<br />

Ein Drittel <strong>der</strong> deutschen Ausfuhren nach Asien ist für die Volksrepublik<br />

bestimmt. China ist nach den USA Deutschlands zweitwichtigster Handelspartner<br />

außerhalb Europas: <strong>Die</strong> Exporte nach China haben mit einem<br />

Volumen von 34,1 Mrd. USD einen Anteil an den gesamten deutschen<br />

Ausfuhren von 4%.<br />

<strong>Die</strong> deutschen Direktinvestitionen in China betrugen 2008 900 Mio. USD;<br />

kumuliert belaufen sie sich auf 15,7 Mrd. USD. <strong>Die</strong> <strong>chinesischen</strong> Investitionen<br />

in Deutschland erreichen umgekehrt kumuliert erst 650 Mio. USD.<br />

<strong>Die</strong> Perspektiven für deutsche Unternehmen in <strong>der</strong> Volksrepublik China<br />

sind ambivalent: Einerseits begünstigt die Wirtschaftskrise – vor allem auf<br />

Provinzebene – protektionistische Tendenzen; zudem för<strong>der</strong>n die staatlichen<br />

Unterstützungsmaßnahmen die Wettbewerbsfähigkeit <strong>der</strong> <strong>chinesischen</strong><br />

Anbieter. An<strong>der</strong>erseits sorgt das Konjunkturpaket für eine anhaltende<br />

Investitionstätigkeit und für die Umsetzung von Infrastrukturprojekten.<br />

Und gerade in diesen Bereichen punkten deutsche Unternehmen, weil diese<br />

Nachfrage ausgezeichnet zu ihren Stärken passt. Vor allem Spitzentechnologien<br />

sind gefragt. <strong>Die</strong> deutsche Wirtschaft kann auch von <strong>der</strong> Orientierung<br />

auf nachhaltiges Wachstum durch die Stärkung <strong>der</strong> Binnennachfrage<br />

profitieren: <strong>Die</strong> chinesische Führung wird erhebliche Investitionen vornehmen<br />

müssen, um den ökonomischen Rückstand einiger Provinzen<br />

auszugleichen.<br />

Hier sollten Unternehmen beachten, dass gerade die Provinzen in Zentralund<br />

<strong>West</strong>china beim geplanten weiteren Ausbau <strong>der</strong> Infrastruktur und bei<br />

<strong>der</strong> För<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Binnennachfrage für die chinesische Wirtschaftspolitik<br />

einen sehr hohen Stellenwert einnehmen. Auch die stärkere Gewichtung<br />

ökologischer Belange im 11. Fünfjahresplan und im Konzept <strong>der</strong> "harmonischen<br />

Gesellschaft" kommt <strong>der</strong> deutschen Wirtschaft zugute. Bei den<br />

geplanten Maßnahmen zum Schutz <strong>der</strong> Umwelt können sich deutsche<br />

Unternehmen durch ihre beson<strong>der</strong>e Kompetenz in <strong>der</strong> Umwelttechnologie<br />

gegenüber <strong>chinesischen</strong> und internationalen Wettbewerbern profilieren.<br />

2. <strong>Die</strong> Bedeutung <strong>West</strong>chinas für die deutsche Wirtschaft<br />

Es ist davon auszugehen, dass sich für deutsche Unternehmen in den <strong>West</strong>provinzen<br />

in Zukunft vor allem in den Branchen Chancen bieten werden,<br />

in denen sie heute schon für China eine starke Rolle spielen. Dazu zählen<br />

insbeson<strong>der</strong>e <strong>der</strong> Maschinen- und Anlagenbau, die chemische Industrie<br />

sowie die Kfz-Industrie.


116 |<br />

Studie<br />

Im Außenhandel Deutschlands mit China insgesamt dominieren heute hochwertige<br />

Industriegüter. Zwar sind die deutschen Exporte nach China zwischen<br />

dem ersten Quartal 2008 und dem ersten Quartal 2009 leicht gesunken,<br />

jedoch hat sich <strong>der</strong>en Struktur nur leicht verän<strong>der</strong>t. Eine Verschiebung<br />

ist auf das Einbrechen <strong>der</strong> Automobilexporte um 33% zurückzuführen. Der<br />

Anteil des Maschinen- und Anlagenbaus an den gesamten deutschen Ausfuhren<br />

liegt bei circa 30%. <strong>Die</strong> Automobilindustrie kommt nach dem deutlichen<br />

Rückgang 2009 auf einen Anteil von 13%. Auf die Elektrotechnik<br />

und chemische Erzeugnisse entfallen jeweils 11%.<br />

<strong>Die</strong>se Struktur weist eine starke Übereinstimmung mit <strong>der</strong> Verteilung <strong>der</strong><br />

deutschen Unternehmen auf, die heute in den chinesische <strong>West</strong>provinzen<br />

vertreten sind (siehe Kapitel Außenwirtschaft, Abbildung 23): Von den dort<br />

aktiven Firmen finden sich 45% im Maschinenbau, 9% in <strong>der</strong> Automobilindustrie,<br />

11% im Bereich Elektronik und 7% in <strong>der</strong> Chemiebranche.<br />

3. Chancen für die deutsche Wirtschaft: Marktperspektive<br />

<strong>Die</strong> Volkswirtschaft wächst in <strong>West</strong>china immer noch stärker als im restlichen<br />

China, und teilweise von einer nicht mehr so geringen Basis aus.<br />

Damit geht vor allem in den städtischen Agglomerationen eine Steigerung<br />

des Einkommens und <strong>der</strong> Konsumausgaben einher.<br />

Führende globale Akteure im Konsumgütermarkt haben das bereits erkannt<br />

und geben die Richtung vor: So hat Coca Cola im Juni 2009 eine neue<br />

Abfüllanlage mit einer Kapazität von 200.000 Tonnen in Ürümqi in <strong>der</strong><br />

Autonomen Region Xinjiang eröffnet. <strong>Die</strong> Investition hatte ein Volumen<br />

von 30 Mio. USD.<br />

In den städtischen Regionen <strong>der</strong> westlichen Provinzen kommt zum reinen<br />

Wirtschafts- und Einkommenswachstum noch <strong>der</strong> Bevölkerungszuwachs<br />

hinzu. Experten gehen davon aus, dass künftig <strong>der</strong> Urbanisierungsgrad<br />

Chinas um einen Prozentpunkt pro Jahr zunimmt. Heute liegt <strong>der</strong> Urbanisierungsgrad<br />

in Gesamtchina bei 45%, im <strong>West</strong>en nur bei 38%. Sollte<br />

<strong>der</strong> <strong>West</strong>en diese Lücke schließen und im Urbanisierungsgrad das Niveau<br />

Gesamtchinas erreichen, würde die Stadtbevölkerung des <strong>West</strong>ens um<br />

26 Mio. Einwohner zunehmen. Ginge damit auch ein Sprung vom durchschnittlichen<br />

verfügbaren Einkommen zwischen Stadt und Land in <strong>West</strong>china<br />

einher, entstünden alleine durch diese Bewegung zusätzliche für<br />

Konsum verfügbare Einkommen von 33 Mrd. USD jährlich. <strong>Die</strong>s wie<strong>der</strong>um<br />

würde bedeuten, dass die Attraktivität <strong>der</strong> westlichen Provinzen als Absatzmärkte<br />

für Konsumgüter steigt.


117 |<br />

<strong>Die</strong> <strong>Go</strong>-<strong>West</strong>-<strong>Strategie</strong> <strong>der</strong> <strong>chinesischen</strong> <strong>Regierung</strong> – Chancen für die deutsche Wirtschaft?<br />

<strong>Die</strong>se Entwicklung wird – im Einklang mit <strong>der</strong> wirtschaftspolitischen<br />

Zielsetzung <strong>der</strong> <strong>chinesischen</strong> <strong>Regierung</strong>, die Inlandsnachfrage zu stärken –<br />

mittel- und langfristig dazu führen, dass die Industrialisierung <strong>der</strong> westlichen<br />

Provinzen fortschreitet, weil die Produzenten von Konsumgütern,<br />

hier vor allem chinesische Unternehmen, die Nähe <strong>der</strong> Absatzmärkte<br />

suchen. Davon könnten deutsche Unternehmen profitieren, denn <strong>der</strong><br />

Ausbau bestehen<strong>der</strong> und <strong>der</strong> Aufbau neuer Produktionsstätten erhöht<br />

die Nachfrage im Maschinen- und Anlagenbau.<br />

Direkt auf den Konsumgütermärkten <strong>West</strong>chinas sind deutsche Unternehmen<br />

allerdings bisher praktisch nicht vertreten. Es bieten sich aber – abgeleitet<br />

aus dem Aufwärtstrend beim Konsum – Perspektiven in angrenzenden<br />

Branchen wie dem Handel o<strong>der</strong> <strong>der</strong> Logistik. Dort sind heute schon einige<br />

deutsche Unternehmen in <strong>West</strong>china aktiv. <strong>Die</strong> Tatsache, dass <strong>West</strong>china<br />

mit Yunnan im Süden und Xinjiang im Nordwesten auch zunehmend zum<br />

strategischen Umschlagsplatz für den <strong>chinesischen</strong> Außenhandel nach<br />

Südostasien und Zentralasien auf dem Landwege wird, unterstreicht<br />

diese Entwicklung.<br />

4. Chancen für die deutsche Wirtschaft: regionale Perspektive<br />

Bei <strong>der</strong> Investitionstätigkeit ausländischer Unternehmen in <strong>West</strong>china<br />

zeichnen sich klare Schwerpunkte ab: 80% aller Auslandsinvestitionen<br />

in <strong>West</strong>china fließen in die Provinzen Sichuan (26%), Chongqing (22%),<br />

in die Innere Mongolei (21%) und nach Shaanxi (11%).<br />

Auf Basis des im Rahmen <strong>der</strong> vorliegenden Studie durchgeführten Benchmarkings<br />

lassen sich die <strong>chinesischen</strong> <strong>West</strong>provinzen bezüglich ihrer<br />

generellen Attraktivität in drei Gruppen einteilen:<br />

1. Klar führende Regionen ("Stars"): Sichuan, Chongqing, Shaanxi<br />

2. Sich dynamisch entwickelnde Regionen mit deutlichem Potential<br />

("Fast Follower"): Innere Mongolei, Yunnan, Guangxi, Xinjiang<br />

3. Für unternehmerisches Potenzial (noch) wenig attraktive Regionen<br />

("Dogs"): Tibet, Qinghai, Gansu, Ningxia, Guizhou<br />

<strong>Die</strong>se Kategorisierung wird dadurch bestätigt, dass die tatsächliche regionale<br />

Verteilung <strong>der</strong> ausländischen Direktinvestitionen in den westlichen<br />

Provinzen und die Potenzialanalyse dieser Studie zu sehr ähnlichen Ergebnissen<br />

kommen. Innerhalb <strong>der</strong> einzelnen Regionen sind die ökonomischen<br />

Zentren in <strong>der</strong> Regel die jeweiligen Provinzhauptstädte. Eine Ausnahme<br />

von dieser Regel bildet nur Batou in <strong>der</strong> Inneren Mongolei, das neben <strong>der</strong><br />

Hauptstadt Hohhot ein wichtiges Zentrum <strong>der</strong> ökonomischen Entwicklung<br />

darstellt.


118 |<br />

Studie<br />

Vor dem Hintergrund dieser Ergebnisse sollten in einer Standortanalyse für<br />

<strong>West</strong>china regional die "Stars" als erstes betrachtet werden, je nach Branche<br />

aber auch die "Fast Follower"-Regionen in den Blick genommen werden.<br />

Aus diesem Grund werden im folgenden Teil G die "Stars" über den Steckbrief<br />

hinaus noch einmal ausführlicher dargestellt.<br />

5. Chancen für die deutsche Wirtschaft: Branchenperspektive<br />

Zwar fließen heute nur circa 14% aller ausländischen Direktinvestitionen<br />

nach China überhaupt in den <strong>West</strong>en, ihre Verteilung ist aber durchaus<br />

aufschlussreich. Analysiert man die für die west<strong>chinesischen</strong> Provinzen<br />

bestimmten ausländischen Direktinvestitionen im Detail nach Zielbranchen,<br />

zeigen sich ganz klare Schwerpunkte, die sich dann auch regionalspezifisch<br />

differenzieren lassen.<br />

So gelangt <strong>der</strong> größte Anteil des von den <strong>West</strong>provinzen vereinnahmten<br />

Zustroms an ausländischen Direktinvestitionen (50%; Stand 2007) in den<br />

Aufbau von Produktionsstätten für Industriegüter; dieser Wert ist allerdings<br />

etwas niedriger als in Ostchina, wo er 60% beträgt. Den zweitgrößten Block<br />

mit circa 25% machen Investitionen in Immobilien aus, ein gegenüber dem<br />

18%-Anteil in den östlichen Provinzen deutlich höherer Wert, <strong>der</strong> auch im<br />

Bereich Immobilienentwicklung den Nachholbedarf des <strong>West</strong>ens belegt.<br />

Ebenfalls eine deutlich wichtigere anteilige Rolle als im Osten spielen<br />

im <strong>West</strong>en Auslandsinvestitionen in die Versorgung mit Energie, Gas und<br />

Wasser; in dieses Segment fließen hier 9% des ausländischen Geldes, in<br />

Ostchina dagegen nur 2%. In den west<strong>chinesischen</strong> Provinzen absorbieren<br />

Groß- und Einzelhandelsaktivitäten 4% <strong>der</strong> Auslandsmittel, im Osten liegt<br />

<strong>der</strong>en Anteil bei 2%.<br />

<strong>Die</strong>se Analyse lässt eine eindeutige Schlussfolgerung zu: Im Ausbau <strong>der</strong><br />

Industrieproduktion, <strong>der</strong> Immobilienwirtschaft, des Energie- und Versorgungssektors<br />

und (schon mit deutlichem Abstand) des Handels spielt also<br />

heute die Musik für ausländische Unternehmen in <strong>West</strong>china.<br />

<strong>Die</strong>s kann und wird in den kommenden Jahren auch so bleiben, wenn man<br />

die Aussage vom stellvertretenden politischen Direktor des Ministeriums<br />

für Wohnungsbau und städtisch-ländliche Entwicklung, Xu Zhongwei, im<br />

Kontext <strong>der</strong> oben bereits beschriebenen Urbanisierungsentwicklung Ernst<br />

nimmt: "<strong>Die</strong> schnelle Zunahme <strong>der</strong> Urbanisierung wird mindestens 1 Billion<br />

CNY (ca. 144 Mrd. USD) jährliche Investitionen in Wasserbereitstellung,<br />

Heizung, Abfallentsorgung und an<strong>der</strong>en öffentlichen <strong>Die</strong>nstleistungen in<br />

den Städten hervorrufen."


119 |<br />

<strong>Die</strong> <strong>Go</strong>-<strong>West</strong>-<strong>Strategie</strong> <strong>der</strong> <strong>chinesischen</strong> <strong>Regierung</strong> – Chancen für die deutsche Wirtschaft?<br />

Legt man eine Verteilung dieser Größen analog <strong>der</strong> Verteilung des Bruttoinlandsprodukts<br />

zugrunde, würde dies bedeuten, dass jährlich Investitionen<br />

in Höhe von etwa 27 Mrd. USD in die Mo<strong>der</strong>nisierung <strong>der</strong> Ausrüstung <strong>der</strong><br />

Versorgungsdienstleistungen in <strong>West</strong>china fließen – ein nicht zu vernachlässigendes<br />

Marktpotenzial.<br />

Für deutsche Unternehmen, die vor allem in den Segmenten Maschinenbau<br />

und Industrieausrüstung sowie im Anlagenbereich für Energie und Versorgung<br />

eine starke Position sowohl auf dem Weltmarkt als auch in China<br />

haben, bieten sich hier also in erster Linie Chancen. Geson<strong>der</strong>t zu betrachten<br />

sind dann Branchen, die entwe<strong>der</strong> in den Statistiken nicht klar abgrenzbar<br />

sind o<strong>der</strong> vor allem spezifische Regionen betreffen. So sind einzelne<br />

Branchen wie beispielsweise die Automobilindustrie eher darauf angewiesen,<br />

sich an den bereits existierenden Clustern zu orientieren, also vor<br />

allem an Chongqing und Sichuan. Aus den massiven Herausfor<strong>der</strong>ungen<br />

<strong>West</strong>chinas im Bereich <strong>der</strong> Umweltverschmutzung ergeben sich aber auch<br />

starke Potenziale für die weltweit führende deutsche Greentech-Branche 13) ;<br />

dies gilt im Bereich Umwelt-Technologie in unterschiedlichen Ausprägungen<br />

für fast alle westlichen Provinzen.<br />

Gleichzeitig ist es erklärtes Ziel <strong>der</strong> <strong>chinesischen</strong> <strong>Regierung</strong>, in <strong>der</strong> nächsten<br />

Phase <strong>der</strong> Entwicklung von "<strong>Go</strong> <strong>West</strong>" stärker die Industrieentwicklung<br />

voranzutreiben, wobei auch <strong>der</strong> Hochtechnologie eine stärkere Rolle<br />

zukommen soll. Da <strong>der</strong> planwirtschaftliche Ansatz Chinas zumindest einen<br />

stark richtungsweisenden Charakter für die Industrieentwicklung hat, sind<br />

in <strong>der</strong> folgenden Tabelle (siehe Abbildung 39) für die wichtigsten Branchen<br />

jeweils die regionalen Schwerpunkte für Auslandsinvestitionen nach den<br />

offiziellen Vorgaben seitens <strong>der</strong> <strong>chinesischen</strong> Politik zusammengefasst.<br />

<strong>Die</strong>se Schwerpunkte werden in den Listen <strong>der</strong> "geför<strong>der</strong>ten Industrien" in<br />

den Umsetzungsbestimmungen <strong>der</strong> <strong>Go</strong>-<strong>West</strong>-<strong>Strategie</strong> aufgeführt. Ergänzend<br />

werden die heute schon erkennbaren attraktivsten Standorte auf Basis<br />

<strong>der</strong> Ergebnisse dieser Studie dargestellt. <strong>Die</strong> Tabelle auf <strong>der</strong> folgenden Seite<br />

bietet damit eine erste regionale Orientierung für Branchenteilnehmer,<br />

die sich für ein Engagement in den <strong>West</strong>provinzen interessieren.<br />

13) <strong>Die</strong> Perspektiven <strong>der</strong> deutschen Umweltindustrie auf dem <strong>chinesischen</strong> Markt werden ausführlich<br />

in <strong>der</strong> Publikation " GreenTech made in Germany 2.0. Umwelttechnologie-Atlas für Deutschland "<br />

(München, 2009) dargestellt.


120 |<br />

Studie


121 |<br />

<strong>Die</strong> <strong>Go</strong>-<strong>West</strong>-<strong>Strategie</strong> <strong>der</strong> <strong>chinesischen</strong> <strong>Regierung</strong> – Chancen für die deutsche Wirtschaft?<br />

6. Empfehlungen an das Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie<br />

Es gehört zu den wesentlichen Anliegen des Bundesministeriums für Wirtschaft<br />

und Technologie, die Aktivitäten <strong>der</strong> deutschen Wirtschaft und insbeson<strong>der</strong>e<br />

des deutschen Mittelstandes national und international zu unterstützen.<br />

Im Wesentlichen kann dies auf drei Wegen geschehen:<br />

> Aufbereitung und Angebot von Informationsmaterial und Entscheidungshilfen<br />

> Weiterentwicklung und Fokussierung <strong>der</strong> bereits existierenden<br />

spezifischen Instrumente <strong>der</strong> Außenwirtschaftsför<strong>der</strong>ung<br />

> Dialog mit <strong>der</strong> <strong>chinesischen</strong> <strong>Regierung</strong> über die Rahmenbedingungen<br />

für deutsche Unternehmen<br />

In Bezug auf Chinas <strong>West</strong>en sind zunächst einmal die Aufbereitung und<br />

Verbreitung von Basisinformationen wichtig, zu denen auch die vorliegende<br />

Studie beitragen soll. Für den an China generell und den Möglichkeiten<br />

in <strong>West</strong>china interessierten Leser werden hier umfassende Entscheidungshilfen<br />

angeboten.<br />

Es hat sich im Rahmen <strong>der</strong> Arbeiten an <strong>der</strong> Studie aber gezeigt, dass die<br />

Verfügbarkeit von Informationen, die für eine Analyse von Standorten in<br />

<strong>West</strong>china relevant sind, stark reduziert ist. Viele statistische Quellen liegen<br />

nur in chinesischer Sprache vor, nur wenige auf Englisch, praktisch keine in<br />

deutscher Sprache. Auch wichtige Dokumente über die Wirtschaftspolitik,<br />

etwa die Liste <strong>der</strong> für Auslandsinvestitionen geför<strong>der</strong>ten Industriezweige,<br />

sind nicht ohne weiteres zu erhalten. <strong>Die</strong> vorliegende Studie kann hier eine<br />

erste Brücke bauen. Eine Aufarbeitung <strong>der</strong> För<strong>der</strong>bedingungen <strong>der</strong> För<strong>der</strong>bedingungen<br />

für spezifische Einzelbranchen und attraktive Regionen in<br />

<strong>West</strong>china wäre ein nächster Schritt.<br />

Dass in Guangxi Auslandsinvestitionen in die Technologieentwicklung und<br />

die Herstellung von Floatglas, in Guizhou solche in Schleifmaterialien und<br />

Schleifwerkzeuge, in Xinjiang und in Gansu solche in den Weinanbau o<strong>der</strong><br />

in Qinghai solche in die Yak-Fell-Verarbeitung geför<strong>der</strong>t werden, kann hier<br />

nur beispielhaft dargestellt werden – die entsprechende Liste geför<strong>der</strong>ter<br />

Spezialindustrien umfasst alleine für die <strong>West</strong>provinzen 218 Einzelposten.<br />

Solche Informationen zu För<strong>der</strong>bereichen, aber auch ganz generell zur<br />

ökonomischen Entwicklung einzelner Branchen in Datenbanken aufzubereiten<br />

und leichter, also am besten online und zumindest in englischer<br />

Sprache, verfügbar zu machen, kann eine starke Unterstützung gerade<br />

für mittelständische Unternehmen mit Interesse an China darstellen. Der<br />

Bedarf an einer solchen Hilfestellung scheint umso größer, als die deutschen


122 |<br />

Studie<br />

Unternehmen in China grundsätzlich beklagen, dass es um die Verfügbarkeit<br />

<strong>der</strong> für strategische Entscheidungen relevanten Informationen sehr<br />

schlecht bestellt sei – was die Geschäftstätigkeit signifikant behin<strong>der</strong>e.<br />

<strong>Die</strong> Ergebnisse dieser Studie können auch dazu dienen, die existierenden<br />

Aktivitäten <strong>der</strong> Außenwirtschaftsför<strong>der</strong>ung regional und industriebezogen<br />

zu fokussieren. Auf Basis <strong>der</strong> in dieser Studie enthaltenen Informationen<br />

können Maßnahmen <strong>der</strong> Absatz- und Kooperationsför<strong>der</strong>ung avisiert<br />

werden, also zum Beispiel Informations- und Kontaktveranstaltungen mit<br />

Industrie- und Handelskammern in Deutschland o<strong>der</strong> mit an<strong>der</strong>en Institutionen<br />

<strong>der</strong> Außenwirtschaftsför<strong>der</strong>ung. <strong>Die</strong> Ergebnisse des Benchmarkings<br />

<strong>der</strong> Regionen und die nach Industrien organisierte, in Abbildung 39 dargestellte<br />

Orientierungstabelle können dabei als Grundlage für die Planung<br />

entsprechen<strong>der</strong> Maßnahmen dienen.<br />

Auch die Organisation von Delegationsreisen nach <strong>West</strong>china wäre ein<br />

geeignetes Instrument, um Unternehmer aus erster Hand über die Potenziale<br />

<strong>der</strong> westlichen Provinzen zu informieren. In diesem Zusammenhang<br />

ist zu empfehlen, künftig stattfindende Delegationsreisen von hochrangigen<br />

deutschen <strong>Regierung</strong>s- und Wirtschaftsvertretern gemäß den Ergebnissen<br />

dieser Studie zu fokussieren. Das die "zentralen" <strong>West</strong>provinzen Sichuan,<br />

Chongqing und Shaanxi dabei vor allem attraktive Ziele darstellen, ergibt<br />

sich logisch aus <strong>der</strong> bisherigen Darstellung. Daneben werden aber in<br />

Zukunft auch einige <strong>der</strong> <strong>West</strong>provinzen an <strong>der</strong> Peripherie stark an Bedeutung<br />

und Potenzial gewinnen. <strong>Die</strong>s ist zum Beispiel schon heute bei <strong>der</strong><br />

