Die Go-West-Strategie der chinesischen Regierung - Roland Berger
Die Go-West-Strategie der chinesischen Regierung - Roland Berger
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Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie<br />
Studie<br />
<strong>Die</strong> <strong>Go</strong>-<strong>West</strong>-<strong>Strategie</strong> <strong>der</strong><br />
<strong>chinesischen</strong> <strong>Regierung</strong><br />
Chancen für die deutsche Wirtschaft?
Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie<br />
Studie<br />
<strong>Die</strong> <strong>Go</strong>-<strong>West</strong>-<strong>Strategie</strong> <strong>der</strong><br />
<strong>chinesischen</strong> <strong>Regierung</strong><br />
Chancen für die deutsche Wirtschaft?
2 |<br />
Studie<br />
Inhalt<br />
Abbildungsverzeichnis<br />
Vorwort<br />
A. Management Summary<br />
B. <strong>Die</strong> Entwicklung Gesamtchinas<br />
1. Rasantes Wirtschaftswachstum<br />
2. <strong>Die</strong> gewandelte Rolle Chinas in <strong>der</strong> Weltwirtschaft<br />
3. China in <strong>der</strong> Krise<br />
4. Kehrseiten des Wirtschaftsbooms<br />
5. Das Leitkonzept <strong>der</strong> "harmonischen Gesellschaft"<br />
6. <strong>Go</strong>-<strong>West</strong>-<strong>Strategie</strong><br />
C. <strong>Die</strong> <strong>chinesischen</strong> <strong>West</strong>provinzen: Nahaufnahme<br />
1. Natur und Raum<br />
1.1 Geografie<br />
1.2 Klima<br />
1.3 Natürliche Ressourcen und Rohstoffe<br />
2. Soziodemografie<br />
2.1 Bevölkerungsentwicklung und -verteilung<br />
2.2 Altersstruktur<br />
2.3 Bildungsniveau<br />
2.4 Forschung und Entwicklung<br />
2.5 Einkommensniveau<br />
2.6 Privater Konsum<br />
3. Beson<strong>der</strong>e politische Herausfor<strong>der</strong>ungen<br />
3.1 Soziale Brennpunkte: Armut, Arbeitslosigkeit,<br />
Wan<strong>der</strong>arbeiter<br />
3.2 Nationale Min<strong>der</strong>heiten und ethnische Konflikte<br />
3.3 Umwelt und Naturschutz<br />
D. <strong>Die</strong> <strong>Go</strong>-<strong>West</strong>-<strong>Strategie</strong> <strong>der</strong> <strong>chinesischen</strong> <strong>Regierung</strong>:<br />
Ziele, Ergebnisse und Ausblick<br />
1. <strong>Die</strong> erste Phase <strong>der</strong> <strong>Go</strong>-<strong>West</strong>-<strong>Strategie</strong><br />
1.1 <strong>Die</strong> Einbettung <strong>der</strong> <strong>Go</strong>-<strong>West</strong>-<strong>Strategie</strong> in die zentrale<br />
Planung <strong>der</strong> Volksrepublik China<br />
1.2 <strong>Die</strong> <strong>Go</strong>-<strong>West</strong>-<strong>Strategie</strong> im 10. Fünfjahresplan<br />
(2001-2005)<br />
1.3 <strong>Die</strong> <strong>Go</strong>-<strong>West</strong>-<strong>Strategie</strong> im 11. Fünfjahresplan<br />
(2006-2010)<br />
1.4 Der "<strong>Go</strong> <strong>West</strong> Implementation Guide" und die För<strong>der</strong>ung<br />
ausländischer Direktinvestitionen<br />
2. Status quo: Infrastrukturentwicklung<br />
2.1 Ziele<br />
2.2 Infrastrukturentwicklung in den <strong>West</strong>provinzen<br />
2000 bis 2008<br />
2.3 Weitere Planungen<br />
4<br />
6<br />
9<br />
23<br />
23<br />
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26<br />
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29<br />
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33<br />
34<br />
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3 |<br />
<strong>Die</strong> <strong>Go</strong>-<strong>West</strong>-<strong>Strategie</strong> <strong>der</strong> <strong>chinesischen</strong> <strong>Regierung</strong> – Chancen für die deutsche Wirtschaft?<br />
3. Status quo: Wirtschaft<br />
3.1 Wirtschaftsentwicklung<br />
3.2 Auswirkungen <strong>der</strong> Wirtschaftskrise<br />
3.3 Wirtschafts- und Industriestruktur<br />
3.4 Industrielle Kerne<br />
3.5 Wirtschaftsför<strong>der</strong>ung durch Industrie- und Hightech-Parks<br />
4. Status quo: Außenwirtschaft<br />
4.1 Außenhandel<br />
4.2 Ausländische Direktinvestitionen<br />
4.3 Präsenz ausländischer Unternehmen in <strong>West</strong>china<br />
5. Status quo: Rahmenbedingungen für ausländische Firmen in <strong>West</strong>china<br />
5.1 Rahmenbedingungen in China insgesamt<br />
5.2 Rahmenbedingungen in <strong>West</strong>china<br />
5.3 Wesentliche Motive für das Engagement<br />
ausländischer Unternehmen in <strong>West</strong>china im Speziellen<br />
5.4 Beson<strong>der</strong>e Herausfor<strong>der</strong>ungen<br />
für ausländische Unternehmen in <strong>West</strong>china<br />
5.5 Stärken und Schwächen <strong>der</strong> <strong>West</strong>provinzen<br />
6. <strong>Die</strong> zweite Phase <strong>der</strong> <strong>Go</strong>-<strong>West</strong>-<strong>Strategie</strong>: Blick in die Zukunft<br />
6.1 Zehn Jahre <strong>Go</strong>-<strong>West</strong>-<strong>Strategie</strong>: Zwischenbilanz<br />
6.2 Das chinesische Konjunkturprogramm<br />
6.3 Der Zehn-Industrien-Revitalisierungsplan<br />
6.4 Weiterentwicklung <strong>der</strong> <strong>Go</strong>-<strong>West</strong>-<strong>Strategie</strong><br />
E. <strong>Die</strong> Attraktivität <strong>der</strong> <strong>chinesischen</strong> <strong>West</strong>provinzen:<br />
Benchmarking <strong>der</strong> Gebietskörperschaften<br />
1. Methodik<br />
2. Kernergebnisse des Benchmarkings auf Provinzebene<br />
3. Kernergebnisse des Städte-Benchmarkings<br />
4. Schlussfolgerungen zur Attraktivität <strong>der</strong> <strong>West</strong>provinzen im Vergleich<br />
F. Schlussfolgerungen und Empfehlungen<br />
1. Deutsch-chinesische Wirtschaftsbeziehungen<br />
2. <strong>Die</strong> Bedeutung <strong>West</strong>chinas für die deutsche Wirtschaft<br />
3. Chancen für die deutsche Wirtschaft: Marktperspektive<br />
4. Chancen für die deutsche Wirtschaft: regionale Perspektive<br />
5. Chancen für die deutsche Wirtschaft: Branchenperspektive<br />
6. Empfehlungen an das Ministerium für Wirtschaft und Technologie<br />
G. Profile <strong>der</strong> Provinzen<br />
Sichuan<br />
Chongqing<br />
Shaanxi<br />
Xinjiang<br />
Steckbriefe <strong>der</strong> übrigen <strong>West</strong>provinzen<br />
Verwendete Quellen<br />
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74<br />
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204
4 |<br />
Studie<br />
Abbildungsverzeichnis<br />
Abb. 1:<br />
Abb. 2:<br />
Übersicht über wichtige Kenngrößen <strong>der</strong> <strong>chinesischen</strong> <strong>West</strong>provinzen<br />
Bruttoinlandsprodukt und BIP pro Kopf <strong>der</strong> Volksrepublik China<br />
zu konstanten Preisen 1980-2009<br />
Abb. 3: Entwicklung ausländischer Direktinvestitionen in China 1983-2008<br />
Abb. 4: Chinas Außenhandel 1998-2008<br />
Abb. 5:<br />
Abb. 6:<br />
Abb. 7:<br />
Abb. 8:<br />
Abb. 9:<br />
Abb. 10:<br />
Abb. 11:<br />
Abb. 12:<br />
Abb. 13:<br />
Abb. 14:<br />
Geografische Übersicht über die <strong>chinesischen</strong> <strong>West</strong>provinzen<br />
Topografische Karte China<br />
Verfügbarkeit von Rohstoffen in <strong>West</strong>china: Anteil an den<br />
gesamt<strong>chinesischen</strong> Reserven<br />
Bevölkerungsverteilung in den <strong>West</strong>provinzen<br />
Kaufkraft <strong>der</strong> städtischen Bevölkerung in China<br />
Unterschiede bei <strong>der</strong> Anzahl <strong>der</strong> im Besitz befindlichen Konsumgüter<br />
pro 100 Haushalte in <strong>West</strong>china gegenüber Ostchina 2008<br />
Für die <strong>Go</strong>-<strong>West</strong>-<strong>Strategie</strong> relevante Pläne und Programme<br />
Regionale Schwerpunkte von Industrieprodukten und Hightech-<br />
Forschung in den <strong>West</strong>provinzen nach den Vorgaben des<br />
11. Fünfjahresplans<br />
Kernregionen in den <strong>West</strong>provinzen nach <strong>der</strong> Festlegung<br />
des 11. Fünfjahresplans<br />
Entwicklung infrastruktureller Ressourcen in <strong>West</strong>china<br />
Abb. 15: Hauptachsen des Energienetz-Entwicklungsplans bis 2020:<br />
4 Horizontal/6 Vertikal Energienetz-Struktur<br />
Abb. 16:<br />
Abb. 17:<br />
Abb. 18:<br />
Abb. 19:<br />
Abb. 20:<br />
Abb. 21:<br />
Nominales BIP-Wachstum <strong>der</strong> <strong>West</strong>provinzen und Gesamtchinas<br />
Volkswirtschaften <strong>der</strong> <strong>West</strong>provinzen im Vergleich<br />
Vergleich <strong>der</strong> Entwicklung <strong>der</strong> Exporte aus den <strong>West</strong>provinzen und<br />
Gesamtchina mit dem Vorjahreswert im ersten Halbjahr 2009<br />
Übersicht über BIP und BIP-Glie<strong>der</strong>ung nach Sektoren auf<br />
Provinzebene in <strong>West</strong>china<br />
Übersicht über die Gewerbe- und Hightech-Parks in <strong>West</strong>china<br />
und ihre Ratings<br />
Entwicklung FDI-Anteil und BIP-Anteil des <strong>West</strong>ens<br />
an gesamt<strong>chinesischen</strong> Größen 2005-2008<br />
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<strong>Die</strong> <strong>Go</strong>-<strong>West</strong>-<strong>Strategie</strong> <strong>der</strong> <strong>chinesischen</strong> <strong>Regierung</strong> – Chancen für die deutsche Wirtschaft?<br />
Abb. 22: Präsenz ausländischer Unternehmen in den <strong>chinesischen</strong> Provinzen:<br />
Vergleich <strong>der</strong> Anzahl registrierter ausländischer Firmen in China<br />
Abb. 23: Regionale und Branchen-Verteilung deutscher Unternehmen<br />
in den <strong>chinesischen</strong> <strong>West</strong>provinzen<br />
Abb. 24:<br />
Vergleich <strong>der</strong> Rahmenbedingungen für den Geschäftsbetrieb in China:<br />
Zeitdauer für relevante unternehmensbezogene Vorgänge (ohne Tibet)<br />
Abb. 25: Beurteilung <strong>der</strong> Bedeutung verschiedener Standortfaktoren für<br />
Unternehmen in China und Ausprägung in den <strong>West</strong>provinzen<br />
Abb. 26: Stärken-Schwächen-Profil <strong>der</strong> <strong>West</strong>provinzen<br />
Abb. 27: Planerfüllung <strong>der</strong> <strong>chinesischen</strong> <strong>West</strong>provinzen im 10. Fünfjahresplan<br />
Abb. 28: Überblick zum Verhältnis <strong>der</strong> <strong>West</strong>provinzen zu Gesamtchina<br />
Abb. 29: Das "4 Billionen-Konjunkturprogramm" und seine Bedeutung<br />
für die <strong>West</strong>provinzen<br />
Abb. 30: Für das Benchmarking auf <strong>der</strong> analytischen Ebene verwendete<br />
Indikatoren und Maßzahlen<br />
Abb. 31: Schematische Übersicht zur Methodik <strong>der</strong> vergleichenden<br />
Beurteilung <strong>der</strong> Gebietskörperschaften<br />
Abb. 32: 13 wichtigste Wirtschaftszentren in den <strong>West</strong>provinzen<br />
Abb. 33: Abbildung <strong>der</strong> Attraktivität <strong>der</strong> <strong>West</strong>provinzen aus analytischer<br />
und Unternehmensperspektive<br />
Abb. 34: Erzielte Rangplätze <strong>der</strong> Provinzen aus <strong>der</strong> analytischen Perspektive<br />
in den einzelnen analysierten Dimensionen<br />
Abb. 35: Erzielte Rangplätze <strong>der</strong> Provinzen aus <strong>der</strong> Unternehmensperspektive<br />
Abb. 36: Abbildung <strong>der</strong> Attraktivität führen<strong>der</strong> Agglomerationen aus analytischer<br />
und Unternehmensperspektive<br />
Abb. 37:<br />
Erzielte Rangplätze <strong>der</strong> 13 führenden Wirtschaftszentren aus <strong>der</strong><br />
analytischen Perspektive in den einzelnen analysierten Dimensionen<br />
Abb. 38: Entwicklung bilaterales Handelsvolumen China und Deutschland<br />
Abb. 39: Für deutsche Unternehmen attraktive Standorte nach Industriezweigen<br />
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6 |<br />
Studie<br />
Vorwort<br />
<strong>Die</strong> chinesische <strong>Regierung</strong> bemüht sich mit ihrer <strong>Go</strong>-<strong>West</strong>-<strong>Strategie</strong> seit fast<br />
zehn Jahren, die ökonomischen, sozialen und ökologischen Rahmenbedingungen<br />
für die Entwicklung <strong>West</strong>chinas zu verbessern.<br />
<strong>Die</strong> vorliegende Studie geht auf deutsch-chinesische Wirtschaftskonsultationen<br />
und das Interesse <strong>der</strong> <strong>chinesischen</strong> <strong>Regierung</strong> zurück, mehr Investitionen<br />
aus Deutschland für den <strong>chinesischen</strong> <strong>West</strong>en anzuziehen.<br />
Vor diesem Hintergrund hat das Bundesministerium für Wirtschaft und<br />
Technologie <strong>Roland</strong> <strong>Berger</strong> Strategy Consultants im Juni 2009 beauftragt,<br />
eine Studie zu den ökonomischen Potenzialen für deutsche Unternehmen<br />
im <strong>West</strong>en Chinas zu erstellen.<br />
<strong>Die</strong> Kernaufgaben <strong>der</strong> Studie waren dabei<br />
> Eine Bestandsaufnahme <strong>der</strong> wirtschaftlichen Situation in den<br />
<strong>West</strong>provinzen<br />
> Eine Bewertung <strong>der</strong> <strong>Go</strong>-<strong>West</strong>-<strong>Strategie</strong> und <strong>der</strong> zukünftig geplanten<br />
Weichenstellungen, einschließlich des <strong>chinesischen</strong> Konjunkturpakets<br />
> Ein Beurteilung <strong>der</strong> Infrastrukturentwicklung in <strong>West</strong>china<br />
> <strong>Die</strong> Ermittlung von Geschäftsmöglichkeiten für die deutsche Wirtschaft<br />
sowie die Ableitung von Handlungsempfehlungen<br />
<strong>Die</strong> Studie wurde bei <strong>Roland</strong> <strong>Berger</strong> zwischen Juni und August 2009 vom<br />
Competence Center Civil Economics in enger Zusammenarbeit mit unseren<br />
drei <strong>chinesischen</strong> Büros erarbeitet. Große Teile <strong>der</strong> Datenaufnahme sowie<br />
die Interviews mit Experten und Unternehmen wurden gemeinsam mit den<br />
Büros von <strong>Roland</strong> <strong>Berger</strong> Strategy Consultants in China vor Ort durchgeführt.<br />
<strong>Die</strong> Studie glie<strong>der</strong>t sich fünf Hauptteile:<br />
> <strong>Die</strong> Management Summary in Teil A fasst die wesentlichen Ergebnisse<br />
<strong>der</strong> Studie in geraffter Form zusammen.<br />
> Teil B bietet eine Hinführung zum Thema und beschreibt den Kontext<br />
für die <strong>Go</strong>-<strong>West</strong>-<strong>Strategie</strong> in <strong>der</strong> Entwicklung Gesamtchinas.
7 |<br />
<strong>Die</strong> <strong>Go</strong>-<strong>West</strong>-<strong>Strategie</strong> <strong>der</strong> <strong>chinesischen</strong> <strong>Regierung</strong> – Chancen für die deutsche Wirtschaft?<br />
> Teil C leistet eine zusammenfassende Darstellung <strong>der</strong> <strong>West</strong>provinzen.<br />
Kernaufgabe ist hier, die Spezifika <strong>der</strong> <strong>West</strong>provinzen gegenüber<br />
Gesamtchina und den östlichen Provinzen herauszuarbeiten.<br />
> Teil D erläutert die Zielsetzung, die bisherigen Ergebnisse sowie die<br />
weiteren Planungen <strong>der</strong> <strong>Go</strong>-<strong>West</strong>-<strong>Strategie</strong> <strong>der</strong> <strong>chinesischen</strong> <strong>Regierung</strong>.<br />
Schwerpunkte sind dabei zwei wesentliche Themenfel<strong>der</strong> <strong>der</strong> <strong>Go</strong>-<strong>West</strong>-<br />
<strong>Strategie</strong>: die Infrastruktur und die För<strong>der</strong>ung des Außenhandels. In<br />
diesem Kontext werden auch die Aktivitäten ausländischer Unternehmen<br />
in den westlichen Provinzen betrachtet.<br />
> In Teil E werden dann die einzelnen Provinzen und die wichtigsten<br />
Wirtschaftszentren in einem systematischen Vergleich auf Basis statistischer<br />
Daten und <strong>der</strong> Ergebnisse <strong>der</strong> Unternehmensgespräche gegenübergestellt<br />
und anhand verschiedener Kriterien in eine Rangfolge gebracht.<br />
> Teil F leitet aus den Ergebnissen <strong>der</strong> Studie Schlussfolgerungen bezüglich<br />
<strong>der</strong> Chancen für die deutsche Wirtschaft in <strong>West</strong>china und Handlungsempfehlungen<br />
für das Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie<br />
ab.<br />
> Teil G enthält schließlich in geraffter Form Steckbriefe <strong>der</strong> zwölf <strong>West</strong>provinzen<br />
und <strong>der</strong> wichtigsten ökonomischen Zentren sowie ausführliche<br />
Textdarstellungen zu vier ausgewählten Regionen.<br />
Für die systematische und stimmige Aufbereitung von Informationen stellte<br />
die Datenlage in den offiziellen <strong>chinesischen</strong> Statistiken häufig eine Herausfor<strong>der</strong>ung<br />
dar. Wo immer möglich, basieren die in dieser Studie präsentierten<br />
Auswertungen auf Daten aus den Publikationen des Nationalen Amtes<br />
für Statistik <strong>der</strong> Volksrepublik China (National Bureau of Statistics of China,<br />
im Folgenden zitiert als NBS) sowie auf Quellen anerkannter internationaler<br />
Organisationen, etwa <strong>der</strong> Weltbank o<strong>der</strong> dem Internationalen Währungsfonds.<br />
Teilweise gelten die offiziellen Statistiken aber als nicht beson<strong>der</strong>s aussagekräftig.<br />
<strong>Die</strong>s ist zum Beispiel bei Angaben zu Arbeitslosenquoten <strong>der</strong> Fall,<br />
weil die entsprechenden Statistiken in <strong>der</strong> Regel nicht die komplette relevante<br />
Grundgesamtheit <strong>der</strong> Bevölkerung erfassen. Eine Reihe von Datenpunkten<br />
zu den Gebietskörperschaften ist außerdem in China nur aus den<br />
einzelnen Jahrbüchern <strong>der</strong> Provinzen o<strong>der</strong> Städte zu ermitteln. Dabei hat<br />
sich gezeigt, dass diese nicht immer mit den nationalen Statistiken konsistent<br />
sind und zum Beispiel bereits bei Angaben zu Wirtschaftsleistung o<strong>der</strong><br />
zu ausländischen Direktinvestitionen abweichen. An den Stellen <strong>der</strong> Studie,<br />
an denen Daten nicht komplett plausibilisiert werden konnten, erfolgt ein<br />
entsprechen<strong>der</strong> Hinweis.
8 |<br />
Studie<br />
Noch zwei formale Hinweise: Chinesische Namen und geografische<br />
Bezeichnungen sind in <strong>der</strong> international üblichen Hanyu-Pinyin-Umschrift<br />
wie<strong>der</strong>gegeben. Eine Ausnahme von dieser Regel wird lediglich in solchen<br />
Fällen gemacht, bei denen im Deutschen geläufige Benennungen existieren:<br />
Den Huang He kennen sicherlich die meisten deutschsprachigen Leser als<br />
Gelben Fluss, den Chang Jiang als Jangtse.<br />
Währungsangaben erfolgen im Rahmen dieser Studie durchgehend in<br />
<strong>chinesischen</strong> Yuan Renminbi (CNY). An einigen Stellen wird zur Plausibilisierung<br />
eine Umrechnung in US-Dollar mit angegeben. Umrechnungen<br />
erfolgten mit dem jeweiligen durchschnittlichen Wechselkurs des betreffenden<br />
Jahres. So entsprechen etwa für 2008 100 CNY circa 14,4 USD o<strong>der</strong><br />
9,81 EUR.<br />
<strong>Die</strong> Realisierung dieser Studie in <strong>der</strong> vorliegenden Form war nur durch die<br />
engagierte Mitwirkung zahlreicher Akteure und Institutionen auf deutscher<br />
und chinesischer Seite möglich. Unser herzlicher Dank für die tatkräftige<br />
Unterstützung bei den Recherchen gilt den Gesprächspartnern in China:<br />
zum einen den Experten aus dem Kreis von Entwicklungsbanken und <strong>der</strong><br />
<strong>chinesischen</strong> Akademie <strong>der</strong> Wissenschaften, die uns für Gespräche zur<br />
Verfügung standen, zum an<strong>der</strong>en den in China aktiven Unternehmen,<br />
die sich die Zeit für ausführliche Interviews genommen haben.<br />
Zu großem Dank verpflichtet sind wir auch <strong>der</strong> Deutschen Botschaft und<br />
<strong>der</strong> Deutschen Handelskammer in China, die uns in vielfältiger Form unterstützt<br />
haben, sowie dem Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie<br />
für die pragmatische Hilfe. Dank sagen möchten wir außerdem <strong>der</strong> Nationalen<br />
Entwicklungs- und Reformkommission (NDRC) und dem <strong>chinesischen</strong><br />
Handelsministerium (MOFCOM) für ihre Bereitschaft zur Kooperation.
9 |<br />
<strong>Die</strong> <strong>Go</strong>-<strong>West</strong>-<strong>Strategie</strong> <strong>der</strong> <strong>chinesischen</strong> <strong>Regierung</strong> – Chancen für die deutsche Wirtschaft?<br />
A. Management Summary<br />
Summarisch kann die Stellung <strong>der</strong> <strong>West</strong>provinzen in China anhand von<br />
einigen Kernkenngrößen in <strong>der</strong> folgenden Abbildung dargestellt werden:<br />
<strong>Die</strong> weiteren Ergebnisse <strong>der</strong> vorliegenden Studie lassen sich in den folgenden<br />
45 Kernaussagen zusammenfassen. <strong>Die</strong> Struktur <strong>der</strong> Darstellung entspricht<br />
dabei zur leichteren Orientierung <strong>der</strong> Kapitelfolge <strong>der</strong> Studie.<br />
<strong>Die</strong> <strong>chinesischen</strong> <strong>West</strong>provinzen: Nahaufnahme<br />
> "<strong>Die</strong> <strong>West</strong>provinzen": <strong>Die</strong> <strong>West</strong>provinzen in <strong>der</strong> Definition <strong>der</strong> <strong>chinesischen</strong><br />
<strong>Regierung</strong> stellen keine in irgendeiner Form homogene Gruppe<br />
von Regionen dar – im Gegenteil: <strong>Die</strong> sechs Provinzen, fünf Autonomen<br />
Regionen und eine regierungsunmittelbare Stadt sind in fast je<strong>der</strong> Hinsicht<br />
heterogen: geografisch, klimatisch, bezüglich spezifischer Ressourcen,<br />
Einwohnerzahl und Bevölkerungsdichte, Wirtschaftsstrukturen,<br />
Wirtschaftsleistung o<strong>der</strong> <strong>der</strong> Affinität für ausländische Investoren. <strong>Die</strong><br />
Gemeinsamkeit <strong>der</strong> einzelnen Provinzen besteht lediglich darin, dass sie<br />
im Vergleich zu den übrigen <strong>chinesischen</strong> Regionen Chinas als weniger<br />
entwickelt gelten und deshalb im Rahmen <strong>der</strong> <strong>Go</strong>-<strong>West</strong>-<strong>Strategie</strong> in <strong>der</strong><br />
politischen Planung gemeinsam betrachtet werden.
10 |<br />
Studie<br />
> Natur und Raum: Zum Teil weisen die <strong>West</strong>provinzen extreme geografische<br />
und klimatische Bedingungen auf (Wüsten, ausgeprägte Höhenlagen),<br />
was die Rahmenbedingungen für wirtschaftliche Tätigkeit, etwa<br />
bei <strong>der</strong> Landwirtschaft, deutlich erschwert. Gerade in den nördlichen<br />
und einigen westlichen Regionen fallen sehr geringe Nie<strong>der</strong>schläge<br />
und es herrscht Wassermangel.<br />
> Ressourcen: <strong>Die</strong> <strong>West</strong>provinzen sind reich an natürlichen Ressourcen:<br />
Es finden sich sehr große Anteile wichtiger Rohstoffe, zum Beispiel Kohle<br />
(53% <strong>der</strong> <strong>chinesischen</strong> Reserven), Erdgas (68% <strong>der</strong> <strong>chinesischen</strong> Reserven),<br />
Zinn (80% <strong>der</strong> <strong>chinesischen</strong> Reserven) o<strong>der</strong> Nickel (97% <strong>der</strong> <strong>chinesischen</strong><br />
Reserven). Außerdem liegen 37% des verfügbaren Ackerlandes<br />
– eine in China zunehmend knappe Ressource – im <strong>West</strong>en.<br />
> Demografie: In den <strong>West</strong>provinzen leben 365 Mio. Menschen, die sich<br />
aber sehr ungleich über die riesige Fläche dieser Regionen (69% <strong>der</strong><br />
Fläche Chinas) verteilen: So leben in Sichuan 81 Mio. Menschen, in <strong>der</strong><br />
weit größeren Autonomen Region Tibet nur knapp 3 Millionen. Von <strong>der</strong><br />
Gesamtbevölkerung leben mit 35% noch deutlich unterdurchschnittlich<br />
viele Menschen in den Städten (China gesamt: 45%). <strong>Die</strong> Bevölkerungsentwicklung<br />
ist analog zu Gesamtchina praktisch stabil. Überdurchschnittlich<br />
wächst die Bevölkerungszahl nur in einigen Autonomen<br />
Regionen, in denen die Angehörigen <strong>der</strong> nationalen Min<strong>der</strong>heiten<br />
von den Vorgaben <strong>der</strong> Ein-Kind-Politik ausgenommen sind.<br />
> Bildung: <strong>West</strong>china liegt bei den Bevölkerungsanteilen mit höherer<br />
Schulbildung mit 11% und einem Akademikeranteil von 5% leicht unter<br />
den gesamt<strong>chinesischen</strong> Werten von 13% beziehungsweise 7%. Auch<br />
was die Zahl <strong>der</strong> Universitäten angeht, ist <strong>West</strong>china mit 1,1 Einrichtungen<br />
pro 1 Million Einwohner nicht deutlich schlechter gestellt als<br />
<strong>der</strong> Osten Chinas (1,3). Allerdings wird mit im Schnitt 170.000 CNY<br />
(circa 24.500 USD) pro 1.000 Einwohner im <strong>West</strong>en deutlich weniger<br />
in Bildungseinrichtungen investiert als im Osten (211.000 CNY,<br />
circa 30.400 USD).<br />
> Forschung: In <strong>der</strong> Forschungsleistung – gemessen an <strong>der</strong> Zahl <strong>der</strong><br />
Patente – liegen die <strong>West</strong>provinzen noch deutlich hinter dem Osten<br />
Chinas zurück: So wurden 2008 nur 10% <strong>der</strong> in China angemeldeten<br />
Patente im <strong>West</strong>en erarbeitet (insgesamt 33.000). Innerhalb <strong>der</strong> <strong>West</strong>provinzen<br />
sind die Unterschiede zudem sehr stark: Zwei Drittel <strong>der</strong> in<br />
<strong>West</strong>china angemeldeten Patente entfallen auf die Provinzen Sichuan<br />
(40%), Chongqing (14%) und Shaanxi (13%).
11 |<br />
<strong>Die</strong> <strong>Go</strong>-<strong>West</strong>-<strong>Strategie</strong> <strong>der</strong> <strong>chinesischen</strong> <strong>Regierung</strong> – Chancen für die deutsche Wirtschaft?<br />
> Kaufkraft und Konsum: Das verfügbare Pro-Kopf-Einkommen liegt in den<br />
westlichen Provinzen mit knapp 10.000 CNY (circa 1.400 USD) deutlich<br />
unter dem <strong>der</strong> östlichen Provinzen mit 12.000 CNY (circa 1.700 USD).<br />
Dementsprechend reduziert ist das Konsumverhalten: Zwar entsprechen<br />
die Konsumausgaben <strong>der</strong> west<strong>chinesischen</strong> Bevölkerung mit einem<br />
Anteil von 17% an denen Gesamtchinas ungefähr dem Anteil <strong>der</strong> Wirtschaftsleistung<br />
(19%). <strong>Die</strong> Ausstattung mit Wohlstandsgütern wie Fahrzeugen,<br />
Klimaanlagen o<strong>der</strong> Computern liegt aber noch deutlich unter<br />
<strong>der</strong> im östlichen Teil Chinas (zum Beispiel 5,7 Fahrzeuge pro 100 Einwohner<br />
im <strong>West</strong>en vs. 8,8 im Osten).<br />
> Herausfor<strong>der</strong>ungen: Spezifische Herausfor<strong>der</strong>ungen für die Politik stellen<br />
Armut und Arbeitslosigkeit und die ethnische Situation dar: Das Armutsniveau<br />
ist im <strong>West</strong>en mit 8,7% <strong>der</strong> Bevölkerung deutlich höher als im<br />
Osten (3,8%). <strong>Die</strong> offiziellen Arbeitslosenquoten liegen zwar im <strong>chinesischen</strong><br />
Schnitt, berücksichtigen aber in <strong>der</strong> Regel die ländliche Bevölkerung<br />
und Wan<strong>der</strong>arbeiter nicht ausreichend, sodass man auch hier<br />
von höheren Werten im <strong>West</strong>en ausgehen kann. Darüber hinaus lebt<br />
in <strong>West</strong>china ein Großteil <strong>der</strong> nationalen Min<strong>der</strong>heiten Chinas: <strong>Die</strong>se<br />
stellen im <strong>West</strong>en 20% <strong>der</strong> Bevölkerung (vs. 8% im Osten), und die<br />
strikte Assimilierungspolitik <strong>der</strong> <strong>chinesischen</strong> Zentralregierung führt<br />
immer wie<strong>der</strong> zu gewaltsamen Konflikten wie in Tibet im Jahre 2008<br />
o<strong>der</strong> in Xinjiang im Sommer 2009.<br />
> Umweltverschmutzung: Der <strong>West</strong>en Chinas ist in beson<strong>der</strong>em Maße von<br />
Umweltproblemen betroffen. Dazu zählen Wasserknappheit und Wasserverschmutzung,<br />
Erosion und Degradation von Böden sowie verstärkte<br />
Wüstenbildung, Entwaldung sowie starke Luftverschmutzung<br />
<strong>Die</strong> <strong>Go</strong>-<strong>West</strong>-<strong>Strategie</strong> <strong>der</strong> <strong>chinesischen</strong> <strong>Regierung</strong>:<br />
Ziele, Ergebnisse und Ausblick<br />
> <strong>Die</strong> <strong>Go</strong>-<strong>West</strong>-<strong>Strategie</strong>: <strong>Die</strong> politischen Zielsetzungen <strong>der</strong> <strong>Go</strong>-<strong>West</strong>-<strong>Strategie</strong><br />
müssen im Kontext des <strong>chinesischen</strong> Systems <strong>der</strong> "sozialistischen<br />
Marktwirtschaft" verstanden werden, die noch starke Züge einer Zentralverwaltungswirtschaft<br />
trägt. <strong>Die</strong> <strong>Go</strong>-<strong>West</strong>-<strong>Strategie</strong> wurde 1999 aus<br />
<strong>der</strong> Motivation heraus entwickelt, die drastischen Entwicklungsunterschiede<br />
zwischen den westlichen Regionen Chinas und den sich stark<br />
entwickelnden östlichen Regionen auszu-gleichen. Im Jahr 2000 wurde<br />
die <strong>Go</strong>-<strong>West</strong>-<strong>Strategie</strong> in den 10. Fünfjahresplan (2001-2006) integriert.