Inneren Mongolei zu beobachten, vor allem im Umkreis des Themas Energie.<br />

Aber auch die Provinz Yunnan kann – etwa mit dem Schwerpunkt<br />

auf Handel und Logistik – ein attraktives Ziel sein.<br />

In Zusammenarbeit mit den Auslandshandelskammern, Delegationen und<br />

Repräsentanzen <strong>der</strong> Deutschen Wirtschaft in China kann außerdem überlegt<br />

werden, inwiefern ein weitergehendes Engagement dieser Einrichtungen in<br />

und für <strong>West</strong>china sinnvoll ist. <strong>Die</strong> heute bereits vorhandene Repräsentanz<br />

<strong>der</strong> deutschen Kammern in Chengdu kann dazu als Basis dienen. Um die<br />

zu erwartenden starken Potenziale bei <strong>der</strong> Ausrüstung <strong>der</strong> städtischen<br />

Infrastrukturen besser für deutsche Unternehmen nutzbar zu machen,<br />

bietet es sich auch an, zu diesem Punkt weiter- und tiefergehende Analysen<br />

vorzunehmen und auch in Kontakt mit den lokalen <strong>Regierung</strong>en zu treten.<br />

<strong>Die</strong> Ergebnisse dieser Studie lassen sich schließlich auch auf <strong>der</strong> nationalen<br />

Ebene für den weiteren Austausch mit <strong>der</strong> <strong>chinesischen</strong> <strong>Regierung</strong> nutzen.<br />

<strong>Die</strong> Resultate erlauben ein fundiertes Gespräch mit <strong>der</strong> <strong>chinesischen</strong> <strong>Regierung</strong><br />

darüber, dass nach Maßgabe <strong>der</strong> vorgenommenen Analysen aber auch<br />

rein faktisch die Rahmenbedingungen in <strong>West</strong>china offensichtlich in <strong>der</strong>


123 |<br />

<strong>Die</strong> <strong>Go</strong>-<strong>West</strong>-<strong>Strategie</strong> <strong>der</strong> <strong>chinesischen</strong> <strong>Regierung</strong> – Chancen für die deutsche Wirtschaft?<br />

Wahrnehmung <strong>der</strong> Unternehmen noch nicht hinreichend attraktiv sind,<br />

um den Nachholbedarf <strong>der</strong> westlichen Provinzen beim Zufluss ausländischer<br />

Direktinvestition zu decken.<br />

<strong>Die</strong>s zeigt sich daran, dass <strong>der</strong> ADI-Anteil des <strong>West</strong>ens <strong>der</strong> relativen Wirtschaftsentwicklung<br />

noch immer hinterherläuft. Es ist aktuell nicht absehbar,<br />

dass sich dieser Zusammenhang durch den Einfluss <strong>der</strong> Wirtschaftskrise<br />

stark verän<strong>der</strong>t. Wenn – analog zur starken Entwicklung <strong>der</strong> östlichen<br />

Provinzen Chinas – die Angleichung <strong>der</strong> Verhältnisse in <strong>West</strong>china auch<br />

und vor allem mit Hilfe ausländischer Investitionen erfolgen soll, müssen<br />

weitere und über die gegebenen Anreize hinaus gehende Verbesserungen<br />

<strong>der</strong> Rahmenbedingungen erzielt werden. <strong>Die</strong> bisher ergriffenen Maßnahmen<br />

– vor allem im Bereich <strong>der</strong> Infrastruktur – werden von den Unternehmen<br />

als sehr positiv wahrgenommen, stellen aber eher einen "hygienischen"<br />

Faktor dar; das heißt, sie sind eine notwendige Bedingung für ein Engagement,<br />

aber leisten nur einen geringen Beitrag als hinreichendes Entscheidungskriterium.<br />

<strong>Die</strong> gegebenen Kostenvorteile in den <strong>West</strong>provinzen werden teilweise<br />

wie<strong>der</strong> durch Nachteile, zum Beispiel bei <strong>der</strong> Qualifikation des Personals,<br />

kompensiert. <strong>Die</strong> Anreize, die ermäßigte Sätze bei Unternehmenssteuern<br />

bieten, werden von den Unternehmen als nicht sehr hoch bewertet; alle vor<br />

Ort stattfindenden Maßnahmen <strong>der</strong> Wirtschaftsför<strong>der</strong>ung werden nicht als<br />

spezifischer Standortvorteil in den westlichen Provinzen betrachtet, weil es<br />

vergleichbare Maßnahmen in vielen <strong>chinesischen</strong> Regionen gibt. Will die<br />

chinesische <strong>Regierung</strong> also eine höhere Attraktivität <strong>der</strong> <strong>West</strong>provinzen für<br />

ausländische Unternehmen bewirken, muss sie ihre Anstrengungen bezüglich<br />

industriepolitischer Anreize verstärken.<br />

Ein sehr konkreter und viel versprechen<strong>der</strong> Ansatz könnte außerdem darin<br />

bestehen, die Zusammenarbeit mit China im Kontext <strong>der</strong> Bekämpfung des<br />

Klimawandels und <strong>der</strong> Umweltprobleme zu verstärken. <strong>Die</strong> Ausführungen<br />

zur Energiesituation und zu den bestehenden Umweltproblemen <strong>West</strong>chinas<br />

in dieser Studie haben gezeigt, dass ein Umsteuern in Richtung mehr<br />

Nachhaltigkeit für China und speziell auch für <strong>West</strong>china nicht nur zum<br />

Erhalt <strong>der</strong> globalen Lebensräume unerlässlich ist, son<strong>der</strong>n auch wirtschaftliche<br />

Chancen bietet. Deutschland hat mit seiner internationalen Vorreiterrolle<br />

bei den erneuerbaren Energien, bei Effizienztechnologien o<strong>der</strong> an<strong>der</strong>en<br />

Umwelttechnik-Bereichen (wie etwa in <strong>der</strong> Abfall- o<strong>der</strong> Wasserwirtschaft)<br />

einen klaren internationalen Wettbewerbsvorteil, <strong>der</strong> gerade in<br />

<strong>West</strong>china zum Tragen gebracht werden kann. Vor diesem Hintergrund<br />

wäre zum Beispiel eine Initiative für einen deutsch-<strong>chinesischen</strong> "Umweltpakt"<br />

eine interessante Basis für den Ausbau <strong>der</strong> wirtschaftlichen Aktivitäten<br />

Deutschlands in <strong>West</strong>china.


124 |<br />

Studie<br />

G. Profile <strong>der</strong> Provinzen<br />

In diesem Teil werden die chinesischem <strong>West</strong>provinzen und ihre 13 wichtigsten<br />

Wirtschaftszentren einzeln vorgestellt. <strong>Die</strong>s erfolgt in Form von<br />

"Steckbriefen" mit den wichtigsten Daten und Fakten sowie den Rangpositionen,<br />

die die Provinzen und Städte nach den Ergebnissen <strong>der</strong> Studie<br />

im Benchmarking einnehmen.<br />

<strong>Die</strong> "Star"-Provinzen werden ergänzend zum "Steckbrief" mit einem ausführlichen<br />

Text beschrieben. Aufgrund des spezifischen Interesses des<br />

Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie sowie <strong>der</strong> beson<strong>der</strong>en<br />

Bedeutung <strong>der</strong> Provinz für den Handel mit Zentralasien wird die Autonome<br />

Region Xinjiang aus <strong>der</strong> Gruppe <strong>der</strong> "Fast Follower" herausgegriffen und<br />

ebenfalls in Textform portraitiert.<br />

<strong>Die</strong> Reihenfolge <strong>der</strong> Provinzdarstellungen orientiert sich an <strong>der</strong> Gruppierung,<br />

die sich aus dem Benchmarking ergibt:<br />

"Stars"<br />

1. Sichuan: Provinz-Steckbrief, Provinzbeschreibung und<br />

Steckbriefe zu Chengdu, Mianyang und Nanchong<br />

2. Chongqing: Provinz-Steckbrief und Provinzbeschreibung<br />

3. Shaanxi: Provinz-Steckbrief, Provinzbeschreibung und Steckbrief<br />

zu Xi'an<br />

"Fast Follower"<br />

4. Xinjiang: Provinz-Steckbrief, Provinzbeschreibung und Steckbrief<br />

zu Ürümqi<br />

5. Innere Mongolei: Provinz-Steckbrief und Steckbriefe zu Hohhot<br />

und Baotou<br />

6. Guangxi: Provinz-Steckbrief und Steckbriefe zu Nanning und Guilin<br />

7. Yunnan: Provinz-Steckbrief und Steckbrief zu Kunming<br />

"Dogs"<br />

8. Gansu: Provinz-Steckbrief und Steckbrief zu Lanzhou<br />

9. Guizhou: Provinz-Steckbrief und Steckbrief zu Guiyang<br />

10. Ningxia: Provinz-Steckbrief und Steckbrief zu Yinchuan<br />

11. Qinghai: Provinz-Steckbrief<br />

12. Tibet: Provinz-Steckbrief


125 |<br />

<strong>Die</strong> <strong>Go</strong>-<strong>West</strong>-<strong>Strategie</strong> <strong>der</strong> <strong>chinesischen</strong> <strong>Regierung</strong> – Chancen für die deutsche Wirtschaft?<br />

Literaturempfehlung<br />

Über diese Studie hinaus existieren eine Reihe sehr gelungener und nützlicher<br />

Aufarbeitungen zu den <strong>chinesischen</strong> <strong>West</strong>provinzen in englischer<br />

Sprache. Als Quellen zur Vertiefung <strong>der</strong> Betrachtung können hier empfohlen<br />

werden:<br />

> <strong>Die</strong> Investitionsführer <strong>der</strong> <strong>chinesischen</strong> <strong>Regierung</strong> zu den einzelnen<br />

Provinzen, die unter<br />

http://www.fdi.gov.cn/pub/FDI_EN/News/Focus/Subject/IICS/<br />

default.jsp abrufbar sind<br />

> <strong>Die</strong> Publikation "The China Business Handbook 2009",<br />

herausgegeben von ACA Publishing Ltd; London 2009<br />

> <strong>Die</strong> Profile <strong>der</strong> <strong>chinesischen</strong> Provinzen von HKDC:<br />

http://info.hktdc.com/mktprof/china.htm<br />

> <strong>Die</strong> Profile <strong>der</strong> <strong>chinesischen</strong> Provinzen auf Alibaba.com:<br />

http://resources.alibaba.com/china-biz.html


126 |<br />

Studie


127 |<br />

<strong>Die</strong> <strong>Go</strong>-<strong>West</strong>-<strong>Strategie</strong> <strong>der</strong> <strong>chinesischen</strong> <strong>Regierung</strong> – Chancen für die deutsche Wirtschaft?


128 |<br />

Studie<br />

Sichuan<br />

"Land des Überflusses" wurde die Provinz im alten China genannt: Der<br />

fruchtbare Boden des Roten Beckens und <strong>der</strong> Handel för<strong>der</strong>ten das Ansehen<br />

und den Wohlstand Sichuans. Auch heute noch spielt die bevölkerungsreichste<br />

<strong>West</strong>provinz eine Schlüsselrolle in <strong>der</strong> wirtschaftlichen Entwicklung<br />

<strong>der</strong> Region: Mehr als ein Fünftel des gesamten Bruttoinlandsprodukts<br />

des <strong>West</strong>ens wird in Sichuan erwirtschaftet. Im Rahmen <strong>der</strong> <strong>Go</strong>-<strong>West</strong>-<br />

<strong>Strategie</strong> soll sich die stark landwirtschaftlich geprägte Provinz noch stärker<br />

als bisher als mo<strong>der</strong>ner Industrie- und <strong>Die</strong>nstleistungsstandort etablieren.<br />

<strong>Die</strong> drei größten Städte Sichuans – Chengdu, Nanchong und Mianyang 14)<br />

– sind die ökonomischen Zentren <strong>der</strong> Provinz.<br />

Sichuan ist mit einer Fläche von 485.000 Quadratkilometern größer als<br />

Deutschland und Österreich zusammengenommen. Das dicht besiedelte<br />

Zentrum <strong>der</strong> Provinz ist das 200.000 Quadratkilometer große Sichuan-<br />

Becken, das von Bergketten umgeben wird: Im <strong>West</strong>en ragt das Gebirge<br />

Daxue Shan mit dem <strong>Go</strong>nnga Shan (7.555 Meter) auf, dem höchsten Berg<br />

Sichuans. Im Osten liegt das Qinling-Gebirge und nach Südosten begrenzt<br />

das Dalou-Shan-Gebirge das Rote Becken. Der Jangtse markiert über lange<br />

Strecken die <strong>West</strong>- und Südgrenze <strong>der</strong> Provinz.<br />

<strong>Die</strong> Gebirge und ihre Ausläufer sowie das Rote Beckens bilden jeweils<br />

eigene Klimazonen: In <strong>der</strong> Tiefebene ist das Klima subtropisch; im Jahresmittel<br />

liegt die Temperatur bei 14-19° C mit 280 bis 300 frostfreien Tagen.<br />

Der durchschnittliche jährliche Nie<strong>der</strong>schlag beträgt 1.000 Millimeter. <strong>Die</strong>s<br />

sind ideale Bedingungen für hohe Erträge in <strong>der</strong> Landwirtschaft. Zum Teil<br />

sind sogar zwei Ernten pro Jahr möglich. <strong>Die</strong> höheren Lagen Sichuan bieten<br />

dagegen unwirtlichere Voraussetzungen: <strong>Die</strong> durchschnittliche Jahrestemperatur<br />

liegt hier teilweise bei 8° C, die Nie<strong>der</strong>schlagsmenge bei 500 bis<br />

700 Millimetern.<br />

Chengdu, die "Brokat-Stadt"<br />

Seidenbrokat war seit dem seit<br />

2. Jahrhun<strong>der</strong>t vor Christus<br />

ein gefragter Exportartikel<br />

Chengdus. Der Stoff aus Sichuan<br />

wurde bis nach Zentralasien und<br />

ins Römische Reich geliefert.<br />

Bevölkerung<br />

Mit über 80 Millionen Einwohnern (Stand 2008) ist Sichuan mit Abstand<br />

die bevölkerungsreichste Provinz in <strong>West</strong>china – die nächstgrößte Provinz<br />

Guangxi bringt es lediglich auf 48,2 Millionen Einwohner. In <strong>der</strong> Hauptstadt<br />

Chengdu leben 2008 12,8 Millionen Menschen, das sind fast ein<br />

Viertel mehr als noch 2003. Sichuan ist die Heimat verschiedener ethnischer<br />

Gruppen: Neben den Han-Chinesen mit einem Anteil an <strong>der</strong> Provinz-<br />

Bevölkerung von circa 94% leben in Sichuan 2,5 bis 5 Millionen Angehörige<br />

<strong>der</strong> nationalen Min<strong>der</strong>heiten <strong>der</strong> Yi, Tibeter, Miao, Qiang, Hui, Tujia,<br />

Bouyei, Naxi und Lisu. <strong>Die</strong>se ethnischen Gruppen sind vor allem im<br />

<strong>West</strong>teil Sichuans ansässig.<br />

14) Siehe " Steckbriefe " auf den Seiten 138 und 139.


129 |<br />

<strong>Die</strong> <strong>Go</strong>-<strong>West</strong>-<strong>Strategie</strong> <strong>der</strong> <strong>chinesischen</strong> <strong>Regierung</strong> – Chancen für die deutsche Wirtschaft?<br />

Erdbeben von Sichuan<br />

<strong>Die</strong> Provinz liegt in einer gefährlichen geologischen Zone: Hier stoßen die<br />

eurasische und die indische Kontinentalplatte aneinan<strong>der</strong>, sodass die Erdbebengefahr<br />

in Sichuan seit jeher groß ist. Am 12. Mai 2008 kam es zu einem<br />

heftigen Beben <strong>der</strong> Stärke von 7,9 auf <strong>der</strong> Richter-Skala, das nach offiziellen<br />

Angaben 69.227 Tote for<strong>der</strong>te, darunter über 20.000 Kin<strong>der</strong>, die von zusammenstürzenden<br />

Schulgebäuden begraben wurden. 374.000 Menschen wurden<br />

verletzt, 5,8 Millionen Menschen wurden obdachlos. Das Epizentrum des<br />

Bebens lag im Kreis Wenchuan, etwa 80 Kilometer von <strong>der</strong> Provinzhauptstadt<br />

Chengdu entfernt.<br />

<strong>Die</strong> Naturkatastrophe verursachte für die Wirtschaft <strong>der</strong> Provinz Schäden in<br />

Höhe von 14,5 Mrd. USD. Von den Auswirkungen waren über 16.000 Unternehmen<br />

betroffen. Der Wie<strong>der</strong>aufbau <strong>der</strong> zerstörten Gebiete hat für die chinesische<br />

Zentralregierung einen hohen Stellenwert. <strong>Die</strong>s zeigt sich auch daran, dass von<br />

den im "4 Billionen-Konjunkturprogramm" vorgesehenen Mitteln ein Viertel für<br />

die Beseitigung <strong>der</strong> Erdbeben-Schäden bestimmt ist.<br />

Deutschland hat ebenfalls einen Beitrag zum Wie<strong>der</strong>aufbau geleistet: <strong>Die</strong><br />

Bundesregierung hat für die Wie<strong>der</strong>herstellung von acht zerstörten Schulen<br />

3,6 Mio. EUR zur Verfügung gestellt. Dazu kam eine Unterstützung für humanitäre<br />

Nothilfemaßnahmen in Höhe von 20,1 Mio. EUR. Darüber hinaus hat die<br />

Bundesregierung 20,1 Mio. EUR aus Mitteln <strong>der</strong> Entwicklungszusammenarbeit<br />

bereitgestellt. Zusätzlich haben deutsche Unternehmen und ihre Mitarbeiter<br />

circa 10 Mio. EUR gespendet.<br />

<strong>Die</strong> gemeinsamen Anstrengungen zeigen Wirkung: Zum Jahrestag des Erdbebens<br />

hatte bereits ein Drittel <strong>der</strong> 5,8 Millionen obdachlos Gewordenen wie<strong>der</strong><br />

ein eigenes Dach über dem Kopf. Allerdings leben immer noch Millionen <strong>der</strong><br />

Erdbeben-Geschädigten in Containersiedlungen.<br />

Einkommen und Konsumverhalten<br />

Das verfügbare Pro-Kopf-Einkommen <strong>der</strong> städtischen Bevölkerung in<br />

Sichuan betrug im Jahr 2007 10.500 CNY (rund 1.390 USD). Damit befand<br />

sich die Provinz knapp unter dem west<strong>chinesischen</strong> Durchschnitt von<br />

11.500 CNY (rund 1.500 USD). Im Vergleich zum Pro-Kopf-Einkommen in<br />

den Metropolen Ostchinas war Sichuan allerdings weit abgeschlagen: In<br />

Shanghai lag das Pro-Kopf-Einkommen bei 20.700 CNY (rund 2.730 USD)<br />

pro Jahr und damit fast doppelt so hoch wie in Sichuan.


130 |<br />

Studie<br />

Das Konsumverhalten fällt in Sichuan etwas zurückhalten<strong>der</strong> aus als in<br />

an<strong>der</strong>en westlichen Provinzen: <strong>Die</strong> tatsächlichen Konsumausgaben je Einwohner<br />

liegen hier bei 5.900 CNY (circa 780 USD); damit belegt die Provinz<br />

den vierten Rang in <strong>West</strong>china, war aber über dem west<strong>chinesischen</strong><br />

Durchschnitt von 5.300 CNY (circa 700 USD). Der Umsatz des Einzelhandels<br />

in Sichuan erreichte im Jahr 2008 481 Mrd. CNY (circa 63,5 Mrd.<br />

USD) und legte damit im Vergleich zum Vorjahr um fast ein Fünftel zu.<br />

Was die Verbreitung von Wohlstandsgütern in Sichuan anbelangt, so liegt<br />

die Provinz über dem <strong>West</strong>-Durchschnitt: <strong>Die</strong> Pkw-Dichte beträgt 6,1 Autos<br />

pro 100 städtische Haushalte (vs. 5,7 im <strong>West</strong>-Durchschnitt) , fast in jedem<br />

zweiten Haushalt gibt es einen Computer (49 pro 100 städtische Haushalte<br />

vs. 44 im <strong>West</strong>-Durchschnitt) und fast in jedem Haushalt eine Klimaanlage<br />

(87 pro 100 städtische Haushalte vs. 42 im <strong>West</strong>-Durchschnitt). <strong>Die</strong> starke<br />

Abweichung bei den Klimaanlagen lässt sich damit erklären, dass Sichuan<br />

zu den heißesten Provinzen im <strong>West</strong>en gehört.<br />

Infrastruktur<br />

Auf <strong>der</strong> aktuellen Liste <strong>der</strong> wichtigsten im Rahmen <strong>der</strong> <strong>Go</strong>-<strong>West</strong>-<strong>Strategie</strong><br />

geplanten Verkehrsprojekte steht auch <strong>der</strong> Ausbau <strong>der</strong> Eisenbahnstrecken in<br />

Sichuan. <strong>Die</strong>se Trassen sind darauf ausgelegt, die neuen Zentren in Zentralchina<br />

wie Sichuan, Shaanxi und Chongqing zu verbinden (siehe Seite 64).<br />

In <strong>der</strong> Provinz Sichuan gibt es zwei Flughäfen mit Verbindungen ins Ausland<br />

und neun mit Inlandsflügen. Im Jahr 2008 starteten von Sichuan aus<br />

pro Woche 243 Flüge nach Peking – damit belegt Sichuan bezüglich <strong>der</strong><br />

Häufigkeit <strong>der</strong> Flugverbindungen in die chinesische Hauptstadt den zweiten<br />

Platz unter allen <strong>West</strong>provinzen.<br />

<strong>Die</strong> Gesamtkapazität aller Kraftwerke in Sichuan betrug im Jahr 2007 32<br />

Gigawatt; das bedeutet gegenüber dem Vorjahr eine Steigerung von rund<br />

18%. Während die Provinz im Jahr 2005 mit 22 Gigawatt noch die höchste<br />

Gesamtkapazität bei <strong>der</strong> Energieerzeugung von allen <strong>West</strong>provinzen vorweisen<br />

konnte, wurde sie 2007 von <strong>der</strong> Inneren Mongolei, <strong>der</strong>en Gesamtkapazität<br />

bei 42 Gigawatt lag, von ihrem Spitzenplatz verdrängt.<br />

Bildung und Forschung<br />

In Sichuan gibt es 53 Universitäten. Mit dieser Zahl liegt Sichuan hinter<br />

Shaanxi auf dem zweiten Rang unter den <strong>West</strong>provinzen. Aufgrund seiner<br />

großen Bevölkerung kommt Sichuan bei <strong>der</strong> Relation Hochschulen je<br />

1 Million Einwohner allerdings nur auf 0,6, was deutlich unter dem <strong>West</strong>-<br />

Durchschnitt von 1,1 liegt. In Bezug auf die Verfügbarkeit von Hochschul-<br />

Absolventen hat sich Sichuan auf Platz zwei in <strong>West</strong>china positioniert.


131 |<br />

<strong>Die</strong> <strong>Go</strong>-<strong>West</strong>-<strong>Strategie</strong> <strong>der</strong> <strong>chinesischen</strong> <strong>Regierung</strong> – Chancen für die deutsche Wirtschaft?<br />

<strong>Die</strong> Zahl <strong>der</strong> Uni-Abgänger ist im Zeitraum von 2005 bis 2008 stetig<br />

gewachsen und liegt heute bei mehr als 250.000 pro Jahr. Der Akademikeranteil<br />

liegt in Sichuan mit 4% leicht unter dem Durchschnitt aller westlichen<br />

Provinzen von 5%.<br />

Sichuan gibt als größte Volkswirtschaft <strong>West</strong>chinas mit einem Anteil von<br />

20% am Bruttoinlandsprodukt aller westlichen Provinzen absolut betrachtet<br />

am meisten für Investitionen in Bildungseinrichtungen aus (7,4 Mrd. CNY).<br />

Relativ zur Einwohnerzahl gesehen bleiben die Bildungsinvestitionen mit<br />

138.000 CNY (rund 18.000 USD) pro 1.000 Einwohner allerdings deutlich<br />

unter dem Durchschnitt <strong>der</strong> <strong>West</strong>provinzen von 168.000 CNY (rund<br />

22.100 USD).<br />

Als Indikator für die Forschungsleistung <strong>der</strong> Region und ihr Innovationspotenzial<br />

kann man die Zahl <strong>der</strong> Patentanmeldungen heranziehen, die seit<br />

2007 eine deutlich steigende Tendenz aufweist: 2007 wurden in Sichuan<br />

knapp 10.000 Patente angemeldet, 2008 bereits 13.400. Damit liegt<br />

Sichuan unter den <strong>West</strong>provinzen auf dem zweiten Platz. Zum Vergleich:<br />

In Deutschland wurden 2008 circa 62.000 Patente angemeldet, also<br />

etwa fünfmal so viele wie in Sichuan.<br />

Innerhalb <strong>der</strong> Provinz spielt Chengdu eine beson<strong>der</strong>s wichtige Rolle als<br />

Innovationszentrum: In <strong>der</strong> Hauptstadt befinden sich die bedeutendsten<br />

Forschungseinrichtungen Sichuans, insgesamt sind hier 70 Forschungsinstitute<br />

und an<strong>der</strong>e universitäre Einrichtungen ansässig. Über 600.000 Wissenschaftler<br />

sind in Chengdu tätig – so viele wie an keinem an<strong>der</strong>en Standort<br />

<strong>West</strong>chinas.<br />

Pandas in Sichuan<br />

Das 1975 gegründete Wolong-<br />

Naturreservat 150 Kilometer<br />

nordwestlich von Chengdu beherbergt<br />

etwa 60 Große Pandas. Ein<br />

Forschungszentrum und eine<br />

Zuchtstation tragen hier dazu bei,<br />

die Population <strong>der</strong> vom Aussterben<br />

bedrohten Spezies zu erhalten.<br />

Eine weitere Forschungsund<br />

Zuchtstation für den Kleinen<br />

und Großen Panda befindet sich<br />

in <strong>der</strong> Nähe von Chengdu.<br />

Natürliche Ressourcen und Rohstoffe<br />

Sichuan gehört mit verwertbaren Wasserressourcen von 110 Gigawatt zu<br />

den Provinzen <strong>West</strong>chinas, die das höchste Potenzial für Wasserkraft aufweisen.<br />

Mit Erdgasvorkommen von 560 Mrd. Kubikmetern liegt die Provinz auf<br />

dem dritten Platz in <strong>West</strong>china. In Sichuan sind 130 Arten von Mineralien<br />

nachgewiesen. Davon befinden sich von 50 Arten die größten Vorkommen<br />

in China auf dem Territorium von Sichuan. <strong>Die</strong> Provinz weist das drittgrößte<br />

Eisenvorkommen Chinas auf und verfügt über 95% <strong>der</strong> <strong>chinesischen</strong><br />

Titan- und über die Hälfte <strong>der</strong> Vanadium-Vorkommen Gesamtchinas.


132 |<br />

Studie<br />

Wirtschaftsleistung<br />

Sichuan ist das ökonomische Schwergewicht in <strong>West</strong>en: Mit einem Bruttoinlandsprodukt<br />

von 1251 Mrd. CNY (circa 180,3 Mrd. USD) liegt die Provinz<br />

2008 an <strong>der</strong> Spitze <strong>der</strong> <strong>West</strong>provinzen; Sichuans Wirtschaftsleistung<br />

trägt einen Anteil von 21,5% zum gesamten <strong>West</strong>-BIP bei und erwirtschaftet<br />

4,2% des gesamt<strong>chinesischen</strong> Bruttoinlandsprodukts. Das Wachstum<br />

Sichuans lag zwischen 2004 und 2008 bei durchschnittlich 12% pro Jahr.<br />

Das entspricht in etwa dem westlichen Durchschnitt von 13% im selben<br />

Zeitraum. Mit einem Anteil von 27% am Provinz-BIP ist die Hauptstadt<br />

Chengdu das ökonomische Zentrum Sichuans. Nanchong, die zweitgrößte<br />

Stadt in Sichuan, erwirtschaftet einen Anteil von 4% und Mianyang, die<br />

drittgrößte Stadt, steuert einen Anteil von 5,9% zur Wirtschaftsleistung<br />

<strong>der</strong> Provinz bei. Das in Chengdu erwirtschaftete Bruttoinlandsprodukt<br />

belief sich 2008 auf 390 Mrd. CNY (circa 56,2 Mrd. USD), das entspricht<br />

gegenüber dem Vorjahr einem Wachstum von etwa 17%.<br />

Wirtschaftsstruktur<br />

Der Anteil des primären Sektors am Bruttoinlandsprodukt (BIP) Sichuans<br />

liegt bei fast 20%. Stellt man diesen Wert dem gesamt<strong>chinesischen</strong> Anteil<br />

von 10% o<strong>der</strong> dem durchschnittlichen Anteil in den <strong>West</strong>provinzen von<br />

16% gegenüber, wird auf Anhieb deutlich, dass die Landwirtschaft in<br />

Sichuan ein wichtiger Wirtschaftsfaktor ist. Aus dieser Provinz stammen<br />

etwa 6% <strong>der</strong> gesamten <strong>chinesischen</strong> Agrarproduktion. Der BIP-Anteil des<br />

sekundären Sektors liegt in Sichuan bei 52% und entspricht damit exakt<br />

dem gesamt<strong>chinesischen</strong> Durchschnitt. Den durchschnittlichen BIP-Anteil<br />

des sekundären Sektors in den <strong>West</strong>provinzen von 40% übertrifft Sichuan<br />

um 12 Prozentpunkte. Der Bergbau dagegen liefert mit 5% einen geringeren<br />

Beitrag zum Provinz-BIP als in an<strong>der</strong>en westlichen Regionen (<strong>West</strong>-Durchschnitt:<br />

8,5%). Auch <strong>der</strong> BIP-Anteil des <strong>Die</strong>nstleistungssektors fällt mit<br />

23% in Sichuan niedriger aus als Durchschnitt <strong>West</strong>chinas (35%).<br />

Warenhandel mit dem Ausland<br />

Im Außenhandel konnte Sichuan erheblich zulegen. <strong>Die</strong>se Entwicklung<br />

kann als Erfolg <strong>der</strong> <strong>Go</strong>-<strong>West</strong>-<strong>Strategie</strong> interpretiert werden. Im Jahr 2008<br />

hatten die Exporte aus Sichuan ein Volumen von 10,7 Mrd. USD; das entspricht<br />

gegenüber dem Vorjahr einer Steigerung von circa 47%. In Anbetracht<br />

<strong>der</strong> Erdbebenschäden ist diese Zunahme beson<strong>der</strong>s beeindruckend.<br />

Ein Drittel aller Ausfuhren Sichuans wurde von Unternehmen mit ausländischer<br />

Kapitelbeteiligung abgewickelt. Das Volumen <strong>der</strong> Importe nach<br />

Sichuan betrug im Jahr 2008 9,2 Mrd. USD, was gegenüber dem Vorjahr<br />

eine Zunahme von fast 50% bedeutet. Etwa die Hälfte aller Einfuhren in<br />

die Provinz entfiel auf Unternehmen mit ausländischer Kapitalbeteiligung.


133 |<br />

<strong>Die</strong> <strong>Go</strong>-<strong>West</strong>-<strong>Strategie</strong> <strong>der</strong> <strong>chinesischen</strong> <strong>Regierung</strong> – Chancen für die deutsche Wirtschaft?<br />

Kernindustrien, Cluster<br />

Sichuan ist sehr stark von Landwirtschaft geprägt, was durch das subtropische<br />

Klima und die fruchtbaren Böden im Sichuan-Becken begünstigt wird.<br />

Sichuan zählt zu den führenden Reisproduzenten; bei Mais, Weizen, Raps,<br />

Roggen, Soja und Kartoffeln liegt die Provinz ebenfalls an <strong>der</strong> Spitze. Stark<br />

ist Sichuan auch bei <strong>der</strong> Herstellung von Seide und Materialien aus Pflanzenfasern,<br />

insbeson<strong>der</strong>e aus Hanf.<br />

<strong>Die</strong> Verarbeitung landwirtschaftlicher Produkte zu Nahrungsmitteln und<br />

Getränken spielt in <strong>der</strong> Wirtschaft von Sichuan eine wichtige Rolle: <strong>Die</strong><br />

Provinz zählt zu den Zentren <strong>der</strong> Getränkeherstellung in China: 16% des<br />

gesamt<strong>chinesischen</strong> Getränke-Outputs werden in Sichuan produziert. Dort<br />

sind auch die führenden Wein- und Spirituosenhersteller <strong>der</strong> Volksrepublik<br />

ansässig, zum Beispiel die Chengdu Sugar and Wine Corporation.<br />

Trotz <strong>der</strong> großen Bedeutung <strong>der</strong> Landwirtschaft bemüht sich Sichuan<br />

bereits seit den achtziger Jahren, sich als Industrie- und Hightech-Standort<br />

zu profilieren. Mit Erfolg – inzwischen haben sich zahlreiche große chinesische<br />

Unternehmen angesiedelt, beispielsweise die Chengdu Food Group,<br />

Sichuan Medicine Co. Ltd. und die Chengdu Automobile Co. Ltd. Schwerpunkte<br />

liegen in den Branchen Elektronik, Automobilbau, chemische Industrie<br />

und Pharmaindustrie. Auch die Luftfahrtindustrie ist in Chengdu aktiv:<br />

Hier ist <strong>der</strong> Sitz <strong>der</strong> Chengdu Aircraft Industry, die vor allem Militärflugzeuge<br />

für die chinesische Armee produziert. Außerdem zählt Chengdu<br />

zu den Zentren <strong>der</strong> Biotechnologie in China.<br />

In den letzten zehn Jahren entdecken immer mehr ausländische Konzerne<br />

den Standort Sichuan: Zu den "Global Playern", die hier Produktionsstätten<br />

aufgebaut haben, gehören unter an<strong>der</strong>em Microsoft, Cisco, Intel (siehe<br />

Seite 135), IBM und Motorola. Im Bereich Finanzdienstleistungen sind in<br />

Chengdu zahlreiche internationale Großbanken mit Nie<strong>der</strong>lassungen vertreten,<br />

darunter Citibank, HSBS, Standard Chartered Bank, ABN AMRO, BNP<br />

Paribas. Chengdu plant außerdem, nach Shanghai und Shenzhen <strong>der</strong> dritte<br />

Börsenplatz Chinas zu werden.<br />

Sichuan hat fünf wirtschaftliche Entwicklungszonen auf <strong>der</strong> Provinzebene;<br />

zu den wichtigsten gehört die "Chengdu Hi-Tech Industrial Development<br />

Zone". Sie wurde 1988 gegründet und 1991 als eine <strong>der</strong> ersten nationalen<br />

Hightech-Entwicklungszonen anerkannt. <strong>Die</strong> Branchenschwerpunkte dieser<br />

80 Quadratkilometer großen Entwicklungszone liegen in <strong>der</strong> Mikroelektronik,<br />

<strong>der</strong> Software-Entwicklung, <strong>der</strong> Herstellung von Präzisionsmaschinen<br />

sowie in <strong>der</strong> Pharmaindustrie mit einem Fokus auf mo<strong>der</strong>ne Anwendungen<br />

<strong>der</strong> traditionellen <strong>chinesischen</strong> Medizin. Beson<strong>der</strong>e Erfolge hat die Entwicklungszone<br />

im Bereich Software und Mikroelektronik vorzuweisen: Hier<br />

haben sich unter an<strong>der</strong>em Fujitsu, Intel und IBM angesiedelt.


134 |<br />

Studie<br />

Der Tourismus ist ebenfalls ein wichtiger Wirtschaftszweig in Sichuan. Jedes<br />

Jahr kommen über 160 Millionen chinesische Touristen und über 1,4 Millionen<br />

Besucher aus dem Ausland in die Provinz, die etwa 5% zur Wirtschaftsleistung<br />

des Hotel- und Gaststättengewerbes in Gesamtchina beiträgt.<br />

Sechs <strong>der</strong> zahlreichen Sehenswürdigkeiten Sichuans stehen auf <strong>der</strong><br />

UNESCO-Liste <strong>der</strong> Weltkultur- beziehungsweise Weltnaturerbestätten:<br />

Dazu gehört <strong>der</strong> Emei Shan. Der 3.099 Meter hohe Berg ist ein Heiligtum<br />

<strong>der</strong> <strong>chinesischen</strong> Buddhisten und Ziel Tausen<strong>der</strong> von Pilgern. Weltberühmt<br />

ist auch die Buddha-Statue in Le Shan. <strong>Die</strong> Figur des Dafo ("Großer<br />

Buddha") wurde im 8. Jahrhun<strong>der</strong>t in Sandstein gemeißelt und ist<br />

71 Meter hoch.<br />

<strong>Die</strong> Liberalisierung des <strong>Die</strong>nstleistungssektors nach Chinas WTO-Beitritt<br />

ebnete den Weg für Investitionen ausländischer Unternehmen im Groß- und<br />

Einzelhandel. Inzwischen sind die international bekannten Handelsunternehmen<br />

Carrefour (Frankreich), Metro (Deutschland) und Wal-Mart in<br />

Sichuan vertreten.<br />

Chengdu-Chongqing Economic Zone<br />

In <strong>der</strong> <strong>Go</strong>-<strong>West</strong>-<strong>Strategie</strong> des 11. Fünfjahresplans <strong>der</strong> <strong>chinesischen</strong> <strong>Regierung</strong><br />

wird die Chengdu-Chongqing Economic Zone als eine von drei wichtigen<br />

Fokus-regionen definiert, die in <strong>West</strong>china für die ökonomische Entwicklung<br />

und bei <strong>der</strong> Zusammenarbeit zwischen Provinzen und städtischen Agglomerationen<br />

eine Führungsrolle übernehmen sollen. <strong>Die</strong> Chengdu-Chongqing Economic<br />

Zone umfasst eine Fläche von 155.000 Quadratkilometern – das entspricht<br />

einem Viertel <strong>der</strong> gesamten Fläche <strong>der</strong> Provinz Sichuan und <strong>der</strong> regierungsunmittelbaren<br />

Stadt Chongqings. Zu ihrem Gebiet gehören 14 Städte in Sichuan<br />

und 23 Bezirke und Kommunen in Chongqing. Im politischen Programm für die<br />

Chengdu-Chongqing Economic Zone ist vorgesehen, bestimmte Industriezweige<br />

stärker zu entwickeln. Insbeson<strong>der</strong>e sind dies <strong>der</strong> Maschinen- und Anlagenbau,<br />

Hightech-Industrien, Wasserkraftan lagen, die Verarbeitung landwirtschaftlicher<br />

Produkte und Nebenprodukte, die chemische Industrie und <strong>der</strong> Tourismus.<br />

Außerdem soll eine ökologische Schutzzone am Oberlauf des Jangtse aufgebaut<br />

werden. Zu den Planungen für die Kernregion gehört auch, die Verbindung<br />

zwischen den Städten Chengdu und Chongqing durch den Bau weiterer Strassenverbindungen<br />

und eine Schnellzugstrecke zu verbessern. Das Projekt <strong>der</strong><br />

Chengdu-Chongqing Economic Zone soll als Schrittmacher fungieren, damit die<br />

Region zu den an<strong>der</strong>en Modellprojekten <strong>der</strong> interprovinziellen Zusammenarbeit<br />

im Osten Chinas aufschließen kann, zum Beispiel dem "Yangtze River Delta",<br />

dem "Pearl River Delta" und <strong>der</strong> "Bohai Bay Region". Auf dem Gebiet <strong>der</strong><br />

Chengdu-Chongqing Economic Zone werden <strong>der</strong>zeit etwa 5% von Chinas<br />

Bruttoinlandsprodukt erwirtschaftet. Künftig soll die Bedeutung dieser Region<br />

für die gesamtchinesische Wirtschaft noch größer werden: Der Anteil am<br />

BIP Chinas soll in den kommenden Jahren auf 10% wachsen.


135 |<br />

<strong>Die</strong> <strong>Go</strong>-<strong>West</strong>-<strong>Strategie</strong> <strong>der</strong> <strong>chinesischen</strong> <strong>Regierung</strong> – Chancen für die deutsche Wirtschaft?<br />

Ausländische Direktinvestitionen<br />

Sichuan hat sich als das Zentrum <strong>der</strong> ausländischen Geschäftstätigkeit<br />

in <strong>West</strong>china etabliert: Zwischen 2005 und 2008 sind die ausländischen<br />

Direktinvestitionen (ADI) in diese Provinz durchschnittlich jährlich um 45%<br />

gewachsen. Im Jahr 2008 flossen ausländische Direktinvestitionen (ADI) in<br />

Höhe von 3,3 Mrd. USD nach Sichuan; damit ist es Sichuan gelungen, unter<br />

allen westlichen Provinzen den größten Umfang an ausländischen Direktinvestitionen<br />

anzuziehen. <strong>Die</strong> 3,3 Mrd. USD entsprechen etwa einem Viertel<br />

aller für die westlichen Provinzen bestimmten ausländischen Direktinvestitionen.<br />

Der Anteil Sichuans an den ADI nach Gesamtchina lag 2008 bei<br />

3,6%. Innerhalb <strong>der</strong> Provinz erweist sich die Hauptstadt Chengdu als immer<br />

stärkerer Magnet für ausländische Direktinvestitionen: 2005 betrugen die<br />

ADI nach Chengdu 0,5 Mrd. USD, 2008 waren es bereits 1,451 Mrd. USD.<br />

Immer mehr ausländische Unternehmen entdecken Sichuan als attraktiven<br />

Standort: So sind hier bereits zahlreiche Fortune-500-Unternehmen ansässig<br />

geworden, darunter Motorola, IBM, United Technologies, Coca Cola, Pepsi<br />

Cola, Toyota, Sumitomo, Marubeni, Lafarge Cement, o<strong>der</strong> GM. Intel ist das<br />

wohl prominenteste Beispiel einer ausländischen Investition in Sichuan<br />

(siehe unten).<br />

Intel verlagert Halbleiter-Wert in den <strong>West</strong>en<br />

Intel ist seit 1985 auf dem <strong>chinesischen</strong> Markt aktiv und beschäftigt dort<br />

mittlerweile über 6000 Mitarbeiter in den Bereichen Herstellung, Forschung<br />

und Ent-wicklung, Verkauf und Marketing. Dabei ist Intel nicht nur in Peking<br />

und Shanghai präsent, son<strong>der</strong>n auch an zahlreichen Standorten im <strong>West</strong>en <strong>der</strong><br />

Volksrepublik. Nie<strong>der</strong>lassungen des IT-Unternehmens befinden sich in Chengdu,<br />

Kunming, Chongqing, Xi'an und sogar in Ürümqi, <strong>der</strong> Hauptstadt von Xinjian. In<br />

Chengdu, <strong>der</strong> Provinzhauptstadt von Sichuan, betreibt Intel eine Halbleiter-<br />

Fabrik und plant <strong>der</strong>zeit, diese Produktionsstätte weiter auszubauen. Im Zug<br />

<strong>der</strong> Expansion in <strong>West</strong>china soll ein Werk in Shangai mit 2.000 Mitarbeitern bis<br />

Mitte des Jahres 2010 stillgelegt werden; zeitgleich soll eine zweite "State-ofthe-Art"-Fabrik<br />

in Chengdu zur Herstellung und zum Test von hochentwickelten<br />

Mikroprozessoren eröffnen. Durch den Standortwechsel will das kalifornische<br />

Unternehmen von dem im Vergleich zu Shanghai deutlich niedrigeren Lohnniveau<br />

in Sichuan profitieren und durch eine Verringerung <strong>der</strong> Produktionskosten<br />

<strong>der</strong> momentan schwierigen Situation in <strong>der</strong> Halbleiterbranche entgegenwirken.<br />

In <strong>der</strong> Vergangenheit wurden die Investitionen von Intel in <strong>West</strong>china bereits<br />

als Meilensteine in Pekings <strong>Go</strong>-<strong>West</strong>-<strong>Strategie</strong> bezeichnet.


136 |<br />

Studie<br />

Auch zahlreiche deutsche Unternehmen haben sich in Sichuan nie<strong>der</strong>gelassen.<br />

Von den 3.500 in <strong>der</strong> Datenbank <strong>der</strong> Deutschen Handelskammer<br />

gelisteten Firmen hat sich ein Drittel in <strong>der</strong> Provinz Sichuan angesiedelt.<br />

Bei <strong>der</strong> Standort-Wahl entschieden sich alle deutschen Unternehmen für<br />

die Provinzhauptstadt Chengdu. Zum Beispiel ist <strong>der</strong> Bayer-Konzern hier<br />

seit 1997 mit <strong>der</strong> Sparte Tiergesundheit aktiv. An<strong>der</strong>e deutsche Unternehmen<br />

sind Kühne + Nagel, Siemens und Bosch.<br />

Ein weiterer Indikator für die Bedeutung Sichuans im Rahmen <strong>der</strong> deutsch<strong>chinesischen</strong><br />

Wirtschaftsbeziehungen ist die Tatsache, dass Chengdu die<br />

einzige Stadt im <strong>West</strong>en Chinas ist, in <strong>der</strong> die Deutsche Handelskammer<br />

mit einem Verbindungs-büro vertreten ist. Außerdem ist Chengdu <strong>der</strong> Sitz<br />

eines <strong>der</strong> vier deutschen Generalkonsulate in China.


137 |<br />

<strong>Die</strong> <strong>Go</strong>-<strong>West</strong>-<strong>Strategie</strong> <strong>der</strong> <strong>chinesischen</strong> <strong>Regierung</strong> – Chancen für die deutsche Wirtschaft?


138 |<br />

Studie


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<strong>Die</strong> <strong>Go</strong>-<strong>West</strong>-<strong>Strategie</strong> <strong>der</strong> <strong>chinesischen</strong> <strong>Regierung</strong> – Chancen für die deutsche Wirtschaft?


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Studie


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<strong>Die</strong> <strong>Go</strong>-<strong>West</strong>-<strong>Strategie</strong> <strong>der</strong> <strong>chinesischen</strong> <strong>Regierung</strong> – Chancen für die deutsche Wirtschaft?


142 |<br />

Studie<br />

Chongqing<br />

Bis 1997 gehörte Chongqing zur Provinz Sichuan, dann erhielt die Region<br />

den Status einer regierungsunmittelbaren Stadt und wurde damit den<br />

Metropolen Peking, Shanghai und Tianjin gleichgestellt. <strong>Die</strong>ser administrative<br />

Schritt hatte Symbolcharakter: <strong>Die</strong> chinesische <strong>Regierung</strong> unterstrich<br />

damit den hohen Stellenwert, den sie Chongqing bei <strong>der</strong> Weiterentwicklung<br />

<strong>der</strong> Provinzen im Landesinnern beimaß. Der Stadtprovinz war die Rolle <strong>der</strong><br />

Lokomotive zugedacht, die den <strong>West</strong>en Chinas auf einen steilen wirtschaftlichen<br />

Wachstumspfad ziehen sollte. <strong>Die</strong>ses Kalkül ist aufgegangen. Chongqing<br />

hat sich als eine <strong>der</strong> tragenden Säulen <strong>der</strong> <strong>Go</strong>-<strong>West</strong>-<strong>Strategie</strong> erwiesen.<br />

Mit einer Fläche von 82.300 Quadratkilometern und 28,2 Millionen Einwohnern<br />

wird Chongqing häufig die "größte Stadt <strong>der</strong> Welt" genannt. Allerdings<br />

täuscht diese Bezeichnung leicht darüber hinweg, dass die Verwaltungseinheit<br />

Chongqing nicht nur das Stadtgebiet von Chongqing mit 7<br />

Millionen Einwohnern umfasst, son<strong>der</strong>n auch ländliche Bezirke und Kreise.<br />

Auf dem Landstreifen entlang des Jangtse im Nordosten <strong>der</strong> Provinz spielt<br />

die Landwirtschaft eine wichtige Rolle. <strong>Die</strong> Stadt Chongqing liegt auf einer<br />

felsigen Landzunge am Zusammenfluss des Jialing-Flusses mit dem Jangtse<br />

und wird wegen <strong>der</strong> vielen Hügel auch Shan Cheng ("Stadt <strong>der</strong> Berge")<br />

genannt. Das Klima in Chongqing ist subtropisch, die Temperaturen betragen<br />

im Jahresmittel 18° C. <strong>Die</strong> tiefsten Temperaturen im Winter liegen bei<br />

6° C, die Sommertemperaturen zwischen 27° C und 29° C.<br />

<strong>Die</strong> Han-Chinesen stellen bei weitem den größten Anteil an <strong>der</strong> Bevölkerung<br />

<strong>der</strong> Provinz von Chongqing. Etwa 1,75 Millionen Menschen – das<br />

sind rund 6% <strong>der</strong> Provinzbevölkerung – werden einer <strong>der</strong> 49 an<strong>der</strong>en<br />

ethnischen Gruppen zugerechnet, die in Chongqing vertreten sind. <strong>Die</strong><br />

meisten Angehörigen <strong>der</strong> nationalen Min<strong>der</strong>heiten leben im Südwesten<br />

<strong>der</strong> Provinz.<br />

Provisorische Hauptstadt<br />

Während des japanisch-<strong>chinesischen</strong><br />

Krieges (1937-1945) war<br />

Chongqing die Hauptstadt <strong>der</strong><br />

Guomindang-<strong>Regierung</strong>, die sich<br />

aus Nanjing ins Landesinnere<br />

zurückziehen musste. In dieser<br />

Zeit wurden zahlreiche Industriebetriebe<br />

und öffentliche Einrichtungen<br />

nach Chongqing evakuiert,<br />

um sie außerhalb <strong>der</strong><br />

Reichweite japanischer Bombenangriffe<br />

zu bringen. Auch wenn<br />

diese Unternehmensansiedlungen<br />

aus <strong>der</strong> Not geboren waren,<br />

so legten sie doch eine wichtige<br />

Basis für die Entwicklung Chongqings<br />

als Industriestandort.<br />

Umwelt<br />

<strong>Die</strong> pittoreske Lage <strong>der</strong> Stadt in einer Hügellandschaft hat auch Nachteile,<br />

zumindest was die Luftqualität anbelangt: <strong>Die</strong> Kombination aus hoher<br />

Luftfeuchtigkeit und Luftverschmutzung setzt Einwohnern und Gästen<br />

Chongqings sehr zu. <strong>Die</strong> Stadtregierung hat eine Reihe von Maßnahmen<br />

ergriffen, um dieses Problem zu entschärfen. Dazu gehören zum Beispiel<br />

<strong>der</strong> Umstieg von Kohle auf die Energiequelle Erdgas, die Umrüstung von<br />

Linienbussen auf Erdgasantrieb sowie die Stilllegung beziehungsweise<br />

Umsiedlung von Betrieben mit hoher Schadstoff-Emission.