12 |<br />
Studie<br />
> Politische Programme: <strong>Die</strong> wichtigsten politischen Regelungen <strong>der</strong><br />
<strong>Go</strong>-<strong>West</strong>-<strong>Strategie</strong> sind <strong>der</strong> 10. und <strong>der</strong> 11. Fünfjahresplan mit jeweils<br />
spezifischen <strong>Go</strong>-<strong>West</strong>-Programmen, <strong>der</strong> "<strong>Go</strong> <strong>West</strong> Implementation Guide"<br />
sowie die Liste <strong>der</strong> geför<strong>der</strong>ten Industrien für Auslandsinvestitionen.<br />
> Der 10. und <strong>der</strong> 11. Fünfjahresplan: <strong>Die</strong> <strong>Go</strong>-<strong>West</strong>-<strong>Strategie</strong> wurde als<br />
zentraler Baustein in den 10. Fünfjahresplan (2001-2006) integriert.<br />
Als wesentliche Ziele wurden dabei festgeschrieben, die Infrastruktur in<br />
ländlichen Gebieten zu verbessern, umfassende Wie<strong>der</strong>aufforstung und<br />
Sanierung von Flächen vorzunehmen, das Bildungsniveau in den <strong>West</strong>provinzen<br />
anzuheben und die Effizienz in Industriebetrieben zu steigern.<br />
Da diese Ziele (siehe Teil C) nur zum Teil erreicht wurden, wurde die<br />
<strong>Go</strong>-<strong>West</strong>-<strong>Strategie</strong> im 11. Fünfjahresplan (2006-2010) fortgeschrieben,<br />
<strong>der</strong> insgesamt eine Kurskorrektur von einer quantitativen zu einer mehr<br />
qualitativen Wirtschaftsentwicklung vorsieht. Für die <strong>West</strong>provinzen sind<br />
eine Forcierung <strong>der</strong> Infrastrukturentwicklung, vor allem beim Straßenund<br />
Schienenbau, sowie die För<strong>der</strong>ung bestimmter Wirtschaftszweige<br />
vorgesehen. Der Schwerpunkt liegt dabei auf <strong>der</strong> Energiewirtschaft, <strong>der</strong><br />
Chemiebranche, dem Abbau und <strong>der</strong> Verarbeitung von Mineralien, <strong>der</strong><br />
Verarbeitung landwirtschaftlicher Produkte, dem Maschinenbau, Hightech-Industrien<br />
und dem Tourismus. Außerdem ist die För<strong>der</strong>ung von<br />
drei Fokusregionen mit Leuchtturmfunktion vorgesehen, <strong>der</strong> Region<br />
Guanzhong-Tianshui (in den Provinzen Shaanxi und Gansu), <strong>der</strong> Region<br />
Chengdu-Chongqing und <strong>der</strong> sogenannten "North Bay" in <strong>der</strong> Provinz<br />
Guangxi.<br />
> Der "<strong>Go</strong> <strong>West</strong> Implementation Guide" und die Liste <strong>der</strong> geför<strong>der</strong>ten Industrien<br />
für Auslandsinvestitionen: In <strong>der</strong> Umsetzungsrichtline <strong>der</strong> <strong>Go</strong>-<strong>West</strong>-<br />
<strong>Strategie</strong> wurden zehn wesentliche Politikmaßnahmen definiert, die im<br />
Rahmen <strong>der</strong> <strong>Strategie</strong> umzusetzen sind. Mehr als die Hälfte <strong>der</strong> aufgeführten<br />
Maßnahmen zielt darauf ab, die Bedingungen für Unternehmen<br />
mit ausländischer Beteiligung zu verbessern, etwa im Bereich <strong>der</strong> Steuerpolitik.<br />
Für Auslandsinvestitionen in den <strong>chinesischen</strong> <strong>West</strong>provinzen<br />
wurde außerdem ein sehr ausführlicher Katalog <strong>der</strong> "geför<strong>der</strong>ten Branchen"<br />
und <strong>der</strong> in diesen Branchen vorrangig geför<strong>der</strong>ten Aktivitäten<br />
erstellt. Für diese Branchen kann in den jeweils benannten Regionen<br />
von ausländischen Unternehmen insbeson<strong>der</strong>e <strong>der</strong> vermin<strong>der</strong>te Körperschaftssteuersatz<br />
von 15% in Anspruch genommen werden.<br />
> Status quo Infrastrukturentwicklung: In <strong>der</strong> ersten Phase <strong>der</strong> <strong>Go</strong>-<strong>West</strong>-<br />
<strong>Strategie</strong> lag <strong>der</strong> Fokus im Wesentlichen auf dem Ausbau <strong>der</strong> Infrastruktur.<br />
Neben Großprojekten wie <strong>der</strong> Eisenbahnverbindung Qinghai-Lhasa<br />
(abgeschlossen 2006), den <strong>West</strong>-Ost-Gaspipelines, dem <strong>West</strong>-Ost-Elektri-
13 |<br />
<strong>Die</strong> <strong>Go</strong>-<strong>West</strong>-<strong>Strategie</strong> <strong>der</strong> <strong>chinesischen</strong> <strong>Regierung</strong> – Chancen für die deutsche Wirtschaft?<br />
zitätsübertragungssystem und dem Süd-Nord-Wassertransferprojekt<br />
(<strong>der</strong>zeit in <strong>der</strong> Umsetzung) wurden vor allem Verkehrsinfrastruktur-<br />
Entwicklungsprojekte angestoßen. So wurden zwischen 1999 und 2007<br />
über 12.000 Kilometer Autobahnen und 8.000 Kilometer Schienenwege<br />
gebaut. Dabei stand vor allem die Anbindung <strong>der</strong> <strong>West</strong>provinzen an den<br />
Osten Chinas im Vor<strong>der</strong>grund. Der Ausbau soll auch in Zukunft weitergehen:<br />
Bis 2030 ist eine Verdopplung <strong>der</strong> Länge <strong>der</strong> Schnellstraßen im<br />
<strong>West</strong>en vorgesehen, <strong>der</strong> Ausbau des Schienenverkehrs wird eine größere<br />
Rolle spielen, außerdem wird ein stärkerer Fokus darauf gelegt werden,<br />
die Zentren <strong>West</strong>chinas miteinan<strong>der</strong> zu verknüpfen.<br />
> Energieerzeugung: <strong>Die</strong> Elektrizitätserzeugungskapazität stieg zwischen<br />
1999 und 2007 von 71 Gigawatt auf über 200 Gigawatt. <strong>Die</strong> Netz- und<br />
Übertragungskapazitäten haben mit dieser Entwicklung aber nicht Schritt<br />
gehalten, daher sind weiterhin große Investitionen in den Netzausbau<br />
nötig. Geplant ist, ein chinaweites Netz von Hochspannungsübertragungsleitungen<br />
zu errichten, das die starken Erzeugungskapazitäten im<br />
<strong>West</strong>en systematisch mit den Ostprovinzen und den Norden mit dem<br />
Süden des Landes verbindet. Künftig soll auf die erneuerbaren Energien<br />
ein größerer Anteil an <strong>der</strong> Energieerzeugung entfallen, weil es gerade<br />
im <strong>West</strong>en große Potenziale und vielversprechende erste Projekte im<br />
Bereich Wind- und Solarenergie gibt.<br />
> Wirtschaftliche Entwicklung: Das Bruttoinlandsprodukt <strong>der</strong> <strong>West</strong>provinzen<br />
lag 2008 bei 5,8 Billionen CNY (circa 840 Mrd. USD). Das entspricht<br />
einem Anteil von 19% an <strong>der</strong> Wirtschaftsleistung <strong>der</strong> Volksrepublik<br />
China. Bis zum Jahr 2000 hinkte die wirtschaftliche Entwicklung <strong>der</strong><br />
westlichen Provinzen <strong>der</strong>jenigen Gesamtchinas hinterher. Seit 2001<br />
konnte <strong>der</strong> <strong>West</strong>en jedoch im Wachstumstempo aufholen und lag<br />
beim Wachstum in etwa im gesamt<strong>chinesischen</strong> Schnitt. Um in <strong>der</strong><br />
Wirtschaftskraft aber zum Osten aufzuschließen, müsste <strong>der</strong> <strong>West</strong>en<br />
deutlich stärker wachsen als Gesamtchina. <strong>Die</strong>s ist zur Zeit nicht <strong>der</strong><br />
Fall. <strong>Die</strong> Wirtschaftsleistung in den <strong>West</strong>provinzen ist extrem ungleich<br />
verteilt: Allein Sichuan, die Innere Mongolei, Guangxi, Shaanxi und<br />
Chongqing erwirtschaften knapp 60% des westlichen BIP.<br />
> Wirtschaftskrise: Glaubt man den offiziellen Statistiken trotz einiger<br />
Unklarheiten, gibt es Indikationen dafür, dass die <strong>West</strong>provinzen von<br />
den Auswirkungen <strong>der</strong> Wirtschaftskrise zwar ebenso wie Gesamtchina<br />
hart getroffen werden, aber weniger stark als die östlichen Regionen.<br />
<strong>Die</strong>s lässt sich anhand <strong>der</strong> Wachstums- und <strong>der</strong> Exportentwicklung<br />
zeigen. <strong>Die</strong> These wird außerdem durch die Tatsache gestützt, dass <strong>der</strong><br />
Schwerpunkt des <strong>chinesischen</strong> Konjunkturpakets auf Leistungen für<br />
den <strong>West</strong>teil des Landes liegt.
14 |<br />
Studie<br />
> Industriestruktur: <strong>Die</strong> Industriestruktur ist in <strong>West</strong>china noch sehr stark<br />
am primären Sektor orientiert: Während im Osten Chinas nur 9% <strong>der</strong><br />
Wirtschaftsleistung aus <strong>der</strong> Landwirtschaft und 4% aus dem Bergbau<br />
stammen, spielen in den <strong>West</strong>provinzen die Landwirtschaft mit 16%<br />
und <strong>der</strong> Bergbau mit 9% <strong>der</strong> Wirtschaftsleistung eine sehr viel wichtigere<br />
Rolle. Dagegen ist <strong>der</strong> <strong>Die</strong>nstleistungssektor mit im Schnitt 35% Anteil<br />
am Bruttoinlandsprodukt im <strong>West</strong>en noch stark unterentwickelt.<br />
> Industrielle Zentren im <strong>West</strong>en: Im <strong>West</strong>en zeigen sich neben Bergbau<br />
und Landwirtschaft sechs weitere Industriezweige, in denen sich die<br />
Wertschöpfung <strong>der</strong> <strong>West</strong>provinzen deutlich positiv vom durchschnittlichen<br />
Beitrag des <strong>West</strong>ens zum gesamt<strong>chinesischen</strong> Volkseinkommen<br />
abhebt und regionale Stärken zeigt: die Getränkeindustrie, die Tabakindustrie,<br />
die Metallverarbeitung (ohne Eisen und Stahl), die Erzeugung<br />
von Erdgas, Wasser und Elektrizität, das Hotel- und Gaststättengewerbe<br />
sowie die pharmazeutische Industrie.<br />
> Gewerbe- und Hightech-Parks im <strong>West</strong>en: <strong>Die</strong> beiden wichtigsten Gruppen<br />
von Industrieparks in China sind die Nationalen Wirtschafts- und Technologie-Entwicklungszonen<br />
(National Economic and Technological Development<br />
Zones, ETDZ) auf <strong>der</strong> einen Seite und die Nationalen Hightech-<br />
Entwicklungszonen (National Hi-Tech Industrial Development Zones,<br />
HIDZ) auf <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en Seite. Heute existieren in ganz China 54 ETDZ,<br />
davon 13 in <strong>West</strong>china, und 53 HTDZ, davon 12 in <strong>West</strong>china. Mit<br />
wenigen Ausnahmen sind diese Industrie- und Hightech-Parks in <strong>der</strong><br />
Nähe <strong>der</strong> jeweiligen Provinzhauptstädte angesiedelt. Bezüglich <strong>der</strong><br />
Anzahl von jeweils etwa einem Fünftel entspricht die Zahl <strong>der</strong> Entwicklungszonen<br />
in <strong>West</strong>china also in etwa <strong>der</strong> west<strong>chinesischen</strong> Wirtschaftsleistung.<br />
In <strong>der</strong> Qualität <strong>der</strong> Industrieparks können aber nur sehr wenige<br />
Parks in <strong>West</strong>china (vor allem Chongqing, Xi'an und Chengdu) mit den<br />
Wettbewerbern im Osten mithalten, wie ein Rating aller <strong>chinesischen</strong><br />
Industrieparks ergab.<br />
> Außenhandel des <strong>West</strong>ens: Beim Außenhandel liegen die <strong>West</strong>provinzen<br />
nach wie vor sehr weit hinter den an<strong>der</strong>en Regionen Chinas zurück: Der<br />
Anteil <strong>der</strong> westlichen Provinzen an den gesamt<strong>chinesischen</strong> Exporten<br />
beträgt knapp 4%. Auf <strong>der</strong> Importseite liegt <strong>der</strong> Anteil ebenfalls nur<br />
bei 4%. Den dominierenden Part im Außenhandel <strong>West</strong>chinas spielen<br />
bei den Exporten die Autonome Region Xinjiang sowie die Provinzen<br />
Sichuan und Shaanxi; die drei Provinzen erreichen zusammen einen<br />
Anteil von 50%.
15 |<br />
<strong>Die</strong> <strong>Go</strong>-<strong>West</strong>-<strong>Strategie</strong> <strong>der</strong> <strong>chinesischen</strong> <strong>Regierung</strong> – Chancen für die deutsche Wirtschaft?<br />
> Ausländische Direktinvestitionen: <strong>Die</strong> ausländischen Direktinvestitionen<br />
in <strong>der</strong> Volksrepublik China sind in den zehn Jahren zwischen 1999 und<br />
2008 mit durchschnittlich 10% pro Jahr sehr dynamisch gewachsen und<br />
lagen 2008 bei 92 Mrd. USD. Der <strong>West</strong>en absorbiert aber nach wie vor<br />
sehr viel weniger ausländische Direktinvestitionen, als es eigentlich dem<br />
Anteil seiner Wirtschaftsleistung entsprechen würde. Der Anteil an allen<br />
ausländischen Direktinvestitionen in China, <strong>der</strong> in die <strong>West</strong>provinzen<br />
geflossen ist, hat sich von einer niedrigen Basis ausgehend zwischen<br />
2005 und 2008 von 8% auf 14% vergrößert und liegt damit noch deutlich<br />
unter dem Anteil <strong>der</strong> Wirtschaftsleistung von 19%.<br />
> Präsenz internationaler Unternehmen: Von den 286.000 in <strong>der</strong> Volksrepublik<br />
registrierten ausländischen Unternehmen sind nur 16.600<br />
– das entspricht einem Anteil von 6% – in den westlichen Provinzen<br />
präsent. <strong>Die</strong> meisten Unternehmen mit ausländischer Beteiligung finden<br />
sich heute in den Provinzen Sichuan und Shaanxi sowie in den südlichen<br />
Provinzen Yunnan und Guangxi. Als Beispiele für das Engagement ausländischer<br />
Unternehmen in <strong>West</strong>china können Intel in Chengdu, Fraport<br />
in Xi'an, Duravit in Chongqing, BASF in Kunming, Joh. Barth und Sohn<br />
in Ürümqi o<strong>der</strong> die Veolia-Gruppe in verschiedenen <strong>West</strong>provinzen<br />
aufgeführt werden.<br />
> Präsenz deutscher Unternehmen: Von den knapp 3.600 Unternehmen<br />
in <strong>der</strong> Datenbank <strong>der</strong> Deutschen Handelskammer in China sind nur 167<br />
(5%) in <strong>West</strong>china registriert. Deren Verteilung innerhalb des <strong>West</strong>ens<br />
zeigt dabei einen Schwerpunkt in den Provinzen Sichuan, Shaanxi<br />
und Chongqing. In <strong>der</strong> Branchenverteilung zeigt sich die Dominanz<br />
des Maschinenbaus, dem fast die Hälfte <strong>der</strong> deutschen Unternehmen<br />
in <strong>West</strong>china zuzurechnen sind. Es folgen mit deutlichem Abstand in<br />
<strong>der</strong> Bedeutung die Elektronik-, IT-, Automobil- und Chemiebranche.<br />
> Rahmenbedingungen für ausländische Unternehmen: <strong>Die</strong> Aufnahme<br />
und die Ausübung einer Geschäftstätigkeit in den <strong>West</strong>provinzen werden<br />
immer noch als schwieriger beurteilt als in Ostchina. <strong>Die</strong> Gründung eines<br />
Unternehmens dauert mit durchschnittlich 45 Tagen länger als im Osten<br />
(39 Tage). Ähnlich verhält es sich mit <strong>der</strong> Zeit, die die Registrierung von<br />
Eigentum (57 Tage im <strong>West</strong>en vs. 50 Tage im Osten), die Registrierung<br />
von Kreditgarantien (21 Tage im <strong>West</strong>en vs. 14 Tage im Osten) und die<br />
Durchsetzung von Verträgen vor Gericht (351 Tage im <strong>West</strong>en vs. 300<br />
Tage im Osten) in Anspruch nehmen. Sichuan, Chongqing und Shaanxi<br />
erzielen dabei nicht nur die besten Platzierungen unter allen <strong>West</strong>provinzen;<br />
sie schneiden im Schnitt auch besser ab als die ost<strong>chinesischen</strong><br />
Provinzen.
16 |<br />
Studie<br />
> Motivation <strong>der</strong> Unternehmen für eine Tätigkeit in den <strong>West</strong>provinzen: <strong>Die</strong><br />
Unternehmensinterviews, die für die vorliegende Studie geführt wurden,<br />
machten deutlich, dass für das Engagement in <strong>West</strong>china im Prinzip vor<br />
allem die lokalen Marktchancen, das Mitgehen mit Kunden o<strong>der</strong> Lieferanten<br />
und bis zu einem gewissen Grad die bessere Kostensituation<br />
ausschlaggebend sind. Gleicht man diese Motivationslage mit dem<br />
Stärken-Schwächen-Profil <strong>der</strong> <strong>West</strong>provinzen ab, so zeigt sich, dass <strong>der</strong><br />
<strong>West</strong>en eher in den Bereichen punkten kann, die von den Unternehmen<br />
als weniger wichtig betrachtet werden, also etwa bei <strong>der</strong> Verfügbarkeit<br />
natürlicher Ressourcen o<strong>der</strong> bei <strong>der</strong> Wirtschaftspolitik. Überraschend<br />
wenig Bedeutung messen die befragten Unternehmen <strong>der</strong> vorhandenen<br />
politischen Unterstützung und <strong>der</strong> Wirtschaftför<strong>der</strong>ung zu. <strong>Die</strong>s wird<br />
nicht als beson<strong>der</strong>er Mehrwert <strong>der</strong> <strong>West</strong>provinzen betrachtet, weil<br />
viele an<strong>der</strong>e Standorte in China ähnliche Konditionen bieten.<br />
> Spezifische Herausfor<strong>der</strong>ungen für Unternehmen in <strong>West</strong>china: Insgesamt<br />
lässt sich festhalten, dass sich aus Sicht <strong>der</strong> Unternehmen die Rahmenbedingungen<br />
in <strong>West</strong>china nicht grundsätzlich o<strong>der</strong> extrem, son<strong>der</strong>n<br />
eher graduell und bezüglich einiger Spezifika von den Gegebenheiten<br />
in an<strong>der</strong>en Regionen Chinas unterscheiden. Als spezifische Herausfor<strong>der</strong>ungen<br />
wurden insbeson<strong>der</strong>e das Qualifikationsniveau des Personals, die<br />
schwierigere Situation für Expatriates, die geringere Erfahrung lokaler<br />
Behörden im Umgang mit Auslän<strong>der</strong>n und ausländischen Unternehmen,<br />
die enormen Entfernungen und die an<strong>der</strong>en logistischen Herausfor<strong>der</strong>ungen<br />
sowie die Langwierigkeit administrativer Vorgänge angeführt.<br />
Außerdem gilt <strong>der</strong> Aufbau langfristiger und intensiver persönlicher<br />
Beziehungen im <strong>West</strong>en als noch wichtiger für den Geschäftserfolg<br />
als im östlichen China – das erfor<strong>der</strong>t Zeit und Geduld.<br />
> Spezifische Stärken <strong>der</strong> <strong>West</strong>provinzen:<br />
– Große Vorkommen wichtiger Bodenschätze, vor allem bezüglich<br />
Energierohstoffen (Erdgas, Kohle, Wasserkraft)<br />
– Boomende Rohstoffbranchen und bisher niedriger Grad an<br />
Ausbeutung <strong>der</strong> Naturressourcen<br />
– Rolle als wichtige Schaltstelle für den Handel mit Zentralasien<br />
(Xinjiang) und Südostasien (Yunnan)<br />
– Niedriges Kostenniveau im Vergleich zu den Ostküstenregionen<br />
– Stark verbesserte Verkehrsinfrastruktur<br />
– Starke ökonomische Entwicklung in einzelnen Regionen und Herausbildung<br />
wichtiger Konsumentenmärkte in einzelnen Ballungszentren<br />
– Herausbildung einzelner relevanter technologischer Zentren,<br />
vor allem in Sichuan, Chongqing und Shaanxi
17 |<br />
<strong>Die</strong> <strong>Go</strong>-<strong>West</strong>-<strong>Strategie</strong> <strong>der</strong> <strong>chinesischen</strong> <strong>Regierung</strong> – Chancen für die deutsche Wirtschaft?<br />
> Spezifische Schwächen <strong>der</strong> <strong>West</strong>provinzen:<br />
– Einzelne Regionen geografisch sehr stark abgelegen, vor allem<br />
Qinghai und Tibet<br />
– Teilweise extremes Klima, vor allem in den nördlichen und<br />
westlichen Regionen<br />
– Schwelende ethnische Konflikte, vor allem in Tibet und in Xinjiang<br />
– Starke Umweltverschmutzung, bereits starke Abholzung und<br />
zunehmende Wüstenbildung<br />
– Überproportionale Bedeutung von Landwirtschaft und Bergbau in<br />
<strong>der</strong> Wirtschaft – dagegen geringe Bedeutung von <strong>Die</strong>nstleistungen<br />
– Starke Uneinheitlichkeit <strong>der</strong> Wirtschaftsentwicklung in den<br />
Provinzen<br />
– Unterentwickelte Konsumentenmärkte wegen <strong>der</strong> Armut signifikanter<br />
Teile <strong>der</strong> Bevölkerung<br />
– Teilweise nicht hinreichend qualifizierte Arbeitskräfte<br />
– Geringe Ausrichtung an und Erfahrung mit Auslandsinvestitionen<br />
Zehn Jahre <strong>Go</strong>-<strong>West</strong>-<strong>Strategie</strong>: <strong>Die</strong> chinesische <strong>Regierung</strong> hebt in ihrer<br />
bisherigen offiziellen Bewertung die positiven Effekte <strong>der</strong> <strong>Go</strong>-<strong>West</strong>-<strong>Strategie</strong><br />
hervor: Erfolge seien insbeson<strong>der</strong>e bei <strong>der</strong> Infrastrukturentwicklung, dem<br />
Wirtschaftswachstum, <strong>der</strong> Erhöhung <strong>der</strong> Haushaltseinkommen sowie durch<br />
die Verän<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Wirtschaftsstruktur – stärkere Entwicklung <strong>der</strong> Industrieproduktion<br />
relativ zur Landwirtschaft – erzielt worden. Es wurden<br />
auch in <strong>der</strong> Tat einige messbare Fortschritte erreicht. Beispielhaft sei hier<br />
angeführt, dass sich <strong>der</strong> Human Development Index <strong>der</strong> Vereinten Nationen<br />
für die <strong>West</strong>provinzen zwischen 1999 und 2008 von im Schnitt 0,59 auf<br />
0,72 verbessert hat.<br />
Erfolge <strong>der</strong> Provinzen: <strong>Die</strong> Provinzebene in <strong>der</strong> Umsetzung <strong>der</strong> <strong>Go</strong>-<strong>West</strong>-<br />
<strong>Strategie</strong> ist sehr stark auf die Funktion eines rein ausführenden Organs<br />
beschränkt. Zwar dürfen eigenständige ergänzende Programme entwickelt<br />
werden, dies unterbleibt aber häufig aufgrund <strong>der</strong> starken Budgetknappheit<br />
<strong>der</strong> regionalen Gebietskörperschaften. <strong>Die</strong> Umsetzung <strong>der</strong> <strong>Strategie</strong> ist<br />
damit immer noch sehr stark zentralistisch von oben nach unten gesteuert.<br />
Eine Analyse <strong>der</strong> Planerfüllung <strong>der</strong> Provinzen im 10. Fünfjahresplan zeigt,<br />
dass alle Provinzen die in den Fünfjahresplänen vorgesehenen Ziele weitestgehend<br />
erfüllt haben. Es ist davon auszugehen, dass im offiziellen <strong>chinesischen</strong><br />
Reporting-Mechanismus im Regelfall eine volle Zielerreichung berichtet<br />
wird, gegebenenfalls mit entsprechen<strong>der</strong> Anpassung <strong>der</strong> Daten. <strong>Die</strong><br />
Aussagefähigkeit dieser Berichte für einen systematischen Vergleich <strong>der</strong><br />
Provinzen ist daher eingeschränkt.
18 |<br />
Studie<br />
Status <strong>der</strong> <strong>West</strong>provinzen heute: Es muss generell festgehalten werden, dass<br />
zehn Jahre nach dem Start <strong>der</strong> <strong>Go</strong>-<strong>West</strong>-<strong>Strategie</strong> in vielen Bereichen noch<br />
ein erheblicher Abstand zwischen den <strong>West</strong>provinzen und den wohlhaben<strong>der</strong>en<br />
Ostprovinzen klafft. Beispielhaft sei angeführt, dass die <strong>West</strong>provinzen<br />
zwar 69% <strong>der</strong> Fläche und 28% <strong>der</strong> Bevölkerung ausmachen, aber lediglich<br />
19% des Bruttoinlandsprodukts, 17% <strong>der</strong> Konsumausgaben, 14% <strong>der</strong><br />
ausländischen Direktinvestitionen, 10% <strong>der</strong> angemeldeten Patente, 6% <strong>der</strong><br />
ausländischen Unternehmen und 4% <strong>der</strong> Exporte erreichen. <strong>Die</strong> <strong>Go</strong>-<strong>West</strong>-<br />
<strong>Strategie</strong> hat daher ihre Ziele noch nicht erreicht und muss fortgeführt<br />
werden.<br />
Das chinesische Konjunkturpaket: Das im November 2008 aufgelegte chinesische<br />
"4 Billionen-Konjunkturprogramm" kommt überwiegend den <strong>West</strong>provinzen<br />
zugute. Wesentliche Bestandteile dieses Konjunkturpakets sind<br />
auf <strong>West</strong>china ausgerichtet und zielen auf die Beschleunigung beziehungsweise<br />
die Erweiterung von Maßnahmen, die bereits im aktuellen Fünfjahresplan<br />
aufgenommen waren. Dazu gehört <strong>der</strong> forcierte Aufbau von Transport-<br />
und Infrastrukturprojekten, unter an<strong>der</strong>em <strong>der</strong> <strong>West</strong>-Ost-Gaspipeline.<br />
Ein hoher Stellenwert wird auch den Wie<strong>der</strong>aufbaumaßnahmen in <strong>der</strong><br />
Provinz Sichuan eingeräumt, um die Beseitigung <strong>der</strong> von dem Erdbeben<br />
2008 verursachten Schäden zu beschleunigen.<br />
Der Zehn-Industrien-Revitalisierungsplan: Als Ergänzung zum Konjunkturpaket<br />
hat die chinesische <strong>Regierung</strong> im Frühjahr 2009 den sogenannten<br />
"Zehn-Industrien-Revitalisierungsplan" vorgelegt. <strong>Die</strong> dabei in den Fokus<br />
genommenen Branchen <strong>der</strong> Industrieproduktion (außer Logistik) tragen<br />
heute einen Anteil von 40% zum <strong>chinesischen</strong> Bruttoinlandsprodukt bei.<br />
Wie sich zeigt, weisen die im Zehn-Industrien-Revitalisierungsprogramm<br />
adressierten Branchen eine hohe Korrelation mit denjenigen Wirtschaftszweigen<br />
auf, die bereits das ökonomische Profil <strong>der</strong> <strong>West</strong>provinzen prägen<br />
beziehungsweise in diesen Regionen beson<strong>der</strong>s geför<strong>der</strong>t werden sollen.<br />
Weiterentwicklung <strong>der</strong> <strong>Go</strong>-<strong>West</strong>-<strong>Strategie</strong>: Im Sommer 2009 hat die chinesische<br />
Zentralregierung angekündigt, bereits Ende des Jahres ein überarbeitetes<br />
und erweitertes Programm für die <strong>Go</strong>-<strong>West</strong>-<strong>Strategie</strong> zu entwerfen und<br />
zu veröffentlichen. Bereits heute zeichnet sich ab, dass dieses Programm<br />
ebenso wie <strong>der</strong> nächste Fünfjahresplan vor allem den Ausbau und die Differenzierung<br />
<strong>der</strong> Industrieentwicklung in den <strong>West</strong>provinzen zum Inhalt<br />
haben wird. In den Interviews, die bei den Recherchen zur vorliegenden<br />
Studie geführt wurden, hielten sich Vertreter <strong>der</strong> offiziellen Stellen noch<br />
sehr bedeckt, was die konkrete Ausgestaltung des aktualisierten <strong>Go</strong>-<strong>West</strong>-<br />
Programms anbelangt. Allerdings deuteten sie an, dass es ein o<strong>der</strong> zwei<br />
neue Fokusregionen im <strong>West</strong>en geben wird.
19 |<br />
<strong>Die</strong> <strong>Go</strong>-<strong>West</strong>-<strong>Strategie</strong> <strong>der</strong> <strong>chinesischen</strong> <strong>Regierung</strong> – Chancen für die deutsche Wirtschaft?<br />
<strong>Die</strong> Attraktivität <strong>der</strong> <strong>chinesischen</strong> <strong>West</strong>provinzen – Benchmarking <strong>der</strong> Gebietskörperschaften<br />
> <strong>Die</strong> <strong>West</strong>provinzen im Vergleich: Ziel des Benchmarkings <strong>der</strong> Provinzen<br />
und <strong>der</strong> 13 wesentlichen Wirtschaftszentren in <strong>West</strong>china war es,<br />
anhand verschiedener Standortfaktoren die Attraktivität <strong>der</strong> einzelnen<br />
Gebietskörperschaften für ein unternehmerisches Engagement zu beurteilen.<br />
Dabei wurden Kriterien wie Marktattraktivität, Infrastrukturniveau,<br />
Kostenniveau, wirtschaftspolitische Rahmenbedingungen, Personal<br />
und Innovation sowie Rahmenbedingungen für den Geschäftsbetrieb<br />
genutzt, <strong>der</strong>en Parameter aus den offiziellen Statistiken ermittelt wurden<br />
(analytische Perspektive). Parallel zu dieser Analyse wurden ausführliche<br />
Interviews mit 15 ausländischen Unternehmen geführt, die in den <strong>West</strong>provinzen<br />
aktiv sind (Unternehmensperspektive). <strong>Die</strong> Unternehmen<br />
wurden aufgefor<strong>der</strong>t, gemäß ihrer Beurteilung Rangplätze zur Attraktivität<br />
einzelner Standorte in den <strong>West</strong>provinzen (Provinz- und Stadtebene)<br />
zu vergeben.<br />
> Attraktivität <strong>der</strong> <strong>West</strong>provinzen: Im Ergebnis des Provinzvergleichs ergab<br />
sich eine Dreiergruppe von klar "führenden" Provinzen ("Stars"), die sich<br />
sowohl aus analytischer als auch aus Unternehmensperspektive als die<br />
attraktivsten Standorte unter den <strong>West</strong>provinzen positioniert haben:<br />
Chongqing, Shaanxi und Sichuan. In einer zweiten Verfolgergruppe<br />
("Fast Follower") finden sich die Autonome Region Innere Mongolei,<br />
die in <strong>der</strong> analytischen Perspektive überraschen<strong>der</strong>weise sogar Platz eins<br />
unter allen <strong>West</strong>provinzen erreicht, sowie die südlichen Grenzregionen<br />
Yunnan und Guangxi. <strong>Die</strong> an<strong>der</strong>en sechs weiter nördlich und westlich<br />
gelegenen Provinzen fallen dabei alle in beiden Perspektiven deutlich<br />
zurück und gehören damit in die Gruppe <strong>der</strong> Provinzen mit <strong>der</strong> geringsten<br />
Attraktivität ("Dogs"), mit Tibet als eindeutigem Schlusslicht aus<br />
beiden Perspektiven.<br />
> Attraktivität <strong>der</strong> wichtigsten Wirtschaftszentren: Auf <strong>der</strong> Ebene des Städtevergleichs<br />
zeigten sich sowohl aus analytischer als auch aus Unternehmensperspektive<br />
deutlich die wichtigsten Agglomerationen in denjenigen<br />
Provinzen, die auch auf den ersten Plätzen des Provinz-Benchmarkings<br />
liegen: Xi'an in Shaanxi und Chengdu in Sichuan. Im Vergleich zur<br />
Provinzperspektive überraschend fiel die sehr positive Beurteilung von<br />
Yunnans Hauptstadt Kunming aus beiden Perspektiven aus. Auf <strong>der</strong><br />
Unternehmensseite waren viele <strong>der</strong> Interview-Partner von den ökonomischen<br />
Potenzialen dieses "Tors nach Südostasien" überzeugt. <strong>Die</strong> auf<br />
Provinzebene weit oben platzierte Innere Mongolei erzielt hier mit<br />
Baotou und ihrer Hauptstadt Hohhot eine hohe analytische Bewertung,<br />
während analog zu <strong>der</strong> aus Unternehmenssicht wichtigen Region<br />
Guangxi <strong>der</strong>en Hauptstadt Nanning auch in <strong>der</strong> Städtebetrachtung<br />
hoch bewertet wird.