143 |<br />

<strong>Die</strong> <strong>Go</strong>-<strong>West</strong>-<strong>Strategie</strong> <strong>der</strong> <strong>chinesischen</strong> <strong>Regierung</strong> – Chancen für die deutsche Wirtschaft?<br />

<strong>Die</strong> starke Wasserverunreinigung durch die Einleitung von Industrie- und<br />

Haushaltsabwässern beeinträchtigt die Wasserqualität des Jangtse und<br />

seiner Zuflüsse erheblich. <strong>Die</strong> <strong>Regierung</strong> will in großem Umfang in Kläranlagen<br />

investieren, um dieses Problem einzudämmen.<br />

Einkommen und Konsumverhalten<br />

Das Pro-Kopf-Einkommen <strong>der</strong> städtischen Bevölkerung in Chongqing betrug<br />

im Jahr 2007 11.600 CNY (circa 1.500 USD). Mit diesem Wert platzierte<br />

sich Chongqing auf Rang eins unter den <strong>West</strong>provinzen und lag erheblich<br />

über dem <strong>West</strong>-Durchschnitt von 9.500 CNY (circa 1.250 USD). Allerdings<br />

blieb selbst Chongqing als Spitzenreiter <strong>der</strong> westlichen Provinzen weit<br />

hinter den Metropolen des Ostens zurück. Zum Vergleich: Das Pro-Kopf-<br />

Einkommen von Shanghai belief sich 2007 auf 20.700 CNY (circa 2.700<br />

USD) und war damit wesentlich höher als in Chongqing.<br />

Der Einzelhandel erzielte 2008 einen Umsatz von 206 Mrd. CNY (circa<br />

27,2 Mrd. USD) und legte damit gegenüber dem Vorjahr um 24% zu. Auch<br />

internationale Handelsunternehmen haben inzwischen Filialen in Chongqing<br />

eröffnet und profitieren von <strong>der</strong> gestiegenen Kaufkraft: Vor Ort<br />

präsent sind beispielsweise Carrefour, Wal-Mart und Metro.<br />

Das für westchinesische Verhältnisse überdurchschnittliche Einkommensniveau<br />

spiegelt sich auch am Lebensstandard und an <strong>der</strong> Verbreitung von<br />

Computern wi<strong>der</strong>: Auf 100 Haushalte kommen in Chongqing 58 Computer<br />

(Stand 2008). Mit dieser Relation liegt die Stadt weit über dem <strong>West</strong>-Durchschnitt<br />

von 44 Computern je 100 Haushalte – und erreicht fast den Ost-<br />

Durchschnitt von 62. <strong>Die</strong> Pkw-Dichte ist dagegen mit 4,4 Autos je 100<br />

Haushalte geringer als im west<strong>chinesischen</strong> Durchschnitt (5,7). Wegen<br />

<strong>der</strong> feucht-heißen Sommer gehören Klimaanlagen offensichtlich zur Grundausstattung<br />

jeden Haushalts: Auf 100 Haushalte kommen 155 Klimaanlagen<br />

(<strong>West</strong>-Durchschnitt 42).<br />

Infrastruktur<br />

Im Rahmen <strong>der</strong> <strong>chinesischen</strong> <strong>Go</strong>-<strong>West</strong>-<strong>Strategie</strong> soll Chongqing zur wichtigsten<br />

Verkehrsdrehscheibe im Südwesten ausgebaut werden. <strong>Die</strong> <strong>Regierung</strong><br />

von Chongqing hat angekündigt, dass weitere Investitionen in die Infrastruktur<br />

geplant sind. Bis 2012 sollen 300 Mrd. CNY für den Ausbau und<br />

die Mo<strong>der</strong>nisierung des Transportsektors verwendet werden. Jeweils ein<br />

Drittel dieser Summe ist für den Flughafen Jiangbei und die Erweiterung des<br />

Straßennetzes vorgesehen: 1.000 Kilometer Schnellstraße sollen neu gebaut<br />

werden. Bereits heute verbinden Autobahnen Chongqing mit Chengdu und<br />

an<strong>der</strong>en Städten in <strong>der</strong> Provinz Sichuan. Richtung Süden führt eine Autobahn<br />

nach Guiyang (Provinz Guizhou), nach <strong>West</strong>en verläuft eine Strecke<br />

über Wuhan bis an die Ostküste. Weitere Verbindungen sind nach Sichuan<br />

und in die östliche Nachbarprovinz Hubei vorgesehen.


144 |<br />

Studie<br />

<strong>Die</strong> Schienenverbindungen wurden in den letzten Jahren ausgebaut beziehungsweise<br />

mo<strong>der</strong>nisiert: Ein wichtiges Projekt ist die Hochgeschwindigkeitsstrecke<br />

zwischen Chongqing und Guangzhou im Südosten Chinas.<br />

Seit <strong>der</strong> Einweihung dieser Trasse hat sich die Fahrzeit zwischen den beiden<br />

Städten von 38 auf 31 Stunden verringert. Bis 2020 ist <strong>der</strong> Bau weiterer<br />

Hochgeschwindigkeitsstrecken geplant, unter an<strong>der</strong>em über Wuhan und<br />

Nanjing nach Shanghai. Außerdem soll bis 2009 die 1.000 Kilometer lange<br />

Strecke zwischen Chongqing und Lanzhou, <strong>der</strong> Provinzhauptstadt von<br />

Gansu, fertig gestellt sein.<br />

<strong>Die</strong> Binnenschifffahrt spielte für die Verkehrsanbindung Chongqings schon<br />

immer eine wichtige Rolle. Seit dem Bau des Drei-Schluchten-Staudamms<br />

(siehe Seite 145) ist <strong>der</strong> Jangtse auch für große Schiffe eine durchgehende<br />

Verbindung zu den Wirtschaftszentren im Osten Chinas. Deshalb sind<br />

erhebliche Investitionen in den Ausbau <strong>der</strong> Infrastruktur für die Binnenschifffahrt<br />

geplant: So sollen bis 2010 15 Mrd. CNY in den Ausbau von<br />

Chongqings Häfen fließen, <strong>der</strong> Großteil dieser Mittel ist für Containerterminals<br />

bestimmt. China International Maritime Container, <strong>der</strong> weltgrößte<br />

Produzent <strong>der</strong> Stahlboxen, hat bereits 150 Mio. USD in eine<br />

Container-Produktion in Chongqing investiert<br />

Jiangbei, <strong>der</strong> internationale Flughafen im Südwesten <strong>der</strong> Provinz, zählt mit<br />

einem Passagieraufkommen von über 8 Millionen zu den zehn wichtigsten<br />

Flughäfen Chinas. In <strong>der</strong> Provinz gibt es außerdem zwei Inlandsflughäfen,<br />

Wanzhou Wuqiao und Qianjiang Zhoubai. Sie sollen künftig ein Frachtvolumen<br />

von über 100.000 Tonnen pro Jahr abwickeln. Im Jahr 2008 starteten<br />

durchschnittlich 132 Flüge pro Woche aus <strong>der</strong> Provinz nach Peking.<br />

Um den wachsenden Energiebedarfs Chongqings zu decken, wurde die<br />

Ölpipeline aus Myanmar über Kunming (Provinz Yunnan) nach Chongqing<br />

verlängert. Hier mündet sie direkt im Changshou Chemical Industry Park,<br />

wo sich ein Zentrum <strong>der</strong> Petrochemie dieser Provinz befindet.<br />

Bildung und Forschung<br />

Chongqing hat ein im Vergleich zu den an<strong>der</strong>en <strong>West</strong>provinzen ein gehobenes<br />

Bildungsniveau. Nach offiziellen <strong>chinesischen</strong> Statistiken hat die Stadt<br />

34 Universitäten und liegt damit relativ zur Bevölkerungszahl im Schnitt<br />

<strong>der</strong> <strong>West</strong>provinzen. Pro Jahr schließen in <strong>der</strong> Provinz pro 1.000 Einwohner<br />

3,6 Personen ein Hochschulstudium ab, was den zweithöchsten Wert in<br />

den <strong>West</strong>provinzen (nach Shaanxi mit 6 Personen) darstellt, Der Akademikeranteil<br />

in <strong>der</strong> Bevölkerung liegt mit 4% noch knapp unter dem Schnitt<br />

<strong>der</strong> <strong>West</strong>provinzen (5%).<br />

Allerdings wurden im Jahr 2007 in Chongqing 7,4 Mrd. CNY (fast 1 Mrd.<br />

USD) in Bildungseinrichtungen investiert. <strong>Die</strong>s stellt den dritthöchsten<br />

Wert in <strong>West</strong>china insgesamt dar und erreicht relativ zur Einwohnerzahl


145 |<br />

<strong>Die</strong> <strong>Go</strong>-<strong>West</strong>-<strong>Strategie</strong> <strong>der</strong> <strong>chinesischen</strong> <strong>Regierung</strong> – Chancen für die deutsche Wirtschaft?<br />

mit 263.000 CNY (circa 34.716 USD) pro 1.000 Einwohner den zweithöchsten<br />

Wert im <strong>West</strong>en, <strong>der</strong> auch über dem Durchschnitt <strong>der</strong> östlichen<br />

Provinzen liegt (193.000 CNY; circa 25.500 USD).<br />

In Bezug auf die Forschungsleistung wurden in Chongqing 2008 pro<br />

1 Million Einwohner 171 Patente angemeldet, was sehr deutlich über dem<br />

Schnitt <strong>der</strong> <strong>West</strong>provinzen von 91 liegt, allerdings noch weit unter dem<br />

gesamt<strong>chinesischen</strong> Schnitt von 273.<br />

Seit 2004 bemüht sich Chongqing um die Einrichtung von Innovations-<br />

Plattformen. Eine dieser Plattformen soll die Forschungs- und Entwicklungsleistung<br />

<strong>der</strong> Stadt nach vorne bringen, indem Laboratorien und Technologie-<br />

Forschungszentren errichtet werden. Mit Unterstützung <strong>der</strong> Southwest<br />

Agricultural University und <strong>der</strong> Chongqing University wurden im Jahr<br />

2004 bereits fünf Laboratorien und zehn Forschungszentren gegründet.<br />

Deren Zahl soll bis Ende des 11. Fünfjahresplans im Jahre 2010 auf 30<br />

beziehungsweise 40 Einrichtungen anwachsen.<br />

Drei-Schluchten-Staudamm<br />

<strong>Die</strong> Idee, im Mittellauf des Jangtse im Bereich <strong>der</strong> Drei Schluchten einen Damm<br />

zu bauen, um die Schiffbarkeit des Flusses zu verbessern und seine Wasserkraft<br />

zu nutzen, kam bereits 1919 auf. 1992 wurde dann die Umsetzung dieses<br />

Projekts genehmigt – obwohl ein Drittel <strong>der</strong> Delegierten des Nationalen Volkskongresses<br />

dagegen stimmte. Angesichts <strong>der</strong> Tatsache, dass dieses Gremium<br />

<strong>Regierung</strong>svorlagen üblicherweise mit 98% und mehr Stimmen absegnet, sagt<br />

dieses Votum viel über die Ambivalenz <strong>der</strong> <strong>chinesischen</strong> Gesellschaft gegenüber<br />

dem Drei-Schluchten-Staudamm aus.<br />

Der Drei-Schluchten-Staudamm ist mit einer Kapazität von mehr als 18.000<br />

Megawatt die größte Wasserkraftanlage <strong>der</strong> Welt. <strong>Die</strong> Gesamtlänge <strong>der</strong> Staumauer<br />

beträgt 2.309 Meter, sie ist 185 Meter hoch. Über ein fünfstufiges,<br />

1.600 Meter langes Schleusensystem überwinden die Schiffe einen Höhenunterschied<br />

von 113 Metern. Der durch den Damm entstandene Stausee hat eine<br />

Länge von 645 Kilometern; sein Wasserspiegel soll eine Höhe von 175 Metern<br />

haben. Für das Projekt mussten 1,3 Millionen Menschen umgesiedelt werden.<br />

Über 1.000 Städte und Dörfer wurden geflutet.<br />

Unter ökologischen Aspekten ist <strong>der</strong> Drei-Schluchten-Staudamm umstritten:<br />

Kritiker befürchten, dass sich <strong>der</strong> Sediment- und Nährstoffhaushalt des Jangtse<br />

verschlechtern wird. Hinzu kommt: <strong>Die</strong> Siedlungen wurden vor ihrer Flutung<br />

nicht gereinigt, son<strong>der</strong>n einschließlich ihrer Kläranlagen, Mülldeponien und<br />

Industrieanlagen unter Wasser gesetzt.


146 |<br />

Studie<br />

Natürliche Ressourcen und Rohstoffe<br />

Der Jangtse und seine Nebenflüsse prägen nicht nur die Landschaft Chongqings,<br />

son<strong>der</strong>n haben für die Provinz auch eine große Bedeutung als Energielieferanten:<br />

<strong>Die</strong> Wasserkraft spielt eine wesentliche Rolle für Chongqing;<br />

auf dem Gebiet <strong>der</strong> Provinz befinden sich über 1.000 Wasserkraftwerke<br />

verschiedener Größe, die zusammen eine Kapazität von 619 Gigawatt<br />

haben. Das für Chongqing wichtigste – und weltweit bekannte – Projekt zur<br />

Energiegewinnung durch Wasserkraft ist <strong>der</strong> Drei-Schluchten-Damm (siehe<br />

Seite 145). <strong>Die</strong>ses gigantische Wasserkraftwerk ist für Chongqing nicht nur<br />

unter dem Aspekt <strong>der</strong> Energieerzeugung relevant, son<strong>der</strong>n auch in Bezug<br />

auf die Logistik: Der Drei-Schluchten-Damm macht es möglich, dass nun<br />

Schiffe mit einer Kapazität von über 10.000 Tonnen den Jangtse flussaufwärts<br />

bis nach Chongqing befahren können.<br />

Wirtschaftsleistung<br />

Das Bruttoinlandsprodukt Chongqings betrug im Jahr 2008 510 Mrd. CNY<br />

(rund 74 Mrd. USD). <strong>Die</strong>s entspricht gegenüber dem Vorjahr einem nominalen<br />

Wachstum von 24%. Der Anteil <strong>der</strong> Provinz am Bruttoinlandsprodukt<br />

des <strong>West</strong>ens betrug 2008 9%; zur gesamt<strong>chinesischen</strong> Wirtschaftsleistung<br />

erbrachte Chongqing einen Beitrag von 1,7%. In den letzten fünf Jahren<br />

(2003-2008) ist das BIP von Chongqing durchschnittlich um 15% pro Jahr<br />

gestiegen. Mit dieser Wachstumsrate landet Chongqing mit Shaanxi nach<br />

<strong>der</strong> Inneren Mongolei auf dem zweiten Platz unter den west<strong>chinesischen</strong><br />

Provinzen.<br />

Wirtschaftsstruktur<br />

<strong>Die</strong> Landwirtschaft hat einen Anteil von 13% am Bruttoinlandsprodukt von<br />

Chongqing; dies liegt unter dem <strong>West</strong>-Durchschnitt von 16%. Der Bergbau<br />

trägt nur knapp 2% zur Wirtschaftsleistung Chongqings bei (<strong>West</strong>-Durchschnitt:<br />

8,5%). Wie in einer großen Agglomeration nicht an<strong>der</strong>s zu erwarten,<br />

dominieren bei <strong>der</strong> Wertschöpfung <strong>der</strong> sekundäre Sektor mit einem<br />

Anteil von 40% und <strong>der</strong> <strong>Die</strong>nstleistungssektor mit einem Anteil von 46%.<br />

Warenhandel mit dem Ausland<br />

<strong>Die</strong> Exporte aus Chongqing hatten im Jahr 2008 ein Volumen von 5,3 Mrd.<br />

USD. Gegenüber dem Vorjahr bedeutet das einen Zuwachs von fast 20%.<br />

Knapp ein Fünftel aller Exporte wird von ausländischen Unternehmen<br />

abgewickelt. <strong>Die</strong> Ausfuhren aus Chongqing stellen einen Anteil von 8%<br />

an den gesamten Exporten aus <strong>West</strong>china. Das Volumen <strong>der</strong> Importe nach<br />

Chongqing betrug 2008 3,7 Mrd. USD; das entspricht einem Anteil von<br />

7% an allen Importen, die für <strong>West</strong>china bestimmt waren. Ausländische<br />

Unternehmen haben 30% <strong>der</strong> Einfuhren nach Chongqing bestritten.


147 |<br />

<strong>Die</strong> <strong>Go</strong>-<strong>West</strong>-<strong>Strategie</strong> <strong>der</strong> <strong>chinesischen</strong> <strong>Regierung</strong> – Chancen für die deutsche Wirtschaft?<br />

Kernindustrien, Cluster<br />

Chongqing ist eines <strong>der</strong> wichtigsten industriellen Zentren <strong>West</strong>chinas. <strong>Die</strong><br />

Stadtprovinz hat von den Investitionen und Vergünstigungen im Rahmen<br />

<strong>der</strong> <strong>Go</strong>-<strong>West</strong>-<strong>Strategie</strong> profitiert. In den letzten Jahren haben zahlreiche<br />

chinesische Unternehmen Produktionsstätten in Chongqing aufgebaut:<br />

Beispielsweise errichtet <strong>der</strong> Haushaltsgerätehersteller Haier hier für 2,8<br />

Mrd. CNY eine Fabrikanlage mit 94 Hektar, in <strong>der</strong> rund 10.000 Beschäftigte<br />

Klimaanlagen, Fernseher, Waschmaschinen etc. produzieren sollen.<br />

<strong>Die</strong> Attraktivität des Standorts rührt nicht zuletzt daher, dass in Chongqing<br />

die Produktionskosten wesentlich niedriger liegen als in den Industrieregionen<br />

<strong>der</strong> Ostküste. Gleichzeitig bietet Chongqing eine gut ausgebaute Infrastruktur<br />

sowie qualifizierte Arbeitskräfte. Auch die Voraussetzung für die<br />

Ansiedlung beziehungsweise Entwicklung von Hightech-Industrien ist gut.<br />

<strong>Die</strong>s liegt unter an<strong>der</strong>em daran, dass in Chongqing einige technologieintensive<br />

Rüstungsbetriebe ansässig sind; einige von ihnen haben inzwischen<br />

auf zivile Produktion umgestellt.<br />

Ein wichtiges Rückgrat <strong>der</strong> Industrieproduktion in Chongqing bilden die<br />

bereits Anfang <strong>der</strong> neunziger Jahre gegründeten Entwicklungszonen Chongqing<br />

Economic Technology Development Zone und Chongqing High-Tech<br />

Industry Development Zone.<br />

In <strong>der</strong> 1990 gegründeten Chongqing Economic Technology Development Zone<br />

(ETDZ), mit einer Fläche von 10 Quadratkilometern in 3 Kilometern Entfernung<br />

zum Stadtzentrum Chongqings gelegen, sind über 900 chinesische<br />

und 300 ausländische Unternehmen ansässig. Schwerpunktbranchen sind<br />

die Automobilindustrie, Telekommunikation, Biotechnologie, Medizintechnik<br />

und Lebensmittelindustrie. <strong>Die</strong> ETDZ legte auch die Basis für die Weiterentwicklung<br />

des tertiären Sektors durch die Ansiedlung von Unternehmen<br />

aus den Bereichen Finanzdienstleistungen, Handel und dem Hotelund<br />

Gaststättengewerbe.<br />

<strong>Die</strong> Chongqing High-Tech Industry Development Zone (HTDZ) umfasst eine<br />

Fläche von 20 Quadratkilometern und wurde 1991 mit dem Ziel gegründet,<br />

insbeson<strong>der</strong>e Hochtechnologie-Branchen zu för<strong>der</strong>n. An diesem Standort<br />

haben sich inzwischen rund 4.000 Firmen nie<strong>der</strong>gelassen. Der Fokus liegt<br />

auf den Branchen IT und Telekommunikation, Software- und Hardware-<br />

Entwicklung, Mess- und Regeltechnik, Photoelektronik und Elektromechanik,<br />

Pharma und Feinchemie.


148 |<br />

Studie<br />

Chongqing ist eines <strong>der</strong> Zentren <strong>der</strong> <strong>chinesischen</strong> Automobilindustrie: <strong>Die</strong>se<br />

Branche erwirtschaftet einen Anteil von 10% des Bruttoinlandsprodukts <strong>der</strong><br />

Provinz. Zur Wertschöpfung <strong>der</strong> Automobilindustrie Gesamtchinas trägt<br />

Chongqing 6% bei. In <strong>der</strong> Stadtprovinz werden pro Jahr über 500.000<br />

Autos und mehr als 90.000 Lastwagen produziert.<br />

Zu den größten Automobilherstellern in Chongqing gehört die Changan<br />

Ford Mazda Automobile Corporation. An diesem Joint Venture hält die<br />

Chongqing Changan Automobile 50%, Ford 35% und Mazda 15%. Das<br />

Gemeinschaftsunternehmen produziert und vertreibt die Ford-Modelle<br />

Fiesta, Focus, Mondeo und S-max sowie den Mazda 2, Mazda 3 und den<br />

Volvo S40. Außerdem ist Changan an einem Joint Venture mit Suzuki<br />

beteiligt und produziert in Chongqing vier Modelle dieser Marke.<br />

Gemeinsam mit <strong>der</strong> Fiat-Tochter Iveco hat die Shangai Automotive Industry<br />

Corporation Group im Jahr 2006 in die Chongqing Heavy Vehicle Corporation<br />

investiert: Nun werden in Chongqing Iveco-Lkw hergestellt.<br />

Eine starke Rolle spielt Chongqing bei <strong>der</strong> Produktion von Motorrä<strong>der</strong>n:<br />

Ein Drittel aller Motorrä<strong>der</strong>, die China exportiert, stammt aus den Fabrikhallen<br />

Chongqings. Yamaha und Piaggo haben hier Joint Ventures mit <strong>chinesischen</strong><br />

Unternehmen gegründet. Zu den wichtigsten Motorrad-Herstellern<br />

in Chongqing zählen Chongqing Zongshen Motorcycle, die Jialing Group<br />

und die Lifan Group. Letztere gilt als beispielhafte Erfolgsgeschichte für die<br />

Entwicklung von Privatunternehmen. Seit ihrer Gründung 1992 entwickelte<br />

sich die Firma zu einem <strong>der</strong> größten <strong>chinesischen</strong> Motorradhersteller und<br />

einem internationalen Konzern mit 12.000 Beschäftigten, <strong>der</strong> in über 100<br />

Län<strong>der</strong> exportiert. Eigene Produktionsstätten außerhalb Chinas betreibt<br />

Lifan in Vietnam, Thailand und <strong>der</strong> Türkei. 2005 ist Lifan erfolgreich in<br />

die Autoproduktion eingestiegen.<br />

Unternehmer-Karriere<br />

Yin Mingshan, Grün<strong>der</strong> und<br />

Geschäftsführer des Lifan-<br />

Konzerns, wurde während <strong>der</strong><br />

Kulturrevolution als Konterrevolutionär<br />

verurteilt und verbrachte<br />

zwei Jahrzehnte im Arbeitslager.<br />

Nach seiner Entlassung arbeitete<br />

er in einem Buchverlag. 1992<br />

gründete er mit sechs Geschäftspartnern,<br />

seiner Frau und<br />

seinem Sohn mit einem Startkapital<br />

von 15.000 USD eine<br />

Motorrad-Werkstatt. <strong>Die</strong>s war<br />

die Keimzelle <strong>der</strong> Lifan-Gruppe.<br />

Heute beschäftigt <strong>der</strong> Motorradund<br />

Autohersteller 12.000<br />

Mitarbeiter und zählt zu den<br />

größten Privatunternehmen<br />

Chinas.<br />

Auch die Hochtechnologie-Branchen haben eine starke Stellung in <strong>der</strong> Stadt:<br />

Beispielsweise ist die chinesische TCL Corporation hier aktiv, einer <strong>der</strong><br />

größten Hersteller von Unterhaltungselektronik weltweit. Ausländische<br />

Unternehmen aus den Branchen IT und Telekommunikation wie beispielsweise<br />

UTStarcom, Hewlett Packard und Nokia sind ebenfalls in Chongqing<br />

präsent.


149 |<br />

<strong>Die</strong> <strong>Go</strong>-<strong>West</strong>-<strong>Strategie</strong> <strong>der</strong> <strong>chinesischen</strong> <strong>Regierung</strong> – Chancen für die deutsche Wirtschaft?<br />

Unternehmen aus den Bereichen Energieerzeugung und Chemieindustrie<br />

sind in Chongqing ebenfalls zahlreich vertreten. Große chinesische Firmen<br />

sind hier zum Beispiel die China National Petroleum Corporation (CNPC),<br />

SinoChem und SinoPEC. Als Beispiele für Unternehmen aus dem Ausland<br />

lassen sich BP, ExxonMobil und BASF nennen.<br />

Geht es nach den Plänen <strong>der</strong> Provinzregierung, so soll sich Chongqing zu<br />

einem Zentrum für Umwelttechnologie entwickeln: So plant die Stadt Chongqing<br />

ein Kompetenzzentrum für Elektroautos und -zubehör, das Forschung<br />

und Entwicklung sowie Fertigung umfasst. Mit Suntech Power ist in <strong>der</strong><br />

Provinz Chongqing im Bezirk Wanzhou ein bereits etabliertes Greentech-<br />

Unternehmen ansässig. Suntech ist <strong>der</strong> drittgrößte Hersteller von Solarzellen<br />

weltweit und produziert vor allem für den Export.<br />

Wirtschaftspolitische Schwerpunkte<br />

Im Rahmen ihrer <strong>Go</strong>-<strong>West</strong>-<strong>Strategie</strong> räumt die chinesische <strong>Regierung</strong> <strong>der</strong><br />

Stadtprovinz Chongqing einen hohen Stellenwert ein. <strong>Die</strong> Chengdu-Chongqing<br />

Economic Zone ist eine von drei wichtigen Kernregionen, die in <strong>West</strong>china<br />

in <strong>der</strong> ökonomischen Entwicklung und bei <strong>der</strong> Zusammenarbeit<br />

zwischen Provinzen und städtischen Agglomerationen eine Führungsrolle<br />

übernehmen sollen. Einzelheiten über die Chengdu-Chongqing Economic<br />

Zone werden in dem Text über Sichuan auf Seite 134 dargestellt.<br />

2007 hat Chongqing den sogenannten "Ein Ring – Zwei Flügel"-Plan 15)<br />

veröffentlicht. Mit "Ring" ist die Zone gemeint, die im Radius von einer<br />

Stunde Fahrzeit um das eigentliche Stadtzentrum liegt. Sie umfasst auf einer<br />

Fläche von fast 29.000 Quadratkilometern 23 <strong>der</strong> insgesamt 40 Bezirke und<br />

Kreise Chongqings und gilt als ökonomisches Kraftzentrum <strong>der</strong> Provinz:<br />

Hier werden etwa 80% des Bruttoinlandsprodukts Chongqings erwirtschaftet.<br />

Innerhalb des Rings sind mehrere ambitionierte Projekte geplant: Ein<br />

großer neuer Industriepark soll sich auf <strong>Die</strong>nstleistungsbranchen fokussieren.<br />

Für einen ähnlichen Park im Norden ist eine Konzentration auf den<br />

Automobilbau, Elektronik und Pharma vorgesehen, für die Zone im <strong>West</strong>en<br />

ein Schwerpunkt auf Hightech, vor allem Mikroelektronik und die<br />

Software-Entwicklung.<br />

Weitere Industrieparks sollen an den Bahnlinien in die umliegenden Kommunen<br />

entstehen und sich unter an<strong>der</strong>em auf Erdgas, Petrochemie, Nahrungsmittel<br />

und Hightech fokussieren. Bis 2010 sollen allein in diese neuen<br />

Industriezonen 1 Bill. CNY (rund 144 Mrd. USD) investiert werden.<br />

15) " One-hour Economic Circle and the Two Wings "


150 |<br />

Studie<br />

<strong>Die</strong> "Zwei Flügel" breiten sich von <strong>der</strong> Ringzone in den Nordosten und den<br />

Südosten <strong>der</strong> Provinz Chongqing aus. Auf dem Gebiet des nordöstlichen<br />

Flügels mit dem Bezirk Wangzhou als Zentrum erstreckt sich <strong>der</strong> Drei-<br />

Schluchten-Stausee. Das Areal des Nordost-Flügels umfasst 11 Bezirke<br />

und Kreise <strong>der</strong> Provinz. Der Fokus im nordöstlichen Flügel liegt auf Landwirtschaft,<br />

Forstwirtschaft und Tourismus. Das Zentrum des südöstlichen<br />

Flügels mit insgesamt sechs Bezirken und Kreisen ist <strong>der</strong> Bezirk Qianjiang.<br />

In diesem Gebiet soll <strong>der</strong> Aufbau einer nachhaltigen Tourismuswirtschaft<br />

eine wichtige Rolle spielen.<br />

Duravit produziert Sanitärausstattung in Chongqing<br />

Duravit beschäftigt als Designmarktführer unter den Bad-Ausstattern weltweit<br />

5.000 Mitarbeiter und produziert Sanitärkeramik, Badmöbel sowie Wannenund<br />

Wellnessprodukte. Das 1817 im Schwarzwald gegründete Unternehmen<br />

startete seine Aktivitäten in <strong>West</strong>-China 2003 mit einem Joint Venture und<br />

wählte die Provinz Chongqing als Standort für die Duravit Chongqing Sanitaryware<br />

Co. Ltd. Zwei Jahre später erfolgte die offizielle Einweihung des neu<br />

gebauten Produktions- und Verwaltungsgebäudes mit Sitz in Youxi-Town<br />

(Jiangjin) in <strong>der</strong> Nähe von Chongqing, wo Duravit 20 Mio. USD investiert hat.<br />

Heute ist das ehemalige Gemeinschaftsunternehmen eine 100-prozentige<br />

Tochter und firmiert als Duravit Sanitaryware Co. Ltd.<br />

Ausländische Direktinvestitionen<br />

<strong>Die</strong> ausländischen Direktinvestitionen (ADI) nach Chongqing erreichten<br />

2008 ein Volumen von 2,7 Mrd. USD. Damit rangiert Chongqing in <strong>West</strong>china<br />

auf dem zweiten Platz hinter Sichuan. Dabei hat sich <strong>der</strong> Zufluss<br />

ausländischer Direktinvestitionen in den letzten Jahren rasant entwickelt:<br />

Zwischen 2004 und 2008 ist das ADI-Volumen durchschnittlich um 41%<br />

pro Jahr gewachsen. Über 1.500 ausländische Unternehmen waren im Jahr<br />

2007 in <strong>der</strong> regierungsunmittelbaren Stadt registriert. Damit steht Chongqing<br />

bezüglich <strong>der</strong> Präsenz ausländischer Unternehmen auf dem fünften<br />

Platz in China (nach Sichuan, Shaanxi, Guangxi und Yunnan). Gut möglich,<br />

dass sich diese Reihenfolge demnächst verän<strong>der</strong>t, denn die ausländischen<br />

Direktinvestitionen haben von 2007 auf 2008 einen sehr großen Sprung<br />

gemacht: Sie sind um den Faktor 2,4 gestiegen.


151 |<br />

<strong>Die</strong> <strong>Go</strong>-<strong>West</strong>-<strong>Strategie</strong> <strong>der</strong> <strong>chinesischen</strong> <strong>Regierung</strong> – Chancen für die deutsche Wirtschaft?<br />

Immer mehr deutsche Unternehmen werden in Chongqing ansässig. Dazu<br />

gehört <strong>der</strong> Badausstatter Duravit, <strong>der</strong> in <strong>der</strong> Metropole eine Produktionsstätte<br />

betreibt (siehe oben). <strong>Die</strong> Linde AG investierte zusammen mit einer<br />

Tochter des <strong>chinesischen</strong> Chemiekonzerns Sinopec 50 Mio. EUR in ein<br />

Gemeinschaftsunternehmen in Chongqing. Linde wird zunächst eine<br />

Luftzerlegungsanlage bauen, die ab 2011 Sauerstoff für die Herstellung<br />

<strong>der</strong> Basischemikalie VAM liefert.<br />

Auch die BASF AG ist in <strong>der</strong> Region aktiv. Der Ludwigshafener Konzern<br />

plant in Chongqing den Bau einer Fabrik für das Kunststoffvorprodukt MDI.<br />

Mit einer geplanten Kapazität von 400.000 Tonnen soll damit die weltweit<br />

größte Produktionsstätte für MDI entstehen.


152 |<br />

Studie


153 |<br />

<strong>Die</strong> <strong>Go</strong>-<strong>West</strong>-<strong>Strategie</strong> <strong>der</strong> <strong>chinesischen</strong> <strong>Regierung</strong> – Chancen für die deutsche Wirtschaft?


154 |<br />

Studie<br />

Shaanxi<br />

Mit einer Fläche von 190.000 Quadratkilometern ist Shaanxi die neuntgrößte<br />

Provinz Chinas. Ihre Lage in Zentralchina macht sie zu einem wichtigen<br />

Knotenpunkt des <strong>chinesischen</strong> Verkehrsnetzes.<br />

Der größte Teil von Shaanxi liegt auf einer Höhe von 1.000 bis 2.000<br />

Metern über dem Meeresspiegel. Deutlich tiefer – auf circa 400 Metern<br />

über dem Meeresspiegel – zieht sich das dicht besiedelte Tal des Wei von<br />

<strong>West</strong> nach Ost durch die Provinz. In dieser Guanzhong-Ebene ("Gebiet innerhalb<br />

<strong>der</strong> Pässe") leben zwei Drittel <strong>der</strong> 37,6 Millionen Einwohner von<br />

Shaanxi. Der Gelbe Fluss bildet die Ostgrenze zur Nachbarprovinz Shanxi<br />

und bahnt sich seinen Weg durch zahlreiche Täler und Schluchten. In den<br />

äußersten Norden Shaanxis erstrecken sich die Ausläufer <strong>der</strong> Ordos-Wüste,<br />

<strong>der</strong>en größter Teil auf dem Territorium <strong>der</strong> Inneren Mongolei liegt.<br />

Das südlich <strong>der</strong> Provinzhauptstadt Xi'an verlaufende Qin-Ling-Gebirge ist<br />

innerhalb <strong>der</strong> Provinz eine Klimascheide: Während die Gebiete im Norden<br />

trocken-gemäßigt (340-600 Millimeter Nie<strong>der</strong>schlag pro Jahr) und kälter<br />

sind, ist <strong>der</strong> Süden um die Hanzhong-Ebene subtropisch-feucht (800-1.200<br />

Millimeter Nie<strong>der</strong>schlag pro Jahr) und etwas wärmer; die Vegetation<br />

besteht aus Wäl<strong>der</strong>n, Wiesen und Reisfel<strong>der</strong>n. An <strong>der</strong> Südgrenze Shaanxis<br />

zu Sichuan befindet sich das Gebirge Dabashan. Sandstürme und Kältewellen<br />

sind dort keine Seltenheit. Insgesamt sind Winter und Frühjahr<br />

die trockensten Perioden, in denen – selbst im feuchteren Süden –<br />

Bewässerung in <strong>der</strong> Landwirtschaft erfor<strong>der</strong>lich sein kann.<br />

<strong>Die</strong> Einwohner <strong>der</strong> Provinz Shaanxi sind fast ausschließlich Han-Chinesen.<br />

<strong>Die</strong> Region um Xi'an ist stellenweise sehr dicht besiedelt; hier liegt die Bevölkerungsdichte<br />

zwischen 800 und 1.000 Einwohnern pro Quadratkilometer.<br />

In <strong>der</strong> Hauptstadt leben etwa 8,4 Millionen Menschen. Der Norden<br />

<strong>der</strong> Provinz ist eher ländlich geprägt und meist dünn besiedelt. 42% <strong>der</strong><br />

Provinzbevölkerung leben bereits in Städten, und es gibt einen starken<br />

Trend zu einer weiteren Urbanisierung. Wie die meisten <strong>West</strong>provinzen<br />

hat Shaanxi eine relativ junge Bevölkerung. Der Anteil <strong>der</strong> Altersgruppe<br />

zwischen 15 und 64 Jahren liegt bei 73%.


155 |<br />

<strong>Die</strong> <strong>Go</strong>-<strong>West</strong>-<strong>Strategie</strong> <strong>der</strong> <strong>chinesischen</strong> <strong>Regierung</strong> – Chancen für die deutsche Wirtschaft?<br />

Geschichte<br />

Shaanxi ist eine Provinz, die bereits im Altertum eine bedeutende Rolle<br />

gespielt hat: Im 11. Jahrhun<strong>der</strong>t vor Christus gründete die Zhou-Dynastie<br />

ihre Hauptstadt unweit des heutigen Xi’an am Wei-Fluss in <strong>der</strong> Guanzhong-<br />

Ebene. Nach <strong>der</strong> Einigung Chinas unter Qin Shi Huangdi ("Erster Kaiser")<br />

221 vor Christus war Xi’an über 1.000 Jahre lang das Zentrum <strong>der</strong> politischen<br />

Macht in China. In <strong>der</strong> Ära <strong>der</strong> Tang-Dynastie (618-906) war die<br />

Stadt eine <strong>der</strong> größten und wohlhabendsten Metropolen <strong>der</strong> Welt. Das<br />

damalige Chang’an ("Ewiger Friede") lag am östlichen Ende <strong>der</strong> Seidenstraße,<br />

die China mit Europa verband, und war schon im 9. Jahrhun<strong>der</strong>t<br />

eine Millionenstadt und ein bedeutendes, multikulturelles Handelszentrum.<br />

Das Ende <strong>der</strong> Tang-Dynastie war auch das Ende Xi’ans als Chinas Hauptstadt.<br />

<strong>Die</strong> Spuren <strong>der</strong> Geschichte sind in <strong>der</strong> Hauptstadt Shaanxis noch<br />

heute allgegenwärtig: <strong>Die</strong> Sehenswürdigkeiten im historischen Zentrum –<br />

die 14 Kilometer lange Stadtmauer, <strong>der</strong> Trommel- und Glockenturm, die<br />

Große Moschee etc. – bringen zahlreiche Besucher aus China und aus<br />

dem Ausland nach Shaanxi und machen den Tourismus zu einem wichtigen<br />

Wirtschaftszweig <strong>der</strong> Provinz.<br />

Seidenstraße<br />

Bereits in <strong>der</strong> Antike war die<br />

Seide eine begehrte Exportware:<br />

Lange war die Seidenstraße <strong>der</strong><br />

einzige Handelsweg aus dem<br />

Reich <strong>der</strong> Mitte ins Abendland.<br />

Der Ausgangspunkt <strong>der</strong> Seidenstraße<br />

war die Stadt Chang’an,<br />

das heutige Xi’an. Von dort führte<br />

sie weiter nach <strong>West</strong>en und teilte<br />

sich auf dem Gebiet des heutigen<br />

Xinjiang in zwei Routen, die<br />

nördlich und südlich des Tarim-<br />

Beckens verliefen und sich bei<br />

Kashgar wie<strong>der</strong> vereinigten. <strong>Die</strong><br />

weitere Strecke <strong>der</strong> Seidenstraße<br />

ging über den Karakorum-Pass<br />

durch Persien nach Syrien.<br />

Umwelt<br />

<strong>Die</strong> Verschmutzung <strong>der</strong> Umwelt ist in <strong>der</strong> gesamten Provinz ein schwerwiegendes<br />

Problem: Nach Schätzungen <strong>der</strong> Weltbank sind etwa 13 Millionen<br />

Einwohner Shaanxis auf Wasser angewiesen, dessen Qualität als gesundheitsgefährdend<br />

eingestuft wird. Kläranlagen fehlen weitgehend; in die<br />

Flüsse <strong>der</strong> Provinz werden nicht nur Haushaltsabwässer eingeleitet, son<strong>der</strong>n<br />

auch in großem Umfang Industrieabwässer. In den letzten Jahren hat die<br />

<strong>Regierung</strong> Maßnahmen für den Gewässerschutz ergriffen. So wurden seit<br />

2005 mehrere Kläranlagen gebaut, einige Werke geschlossen und die<br />

Kontrollen <strong>der</strong> Auflagen zu Gewässerreinhaltung verstärkt.<br />

Dem Norden <strong>der</strong> Provinz setzt die Desertifikation immer stärker zu: <strong>Die</strong><br />

Ordos-Wüste ist auf dem Vormarsch und erobert Teile des Ackerlandes. <strong>Die</strong><br />

Bodenerosion verstärkt das Risiko von Überflutungen. Um die Desertifikation<br />

und Bodenerosion zu bekämpfen, wurde mit Aufforstungsmaßnahmen<br />

begonnen. Bis 2010 soll eine Fläche von 1,5 Millionen Hektar aufgeforstet<br />

werden. Der Anteil <strong>der</strong> Forstfläche am Territorium Shaanxis soll von 30%<br />

(Stand 2005) auf 41% steigen.<br />

Infrastruktur<br />

Weil ein Großteil <strong>der</strong> Fläche Shaanxis gebirgig ist, gestaltete sich <strong>der</strong> Aufbau<br />

<strong>der</strong> Verkehrsinfrastruktur schwierig. Dementsprechende Lücken hatte das<br />

Straßen- und Schienennetz vor Beginn <strong>der</strong> <strong>Go</strong>-<strong>West</strong>-<strong>Strategie</strong>. In den letzten<br />

Jahren versuchte die <strong>Regierung</strong> jedoch, diesen Schwachpunkt zu beheben


156 |<br />

Studie<br />

und baute bis 2007 etwa 80.000 Kilometer neue Straßenverbindungen,<br />

davon 1.700 Kilometer Autobahnen/Schnellstraßen sowie 1.200 Kilometer<br />

neue Schienenstrecken.<br />

Im Bereich Straßenbau wurden in letzter Zeit wichtige Infrastrukturprojekte<br />

fertig gestellt. So verlaufen zwei Achsen des nationalen Fernstraßenplans<br />

("5 horizontal, 7 vertikal") (siehe Seite 63) durch Xi'an und schaffen über<br />

Zhengzhou eine Anbindung an die Ostküste und über Lanzhou eine Verbindung<br />

nach Xinjiang. Über die Nord-Süd-Achse gibt es eine Verbindung von<br />

Xi'an in die Innere Mongolei beziehungsweise über Chengdu nach Yunnan.<br />

Das Ziel ist, die Fahrzeit in die Zentren <strong>der</strong> Nachbarprovinzen auf acht<br />

Stunden zu verringern. Entsprechende Schnellstraßen sind bereits in Bau.<br />

Auf einer Bahn-Hochgeschwindigkeitstrasse sollen Passagiere künftig die<br />

Strecke von Xi'an nach Zhengzhou (Henan) zurücklegen. <strong>Die</strong> Arbeiten an<br />

<strong>der</strong> 460 Kilometer langen Trasse wurden bereits begonnen. Eine Neubaustrecke<br />

zwischen Taiyuan (Shanxi) und Zhongwei (Ningxia) wird den Norden<br />

<strong>der</strong> Provinz Shaanxi in Richtung <strong>West</strong>en mit Ürümqi verbinden und<br />

nach Osten für eine Anbindung an das ostchinesische Schienennetz sorgen.<br />

Vor kurzem wurde die 270 Kilometer lange Strecke von Shenmu in Nord-<br />

Shaanxi nach Shuozhou (Shanxi) elektrifiziert; sie verbindet die Kohlefel<strong>der</strong><br />

im Norden Shaanxis mit den Häfen an <strong>der</strong> Ostküste. Außerdem wird <strong>der</strong>zeit<br />

an einer 300 Kilometer langen Trasse von Xi'an nach Pingliang (Gansu)<br />

gebaut.<br />

Shaanxi hat einen internationalen und vier Inlandsflughäfen; drei weitere<br />

sollen bis 2020 neu gebaut werden. Das Flug- und Passagieraufkommen<br />

ist zwischen 2000 und 2008 mit durchschnittlich 13% beziehungsweise<br />

16% pro Jahr stark gewachsen. Pro Woche starten etwa 240 Flüge von Xi'an<br />

nach Peking. Der mit 11,3 Millionen Passagieren pro Jahr (Stand 2007)<br />

größte Flughafen Nordwestchinas soll bis 2011 auf eine Passagierkapazität<br />

von 26 Millionen Passagieren ausgebaut werden.<br />

Bis 2010 ist eine Erweiterung <strong>der</strong> elektrischen Netzleitungskapazität<br />

zum Ausbau des Energieexports vorgesehen. Hierbei sind insbeson<strong>der</strong>e<br />

die Verbindungen aus <strong>der</strong> Guanzhong-Ebene in die Küstenprovinz Jiangsu<br />

sowie aus dem nördlichen Shaanxi in den Nordteil Jiangsus für die Versorgung<br />

<strong>der</strong> Ostküste relevant; diese Trassen sind Bestandteil des gesamt<strong>chinesischen</strong><br />

Netzplans 2020. Auch innerhalb <strong>der</strong> Provinz soll das Elektrizitätsnetz<br />

erweitert werden, um die Energieversorgung <strong>der</strong> Unternehmen<br />

sicherzustellen. Hier war es in <strong>der</strong> Vergangenheit zu Engpässen<br />

gekommen.


157 |<br />

<strong>Die</strong> <strong>Go</strong>-<strong>West</strong>-<strong>Strategie</strong> <strong>der</strong> <strong>chinesischen</strong> <strong>Regierung</strong> – Chancen für die deutsche Wirtschaft?<br />

Wegen <strong>der</strong> umfangreichen Vorkommen von Energieressourcen und ihrer<br />

zentralen Lage spielt die Provinz Shaanxi eine wichtige Rolle im <strong>chinesischen</strong><br />

Netz <strong>der</strong> Gaspipelines. Von und durch Shaanxi verlaufen mehrere<br />

Gaspipelines nach Peking, Tianjin und Shangai. Auch die Trasse <strong>der</strong> <strong>West</strong>-<br />

Ost-Gaspipelines (siehe Seite 68) führt von Xinjiang über Shaanxi nach<br />

Shanghai.<br />

Einkommen und Konsumverhalten<br />

<strong>Die</strong> Kaufkraft liegt in den städtischen Regionen Shaanxis mit rund 9.300<br />

CNY (circa 1.220 USD) pro Kopf und Jahr im Mittelfeld unter den <strong>West</strong>provinzen<br />

(9.500 CNY, Stand 2007). <strong>Die</strong> ländliche Bevölkerung kommt nur<br />

auf ein verfügbares Einkommen von circa 2.300 CNY (circa 300 USD). Im<br />

Vergleich zu den weiter entwickelten Küstenprovinzen liegt sie weit zurück<br />

– vor allem bei <strong>der</strong> ländlichen Bevölkerung, <strong>der</strong>en durchschnittliche Kaufkraft<br />

nur die Hälfte des Niveaus <strong>der</strong> östlichen Provinzen erreicht.<br />

Das Konsumniveau ist daher noch relativ niedrig; dies spiegelt sich unter<br />

an<strong>der</strong>em an <strong>der</strong> im Vergleich mit Ostchina niedrigen Penetration <strong>der</strong> städtischen<br />

Haushalte mit Wohlstandsgütern wie Computer, Klimaanlagen und<br />

Pkw wi<strong>der</strong>. Im Vergleich unter den west<strong>chinesischen</strong> Provinzen ist die<br />

Anzahl <strong>der</strong> Klimaanlagen weit überdurchschnittlich (100 pro 100 städtische<br />

Haushalte vs. 42), die <strong>der</strong> Computer ebenfalls überdurchschnittlich (56 vs.<br />

44); dagegen fällt die Pkw-Dichte mit 4,5 Autos pro 100 städtische Haushalte<br />

etwas niedriger aus als im <strong>West</strong>-Durchschnitt (5,7).<br />

Bildung und Forschung<br />

Shaanxi ist ein Zentrum von Forschung und Wissenschaft in <strong>West</strong>china. <strong>Die</strong><br />

Provinz hat allein 66 Universitäten und belegt damit Platz eins unter den<br />

<strong>West</strong>provinzen. Nach <strong>der</strong> Relation von Hochschulen zur Einwohnerzahl<br />

belegt Shaanxi mit 1,7 Universitäten auf eine Million Einwohner den dritten<br />

Rang im <strong>West</strong>en. In <strong>der</strong> Provinz schließen mit 6 Absolventen pro 1.000<br />

Einwohner jährlich die meisten Personen in den <strong>West</strong>provinzen ein Studium<br />

ab – ein Wert, <strong>der</strong> doppelt so hoch ist wie im Schnitt <strong>der</strong> <strong>West</strong>provinzen<br />

(2,8) und fast an den Shanghais (6,8) heranreicht. Dementsprechend<br />

hoch ist <strong>der</strong> Anteil von Akademikern an <strong>der</strong> Bevölkerung: Er liegt bei 8%,<br />

<strong>der</strong> <strong>West</strong>-Durchschnitt dagegen nur bei 5%.<br />

Xi'an gilt mit 43 Universitäten und Fachhochschulen – sowie mit 400 ITund<br />

Softwareunternehmen – als einer <strong>der</strong> wichtigsten Forschungs- und<br />

Entwicklungsstandorte in <strong>West</strong>china und hat im Provinzvergleich beson<strong>der</strong>s<br />

viele Hochschulabsolventen vorzuweisen: Das Verhältnis zwischen Uni-<br />

Absolventen und Bevölkerung <strong>der</strong> Hauptstadt liegt bei 19 zu 1.000 Einwohnern<br />

im Jahr – diese Relation ist nicht nur <strong>der</strong> Spitzenwert unter den west<strong>chinesischen</strong><br />

Städten, son<strong>der</strong>n übertrifft auch Shanghai – dort liegt das<br />

Verhältnis bei 6,8 Absolventen zu 1000 Einwohnern im Jahr.