20 |<br />
Studie<br />
Schlussfolgerungen aus dem Benchmarking: Generell ist zu beobachten,<br />
dass die Unternehmen – und dies deckt sich mit <strong>der</strong> faktischen Verteilung<br />
ausländischer Unternehmen in <strong>West</strong>china – in ihren Präferenzen den schon<br />
stärker eingetretenen Pfaden folgen und die südlicher gelegenen Provinzen<br />
bevorzugen. <strong>Die</strong>s gilt für die Beurteilung auf <strong>der</strong> Provinzebene, zeigt sich<br />
jedoch noch deutlicher bei <strong>der</strong> Bewertung <strong>der</strong> Städte. Den neuen Chancen,<br />
die <strong>der</strong>zeit auf Basis <strong>der</strong> starken Wirtschaftsentwicklung auch im nördlichen<br />
Teil <strong>West</strong>chinas entstehen, wird bislang noch keine große Aufmerksamkeit<br />
geschenkt.<br />
Schlussfolgerungen und Empfehlungen<br />
> Chancen für die deutsche Wirtschaft – Außenhandel: Im Außenhandel<br />
Deutschlands mit China insgesamt dominieren heute hochwertige Industriegüter.<br />
Der Anteil des Maschinen- und Anlagenbaus an den gesamten<br />
deutschen Ausfuhren liegt bei circa 30%. <strong>Die</strong> Automobilindustrie kommt<br />
nach dem deutlichen Rückgang 2009 auf einen Anteil von 13%. Auf die<br />
Elektrotechnik und chemische Erzeugnisse entfallen jeweils 11%. <strong>Die</strong>se<br />
Struktur weist eine starke Übereinstimmung mit <strong>der</strong> Verteilung <strong>der</strong><br />
deutschen Unternehmen auf, die heute in den <strong>chinesischen</strong> <strong>West</strong>provinzen<br />
vertreten sind. Von den dort aktiven Firmen finden sich 45%<br />
im Maschinenbau, 9% in <strong>der</strong> Automobilindustrie, 11% im Bereich<br />
Elektronik und 7% in <strong>der</strong> Chemiebranche.<br />
> Chancen für die deutsche Wirtschaft – Marktperspektive: <strong>Die</strong> Volkswirtschaft<br />
wächst in <strong>West</strong>china immer noch stärker als im restlichen China.<br />
Damit geht vor allem in den Städten eine Steigerung des Einkommens<br />
und <strong>der</strong> Konsumausgaben einher. Allein durch die laufende Anpassung<br />
<strong>der</strong> Urbanisierungsraten in <strong>West</strong> und Ost können darüber hinaus zusätzliche<br />
für Konsum verfügbare Einkommen von 33 Mrd. USD jährlich<br />
entstehen. Da deutsche Unternehmen bisher weniger im Konsumgütersektor<br />
aktiv sind, bestehen für diese in <strong>West</strong>china eher Chancen beim<br />
Ausbau bestehen<strong>der</strong> und beim Aufbau neuer Produktionsstätten in<br />
denjenigen Branchen, die an den eigentlichen Konsumgütersektor<br />
angrenzen, etwa dem Handel o<strong>der</strong> <strong>der</strong> Logistik.<br />
> Chancen für die deutsche Wirtschaft – regionale Perspektive: Bei <strong>der</strong><br />
Investitionstätigkeit ausländischer Unternehmen in <strong>West</strong>china zeichnen<br />
sich heute klare Schwerpunkte ab: 80% aller Auslandsinvestitionen in<br />
<strong>West</strong>china fließen in die Provinzen Sichuan (26%), Chongqing (22%),<br />
in die Innere Mongolei (21%) und nach Shaanxi (11%).
21 |<br />
<strong>Die</strong> <strong>Go</strong>-<strong>West</strong>-<strong>Strategie</strong> <strong>der</strong> <strong>chinesischen</strong> <strong>Regierung</strong> – Chancen für die deutsche Wirtschaft?<br />
<strong>Die</strong> vorgenommene Potenzialanalyse und die tatsächliche regionale<br />
Verteilung <strong>der</strong> ausländischen Direktinvestitionen in den westlichen<br />
Provinzen kommen daher zu ähnlichen Ergebnissen. Auf Basis <strong>der</strong><br />
Gespräche mit den Unternehmen, die die lokalen Märkte und Faktoren<br />
wie die Bedeutung <strong>der</strong> bereits vorhandenen Netzwerke für Expatriates<br />
für die Standortentscheidung als wichtig hervorheben, lässt sich als<br />
regionale Orientierungsempfehlung für deutsche Unternehmen bei <strong>der</strong><br />
Auswahl möglicher Standorte in den <strong>West</strong>provinzen eine Priorisierung<br />
anhand <strong>der</strong> Rangfolgen aus dieser Studie ableiten.<br />
> Chancen für die deutsche Wirtschaft – Branchenperspektive: Für deutsche<br />
Unternehmen, die vor allem in den Segmenten Maschinenbau und Industrieausrüstung<br />
sowie im Anlagenbereich für Energie und Versorgung eine<br />
starke Position sowohl auf dem Weltmarkt als auch in China haben,<br />
bieten sich in erster Linie in diesen Segmenten Chancen. Geson<strong>der</strong>t zu<br />
betrachten sind außerdem die Branchen, die entwe<strong>der</strong> in den Statistiken<br />
nicht klar abgrenzbar sind o<strong>der</strong> vor allem spezifische Regionen betreffen.<br />
So sind einzelne Branchen wie beispielsweise die Automobilindustrie<br />
eher darauf angewiesen, sich an den bereits existierenden Clustern zu<br />
orientieren, also vor allem an Chongqing und Sichuan. Aus den massiven<br />
Herausfor<strong>der</strong>ungen <strong>West</strong>chinas im Bereich <strong>der</strong> Umweltverschmutzung<br />
ergeben sich aber auch starke Potenziale für die weltweit führende<br />
deutsche Greentech-Branche: <strong>Die</strong>s gilt in unterschiedlichen Ausprägungen<br />
für fast alle westlichen Provinzen.<br />
> Empfehlungen an das BMWi – Transparenz: Es hat sich im Rahmen <strong>der</strong><br />
Arbeiten an <strong>der</strong> Studie gezeigt, dass die Verfügbarkeit von Informationen,<br />
die für eine Analyse von Standorten in <strong>West</strong>china relevant sind, stark<br />
reduziert ist. Viele statistische Quellen liegen nur in chinesischer Sprache<br />
vor, nur wenige auf Englisch, praktisch keine in deutscher Sprache.<br />
Auch wichtige Dokumente über die Wirtschaftspolitik, etwa die Liste<br />
<strong>der</strong> für Auslandsinvestitionen geför<strong>der</strong>ten Industriezweige, sind nicht<br />
ohne weiteres zu erhalten. In Bezug auf Chinas <strong>West</strong>en kann daher<br />
zunächst einmal eine weitergehende und bessere Aufbereitung und<br />
Verbreitung von Basisinformationen helfen.
22 |<br />
Studie<br />
> Empfehlungen an das BMWi – Aktivitäten: <strong>Die</strong> Ergebnisse dieser Studie<br />
können dazu dienen, die existierenden Aktivitäten <strong>der</strong> Außenwirtschaftsför<strong>der</strong>ung<br />
regional und industriebezogen zu fokussieren. Auf Basis <strong>der</strong> in<br />
dieser Studie enthaltenen Informationen können Maßnahmen <strong>der</strong> Absatzund<br />
Kooperationsför<strong>der</strong>ung avisiert werden, also zum Beispiel Informations-<br />
und Kontaktveranstaltungen mit Industrie- und Handelskammern in<br />
Deutschland o<strong>der</strong> mit an<strong>der</strong>en Institutionen <strong>der</strong> Außenwirtschaftsför<strong>der</strong>ung.<br />
Empfehlenswert wäre auch die Organisation von Delegationsreisen<br />
von hochrangigen deutschen <strong>Regierung</strong>s- und Wirtschaftsvertretern nach<br />
<strong>West</strong>china. <strong>Die</strong> Ziele sollten sich gemäß den Ergebnissen dieser Studie<br />
fokussieren: Zu den Destinationen sollten neben den "Stars" unter den<br />
<strong>West</strong>provinzen (Sichuan, Chongqing und Shaanxi) auch die "Fast Follower"<br />
Innere Mongolei und Yunnan gehören.<br />
> Empfehlungen an das BMWi – Dialog: <strong>Die</strong> Ergebnisse dieser Studie lassen<br />
sich schließlich auch auf <strong>der</strong> nationalen Ebene für den weiteren Austausch<br />
mit <strong>der</strong> <strong>chinesischen</strong> <strong>Regierung</strong> nutzen. <strong>Die</strong> Resultate erlauben<br />
ein fundiertes Gespräch mit <strong>der</strong> <strong>chinesischen</strong> <strong>Regierung</strong> darüber, dass<br />
nach Maßgabe <strong>der</strong> vorgenommenen Analysen, aber auch rein faktisch die<br />
Rahmenbedingungen in <strong>West</strong>china offensichtlich in <strong>der</strong> Wahrnehmung<br />
<strong>der</strong> Unternehmen noch nicht hinreichend attraktiv sind, um den Nachholbedarf<br />
<strong>der</strong> westlichen Provinzen beim Zufluss ausländischer Direktinvestition<br />
zu decken. Will die chinesische <strong>Regierung</strong> also eine höhere<br />
Attraktivität <strong>der</strong> <strong>West</strong>provinzen für ausländische Unternehmen bewirken,<br />
muss sie ihre Anstrengungen bezüglich industriepolitischer Anreize<br />
verstärken. Hinzu kommt, dass in puncto Aufbereitung von Informationen<br />
– zum Beispiel statistische Daten, Verzeichnisse von spezifischen<br />
För<strong>der</strong>möglichkeiten für einzelne Regionen, Investitionsführer etc. – für<br />
potenzielle Investoren auf chinesischer Seite noch erhebliches Verbesserungspotenzial<br />
besteht. Auch auf diesen Punkt sollte im Dialog mit <strong>der</strong><br />
<strong>chinesischen</strong> <strong>Regierung</strong> hingewiesen werden.
23 |<br />
<strong>Die</strong> <strong>Go</strong>-<strong>West</strong>-<strong>Strategie</strong> <strong>der</strong> <strong>chinesischen</strong> <strong>Regierung</strong> – Chancen für die deutsche Wirtschaft?<br />
B. <strong>Die</strong> Entwicklung Gesamtchinas<br />
1. Rasantes Wirtschaftswachstum<br />
Seit fast drei Jahrzehnten beeindruckt die Volksrepublik China die Welt<br />
mit einer Wirtschaftsentwicklung, die zwischen 1980 und 2008 eine durchschnittliche<br />
jährliche Wachstumsrate von real 9,9% vorweisen kann. Im<br />
selben Zeitraum hat sich das Pro-Kopf-Einkommen um den Faktor 7,4<br />
erhöht (siehe Abbildung 2). Beachtliche Erfolge wurden bei <strong>der</strong> Bekämpfung<br />
<strong>der</strong> Armut erzielt: So geht die UNO davon aus, dass die Zahl <strong>der</strong> als arm<br />
geltenden ländlichen Bevölkerung von 130 Millionen Menschen im Jahr<br />
1984 auf circa 20 Millionen Menschen im Jahr 2007 zurückgegangen ist.<br />
<strong>Die</strong> Lebenserwartung ist seit 1980 von durchschnittlich 66 auf 72,6 Jahre<br />
gestiegen.<br />
Gemessen an seiner Wirtschaftsleistung ist China heute weltweit die Nummer<br />
drei hinter den USA und Japan und vor Deutschland, Frankreich und<br />
Großbritannien. Zum Vergleich: 1978 belegte die Volksrepublik mit ihrem<br />
Bruttoinlandsprodukt den zehnten Platz. Seit 2007 rangiert China als<br />
zweitgrößte Exportnation <strong>der</strong> Welt hinter Deutschland, gefolgt von den USA,<br />
Japan, Frankreich und den Nie<strong>der</strong>landen. <strong>Die</strong> Basis für diese im internationalen<br />
Maßstab beispiellose Erfolgsgeschichte legte die Ende <strong>der</strong> 1970er<br />
Jahre einsetzende Liberalisierungs- und Öffnungspolitik. Den Beginn <strong>der</strong><br />
Transformation von einer Zentralverwaltungswirtschaft zu einer "Marktwirtschaft<br />
sozialistischer Prägung" markierte 1978 Deng Xiaopings
24 |<br />
Studie<br />
Konzept <strong>der</strong> "Vier Mo<strong>der</strong>nisierungen", das dringende Reformen <strong>der</strong> Landwirtschaft,<br />
Industrie, Wissenschaft und Technik anmahnte. Im Kern ging<br />
es bei <strong>der</strong> Wirtschaftsreform darum, durch marktwirtschaftliche Reformen<br />
die Leistungsfähigkeit <strong>der</strong> <strong>chinesischen</strong> Volkswirtschaft zu steigern.<br />
Neben einer Agrarreform und <strong>der</strong> Zulassung des Privateigentums an<br />
Produktionsmitteln gehörte die Öffnung <strong>der</strong> <strong>chinesischen</strong> Wirtschaft für<br />
den Außenhandel zu den tragenden Säulen <strong>der</strong> wirtschaftlichen Reformpolitik.<br />
<strong>Die</strong> Volksrepublik setzte bei <strong>der</strong> Mo<strong>der</strong>nisierung ihrer Wirtschaft<br />
und bei <strong>der</strong> Industrialisierung des Landes auf ausländisches Kapital und<br />
die Entwicklung einer leistungsfähigen Exportwirtschaft. Um attraktive<br />
Rahmenbedingungen für ausländische Investoren zu schaffen, wurden<br />
Anfang <strong>der</strong> 1980er Jahre die ersten Son<strong>der</strong>wirtschaftszonen an <strong>der</strong> Ostküste<br />
gegründet. Außerdem wurden chinesisch-ausländische Gemeinschaftsunternehmen<br />
zugelassen.<br />
<strong>Die</strong> Industrialisierung des Landes, so die Vorstellung <strong>der</strong> <strong>chinesischen</strong><br />
Führung, sollte vor allem durch den Export getrieben und überwiegend<br />
durch ausländisches Kapital finanziert werden. Dabei verfolgte China eine<br />
zweigleisige Exportstrategie: Zum einen etablierte es sich aufgrund <strong>der</strong><br />
relativ niedrigen Arbeitskosten als "verlängerte Werkbank" <strong>der</strong> Industrienationen.<br />
Zum an<strong>der</strong>en sollte <strong>der</strong> Know-how-Transfer die Produktion und<br />
den Export technologisch höherwertiger Güter för<strong>der</strong>n und so zu einer<br />
qualitativen Aufwertung <strong>der</strong> wirtschaftlichen Entwicklung führen.<br />
Ein Meilenstein bei <strong>der</strong> Integration <strong>der</strong> Volksrepublik China in die Weltwirtschaft<br />
war <strong>der</strong> Beitritt zur WTO im Dezember 2001. <strong>Die</strong>ser Schritt hat<br />
den Abbau von tarifären und nichttarifären Handelshemmnissen erheblich<br />
beschleunigt und damit die Anziehungskraft <strong>der</strong> Volksrepublik für ausländi-
25 |<br />
<strong>Die</strong> <strong>Go</strong>-<strong>West</strong>-<strong>Strategie</strong> <strong>der</strong> <strong>chinesischen</strong> <strong>Regierung</strong> – Chancen für die deutsche Wirtschaft?<br />
sche Investoren noch einmal beträchtlich gesteigert (siehe Abbildung 3).<br />
Ein Indikator für die Attraktivität des Standorts ist <strong>der</strong> Zustrom ausländischer<br />
Direktinvestitionen (ADI). In <strong>der</strong> Gruppe <strong>der</strong> Schwellenlän<strong>der</strong> zieht<br />
die Volksrepublik China die höchsten Summen ausländischen Direktinvestitionen<br />
an. Weltweit belegt sie auf <strong>der</strong> Liste <strong>der</strong> wichtigsten Empfängerlän<strong>der</strong><br />
im Jahr 2007 Rang sechs. Der Blick auf die Außenhandelsstatistik (siehe<br />
Abbildung 4) zeigt die enorme Bedeutung <strong>der</strong> Exporte für die chinesische<br />
Volkswirtschaft: Exporte machten 2008 ein Drittel <strong>der</strong> <strong>chinesischen</strong> Wirtschaftsleistung<br />
aus. Träger des Wirtschaftswachstums <strong>der</strong> vergangenen<br />
Jahrzehnte waren im Wesentlichen <strong>der</strong> Außenhandel und die lokalen<br />
Investitionen. Dagegen spielte die Binnennachfrage eine geringere Rolle.<br />
2. <strong>Die</strong> gewandelte Rolle Chinas in <strong>der</strong> Weltwirtschaft<br />
Mit <strong>der</strong> rasanten wirtschaftlichen Entwicklung hat sich die Rolle <strong>der</strong> Volksrepublik<br />
China in <strong>der</strong> Weltwirtschaft und in <strong>der</strong> Weltpolitik gravierend<br />
verän<strong>der</strong>t: Chinesische Unternehmen sind heute zunehmend als Anbieter<br />
und Investoren auf dem Weltmarkt aktiv. Wesentliche Ziele sind dabei die<br />
Sicherung von Energie- und Rohstoffquellen, <strong>der</strong> Erwerb von Technologien<br />
und Markennamen sowie <strong>der</strong> Know-how-Transfer. Das staatseigene Finanzund<br />
Investmentunternehmen China International Trust and Investment<br />
Company (CITIC) zählt zu den wichtigsten Staatsfonds <strong>der</strong> Welt. Zur<br />
CITIC-Group gehören 44 Banken und Finanzunternehmen weltweit.
26 |<br />
Studie<br />
Will die Volksrepublik China ihre Wirtschaft auf einem konstanten Wachstumspfad<br />
halten und dabei die politische Stabilität im Innern sichern, ist<br />
sie auf zuverlässige Beziehungen zu den südostasiatischen Nachbarlän<strong>der</strong>n<br />
angewiesen. Vor diesem Hintergrund sind Chinas Bemühungen um die<br />
Festigung und den Ausbau <strong>der</strong> Wirtschaftsbeziehungen zu den ASEAN-<br />
Staaten 1) zu sehen. Auf Initiative China wurde bereits 2002 ein Rahmenabkommen<br />
unterzeichnet, das ab 2010 die Gründung einer China-ASEAN-<br />
Freihandelszone vorsieht.<br />
In Zentralasien will China ebenfalls die Kooperation mit den Nachbarstaaten<br />
intensivieren. <strong>Die</strong> Gründung <strong>der</strong> Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit<br />
(SOZ) mit Russland, Usbekistan, Kasachstan, Kirgisistan und Tadschikistan<br />
war ein Signal, dass die Volksrepublik dieser Region erhebliche politische<br />
und wirtschaftliche Bedeutung beimisst.<br />
3. China in <strong>der</strong> Krise<br />
<strong>Die</strong> Volksrepublik China wurde von den Auswirkungen <strong>der</strong> globalen Wirtschaftskrise<br />
im Herbst 2008 empfindlich getroffen: Das Wirtschaftswachstum<br />
ging im 4. Quartal 2008 auf 6,8% zurück. <strong>Die</strong>se Entwicklung kam<br />
aufgrund <strong>der</strong> engen Verflechtung Chinas mit <strong>der</strong> Weltwirtschaft nicht unerwartet,<br />
denn für das Wachstum Chinas spielt die Exportnachfrage eine<br />
Schlüsselrolle. Ministerpräsident Wen Jiabao kündigte im November 2008<br />
Schritte an, um die Konjunktur vor einem Abwärtssog zu schützen. Als<br />
wichtige Ziele nannte er dabei die Stärkung <strong>der</strong> binnenwirtschaftlichen<br />
Entwicklung, unter an<strong>der</strong>em durch die För<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> privaten Konsumnachfrage,<br />
die Erhöhung <strong>der</strong> Investitionen sowie die Stabilisierung des<br />
Exportwachstums.<br />
Ende 2008 wurden mit dem "4 Billionen CYN"-Konjunkturpaket umfangreiche<br />
Maßnahmen zur Ankurbelung <strong>der</strong> Konjunktur verabschiedet: <strong>Die</strong><br />
expansive Fiskal- und Geldpolitik zeigt Wirkung: Während das Bruttoinlandsprodukt<br />
im 1. Quartal 2009 in den USA um 5,7%, in <strong>der</strong> Eurozone<br />
um 9,7% und in Japan um 14,2% schrumpfte, verzeichnete China im selben<br />
Zeitraum einen Zuwachs von 6,1%; für das 2. Quartal 2009 verkündete<br />
das Staatliche Amt für Statistik <strong>der</strong> Volksrepublik China ein Wachstum<br />
von 7,9%. <strong>Die</strong>ser Wert liegt nur knapp unter <strong>der</strong> Zielmarke von 8%, die<br />
die chinesische Führung für 2009 gesetzt hat, wird aber von einzelnen<br />
Experten angezweifelt, da kein gleichlaufendes Wachstum des Energieverbrauchs<br />
nachweisbar ist.<br />
1) ASEAN (Association of Southeast Asian Nations) ist ein Zusammenschluss <strong>der</strong> südostasiatischen<br />
Staaten Kambodscha, Indonesien, Brunei, Laos, Malaysia, Thailand, Myanmar, Philippinen,<br />
Singapur und Vietnam mit dem Ziel, die wirtschaftliche und soziale Entwicklung und die<br />
politische Stabilität in <strong>der</strong> Region zu för<strong>der</strong>n.
27 |<br />
<strong>Die</strong> <strong>Go</strong>-<strong>West</strong>-<strong>Strategie</strong> <strong>der</strong> <strong>chinesischen</strong> <strong>Regierung</strong> – Chancen für die deutsche Wirtschaft?<br />
Das Wachstum <strong>der</strong> <strong>chinesischen</strong> Wirtschaft wird maßgeblich von den im<br />
Konjunkturprogramm vorgesehenen öffentlichen Investitionen in die Infrastruktur<br />
sowie von den Investitionen <strong>der</strong> Staatsunternehmen getragen. Der<br />
private Konsum hält sich stabil. <strong>Die</strong> Exportnachfrage liegt allerdings noch<br />
weit hinter dem entsprechenden Vorjahreswert zurück: Ein Vergleich <strong>der</strong><br />
Monate April/Mai 2009 und 2008 zeigt ein Minus von 20%. Investoren aus<br />
dem Ausland zeigen sich angesichts <strong>der</strong> Krise zurückhaltend: <strong>Die</strong> ausländischen<br />
Direktinvestitionen sind im 1. Quartal 2009 im Vergleich zum Vorjahreszeitraum<br />
um 20,6% zurückgegangen.<br />
<strong>Die</strong> globale Wirtschaftskrise verstärkt den Druck auf China, ein angemessenes<br />
Wachstum zu erreichen und gleichzeitig seine Strukturprobleme zu<br />
lösen. Angemessen bedeutet in diesem Kontext, dass ausreichend Arbeitsplätze<br />
für Schul- und Hochschulabgänger sowie für die im Zuge von Restrukturierung<br />
und Stilllegung von Staatsbetriebenen entlassenen Arbeitskräfte<br />
geschaffen werden. Um die strukturellen Probleme des bisherigen<br />
Wachstumsmodells zu korrigieren, ist die Stärkung <strong>der</strong> Binnennachfrage<br />
ein erklärtes Ziel <strong>der</strong> <strong>chinesischen</strong> Wirtschaftspolitik. Nur unter dieser<br />
Voraussetzung kann es gelingen, die enorme Abhängigkeit <strong>der</strong> <strong>chinesischen</strong><br />
Wirtschaftsentwicklung von <strong>der</strong> Exportnachfrage zu reduzieren. Und diese<br />
Aufgabe gewinnt angesichts <strong>der</strong> jüngsten Weltbank-Prognose an Dringlichkeit:<br />
<strong>Die</strong> Entwicklung <strong>der</strong> Exporte soll in den nächsten zehn Jahren erheblich<br />
schwächer verlaufen als in den letzten zehn Jahren.<br />
4. Kehrseiten des Wirtschaftsbooms<br />
Das exorbitante Wirtschaftswachstum, das China in den letzten Jahrzehnten<br />
durchlief, hat jedoch auch einen Preis: <strong>Die</strong> Turbo-Mo<strong>der</strong>nisierung <strong>der</strong><br />
Wirtschaft hat die inneren Wi<strong>der</strong>sprüche und Disparitäten innerhalb <strong>der</strong><br />
<strong>chinesischen</strong> Gesellschaft verschärft: <strong>Die</strong> Schere zwischen den Gewinnern<br />
und den Verlierern des Reformprozesses klafft weit auseinan<strong>der</strong>, was sich<br />
unter an<strong>der</strong>em in <strong>der</strong> Einkommensverteilung wi<strong>der</strong>spiegelt: Das Einkommensgefälle<br />
zwischen Stadt und Land ist erheblich und steigt weiter. Auch<br />
innerhalb <strong>der</strong> Städte spitzen sich die sozialen Gegensätze zu: Ein Heer von<br />
Wan<strong>der</strong>arbeitern – Schätzungen gehen von bis zu 150 Millionen aus – ist<br />
aus den ländlichen Regionen in die boomenden Metropolen Ostchinas<br />
gezogen. Hier verdingen sie sich zu weitaus schlechteren Konditionen als<br />
ihre städtischen Kollegen. <strong>Die</strong> meisten Wan<strong>der</strong>arbeiter sind in sogenannten<br />
"informellen Beschäftigungsverhältnissen" tätig – ein Euphemismus für<br />
eine gering entlohnte Arbeit ohne Vertrag und soziale Absicherung.
28 |<br />
Studie<br />
Trotz <strong>der</strong> unbestrittenen Erfolge bei <strong>der</strong> Armutsbekämpfung steht die Volksrepublik<br />
vor sozialpolitischen Herausfor<strong>der</strong>ungen: Das Einkommen von 254<br />
Millionen Chinesen liegt nach wie vor unter <strong>der</strong> von <strong>der</strong> Weltbank definierten<br />
Armutsgrenze von 1,25 USD (PPP-USD 2005) pro Person und Tag. <strong>Die</strong><br />
Arbeitslosigkeit, die von den amtlichen Statistiken nicht vollständig wie<strong>der</strong>gegeben<br />
wird, war bereits vor <strong>der</strong> Wirtschaftskrise ein Strukturproblem<br />
<strong>der</strong> <strong>chinesischen</strong> Volkswirtschaft. Durch die Stilllegung beziehungsweise<br />
Restrukturierung unrentabler Staatsbetriebe verloren zwischen 1994 und<br />
2006 circa 73 Millionen Chinesen ihren Arbeitsplatz. <strong>Die</strong>se Entwicklung<br />
konnte durch die neu entstandenen Beschäftigungsmöglichkeiten im<br />
privaten Sektor nicht hinreichend kompensiert werden.<br />
Zu den negativen Folgen des <strong>chinesischen</strong> Wirtschaftswun<strong>der</strong>s gehört auch<br />
die erhebliche Belastung <strong>der</strong> Umwelt: Zu den gravierendsten Umweltproblemen<br />
zählt die starke Luftverschmutzung. In China befinden sich 16 <strong>der</strong> 20<br />
Städte mit <strong>der</strong> weltweit schlechtesten Luftqualität. <strong>Die</strong> Hauptverursacher<br />
<strong>der</strong> Luftverschmutzung sind veraltete Industrieanlagen und Kohlekraftwerke.<br />
Bei <strong>der</strong> CO 2 -Emission hat die Volksrepublik inzwischen die USA als<br />
globalen Spitzenreiter abgelöst. Durch die Einleitung von unbehandelten<br />
industriellen und städtischen Abwässern sowie durch die Einschwemmung<br />
von Düngemitteln und Pestiziden gilt ein großer Teil <strong>der</strong> Wasserressourcen<br />
Chinas als erheblich belastet. Nach offiziellen Angaben haben etwa 340<br />
Millionen Chinesen keinen Zugang zu sauberem Trinkwasser. Nach Schätzungen<br />
von NGO sterben jedes Jahr 750.000 Chinesen an den Folgen <strong>der</strong><br />
Umweltverschmutzung. <strong>Die</strong> Fehlbildungen bei Neugeborenen in <strong>der</strong> Volksrepublik<br />
China haben zwischen 2001 und 2006 um 40% zugenommen; als<br />
wichtigste Ursache dieses drastischen Anstiegs betrachtet die chinesische<br />
<strong>Regierung</strong> die Umweltverschmutzung.<br />
5. Das Leitkonzept <strong>der</strong> "harmonischen Gesellschaft"<br />
Der Ausschnitt aus <strong>der</strong> umfangreichen Liste von Chinas Umweltproblemen<br />
lässt auf den Handlungsdruck schließen, unter dem die Zentralregierung<br />
steht: Laut Weltbank kosten die Folgen <strong>der</strong> Umweltverschmutzung die chinesische<br />
Volkswirtschaft jährlich 5,8% ihres BIP. <strong>Die</strong>s ist ein gewichtiges<br />
Argument, um einer weiteren Verschärfung <strong>der</strong> Umweltsituation gegenzusteuern.<br />
Aber auch in <strong>der</strong> Sozialpolitik ist die chinesische Führung zunehmend<br />
gefor<strong>der</strong>t, wenn sie nicht das Risiko einer gesellschaftlichen Destabilisierung<br />
und damit einhergehend des Verlustes ihrer Autorität eingehen will:<br />
<strong>Die</strong> sozialen Spannungen entladen sich immer häufiger in Protestaktionen,<br />
zum Beispiel Demonstrationen und Sitzstreiks.
29 |<br />
<strong>Die</strong> <strong>Go</strong>-<strong>West</strong>-<strong>Strategie</strong> <strong>der</strong> <strong>chinesischen</strong> <strong>Regierung</strong> – Chancen für die deutsche Wirtschaft?<br />
Vor diesem Hintergrund hat die Zentralregierung in ihrem politischen und<br />
wirtschaftspolitischen Kurs neue Akzente gesetzt: Wichtige Elemente des<br />
11. Fünfjahresplans (2006-2010) sind eine Reduzierung des Stadt-Land-<br />
Gefälles sowie eine stärkere Berücksichtigung des Umweltschutzes. <strong>Die</strong><br />
politische Führung Chinas hat sich auf ihrem 17. Parteikongress im Oktober<br />
2007 klar zum Leitkonzept <strong>der</strong> "harmonischen Gesellschaft" bekannt.<br />
Kernelement dieser Idee ist nachhaltiges Wachstum, das einen Ausgleich<br />
zwischen ökonomischen, ökologischen und sozialen Interessen anstrebt.<br />
6. <strong>Go</strong>-<strong>West</strong>-<strong>Strategie</strong><br />
<strong>Die</strong> <strong>Go</strong>-<strong>West</strong>-<strong>Strategie</strong> spielt bei <strong>der</strong> Umsetzung des Leitkonzepts <strong>der</strong> harmonischen<br />
Gesellschaft eine Schlüsselrolle: <strong>Die</strong> Angleichung <strong>der</strong> Lebensund<br />
Einkommensverhältnisse innerhalb Chinas setzt voraus, dass die ärmeren<br />
Provinzen in Zentral- und <strong>West</strong>china aufholen und ihren Abstand zu<br />
den relativ wohlhabenden Provinzen im Osten verringern. <strong>Die</strong>s ist die<br />
Voraussetzung für politische und wirtschaftliche Stabilität in <strong>der</strong> Volksrepublik<br />
China. <strong>Die</strong> chinesische Zentralregierung ist sich dieses Zusammenhangs<br />
sicherlich bewusst und misst <strong>der</strong> För<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Provinzen in Zentral- und<br />
<strong>West</strong>china einen hohen Stellenwert bei. <strong>Die</strong>s spiegelt sich unter an<strong>der</strong>em<br />
in den Konjunkturpaketen wi<strong>der</strong>, die zahlreiche Maßnahmen zur Verbesserung<br />
<strong>der</strong> Infrastruktur in den <strong>West</strong>provinzen enthalten. Ein weiteres,<br />
gewichtiges Argument für die <strong>Go</strong>-<strong>West</strong>-<strong>Strategie</strong> <strong>der</strong> Zentralregierung ist<br />
die angestrebte Stärkung <strong>der</strong> Binnennachfrage bei <strong>der</strong> angestrebten Neujustierung<br />
<strong>der</strong> Wirtschaftspolitik: <strong>Die</strong>ses Ziel lässt sich nur erreichen, wenn<br />
die Wirtschaftskraft – und damit das Einkommensniveau – <strong>der</strong> <strong>West</strong>provinzen<br />
deutlich erhöht wird.
30 |<br />
Studie<br />
C. <strong>Die</strong> <strong>chinesischen</strong> <strong>West</strong>provinzen: Nahaufnahme<br />
1. Natur und Raum<br />
1.1 Geografie<br />
"By the middle of the 21st century, the <strong>West</strong>ern Region of China will<br />
become a new <strong>West</strong> with economic and social prosperity and stable and<br />
harmonious life." – <strong>Die</strong>se Absichtserklärung steht mit großen Lettern auf<br />
dem Titelblatt <strong>der</strong> offiziellen Broschüre über die Erfolge <strong>der</strong> <strong>Go</strong>-<strong>West</strong>-<strong>Strategie</strong><br />
<strong>der</strong> <strong>chinesischen</strong> <strong>Regierung</strong> geschrieben. Das 1999 entwickelte und<br />
zwischenzeitlich aktualisierte Programm hat das Ziel, den deutlichen<br />
Entwicklungsrückstand <strong>der</strong> westlichen Provinzen im Vergleich zum<br />
Osten des Landes zu verringern und damit zum Abbau <strong>der</strong> sozialen und<br />
ökonomischen Disparitäten innerhalb <strong>der</strong> Volksrepublik China beizutragen.<br />
<strong>Die</strong> Bezeichnung "<strong>der</strong> <strong>West</strong>en Chinas" darf keinesfalls zu <strong>der</strong> Illusion verleiten,<br />
es handle sich um einen relativ homogenen Raum – ganz im Gegenteil:<br />
Das Gebiet ist von einer extremen Heterogenität geprägt, und zwar landschaftlich,<br />
klimatisch, ethnisch und ökonomisch. <strong>Die</strong>s wird im Folgenden<br />
näher ausgeführt. Zugespitzt formuliert besteht die wesentliche Gemeinsamkeit<br />
<strong>der</strong> westlichen Provinzen darin, dass sie in ihrer wirtschaftlichen<br />
und sozialen Entwicklung teilweise erheblich hinter den östlichen Provinzen<br />
zurückliegen.<br />
<strong>Die</strong> <strong>Go</strong>-<strong>West</strong>-<strong>Strategie</strong> umfasst die Provinzen Gansu, Guizhou, Qinghai,<br />
Shaanxi, Sichuan und Yunnan, die regierungsunmittelbare Stadt Chongqing<br />
sowie die fünf Autonomen Regionen Tibet, Xinjiang, Innere Mongolei,<br />
Guangxi und Ningxia 2) . Wer diese 12 Gebietskörperschaften auf <strong>der</strong> Landkarte<br />
Chinas betrachtet (siehe Abbildung 5), wird feststellen, dass <strong>der</strong><br />
Terminus "die westlichen Provinzen" 3) nicht streng geografisch zu interpretieren<br />
ist: Der "<strong>West</strong>en" im Sinne <strong>der</strong> <strong>Go</strong>-<strong>West</strong>-<strong>Strategie</strong> umfasst Gebiete,<br />
die nach <strong>der</strong> üblichen Diktion im Norden (zum Beispiel die Innere Mongolei),<br />
in <strong>der</strong> Mitte (Sichuan, Shaanxi) und im Süden Chinas (Yunnan,<br />
Guangxi) verortet sind.<br />
2) <strong>Die</strong> fünf Autonomen Regionen wurden auf <strong>der</strong> Basis <strong>der</strong> gesetzlichen "regionalen Autonomie <strong>der</strong><br />
Nationalitäten" gegründet. <strong>Die</strong> Autonomen Regionen entsprechen auf <strong>der</strong> Verwaltungsebene den<br />
Provinzen. Zwar ist mit dem Autonomie-Status, den es auch auf den administrativen Ebenen <strong>der</strong><br />
Bezirke und Kreise gibt, das Recht auf ein gewisses Maß an Selbstbestimmung verbunden.<br />
De facto gelten die Entscheidungsbefugnisse <strong>der</strong> Autonomen Regionen als gering, vor allem<br />
in politischen Angelegenheiten.<br />
3) Wenn in <strong>der</strong> vorliegenden Studie von den "westlichen Provinzen", den "<strong>West</strong>provinzen" o<strong>der</strong><br />
"<strong>West</strong>china" gesprochen wird, sind stets diese Regionen gemeint. Umgekehrt steht die Bezeichnung<br />
"Ostprovinzen" o<strong>der</strong> "<strong>der</strong> Osten Chinas" für alle an<strong>der</strong>en 19 Provinzen und regierungsunmittelbaren<br />
Städte (ohne Hong Kong und Macau).
31 |<br />
<strong>Die</strong> <strong>Go</strong>-<strong>West</strong>-<strong>Strategie</strong> <strong>der</strong> <strong>chinesischen</strong> <strong>Regierung</strong> – Chancen für die deutsche Wirtschaft?<br />
Das Territorium <strong>der</strong> <strong>West</strong>provinzen umfasst eine Fläche von 6,6 Mio.<br />
Quadratkilometern. Das entspricht einem Anteil von 69% an <strong>der</strong> Fläche<br />
<strong>der</strong> Volksrepublik China. <strong>Die</strong> Höhenunterschiede auf dem Gebiet <strong>der</strong><br />
westlichen Provinzen sind beträchtlich: Aus diesen Voraussetzungen resultieren<br />
erhebliche Klimaunterschiede zwischen den einzelnen Regionen<br />
des <strong>West</strong>ens, was wie<strong>der</strong>um sehr unterschiedliche Rahmenbedingungen für<br />
die landwirtschaftliche Nutzung bedingt. <strong>Die</strong> geografischen Gegebenheiten<br />
sind seit jeher eine wichtige Determinante für die Entwicklung <strong>der</strong> <strong>West</strong>provinzen.<br />
Deshalb werden in den folgenden Abschnitten die Landschaft<br />
und das Klima <strong>der</strong> westlichen Provinzen beschrieben.<br />
<strong>Die</strong> Landschaft Chinas ist von <strong>West</strong> nach Ost in drei Höhenstufen geglie<strong>der</strong>t:<br />
An die tibetische Hochebene schließen sich auf einem Höhenniveau<br />
zwischen 3.000 und 1.500 Metern Sichuan und Zentralchina an. Ab einer<br />
Höhe von 1.500 Metern ziehen sich fruchtbare Tiefebenen zum Meer.<br />
Der Blick auf die Karte (siehe Abbildung 6) zeigt auf Anhieb, dass die Landschaft<br />
<strong>der</strong> <strong>West</strong>provinzen von Gebirgszügen und Hochebenen geprägt wird.<br />
Das felsige Qinghai-Tibet-Plateau zwischen dem Kunlun-Gebirge im Norden,<br />
dem Karakorum im <strong>West</strong>en und dem Himalaja im Süden ist mit einer<br />
Höhe von mehr als 4.000 Metern die höchstgelegene Ebene <strong>der</strong> Welt. Auf<br />
das Qinghai-Tibet-Plateau entfällt etwa ein Drittel <strong>der</strong> Landmasse <strong>der</strong> gesamten<br />
<strong>West</strong>provinzen. Im tibetischen Hochland liegen die Quellgebiete <strong>der</strong><br />
Flüsse Brahmaputra, Mekong, Irrawaddy und Salween.
32 |<br />
Studie<br />
Auf einer "zweiten Ebene" finden sich in den <strong>West</strong>provinzen einige Hochebenen,<br />
die auf einer Höhe zwischen 1.000 und 2.000 Metern liegen: Der<br />
große Teil des Territoriums <strong>der</strong> Inneren Mongolei liegt auf <strong>der</strong> innermongolischen<br />
Hochebene. Das 530.000 Quadratkilometer große Tarim-Becken<br />
in <strong>der</strong> Autonomen Region Xinjiang liegt bis zu 1.400 Meter hoch über dem<br />
Meeresspiegel. Im Zentrum des Tarim-Beckens befindet sich die Wüste<br />
Taklamakan, die zweitgrößte Sandwüste <strong>der</strong> Welt. Das Plateau <strong>der</strong> Yunnan-<br />
Guizhou-Hochebene liegt im Südwesten Chinas und erreicht Höhen zwischen<br />
1.000 und 2.000 Meter. Es umfasst den Ostteil von Yunnan, die<br />
gesamte Provinz Guizhou, den Nordwesten von Guangxi sowie die Grenzgebiete<br />
von Sichuan, Hunan und Hubei. Das Löss-Plateau, das sich auf<br />
weite Teile <strong>der</strong> <strong>West</strong>provinzen Shaanxi, Ningxia und Gansu erstreckt, liegt<br />
zwischen 1.000 und 1.600 Meter hoch. Ein Großteil <strong>der</strong> Fläche <strong>der</strong> <strong>West</strong>provinzen<br />
liegt also alleine schon von <strong>der</strong> Höhenlage her in Regionen, die<br />
Landwirtschaft und wirtschaftliche Aktivität erschweren. Eine Ausnahme<br />
im bergigen Relief <strong>der</strong> <strong>West</strong>provinzen bildet das 200.000 Quadratkilometer<br />
große Sichuan-Becken. Es liegt auf etwa 200 Metern über dem Meeresspiegel<br />
und wird wegen seines roten Bodens auch Rotes Becken genannt.
33 |<br />
<strong>Die</strong> <strong>Go</strong>-<strong>West</strong>-<strong>Strategie</strong> <strong>der</strong> <strong>chinesischen</strong> <strong>Regierung</strong> – Chancen für die deutsche Wirtschaft?<br />
1.2 Klima<br />
Aufgrund <strong>der</strong> geografischen Bedingungen weisen die <strong>West</strong>provinzen erhebliche<br />
Klimaunterschiede auf. Bei einer groben Einteilung ergeben sich drei<br />
Klimaregionen: <strong>der</strong> subtropisch bis tropisch-feuchtwarme Süden, <strong>der</strong> Südwesten<br />
mit einem rauen Hochgebirgsklima sowie Norden und Nordwesten,<br />
die durch ein sehr trockenes, vorwiegend kontinentales Klima geprägt sind.<br />
Süden<br />
<strong>Die</strong> Provinzen Yunnan und Guangxi liegen in den nördlichen Tropen. <strong>Die</strong><br />
jahreszeitlichen Temperaturschwankungen sind gering ausgeprägt. So gilt<br />
Kunming, die Provinzhauptstadt Yunnans, wegen ihres milden Klimas als<br />
"Stadt des ewigen Frühlings". <strong>Die</strong> Jahresdurchschnittstemperatur liegt etwas<br />
über 20° C. In <strong>der</strong> Regenzeit zwischen Mai und Oktober fällt <strong>der</strong> Großteil<br />
des jährlichen Nie<strong>der</strong>schlags, <strong>der</strong> zwischen 750 und 1.750 Millimetern<br />
liegt. Das Monsunklima wird teilweise durch die gebirgige Topografie abgemil<strong>der</strong>t,<br />
sodass auf dem Gebiet <strong>der</strong> beiden Provinzen gemäßigte, subtropische<br />
und tropische Zonen vorzufinden sind.<br />
Das Sichuan-Becken umfasst Chongqing sowie den Ostteil <strong>der</strong> Provinz<br />
Sichuan mit <strong>der</strong> Hauptstadt Chengdu sowie die Provinz Guizhou und<br />
liegt in den nördlichen Subtropen mit einer Jahresdurchschnittstemperatur<br />
zwischen 16 und 19° C. <strong>Die</strong> Gebirge im Norden und Osten schirmen die<br />
Region gegen kontinentale Kaltluft ab, während die subtropischen Luftmassen<br />
von Süden her für ein feuchtes Klima sorgen. <strong>Die</strong> Sommer sind feucht<br />
und heiß – in Chongqing sind Temperaturen über 40° C keine Seltenheit.<br />
Charakteristisch für das Sichuan-Becken ist <strong>der</strong> Nebel: Der Himmel über<br />
Guizhou ist an 220 Tagen im Jahr wolkenverhangen. <strong>Die</strong> jährliche Nie<strong>der</strong>schlagsmenge<br />
im Sichuan-Becken beträgt im Mittel 900 bis 1.500 Millimeter;<br />
<strong>der</strong> Großteil des Regens fällt im Sommer. Das Rote Becken ist bereits<br />
seit mehr als zwei Jahrtausenden für seine Fruchtbarkeit bekannt. In manchen<br />
Gegenden bringen die Bauern sogar zwei Reisernten im Jahr ein.<br />
Südwesten<br />
Mit starker Sonnenstrahlung, niedrigen Temperaturen und erheblichen<br />
Tag-Nacht-Temperaturschwankungen bei sehr dünner Höhenluft weist das<br />
Qinghai-Tibet-Plateau die typischen Klimamerkmale einer Hochebene auf.<br />
Weite Gebiete sind die meiste Zeit des Jahres mit Eis und Schnee bedeckt.<br />
Mit jährlichen Nie<strong>der</strong>schlägen zwischen 75 Millimetern im <strong>West</strong>en und<br />
400 Millimetern im Osten und Süden <strong>der</strong> Hochebene ist es im Allgemeinen<br />
trocken bis sehr trocken. Das Gebiet um den auf 3.200 Metern liegenden<br />
Qinghai-See (bei Xining), das Qaidam-Becken (im Norden Qinghais) und das<br />
Brahmaputra-Flusstal (inkl. Lhasa) sind durch etwas mil<strong>der</strong>es Klima gekennzeichnet<br />
und lassen sich deshalb – auch aufgrund <strong>der</strong> starken Sonneneinstrahlung<br />
– landwirtschaftlich besser nutzen.
34 |<br />
Studie<br />
Norden und Nordwesten<br />
<strong>Die</strong> Provinzen Innere Mongolei, Ningxia, Shaanxi, Gansu und Xinjiang<br />
befinden sich in gemäßigten Klimazonen mit ausgeprägten Jahreszeiten.<br />
Praktisch alle nördlichen <strong>West</strong>provinzen Chinas haben ein Kontinentalklima<br />
mit heißen Sommern und kalten Wintern. <strong>Die</strong> Monatsdurchschnittstemperaturen<br />
schwanken zwischen -10°C im Winter und circa 25° C im Sommer.<br />
<strong>Die</strong> Extremwerte liegen jedoch weit tiefer beziehungsweise höher: In<br />
Xinjiang steigt das Thermometer im Sommer auf bis zu 40° C, im Winter<br />
fällt es auf bis zu -30° C. Am Huoyan Shan ("Flammen<strong>der</strong> Berg") östlich<br />
von Turpan wurde die Rekordtemperatur von 81,2° C gemessen.<br />
Da <strong>der</strong> Himalaja und das tibetische Hochland den Monsunregen aus dem<br />
Indischen Ozean abhalten, sind die Nie<strong>der</strong>schlagsmengen mit maximal<br />
300 Millimetern pro Jahr sehr gering. Beson<strong>der</strong>s Xinjiang, Qinghai und <strong>der</strong><br />
<strong>West</strong>en <strong>der</strong> Inneren Mongolei sind sehr trocken – was in <strong>der</strong> Landwirtschaft<br />
großflächige Bewässerung notwendig macht.<br />
<strong>Die</strong> ganz nördliche Region Chinas ist also strukturell unterversorgt mit<br />
Wasserressourcen für die Landwirtschaft, was die Politik vor große Herausfor<strong>der</strong>ungen<br />
stellt und Großprojekte wie das Süd-Nord-Wassertransferprojekt<br />
motiviert hat (siehe Seite 69).<br />
1.3 Natürliche Ressourcen und Rohstoffe<br />
<strong>Die</strong> <strong>West</strong>provinzen Chinas sind reich an natürlichen Ressourcen: Von 33<br />
wichtigen Bodenschätzen verfügt <strong>West</strong>china über mehr als die Hälfte <strong>der</strong><br />
landesweiten Reserven. Mehr als die Hälfte (53%) <strong>der</strong> <strong>chinesischen</strong> Kohlevorkommen<br />
findet sich im <strong>West</strong>en, Shaanxi gilt als die Kohleprovinz <strong>der</strong><br />
Volksrepublik. In <strong>der</strong> Autonomen Region Xinjiang und in den Provinzen<br />
Qinghai und Shaanxi liegen 68% <strong>der</strong> <strong>chinesischen</strong> Erdgasvorkommen. Fast<br />
ein Fünftel <strong>der</strong> Erdölquellen Chinas sprudelt in den westlichen Provinzen.<br />
Einige Bodenschätze kommen fast ausschließlich im <strong>West</strong>teil <strong>der</strong> Volksrepublik<br />
vor (siehe Abbildung 7).<br />
Aber nicht nur Rohstoffe, son<strong>der</strong>n auch landwirtschaftliche Flächen sind<br />
eine wesentliche Ressource für China. Um die Ernährung <strong>der</strong> Bevölkerung<br />
sicherzustellen, geht die chinesische <strong>Regierung</strong> davon aus, eine Zielgröße<br />
von 120 Mio. Hektar landwirtschaftlicher Nutzfläche zu benötigen. Durch<br />
Flächenumwandlung für Besiedelung, Bodenerosion und Wüstenbildung<br />
(siehe Abschnitt Umwelt, Seite 46) gehen <strong>der</strong> Volksrepublik aber nach<br />
Schätzungen von Experten jedes Jahr circa 0,5% <strong>der</strong> landwirtschaftlichen<br />
Flächen verloren. So wurden zwischen 1986 und 2005 Statistiken zufolge<br />
17,7 Mio. Hektar Ackerland in Bauland verwandelt.
35 |<br />
<strong>Die</strong> <strong>Go</strong>-<strong>West</strong>-<strong>Strategie</strong> <strong>der</strong> <strong>chinesischen</strong> <strong>Regierung</strong> – Chancen für die deutsche Wirtschaft?<br />
Offizielle Statistiken geben für 2007 in ganz China eine verfügbare landwirtschaftliche<br />
Nutzfläche von 121 Mio. Hektar an. Davon liegen 37% in den<br />
<strong>West</strong>provinzen – also ein im Vergleich zur Bevölkerungsanzahl des <strong>West</strong>ens<br />
überproportional hoher Anteil. Der Erhalt von Flächen für die Landwirtschaft<br />
und die För<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Landwirtschaft in den <strong>West</strong>provinzen ist daher<br />
neben <strong>der</strong> Industrieentwicklung ein wichtiges strategisches Ressourcenthema<br />
für China. So gehen Experten zum Beispiel davon aus, dass es in<br />
<strong>der</strong> Provinz Xinjiang noch rund 1,3 Mio. Hektar ungenutztes ackerfähiges<br />
Land gibt.<br />
Um ihren ökonomischen Expansionskurs fortsetzen zu können, ist die<br />
Volksrepublik China in erheblichem Umfang auf Rohstoffe angewiesen.<br />
An<strong>der</strong>s formuliert: <strong>Die</strong> Versorgung mit Rohstoffen ist eine Achillesferse des<br />
Wachstums. Und dabei ist <strong>der</strong> Bedarf beträchtlich: Mehr als ein Drittel <strong>der</strong><br />
weltweiten Eisenerzför<strong>der</strong>ung wird in China verbraucht. Im Vergleich zum<br />
Vorjahr sind die Eisenerzimporte im zweiten Quartal 2009 um 41% gestiegen,<br />
die Kupferimporte um 140%, die Einfuhr von Kohle hat sich sogar<br />
verdreifacht. Ob Kupfer, Zinn o<strong>der</strong> Blei – China gehört weltweit zu den<br />
Top Five unter den Rohstoffimporteuren. Vor dem Hintergrund dieses<br />
rapide wachsenden Bedarfs an Rohstoffen ist leicht nachvollziehbar, dass<br />
die <strong>West</strong>provinzen mit ihrem großen Ressourcenreichtum für die Zentralregierung<br />
in Peking eine strategische Rolle spielen: Nur wenn <strong>der</strong> westliche<br />
Teil über eine gut entwickelte Infrastruktur verfügt und die politische Stabilität<br />
aufrechterhalten werden kann, lässt sich die Versorgung <strong>der</strong> Ostprovinzen<br />
mit den dringend benötigten Rohstoffen sichern.
36 |<br />
Studie<br />
2. Soziodemografie<br />
2.1 Bevölkerungsentwicklung und -verteilung<br />
In den <strong>West</strong>provinzen leben 365 Millionen Menschen (Stand 2008), das<br />
entspricht etwas über einem Viertel (28%) <strong>der</strong> <strong>chinesischen</strong> Gesamtbevölkerung<br />
von etwa 1,3 Milliarden Menschen. <strong>Die</strong> Bevölkerungsverteilung auf die<br />
Provinzen ist dabei sehr unterschiedlich (siehe Abbildung 8): In den sechs<br />
größten Provinzen leben mehr als drei Viertel <strong>der</strong> Bevölkerung, und die drei<br />
bevölkerungsmäßig kleinsten (aber flächenmäßig bedeutsamen) Provinzen<br />
Ningxia, Qinghai und Tibet reichen nicht einmal an die Einwohnerzahl<br />
chinesischer Großstädte heran: In den Autonomen Regionen Tibet und<br />
Xinjiang sowie in <strong>der</strong> Provinz Qinghai leben nur 8% <strong>der</strong> Bevölkerung<br />
<strong>West</strong>chinas, obwohl sie 53% <strong>der</strong> Fläche ausmachen.<br />
<strong>Die</strong> Bevölkerungsdichte in <strong>West</strong>china nimmt von Osten nach <strong>West</strong>en und<br />
von Süden nach Norden hin ab. Relativ hoch ist die Besiedelungsdichte mit<br />
100-600 Einwohnern pro Quadratkilometer im Ostteil <strong>der</strong> Provinz Yunnan,<br />
in Guangxi und Guizhou sowie im Ostteil von Sichuan, in Chongqing,<br />
Gansu, Ningxia und Shaanxi. Der Norden und <strong>West</strong>en sind mit einer<br />
Bevölkerungsdichte von 1-10 Einwohnern pro Quadratkilometer extrem<br />
dünn besiedelt. Im westlichen Himalaja und in den Wüsten liegt die<br />
Bevölkerungsdichte sogar unterhalb <strong>der</strong> Marke von 1 Einwohner pro<br />
Quadratkilometer.
37 |<br />
<strong>Die</strong> <strong>Go</strong>-<strong>West</strong>-<strong>Strategie</strong> <strong>der</strong> <strong>chinesischen</strong> <strong>Regierung</strong> – Chancen für die deutsche Wirtschaft?<br />
In den <strong>West</strong>provinzen gibt es bereits eine Vielzahl von Millionenstädten,<br />
so unter an<strong>der</strong>em Baotou, Chongqing, Chengdu, Guiyang, Kunming, Xi'an,<br />
Lanzhou, Ürümqi o<strong>der</strong> Nanning. <strong>Die</strong> größten westlichen Metropolen sind<br />
Chongqing (28 Millionen Einwohner), Chengdu (13 Millionen Einwohner)<br />
und Xi'an (8 Millionen Einwohner).<br />
1978 lebte etwa ein Fünftel <strong>der</strong> <strong>chinesischen</strong> Bevölkerung in Städten,<br />
gut 40 Jahre später sind fast die Hälfte aller Chinesen Stadtbewohner:<br />
Der durchschnittliche Urbanisierungsgrad in <strong>der</strong> Volksrepublik lag 2008 bei<br />
45%. In den <strong>West</strong>provinzen ist <strong>der</strong> durchschnittliche Urbanisierungsgrad im<br />
selben Zeitraum von 18% auf rund 38% gestiegen und liegt damit unter dem<br />
Wert für Gesamtchina. Angesichts <strong>der</strong> dynamischen Wirtschaftsentwicklung<br />
einiger Städte in den <strong>West</strong>provinzen ist jedoch eine Angleichung an das<br />
gesamtchinesische Niveau zu erwarten.<br />
<strong>Die</strong> Urbanisierungsgrad in den Provinzen Chongqing, Shaanxi, Innere<br />
Mongolei und Ningxia liegt schon heute über dem <strong>chinesischen</strong> Durchschnitt.<br />
Zwischen 2003 und 2008 hat die Einwohnerzahl von Chongqing<br />
sowie <strong>der</strong> Städte in den Provinzen Sichuan, Guangxi und Tibet beson<strong>der</strong>s<br />
stark zugenommen.<br />
<strong>Die</strong> Bevölkerungsentwicklung in den <strong>West</strong>provinzen ist weitgehend stabil.<br />
Zwischen 2003 und 2008 ging die Einwohnerzahl um durchschnittlich<br />
0,2% pro Jahr zurück. Abweichungen von diesem Wert wurden in Chongqing<br />
und Sichuan registriert: Im genannten Zeitraum nahm hier die Bevölkerungszahl<br />
um durchschnittlich 2,1% beziehungsweise 1,3% pro Jahr ab.<br />
Dagegen war in den Autonomen Regionen Xinjiang und Tibet ein Bevölkerungsanstieg<br />
von durchschnittlich 2% beziehungsweise 1,2% pro Jahr zu<br />
verzeichnen. Eine mögliche Erklärung dafür ist, dass die dort lebenden<br />
nationalen Min<strong>der</strong>heiten von <strong>der</strong> Ein-Kind-Politik ausgenommen sind.<br />
Auch in <strong>der</strong> Autonomen Region Ningxia, einem Kernsiedlungsgebiet <strong>der</strong><br />
Hui-Chinesen, lag <strong>der</strong> Bevölkerungsanstieg mit durchschnittlich 1,3%<br />
pro Jahr deutlich höher als im Durchschnittswert aller <strong>West</strong>provinzen.<br />
<strong>Die</strong> Bevölkerungszahl Gesamtchinas ist von 2003 bis 2008 um durchschnittlich<br />
0,66% pro Jahr gewachsen. <strong>Die</strong> Diskrepanz zwischen diesem<br />
Wert und dem leichten Bevölkerungsrückgang in <strong>West</strong>china kann als Hinweis<br />
auf eine Wan<strong>der</strong>ungsbewegung von <strong>West</strong> nach Ost interpretiert<br />
werden.
38 |<br />
Studie<br />
2.2 Altersstruktur<br />
<strong>Die</strong> Altersstruktur in den <strong>West</strong>provinzen entspricht in etwa <strong>der</strong>jenigen<br />
Gesamtchinas. Etwa ein Fünftel (21%) ist jünger als 14 Jahre, und 70%<br />
gehören zur Gruppe zwischen 15 bis 64 Jahre. In <strong>der</strong> Provinz Guizhou sind<br />
sogar 27% <strong>der</strong> Bevölkerung jünger als 14 Jahre. Im Vergleich zum Osten des<br />
Landes hat die Alterspyramide <strong>der</strong> westlichen Provinzen ein etwas breiteres<br />
Fundament an jungen Menschen: Im Durchschnitt <strong>der</strong> Ostprovinzen liegt<br />
<strong>der</strong> Anteil von unter 14-Jährigen an <strong>der</strong> Bevölkerung bei 17%, 74% <strong>der</strong><br />
Bevölkerung sind zwischen 15 und 64 Jahre alt.<br />
Mit knapp 68 Jahren ist die Lebenserwartung in den <strong>West</strong>provinzen aktuell<br />
(2008) noch etwas geringer als in Gesamtchina, wo sie bei fast 73 Jahren<br />
liegt. Noch stärker ist die Diskrepanz, wenn man die Lebenserwartung in<br />
den westlichen Provinzen mit <strong>der</strong>jenigen in den wohlhabenden Ostküstenprovinzen<br />
vergleicht: In Shanghai beträgt sie 78 Jahre, in Peking 76 Jahre.<br />
Zum Vergleich: In Deutschland beträgt die Lebenserwartung im Durchschnitt<br />
knapp 80 Jahre. Chongqing und Guangxi führen das Feld mit 72<br />
und 71 Jahren an, während die Lebenserwartung in Tibet nur 64 und in<br />
Qinghai nur 66 Jahre beträgt.<br />
2.3 Bildungsniveau<br />
Ein wichtiger Aspekt bei <strong>der</strong> Beurteilung des ökonomischen Potenzials <strong>der</strong><br />
<strong>West</strong>provinzen ist das Bildungsniveau. Dabei sind <strong>der</strong> Anteil <strong>der</strong> Akademiker<br />
an <strong>der</strong> Bevölkerung sowie <strong>der</strong>en Verfügbarkeit auf dem Arbeitsmarkt<br />
von beson<strong>der</strong>em Interesse.<br />
Das Bildungswesen in China glie<strong>der</strong>t sich in die Bereiche Grundschul-,<br />
Mittelschul- und Hochschulbildung. Es besteht eine neunjährige Schulpflicht,<br />
die die sechsjährige Grundschulzeit und die Unterstufe <strong>der</strong> Mittelschule<br />
umfasst. <strong>Die</strong> Oberstufe <strong>der</strong> Mittelstufe dauert drei Jahre. Für die<br />
Immatrikulation an einer Hochschule müssen die Absolventen <strong>der</strong> Mittelschule<br />
eine Aufnahmeprüfung ablegen.<br />
Mit im Schnitt 13% hat ein in Vergleich zu Gesamtchina (8%) hoher Anteil<br />
<strong>der</strong> Bevölkerung <strong>der</strong> <strong>West</strong>provinzen gar keinen Schulabschluss. Beson<strong>der</strong>s<br />
hoch ist <strong>der</strong> Anteil <strong>der</strong> Bevölkerung ohne Schulabschluss mit 34% in Tibet,<br />
und auch Gansu und Qinghai erreichen einen Anteil von 17%. Der Anteil<br />
<strong>der</strong> Bevölkerung, <strong>der</strong> mindestens die neunjährige Pflichtschulzeit absolviert<br />
hat, liegt dagegen im <strong>West</strong>en mit im Schnitt 71% nah an <strong>der</strong> Quote Gesamtchinas<br />
(72%), auch hier ist Tibet mit 61% das Schlusslicht <strong>der</strong> <strong>West</strong>provinzen.
39 |<br />
<strong>Die</strong> <strong>Go</strong>-<strong>West</strong>-<strong>Strategie</strong> <strong>der</strong> <strong>chinesischen</strong> <strong>Regierung</strong> – Chancen für die deutsche Wirtschaft?<br />
Eine höhere Schulbildung im Sinne eines Sekundarschulabschluss (zwölfjährige<br />
Schulzeit) können in den <strong>West</strong>provinzen im Schnitt 11% <strong>der</strong><br />
Bevölkerung vorweisen, was auch nah am gesamt<strong>chinesischen</strong> Niveau<br />
von 13% liegt.<br />
Der relativ geringe Akademikeranteil von im Schnitt 5% an <strong>der</strong> Gesamtbevölkerung<br />
scheint typisch für die <strong>West</strong>provinzen, Gesamtchina erreicht<br />
hier 7%. Den höchsten Akademikeranteil hat die Autonome Region Xinjiang<br />
mit 9%, gefolgt von <strong>der</strong> Provinz Shaanxi (8%) sowie <strong>der</strong> Inneren Mongolei,<br />
Ningxia und Qinghai mit jeweils 7%. Es überrascht, dass die als westliche<br />
Boom-Zonen geltenden Provinzen Yunnan, Chongqing und Sichuan nur<br />
mit einem Akademikeranteil von 4% aufwarten können.<br />
Bei <strong>der</strong> Zahl <strong>der</strong> jährlichen Hochschulabsolventen liegen zwar alle <strong>West</strong>provinzen<br />
(Schnitt im <strong>West</strong>en: 2,5 Absolventen pro 1.000 Einwohner p.a.)<br />
hinter <strong>der</strong> östlichen Spitzenregion Shanghai (6,8 Absolventen pro Jahr je<br />
1.000 Einwohner), aber <strong>der</strong> Vergleich mit Guangzhou (1,7) zeigt, dass sie<br />
keinen generellen Rückstand gegenüber den Ostprovinzen aufweisen. So<br />
kann Shaanxi (6,0) fast mit Shanghai gleichziehen, und auch die Provinzen<br />
Chongqing (3,6), Innere Mongolei (3,2) und Sichuan (3,1) schneiden im<br />
Vergleich <strong>der</strong> <strong>West</strong>provinzen gut ab.<br />
Von den 1.666 <strong>chinesischen</strong> Universitäten liegen 390 in den <strong>West</strong>provinzen.<br />
Dabei sind vor allem Shaanxi, Sichuan und Guangxi mit einer Zahl zwischen<br />
jeweils 50 und 65 Universitäten in Bezug auf die akademische Infrastruktur<br />
gut ausgestattet. In Relation zur Bevölkerungszahl ist <strong>der</strong> <strong>West</strong>en<br />
Chinas mit 1,1 Universitäten je eine Million Einwohner nicht wesentlich<br />
schlechter gestellt als die Ostprovinzen. Hier liegt das Verhältnis bei 1,3<br />
Universitäten je 1 Million Einwohner. Schließt man die Städte Peking<br />
(4,8 Universitäten je 1 Million Einwohner), Shanghai (3,2 Universitäten<br />
je 1 Million Einwohner) und Tianjin (3,7 Universitäten je 1 Million Einwohner)<br />
aus dem Vergleich zwischen <strong>West</strong>- und Ostprovinzen aus, dann reduziert<br />
sich <strong>der</strong> Unterschied in <strong>der</strong> akademischen Infrastruktur gegen null. Im<br />
<strong>West</strong>en weisen die Autonome Region Ningxia (2,1 Universitäten je 1 Million<br />
Einwohner) sowie die Provinzen Qinghai (2,0 Universitäten je 1 Million<br />
Einwohner) und Shaanxi (1,7 Universitäten je 1 Million Einwohner)<br />
die höchste Hochschulkonzentration auf. Allerdings können sie noch nicht<br />
mit den Metropolen <strong>der</strong> Küstenregionen mithalten.<br />
Auch bei den Bildungsinvestitionen liegt <strong>der</strong> <strong>West</strong>en noch zurück. 2007<br />
wurden nach offiziellen <strong>chinesischen</strong> Statistiken in Gesamtchina knapp<br />
200.000 CNY pro 1.000 Einwohner in Bildungseinrichtungen investiert.<br />
Dabei liegen die östlichen Provinzen mit im Schnitt 211.000 CNY pro<br />
1.000 Einwohner deutlich über den <strong>West</strong>provinzen, wo nur circa 170.000<br />
CNY ausgegeben werden. <strong>Die</strong> geringsten Pro-Kopf-Bildungsinvestitionen<br />
finden sich dabei in den Provinzen Guizhou, Gansu und Qinghai.
40 |<br />
Studie<br />
2.4 Forschung und Entwicklung<br />
Als Indikator für die Forschungsleistung in den <strong>West</strong>provinzen kann die<br />
Zahl <strong>der</strong> angemeldeten Patente herangezogen werden. Bei dieser Kennzahl<br />
bleiben die <strong>West</strong>provinzen im Allgemeinen weit hinter den Ostprovinzen<br />
zurück, vor allem im Vergleich zu den Küstenregionen. So wurden 2008<br />
nur 10% <strong>der</strong> in China angemeldeten Patente im <strong>West</strong>en erarbeitet (insgesamt<br />
33.000). Innerhalb <strong>der</strong> <strong>West</strong>provinzen sind die Unterschiede zudem<br />
sehr stark: Zwei Drittel <strong>der</strong> in <strong>West</strong>china angemeldeten Patente entfallen<br />
auf die Provinzen Sichuan (40%), Chongqing (14%) und Shaanxi (13%).<br />
In <strong>der</strong> bezüglich Forschung und Entwicklung produktivsten Provinz im<br />
östlichen China, Guangzhou, wurden 2008 aber immer noch fast doppelt<br />
so viele Patente angemeldet wie in Sichuan. Allerdings gibt es auch in den<br />
<strong>West</strong>provinzen wichtige Zentren für Forschung und Entwicklung, so in<br />
Shaanxi, Sichuan o<strong>der</strong> Chongqing. Nähere Informationen dazu finden<br />
sich in den Provinzportraits in Teil G dieser Studie.<br />
2.5 Einkommensniveau<br />
<strong>Die</strong> Kaufkraft <strong>der</strong> städtischen Bevölkerung liegt in den <strong>West</strong>provinzen im<br />
Schnitt bei 9.650 CNY pro Jahr (circa 1.400 USD), bei einer Schwankungsbreite<br />
von 8.900 CNY (Xinjiang und Tibet) und 11.600 CNY (Chongqing).<br />
Im Vergleich dazu liegt das verfügbare Pro-Kopf-Einkommen <strong>der</strong> städtischen<br />
Bevölkerung in den an<strong>der</strong>en <strong>chinesischen</strong> Provinzen im Schnitt bei 12.100<br />
CNY (circa 1.700 USD), also deutlich höher.<br />
Betrachtet man die Kaufkraft <strong>der</strong> ländlichen Bevölkerung, fallen die Unterschiede<br />
noch drastischer aus (siehe Abbildung 9). Im <strong>West</strong>en kommt die<br />
ländliche Bevölkerung im Schnitt auf ein verfügbares Pro-Kopf-Einkommen<br />
von 2.600 CNY (rund 375 USD), in den an<strong>der</strong>en Provinzen im Schnitt auf<br />
4.400 CNY (rund 630 USD). Der ohnehin schon sehr starke Einkommensunterschied<br />
zwischen Stadt und Land in China ist in den <strong>West</strong>provinzen<br />
also noch stärker ausgeprägt.