158 |<br />

Studie<br />

In <strong>der</strong> Zahl <strong>der</strong> angemeldeten Patente als Indikator für die Forschungsleistung<br />

<strong>der</strong> Provinz liegt Shaanxi mit knapp 4.500 im Jahr 2007 in <strong>der</strong> Spitzengruppe<br />

<strong>der</strong> <strong>West</strong>provinzen und mit 117 Patenten pro 1 Million Einwohner<br />

auch deutlich über dem Schnitt <strong>der</strong> <strong>West</strong>provinzen.<br />

<strong>Die</strong> hohe Bedeutung von Wissenschaft und Forschung schlägt sich auch in<br />

den Bildungsinvestitionen nie<strong>der</strong>, die 2007 mit fast 11 Mrd. CNY (rund 1,4<br />

Mrd. USD) 19% <strong>der</strong> in den <strong>West</strong>provinzen für Bildung investierten Summe<br />

ausmachen. Nur die wesentlich größere Provinz Sichuan hat absolut mehr<br />

in Bildung investiert. Pro 1.000 Einwohner liegt Shaanxi bei den Bildungsinvestitionen<br />

mit 286.000 CNY an <strong>der</strong> Spitze <strong>der</strong> <strong>West</strong>provinzen und auch<br />

deutlich über dem Schnitt <strong>der</strong> östlichen Provinzen (193.000 CNY).<br />

Natürliche Ressourcen und Rohstoffe<br />

Shaanxi verfügt über große Vorkommen an Energieressourcen, die vor allem<br />

im Nordteil <strong>der</strong> Provinz liegen: Das Kohlevorkommen wird auf 163 Mrd.<br />

Tonnen geschätzt, damit hat Shaanxi die drittgrößten Kohlereserven in<br />

China nach Xinjiang und <strong>der</strong> Inneren Mongolei. Das Ölvorkommen in<br />

Shaanxi beläuft sich auf 1,1 Mrd. Tonnen, das Erdgasvorkommen auf<br />

588 Mrd. Kubikmeter. <strong>Die</strong> Entwicklung des Energiesektors, insbeson<strong>der</strong>e<br />

<strong>der</strong> "North Shaanxi energy and chemical base", ist ein integraler Teil <strong>der</strong><br />

Wachstumsstrategie <strong>der</strong> Provinz.<br />

Wirtschaftsleistung<br />

Shaanxi profitierte als eines <strong>der</strong> wichtigsten Wachstumszentren <strong>West</strong>chinas<br />

überproportional von <strong>der</strong> <strong>Go</strong>-<strong>West</strong>-<strong>Strategie</strong>. Das Bruttoinlandsprodukt<br />

belief sich 2008 auf 685 Mrd. CNY (rund 99 Mrd. USD), davon wurde ein<br />

Drittel in <strong>der</strong> Hauptstadt Xi'an erwirtschaftet. Das BIP <strong>der</strong> Provinz Shaanxi<br />

entspricht einem Anteil von 2,3% an <strong>der</strong> gesamt<strong>chinesischen</strong> Wirtschaftsleistung,<br />

damit liegt Shaanxi hinter Sichuan (180 Mrd. USD; 4,2%) und etwa<br />

gleichauf mit <strong>der</strong> Inneren Mongolei und Guangxi. 2008 betrug das Wirtschaftswachstum<br />

<strong>der</strong> Provinz Shaanxi 16%; zwischen 2004 und 2008<br />

erreichte das durchschnittliche jährliche Wachstum 15% und kam so über<br />

den west<strong>chinesischen</strong> Fünfjahresschnitt von 14% und übertraf damit bei<br />

Weitem die jährliche durchschnittlichen Wachstumsrate Gesamtchinas<br />

von 9,1%. Unter den <strong>West</strong>provinzen wuchs mit 18% pro Jahr nur die<br />

Innere Mongolei noch schneller.<br />

Yan'an<br />

Etwa 250 Kilometer nördlich von<br />

Xi'an befindet sich Yan’an, ein<br />

legendärer Ort in <strong>der</strong> Geschichte<br />

<strong>der</strong> Kommunistischen Partei<br />

Chinas (KPCh): Hier richteten<br />

die Überlebenden des Langen<br />

Marsches 1936 das neue Hauptquartier<br />

<strong>der</strong> KPCh ein. Von Yan'an<br />

aus organisierten Mao und die<br />

Führungska<strong>der</strong> <strong>der</strong> Partei den<br />

bewaffneten Kampf gegen die<br />

Guomindang-<strong>Regierung</strong>, <strong>der</strong><br />

1949 mit dem Sieg <strong>der</strong> kommunistischen<br />

Volksbefreiungsarmee<br />

und <strong>der</strong> Gründung <strong>der</strong> Volksrepublik<br />

China endete.<br />

Wirtschaftsstruktur<br />

Der primäre Sektor hat mit einem Anteil von 11% am Bruttoinlandsprodukt<br />

von Shaanxi einen geringeren Stellenwert als in vielen an<strong>der</strong>en <strong>West</strong>provinzen<br />

(durchschnittlich 16%). Den größten Beitrag zum BIP <strong>der</strong> Provinz<br />

liefert <strong>der</strong> sekundäre Sektor mit 52%. Hier gibt es deutlich dominierende


159 |<br />

<strong>Die</strong> <strong>Go</strong>-<strong>West</strong>-<strong>Strategie</strong> <strong>der</strong> <strong>chinesischen</strong> <strong>Regierung</strong> – Chancen für die deutsche Wirtschaft?<br />

Branchen: Der Bergbau erwirtschaftet 19% des Provinz-BIP, das produzierende<br />

Gewerbe 22%. Innerhalb des produzierenden Gewerbes spielen<br />

insbeson<strong>der</strong>e <strong>der</strong> Bausektor (8%), die Energieerzeugung und -versorgung<br />

(3%), die petrochemische Industrie (3%) und <strong>der</strong> Sektor Transportausrüstung<br />

(Luftfahrt, Automotive) (3%) eine bedeutende Rolle. Der BIP-Anteil<br />

des tertiären Sektors liegt bei 33%. Hier dominieren mit einem Anteil von<br />

jeweils 7% am Provinz-BIP die Branchen Transport und Logistik sowie<br />

Groß- und Einzelhandel.<br />

Einige Branchen in Shaanxi haben große Relevanz für die Wirtschaft Chinas:<br />

Der Bergbau <strong>der</strong> Provinz erwirtschaftet einen Anteil von 8% <strong>der</strong> gesamt<strong>chinesischen</strong><br />

Produktion in diesem Wirtschaftszweig und liegt damit auf Platz<br />

eins unter den <strong>West</strong>provinzen. <strong>Die</strong> wachsende Bedeutung <strong>der</strong> petrochemischen<br />

Industrie in Shaanxi zeigt sich an einem Wertschöpfungsanteil von<br />

5% des gesamt<strong>chinesischen</strong> Outputs dieser Branche; hier ist Shaanxi unter<br />

den westlichen Provinzen ebenfalls die Nummer eins. Shaanxis Pharmasektor<br />

liegt mit 3% des <strong>chinesischen</strong> BIP in diesem Sektor hinter Sichuan auf<br />

Rang zwei <strong>der</strong> <strong>West</strong>provinzen. Der Transportsektor (Flugzeugbau, Automobil)<br />

nimmt den dritten Platz nach Sichuan und Chongqing (3%) ein.<br />

Warenhandel mit dem Ausland<br />

Der Außenhandel Shaanxis verzeichnet in den letzten zehn Jahren einen<br />

starken Aufwärtstrend. Das Export-Volumen lag 2008 bei 6,8 Mrd. USD,<br />

das entspricht einem Wachstum von 28% gegenüber dem Vorjahr. Das<br />

Volumen <strong>der</strong> Importe betrug 3,7 Mrd. USD, das bedeutet ein Plus von 27%<br />

im Vergleich zu 2007. Damit hat sich die Handelsbilanz verbessert. Mit<br />

einem Anteil von 77% am Handelsvolumen ist die Provinzhauptstadt Xi'an<br />

das Schwergewicht des Außenhandels in Shaanxi, weitere Zentren sind die<br />

Städte Baoji (12%) und Xianyang (6%). <strong>Die</strong> mit Abstand größten Handelspartner<br />

waren 2006 die Europäische Union (29%), die USA (17%),<br />

Japan (9%) und Indien (8%).<br />

<strong>Die</strong> wichtigsten Exportgüter sind elektromechanische Erzeugnisse (37%),<br />

Mineralien und Erze (23%), Agrarprodukte (10%), Textilien (8%) und Hightech-Produkte<br />

(5%). Auf diese Produktgruppen entfielen 2006 mehr als<br />

vier Fünftel des Gesamtvolumens aller Ausfuhren <strong>der</strong> Provinz Shaanxi.<br />

Kernindustrien, Cluster<br />

Der Guanzhong-Tianshui-Städtecluster mit den Städten Xi'an, Xianyang,<br />

Baoji, Weinan in <strong>der</strong> Guanzhong-Flussebene wurde von <strong>der</strong> <strong>chinesischen</strong><br />

Zentralregierung als eine <strong>der</strong> drei Kernentwicklungszonen (siehe Seite 56)<br />

im <strong>West</strong>en definiert. <strong>Die</strong>se Kernentwicklungszone ist provinzübergreifend:<br />

<strong>Die</strong> Stadt Thianshui liegt in <strong>der</strong> Nachbarprovinz Gansu. Zu den Plänen für


160 |<br />

Studie<br />

diese Kernentwicklungszone gehört eine För<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Urbanisierung;<br />

dabei ist vorgesehen, dass die Städte Xi'an und Xianyang zusammenwachsen<br />

sollen. Aufgrund <strong>der</strong> starken Präsenz von Universitäten und an<strong>der</strong>en<br />

wissenschaftlichen Institutionen ist diese Kernentwicklungszone ein<br />

Schwerpunkt für Forschung und Entwicklung. <strong>Die</strong>s wie<strong>der</strong>um erweist<br />

sich als attraktiver Standortfaktor für technologieintensive Branchen wie<br />

den Flugzeug- und Automobilbau, die optische Industrie, Optik, IT/Software<br />

sowie das Business Process Outsourcing 16) .<br />

Shaanxi hat fünf Hightech- und Wirtschaftsentwicklungszonen (Xi'an,<br />

Bao'ji, Yangling, Weinan, Xianyang). <strong>Die</strong> Xi'an High-Tech Industrial Development<br />

Zone ist eine <strong>der</strong> erfolgreichsten Chinas und beherbergt circa<br />

1.300 chinesische und 900 ausländische Unternehmen.<br />

In Shaanxi befindet sich Chinas führen<strong>der</strong> Cluster für Flugzeugbau: Der Xian<br />

Yangliang Aviation Park, etwa 50 Kilometer nordöstlich von Xi'an gelegen,<br />

ist ein nationales Zentrum für Luft- und Raumfahrt. Hier haben sich Forschungs-<br />

und Entwicklungseinrichtungen sowie Unternehmen angesiedelt,<br />

darunter mehrere große Flugzeughersteller, Hochschulen sowie mehrere<br />

Forschungsinstitute.<br />

Der Bereich Luft- und Raumfahrt ist noch an weiteren Standorten in Shaanxi<br />

präsent: Xi'an ist <strong>der</strong> Sitz einiger chinesischer Raumfahrtunternehmen. In<br />

<strong>der</strong> Provinz sind viele große Namen <strong>der</strong> <strong>chinesischen</strong> Luftfahrtindustrie<br />

zuhause: Xian Aircraft Industry Group, Shaanxi Aircraft und Hanzhong<br />

Aircraft stellen Komponenten, Transport-, Kurzstreckenpassagier- und<br />

Militärflugzeuge sowie einen Regionaljet her. Xian Aero Engine Group ist<br />

das größte chinesische Outsourcing-Unternehmen für Luftfahrtmotoren<br />

(2007). Joint Ventures von Xian Aero Engine mit Rolls-Royce und Pratt &<br />

Whitney produzieren Komponenten für mehrere amerikanische und<br />

europäische Flugzeughersteller.<br />

Weitere Schwerpunktbranchen <strong>der</strong> Provinz Shaanxi sind <strong>der</strong> Maschinenbau<br />

und <strong>der</strong> Fahrzeugbau: <strong>Die</strong> Shaanxi Automotive Group (Offroad-Fahrzeugund<br />

Lkw-Herstellung) hat mit an<strong>der</strong>en Unternehmen <strong>der</strong> Branche eine<br />

"Engineering Academy" für Aus- und Weiterbildung sowie für Forschungund<br />

Entwicklung gegründet. <strong>Die</strong> Shaanxi Automotive Group kooperiert mit<br />

<strong>der</strong> deutschen MAN Gruppe; außerdem ist das Automobilunternehmen ein<br />

Joint Venture mit Cummins (USA) zur Motorenherstellung eingegangen.<br />

Shaanxi Fast Gear ist Chinas größter Getriebehersteller und betreibt mit<br />

Easton aus den USA ein Joint Venture.<br />

16) Beim Business Process Outsourcing (BPO) werden einzelne Geschäftsprozesse (zum Beispiel<br />

Buchhaltung, Personalverwaltung, Teile <strong>der</strong> Forschung und Entwicklung) einem externen <strong>Die</strong>nstleistungsunternehmen<br />

übertragen.


161 |<br />

<strong>Die</strong> <strong>Go</strong>-<strong>West</strong>-<strong>Strategie</strong> <strong>der</strong> <strong>chinesischen</strong> <strong>Regierung</strong> – Chancen für die deutsche Wirtschaft?<br />

BYD Auto aus Guangdong hat in Xi'an eines <strong>der</strong> weltgrößten Werke für<br />

Akkumulatoren und stellt über seine Tochter SinoMOS Hybrid-Elektrofahrzeuge<br />

her. Im Maschinenbau sind einige ausländische Unternehmen aktiv,<br />

darunter auch deutsche Firmen: Bosch, Siemens, Metso, ABB, Schnei<strong>der</strong>.<br />

Shaanxi ist inzwischen auch die Heimat zahlreicher chinesischer und ausländischer<br />

Unternehmen aus dem Hightech-Sektor: Datang Telecom, Zhongxing<br />

Telecom (ZTE), IRICO (Elektronik) sowie Xi'an Janssen Pharma (eine<br />

Tochter von Johnsson & Johnsson), Infineon und Qimonda, Applied Materials,<br />

Honeywell, Hewlett-Packard und International Rectifier. <strong>Die</strong> meisten<br />

dieser Unternehmen haben sich in den Hightech- und Wirtschaftsentwicklungszonen<br />

angesiedelt, wo sie Produktionsstätten sowie Forschungsund<br />

Entwicklungseinrichtungen betreiben.<br />

Während <strong>der</strong> Süden das regionale Zentrum <strong>der</strong> metallverarbeitenden Industrie<br />

darstellt, ist <strong>der</strong> Norden Shaanxis mit seinen Kohle-, Gas- und Ölreserven<br />

stark von <strong>der</strong> Energie- und Chemiebranche geprägt. Hier haben sich viele<br />

chinesische Energiekonzerne angesiedelt, darunter Shaanxi Coal Chemical,<br />

Shenhua Energy Group, Petrol China, Shaanxi Yanchang Petrol, China<br />

Natural Gas. Auch ausländische Unternehmen sind hier präsent: Anglo<br />

American, Shell, Messer, British Petrol, Dow Chemical und Genesis Energy.<br />

Im Moment bauen viele Öl- und Chemieunternehmen in <strong>der</strong> Region um<br />

die Städte Yulin, Shenmu, Fugu Coal-to-Petrol-Anlagen 17) ; aktiv in diesem<br />

Bereich sind <strong>der</strong>zeit die Shaanxi Coal Chemical Group (Methanol, Butanediol),<br />

Shenhua Energy Group (Coal-to-Oil), Anglo American (Coal-to-Chemicals),<br />

Sino Biopharmaceutical (Coal-to-Olefin), Dow Chemical and Shenua<br />

Energy (Coal-to-Chemicals) sowie Sasol (Südafrika, Coal-to-Liquid). Weiterhin<br />

baut China United Coalbed Methane mit Longmen Hui Cheng Investment<br />

in Hancheng Anlagen zur Methangasextraktion aus Kohlegruben.<br />

<strong>Die</strong> Ölför<strong>der</strong>ung ist ebenfalls ein wichtiger Faktor in Shaanxis Wirtschaft:<br />

<strong>Die</strong> Shaanxi Yangchong Petroleum Group – das Unternehmen in seiner<br />

heutigen Form entstand 2003 im Zuge <strong>der</strong> Verstaatlichung des Ölsektors<br />

<strong>der</strong> Provinz und ist heute <strong>der</strong> viertgrößte Ölkonzern Chinas – för<strong>der</strong>te 2007<br />

8,3 Mio. Tonnen Rohöl und plant für 2010 eine Ausweitung auf 12 Mio.<br />

Tonnen. 2009 stellte es eine neue Großraffinerie für verschiedene Chemiekalien<br />

und Treibstoffe fertig, und 2010 soll eine neue Methanol-Raffinerie<br />

in Betrieb gehen. Genesis Energy investiert momentan in neue För<strong>der</strong>kapazitäten<br />

im Xunyi-Ölfeld.<br />

Für die Erdgas-För<strong>der</strong>ung sind vor allem die Gasfel<strong>der</strong> im Ordos-Becken<br />

relevant – eines <strong>der</strong> wichtigsten För<strong>der</strong>gebiete für PetroChina. Royal Dutch<br />

Shell för<strong>der</strong>t hier seit 2007 im Rahmen eines Joint Venture für PetroChina<br />

im Changbei-Feld.<br />

17) Chemisches Verfahren zur Kohleverflüssigung, um Erdöl als Ausgangsstoff für die Petrochemie<br />

zu ersetzen.


162 |<br />

Studie<br />

Shaanxi ist ein Netto-Exporteuer von Elektrizität. Der unabhängige chinesische<br />

Elektrizitätskonzern Huaneng Enterprises ist einer <strong>der</strong> wichtigsten<br />

Investoren und baut <strong>der</strong>zeit ganz im Norden <strong>der</strong> Provinz den Fugu-Qingshuichuan-(Kohle)-Kraftwerkskomplex<br />

auf. Im Süden Shaanxis gibt es an<br />

den Flüssen Hanjiang, Xihe and Shuhe mehrere Wasserkraftwerke. Ein<br />

isländisches Konsortium hat in Geothermiekraftwerke investiert.<br />

In <strong>der</strong> landwirtschaftlichen Produktion <strong>der</strong> Provinz ist <strong>der</strong> Schwerpunkt <strong>der</strong><br />

Anbau von Getreide, Gemüse und Obst. Vor allem <strong>der</strong> Apfelanbau wurde in<br />

den letzten Jahren stark geför<strong>der</strong>t: Auf einer Fläche von 426.000 Hektar<br />

wachsen 40% <strong>der</strong> <strong>chinesischen</strong> Apfelernte. Im Kontext <strong>der</strong> Landwirtschaft<br />

wird in <strong>der</strong> Provinz Shaanxi auch in <strong>der</strong> Gentechnik geforscht: Eine wichtige<br />

Institution ist hier die Universität Yangling. Einen engen Bezug zur<br />

Landwirtschaft hat auch das Produktportfolio <strong>der</strong> chemischen Industrie,<br />

die viele Agrarchemikalien herstellt.<br />

Wirtschaftspolitische Schwerpunkte<br />

Für die wirtschaftliche Weiterentwicklung <strong>der</strong> Provinz setzt die <strong>Regierung</strong><br />

primär auf hochtechnologie- und exportorientierte Branchen. Dabei sollen<br />

einige Wirtschaftszweige innerhalb <strong>der</strong> Hightech-Zonen beson<strong>der</strong>s geför<strong>der</strong>t<br />

werden. Dazu gehört beispielsweise die pharmazeutische Industrie o<strong>der</strong><br />

<strong>der</strong> Maschinen- und Anlagenbau, dessen Produktivität erhöht werden soll.<br />

Das beson<strong>der</strong>e Augenmerk <strong>der</strong> <strong>Regierung</strong> gilt <strong>der</strong> Armutsbekämpfung,<br />

vor allem im ländlichen Raum. Zu den geplanten Maßnahmen zählen die<br />

Umsiedlung von Bauern aus Gegenden mit wenig fruchtbaren Böden in<br />

stadtnahe Gebiete sowie die Ansiedlung von (Spezial-/Nischen-)Agrarbetrieben<br />

für den Export.<br />

Ausländische Direktinvestitionen<br />

Shaanxi empfing zwischen 2004 und 2008 im Durchschnitt 13% aller<br />

ausländischen Direktinvestitionen, die in diesem Zeitraum nach <strong>West</strong>chinas<br />

geflossen sind. Damit belegt die Provinz nach Sichuan, Chongqing und <strong>der</strong><br />

Inneren Mongolei den vierten Platz. 2008 lag <strong>der</strong> Anteil an den ausländischen<br />

Direktinvestitionen (ADI) in den <strong>West</strong>provinzen bei 11% (1,4 Mrd.<br />

USD). <strong>Die</strong> durchschnittliche jährliche ADI-Wachstumsrate in Shaanxi<br />

betrug 27% in den Jahren von 2004 bis 2008. <strong>Die</strong>ser Wert liegt unterhalb<br />

des <strong>West</strong>-Durchschnitts von 35% – allerdings ist dies auch auf das bereits<br />

relativ hohe Ausgangsniveau Shaanxis zurückzuführen. Innerhalb <strong>der</strong><br />

Provinz hatte Xi'an die höchste Anziehungskraft für ausländische Direktinvestitionen<br />

– mit einer durchschnittliche jährlichen ADI-Wachstumsrate<br />

von 43% überholte die Hauptstadt ganz klar alle an<strong>der</strong>en Standort Shaanxis.