41 |<br />
<strong>Die</strong> <strong>Go</strong>-<strong>West</strong>-<strong>Strategie</strong> <strong>der</strong> <strong>chinesischen</strong> <strong>Regierung</strong> – Chancen für die deutsche Wirtschaft?<br />
2.6 Privater Konsum<br />
<strong>Die</strong> Konsumentenmärkte sind in <strong>West</strong>china noch deutlich schwächer ausgeprägt<br />
als im östlichen China, was im Wesentlichen auf das im Schnitt geringere<br />
Einkommensniveau zurückzuführen ist. Analog zum Anteil des Bruttoinlandsprodukts<br />
an Gesamtchina (19%) betrugen in <strong>West</strong>china die Ausgaben<br />
für Konsumgüter 2008 im Einzelhandel 17% <strong>der</strong>jenigen Gesamtchinas. Da<br />
sich diese Ausgaben aber auf einen Bevölkerungsanteil von 28% <strong>der</strong> ganzen<br />
Volksrepublik verteilen, sind die Konsumausgaben pro Kopf in <strong>West</strong>china im<br />
Schnitt deutlich geringer als im Osten: Gaben die Menschen im <strong>West</strong>en im<br />
Schnitt 5.300 CNY (rund 760 USD) im Jahr für Konsumgüter aus, sind es<br />
im Osten 11.100 CNY (rund 1.600 USD). Deutlich über dem Schnitt liegen<br />
dabei in den <strong>West</strong>provinzen die Innere Mongolei, Chongqing, Shaanxi und<br />
Sichuan. <strong>Die</strong> Metropolregionen im <strong>West</strong>en reichen dabei meistens an die<br />
Durchschnittswerte im Osten Chinas heran, wenn auch nicht an die Spitzenwerte<br />
<strong>der</strong> Ostregionen in Peking o<strong>der</strong> Shanghai.<br />
Wohlstandsgüter wie Autos, Klimaanlagen und Computer sind in den <strong>West</strong>provinzen<br />
ebenfalls noch weniger stark verbreitet als im Osten. Auf hun<strong>der</strong>t<br />
städtische Haushalte kommen 5,7 Autos, 48 Klimaanlagen und 44 Computer.<br />
In den stärker entwickelten Ostprovinzen sind es dagegen im Durch-
42 |<br />
Studie<br />
schnitt 8,8 Fahrzeuge, 104 Klimaanlagen und 62 Computer (siehe Abbildung<br />
10). Bei <strong>der</strong> Anzahl <strong>der</strong> Computer fällt auf, dass es zwischen den<br />
Städten Ost und <strong>West</strong>chinas keine starke "Digitale Kluft" zu geben scheint.<br />
Damit besteht zumindest in den <strong>West</strong>-Städten bei Arbeitnehmern und<br />
Konsumenten keine weitere Hürde für die Entwicklung hin zu einer<br />
mo<strong>der</strong>nen <strong>Die</strong>nstleistungsgesellschaft.<br />
Konsumbremsend wirkt sich in den <strong>West</strong>provinzen außerdem aus, dass<br />
die gesamtwirtschaftliche Sparquote mit im Schnitt 65% deutlich über dem<br />
gesamt<strong>chinesischen</strong> Schnitt von circa 50% liegt.<br />
Eine von <strong>Roland</strong> <strong>Berger</strong> in ausgewählten Ballungszentren in Ostchina und<br />
einigen Wachstumsregionen <strong>West</strong>chinas 2008 durchgeführte Konsumentenbefragung<br />
ergab, dass in den am weitesten entwickelten Städten des <strong>West</strong>ens<br />
(insbeson<strong>der</strong>e wurden Konsumenten in größeren Städten Sichuans,<br />
Guangxis, Yunnans und in Chongqing befragt) bereits ähnliche Konsum<br />
präferenzen wie im Osten herrschen 4) .<br />
So gibt in Bezug auf Reiseaktivitäten sowohl in den ost- als auch in den<br />
west<strong>chinesischen</strong> Metropolen über die Hälfte <strong>der</strong> Befragten an, dass sie<br />
mindestens einmal im Jahr verreist. Auch einmal wöchentlich o<strong>der</strong> häufiger<br />
Essen zu gehen, ist in <strong>West</strong>china genauso selbstverständlich wie im Osten.<br />
Beim Klei<strong>der</strong>kauf setzen sich die Parallelen zwischen Ost- und <strong>West</strong>china<br />
fort. Interessant ist das starke Preisbewusstsein chinesischer Konsumenten.<br />
4) <strong>Roland</strong> <strong>Berger</strong> Chinese Consumer Market Survey<br />
(http://www.rolandberger.com/news/2009-06-25-rbsc-news-ChineseConsumerSurvey.html).
43 |<br />
<strong>Die</strong> <strong>Go</strong>-<strong>West</strong>-<strong>Strategie</strong> <strong>der</strong> <strong>chinesischen</strong> <strong>Regierung</strong> – Chancen für die deutsche Wirtschaft?<br />
So ist in allen Regionen für 70% <strong>der</strong> Befragten <strong>der</strong> Preis wichtiger als die<br />
Marke. Bei den Kaufkriterien zeigt sich bei den Konsumenten aus dem<br />
<strong>West</strong>en eine leichte Bevorzugung <strong>der</strong> Kategorien Preis, Design und Marke<br />
bei Einkaufsentscheidungen.<br />
In Summe ist daher für die Metropolen im <strong>West</strong>en für die Zukunft eine<br />
analog zu den Ostprovinzen verlaufende Konsumentwicklung zu erwarten,<br />
die für entsprechend positionierte Konsumgüterhersteller und -vermarkter<br />
große Wachstumspotenziale darstellt.<br />
3. Beson<strong>der</strong>e politische Herausfor<strong>der</strong>ungen<br />
3.1 Soziale Brennpunkte: Armut, Arbeitslosigkeit und Wan<strong>der</strong>arbeiter<br />
China hat es in den letzten 25 Jahren geschafft, die Armut deutlich zu reduzieren.<br />
So geht die UNO davon aus, dass die Zahl <strong>der</strong> als arm geltenden<br />
ländlichen Bevölkerung von 130 Millionen Menschen im Jahr 1984 auf<br />
circa 20 Mio. Menschen im Jahr 2007 zurückgegangen ist. <strong>Die</strong> chinesische<br />
<strong>Regierung</strong> weist in ihren offiziellen Statistiken für das Jahr 2008 das Armutsniveau<br />
in Gesamtchina mit knapp 5% <strong>der</strong> Bevölkerung noch etwas höher<br />
aus. Dabei ist <strong>der</strong> Anteil <strong>der</strong> armen Bevölkerung mit durchschnittlich 8,7%<br />
im <strong>West</strong>en deutlich höher als <strong>der</strong> im Osten (3,8%). <strong>Die</strong> höchsten Werte<br />
weisen dabei die Provinzen Gansu (15%) und Qinghai (10%) auf.<br />
Nach offiziellen Statistiken liegt die Arbeitslosenquote in <strong>West</strong>china bei<br />
Werten zwischen 3,2 und 4,6%. Allerdings muss man davon ausgehen, dass<br />
diese Statistiken wenig mit <strong>der</strong> Realität vor Ort zu tun haben: <strong>Die</strong> Datenlage<br />
ist aufgrund des uneinheitlichen und unvollständigen Systems <strong>der</strong> statistischen<br />
Erfassung von Arbeitsmarktzahlen unzureichend. Hinzu kommt, dass<br />
selbst die veröffentlichten Daten aufgrund politischer Restriktionen unter<br />
Vorbehalt zu sehen sind. <strong>Die</strong> offizielle Arbeitslosenquote erfasst nur diejenigen<br />
städtischen Arbeitskräfte, die sich als arbeitssuchend registriert haben.<br />
In <strong>der</strong> Arbeitslosenstatistik nicht berücksichtigt werden Wan<strong>der</strong>arbeiter,<br />
Hochschulabsolventen, die neu auf den Arbeitsmarkt kommen, und ehemalige<br />
Beschäftigte <strong>der</strong> Staatsbetriebe. Bezieht man diese Gruppen bei <strong>der</strong><br />
Betrachtung <strong>der</strong> Arbeitslosigkeit in China mit ein, dürfte die Arbeitslosenquote<br />
in den Stadtgebieten zwischen 12% und 14% liegen. Das heißt, dass<br />
die Zahl <strong>der</strong> Arbeitslosen in den <strong>chinesischen</strong> Städten in Gesamtchina auf<br />
fast 46 Millionen geschätzt wird. Darunter sind etwa 20 bis 30 Millionen<br />
Wan<strong>der</strong>arbeiter.
44 |<br />
Studie<br />
<strong>Die</strong> Zahl <strong>der</strong> Wan<strong>der</strong>arbeiter aus ländlichen Regionen, die außerhalb ihrer<br />
Heimatprovinz arbeiten, wird mit rund 140 Millionen veranschlagt 5) . <strong>Die</strong><br />
Hälfte davon ist im Baugewerbe und in – meist exportorientierten – Industriebetrieben<br />
tätig. So kann man davon ausgehen, dass Wan<strong>der</strong>arbeiter von<br />
den Folgen <strong>der</strong> Wirtschaftskrise stark betroffen sind. Im zweiten Halbjahr<br />
2008 hat <strong>der</strong> Rückgang <strong>der</strong> Exportnachfrage nach Angaben des Ministeriums<br />
für Arbeit und Soziale Sicherheit über 10 Millionen Wan<strong>der</strong>arbeiter<br />
ihren Arbeitsplatz gekostet. Mittelbar trifft diese Entwicklung die <strong>West</strong>provinzen<br />
beson<strong>der</strong>s hart, denn viele Wan<strong>der</strong>arbeiter kommen aus den ländlichen<br />
Regionen des <strong>West</strong>ens. Zieht man in Betracht, dass die Transferzahlungen<br />
<strong>der</strong> Wan<strong>der</strong>arbeiter etwa 40% des Einkommens in den ländlichen<br />
Regionen Chinas ausmachen, zeichnet sich ab, dass die erhöhte Arbeitslosigkeit<br />
das Einkommensgefälle zwischen den ländlichen Regionen des<br />
<strong>West</strong>ens und den wohlhaben<strong>der</strong>en Regionen des Ostens zusätzlich<br />
verschärfen wird.<br />
3.2 Nationale Min<strong>der</strong>heiten und ethnische Konflikte<br />
Auf chinesischem Territorium leben 55 anerkannte nationale Min<strong>der</strong>heiten.<br />
Der Anteil <strong>der</strong> dominierenden Han-Chinesen an <strong>der</strong> Bevölkerung Gesamtchinas<br />
liegt bei etwa 92%.<br />
Seit Gründung <strong>der</strong> Volksrepublik 1949 gilt in China offiziell das politische<br />
Konzept eines "einheitlichen Vielvölkerstaats". In dessen Rahmen führte<br />
die kommunistische <strong>Regierung</strong> das Prinzip <strong>der</strong> regionalen Gebietsautonomie<br />
ein: 1947 wurde die Autonome Region Innere Mongolei gegründet, 1955<br />
die Autonome Region Xinjiang; Mit dieser Politik sollte "ein goldener Mittelweg<br />
zwischen den beiden Extremen des 'Groß-Han-Chauvinismus' auf<br />
Kosten <strong>der</strong> Min<strong>der</strong>heiten auf <strong>der</strong> einen Seite und des 'lokalen Nationalismus',<br />
das heißt separatistischer Tendenzen auf <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en beschritten<br />
werden", wie <strong>der</strong> China-Experte Thoralf Klein erklärt.<br />
Im <strong>West</strong>en Chinas liegen fünf Autonome Regionen: Guangxi, Innere Mongolei,<br />
Ningxia, Tibet und Xinjiang, die allein 44% <strong>der</strong> Fläche <strong>der</strong> Volksrepublik<br />
China ausmachen, allerdings nur 8% <strong>der</strong> Bevölkerung. Außerdem bilden<br />
diese Regionen den größten Teil <strong>der</strong> Außengrenze Chinas und verfügen<br />
über beträchtliche Rohstoffvorkommen (siehe Seite 34f.). Sie sind außerdem<br />
im Außenhandel von strategischer Bedeutung und erlauben es China, seinen<br />
ökonomischen Einflussbereich weit über die eigenen Grenzen hinaus<br />
nach Zentralasien auszudehnen (siehe dazu Portrait <strong>der</strong> Autonomen Region<br />
Xinjiang, Seite 166ff.). Vor diesem Hintergrund wird deutlich, dass Autonomiebestrebungen<br />
<strong>der</strong> nationalen Min<strong>der</strong>heiten in diesen Gebieten den<br />
geopolitischen und wirtschaftlichen Interessen <strong>der</strong> <strong>chinesischen</strong> Zentralregierung<br />
zuwi<strong>der</strong>laufen.<br />
5) Es existieren unterschiedliche Schätzungen über die Zahl <strong>der</strong> Wan<strong>der</strong>arbeiter und ihre Herkunftsregionen.<br />
<strong>Die</strong> unklare Datenlage ist darauf zurückzuführen, dass es sich hier um eine Grauzone<br />
des Arbeitsmarktes handelt: Viele Wan<strong>der</strong>arbeiter halten sich illegal und damit ohne Anmeldung<br />
an ihren Arbeitsorten auf.
45 |<br />
<strong>Die</strong> <strong>Go</strong>-<strong>West</strong>-<strong>Strategie</strong> <strong>der</strong> <strong>chinesischen</strong> <strong>Regierung</strong> – Chancen für die deutsche Wirtschaft?<br />
In den Ostprovinzen gehören 8% <strong>der</strong> Bevölkerung einer nationalen Min<strong>der</strong>heit<br />
an. In den <strong>West</strong>provinzen beträgt <strong>der</strong> Anteil <strong>der</strong> nicht<strong>chinesischen</strong><br />
Ethnien an <strong>der</strong> Bevölkerung rund 20%; das heißt, dort sind etwa 77 Millionen<br />
Menschen Angehörige einer nationalen Min<strong>der</strong>heit. <strong>Die</strong> west<strong>chinesischen</strong><br />
Provinzen beziehungsweise Autonomen Regionen mit den höchsten<br />
Anteilen an nationalen Min<strong>der</strong>heiten sind Tibet (94%), Xinjiang (59%),<br />
Qinghai (46%), Guangxi (38%), Guizhou (38%), Ningxia (35%), Yunnan<br />
(33%) und die Innere Mongolei (21%).<br />
Der offiziellen Doktrin vom "einheitlichen Vielvölkerstaat" zum Trotz<br />
schwelen in <strong>der</strong> Volksrepublik China nach wie vor ethnische Konflikte, die<br />
sich insbeson<strong>der</strong>e in Tibet und in Xinjiang immer wie<strong>der</strong> in gewaltsamen<br />
Auseinan<strong>der</strong>setzungen zwischen Staatsmacht und Demonstranten entladen.<br />
Angehörige nationaler Min<strong>der</strong>heiten kritisieren die politische, ökonomische<br />
und kulturelle Dominanz <strong>der</strong> Han-Chinesen sowie den indirekten Zwang<br />
zur Assimilierung: Sozialer Aufstieg sei für Angehörige nationaler Min<strong>der</strong>heiten<br />
nur um den Preis <strong>der</strong> Sinisierung zu haben. Beklagt wird außerdem,<br />
dass die chinesische Zentralregierung den Anteil <strong>der</strong> nationalen Min<strong>der</strong>heiten<br />
an <strong>der</strong> Bevölkerung <strong>der</strong> Autonomen Regionen durch Anreize für den<br />
Zuzug von Han-Chinesen reduzieren will. Vor diesem Hintergrund ist das<br />
ethnisch motivierte Konfliktpotenzial in Chinas <strong>West</strong>en höher als im Osten.<br />
Obwohl die chinesische <strong>Regierung</strong> die Berichterstattung ausländischer<br />
Journalisten über ethnische Konflikte so weit wie möglich unterdrückt, wird<br />
in den internationalen Medien immer wie<strong>der</strong> über Proteste und Ausschreitungen<br />
berichtet. Im März 2008 eskalierte die Situation in Tibet, das seit<br />
1950 nach dem Einmarsch chinesischer Truppen in das Herrschaftsgebiet<br />
Pekings integriert ist: Eine Demonstration von Mönchen in <strong>der</strong> Hauptstadt<br />
Lhasa, die die Freilassung von politischen Gefangenen for<strong>der</strong>ten, war <strong>der</strong><br />
Auftakt zu den schwersten Protesten seit 20 Jahren. Im Juli 2009 lieferten<br />
sich in Xinjiangs Hauptstadt Ürümqi Sicherheitskräfte und Polizei erbitterte<br />
Straßenschlachten, bei denen über 180 Todesopfer zu beklagen waren und<br />
die mindestens 1.700 Verhaftungen nach sich zogen 6) .<br />
Es bleibt abzuwarten, inwieweit die sozialen Auswirkungen <strong>der</strong> Wirtschaftskrise<br />
zu einer weiteren Verschärfung <strong>der</strong> ethnischen Konflikte führen werden.<br />
Experten sehen die Gefahr, dass die tendenziell sozial und politisch<br />
schlechter gestellten Min<strong>der</strong>heiten bei steigen<strong>der</strong> Arbeitslosigkeit und<br />
erhöhtem Druck auf soziale Budgets stärker betroffen sind und dadurch<br />
das Gewaltpotenzial steigen könnte.<br />
Bislang war nicht zu beobachten, dass im Fall gewaltsamer Konflikte Auslän<strong>der</strong><br />
o<strong>der</strong> ausländische Unternehmen bewusst angegriffen werden. Allerdings<br />
besteht natürlich das Risiko, bei einer Eskalation <strong>der</strong> Auseinan<strong>der</strong>-<br />
6) Auf die Hintergründe <strong>der</strong> Konflikte in Xinjiang wird im Profil dieser Autonomen Region ab Seite 166<br />
eingegangen.
46 |<br />
Studie<br />
setzung zwischen nationalistischen Kräften und Staatsmacht beziehungsweise<br />
Han-Chinesen "zwischen die Fronten" zu geraten und zufällig Opfer<br />
einer Gewalttat zu werden.<br />
3.3 Umwelt und Naturschutz<br />
"Das Wirtschaftswun<strong>der</strong> ist bald zu Ende, denn die Umwelt hält nicht mehr<br />
mit: Auf einem Drittel des <strong>chinesischen</strong> Territoriums geht saurer Regen<br />
nie<strong>der</strong>, […], ein Viertel <strong>der</strong> Bürger hat keinen Zugang zu sauberem Trinkwasser.<br />
Ein Drittel <strong>der</strong> Städter muss stark verdreckte Luft einatmen, weniger<br />
als 20% des städtischen Mülls werden umweltverträglich entsorgt." –<br />
Derart drastisch hat Pan Yue, Vizeminister <strong>der</strong> <strong>chinesischen</strong> Umweltbehörde<br />
SEPA, bereits 2005 in einem Interview mit dem "Spiegel" die ökologischen<br />
Probleme <strong>der</strong> Volksrepublik China zusammengefasst. <strong>Die</strong>ser Befund hat sich<br />
kaum verän<strong>der</strong>t, obgleich die chinesische Zentralregierung inzwischen dem<br />
Schutz <strong>der</strong> Umwelt in ihrer offiziellen Politik einen höheren Stellenwert<br />
einräumt: So ist die State Environmental Protection Administration (SEPA)<br />
zum Ministry of Environmental Protection (MEP) aufgewertet worden.<br />
Im 11. Fünfjahresplan (2006-2010) wurden die Energieeffizienz und die<br />
För<strong>der</strong>ung erneuerbarer Energien aufgenommen.<br />
<strong>Die</strong> enormen Umweltprobleme <strong>der</strong> Volksrepublik China resultieren zum<br />
einen aus den geografischen und klimatischen Bedingungen (siehe Seite<br />
30ff.): In weiten Teilen des <strong>chinesischen</strong> Territoriums von 9,6 Mio. Quadratkilometern<br />
ist Ackerbau gar nicht o<strong>der</strong> nur eingeschränkt möglich. Von den<br />
Erträgen <strong>der</strong> landwirtschaftlich genutzten Fläche – ihr Anteil liegt bei nur<br />
13,5% <strong>der</strong> Gesamtfläche Chinas – müssen sehr viele Menschen satt werden,<br />
sodass <strong>der</strong> Druck auf die natürlichen Ressourcen steigt. <strong>Die</strong> Inten-sivierung<br />
<strong>der</strong> Landwirtschaft und das rapide Wirtschaftswachstum <strong>der</strong> letzten drei<br />
Jahrzehnte haben die Belastung <strong>der</strong> Umwelt erheblich erhöht. Der <strong>West</strong>en<br />
Chinas ist davon in beson<strong>der</strong>em Maße betroffen.<br />
Wasserverschmutzung und Wasserknappheit<br />
<strong>Die</strong> Wasserressourcen Chinas sind ungleich verteilt: Vor allem im Norden<br />
<strong>der</strong> Volksrepublik ist Wasser ein immer knapper werdendes Gut. In diesen<br />
Teilen des Landes befinden sich jedoch wichtige Industriezentren sowie<br />
zwei Drittel <strong>der</strong> landwirtschaftlich genutzten Flächen. Für <strong>der</strong>en Bewässerung<br />
und für die Trinkwasseraufbereitung wird zu einem großen Teil Tiefenwasser<br />
verwendet, dessen Vorkommen sich langsamer erneuert als Grundwasser<br />
o<strong>der</strong> Oberflächenwasser. <strong>Die</strong> Entnahme von Wasser aus tiefen<br />
Schichten begünstigt außerdem die Wüstenbildung. Von den <strong>West</strong>provinzen<br />
sind hiervon insbeson<strong>der</strong>e die Autonomen Regionen Ningxia und die<br />
Innere Mongolei betroffen.
47 |<br />
<strong>Die</strong> <strong>Go</strong>-<strong>West</strong>-<strong>Strategie</strong> <strong>der</strong> <strong>chinesischen</strong> <strong>Regierung</strong> – Chancen für die deutsche Wirtschaft?<br />
70% des Wasserverbrauchs Nordchinas fließen in die Bewässerung; davon<br />
gehen circa 60% durch Leitungsverluste verloren (zum Vergleich: In den<br />
USA liegen die Leitungsverluste zwischen 20% und 25%). <strong>Die</strong> Wassereffizienz<br />
in <strong>der</strong> Produktion lässt ebenfalls zu wünschen übrig: Nach Angaben<br />
<strong>der</strong> Weltbank verbraucht die chinesische Industrie vier- bis zehnmal so<br />
viel Wasser wie die Industriestaaten.<br />
Das Problem <strong>der</strong> Wasserknappheit wird durch die Wasserverschmutzung<br />
zusätzlich verschärft: <strong>Die</strong> Gewässer Chinas sind durch die Einleitung von<br />
unbehandelten städtischen und industriellen Abwässern sowie durch Pestizide<br />
und Düngemittel extrem belastet: Zwei Drittel <strong>der</strong> Oberflächengewässer<br />
gelten als verschmutzt.<br />
Wüstenbildung<br />
Fast ein Drittel des <strong>chinesischen</strong> Territoriums besteht aus Stein- und Sandwüsten<br />
– und diese sind vielerorts auf dem Vormarsch und erobern weitere<br />
Gebiete. Wan<strong>der</strong>dünen bedrohen in <strong>der</strong> Provinz Gansu ganze Siedlungen.<br />
<strong>Die</strong> Sanddünen sind inzwischen auf eine Entfernung von 70 Kilometern an<br />
die Hauptstadt Peking herangekommen, und Sandstürme sind wesentlich<br />
häufiger geworden. <strong>Die</strong> Hauptursachen für die Desertifikation sind Abholzung,<br />
Überweidung und die Übernutzung <strong>der</strong> Wasserreserven. In den<br />
westlichen Provinzen sind die Sandwüsten vor allem in den Autonomen<br />
Regionen Xinjiang und <strong>der</strong> Inneren Mongolei zu finden. Um die Ausbreitung<br />
<strong>der</strong> Wüsten aufzuhalten, hat die chinesische Zentralregierung Aufforstungsprogramme<br />
aufgelegt. Nach offiziellen Angaben haben diese 2006<br />
bewirkt, dass erstmals die Gesamtwüstenfläche reduziert werden konnte.<br />
Entwaldung<br />
Ursprünglich war China vor allem im <strong>West</strong>en und im Süden dicht bewaldet.<br />
Das starke Bevölkerungswachstum, die Ausdehnung <strong>der</strong> Agrarflächen und<br />
intensiver Holzeinschlag ließen die Waldfläche schrumpfen. Große Wäl<strong>der</strong><br />
gibt es in den <strong>West</strong>provinzen noch in Yunnan, Sichuan sowie in <strong>der</strong> Inneren<br />
Mongolei. Nach <strong>der</strong> großen Flutkatastrophe in <strong>der</strong> Jangtse-Region und in<br />
Nordostchina von 1998, die durch exzessive Rodungen im Quellgebiet des<br />
Jangtse und Mekong begünstigt wurde, verbot die <strong>Regierung</strong> die Abholzung<br />
von Naturwäl<strong>der</strong>n. Um Überflutungen vorzubeugen und Erosion sowie<br />
Desertifikation zu verhin<strong>der</strong>n, wurden teilweise groß angelegte Aufforstungsprogramme<br />
initiiert. Das wohl bekannteste ist die sogenannte "Great<br />
Green Wall", ein 4.480 Kilometer langer Baumgürtel, <strong>der</strong> vor allem die<br />
nordwestlichen Provinzen und Peking schützen soll. Durch die Aufforstungsmaßnahmen<br />
hat sich <strong>der</strong> Anteil <strong>der</strong> Waldbedeckung an <strong>der</strong> Gesamtfläche<br />
Chinas wie<strong>der</strong> auf 18,2% erhöht (Stand 2006). Der zusätzliche<br />
Flächenbedarf <strong>der</strong> Landwirtschaft (siehe Seite 34) und <strong>der</strong> Industrie erzeugt<br />
aber Konflikte zwischen Wie<strong>der</strong>aufforstung und an<strong>der</strong>en Nutzungsmöglichkeiten,<br />
sodass einzelne Aufforstungsprogramme schon wie<strong>der</strong> gestoppt<br />
o<strong>der</strong> verlangsamt wurden.
48 |<br />
Studie<br />
Luftverschmutzung<br />
Seit 2008 ist die Volksrepublik China <strong>der</strong> größte CO 2 -Emittent <strong>der</strong> Welt<br />
und hat die USA als das Land mit dem höchsten CO 2 -Ausstoß abgelöst.<br />
Am globalen CO 2 -Ausstoß hat China einen Anteil von 20,7%. China hat das<br />
Kyoto-Protokoll unterzeichnet; allerdings lehnte es die Volksrepublik unter<br />
Berufung auf ihren Status als Schwellenland bislang ab, verbindliche Verpflichtungen<br />
zur CO 2 -Reduktion einzugehen. Hier zeichnet sich jedoch<br />
ein Kurswechsel ab: Im August 2009 benannte China erstmals konkrete<br />
Ziele, die Zunahme seines CO 2 -Ausstoßes zu begrenzen.<br />
Eine wesentliche Ursache für die hohen Treibhausgas-Emissionen ist die<br />
Struktur des nationalen Energiemix: Mit einem Anteil von zwei Dritteln<br />
dominiert hier die Kohle. China hat die größten Kohlevorkommen <strong>der</strong> Welt<br />
und greift vorwiegend auf diese Ressource zurück, um den enormen Energiebedarf<br />
zu decken, den das rasante Wirtschaftswachstum verursacht: Seit<br />
1990 ist <strong>der</strong> Energieverbrauch des Landes um 70% gestiegen. Jede Woche<br />
geht in China ein neues Kohlekraftwerk in Betrieb. In den großen Städten<br />
wird das Problem <strong>der</strong> Luftverschmutzung außerdem durch die Zunahme<br />
des Individualverkehrs verschärft: Der Bestand an privaten Fahrzeugen<br />
soll sich von <strong>der</strong>zeit rund 20 Millionen bis 2023 auf 140 Millionen<br />
erhöhen.<br />
Nach einer Studie <strong>der</strong> Weltbank sind gerade die Städte in den westlichen<br />
Provinzen – vor allem in Qinghai, Ningxia und Chongqing – beson<strong>der</strong>s von<br />
Luftverschmutzung durch Feinstaub betroffen.<br />
<strong>Die</strong> Emissionen von Schwefeldioxid (SO 2 ) und Stickoxiden (NO X ) haben<br />
sich seit den achtziger Jahren bezogen auf Gesamtchina verringert und<br />
betreffen heute vornehmlich den geografischen Süden und Südosten <strong>der</strong><br />
Volksrepublik. Seit 2003 ist allerdings in den Provinzen Chongqing,<br />
Guizhou und Guangxi wie<strong>der</strong> eine Zunahme <strong>der</strong> Schadstoffbelastung<br />
zu beobachten. <strong>Die</strong>se ist vor allem auf das stärkere Wirtschaftswachstum<br />
sowie die Ausweitung <strong>der</strong> Energieproduktion durch die Verstromung von<br />
Kohle zurückzuführen.<br />
Angesichts des dramatischen Ausmaßes <strong>der</strong> Umweltschäden wächst in den<br />
<strong>West</strong>provinzen <strong>der</strong> Handlungsbedarf, Maßnahmen zum Schutz <strong>der</strong> Umwelt<br />
zu ergreifen. Daraus ergeben sich vielversprechende Perspektiven für ausländische<br />
Unternehmen aus <strong>der</strong> Greentech-Branche, in <strong>der</strong> deutsche Anbieter<br />
eine dominierende Stellung einnehmen.<br />
<strong>Die</strong> spezifischen Rahmenbedingungen <strong>der</strong> <strong>chinesischen</strong> <strong>West</strong>provinzen<br />
und die beson<strong>der</strong>en politischen Herausfor<strong>der</strong>ungen, die sich für sie stellen,<br />
bildeten und bilden immer noch wesentliche Motivationsfaktoren für die<br />
Entwicklung und Weiterführung <strong>der</strong> <strong>Go</strong>-<strong>West</strong>-<strong>Strategie</strong> <strong>der</strong> <strong>chinesischen</strong><br />
<strong>Regierung</strong>.
49 |<br />
<strong>Die</strong> <strong>Go</strong>-<strong>West</strong>-<strong>Strategie</strong> <strong>der</strong> <strong>chinesischen</strong> <strong>Regierung</strong> – Chancen für die deutsche Wirtschaft?<br />
D. <strong>Die</strong> <strong>Go</strong>-<strong>West</strong>-<strong>Strategie</strong> <strong>der</strong> <strong>chinesischen</strong> <strong>Regierung</strong>:<br />
Ziele, Ergebnisse und Ausblick<br />
1. <strong>Die</strong> erste Phase <strong>der</strong> <strong>Go</strong>-<strong>West</strong>-<strong>Strategie</strong><br />
1.1 <strong>Die</strong> Einbettung <strong>der</strong> <strong>Go</strong>-<strong>West</strong>-<strong>Strategie</strong> in die zentrale Planung<br />
<strong>der</strong> Volksrepublik China<br />
Seit 1953 werden die politischen Rahmenbedingungen für die volkswirtschaftliche<br />
und gesellschaftliche Entwicklung in China durch Fünfjahrespläne<br />
bestimmt. Allerdings haben sich die Rolle und Ausgestaltung dieser<br />
Pläne mit Beginn <strong>der</strong> Reform- und Öffnungspolitik 1978 deutlich verän<strong>der</strong>t.<br />
Bis dahin regelte die zentrale Planung was, wie viel, von wem für wen<br />
produziert wird. Per definitionem handelte es sich um eine Zentralverwaltungswirtschaft,<br />
in <strong>der</strong> alle Wirtschaftsprozesse von einer staatlichen Zentralinstanz<br />
geplant und gelenkt wurden. Der Mo<strong>der</strong>nisierungskurs führte<br />
zu einer allmählichen Transformation des Wirtschaftssystems: Immer mehr<br />
marktwirtschaftliche Elemente – zum Beispiel Privateigentum an Produktionsmitteln,<br />
freie Preisbildung für den Großteil <strong>der</strong> Waren und <strong>Die</strong>nstleistungen<br />
– verän<strong>der</strong>ten die Wirtschaftsordnung, die sich nach und nach<br />
zu einer "sozialistischen Marktwirtschaft" entwickelt hat.<br />
<strong>Die</strong>ser Wandel des Wirtschaftssystems bedingte ein verän<strong>der</strong>tes Verständnis<br />
für die Rolle <strong>der</strong> Fünfjahrespläne. Ausdruck dieses Gesinnungswechsels ist<br />
die neue Bezeichnung, die das Zentralkomitee <strong>der</strong> KPCh 2005 eingeführt<br />
hat. Zum ersten Mal wurde nicht mehr von "Plänen" gesprochen, son<strong>der</strong>n<br />
von "Richtlinienzielsetzungen". Bei dieser Terminologie geht es um weit<br />
mehr als um sprachliche Feinheiten. <strong>Die</strong>s zeigt sich auch daran, dass die<br />
Rolle <strong>der</strong> Nationalen Entwicklungs- und Reformkommission (NDRC) im Zuge<br />
einer Verwaltungsreform verän<strong>der</strong>t wurde. <strong>Die</strong>se Institution, die als "Ministerium<br />
<strong>der</strong> Ministerien" gilt, soll sich künftig im Rahmen <strong>der</strong> volkswirtschaftlichen<br />
Lenkung auf die Themenfel<strong>der</strong> Planung, Forschung und Prognosen<br />
fokussieren.<br />
Doch selbst nach <strong>der</strong> Verwaltungsreform behält die NDRC ihre Schlüsselposition<br />
in <strong>der</strong> <strong>chinesischen</strong> Wirtschaftspolitik. In den Händen dieser Kommission<br />
liegt nach wie vor die Hauptverantwortung für die Entwicklung<br />
und die Umsetzung <strong>der</strong> Fünfjahrespläne. Somit gehört die NDRC zu den<br />
maßgeblichen Akteuren bei <strong>der</strong> Ausarbeitung und Umsetzung <strong>der</strong> <strong>Go</strong>-<strong>West</strong>-<br />
<strong>Strategie</strong>.
50 |<br />
Studie<br />
<strong>Die</strong> <strong>Go</strong>-<strong>West</strong>-<strong>Strategie</strong> wurde 1999 entwickelt und im Jahr 2000 erstmals<br />
<strong>der</strong> Öffentlichkeit präsentiert. <strong>Die</strong> chinesische Führung integrierte das<br />
Konzept dann als wesentlichen Baustein in den 10. Fünfjahresplan. <strong>Die</strong><br />
<strong>Go</strong>-<strong>West</strong>-<strong>Strategie</strong> hat die Zielsetzung, den deutlichen Entwicklungsrückstand<br />
<strong>der</strong> westlichen Provinzen im Vergleich zum östlichen China zu verringern<br />
und damit zum Abbau <strong>der</strong> sozialen und ökonomischen Disparitäten<br />
innerhalb <strong>der</strong> Volksrepublik China beizutragen.<br />
Das Konzept ist als Reaktion auf die zunehmende Diskrepanz zwischen <strong>der</strong><br />
Entwicklung <strong>der</strong> Ost- und <strong>West</strong>provinzen entstanden: Während <strong>der</strong> ersten<br />
zwei Jahrzehnte <strong>der</strong> Reform- und Öffnungspolitik hat sich China bewusst<br />
und ausschließlich auf die Entwicklung <strong>der</strong> östlichen Küstenregionen<br />
konzentriert. Durch <strong>der</strong>en extremes Wachstum – das durch die "Coastal<br />
Development Strategy" geför<strong>der</strong>t wurde – hat die Ungleichheit zwischen<br />
den Küsten- und den Inlandsregionen <strong>der</strong> Volksrepublik stark zugenommen.<br />
Vor diesem Hintergrund zeichneten sich Ende <strong>der</strong> neunziger Jahre deutliche<br />
Unterschiede zwischen dem Osten und dem <strong>West</strong>en Chinas ab:<br />
> Sowohl das Volkseinkommen als auch das Niveau <strong>der</strong> individuellen Einkommen<br />
war extrem ungleich verteilt: 1999 haben die <strong>West</strong>provinzen<br />
zum Bruttoinlandsprodukt <strong>der</strong> gesamten Volksrepublik China nur knapp<br />
ein Fünftel beigetragen. Das Bruttoinlandsprodukt <strong>der</strong> Provinz Guizhou<br />
lag beispielsweise bei einem Zwölftel <strong>der</strong> Wirtschaftsleistung von<br />
Shanghai.<br />
> In den ländlichen Gebieten des <strong>West</strong>ens herrschte teilweise extreme<br />
Armut: 56% <strong>der</strong> armen Bevölkerung Chinas lebten in den westlichen<br />
Regionen; <strong>der</strong> Anteil <strong>der</strong> als arm einzuschätzenden Bevölkerung lag in<br />
den Provinzen Innere Mongolei, Gansu und Quinghai bei über 20%,<br />
in den übrigen <strong>West</strong>provinzen immerhin noch bei über 10%.<br />
> Der Human Development Index (HDI) <strong>der</strong> Vereinten Nationen, <strong>der</strong> die<br />
Faktoren Lebenserwartung, Alphabetenquote, Schuleinschreibungsquote<br />
und reale Kaufkraft in einem Index vereinigt, stand 1999 in den <strong>West</strong>provinzen<br />
im Schnitt bei 0,59, während die Ostprovinzen im Schnitt<br />
0,76 erreichten. <strong>Die</strong> <strong>West</strong>provinzen liegen hierbei noch relativ nah an<br />
<strong>der</strong> Grenze zu einem HDI von 0,5. Unterhalb dieser Marke spricht man<br />
von gering entwickelten Län<strong>der</strong>n, während ein HDI von 0,8 die Grenze<br />
zwischen Län<strong>der</strong>n mit mittlerem und denjenigen mit hohem Entwicklungsstand<br />
bildet.<br />
> Min<strong>der</strong>heiten sind im <strong>West</strong>en deutlich stärker vertreten als im Osten<br />
(siehe Seite 44f.). Ethnische Spannungen und daraus entstehende<br />
Konflikte sind umso schwieriger zu lösen, je größer die soziale<br />
Ungleichheit ist.
51 |<br />
<strong>Die</strong> <strong>Go</strong>-<strong>West</strong>-<strong>Strategie</strong> <strong>der</strong> <strong>chinesischen</strong> <strong>Regierung</strong> – Chancen für die deutsche Wirtschaft?<br />
> <strong>Die</strong> <strong>West</strong>provinzen waren – und sind – erheblich von Umweltschäden<br />
betroffen, insbeson<strong>der</strong>e von Entwaldung, Wüstenbildung und daraus<br />
resultieren<strong>der</strong> Devastierung von Land. Schätzungen gehen davon aus,<br />
dass 77% <strong>der</strong> Bodenerosion auf chinesischem Territorium im <strong>West</strong>en<br />
<strong>der</strong> Volksrepublik stattfinden.<br />
Obwohl das chinesische System <strong>der</strong> Planwirtschaft auch dezentrale Elemente<br />
aufweist, so liegt die Verantwortung für die Umsetzung <strong>der</strong> <strong>Go</strong>-<strong>West</strong>-<br />
<strong>Strategie</strong> für alle wesentlichen zentral definierten Programme – insbeson<strong>der</strong>e<br />
im Bereich <strong>der</strong> Infrastruktur – in den Händen <strong>der</strong> Zentralregierung.<br />
<strong>Die</strong> zentrale Planung ist in jedem Falle – und das gilt auch für die Elemente<br />
<strong>der</strong> <strong>Go</strong>-<strong>West</strong>-<strong>Strategie</strong> – eine verbindliche Vorgabe für die regionalen und<br />
lokalen Gebietskörperschaften und muss von diesen in ihre eigenen Fünfjahrespläne<br />
übersetzt werden.<br />
Innerhalb <strong>der</strong> NDRC ist eine eigene Abteilung für die Planung und Umsetzung<br />
<strong>der</strong> <strong>Go</strong>-<strong>West</strong>-<strong>Strategie</strong> zuständig. Außerdem koordiniert die Nationale Entwicklungs-<br />
und Reformkommission auf <strong>der</strong> Ebene <strong>der</strong> Zentralregierung die<br />
Vorgaben <strong>der</strong> <strong>Go</strong>-<strong>West</strong>-<strong>Strategie</strong> mit den an<strong>der</strong>en Ministerien. Sind also zum<br />
Beispiel für <strong>West</strong>china eine bestimmte fiskalische För<strong>der</strong>ung o<strong>der</strong> ermäßigte<br />
Steuersätze für Unternehmen in dieser Region vorgesehen, muss das Finanzministerium<br />
die hierfür erfor<strong>der</strong>lichen Mittel bereitstellen beziehungsweise<br />
ins Budget einplanen. Analog erfolgt die Planung und Umsetzung <strong>der</strong><br />
meisten Infrastrukturprojekte aus den Einzelministerien heraus, also etwa<br />
aus dem Ministerium für Verkehr und Transport.<br />
<strong>Die</strong>ser Koordinationsmechanismus liegt auch darin begründet, dass die<br />
Finanzierung <strong>der</strong> im Rahmen <strong>der</strong> <strong>Go</strong>-<strong>West</strong>-<strong>Strategie</strong> vorgesehenen Maßnahmen<br />
weitgehend zentral erfolgen muss: <strong>Die</strong> Haushalte <strong>der</strong> westlichen<br />
Provinzen sind ohnehin schon chronisch überlastet. Extrabudgetäre Vorgaben<br />
sind in <strong>der</strong> Regel kaum auf <strong>der</strong> Basis <strong>der</strong> regionalen Einnahmen<br />
zu finanzieren.<br />
<strong>Die</strong> begrenzten Mittel <strong>der</strong> Provinzen schränken de facto auch <strong>der</strong>en Spielraum<br />
für die Verwirklichung eigener Initiativen ein: Theoretisch können<br />
die verantwortlichen Institutionen auf <strong>der</strong> Ebene <strong>der</strong> Provinzen beziehungsweise<br />
<strong>der</strong> Bezirke und Städte zwar weitere Maßnahmen und Programme<br />
definieren, aber die Verwirklichung scheitert praktisch am knappen Budget.<br />
Selbst wenn es also regionale Umsetzungspläne für die <strong>Go</strong>-<strong>West</strong>-<strong>Strategie</strong><br />
gibt, bleibt die Gesamtstrategie überwiegend ein stark zentral beziehungsweise<br />
national getriebenes Programm. <strong>Die</strong> Rolle <strong>der</strong> regionalen <strong>Regierung</strong>en<br />
besteht im Wesentlichen daraus, die zentralen Programme administrativ zu<br />
unterstützen, etwa durch verstärkende Beschlüsse für die Umsetzung auf<br />
den nachgeordneten Verwaltungsebenen, durch Planungsleistungen o<strong>der</strong><br />
Genehmigungen.
52 |<br />
Studie<br />
Für die <strong>Go</strong>-<strong>West</strong> <strong>Strategie</strong> ist eine Vielzahl von Regelungen relevant (siehe<br />
Abbildung 11). <strong>Die</strong> wichtigsten sind:<br />
> <strong>Die</strong> spezifischen "<strong>Go</strong>-<strong>West</strong>"-Pläne als Teil des 10. und des<br />
11. Fünfjahresplans<br />
> Der "<strong>Go</strong>-<strong>West</strong>" Implementation Guide und die Regelungen zu geför<strong>der</strong>ten<br />
Branchen für Auslandsinvestitionen ("Encouraged industries")<br />
> Das chinesische Konjunkturprogramm<br />
> Das 10-Industrien-Revitalisierungspaket<br />
<strong>Die</strong>se wichtigsten Politikmaßnahmen werden im Folgenden kurz vorgestellt.<br />
<strong>Die</strong> weiteren auf <strong>der</strong> Abbildung 11 dargestellten Programme haben<br />
flankierenden Charakter und bilden Umsetzungspläne in den einzelnen<br />
Regionen und in den Fokusregionen, die aus den zentralen Plänen abgeleitet<br />
werden.
53 |<br />
<strong>Die</strong> <strong>Go</strong>-<strong>West</strong>-<strong>Strategie</strong> <strong>der</strong> <strong>chinesischen</strong> <strong>Regierung</strong> – Chancen für die deutsche Wirtschaft?<br />
1.2 <strong>Die</strong> <strong>Go</strong>-<strong>West</strong>-<strong>Strategie</strong> im 10. Fünfjahresplan (2001-2005)<br />
Den 10. Fünfjahresplan (2001-2005) bestimmten ganz wesentlich folgende<br />
"Leitlinien und Kampfziele", die auf dem XVI. Parteitag <strong>der</strong> KPCh im<br />
November 2002 vorgestellt wurden:<br />
> <strong>Die</strong> Inlandsnachfrage sollte wesentlich gesteigert werden.<br />
> <strong>Die</strong> landwirtschaftliche Entwicklung sollte beschleunigt und das<br />
Einkommensniveau <strong>der</strong> Landbevölkerung angehoben werden.<br />
> Vorgesehen war eine Verän<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Industriestruktur, wobei die<br />
Reform <strong>der</strong> Staatsbetriebe sowie die För<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Industrialisierung<br />
eine zentrale Rolle spielten. Als beson<strong>der</strong>s wichtige Branchen wurden<br />
die chemische Industrie sowie die Leicht-, Maschinen- und Brennstoffindustrie<br />
genannt.<br />
> <strong>Die</strong> Schaffung einer mo<strong>der</strong>nen Verkehrsinfrastruktur sollte forciert<br />
werden.<br />
> <strong>Die</strong> staatlichen Investitionen in die Bereiche Wissenschaft, Forschung,<br />
Bildung und Ausbildung sollten erhöht werden.<br />
Als explizites Ziel des 10. Fünfjahresplans nannte die politische Führung<br />
auch die För<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> west<strong>chinesischen</strong> Provinzen als integralen Bestandteil<br />
<strong>der</strong> Entwicklung <strong>der</strong> "harmonischen Gesellschaft" in China. Kernelement<br />
dieser Idee ist nachhaltiges Wachstum, das einen Ausgleich zwischen<br />
ökonomischen, ökologischen und sozialen Interessen anstrebt.<br />
<strong>Die</strong>se übergeordnete Zielsetzung bedingt, dass die <strong>Go</strong>-<strong>West</strong>-<strong>Strategie</strong> als<br />
zentraler Baustein in den 10. Fünfjahresplan integriert worden ist. Als<br />
wesentliche Ziele wurden dabei festgeschrieben:<br />
> <strong>Die</strong> Infrastruktur in ländlichen Gebieten sollte verbessert werden;<br />
<strong>der</strong> Fokus lag dabei auf dem Ausbau <strong>der</strong> Verkehrsinfrastruktur:<br />
– Durch eine Erweiterung des Fernstraßennetzes soll die Anbindung<br />
<strong>der</strong> Regionen verbessert werden.<br />
– Bis 2010 sollten neun wichtige Autobahnverbindungen zwischen<br />
Ost und <strong>West</strong> fertig gestellt sein.<br />
– Bis 2005 sollte das Eisenbahnnetz in <strong>West</strong>china auf 18.000 Kilometer<br />
ausgebaut werden. Dafür waren 40% <strong>der</strong> Finanzmittel vorgesehen,<br />
die im 10. Fünfjahresplan für den Ausbau beziehungsweise die<br />
Erweiterung des Schienenverkehrs budgetiert waren.<br />
– <strong>Die</strong> Wasserwege, vor allem die Ost-<strong>West</strong>-Verbindungen, sollten<br />
ausgebaut werden.
54 |<br />
Studie<br />
Im Bereich Umweltschutz wurden Wie<strong>der</strong>aufforstung und Rehabilitation<br />
von Flächen als vordringliche Aufgaben benannt.<br />
– Zu den wichtigsten Herausfor<strong>der</strong>ungen gehört <strong>der</strong> Kampf gegen<br />
Degradation von Böden, gegen Erosion, Entwaldung und Wüstenbildung.<br />
<strong>Die</strong> Maßnahmen konzentrieren sich auf die Gebiete an den<br />
Oberläufen des Jangtse und des Gelben Flusses. Bis 2010 sollen dort<br />
11,6 Mio. Hektar Ackerland wie<strong>der</strong>aufgeforstet beziehungsweise in<br />
Grasland zurückverwandelt werden.<br />
– In den <strong>West</strong>provinzen sollen bis 2010 270 neue Naturschutzzonen<br />
geschaffen werden. <strong>Die</strong>s würde eine Erhöhung <strong>der</strong> Naturschutzflächen<br />
von 63 auf 128 Mio. Hektar bedeuten.<br />
> Um das Bildungsniveau in den <strong>West</strong>provinzen anzuheben, wurde eine<br />
Vielzahl von Projekten zur Verbesserung <strong>der</strong> Bildungs- und Ausbildungssituation<br />
vorgesehen. Der Schwerpunkt liegt dabei vor allem in ländlichen<br />
Gebieten.<br />
> <strong>Die</strong> Steigerung <strong>der</strong> Effizienz in Industriebetrieben sowie eine Optimierung<br />
<strong>der</strong> Wirtschaftsstruktur durch die För<strong>der</strong>ung bestimmter Industriezweige<br />
zählten ebenfalls zu den Zielsetzungen des 10. Fünfjahresplans<br />
für die <strong>West</strong>provinzen. Dabei spielte allerdings <strong>der</strong> primäre Sektor<br />
immer noch eine starke Rolle.<br />
– <strong>Die</strong> landwirtschaftliche Produktion sollte verbessert werden. Vorgesehen<br />
war eine Fokussierung auf den Anbau von Baumwolle, Zuckerrohr,<br />
Früchten, Gemüse, Blumen, Medizinpflanzen und Tabak sowie<br />
eine Konzentration auf ertragsstärkere Tierarten in <strong>der</strong> Viehzucht.<br />
– <strong>Die</strong> Potenziale zur Energieerzeugung durch Wasserkraft und die<br />
Erdgasvorkommen <strong>der</strong> <strong>West</strong>provinzen sollten stärker genutzt werden.<br />
– <strong>Die</strong> Rohstoffverarbeitung sollte ausgebaut werden, insbeson<strong>der</strong>e die<br />
Verarbeitung von mineralischen Rohstoffen, zum Beispiel bei <strong>der</strong><br />
Produktion mineralischer Düngemittel. Außerdem sollte die Forschung<br />
im Bereich <strong>der</strong> Rohstoffverarbeitung intensiviert werden, etwa auf<br />
dem Gebiet seltener Erze.<br />
– Der Tourismus in den <strong>West</strong>provinzen sollte durch den Aufbau beziehungsweise<br />
den Ausbau <strong>der</strong> entsprechenden Infrastruktur geför<strong>der</strong>t<br />
werden.<br />
Wie diese Übersicht zeigt, wurden insgesamt durch die <strong>Go</strong>-<strong>West</strong>-<strong>Strategie</strong><br />
im Rahmen des 10. Fünfjahresplans in vielen Bereichen Maßnahmen angestoßen<br />
und Projekte initiiert. Allerdings waren Programme zur Verbesserung<br />
<strong>der</strong> Infrastruktur, des Naturschutzes, <strong>der</strong> Bildung und zur Verän<strong>der</strong>ung<br />
<strong>der</strong> Industriestruktur sowie zur Ansiedlung neuer Industriebetriebe langfristig<br />
angelegt. <strong>Die</strong>s bedingte, dass im Zeitraum des 10. Fünfjahresplans<br />
nur die ersten Schritte auf dem Weg zur Entwicklung <strong>der</strong> <strong>West</strong>provinzen<br />
erfolgen konnten.
55 |<br />
<strong>Die</strong> <strong>Go</strong>-<strong>West</strong>-<strong>Strategie</strong> <strong>der</strong> <strong>chinesischen</strong> <strong>Regierung</strong> – Chancen für die deutsche Wirtschaft?<br />
1.3 <strong>Die</strong> <strong>Go</strong>-<strong>West</strong>-<strong>Strategie</strong> im 11. Fünfjahresplan (2006-2010)<br />
Als <strong>der</strong> 11. Fünfjahresplan im März 2006 vom Nationalen Volkskongress<br />
verabschiedet wurde, betonte Hu Jintao, Staatspräsident und Vorsitzen<strong>der</strong><br />
<strong>der</strong> KPCh, dass damit eine Kurskorrektur von einer quantitativen zu einer<br />
mehr qualitativen Wirtschaftsentwicklung eingeleitet würde. <strong>Die</strong> Wirtschaftspolitik<br />
sollte künftig stärker die Leitmotive Nachhaltigkeit und soziale<br />
Gerechtigkeit berücksichtigen, um "Wi<strong>der</strong>sprüche innerhalb des Volkes"<br />
zu überwinden. <strong>Die</strong>ser Anspruch spiegelt sich in den politischen Zielen<br />
des 11. Fünfjahresplans wi<strong>der</strong>. Dazu gehört die Angleichung <strong>der</strong> sozialen<br />
und ökonomischen Verhältnisse in allen Regionen <strong>der</strong> Volksrepublik China,<br />
wobei beson<strong>der</strong>e Anstrengungen <strong>der</strong> Verbesserung <strong>der</strong> Lebensverhältnisse<br />
in den ländlichen Regionen gelten sollen. Der 11. Fünfjahresplan unterstreicht<br />
außerdem die Bedeutung des Umweltschutzes sowie <strong>der</strong> Energieeffizienz<br />
für die weitere Entwicklung <strong>der</strong> <strong>chinesischen</strong> Wirtschaft.<br />
Angesichts dieser Meta-Ziele ist die Fortsetzung beziehungsweise <strong>der</strong><br />
qualitative und quantitative Ausbau <strong>der</strong> gezielten För<strong>der</strong>maßnahmen für<br />
die <strong>West</strong>provinzen ein zwingend logischer Schritt <strong>der</strong> <strong>chinesischen</strong> Wirtschaftspolitik:<br />
<strong>Die</strong> <strong>Go</strong>-<strong>West</strong>-<strong>Strategie</strong> im 11. Fünfjahresplan knüpft daher<br />
an die Zielsetzung des 10. Fünfjahresplans an und entwickelt sie weiter.<br />
<strong>Die</strong> Schwerpunkte bei den Zielen und Programmen bilden die weitere<br />
Forcierung <strong>der</strong> Infrastrukturentwicklung, vor allem beim Straßen- und<br />
Schienenbau, sowie die För<strong>der</strong>ung bestimmter Wirtschaftszweige mit<br />
dem Schwerpunkt auf folgenden Branchen:<br />
> Energiewirtschaft<br />
> Chemiebranche<br />
> Abbau und Verarbeitung von Mineralien<br />
> Verarbeitung landwirtschaftlicher Produkte<br />
> Maschinenbau<br />
> Hightech-Industrien<br />
> Tourismus<br />
Insbeson<strong>der</strong>e bei den höherwertigen Industrieprodukten und den Hightech-Bereichen<br />
zeigt sich, dass <strong>der</strong> 11. Fünfjahresplan eine regionale<br />
Schwerpunktsetzung vorsieht: <strong>Die</strong> Ansiedlung dieser Branchen soll<br />
vor allem in den Provinzen Sichuan, Chongqing und Shaanxi erfolgen<br />
siehe Abbildung 12).
56 |<br />
Studie<br />
Im 11. Fünfjahresplan ist für die <strong>West</strong>provinzen die beson<strong>der</strong>e<br />
För<strong>der</strong>ung von drei Fokusregionen mit Leuchtturmfunktion vorgesehen<br />
(siehe Abbildung 13):<br />
> Guanzhong-Tianshui (Provinzen Shaanxi und Gansu, Städte Xi'an,<br />
Xianyang, Baoji und Tianshui): Fokussierung <strong>der</strong> Entwicklung auf Hightech-Industrien,<br />
Anlagen- und Gerätebau, Luftfahrtindustrie, mo<strong>der</strong>ne<br />
Landwirtschaft und Tourismus, Errichtung einer ökologischen Schutzzone<br />
für den Oberlauf des Jangtse (siehe auch Portrait <strong>der</strong> Provinz<br />
Shaanxi, Seite 152ff.)<br />
> Chengdu-Chongqing: Fokussierung auf Anlagen- und Gerätebau, Hightech-Industrien,<br />
Wasserkraftanlagen, spezielle landwirtschaftliche Produkte,<br />
Erdgas-För<strong>der</strong>ung, Chemieindustrie und Tourismus<br />
> "North Bay": Provinz Guangxi und Städte Nanning, Beihai, Qinzhou,<br />
Anbindung an Guangdong und Hainan; dort Fokussierung auf Hafenwirtschaft,<br />
Raffinerie und Petrochemie, Forst- und Papierwirtschaft
57 |<br />
<strong>Die</strong> <strong>Go</strong>-<strong>West</strong>-<strong>Strategie</strong> <strong>der</strong> <strong>chinesischen</strong> <strong>Regierung</strong> – Chancen für die deutsche Wirtschaft?<br />
In an<strong>der</strong>en Bereichen greift <strong>der</strong> 11. Fünfjahresplan die wesentlichen Zielsetzungen<br />
<strong>der</strong> vorangehenden Planungsperiode auf und entwickelt sie weiter:<br />
> Im Bereich Umwelt- und Naturschutz sollen weitere Schutzzonen eingerichtet<br />
werden. Auch <strong>der</strong> Schutz natürlicher Ressourcen sowie die<br />
Bekämpfung <strong>der</strong> Wüstenbildung haben nach wie vor einen hohen Stellenwert,<br />
<strong>der</strong> sich in Wie<strong>der</strong>aufforstungsprogrammen wi<strong>der</strong>spiegelt.<br />
> Angebot und Qualität <strong>der</strong> <strong>Die</strong>nstleistungen des öffentlichen Sektors<br />
sollen verbessert werden, vor allem im Bildungs- und Gesundheitswesen.<br />
> Diverse Programme zur Bildungs- und Ausbildungsför<strong>der</strong>ung sollen zur<br />
För<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Talententwicklung beitragen. Ein Schwerpunkt liegt dabei<br />
im akademischen Bereich.<br />
> Durch den Ausbau <strong>der</strong> "Öffnung nach außen" soll die Einbindung <strong>der</strong><br />
<strong>West</strong>provinzen in die Außenwirtschaft forciert werden. Dazu gehören<br />
die För<strong>der</strong>ung und Lenkung von Auslandsinvestitionen in <strong>West</strong>china<br />
sowie die verstärkte Zusammenarbeit zwischen den <strong>chinesischen</strong> Provinzen<br />
und mit dem Ausland, beispielweise in <strong>der</strong> Shanghai-Organisation<br />
für Zusammenarbeit (SCO).<br />
Shanghai-Organisation für<br />
Zusammenarbeit (SCO)<br />
<strong>Die</strong> im Jahr 2001 gegründete<br />
SCO hat sechs Staaten Zentralund<br />
Ostasiens als Mitglie<strong>der</strong>: die<br />
Volksrepublik China, Kasachstan,<br />
Kirgisistan, Russland, Tadschikistan,<br />
Usbekistan. Als Beobachter<br />
sind Indien, Iran, Mongolei und<br />
Pakistan mit an Bord. <strong>Die</strong> Ziele<br />
<strong>der</strong> SCO, die ihren Sitz in Peking<br />
hat, sind die Verbesserung <strong>der</strong><br />
nachbarschaftlichen Beziehungen<br />
und <strong>der</strong> Zusammenarbeit in<br />
Zentralasien, insbeson<strong>der</strong>e in<br />
den Bereichen Handel, Wissenschaft<br />
und Forschung, Energie,<br />
Transport, Tourismus, Umweltschutz<br />
sowie Kultur und Bildung.
58 |<br />
Studie<br />
1.4 Der "<strong>Go</strong> <strong>West</strong> Implementation Guide" und die För<strong>der</strong>ung ausländischer<br />
Direktinvestitionen<br />
<strong>Die</strong> chinesische <strong>Regierung</strong> hat die Eckpfeiler <strong>der</strong> inhaltlichen Ausrichtung<br />
<strong>der</strong> <strong>Go</strong>-<strong>West</strong>-<strong>Strategie</strong> im "<strong>Go</strong> <strong>West</strong> Implementation Guide" festgelegt. Darin<br />
werden zehn wesentliche Politikmaßnahmen definiert, die im Rahmen <strong>der</strong><br />
<strong>Go</strong>-<strong>West</strong>-<strong>Strategie</strong> umzusetzen sind:<br />
1. Finanzierung <strong>der</strong> Infrastruktur: <strong>Die</strong> Zentralregierung stellt zusätzliche<br />
Finanzmittel für die Entwicklung <strong>der</strong> Infrastruktur in den <strong>West</strong>provinzen<br />
bereit, insbeson<strong>der</strong>e für die vier auf Seite 66ff. dargestellten Großprojekte.<br />
2. Fiskalische Transfers in die Provinzen: Seitens <strong>der</strong> Zentralregierung<br />
werden den Provinzen zusätzliche Transferzahlungen zur Unterstützung<br />
von Maßnahmen in <strong>der</strong> Landwirtschaftsentwicklung, zur Armutsbekämpfung<br />
und für den Umweltschutz gewährt.<br />
3. Verbesserte Kreditunterstützung: <strong>Die</strong> chinesische Entwicklungsbank<br />
und an<strong>der</strong>e Banken sollen insbeson<strong>der</strong>e für Infrastrukturprojekte die<br />
Konditionen für die Finanzierung verbessern; dies betrifft vor allem<br />
die Einräumung von längeren Kreditlaufzeiten.<br />
4. Verbesserung <strong>der</strong> "weichen" Rahmenbedingungen für Investitionen: Hier<br />
werden Maßnahmen zur verstärkten (Teil-)Privatisierung von Staatsbetrieben<br />
und zur Vereinfachung <strong>der</strong> Verfahren zur Anerkennung eines<br />
Projekts in einer "geför<strong>der</strong>ten Branche" definiert.<br />
5. Steueranreize für Firmen mit ausländischer Kapitalbeteiligung: Für Aktivitäten<br />
ausländischer Unternehmen, die unter die "geför<strong>der</strong>ten Branchen"<br />
fallen, gilt bei einem Mindestumsatz von 70% in diesen Bereichen<br />
eine reduzierte Körperschaftssteuer von 15% auf die Gewinne. Der Vorteil<br />
für ausländische Unternehmen aus dieser Regelung fällt allerdings<br />
seit <strong>der</strong> Einführung des "Foreign Enterprise Income Tax Systems" (FEIT)<br />
2008 geringer aus. Mit dieser neuen, vereinheitlichten Steuerregelung<br />
hat sich nämlich <strong>der</strong> reguläre Steuersatz für ausländische Unternehmen<br />
von 33% auf 25% reduziert. Im Zuge dieser Neuregelung sind außerdem<br />
viele Ausnahmeregelungen für ermäßigte Steuersätze abgeschafft<br />
worden.<br />
6. Landnutzungsrechte gegen Beteiligung: Lokale <strong>Regierung</strong>en können im<br />
Gegenzug zur Bereitstellung von Land für ein Projekt eines ausländischen<br />
Unternehmens Anteile an diesem Projekt erwerben.
59 |<br />
<strong>Die</strong> <strong>Go</strong>-<strong>West</strong>-<strong>Strategie</strong> <strong>der</strong> <strong>chinesischen</strong> <strong>Regierung</strong> – Chancen für die deutsche Wirtschaft?<br />
7. Mineralische Ressourcen: In diesem Segment wird ausländischen Unternehmen<br />
die Gebühr für die Nutzung von Prospektions- und Schürfrechten<br />
ein Jahr lang erlassen und im zweiten Jahr um 50% reduziert.<br />
8. Ausweitung <strong>der</strong> geför<strong>der</strong>ten Industriezweige für Auslandsinvestitionen: <strong>Die</strong><br />
Liste <strong>der</strong> in den <strong>West</strong>regionen bei Auslandsinvestitionen för<strong>der</strong>fähigen<br />
Branchen wird erweitert (Details dazu siehe nächste Seite), außerdem<br />
soll <strong>der</strong> Zugang ausländischer Firmen in <strong>Die</strong>nstleistungsbranchen wie<br />
Banken, Versicherungen, Einzelhandel o<strong>der</strong> Ingenieur-<strong>Die</strong>nstleistungen<br />
erleichtert werden.<br />
9. Verbesserung <strong>der</strong> Investitionsbedingungen für Auslandsinvestitionen: So<br />
sollen "build-operate-transfer"(BOT)-Modelle 7) für Infrastrukturprojekte<br />
stärker geför<strong>der</strong>t werden, und ausländische Unternehmen erhalten<br />
Zugang zu Finanzierungsmöglichkeiten in lokaler Währung.<br />
10. Reduktion von Investitionsanfor<strong>der</strong>ungen: <strong>Die</strong> Rahmenbedingungen<br />
für Investitionen in Infrastrukturprojekte werden im Vergleich zu den<br />
Regelungen für die östlichen Provinzen erleichtert. So wird zum Beispiel<br />
eine niedrigere Mindestkapitaleinlage verlangt, und das Kreditlimit<br />
für Fremdkapital in lokaler Währung wird erhöht. Joint Ventures<br />
können sich demnach bis zu einer Höhe von 120% des <strong>chinesischen</strong><br />
Kapitalanteils verschulden, Gesellschaften mit ausschließlich ausländischer<br />
Beteiligung (Wholly Foreign Owned Enterprise – WFOE) bis zu<br />
einem Limit in Höhe von 100% des ausländischen Kapitals.<br />
<strong>Die</strong> Inhalte des "<strong>Go</strong> <strong>West</strong> Implementation Guide" signalisieren deutlich, wo<br />
die Akzentsetzung liegt: Mehr als die Hälfte <strong>der</strong> aufgeführten Maßnahmen<br />
zielt darauf ab, die Bedingungen für Unternehmen mit ausländischer Beteiligung<br />
zu verbessern. <strong>Die</strong>s zeigt eindeutig, welchen hohen Stellenwert die<br />
chinesische <strong>Regierung</strong> den Auslandsinvestitionen für die Entwicklung des<br />
<strong>West</strong>ens beimisst.<br />
Für Auslandsinvestitionen in den <strong>chinesischen</strong> <strong>West</strong>provinzen wurde außerdem<br />
ein sehr ausführlicher Katalog <strong>der</strong> "geför<strong>der</strong>ten Branchen" und <strong>der</strong> in<br />
diesen Branchen vorrangig geför<strong>der</strong>ten Aktivitäten ("Catalogue of Advantaged<br />
Industries for Foreign Investment in the Central-<strong>West</strong>ern Region")<br />
erstellt. Für diese Branchen können in den jeweils benannten Regionen<br />
von ausländischen Unternehmen die sogenannten "preferential policies"<br />
in Anspruch genommen werden, insbeson<strong>der</strong>e <strong>der</strong> vermin<strong>der</strong>te Körperschaftssteuersatz<br />
von 15%.<br />
7) Bei BOT-Projekten stellt <strong>der</strong> private Investor die Entwicklung, Finanzierung und Errichtung sowie<br />
den Betrieb eines Projektes sicher, während das Eigentum am Projekt in <strong>der</strong> Hand des <strong>chinesischen</strong><br />
Staates bleibt. Refinanzierung und Gewinne werden durch die Erhebung von Nutzungsentgelten<br />
erwirtschaftet.