163 |<br />

<strong>Die</strong> <strong>Go</strong>-<strong>West</strong>-<strong>Strategie</strong> <strong>der</strong> <strong>chinesischen</strong> <strong>Regierung</strong> – Chancen für die deutsche Wirtschaft?<br />

<strong>Die</strong>s ist ein Hinweis, dass die beson<strong>der</strong>e För<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Region Xi'an-<br />

Xianyang im Rahmen <strong>der</strong> Vorgaben für die Kernentwicklungszone des<br />

Guanzhong-Tianshui-Cluster greifbare Ergebnisse zeigt.<br />

2007 flossen in Shaanxi rund 49% <strong>der</strong> ausländischen Direktinvestitionen<br />

(613 Mio. USD) in die produzierende Industrie, etwa 31% (390 Mio. USD)<br />

in den Immobiliensektor <strong>der</strong> Provinz. Weit abgeschlagen folgten mit einem<br />

Anteil von je circa 4% die Branchen Energiewirtschaft und Gas-/Wasserversorgung<br />

sowie Hotel- und Gaststättengewerbe.<br />

Von den <strong>der</strong>zeit 34 in Shaanxi in <strong>der</strong> Datenbank <strong>der</strong> Deutschen Handelskammer<br />

gelisteten Unternehmen aus Deutschland haben sich die meisten<br />

in <strong>der</strong> Region Xi'an und einige wenige im nahe gelegenen Baoji angesiedelt,<br />

das ebenfalls im Guanzhong-Tianshui-Cluster liegt. Der Großteil <strong>der</strong> deutschen<br />

Firmen kommt aus den Branchen Maschinenbau und Elektronik/Software/IT,<br />

darunter sind Unternehmen wie Infineon, Siemens und Thyssenkrupp.<br />

Zulieferbetriebe <strong>der</strong> Branchen Automobil und Luftfahrt sind ebenfalls<br />

in Shaanxi vertreten, zum Beispiel Schaeffler, Bosch und Messer Gas. Deutsche<br />

Firmen sind außerdem in den Branchen Einzelhandel, Chemie, Baumaterialien<br />

und Logistik präsent, beispielsweise Metro, Kühne & Nagel, Heidelberg).<br />

Fraport hält einen fast 25-prozentigen Anteil am Flughafen Xianyang.<br />

Fraport AG beteiligt sich am Flughafen Xi'an<br />

Als erster ausländischer Flughafenbetreiber hat sich die Fraport AG an einem<br />

nicht börsenorientierten Airport in China beteiligt: Das deutsche Unternehmen<br />

hält 24,5% <strong>der</strong> Anteile an einem Joint Venture mit <strong>der</strong> China <strong>West</strong> Airport<br />

Group, das künftig den Flughafen von Xi'an in <strong>der</strong> Provinz Shaanxi betreiben<br />

soll. Der internationale Airport <strong>der</strong> Provinzhauptstadt von Shaanxi kann eine<br />

beachtliche Entwicklung vorweisen: Der Flughafen <strong>der</strong> alten Kaiserstadt mit<br />

<strong>der</strong> weltberühmten Terrakotta-Armee hat im ersten Halbjahr 2009 7 Millionen<br />

Passagiere abgefertigt. Das entspricht im Vergleich zum entsprechenden Vorjahreszeitraum<br />

einer Steigerung von 30%. Auch künftig verspricht <strong>der</strong> mit einer<br />

Entfernung zum Stadtzentrum von 27 Kilometer gut positionierte Airport ein<br />

hohes Passieraufkommen: In seinem Einzugsgebiet leben 40 Millionen<br />

Menschen.<br />

US-amerikanische Unternehmen sind in Shaanxi ebenfalls zahlreich vertreten.<br />

Sie verteilen sich auf die Branchen Lebensmittel- und Getränkeherstellung<br />

(Pepsi), Einzelhandel (Wal-Mart), Elektronik/Software/IT (Oracle,<br />

EMC, Hewlett Packard, International Rectifier, Honeywell), Energie und<br />

Chemie (Dow Chemical, Applied Material), Bergbau (Anglo American)


164 |<br />

Studie<br />

sowie Transportausrüstung und Maschinenbau (Pratt & Whitney, Cooper<br />

Electric). Weitere ausländische Konzerne, die sich in Shaanxi angesiedelt<br />

haben, kommen aus Australien, Finnland, Frankreich (Carrefour), den<br />

Nie<strong>der</strong>landen (Shell) und <strong>der</strong> Schweiz (ABB).<br />

Politisches Umfeld für Investoren<br />

<strong>Die</strong> <strong>Regierung</strong> von Shaanxi zeigt sich für ausländische Investitionen in den<br />

meisten Kernindustrien <strong>der</strong> Provinz sehr aufgeschlossen. Ziel ist es, bestehende<br />

Industrien zu mo<strong>der</strong>nisieren sowie neue technologieintensive Branchen<br />

anzusiedeln. <strong>Die</strong> 13 Schwerpunktbranchen im "Catalogue of competitive<br />

industries for Foreign Investment in Shaanxi" decken sich mit denen<br />

des nationalen Entwicklungsplans für Zentral- und <strong>West</strong>china (siehe Seite<br />

55ff.). Hervorgehoben werden in <strong>der</strong> Provinz jedoch die Bereiche Verkehrsinfrastruktur<br />

und städtische Versorgung, Verarbeitung fossiler und an<strong>der</strong>er<br />

nicht-erneuerbarer Rohstoffe, Nischen-/Spezialprodukte und -techniken in<br />

<strong>der</strong> Landwirtschaft, Mo<strong>der</strong>nisierung von Staatsbetrieben in <strong>der</strong> verarbeitenden<br />

Industrie, Tourismusentwicklung und die Ansiedlung neuer Branchen<br />

wie Agrartechnologie, Materialtechnik, Biotech o<strong>der</strong> energieeffiziente<br />

Technologien.<br />

Tendenziell geht es also um jene Bereiche, die zum Technologietransfer und<br />

zur Schaffung hochqualifizierter Beschäftigung beiträgt. <strong>Die</strong> Ausbeutung<br />

natürlicher Ressourcen durch ausländische Unternehmen ist deshalb nur<br />

in Verbindung mit technologieintensiven Anwendungen erwünscht.


165 |<br />

<strong>Die</strong> <strong>Go</strong>-<strong>West</strong>-<strong>Strategie</strong> <strong>der</strong> <strong>chinesischen</strong> <strong>Regierung</strong> – Chancen für die deutsche Wirtschaft?


166 |<br />

Studie


167 |<br />

<strong>Die</strong> <strong>Go</strong>-<strong>West</strong>-<strong>Strategie</strong> <strong>der</strong> <strong>chinesischen</strong> <strong>Regierung</strong> – Chancen für die deutsche Wirtschaft?


168 |<br />

Studie<br />

Xinjiang<br />

<strong>Die</strong> Autonome Region Xinjiang ist die größte Provinz Chinas: Ihre Fläche von<br />

1,6 Mio. Quadratkilometern entspricht einem Sechstel des gesamten <strong>chinesischen</strong><br />

Territoriums. <strong>Die</strong> Autonome Region Xinjiang hat eine gemeinsame<br />

Grenze mit acht Staaten: Mongolei, Russland, Kasachstan, Kirgisistan,<br />

Tadschikistan, Pakistan und Indien.<br />

Xinjiang ist von Gebirgen umgeben – vom Altai im Norden, vom Pamir im<br />

<strong>West</strong>en, <strong>der</strong> Kunlun Shan im Süden und <strong>der</strong> Altun Shan im Südosten. Manche<br />

Gipfel dieser Bergketten sind mehr als 7.000 Meter hoch. Der Gebirgszug<br />

Tian Shan ("Himmelsgebirge") zieht sich auf einer Länge von 2.500<br />

Kilometern quer durch Xinjiang und teilt dabei die Provinz in zwei große<br />

Beckenlandschaften: das Junggar-Becken im Norden und das Tarim-Becken<br />

im Süden. Hier liegt die Wüste Taklamakan, mit einer Ausdehnung von<br />

300.000 Quadratkilometern die zweitgrößte Sandwüste <strong>der</strong> Welt. Xinjiang<br />

gehört zu den trockensten Provinzen Chinas, was in <strong>der</strong> Landwirtschaft<br />

großflächige Bewässerung erfor<strong>der</strong>lich macht.<br />

In Xinjiang leben 21,3 Millionen Menschen, davon etwa zwei Drittel in<br />

ländlichen Gebieten. Aufgrund <strong>der</strong> geografischen Bedingungen – die Landschaft<br />

Xinjiangs besteht größtenteils aus Wüsten und Bergen – ist die<br />

Besiedelungsdichte eher gering.<br />

In Ürümqi ("Schöne Weiden"), seit dem 19. Jahrhun<strong>der</strong>t die Hauptstadt <strong>der</strong><br />

Provinz, leben 2,4 Millionen Einwohner, davon sind 75% Han-Chinesen 18) .<br />

Das sehr trockene Klima (etwa 270 Millimeter Nie<strong>der</strong>schlag pro Jahr) ist<br />

kontinental geprägt: <strong>Die</strong> Sommer sind sehr heiß, die Winter dagegen extrem<br />

kalt. Das Thermometer fällt dann auf bis zu minus 30° C.<br />

Geschichte<br />

Vor 2.000 Jahren war Xinjiang ein Knotenpunkt des Weltwirtschaft und<br />

Chinas Tor nach Zentralasien und Europa: <strong>Die</strong> beiden Routen <strong>der</strong> Seidenstraße<br />

waren die Transportwege für den Warenverkehr aus China in das<br />

Römische Reich. Im 18. Jahrhun<strong>der</strong>t eroberten chinesische Truppen das<br />

Gebiet Xinjiangs. In <strong>der</strong> ersten Hälfte des 20. Jahrhun<strong>der</strong>ts wurde Xinjiang<br />

zwar offiziell von <strong>chinesischen</strong> Militärgouverneuren regiert, tatsächlich<br />

war es jedoch seit den zwanziger Jahren sowjetisches Einflussgebiet und<br />

war von 1934 bis 1941 ein Satellitenstaat <strong>der</strong> UdSSR. <strong>Die</strong> <strong>chinesischen</strong><br />

Kommunisten besetzten Xinjiang 1949; damit war die Region wie<strong>der</strong> Teil<br />

des <strong>chinesischen</strong> Herrschaftsgebiets. 1955 wurde die Autonome Region<br />

Xinjiang gegründet.<br />

18) <strong>Die</strong>ser Wert liegt erheblich über dem Durchschnitt <strong>der</strong> Gesamtprovinz von 41%.


169 |<br />

<strong>Die</strong> <strong>Go</strong>-<strong>West</strong>-<strong>Strategie</strong> <strong>der</strong> <strong>chinesischen</strong> <strong>Regierung</strong> – Chancen für die deutsche Wirtschaft?<br />

Exkurs: Ethnische Konflikte in Xinjiang<br />

Xinjiang war seit jeher eine multiethnische Region, die einerseits durch<br />

verschiedene Kulturen geprägt wurde und an<strong>der</strong>erseits den Herrschaftsansprüchen<br />

unterschiedlicher Mächte ausgesetzt war. Von den 21,3 Millionen<br />

Einwohnern Xinjiangs stellen die vor allem im Nord- und Ostteil <strong>der</strong> Provinz<br />

lebenden Han-Chinesen einen Anteil von 40% 19) . Der Bevölkerungsanteil <strong>der</strong><br />

Uiguren liegt bei 47%; außerdem sind in Xinjiang Kasachen (5%) sowie Usbeken,<br />

Tadschiken und Angehörige an<strong>der</strong>er zentralasiatischer Völker ansässig.<br />

<strong>Die</strong> unterschiedlichen kulturellen und ökonomischen Bedürfnisse dieser Gruppen<br />

und die Autonomiebestrebungen <strong>der</strong> turksprachigen Ethnien stellen bereits<br />

seit Gründung <strong>der</strong> Volksrepublik China ein Konfliktpotenzial dar: Schon in den<br />

fünfziger Jahren gab es Aufstände. <strong>Die</strong> Repressalien und die harte Assimilierungspolitik<br />

<strong>der</strong> <strong>chinesischen</strong> Zentralregierung während <strong>der</strong> Kulturrevolution<br />

empfanden die Angehörigen <strong>der</strong> ethnischen Min<strong>der</strong>heiten als Ausdruck einer<br />

aggressiven Fremdherrschaft. Zwar wurden die Spielräume zum Ausleben <strong>der</strong><br />

eigenen kulturellen Identität nach dem Ende <strong>der</strong> Kulturrevolution wie<strong>der</strong> größer,<br />

die grundlegenden Probleme sind jedoch geblieben: Aus <strong>der</strong> Sicht <strong>der</strong> nationalen<br />

Min<strong>der</strong>heiten, vor allem <strong>der</strong> Uiguren, besetzen die Han-Chinesen die<br />

Schlüsselstellungen in Politik und Wirtschaft.<br />

Auf dem Nährboden dieser latenten Unzufriedenheit kam es in den neunziger<br />

Jahren immer wie<strong>der</strong> zu militanten Aktionen uigurischer Separatisten. Im<br />

Gegen-zug verschärfte die chinesische <strong>Regierung</strong> ihre Gangart gegen jegliche<br />

Form von politischen Meinungsäußerungen, die mehr Rechte für nationale<br />

Min<strong>der</strong>heiten for<strong>der</strong>n.<br />

Eine Reihe von Zwischenfällen im Vorfeld <strong>der</strong> Olympischen Spiele 2008 diente<br />

<strong>der</strong> <strong>chinesischen</strong> <strong>Regierung</strong> als Begründung, gegen die uigurische Bevölkerung<br />

vorzugehen. Amnesty International klagt über massive Menschenrechtsverletzungen<br />

in Xinjiang, darunter willkürliche Verhaftungen, Misshandlungen und das<br />

Verschwindenlassen uigurischer Aktivisten. Auch die Religionsfreiheit <strong>der</strong> meist<br />

moslemischen Uiguren sei nicht gewährleistet.<br />

Im Juli 2009 eskalierte die Situation, als bei einer Demonstration in Ürümqi<br />

187 Menschen getötet und über 1.600 Personen verhaftet wurden.<br />

Umwelt<br />

Desertifikation und Bodenerosion sind gravierende Umweltprobleme in<br />

Xinjiang: Weite Teile <strong>der</strong> Provinz (750.000 Quadratkilometer) sind Wüste,<br />

und jedes Jahr wird die Fläche um 100 Quadratkilometer größer.<br />

19) Der Anteil <strong>der</strong> Han-Chinesen an <strong>der</strong> Bevölkerung Xinjiangs hat sich in den letzten Jahrzehnten<br />

erheblich vergrößert: 1949 lag er noch bei 5%.


170 |<br />

Studie<br />

<strong>Die</strong> Desertifikation betrifft fast alle Bezirke und Städte Xinjiangs und verschärft<br />

die Wasserknappheit und die Degradation (vor allem Versalzung) des<br />

Bodens. Um die Desertifikation und die weitere Bodenerosion aufzuhalten,<br />

wurde mit Aufforstungsarbeiten begonnen: Zum Beispiel wurde ein Baumgürtel<br />

entlang <strong>der</strong> Schnellstraße durch die Wüste Taklimakan gepflanzt,<br />

um die Fahrbahn vor Verwehungen zu schützen. Ein weiteres Aufforstungsprojekt<br />

sieht die Anpflanzung von Bäumen an den Hängen des Tianshan-<br />

Gebirges vor.<br />

Aufgrund des extrem trockenen Klimas ist <strong>der</strong> landwirtschaftliche Anbau<br />

nur durch extensive Bewässerung möglich – mit entsprechenden Belastungen<br />

für den Wasserhaushalt Xinjiangs. Um einer weiteren Verschärfung<br />

<strong>der</strong> Trinkwasserknappheit entgegenzuwirken, wurde in den letzten Jahren<br />

erheblich in den Ausbau effizienter Bewässerungssysteme investiert: So<br />

wurde in den Regionen Turpan und Shihezis die Kanalbewässerung zunehmend<br />

auf Tröpfchenbewässerung umgestellt, die zwei Drittel weniger<br />

Wasser verbraucht.<br />

Ein an<strong>der</strong>es schwer wiegendes Umweltproblem in Xinjiang ist die Luftverschmutzung,<br />

vor allem in den Kohleabbaugebieten. Wie auch an<strong>der</strong>swo in<br />

China setzen unterirdische Kohlebrände riesige Mengen an CO 2 frei. <strong>Die</strong><br />

meisten dieser Kohlenbrände schwelen in Xinjiang. In Ürümqi ist die Luftverschmutzung<br />

ebenfalls gravierend, denn die Lage inmitten von Bergen<br />

verschärft die Situation. <strong>Die</strong> Bewohner und Besucher <strong>der</strong> Hauptstadt leiden<br />

unter dem Smog, <strong>der</strong> vor allem im Winter so dicht sein kann, dass <strong>der</strong><br />

Flughafen gesperrt werden muss. Inzwischen hat die <strong>Regierung</strong> einige<br />

Maßnahmen ergriffen, um die Luftverschmutzung zu bekämpfen, etwa<br />

den Einbau von Filtern in Kraftwerke und Industrieanlagen sowie die<br />

Verlegung von Fabriken.<br />

Einkommen und Konsumverhalten<br />

<strong>Die</strong> Kaufkraft ist mit circa 8.900 CNY (rund 1.200 USD) pro Kopf und Jahr<br />

in den urbanen Regionen Xinjiangs eher gering; selbst im Vergleich unter<br />

den <strong>West</strong>provinzen liegt sie am unteren Ende <strong>der</strong> Skala. Wie überall in<br />

<strong>West</strong>china ist auch in Xinjiang <strong>der</strong> Unterschied zwischen Stadt und Land<br />

dramatisch: Auf dem Land erreicht die Bevölkerung nur eine Kaufkraft<br />

von 2.700 CNY (rund 360 USD). Das Konsumniveau ist daher noch relativ<br />

niedrig, was sich auch an <strong>der</strong> im Vergleich mit Ostchina niedrigen Penetration<br />

<strong>der</strong> städtischen Haushalte mit Gütern wie Computern, Klimaanlagen<br />

und Autos zeigt. Im west<strong>chinesischen</strong> Vergleich sind diese Konsumniveaus<br />

zwar ebenfalls unterdurchschnittlich, aber die Pkw-Dichte (4,6 pro 100<br />

städtische Haushalte) und die Verbreitung von Computern (41,3 pro 100<br />

Haushalte) liegt nicht mehr weit unterhalb des <strong>West</strong>-Durchschnitts<br />

(5,7 beziehungsweise 44).


171 |<br />

<strong>Die</strong> <strong>Go</strong>-<strong>West</strong>-<strong>Strategie</strong> <strong>der</strong> <strong>chinesischen</strong> <strong>Regierung</strong> – Chancen für die deutsche Wirtschaft?<br />

Im Vergleich zu an<strong>der</strong>en Millionenstädten <strong>der</strong> <strong>West</strong>provinzen liegt die<br />

Kaufkraft in Ürümqi mit 12.300 CNY pro Kopf (rund 1.800 USD) relativ<br />

niedrig. <strong>Die</strong>ser Wert liegt zum Beispiel in Baotou bei 21.000 CNY, in<br />

Xi’an bei 15.000 CNY und in Chengdu bei 17.000 CNY. Dennoch hat sich<br />

Ürümqi in den letzten Jahren zu einem großen Konsumzentrum entwickelt:<br />

<strong>Die</strong> Zhongshan Road gehört zu den bekanntesten Einkaufsstraßen in China.<br />

Der Umsatz des Einzelhandels in Xinjiang betrug im Jahr 2008 103 Mrd.<br />

CNY (rund 14,8 USD), eine Steigerung von 20% gegenüber dem Vorjahr.<br />

Infrastruktur<br />

<strong>Die</strong> Hauptstadt ist <strong>der</strong> Knotenpunkt in <strong>der</strong> Infrastruktur Xinjiangs: Ob<br />

Schiene o<strong>der</strong> Straße – alle nationalen und internationalen Verbindungswege<br />

aus <strong>der</strong> und in die Provinz laufen in Ürümqi zusammen.<br />

Seit 2000 wurde im Rahmen <strong>der</strong> <strong>Go</strong>-<strong>West</strong>-<strong>Strategie</strong> das Fern- und Schnellstraßennetz<br />

ausgebaut: <strong>Die</strong> Region Ürümqi ist nun über die neue Autobahnverbindung,<br />

die von Korgas an <strong>der</strong> kasachischen Grenze über Ürümqi via<br />

Lanzhou (Gansu) und Xi'an (Shaanxi) weiter an die Ostküste führt, mit den<br />

Hauptrouten nach Nordchina (Yinchuan, Baotou, Hohhot) und Südchina<br />

(Chongqing, Chengdu, Guiyang, Kunming, Nanning/North Bay Area)<br />

verbunden. Bis 2020 sind weitere wichtige Straßenverbindungen geplant,<br />

unter an<strong>der</strong>em <strong>der</strong> Ausbau <strong>der</strong> Strecken zwischen <strong>der</strong> tadschikischen<br />

Grenze und Kashi weiter nach Ürümqi sowie eine weitere grenzüberschreitende<br />

Verbindung nach Kasachstan.<br />

Frachtzug nach Hamburg<br />

Seit 2008 gibt es eine direkte<br />

Güterzugverbindung von Hamburg<br />

nach Xinjiang. <strong>Die</strong> Waggons<br />

sind 18 Tage unterwegs.<br />

Künftig soll noch stärker in den Verkehrsträger Schiene investiert werden.<br />

Das wichtigste Projekt ist <strong>der</strong> Anschluss an die Qinghai-Tibet-Eisenbahn in<br />

<strong>Go</strong>lmud (Qinghai), <strong>der</strong> eine weitere Verbindung nach Zentralchina herstellt.<br />

<strong>Die</strong> Bahnstrecke von Ürümqi nach Kashi soll über die Grenze nach Kirgisistan<br />

verlängert werden. Außerdem ist eine Direktverbindung über Hami in<br />

die Innere Mongolei vorgesehen. Insbeson<strong>der</strong>e <strong>der</strong> Ausbau <strong>der</strong> grenzüberschreitenden<br />

Eisenbahnstrecken hat für die wirtschaftliche Entwicklung<br />

Xinjiangs enorme Bedeutung: <strong>Die</strong>se Trassen schaffen eine Verbindung zum<br />

europäischen Eisenbahnnetz und damit eine Alternative zum aufwendigen<br />

Gütertransport auf dem Land- und Seeweg über die ost<strong>chinesischen</strong> Häfen.<br />

Xinjiang hat zwei internationale (Ürümqi und Kashgar) und neun Inlandsflughäfen;<br />

bis 2020 sollen sechs weitere neu gebaut werden. Das Flug- und<br />

Passagieraufkommen ist zwischen 2000 und 2008 um durchschnittlich<br />

etwa 18% pro Jahr stark gewachsen. Etwa 140 Flugzeuge starten jede<br />

Woche von Ürümqi nach Peking.


172 |<br />

Studie<br />

Bildung und Forschung<br />

Xinjiang hat unter den <strong>West</strong>provinzen mit 9% den höchsten Anteil von<br />

Personen mit einem höheren Bildungsabschluss an <strong>der</strong> Bevölkerung – <strong>der</strong><br />

<strong>West</strong>-Durchschnitt liegt lediglich bei 5% –, obwohl <strong>der</strong> Anteil <strong>der</strong> Personen<br />

mit Sekundarschulabschluss mit 12% nur im unteren Mittelfeld <strong>der</strong> westlichen<br />

Provinzen liegt (<strong>West</strong>-Durchschnitt: 11%).<br />

<strong>Die</strong> Relation von Universitäten zur Einwohnerzahl liegt in Xinjiang bei 1,2<br />

Hochschulen je 1 Million Einwohner; dieser Wert liegt genau zwischen den<br />

Durchschnittswerten für <strong>West</strong>china (1,1) und Ostchina (1,3). In <strong>der</strong> Autonomen<br />

Region gibt es 26 Universitäten. <strong>Die</strong> Zahl ihrer Absolventen wuchs<br />

zwischen 2005 und 2008 um durchschnittlich 15% pro Jahr. Das Verhältnis<br />

von Uni-Absolventen zu Einwohnerzahl lag 2007 bei 2,7 Hochschulabgängern<br />

je 1000 Einwohner. Mit Investitionen in Bildungseinrichtungen von<br />

knapp 140.000 CNY pro 1.000 Einwohner liegt Xinjiang deutlich unter<br />

dem Schnitt <strong>der</strong> <strong>West</strong>provinzen von 170.000 CNY.<br />

In <strong>der</strong> Forschungsleistung schneidet Xinjiang im <strong>West</strong>en Chinas noch<br />

deutlich unterdurchschnittlich ab. So wurden 2007 lediglich knapp<br />

1.500 Patente angemeldet, was einer Quote von 70 pro 1 Million Einwohner<br />

entspricht und deutlich unter dem west<strong>chinesischen</strong> Durchschnitt<br />

von 91 liegt.<br />

Natürliche Ressourcen und Rohstoffe<br />

Xinjiangs enorme Ressourcenvorkommen tragen erheblich zur wirtschaftlichen<br />

Entwicklung <strong>der</strong> Autonomen Region bei: <strong>Die</strong> öl- und petrochemische<br />

Industrie erwirtschaftet einen großen Teil des Bruttoinlandsprodukts <strong>der</strong><br />

Autonomen Region; auch das BIP-Wachstum von real 11% (2007/2008)<br />

ist größtenteils <strong>der</strong> Expansion dieses Sektors geschuldet: <strong>Die</strong> öl- und petrochemische<br />

Industrie wurde durch die Erschließung neuer Kohle-, Öl- und<br />

Gasfel<strong>der</strong> sowie <strong>der</strong> dazugehörigen Infrastruktur (Raffinerien, Anlagen<br />

zur Kohlevergasung, Pipelines und Stromleitungen) in den letzten Jahren<br />

massiv ausgebaut. Für die Zentralregierung spielt Xinjiang eine strategische<br />

Schlüsselrolle, um mittel- und langfristig den wachsenden Energiebedarf<br />

zu decken.<br />

Xinjiang hat große Kohle-Vorkommen; die jährliche För<strong>der</strong>menge beträgt<br />

49 Mio. Tonnen. 2007 wurde im Turpan-Becken ein weiteres Kohlevorkommen<br />

von 100-200 Mio. Tonnen entdeckt. Das Vorkommen im Zhundong-<br />

Tagebau liegt ebenfalls bei circa 200 Tonnen. Außerdem verfügt die Provinz<br />

über 30% beziehungsweise 34% <strong>der</strong> gesamt<strong>chinesischen</strong> Erdöl- und Gasvorkommen;<br />

damit rangiert sie in China auf Platz zwei; im Vergleich <strong>der</strong> <strong>West</strong>provinzen<br />

nimmt sie beim Erdöl sogar Rang eins ein.