60 |<br />
Studie<br />
In den <strong>West</strong>provinzen werden dabei spezifisch für einzelne Provinzen<br />
insgesamt 218 Industriezweige und Aktivitäten benannt, die als "geför<strong>der</strong>te<br />
Branchen" gelten. <strong>Die</strong> geför<strong>der</strong>ten Branchen verteilen sich relativ gleichmäßig<br />
auf die einzelnen Provinzen, für jede Provinz stehen zwischen 15<br />
(Quinghai) und 25 (Xinjiang) geför<strong>der</strong>te Industrien zur Verfügung.<br />
Der Großteil dieser Anreize wird dabei nach wie vor in den rohstoff- und<br />
infrastrukturbezogenen Bereichen gesetzt, also zum Beispiel bei mineralischen<br />
Produkten (32 geför<strong>der</strong>te Sektoren) und bei Maßnahmen zur Bewässerung<br />
o<strong>der</strong> zur Sanierung von Flächen (23 geför<strong>der</strong>te Sektoren). Aufgrund<br />
<strong>der</strong> unterschiedlichen Akzente <strong>der</strong> För<strong>der</strong>ung je nach Region enthalten die<br />
Regelungen kaum allgemeine Trends für den <strong>West</strong>en. Für einzelne Industrien<br />
wurden allerdings Schwerpunktregionen definiert, zum Beispiel für<br />
Chongqing <strong>der</strong> Automobilbau o<strong>der</strong> für Xinjiang verschiedene Mineralien<br />
und landwirtschaftliche Produkte. Weil die Definition <strong>der</strong> geför<strong>der</strong>ten<br />
Branchen zum Teil sehr spezifisch ist – etwa die För<strong>der</strong>ung und Verarbeitung<br />
von Baryt in Guangxi –, kann im Rahmen dieser Studie keine vollständige<br />
Darstellung erfolgen. <strong>Die</strong> Schwerpunktbereiche werden allerdings<br />
in Teil F "Schlussfolgerungen und Empfehlungen" (siehe Seite 120)<br />
bezogen auf Chancen für deutsche Unternehmen noch einmal summarisch<br />
aufbereitet.<br />
<strong>Die</strong> Entwicklung <strong>der</strong> ausländischen Direktinvestitionen lässt jedoch noch<br />
nicht erkennen, dass diese Maßnahmen zur Lenkung von ADI bislang<br />
große Wirkung gezeigt haben (siehe Seite 82f.).<br />
Nach diesem Überblick über die wichtigsten politischen Rahmenprogramme<br />
<strong>der</strong> <strong>Go</strong>-<strong>West</strong>-<strong>Strategie</strong> aus den ersten zehn Jahren soll nun eine Bestandsaufnahme<br />
des bisher Erreichten in den Bereichen Infrastruktur, Wirtschaftsentwicklung<br />
und Außenwirtschaft erfolgen, bevor auf einige aktuell, das<br />
heißt im Jahr 2009, für die Entwicklung <strong>der</strong> <strong>West</strong>provinzen wichtige Politikmaßnahmen<br />
und die Weiterentwicklung <strong>der</strong> <strong>Go</strong>-<strong>West</strong>-<strong>Strategie</strong> in <strong>der</strong><br />
Zukunft eingegangen wird.
61 |<br />
<strong>Die</strong> <strong>Go</strong>-<strong>West</strong>-<strong>Strategie</strong> <strong>der</strong> <strong>chinesischen</strong> <strong>Regierung</strong> – Chancen für die deutsche Wirtschaft?<br />
2. Status quo: Infrastrukturentwicklung<br />
2.1 Ziele <strong>der</strong> Infrastrukturentwicklung<br />
Wie im vorangehenden Kapitel deutlich wurde, hat die Entwicklung <strong>der</strong><br />
Infrastruktur innerhalb <strong>der</strong> <strong>Go</strong>-<strong>West</strong>-<strong>Strategie</strong> bisher eine übergeordnete<br />
Rolle gespielt. Dabei waren aus chinesischer Sicht zwei Aspekte von zentraler<br />
Bedeutung: zum einen <strong>der</strong> Ausbau <strong>der</strong> Verkehrswege, zum an<strong>der</strong>en <strong>der</strong><br />
Aufbau weiterer Kapazitäten für die Energieerzeugung und -übertragung. Um<br />
den Rahmen dieser Studie nicht zu sprengen und die für die Wirtschaftsentwicklung<br />
wichtigsten Parameter zu erfassen, wird sich die Darstellung in<br />
diesem Kapitel vor allem auf die Verkehrs- und Energieinfrastruktur fokussieren.<br />
<strong>Die</strong> Schwerpunktsetzung <strong>der</strong> <strong>chinesischen</strong> Politik <strong>der</strong> Infrastrukturentwicklung<br />
zeigt sich in den vier wichtigsten Großprojekten, die im Rahmen<br />
<strong>der</strong> ersten Fassung <strong>der</strong> <strong>Go</strong>-<strong>West</strong>-<strong>Strategie</strong> seit dem Jahr 2000 in<br />
Angriff genommen wurden:<br />
> Süd-Nord-Wassertransferprojekt<br />
> <strong>West</strong>-Ost-Elektrizitätsübertragungssystem<br />
> <strong>West</strong>-Ost-Gaspipelines<br />
> Eisenbahnstrecke von Qinghai nach Lhasa<br />
Von diesen vier Projekten wurde bisher allerdings nur <strong>der</strong> Bau <strong>der</strong> Qinghai-<br />
Tibet-Eisenbahn abgeschlossen, die 2006 ihren Betrieb aufnahm. Angesichts<br />
<strong>der</strong> Dimensionen <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en drei Projekte (sie werden ab Seite 67 im<br />
Detail dargestellt) war von vornherein klar, dass <strong>der</strong>en Realisierung nicht<br />
innerhalb <strong>der</strong> Laufzeit des 10. Fünfjahresplans zu schaffen sein würde. Von<br />
<strong>der</strong> <strong>West</strong>-Ost-Erdgasleitung und dem <strong>West</strong>-Ost-Stromleitungsprojekt sind<br />
Teilstücke fertig gestellt. <strong>Die</strong> Umsetzung des Süd-Nord-Wassertransferprojekts<br />
hat begonnen.<br />
Neben diesen Großprojekten wurden konkrete Pläne für weitere Maßnahmen<br />
entworfen, vor allem im Bereich <strong>der</strong> Verkehrsinfrastruktur. Außerdem<br />
wurden in diesem Sektor Elemente aus bereits vorhandenen Planungen<br />
aufgegriffen und neu priorisiert.<br />
Zu den wichtigsten Vorhaben im Straßenbau gehört das sogenannte<br />
"5-vertikale & 7-horizontale Fernstraßen"-Projekt, das die wesentlichen<br />
ökonomischen Zentren Chinas verknüpfen soll. Von diesen insgesamt zwölf<br />
Verbindungen liegen neun (alle horizontalen und zwei vertikale) zumindest<br />
teilweise in den <strong>West</strong>provinzen. Wichtige Beispiele für diese Strecken sind:
62 |<br />
Studie<br />
> <strong>Die</strong> über 4.500 Kilometer lange Ost-<strong>West</strong>-Querung Chinas; sie führt von<br />
Dandong (an <strong>der</strong> Grenze zu Nordkorea im äußersten Nordosten Chinas)<br />
über Peking weiter über die Hauptstädte <strong>der</strong> <strong>West</strong>provinzen Innere<br />
Mongolei (Hohhot), Ningxia (Yinchuan), Gansu (Lanzhou), Qinghai<br />
(Xining) bis nach Tibet (Lhasa)<br />
> <strong>Die</strong> etwas südlicher verlaufende und fast 4.000 Kilometer lange Ost-<br />
<strong>West</strong>-Querung Chinas; ausgehend von <strong>der</strong> Küstenstadt Lianyungang in<br />
<strong>der</strong> Provinz Jiangsu führt sie über Xi'an (Shaanxi) und Lanzhou (Gansu)<br />
bis nach Ürümqi und nach Huoerguosi an <strong>der</strong> Grenze zu Kasachstan<br />
> <strong>Die</strong> beiden noch weiter südlich verlaufenden Ost-<strong>West</strong>-Verbindungen,<br />
die in Shanghai beginnen. <strong>Die</strong> eine Strecke führt über Chongqing nach<br />
Chengdu; die an<strong>der</strong>e Trasse verläuft südlich über die Stadt Guiyang<br />
(Provinz Guizhou) bis nach Kunming (Provinz Yunnan)<br />
> <strong>Die</strong> über 3.500 Kilometer lange Nord-Süd-Querung Chinas zwischen<br />
Erenhot an <strong>der</strong> Nordgrenze <strong>der</strong> Autonomen Region Innere Mongolei zur<br />
Mongolei über Taiyuan in <strong>der</strong> Provinz Shanxi weiter über Xi'an, Chengdu<br />
und Kunming bis zur Grenze von Yunnan nach Vietnam in <strong>der</strong> Stadt<br />
Hekou<br />
Vor allem in <strong>der</strong> Neufassung <strong>der</strong> <strong>Go</strong>-<strong>West</strong>-<strong>Strategie</strong> im Rahmen des 11.<br />
Fünfjahresplans wurde zusätzlich zu diesen Großprojekten im Bereich<br />
Straßenbau eine Vielzahl von Detailplänen zum Ausbau weiterer Straßenund<br />
Schienenverbindungen, von Wasserwegen, Flughäfen sowie Projekten<br />
im Bereich <strong>der</strong> Energie- und Informationsinfrastruktur sowie städtischer<br />
Infrastruktur-Maßnahmen erstellt. Unter an<strong>der</strong>em sollte die Internetversorgung<br />
in ländlichen und abgelegenen Regionen, die Versorgung <strong>der</strong> Städte<br />
mit Breitbandinternetverbindungen und Digital-TV sowie <strong>der</strong> öffentliche<br />
Nahverkehr verbessert werden. Dafür war beispielsweise <strong>der</strong> Bau von U-<br />
Bahnen und Straßenbahnen in Chengdu, Chongqing und Xi'an geplant.<br />
Weiterhin war <strong>der</strong> Ausbau <strong>der</strong> Wasser-, Strom-, Gas-, Fernwärmeversorgung<br />
sowie <strong>der</strong> Abfallentsorgung und des Umweltschutzes in den Städten<br />
vorgesehen.<br />
2.2 Infrastrukturentwicklung in den <strong>West</strong>provinzen 2000 bis 2008<br />
Zieht man ein Zwischenfazit <strong>der</strong> <strong>Go</strong>-<strong>West</strong>-<strong>Strategie</strong> für den Zeitraum 2000<br />
bis 2008, so fällt die Bilanz im Bereich Infrastrukturentwicklung sehr positiv<br />
aus: <strong>Die</strong> Infrastruktur in den <strong>West</strong>provinzen wurde erheblich ausgebaut,<br />
wie die folgende Übersicht zeigt (siehe Abbildung 14):
63 |<br />
<strong>Die</strong> <strong>Go</strong>-<strong>West</strong>-<strong>Strategie</strong> <strong>der</strong> <strong>chinesischen</strong> <strong>Regierung</strong> – Chancen für die deutsche Wirtschaft?<br />
Straßenbau<br />
Bis 1999 existierten in den zwölf west<strong>chinesischen</strong> Provinzen insgesamt<br />
circa 530.000 Straßenkilometer (davon 2.800 Kilometer Autobahnen). Bis<br />
Ende des Jahres 2007 hatte sich die Gesamtlänge des Straßennetzes in<br />
<strong>West</strong>china bereits auf 1.340.000 Kilometer erhöht (davon 15.000 Kilometer<br />
Autobahnen). Somit wurde das Straßennetz zwischen 2000 und 2007<br />
jährlich um durchschnittlich 12% ausgebaut, das Autobahnnetz sogar<br />
um durchschnittlich jährlich 23%.<br />
Der Großteil <strong>der</strong> zwischen 2000 und 2008 fertig gestellten Schnellstraßen<br />
beziehungsweise Autobahnen kam den Provinzen Xinjiang, Gansu, Shaanxi,<br />
Yunnan und Guangxi zugute. Etwa die Hälfte dieser Verbindungen schafft<br />
mittelbar einen Schnellstraßen-Anschluss nach Peking.<br />
Der "5/7"-Fernstraßenplan ist heute mit etwa 34.000 Straßenkilometern<br />
(davon 26.000 Kilometern Schnellstraßen) nahezu fertig gestellt. Grenzüberschreitende<br />
Strecken wurden von Kunming (Yunnan) nach Laos in die<br />
Stadt Modun (mit geplanter Weiterverbindung nach Bangkok) und von<br />
Nanning (Guangxi) nach Youyi Guan in Vietnam gebaut.
64 |<br />
Studie<br />
Schienennetz<br />
<strong>Die</strong> Erweiterung des Schienennetzes in den <strong>chinesischen</strong> <strong>West</strong>provinzen<br />
blieb mit einer durchschnittlichen jährlichen Wachstumsrate von 4% hinter<br />
dem Verkehrsträger Straße zurück: <strong>Die</strong>se Diskrepanz spielt die politische<br />
Gewichtung von "Schiene" und "Straße" in den letzten beiden Fünfjahresplänen<br />
wi<strong>der</strong>.<br />
<strong>Die</strong> Länge des west<strong>chinesischen</strong> Schienennetzes erhöhte sich von 1999<br />
bis 2007 von 21.000 Kilometern auf 29.000 Kilometer. Darin enthalten<br />
sind Abschnitte <strong>der</strong> wichtigsten bis 2009 fertig gestellten Verbindungen<br />
zwischen <strong>Go</strong>lmud (Qinghai) und Lhasa (Tibet) sowie zwischen Xi'an<br />
(Shaanxi) und Nanjing (Jiangsu).<br />
Im Vergleich <strong>der</strong> <strong>West</strong>provinzen untereinan<strong>der</strong> kam <strong>der</strong> Netzausbau von<br />
1999 bis 2007 mit einem jährlichen Plus von 10% in <strong>der</strong> Provinz Chongqing<br />
mit Abstand am schnellsten voran. Dort soll nach offiziellen Planungen<br />
<strong>der</strong> fünftgrößte chinesische Eisenbahnknotenpunkt entstehen. Ein<br />
Containerterminal ist momentan im Bau, außerdem laufen die Arbeiten an<br />
mehreren regionalen Verbindungsstrecken von Chongqing in nahegelegene<br />
Städte. So wurde beispielsweise die Strecke Chongqing-Chengdu 2006 in<br />
Betrieb genommen.<br />
Luftverkehr<br />
Bis 2000 gab es in den <strong>West</strong>provinzen insgesamt 49 Flughäfen, davon 15<br />
mit internationalen Verbindungen. Pro Jahr wurden rund 361.000 Flüge<br />
mit 29 Millionen Passagieren und 570.000 Tonnen Fracht abgewickelt.<br />
Obwohl bis 2008 nur acht Inlandsflughäfen und ein internationaler Flughafen<br />
(Yunnan) hinzukamen, hat sich die Anzahl <strong>der</strong> Flüge auf 981.000 fast<br />
verdreifacht (plus 12% pro Jahr); dementsprechend stiegen die Passagierzahlen<br />
auf 92 Millionen (plus 14% pro Jahr) und das Frachtaufkommen auf<br />
1,2 Mio. Tonnen (plus 8% pro Jahr). <strong>Die</strong>se Zuwächse sind im Wesentlichen<br />
auf Mo<strong>der</strong>nisierungsmaßnahmen und Kapazitätserweiterungen bestehen<strong>der</strong><br />
Flughäfen zurückzuführen.<br />
Im Bereich des Luftverkehrs konzentrierten sich die Anstrengungen in den<br />
letzten zehn Jahren auf die Schaffung weiterer Knotenpunkte (Hubs) in den<br />
Provinzen Xinjiang, Yunnan und Sichuan neben den bestehenden Hubs in<br />
Chongqing und Xi'an (Shaanxi). In diesem Rahmen wurden die Flughäfen<br />
in Ürümqi (Xinjiang) und Chengdu (Sichuan) ausgebaut, <strong>der</strong> Flughafen<br />
in Kunming (Yunnan) wurde neu errichtet. Der Flughafen Xi'an (Shaanxi)<br />
wurde mo<strong>der</strong>nisiert und einige Dutzend kleinerer Zubringerflughäfen in<br />
<strong>der</strong> Fläche eröffnet, die zur För<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> regionalen Integration sowie<br />
des Tourismus dienen sollen.
65 |<br />
<strong>Die</strong> <strong>Go</strong>-<strong>West</strong>-<strong>Strategie</strong> <strong>der</strong> <strong>chinesischen</strong> <strong>Regierung</strong> – Chancen für die deutsche Wirtschaft?<br />
Energieinfrastruktur<br />
<strong>Die</strong> Erzeugungskapazität <strong>der</strong> west<strong>chinesischen</strong> Kraftwerke betrug Ende<br />
1999 insgesamt 71 Gigawatt und erhöhte sich aufgrund gestiegener <strong>Regierung</strong>sinvestitionen<br />
mit einer jährlichen Zuwachsrate von 14% bis 2007 auf<br />
200 Gigawatt. Wegen <strong>der</strong> großen Kohlevorkommen sowie <strong>der</strong> Entwicklung<br />
von Windkraftanlagen fiel in <strong>der</strong> Inneren Mongolei <strong>der</strong> Anstieg <strong>der</strong> Erzeugungskapazität<br />
am stärksten aus (plus 21% pro Jahr auf 42 Gigawatt 2007).<br />
Zu Beginn <strong>der</strong> <strong>Go</strong>-<strong>West</strong>-<strong>Strategie</strong> im Jahr 2000 bestand allerdings noch ein<br />
großes Ungleichgewicht zwischen einer schnell wachsenden Kapazität zur<br />
Stromerzeugung und <strong>der</strong> hinterherhinkenden Transportkapazität <strong>der</strong> Leitungsnetze.<br />
<strong>Die</strong> suboptimale Netzqualität sowie Engpässe o<strong>der</strong> das Fehlen<br />
von Netzübergängen zwischen den einzelnen Regionalnetzen führen oft zu<br />
regionalen Problemen in <strong>der</strong> Stromversorgung. <strong>Die</strong>ses Ungleichgewicht ist<br />
bis heute noch nicht überwunden. Nach Aussagen von Experten konnte <strong>der</strong><br />
Netzausbau auch in den letzten Jahren nicht mit <strong>der</strong> Ausweitung <strong>der</strong> Erzeugungskapazität<br />
Schritt halten.
66 |<br />
Studie<br />
BAHNLINIE QINGHAI-TIBET<br />
<strong>Die</strong> 2006 eingeweihte Strecke war bisher das größte und wohl auch das aufwändigste<br />
Eisenbahnprojekt des 21. Jahrhun<strong>der</strong>ts. Sie schafft über Qinghais Provinzhauptstadt<br />
Xining und <strong>Go</strong>lmud (Qinghai) eine durchgehende, komfortable und für viele Chinesen<br />
erschwingliche Verbindung von Peking nach Lhasa mit einer Fahrzeit von 48 Stunden.<br />
<strong>Die</strong> eigentliche Neubaustrecke von <strong>Go</strong>lmud nach Lhasa ist 1.125 Kilometer lang, davon<br />
sind 550 Kilometer Schienen auf Permafrostboden verlegt. <strong>Die</strong> Trasse wurde zwischen<br />
2000 und 2005 gebaut, wobei sich die Kosten auf circa 3,3 Mrd. EUR beliefen. Ein<br />
großer Teil <strong>der</strong> Strecke liegt in einer Höhe von mehr als 4.000 Metern. Der Tanggula-Pass<br />
(5.072 Meter über dem Meeresspiegel) ist <strong>der</strong> höchste Punkt <strong>der</strong> Trasse –<br />
und zugleich <strong>der</strong> höchste Punkte weltweit, den eine Eisenbahn erreicht.<br />
Aus Sicht <strong>der</strong> <strong>chinesischen</strong> Tibet-Politik hat dieses Verkehrsprojekt enorme strategische<br />
Bedeutung. Erklärtes Ziel war es, mit <strong>der</strong> Errichtung <strong>der</strong> Neubaustrecke die wirtschaftliche<br />
Entwicklung Tibets durch eine stärkere Integration mit China zu för<strong>der</strong>n: <strong>Die</strong> Transportkosten<br />
für die tibetische Wirtschaft sollten gesenkt und <strong>der</strong> Zugang zu Tibets<br />
Rohstoffen erleichtert werden. Außerdem sollte die Entwicklung des Tourismus neue<br />
Arbeitsplätze in Tibet schaffen. Tatsächlich war nach <strong>der</strong> Fertigstellung <strong>der</strong> Linie ein<br />
sprunghafter Anstieg des Tourismus zu verzeichnen. Nicht bestätigt hat sich die<br />
Befürchtung mancher Tibeter, dass nach <strong>der</strong> Eröffnung <strong>der</strong> Bahnstrecke <strong>der</strong> Zuzug<br />
von Han-Chinesen in die Autonome Region wächst.<br />
Aus <strong>der</strong> Perspektive vieler Tibeter war <strong>der</strong> Bau dieser Bahnlinie politisch brisant. Einige<br />
Kritiker sehen machtpolitische Ziele <strong>der</strong> Zentralregierung als die Hauptgründe für dieses<br />
Infrastrukturprojekt: Damit solle <strong>der</strong> chinesische Anspruch auf Tibet zementiert werden.<br />
Ein Ausbau <strong>der</strong> Straßenverbindung wäre weit wirtschaftlicher gewesen als das<br />
aufwändige Großprojekt.
67 |<br />
<strong>Die</strong> <strong>Go</strong>-<strong>West</strong>-<strong>Strategie</strong> <strong>der</strong> <strong>chinesischen</strong> <strong>Regierung</strong> – Chancen für die deutsche Wirtschaft?<br />
WEST-OST-ELEKTRIZITÄTSÜBERTRAGUNGSSYSTEM<br />
Der Energiebedarf Ostchinas wird nach Prognosen <strong>der</strong> Internationalen Energieagentur<br />
2030 bei 773 Gigawatt liegen – das entspricht gegenüber 2005 einer Steigerung um<br />
den Faktor 4,5. Aus eigener Kraft können die östlichen Provinzen ihren zunehmenden<br />
Energiebedarf nicht decken, denn auf ihrem Territorium befindet sich <strong>der</strong> geringere Teil<br />
<strong>der</strong> Energieträger, also etwa 47% <strong>der</strong> Kohlevorkommen und 32% <strong>der</strong> Erdgasvorkommen.<br />
<strong>Die</strong> <strong>West</strong>provinzen dagegen verfügen reichlich über Ressourcen zur Energieerzeugung.<br />
<strong>Die</strong>ses Problem <strong>der</strong> Diskrepanz zwischen regionalem Angebot und regionaler Nachfrage<br />
zu bewältigen, ist und bleibt eine <strong>der</strong> großen Herausfor<strong>der</strong>ungen <strong>der</strong> Energiepolitik<br />
Chinas.<br />
Ein Lösungsansatz <strong>der</strong> <strong>chinesischen</strong> <strong>Regierung</strong> ist das im Rahmen des 10. Fünfjahresplans<br />
initiierte <strong>West</strong>-Ost-Elektrizitätsübertragungssystem. Damit wird <strong>der</strong> Energietransfer<br />
in <strong>West</strong>-Ost-Richtung durch weitere Ausbaumaßnahmen auf <strong>der</strong> Basis <strong>der</strong><br />
bereits Ende <strong>der</strong> achtziger Jahre festgelegten Struktur verbessert. <strong>Die</strong>se Struktur besteht<br />
aus Hochspannungs-Gleichstrom-Übertragungssystemen auf den drei Hauptrouten<br />
Nord (Innere Mongolei nach Peking-Tianjin-Tangshan), Zentral (Sichuan/Gezhouba<br />
nach Shanghai) und Süd (Yunnan/Guangxi nach Guangdong). <strong>Die</strong> drei Trassen werden<br />
bis 2020 sukzessive auf eine Leistung von insgesamt 110 Gigawatt erweitert; die<br />
Nord- und die Zentralroute werden dann eine Leistung von jeweils 40 Gigawatt haben,<br />
die Südroute von 30 Gigawatt. Teilabschnitte des <strong>West</strong>-Ost-Elektrizitätsübertragungssystems<br />
sind bereits fertig gestellt: Bis 2005 steigerte Sichuan (Zentralroute) die<br />
für an<strong>der</strong>e Regionen verfügbare Leistung auf 1,5 Gigawatt und Yunnan/Guangxi<br />
(Südroute) auf 7 Gigawatt.<br />
An das <strong>West</strong>-Ost-Elektrizitätsübertragungssystem knüpft die chinesische <strong>Regierung</strong><br />
die Erwartung, die Ressourcenvorkommen des <strong>West</strong>ens besser zu erschließen und den<br />
Energienachschub für die Ostprovinzen mittel- und langfristig sicherzustellen. Neben<br />
dem Stromtransport soll das Projekt auch die Verbindungen zwischen den regionalen<br />
Leitungsnetzen verbessern.
68 |<br />
Studie<br />
WEST-OST-GASPIPELINES<br />
<strong>Die</strong> industriellen Zentren in den ost<strong>chinesischen</strong> Küstenprovinzen können ihren zunehmenden<br />
Energiebedarf nur decken, solange <strong>der</strong> Nachschub aus dem ressourcenreichen<br />
<strong>West</strong>en <strong>der</strong> Volksrepublik gesichert ist. <strong>Die</strong>s gilt auch für den Energieträger Erdgas.<br />
Insbeson<strong>der</strong>e die Autonome Region Xinjiang spielt eine Schlüsselrolle in <strong>der</strong> Erdgas-<br />
Versorgung Chinas: Hier wurden 2008 24 Mrd. Kubikmeter Erdgas geför<strong>der</strong>t, davon<br />
wurden 15 Mrd. Kubikmeter nach Ostchina geliefert. Allein im Tarim-Becken liegen<br />
22% <strong>der</strong> <strong>chinesischen</strong> Gasvorräte. Vor diesem Hintergrund hat die chinesische Zentralregierung<br />
im Rahmen <strong>der</strong> <strong>Go</strong>-<strong>West</strong>-<strong>Strategie</strong> beschlossen, <strong>West</strong>-Ost-Pipelines zu<br />
bauen, um die Versorgung Ostchinas mit diesem fossilen Brennstoff zu gewährleisten.<br />
Bereits 2005 wurde die erste <strong>West</strong>-Ost-Pipeline fertig gestellt, in <strong>der</strong> Erdgas aus<br />
Xinjiang für die Energieerzeugung in das Jangtse-Delta an die Ostküste Chinas transportiert<br />
wird. Von ihrem Ausgangspunkt in Lunnan bis zu ihrem Ziel Shanghai durchquert<br />
sie auf einer Länge von 4.000 Kilometern zehn Provinzen. Eigentümer und Betreiber<br />
dieser Pipeline, durch die jährlich etwa 12 Mrd. Kubikmeter Gas fließen sollen, ist<br />
PetroChina. <strong>Die</strong> Trasse ist an die 2004 vollendete Shaan-Jing-Gaspipeline angeschlossen,<br />
die vom Sulige-Gasfeld in <strong>der</strong> Provinz Shaanxi über Shijiazhuang in <strong>der</strong> Provinz<br />
Hebei nach Peking verläuft. Zusammen mit einer fast parallel geführten Pipeline vom<br />
Changqing-Gasfeld (Shaanxi) versorgt diese Trasse die Provinzen Shanxi, Hebei sowie<br />
die Städte Peking und Tianjin mit Gas. 2008 wurde mit dem Bau <strong>der</strong> zweiten <strong>West</strong>-<br />
Ost-Pipeline begonnen, die – ihre acht Abzweigungen mit eingerechnet – 9.000 Kilometer<br />
lang ist und 30 Mrd. Kubikmeter Gas pro Jahr transportieren soll.<br />
Sie verläuft von Khorgas (Xinjiang) nach Guangzhou (Provinz Guangdong). <strong>Die</strong> Streckenführung<br />
ist bis zur Provinz Gansu parallel zur ersten <strong>West</strong>-Ost-Pipeline geplant; außerdem<br />
soll es Verbindungen zwischen den beiden Trassen geben. Der westliche, 4.800<br />
Kilometer lange Teil <strong>der</strong> zweiten <strong>West</strong>-Ost-Pipeline soll Ende 2009 in Betrieb genommen<br />
werden, <strong>der</strong> östliche Teil Mitte 2011. <strong>Die</strong> Gesamtkosten des Projekts sind mit<br />
20 Mrd. USD veranschlagt.<br />
Da China seinen Erdgasbedarf mittel- und langfristig nicht aus inländischen Vorkommen<br />
decken kann, son<strong>der</strong>n auf Importe angewiesen ist, setzt die Volksrepublik auf eine<br />
<strong>Strategie</strong> des "going out": Bei den Erdgas-Importen kommt den zentralasiatischen<br />
Nachbarlän<strong>der</strong>n eine Schlüsselrolle zu. In diesem Kontext ist die neue Zentralasien-<br />
China-Gaspipeline zu betrachten. Seit Mitte 2007 sind mehrere Abschnitte dieser<br />
neuen Pipeline in Bau, <strong>der</strong>en Kosten sich insgesamt auf 7,3 Mrd. USD belaufen sollen.<br />
<strong>Die</strong> Trasse startet in Turkmenistan an den Gasfel<strong>der</strong>n am Ufer des Amu Darya, quert bei<br />
Olot nach Usbekistan und verläuft dann vom südlichen Kasachstan über die Gasfel<strong>der</strong><br />
Tengiz und Kashagan nach Alashankou in Xinjiang. Das angelieferte Gas fließt hier in die<br />
<strong>West</strong>-Ost-Gaspipeline weiter Richtung Osten. Der erste Bauabschnitt <strong>der</strong> Zentralasien-<br />
China-Pipeline soll bis Ende 2009 fertig gestellt sein. <strong>Die</strong> Vollendung des zweiten<br />
Bauabschnitts – mit einer Kapazität von 30 Mrd. Kubikmetern – ist bis 2011 geplant.
69 |<br />
<strong>Die</strong> <strong>Go</strong>-<strong>West</strong>-<strong>Strategie</strong> <strong>der</strong> <strong>chinesischen</strong> <strong>Regierung</strong> – Chancen für die deutsche Wirtschaft?<br />
SÜD-NORD-WASSERTRANSFERPROJEKT<br />
<strong>Die</strong> Probleme bei <strong>der</strong> Wasserversorgung in China entstehen durch die extrem ungleiche<br />
Verteilung dieser Ressource: In <strong>der</strong> Jangtse-Region und im Süden befinden sich über<br />
80% <strong>der</strong> Wasservorkommen <strong>der</strong> Volksrepublik, die nördlichen und nordwestlichen Teile<br />
des Landes leiden dagegen unter Wassermangel. Hinzu kommt, dass im Norden und<br />
Nordwesten aufgrund <strong>der</strong> dichten Besiedelung und <strong>der</strong> intensiven landwirtschaftlichen<br />
Nutzung – hier leben 46% <strong>der</strong> Bevölkerung – <strong>der</strong> Wasserbedarf immens hoch ist.<br />
<strong>Die</strong>ses krasse Missverhältnis von natürlichem Wasserangebot und <strong>der</strong> Nachfrage<br />
von Haushalten, Landwirtschaft und Industrie führt dazu, dass verstärkt Grund- und<br />
Tiefenwasser entnommen wird. Experten warnen, dass die Grundwasservorräte unter <strong>der</strong><br />
nord<strong>chinesischen</strong> Tiefebene – hier befinden sich die Provinzen Hebei, Henan, Shandong<br />
sowie die Städte Peking und Tianjin – bis 2030 aufgebraucht sein werden.<br />
<strong>Die</strong>ser Entwicklung will die chinesische <strong>Regierung</strong> nicht tatenlos zusehen: Bereits in<br />
den fünfziger Jahren entstanden erste Pläne, Wasser aus dem "feuchten" Süden in den<br />
trockenen Norden umzuleiten. <strong>Die</strong>se Idee wird nun im Süd-Nord-Wassertransferprojekt<br />
umgesetzt, dessen Gesamtkosten auf bis zu 62 Mrd. USD geschätzt werden. Bei diesem<br />
größten Wassertransferprojekt <strong>der</strong> Welt sollen vom Ober-, Mittel- und Unterlauf des<br />
Jangtse bis zu 52 Mrd. Kubikmeter Wasser pro Jahr in den Gelben Fluss, den Huaihe<br />
und den Haihe umgeleitet werden. Das Wasser soll auf einer östlichen, einer zentralen<br />
und einer westlichen Trasse Richtung Norden fließen.<br />
Mit dem Bau <strong>der</strong> östlichen Route wurde 2002 begonnen; ihre Fertigstellung ist 2012<br />
geplant. Sie soll nahe Jiangdu Wasser aus dem Jangtse abzweigen und nach Tianjin<br />
bringen. <strong>Die</strong> zentrale Route soll vom Danjiangkou-Staudamm (Provinz Hubei) am<br />
Oberlauf des Han-Flusses – eines Nebenflusses des Jangtse – nach Peking führen. Mit<br />
den Bauarbeiten wurde 2004 begonnen, bis 2014 sollen sie abgeschlossen sein. Eine<br />
technische Herausfor<strong>der</strong>ung ist die Untertunnelung des Gelben Flusses. Bislang wurde<br />
erst <strong>der</strong> 300 Kilometer lange Nordteil <strong>der</strong> zentralen Route fertig gestellt. Eine weitere<br />
Schwierigkeit stellt die Anhebung des Danjiangkou-Staudamms dar. <strong>Die</strong> westliche<br />
Route soll von den Zuflüssen am Oberlauf des Jangtse zum Gelben Fluss führen. <strong>Die</strong>s<br />
würde allerdings den Bau mehrerer Dämme und eines hun<strong>der</strong>te von Kilometern langen<br />
Tunnels durch die Bayankel-Gebirgskette erfor<strong>der</strong>n. Es ist deshalb fraglich, ob in absehbarer<br />
Zukunft mit <strong>der</strong> Umsetzung dieser Pläne begonnen wird. <strong>Die</strong> Bauzeit für diese<br />
westliche Route wird auf bis zu 50 Jahre veranschlagt.<br />
Das Süd-Nord-Wassertransferprojekt ist wegen seiner ökologischen Folgen stark<br />
umstritten: Es ist zu befürchten, dass die zusätzliche Wasserentnahme die ohnehin<br />
schon grenzwertige Wasserqualität des Jangtse erheblich verschlechtern wird. Noch ist<br />
<strong>der</strong> Fluss, in den 2006 über 30,5 Mrd. Tonnen Abfälle aus Industrie, Landwirtschaft und<br />
Privathaushalten "entsorgt" wurden, nur deshalb nicht umgekippt, weil seine riesigen<br />
Wassermengen die Konzentration <strong>der</strong> Schadstoffe verdünnen.<br />
8) Medium and Long-Term Development Plan for Renewable Energy.