173 |<br />

<strong>Die</strong> <strong>Go</strong>-<strong>West</strong>-<strong>Strategie</strong> <strong>der</strong> <strong>chinesischen</strong> <strong>Regierung</strong> – Chancen für die deutsche Wirtschaft?<br />

In Xinjiang gibt es 1.400 Erz- und Mineralienminen, und bei einigen Bodenschätzen<br />

verfügt die Autonome Region über die größten Vorkommen in<br />

China (unter an<strong>der</strong>em für Beryllium, Kaliglimmer, Natron, Salpeter,<br />

Serpentin; nach Expertenschätzungen vermutlich auch bei Andalusit<br />

und Edelsteinen).<br />

Xinjiang ist Ausganspunkt <strong>der</strong> beiden <strong>West</strong>-Ost-Gaspipelines (siehe Seite<br />

68), die die Versorgung <strong>der</strong> ost<strong>chinesischen</strong> Küstenprovinzen mit Erdgas<br />

sicherstellen sollen. <strong>Die</strong> erste Pipeline wurde 2005 fertig gestellt, mit<br />

dem Bau <strong>der</strong> zweiten wurde 2008 begonnen. Xinjiang ist Durchgangsund<br />

Anschlussprovinz für die Zentralasiatische Gaspipeline, die bis 2011<br />

vollendet sein soll. Durch Xinjiang verläuft auch eine fast 1.000 Kilometer<br />

lange Ölpipeline von <strong>der</strong> Atasu-Region in Kasachstan nach Alashankou.<br />

Wirtschaftsleistung<br />

Xinjiang hat mit einem Bruttoinlandsprodukt von 420,3 Mrd. CNY (60,6<br />

Mrd. USD) einen Anteil von 1,4% am gesamt<strong>chinesischen</strong> BIP; damit liegt<br />

es etwas hinter Chongqing und etwas vor Gansu und Guizhou. Das Bruttoinlandsprodukt<br />

wuchs real von 2007 auf 2008 mit 11%. Damit lag Xinjiang<br />

im unteren Mittelfeld <strong>der</strong> westlichen Provinzen. Zwischen 2004 und<br />

2008 lag das durchschnittliche jährliche BIP-Wachstum bei 12%. Mit diesem<br />

Wirtschaftswachstum hatte sich Xinjiang im unteren Drittel <strong>der</strong><br />

<strong>West</strong>provinzen positioniert.<br />

Ürümqi ist ein ökonomisches Schwergewicht in <strong>der</strong> Autonomen Region:<br />

Der Anteil <strong>der</strong> Hauptstadt am Bruttoinlandsprodukt von Xinjiang liegt bei<br />

etwa 25%; die Wirtschaftsleistung <strong>der</strong> Stadt wuchs von 2007 auf 2008<br />

um 15% (real).<br />

Wirtschaftsstruktur<br />

<strong>Die</strong> Autonome Region Xinjiang ist einer <strong>der</strong> wichtigsten Rohstoff- und<br />

Energielieferanten Chinas. Allein <strong>der</strong> Bergbau trug 2007 29% des Bruttoinlandsprodukts<br />

Xinjiangs und 7% des gesamt<strong>chinesischen</strong> BIP in diesem<br />

Sektor bei und ist damit <strong>der</strong> wichtigste Industriezweig <strong>der</strong> Autonomen<br />

Region. An zweiter Stelle folgt die Landwirtschaft (primärer Sektor) mit<br />

einem BIP Anteil von 19%. Der sekundäre Sektor kommt dagegen nur<br />

auf 15% Anteil am BIP, <strong>Die</strong>nstleistungen liegen mit einem Anteil von<br />

38% etwa im Schnitt <strong>der</strong> <strong>West</strong>provinzen.<br />

Warenhandel mit dem Ausland<br />

Im Außenhandel Xinjiangs waren in den letzten Jahren starke Zuwächse<br />

zu verzeichnen: <strong>Die</strong> Exporte stiegen zwischen 2002 und 2007 um durchschnittlich<br />

54% pro Jahr an.


174 |<br />

Studie<br />

<strong>Die</strong> Importe legten in diesem Zeitraum um durchschnittlich 10% pro Jahr<br />

zu. <strong>Die</strong>se Entwicklung spiegelt deutlich das Interesse Chinas wi<strong>der</strong>, sich in<br />

Xinjiang strategisch und ökonomisch auf die Wirtschaftsbeziehungen zu<br />

den zentralasiatischen Nachbarlän<strong>der</strong>n auszurichten.<br />

Der Außenhandel <strong>der</strong> Provinz erreichte 2008 ein Volumen von insgesamt<br />

25 Mrd. USD, das entspricht einer Steigerung um mehr als das Doppelte<br />

im Vergleich zu 2007, als ein Volumen von 11,5 Mrd. USD erreicht wurde.<br />

Dabei besteht ein starker Handelsüberschuss von 18,5 Mrd. USD Exporten<br />

vs. 6,5 Mrd. USD Importen.<br />

Der Großteil <strong>der</strong> Exporte geht in die angrenzenden Län<strong>der</strong> Zentralasiens.<br />

<strong>Die</strong> geografische Schwerpunktsetzung wirkte in <strong>der</strong> Finanzkrise stabilisierend,<br />

da die Exportnachfrage in dieser Region nichts so stark eingebrochen<br />

ist wie auf den europäischen Märkten und in den USA. Das relative Gewicht<br />

<strong>der</strong> Exporte nach Zentralasien – sie bestehen zum Großteil aus<br />

Konsumgütern – hat sich dabei stark erhöht: <strong>Die</strong> Exporte in die zentralasiatischen<br />

Län<strong>der</strong>, vor allem nach Tadschikistan, sind seit 2002 jährlich<br />

um durchschnittlich 75% gewachsen. Der Großteil <strong>der</strong> Exporte in diese<br />

Region besteht aus Konsumgütern. Kasachstan (etwa die Hälfte <strong>der</strong><br />

Exporte) und Kirgisistan (knapp ein Drittel <strong>der</strong> Exporte) sind mit Abstand<br />

die wichtigsten Handelspartner <strong>der</strong> Provinz. Abgeschlagen an dritter Stelle<br />

liegt Russland mit nur circa 5%.<br />

<strong>Die</strong> wichtigsten Exportgüter sind Textilien, Schuhe, Maschinen, Elektrogeräte<br />

und Möbel. Importiert werden hauptsächlich die Rohstoffe Öl,<br />

Eisenerz, Altmetall, Kupfer und Aluminium. <strong>Die</strong> mit Abstand größten<br />

Handelspartner sind Kasachstan und Kirgisistan.<br />

<strong>Die</strong> Importe wuchsen in den vergangenen Jahren nicht ganz so dynamisch<br />

auf 6,5 Mrd. USD. Dabei kamen circa 80% <strong>der</strong> Einfuhren aus Kasachstan.<br />

Immer mehr Unternehmen aus den östlichen Provinzen nutzen Xinjiang als<br />

Sprungbrett nach Zentralasien: <strong>Die</strong> Autonome Region profitiert dabei von<br />

ihrer geografischen Lage als Transitland.<br />

Kernindustrien, Cluster<br />

In <strong>der</strong> Provinz sind vier Kernzonen <strong>der</strong> wirtschaftlichen Entwicklung definiert:<br />

die Tianshan Region im Nordosten (verarbeitendes Gewerbe, <strong>Die</strong>nstleistungen),<br />

die Bayinguole-Akesu-Region im Südosten (Energieerzeugung,<br />

Chemische Industrie, Landwirtschaft), die Tulufan-Hami-Region im <strong>West</strong>en<br />

(Energieerzeugung, Chemische Industrie, metallverarbeitende Industrie,<br />

Landwirtschaft) sowie die Yili-Hetian-Region im Norden (Landwirtschaft,<br />

Grenzhandel).


175 |<br />

<strong>Die</strong> <strong>Go</strong>-<strong>West</strong>-<strong>Strategie</strong> <strong>der</strong> <strong>chinesischen</strong> <strong>Regierung</strong> – Chancen für die deutsche Wirtschaft?<br />

Trotz <strong>der</strong> Anstrengungen <strong>der</strong> <strong>Regierung</strong>, die Wirtschaftsbasis Xinjiangs zu<br />

diversifizieren und die Wertschöpfungstiefen zu erhöhen, sind <strong>der</strong> Bergbau,<br />

Energieerzeugung, die Chemische und Petrochemische Industrie sowie die<br />

Landwirtschaft weiterhin die wichtigsten Wirtschaftszweige <strong>der</strong> Provinz.<br />

So arbeiten im Umfeld von Zhundong, einem <strong>der</strong> größten <strong>chinesischen</strong> 20)<br />

Kohlenfel<strong>der</strong> (Östliches Junggar-Becken) etwa 200 Kilometer östlich von<br />

Ürümqi gelegen, bereits 40 Unternehmen im Kohle-, Energie- und Chemiesektor;<br />

weitere 60 Projekte sind in den nächsten Jahren geplant. Hervorzuheben<br />

sind die Shandong Yankuang Group (Kohleför<strong>der</strong>ung, synthetische<br />

Herstellung von Ammoniak, Carbamidherstellung), die Shenhua Group mit<br />

<strong>der</strong> China Guodian Corp. (Kohleför<strong>der</strong>ung, Kraftwerksbau/Stromerzeugung)<br />

sowie Sinopek (Alkeneherstellung). In Yili nahe dem kasachischen<br />

Grenzübergang betreibt die Xinwen Mining Group eine Chemiefabrik<br />

zur Herstellung von Methangas aus Kohle.<br />

In Dabacheng befindet sich einer <strong>der</strong> größten Windparks Asiens: <strong>Die</strong> Anlage<br />

hat 118 Windrä<strong>der</strong>. Nach ihrer Erweiterung soll die Windkraftanlage sich<br />

auf eine Fläche von 50 Quadratkilometern ausdehnen und eine Kapazität<br />

von 400 Megawatt haben. <strong>Die</strong> in Dabacheng erzeugte Energie soll in das<br />

Stromnetz <strong>der</strong> Autonomen Region eingespeist werden. Das Projekt wird von<br />

einem Joint Venture <strong>der</strong> Sustainable Energy Asia (SEA) und <strong>der</strong> Xinyuan<br />

Zhongyuan Energy Technology Ltd realisiert.<br />

Um die Wirtschaft zu diversifizieren und die Wertschöpfungstiefe zu<br />

erhöhen, hat die <strong>Regierung</strong> zwei Technologieentwicklungszonen in Ürümqi<br />

eingerichtet: die Ürümqi High-Tech Development Zone und die Ürümqi<br />

Economic and Technology Development Zone (UETDZ). Hier haben sich<br />

seit 2004 über 1.000 Windkraftausrüster, Lebensmittelhersteller, Maschinenbauer<br />

und Exportabwickler angesiedelt. An internationalen Unternehmen<br />

sind Coca-Cola, die Tingyi Holding (Cayman-Inseln) mit Xinjiang<br />

Fumanduo Food, SK Telekom (Südkorea) und Carlsberg (Dänemark) vertreten.<br />

Auch <strong>Go</strong>ldwind Science & Technology Co. Ltd., Chinas zweitgrößter<br />

und international expandieren<strong>der</strong> Hersteller für Windkraftanalgen, hat hier<br />

seinen Stammsitz. Ein weiterer Vertreter einer Wachstumsbranche ist die<br />

IPAR Biological, die in <strong>der</strong> Pharmaentwicklung tätig ist. Trotz ihrer relativ<br />

kleinen Fläche trägt die UETDZ 5% zum BIP <strong>der</strong> Region Ürümqi bei.<br />

In <strong>der</strong> Landwirtschaft konzentriert sich Xinjiang auf den Baumwoll- und<br />

Tomatenanbau. Xinjiang ist mit 3 Mio. Tonnen pro Jahr (2007) – das ist<br />

etwa ein Drittel <strong>der</strong> Gesamtproduktion in <strong>der</strong> Volksrepublik – <strong>der</strong> größte<br />

Baumwollproduzent Chinas. Da die Weiterverarbeitung (Fäden, Stoffe)<br />

kaum in <strong>der</strong> Region erfolgt und die Baumwollpreise auf dem Weltmarkt<br />

20) Gesichert 69 Mrd. Tonnen an Reserven, potenziell 390 Mrd. Tonnen


176 |<br />

Studie<br />

stark gefallen sind, hat dieser Sektor mit strukturellen Problemen zu kämpfen.<br />

<strong>Die</strong>s bekommen vor allem die Millionen von armen Saisonarbeitern zu<br />

spüren, die zur Erntezeit beschäftigt werden. Xinjiang ist einer <strong>der</strong> weltgrößten<br />

Produzenten von Tomatenketchup, was den anbauenden Bauern<br />

stabile Einkommen bringt. Weiterhin produziert die Landwirtschaft Xinjiangs<br />

Obst, Gemüse, Milch und Zuckerrüben. <strong>Die</strong> Viehhaltung spielt<br />

ebenfalls eine wichtige Rolle.<br />

Wirtschaftspolitische Schwerpunkte<br />

<strong>Die</strong> chinesische Zentralregierung hat sich im Rahmen <strong>der</strong> <strong>Go</strong>-<strong>West</strong>-<strong>Strategie</strong><br />

das Ziel gesetzt, die Wirtschaft <strong>der</strong> Provinz zu stärken, ihre großen Naturressourcen<br />

nutzbar zu machen, die Umweltschäden zu bekämpfen sowie<br />

die – vor allem in den ländlichen Regionen verbreitete – Armut zu beseitigen.<br />

Um diese Ziele zu erreichen, ist eine Reihe von Maßnahmen vorgesehen.<br />

Zu den bereits begonnenen Projekten gehören:<br />

> <strong>der</strong> Infrastrukturausbau (Verkehr und Energie)<br />

> die Steigerung <strong>der</strong> Kohle-, Öl- und Gasför<strong>der</strong>ung (Kohle vor allem<br />

in Zhundong und im Turpan-Becken; Öl und Gas insbeson<strong>der</strong>e<br />

im Junggar-Becken und im Turpan-Hami-Becken)<br />

> die För<strong>der</strong>ung beziehungsweise Entwicklung <strong>der</strong> Petrochemischen<br />

Industrie<br />

> Elektrizitätserzeugung<br />

> Technologieentwicklungszonen in Ürümqi<br />

> Ausweitung <strong>der</strong> kostenfreien Schulbildung von neun auf zwölf<br />

Schuljahre in beson<strong>der</strong>s einkommensschwachen Regionen<br />

> Aufforstungsprojekte gegen Desertifikation und Überflutungen<br />

Gerade im Anlaufen o<strong>der</strong> für die kommenden Jahre geplant sind Verbesserung<br />

<strong>der</strong> Bewässerungstechnologie in <strong>der</strong> Landwirtschaft sowie ein Ausbau<br />

<strong>der</strong> Stromerzeugung. Bis 2020 soll von großen Kraftwerken am Zhungdong-<br />

Kohlefeld Strom über das <strong>West</strong>-Ost-Elektrizitätsübertragungssystem (siehe<br />

auch Seite 67) nach Henan und Sichuan sowie in das Jangtse-Delta geliefert<br />

werden. Der Anteil von Sonne und Windkraft an <strong>der</strong> Energieerzeugung soll<br />

gesteigert werden. Vorgesehen sind außerdem eine stärkere För<strong>der</strong>ung <strong>der</strong><br />

Tourismusbranche sowie die Vertiefung <strong>der</strong> Wertschöpfung an den Handelsumschlagplätzen<br />

(sogenannte Bor<strong>der</strong> Processing Zones: Yining, Bole und<br />

Tacheng Zone).


177 |<br />

<strong>Die</strong> <strong>Go</strong>-<strong>West</strong>-<strong>Strategie</strong> <strong>der</strong> <strong>chinesischen</strong> <strong>Regierung</strong> – Chancen für die deutsche Wirtschaft?<br />

Joh. Barth & Sohn weitet die Hopfenverarbeitung in Xinjiang aus<br />

<strong>Die</strong> 1794 in Nürnberg gegründete Firma Joh. Barth & Sohn gehört zur Barth-<br />

Haas-Gruppe, eines <strong>der</strong> weltweit führenden Unternehmen für Hopfenhandel<br />

und -verarbeitung. <strong>Die</strong> Barth-Haas-Gruppe (BHG) ist in den wichtigen Hopfenanbaugebieten<br />

<strong>der</strong> Welt aktiv. Bereits 1989 hat die BHG enge Handelskontakte<br />

in China geknüpft, was die Basis für zwei eigene Unternehmen in <strong>der</strong> Volksrepublik<br />

gelegt hat: 1994 wurde die Xinjiang Green Diamond Hop Co., Ltd. (GDH)<br />

gegründet, 1995 die Gansu Tian Ma Hop Co., Ltd.<br />

<strong>Die</strong> GDH hat sich mit einer neuen Anlage zur Hopfenverarbeitung in Hutubi<br />

(70 Kilometer nordwestlich von Ürümqi) und einem Investitionsvolumen von<br />

4 Mio. EUR als Technologieführer in <strong>der</strong> Hopfenverarbeitung in China etabliert.<br />

<strong>Die</strong> Firma beschäftigt in Xinjiang 20 festangestellte Mitarbeiter sowie etwa<br />

40 Saisonkräfte und beliefert Braukunden im In- und Ausland. Mit zusätzlichen<br />

Investitionen in Hopfenanbauflächen in Nord- und Südxinjiang sieht sich<br />

das Unternehmen gut positioniert, um seinen Expansionskurs in <strong>der</strong> schnell<br />

wachsenden <strong>chinesischen</strong> Brauindustrie fortzusetzen.<br />

Ausländische Direktinvestitionen<br />

Nach Xinjiang floss zwischen 2004 und 2008 im Durchschnitt nur ein<br />

Anteil von 1,4% <strong>der</strong> nach <strong>West</strong>china gehenden ausländischen Direktinvestitionen<br />

(ADI). <strong>Die</strong> ADI in den westlichen Provinzen wuchsen jedoch mit<br />

durchschnittlich 43% pro Jahr in diesem Zeitraum sehr stark; Xinjiang<br />

konnte davon allerdings nicht überdurchschnittlich profitierten: Im Jahr<br />

2008 beliefen sich die ADI in Xinjiang auf 190 Mio. USD – das entspricht<br />

einem Anteil von 1,5% an den ausländischen Direktinvestitionen in <strong>West</strong>china.<br />

Von den Städten Xinjiangs profitierte Ürümqi erwartungsgemäß am<br />

meisten vom Zustrom ausländischer Direktinvestitionen – 73% aller ADI<br />

in <strong>der</strong> Autonomen Region gingen in die Hauptstadt. Betrachtet man den<br />

Zufluss <strong>der</strong> ADI nach Wirtschaftszweigen, so waren die fünf wichtigsten<br />

Branchen in Xinjiang die Landwirtschaft (26%), <strong>der</strong> Einzelhandel (20%),<br />

die verarbeitende Industrie (18%), <strong>der</strong> Bergbau (10%), die Energieerzeugung<br />

(9%) sowie Transport und Logistik (8%).<br />

<strong>Die</strong> acht deutschen Unternehmen in <strong>der</strong> Datenbank <strong>der</strong> Deutschen Handelskammer<br />

in China, die in Xinjiang aktiv sind, befinden sich alle in <strong>der</strong><br />

Hauptstadt Ürümqi. Darunter ist jedoch nur ein produzierendes Unternehmen:<br />

Green Diamond Hop Co. gehört zur Barth-Haas-Gruppe und betreibt<br />

Hopfenanbau- und Verarbeitung (siehe oben); die übrigen Firmen sind<br />

in den Bereichen Logistik und Vertrieb, Ausrüstung und Maschinen tätig.


178 |<br />

Studie<br />

In den letzten Jahren haben sich einige ausländische Unternehmen in<br />

Xinjiang nie<strong>der</strong>gelassen: Hewlett-Packard war eines <strong>der</strong> ersten multinationalen<br />

Unternehmen am Standort Ürümqi. Der amerikanische IT-<strong>Die</strong>nstleister<br />

und Hardware-Hersteller EMC gründete 2008 eine Vertriebsnie<strong>der</strong>lassung<br />

in Ürümqi. Carrefour betreibt bereits drei Geschäfte in Ürümqi und plant<br />

die Eröffnung von zwei weiteren Filialen in Xinjiang. <strong>Die</strong> französische<br />

Supermarktkette hat außerdem ihre Hauptverwaltung für Nordwest-China<br />

in die Provinzhauptstadt verlegt, und Coca Cola hat im Sommer 2009<br />

eine neue Abfüllanlage in <strong>der</strong> Region errichtet.<br />

Um die Attraktivität für ausländische Investoren zu erhöhen, folgt Xinjiang<br />

im Wesentlichen den Empfehlungen, die die Zentralregierung im Rahmen<br />

ihrer <strong>Go</strong>-<strong>West</strong>-<strong>Strategie</strong> ausgearbeitet hat. So wird die Ansiedlung bestimmter<br />

"geför<strong>der</strong>ter Branchen" unterstützt, zum Beispiel durch die Gewährung<br />

von Steuererleichterungen für ausländische Unternehmen, die einen überwiegenden<br />

Teil ihres Umsatzes in den genannten Branchen erzielen.<br />

Generell zielt die Investitionsför<strong>der</strong>ung darauf ab, ausländische Investoren<br />

anzuziehen, die den Vorstellungen <strong>der</strong> <strong>chinesischen</strong> <strong>Regierung</strong> entsprechen.<br />

Dazu gehört eine Erhöhung <strong>der</strong> Wertschöpfungstiefe, Investitionen in<br />

Technologie, Schaffung von qualifizierter Arbeit sowie die Zusammenarbeit<br />

mit <strong>chinesischen</strong> Unternehmen. <strong>Die</strong> Reinvestition von Gewinnen, eine<br />

lange Verweildauer und Wachstum werden durch das Investitionsregime<br />

belohnt. Dagegen ist die reine Ausbeutung von Energieressourcen (Gas,<br />

Kohle, Öl) nicht erwünscht. <strong>Die</strong>se behalten sich die Chinesen selbst vor.


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Survey.html


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<strong>Die</strong> <strong>Go</strong>-<strong>West</strong>-<strong>Strategie</strong> <strong>der</strong> <strong>chinesischen</strong> <strong>Regierung</strong> – Chancen für die deutsche Wirtschaft?


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Impressum<br />

<strong>Die</strong> <strong>Go</strong>-<strong>West</strong>-<strong>Strategie</strong> Chinas – Chancen für die deutsche Wirtschaft<br />

Studie im Auftrag des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie<br />

Gesamtverantwortung: Stefan Schaible<br />

Projektmanagement: Thilo Zelt<br />

Leitung Team China: Jennifer Wilson<br />

Redaktion: Andrea Wiedemann<br />

<strong>Roland</strong> <strong>Berger</strong> Strategy Consultants GmbH<br />

Am Sandtorkai 41<br />

20457 Hamburg


Amsterdam<br />

Bahrain<br />

Barcelona<br />

Beijing<br />

Berlin<br />

Brussels<br />

Bucharest<br />

Budapest<br />

Casablanca<br />

Chicago<br />

Detroit<br />

Düsseldorf<br />

Frankfurt<br />

Hamburg<br />

Hong Kong<br />

Istanbul<br />

Kyiv<br />

Lisbon<br />

London<br />

Madrid<br />

Milan<br />

Moscow<br />

Munich<br />

New York<br />

Paris<br />

Prague<br />

Riga<br />

Rome<br />

São Paulo<br />

Shanghai<br />

Stuttgart<br />

Tokyo<br />

Vienna<br />

Warsaw<br />

Zagreb<br />

Zurich<br />

<strong>Die</strong> <strong>Go</strong>-<strong>West</strong>-<strong>Strategie</strong> <strong>der</strong> <strong>chinesischen</strong> <strong>Regierung</strong> – Chancen für die deutsche Wirtschaft?<br />

© <strong>Roland</strong> <strong>Berger</strong> Strategy Consultants<br />

10/2009, all rights reserved<br />

www.rolandberger.com<br />

<strong>Roland</strong> <strong>Berger</strong> 10/2009

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