70 |<br />
Studie<br />
ERNEUERBARE ENERGIEN<br />
<strong>Die</strong> chinesische Führung hat eindeutige Signale gesetzt: Erneuerbare Energien sollen<br />
mittel- und langfristig die Nischenrolle verlassen, die sie bisher bei <strong>der</strong> Energieversorgung<br />
des Landes gespielt haben: 2007 hat die Nationale Entwicklungs- und Reformkommission<br />
den "Mittel- und langfristigen Entwicklungsplan für Erneuerbare<br />
Energien" 8) veröffentlicht. Danach soll <strong>der</strong> Anteil <strong>der</strong> erneuerbaren Energien am gesamten<br />
Primärenergieverbrauch Chinas bis 2010 auf 10% steigen – dies bedeutet eine<br />
Zunahme von 2,5 Prozentpunkten im Vergleich zu 2005. Bis 2020 soll sich <strong>der</strong> Anteil<br />
regenerativer Energiequellen am Energiemix <strong>der</strong> Volksrepublik auf 15% erhöhen. <strong>Die</strong>se<br />
Planung wird vom Erneuerbare-Energien-Gesetz flankiert, das 2006 in Kraft getreten ist.<br />
Der Entwicklungsplan für erneuerbare Energie sieht bei <strong>der</strong> Windkraft bis 2020 eine<br />
Erweiterung <strong>der</strong> installierten Leistung auf 30 Gigawatt vor. In <strong>der</strong> Inneren Mongolei,in<br />
Tibet und im nördlichen Xinjiang sowie in den Provinzen Gansu und Qinghai sind die<br />
Bedingungen für die Energieerzeugung durch Windkraft beson<strong>der</strong>s gut. In diesen<br />
Regionen sind im Rahmen des "Renewable Energy Development Plan" zahlreiche<br />
Projekte zum Ausbau <strong>der</strong> Windenergie geplant. Anlagen mit einer Kapazität von mehr<br />
als 1 Gigawatt sollen in Huitengxile (Innere Mongolei), in <strong>der</strong> Region Dabancheng<br />
(Xinjiang) sowie in <strong>der</strong> Region Yumen (Gansu) errichtet werden. Im <strong>West</strong>teil <strong>der</strong> Provinz<br />
Gansu sollen bis zum Jahr 2015 in <strong>der</strong> Stadt Jiuquan außerdem 28 Windparks mit<br />
einer Gesamtkapazität von 12 Gigawatt entstehen. Außerdem sind an verschiedenen<br />
Standorten in <strong>der</strong> Inneren Mongolei Windparks mit einer Kapazität von mehr als<br />
2 Gigawatt geplant.<br />
Bis 2020 soll die Erzeugungskapazität von Solarenergie auf eine Leistung von 1,8 Gigawatt<br />
ausgebaut werden. Dank <strong>der</strong> großen Anzahl jährlicher Sonnenstunden sind<br />
<strong>West</strong>provinzen wie Gansu, Qinghai, Shaanxi, Innere Mongolei, Tibet o<strong>der</strong> Xinjiang für<br />
den Ausbau <strong>der</strong> Solarenergie prädestiniert. Dementsprechend sieht <strong>der</strong> "Renewable<br />
Energy Development Plan" eine Vergrößerung <strong>der</strong> Kapazitäten vor. Übrigens wird mit<br />
deutscher Beteiligung in <strong>der</strong> Inneren Mongolei ein großes solar-thermisches Kraftwerk<br />
mit einer Leistung von 50 Megawatt projektiert. <strong>Die</strong>ses erste Parabolrinnenkraftwerk<br />
Asiens wird von einem Joint Venture zwischen einem <strong>chinesischen</strong> Unternehmen und<br />
<strong>der</strong> deutschen Solar Millennium AG realisiert.
71 |<br />
<strong>Die</strong> <strong>Go</strong>-<strong>West</strong>-<strong>Strategie</strong> <strong>der</strong> <strong>chinesischen</strong> <strong>Regierung</strong> – Chancen für die deutsche Wirtschaft?<br />
2.3 Weitere Planungen<br />
Trotz <strong>der</strong> durchaus erfolgreichen Bilanz <strong>der</strong> bisherigen Maßnahmen: <strong>Die</strong><br />
Infrastrukturentwicklung <strong>der</strong> <strong>West</strong>provinzen kann noch lange nicht als<br />
abgeschlossen betrachtet werden. Es sind <strong>der</strong>zeit verschiedene Großprojekte<br />
in <strong>der</strong> Umsetzung, und auch bei <strong>der</strong> Verkehrs- und Energieinfrastruktur<br />
sind weiterhin erhebliche Anstrengungen vorgesehen.<br />
Auf den nationalen Fernstraßenplan von 1992, <strong>der</strong> inzwischen fast vollständig<br />
verwirklicht worden ist, folgte 2004 ein neuer Netzwerkplan (das sogenannte<br />
"7918"- Netz – 7x radial nach Peking, 9 Nord-Süd-Achsen, 18 Ost-<br />
<strong>West</strong>-Achsen), <strong>der</strong> auf einen Zeithorizont bis 2020 ausgelegt ist. Im Rahmen<br />
dieser Planung sind 21 Fernstraßen im Bau, vor allem in Xinjiang, Sichuan,<br />
Gansu, Shaanxi und Yunnan. Von Xinjiang aus ist auch eine internationale<br />
Verbindung ins Nachbarland Tadschikistan in Arbeit, die von Ku'erle (Xinjiang)<br />
nach Yierkeshitan (Tadschikistan) führen wird. Bis 2030 sollen in den<br />
<strong>West</strong>provinzen insgesamt weitere 32.000 Kilometer Schnellstraßen gebaut<br />
werden – damit würde sich die Länge <strong>der</strong> heute existierenden Strecken<br />
mehr als verdreifachen.<br />
Auf <strong>der</strong> aktuellen Liste <strong>der</strong> wichtigsten Schienenbauprojekte stehen<br />
14 Verbindungen mit insgesamt 8.700 Kilometern; als die wichtigsten<br />
Verbindungen gelten<br />
> Provinzinterne Verbindungen in Xinjiang und Yunnan<br />
> Verbindungen <strong>der</strong> Zentren Zentralchinas untereinan<strong>der</strong> (in Shaanxi,<br />
Gansu, Chongqing und Sichuan)<br />
> Verbindungen <strong>West</strong>chinas mit dem angrenzenden Ausland (Myanmar,<br />
Kirgisistan, Usbekistan)<br />
<strong>Die</strong> längsten Strecken (1.450 Kilometer) sollen von Hami (Xinjiang) nach<br />
Bayan Nur (Innere Mongolei) sowie über eine Entfernung von 1.240 Kilometern<br />
von Ku'erle (Xinjiang) nach Ge'ermu (Qinghai) führen. Bis 2020<br />
sollen dann alle großen Städte in den Provinzen Innere Mongolei, Sichuan,<br />
Tibet, Xinjiang und Yunnan miteinan<strong>der</strong> verbunden sein. Bis zu diesem<br />
Zeitpunkt sollen auch die grenzüberschreitenden Strecken nach Kirgisistan,<br />
Myanmar, Laos und Vietnam in Betrieb genommen werden.<br />
Gemäß dem National Airport Allocation Plan vom Januar 2008 beabsichtigt<br />
China, im Zeitraum 2011 bis 2020 52 neue Flughäfen zu bauen. Davon<br />
sollen 29 in <strong>West</strong>china errichtet werden. Dabei stehen die Provinzen Xinjiang<br />
(sechs Flughäfen), Gansu (fünf Flughäfen) sowie Yunnan und Qinghai<br />
(je vier Flughäfen) in den Plänen <strong>der</strong> <strong>Regierung</strong> an oberster Stelle.
72 |<br />
Studie<br />
Hinzu kommt <strong>der</strong> Neubau von 97 Regionalflughäfen, den die chinesische<br />
<strong>Regierung</strong> zwischen 2008 und 2020 plant. Davon sollen 45 bereits Ende<br />
2010 fertig gestellt sein. <strong>Die</strong> Verwirklichung dieser Pläne würde bedeuten,<br />
dass etwa 80% <strong>der</strong> Bevölkerung im Umkreis von 100 Kilometern im Einzugsgebiet<br />
von mindestens einem Flughafen leben.<br />
In ihrem Referenzszenario geht die Internationale Energieagentur (IEA)<br />
davon aus, dass <strong>der</strong> Energiebedarf <strong>der</strong> Volksrepublik China im Jahr 2030<br />
bei 3.819 Mio. Tonnen Öleinheiten liegen wird (2005: 1.742 Mio. Tonnen<br />
Öleinheiten). Das heißt, <strong>der</strong> Energieverbrauch Chinas wird im Prognosezeitraum<br />
mit einem Wachstum von durchschnittlich 3,2% pro Jahr zulegen.<br />
2010 wird China voraussichtlich die USA als größten Energieverbraucher<br />
<strong>der</strong> Welt ablösen. Um seinen zunehmenden Energiebedarf zu decken, muss<br />
das Land die Kapazitäten für die Erzeugung und für die Übertragung von<br />
Energie massiv ausbauen.<br />
Im Energiemix Chinas entfällt auf Kohle ein Anteil von über 60%. An <strong>der</strong><br />
dominierenden Rolle dieses Energieträgers wird sich auch in Zukunft kaum<br />
etwas än<strong>der</strong>n. <strong>Die</strong> Prognosen <strong>der</strong> IEA gehen davon aus, dass <strong>der</strong> Kohle-<br />
Anteil am <strong>chinesischen</strong> Primärenergiebedarf auch 2030 noch über <strong>der</strong><br />
60-Prozent-Marke liegen wird. Vor diesem Hintergrund ist auch in <strong>West</strong>china<br />
ein weiterer Ausbau von Kraftwerken zur Kohleverstromung vorgesehen.<br />
In den Provinzen Shaanxi und Ningxia ist <strong>der</strong> Neubau mehrerer großer<br />
Kohlekraftwerke geplant, um über Leitungsnetze mit hoher Kapazität die<br />
Versorgung Pekings sicherzustellen beziehungsweise zu verbessern.<br />
Als Ergänzung zur Stromerzeugung durch fossile Energieträger will China<br />
die Nutzung <strong>der</strong> erneuerbaren Energien stark ausbauen (siehe Textbox Seite<br />
70) und die Wasserkraft-Potenziale stärker als bisher nutzen. Dabei hat <strong>der</strong><br />
Ausbau <strong>der</strong> Wasserkraft in den <strong>West</strong>provinzen einen hohen Stellenwert:<br />
Insbeson<strong>der</strong>e entlang <strong>der</strong> Flüsse Jinsha (Yunnan, Sichuan), Yalong (Qinghai,<br />
Sichuan, Yunnan), Dadu (Qinghai, Sichuan), Lancang (Qinghai, Tibet), am<br />
Oberlauf des Gelben Flusses (Qinghai) sowie am Nu (Tibet, Yunnan) sind<br />
konkrete Projekte geplant.
73 |<br />
<strong>Die</strong> <strong>Go</strong>-<strong>West</strong>-<strong>Strategie</strong> <strong>der</strong> <strong>chinesischen</strong> <strong>Regierung</strong> – Chancen für die deutsche Wirtschaft?<br />
Im Bereich Energieübertragung ist absehbar, dass <strong>der</strong> Netzausbau mindestens<br />
in den kommenden fünf Jahren mit hoher Priorität vorangetrieben<br />
werden muss. <strong>Die</strong> Zentralregierung stuft den Ausbau <strong>der</strong> regionalen Netze<br />
und die Verbindung <strong>der</strong> Netze via Ultrahochspannungsleitungen als sehr<br />
wichtig ein, um Effizienz und Versorgungssicherheit zu erhöhen. So werden<br />
auch die großen Wasserkraftpotenziale des <strong>West</strong>ens verstärkt nutzbar<br />
gemacht.<br />
<strong>Die</strong> staatliche State Grid Corporation of China sieht in ihrem Netzentwicklungsplan<br />
bis 2020 eine "4x Ost-<strong>West</strong>-/6x Nord-Süd-Struktur" vor, das heißt<br />
den Aufbau o<strong>der</strong> Ausbau von zehn Fernleitungen. <strong>Die</strong> Hauptachsen dieses<br />
Netzes laufen von Shaanxi, Sichuan und <strong>der</strong> Inneren Mongolei nach Süden<br />
und Osten in die Küstenregionen. Zusätzlich plant die China Southern<br />
Power Grid Corporation 9) bis 2030 den Bau zweier 1000-Kilovolt-Fernleitungen<br />
von Yunnan über Guangxi und Guizhou in die Ostprovinz Guangdong<br />
(siehe Abbildung 15).<br />
9) <strong>Die</strong> State Grid Corporation of China (SGCC) und die China Southern Power Grid Corporation (CSG)<br />
sind im Zuge einer Umstrukturierung 2002 <strong>der</strong> State Power Corporation entstanden, die in zwei<br />
Gesellschaften für die Stromübertragung und fünf für die Stromerzeugung aufgespalten wurde. <strong>Die</strong><br />
SGCC und die CSG decken bei <strong>der</strong> Stromübertragung 80% beziehungsweise 20% des <strong>chinesischen</strong><br />
Marktes ab.
74 |<br />
Studie<br />
3. Status quo: Wirtschaft<br />
3.1 Wirtschaftsentwicklung<br />
<strong>Die</strong> Analyse <strong>der</strong> Wirtschaftsentwicklung zeigt deutlich, dass die <strong>West</strong>provinzen<br />
bislang nicht im selben Ausmaß vom gesamt<strong>chinesischen</strong> Wirtschaftswun<strong>der</strong><br />
profitieren konnten wie die östlichen Regionen. Das Bruttoinlandsprodukt<br />
<strong>der</strong> <strong>West</strong>provinzen lag 2008 bei 5,8 Billionen CNY (ca. 840 Mrd.<br />
USD). Das entspricht einem Anteil von 19% an <strong>der</strong> Wirtschaftsleistung <strong>der</strong><br />
Volksrepublik China. Bis zum Jahr 2000 hinkte die wirtschaftliche Entwicklung<br />
<strong>der</strong> westlichen Provinzen <strong>der</strong>jenigen Gesamtchinas hinterher. Seit<br />
2001 konnte <strong>der</strong> <strong>West</strong>en jedoch im Wachstumstempo aufholen und lag<br />
beim Wachstum in etwa im gesamt<strong>chinesischen</strong> Schnitt. Um in <strong>der</strong> Wirtschaftskraft<br />
aber zum Osten aufzuschließen, müsste <strong>der</strong> <strong>West</strong>en deutlich<br />
stärker wachsen als Gesamtchina. <strong>Die</strong>s ist zur Zeit nicht <strong>der</strong> Fall (siehe<br />
Abbildung 16).<br />
<strong>Die</strong> Wirtschaftsleistung in den <strong>West</strong>provinzen ist extrem ungleich verteilt;<br />
in <strong>der</strong> Größe und <strong>der</strong> Zusammensetzung ihrer Bruttoinlandsprodukte unterscheiden<br />
sich die einzelnen Autonomen Regionen und Provinzen erheblich.<br />
Während die Wirtschaftskraft von Qinghai o<strong>der</strong> Tibet eher gering ist, erwirtschaften<br />
allein Sichuan, die Innere Mongolei, Guangxi, Shaanxi knapp 60%<br />
des gesamten Bruttoinlandsproduktes des <strong>West</strong>ens (siehe Abbildung 17).
75 |<br />
<strong>Die</strong> <strong>Go</strong>-<strong>West</strong>-<strong>Strategie</strong> <strong>der</strong> <strong>chinesischen</strong> <strong>Regierung</strong> – Chancen für die deutsche Wirtschaft?<br />
Pro Kopf liegt das Bruttosozialprodukt in <strong>West</strong>china im Schnitt nur bei<br />
60% des östlichen Chinas. Von <strong>der</strong> Inneren Mongolei abgesehen, bleibt<br />
das Pro-Kopf-Bruttoinlandsprodukt <strong>der</strong> westlichen Provinzen auch hinter<br />
dem gesamt<strong>chinesischen</strong> Durchschnitt zurück.<br />
3.2 Auswirkungen <strong>der</strong> Wirtschaftskrise<br />
China ist Mitte 2009 eines <strong>der</strong> wenigen Län<strong>der</strong> <strong>der</strong> Erde, dessen Volkswirtschaft<br />
trotz <strong>der</strong> internationalen Wirtschafts- und Finanzkrise weiter wächst.<br />
Trotz des starken Einbruchs <strong>der</strong> Exportwirtschaft wurden in den ersten<br />
beiden Quartalen 2009 gemäß <strong>der</strong> offiziellen Verlautbarungen <strong>der</strong> <strong>chinesischen</strong><br />
<strong>Regierung</strong> immer noch höhere einstellige Wachstumsraten erreicht.<br />
In Expertenkreisen wird zum Teil die Validität dieser Statistiken kritisch<br />
diskutiert, da die Exportabhängigkeit <strong>der</strong> <strong>chinesischen</strong> Wirtschaft doch sehr<br />
stark ist. Was die <strong>West</strong>provinzen angeht, ist eine verlässliche Aussage über<br />
die Auswirkungen <strong>der</strong> Wirtschaftskrise eine noch größere Herausfor<strong>der</strong>ung,<br />
weil die statistischen Daten auf Provinzebene häufig erst mit Zeitverzögerung<br />
zur Verfügung stehen und sich oft nicht mit den national berichteten<br />
Zahlen decken.
76 |<br />
Studie<br />
Glaubt man den offiziellen Statistiken trotz einiger Unklarheiten, gibt es<br />
Indikationen dafür, dass die <strong>West</strong>provinzen von den Auswirkungen <strong>der</strong><br />
Wirtschaftskrise zwar ebenso wie Gesamtchina hart getroffen werden,<br />
aber weniger stark als die östlichen Regionen. <strong>Die</strong>s lässt sich anhand<br />
von drei Aspekten belegen:<br />
> Wachstum <strong>der</strong> Volkswirtschaft: Zieht man die offiziellen <strong>chinesischen</strong><br />
Statistiken zu Rate, zeigen sich in den drei Quartalen, in denen man<br />
die härtesten Effekte <strong>der</strong> Wirtschaftskrise erwarten kann, nämlich dem<br />
dritten und vierten Quartal 2008 und dem ersten Quartal 2009, die<br />
<strong>West</strong>provinzen leicht stärker in <strong>der</strong> Entwicklung als das östliche China.<br />
Zwar sinkt das Wirtschaftswachstum in beiden Regionen (Ost/<strong>West</strong>)<br />
deutlich, aber im <strong>West</strong>en jeweils weniger stark als im Osten.<br />
> Exporte: In <strong>der</strong> <strong>chinesischen</strong> Exportwirtschaft hat die Finanz- und<br />
Wirtschaftskrise zu einem massiven Einbruch geführt, und das trifft die<br />
Exporteure in den <strong>West</strong>provinzen. So lässt sich aus den offiziellen Statistiken<br />
ablesen, dass die Exporte im ersten Halbjahr 2009 im Vergleich<br />
zum Vorjahresmonat jeweils ähnlich stark gesunken sind wie in Gesamtchina<br />
(siehe Abbildung 18). Von daher zeigt sich kaum ein Unterschied<br />
zwischen <strong>West</strong> und Ost. Zusätzlich kommt nun allerdings ins Spiel, dass<br />
<strong>der</strong> <strong>West</strong>en in seiner Wirtschaftsstruktur deutlich weniger stark vom<br />
Export geprägt ist als das östliche China. Machten 2008 nach offiziellen<br />
Statistiken die Exporte in Gesamtchina 33% <strong>der</strong> gesamten Wirtschaftsleistung<br />
aus, waren es im <strong>West</strong>en nur knapp 8%. Auch ein gleicher prozentueller<br />
Rückgang <strong>der</strong> Exporte trifft den <strong>West</strong>en daher weniger stark<br />
als den Osten Chinas.<br />
> Konjunkturpaket: Als drittes Argument lässt sich anführen, dass das chinesische<br />
Konjunkturpaket zu großen Teilen dem <strong>West</strong>en Chinas zugute<br />
kommt (siehe Seite 97). Allein in den Wie<strong>der</strong>aufbau Sichuans fließen<br />
1 Billion CNY (144 Mrd. USD).
77 |<br />
<strong>Die</strong> <strong>Go</strong>-<strong>West</strong>-<strong>Strategie</strong> <strong>der</strong> <strong>chinesischen</strong> <strong>Regierung</strong> – Chancen für die deutsche Wirtschaft?<br />
3.3 Wirtschafts- und Industriestruktur<br />
<strong>Die</strong> Wirtschaftsstruktur <strong>der</strong> <strong>West</strong>provinzen ist noch stärker am primären<br />
Sektor, das heißt an <strong>der</strong> Landwirtschaft, orientiert als im östlichen China.<br />
Machte die Landwirtschaft 2007 im <strong>West</strong>en im Schnitt 16% <strong>der</strong> volkswirtschaftlichen<br />
Wertschöpfung aus, sind es im Osten Chinas nur 9%. Allerdings<br />
liegt <strong>der</strong> Anteil <strong>der</strong> Landwirtschaft bereits erheblich niedriger als vor einem<br />
Jahrzehnt: Im Jahr 2000 erreichte <strong>der</strong> Anteil <strong>der</strong> Landwirtschaft am Bruttoinlandsprodukt<br />
(BIP) in praktisch allen <strong>West</strong>provinzen noch Werte zwischen<br />
20% und 30%. Im Vergleich <strong>der</strong> einzelnen <strong>West</strong>provinzen zeigt sich,<br />
dass die Landwirtschaft vor allem in den südlicheren Provinzen Sichuan<br />
(fast 20% Anteil am BIP), Guangxi (18%), Yunnan (18%) sowie in Xinjiang<br />
(19%) eine sehr wichtige Rolle spielt.<br />
Im sekundären Sektor 10) , <strong>der</strong> eigentlichen Industrieproduktion, gibt es<br />
anteilsmäßig nur geringe Unterschiede zwischen Ost und <strong>West</strong>. Der <strong>West</strong>en<br />
liegt hier knapp unter, <strong>der</strong> Osten knapp über 50% am jeweiligen Bruttoinlandsprodukt<br />
(48% vs. 53%). Der Überhang des primären Sektors in den<br />
<strong>West</strong>provinzen wird durch einen geringer ausgeprägten (tertiären) <strong>Die</strong>nstleistungssektor<br />
kompensiert, <strong>der</strong> im <strong>West</strong>en im Schnitt 35%, im Osten<br />
dagegen 39% <strong>der</strong> Wertschöpfung ausmacht. Einen Überblick über die<br />
Zusammensetzung <strong>der</strong> Wirtschaftsleistungen <strong>der</strong> Einzelprovinzen bietet<br />
Abbildung 19 (zur Vermeidung von Missverständnissen wird <strong>der</strong> Bergbau<br />
separat ausgewiesen).<br />
10) Inklusive Verarbeitung von landwirtschaftlichen Produkten, Bergbau und Energieerzeugung.
78 |<br />
Studie<br />
In <strong>der</strong> Zusammensetzung des sekundären Sektors zeigen sich deutliche<br />
Unterschiede zwischen <strong>West</strong> und Ost. So macht <strong>der</strong> Bergbau im <strong>West</strong>en im<br />
Schnitt 8,5% <strong>der</strong> Wertschöpfung aus (gegenüber 4,0% im Osten). Der Bergbau<br />
gehört vor allem in Xinjiang (29% Anteil am BIP), Shaanxi (19%), Qinghai<br />
(16%) und <strong>der</strong> Inneren Mongolei (13%) zu den wichtigsten Wirtschaftsfaktoren.<br />
Auf die Bereitstellung von Energie, Gas und Wasser entfallen<br />
4,5% im <strong>West</strong>en, gegenüber 2,8% im Osten.<br />
Dagegen ist die verarbeitende Industrie von beson<strong>der</strong>s hoher Bedeutung<br />
für die Ökonomie in den Provinzen Qinghai (40% Anteil am BIP), Sichuan<br />
(39%), Chongqing (28%), und Yunnan (27%), wobei hier eine detaillierte<br />
Betrachtung zeigt, dass <strong>der</strong> hohe Anteil in Sichuan und Chongqing vor<br />
allem auf verschiedenen Segmenten des Anlagenbaus beruht (11% beziehungsweise<br />
14% am BIP), während in Qinghai stärker die Metallverarbeitung<br />
(allein 19% am BIP) und in Yunnan die Verarbeitung von Tabak<br />
(13% am BIP) dominieren.
79 |<br />
<strong>Die</strong> <strong>Go</strong>-<strong>West</strong>-<strong>Strategie</strong> <strong>der</strong> <strong>chinesischen</strong> <strong>Regierung</strong> – Chancen für die deutsche Wirtschaft?<br />
Man kann also zu <strong>der</strong> Schlussfolgerung gelangen, dass nicht nur die Wirtschaftsleistung,<br />
son<strong>der</strong>n auch die Wirtschaftsstruktur im <strong>West</strong>en <strong>der</strong>zeit<br />
nicht so weit entwickelt ist wie im östlichen China. Noch deutlicher wird<br />
dies bei <strong>der</strong> Betrachtung einzelner Sektoren: Während 2007 <strong>der</strong> <strong>West</strong>en<br />
in den Sektoren Landwirtschaft und Bergbau mit 26% und 29% <strong>der</strong> <strong>chinesischen</strong><br />
Wirtschaftsleistung in diesen Sektoren deutlich über dem BIP-Anteil<br />
von 19% liegt, liegt <strong>der</strong> Anteil <strong>der</strong> produzierenden Industriezweige mit<br />
12% deutlich darunter.<br />
3.4 Industrielle Kerne<br />
Insgesamt zeigen sich neben Bergbau und Landwirtschaft sechs weitere<br />
Industriezweige, in denen sich die Wertschöpfung <strong>der</strong> <strong>West</strong>provinzen deutlich<br />
positiv vom durchschnittlichen Beitrag des <strong>West</strong>ens zum gesamt<strong>chinesischen</strong><br />
Volkseinkommen abhebt und regionale Stärken zeigt:<br />
> In <strong>der</strong> Getränkeindustrie mit 30% <strong>der</strong> gesamt<strong>chinesischen</strong> Wertschöpfung,<br />
vor allem in Sichuan<br />
> In <strong>der</strong> Tabakindustrie mit mehr als einem Drittel <strong>der</strong> gesamt<strong>chinesischen</strong><br />
Wertschöpfung, vor allem in Yunnan<br />
> In <strong>der</strong> Metallverarbeitung (ohne Eisen und Stahl) mit 29% <strong>der</strong> gesamt<strong>chinesischen</strong><br />
Wertschöpfung, vor allem in Yunnan, Gansu und <strong>der</strong><br />
Inneren Mongolei<br />
> Bei <strong>der</strong> Erzeugung von Erdgas, Wasser und Elektrizität mit einem Fünftel<br />
<strong>der</strong> gesamt<strong>chinesischen</strong> Wertschöpfung, vor allem in Sichuan und <strong>der</strong><br />
Inneren Mongolei<br />
> Im Hotel- und Gaststättengewerbe mit einem Fünftel <strong>der</strong> gesamt<strong>chinesischen</strong><br />
Wertschöpfung, vor allem in Sichuan und <strong>der</strong> Inneren Mongolei<br />
> In <strong>der</strong> pharmazeutischen Industrie mit knapp einem Fünftel <strong>der</strong> gesamt<strong>chinesischen</strong><br />
Wertschöpfung, vor allem in Sichuan und Shaanxi<br />
Beim Blick auf die relative Stärke von bestimmten Branchen <strong>der</strong> einzelnen<br />
<strong>West</strong>provinzen im Vergleich zu Gesamtchina fällt auf, dass Sichuan in fast<br />
allen verarbeitenden Branchen, in <strong>der</strong> Landwirtschaft, dem Tourismus sowie<br />
bei kommunalen <strong>Die</strong>nstleistungen unter den <strong>West</strong>provinzen eine führende<br />
Stellung einnimmt; bezogen auf den Anteil am gesamt<strong>chinesischen</strong><br />
BIP spielt die Provinz insbeson<strong>der</strong>e eine Führungsrolle in <strong>der</strong> Getränkeherstellung<br />
(16% <strong>der</strong> gesamt<strong>chinesischen</strong> Wertschöpfung in diesem Bereich).<br />
In vielen an<strong>der</strong>en Branchen zeigt Sichuan im Vergleich zu seinem Anteil am<br />
gesamt<strong>chinesischen</strong> BIP von 3% deutliche Stärken, zum Beispiel im Tourismus<br />
(6%), <strong>der</strong> Pharmaindustrie (6%) o<strong>der</strong> in <strong>der</strong> Landwirtschaft (6%).
80 |<br />
Studie<br />
Darüber hinaus finden sich in einzelnen <strong>West</strong>provinzen wichtige regionale<br />
Industriekerne, die jeweils im Vergleich zum Beitrag <strong>der</strong> Provinz zum BIP<br />
Gesamtchinas überproportional ausgeprägt sind. Dabei sind insbeson<strong>der</strong>e<br />
zu nennen:<br />
> <strong>Die</strong> Verarbeitung landwirtschaftlicher Produkte in Sichuan und Guangxi<br />
und die Lebensmittelproduktion in <strong>der</strong> Inneren Mongolei<br />
> <strong>Die</strong> Medienindustrie in Sichuan und Yunnan<br />
> <strong>Die</strong> kohle- und erdölverarbeitende Industrie in Shaanxi<br />
> <strong>Die</strong> chemische Industrie und die Mineralienverarbeitung in Sichuan<br />
> <strong>Die</strong> Eisen- und Stahlverarbeitung in Sichuan und <strong>der</strong> Inneren Mongolei<br />
> <strong>Die</strong> Automobilindustrie in Chongqing<br />
3.5 Wirtschaftsför<strong>der</strong>ung durch Industrie- und Hightech-Parks<br />
Chinas Wirtschaftsentwicklung ist sehr stark mit dem Auf- und Ausbau von<br />
speziellen Entwicklungszonen verbunden, in den denen die Wirtschaftsför<strong>der</strong>ung<br />
regional fokussiert wird. Schon <strong>der</strong> Beginn <strong>der</strong> Politik <strong>der</strong> ökonomischen<br />
Öffnung Chinas in den 1980er Jahren ist mit <strong>der</strong> Einrichtung von vier<br />
Son<strong>der</strong>wirtschaftszonen verbunden (Shenzen, Zhuhai, Shantou, Xiamen).<br />
Im weiteren Verlauf wurden dann auch in vielen an<strong>der</strong>en Gebieten Chinas<br />
Industrieparks eingerichtet, die gut ausgebaute Infrastruktur anbieten und in<br />
denen spezifische För<strong>der</strong>bedingungen gelten, also etwa reduzierte Ertragssteuersätze<br />
o<strong>der</strong> bestimmte Zoll- und Umsatzsteuerregeln für Importe und<br />
Exporte. <strong>Die</strong> beiden wichtigsten Gruppen von Industrieparks sind die Nationalen<br />
Wirtschafts- und Technologie-Entwicklungszonen (National Economic<br />
and Technological Development Zones, ETDZ) auf <strong>der</strong> einen Seite und die<br />
Nationalen Hightech Entwicklungszonen (National High Tech Industrial<br />
Development Zones, HIDZ) auf <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en Seite. Erstere wurden seit den<br />
1980er Jahren in verschiedenen Städten zur fokussierten Entwicklung <strong>der</strong><br />
lokalen Wirtschaft geschaffen, letztere waren in den 1990er Jahren Ergebnis<br />
des sogenannten "Fackel-Programms", mit dem die chinesische <strong>Regierung</strong><br />
die Technologieentwicklung im Land vorantreiben wollte. <strong>Die</strong> HIDZ sind im<br />
Unterschied zu den ETDZ stärker auf den Austausch mit Forschungseinrichtungen<br />
angelegt.<br />
Heute existieren in ganz China 54 ETDZ, davon 13 in <strong>West</strong>china, und 53<br />
HTDZ, davon 12 in <strong>West</strong>china. Mit wenigen Ausnahmen sind diese Industrie-<br />
und Hightech-Parks in <strong>der</strong> Nähe <strong>der</strong> jeweiligen Provinzhauptstädte<br />
angesiedelt. Bezüglich <strong>der</strong> Anzahl von jeweils etwa einem Fünftel entspricht<br />
die Zahl <strong>der</strong> Entwicklungszonen in <strong>West</strong>china also in etwa dem Anteil <strong>der</strong><br />
Wirtschaftsleistung. In <strong>der</strong> Qualität können aber nur sehr wenige Parks in<br />
<strong>West</strong>china mit den Wettbewerbern im Osten mithalten, wie ein Rating aller<br />
<strong>chinesischen</strong> Industrieparks von www.ChinaKnowlegde.com ergab.
81 |<br />
<strong>Die</strong> <strong>Go</strong>-<strong>West</strong>-<strong>Strategie</strong> <strong>der</strong> <strong>chinesischen</strong> <strong>Regierung</strong> – Chancen für die deutsche Wirtschaft?<br />
Darin wurden die Industrieparks in einem gewichteten Ranking nach Kategorien<br />
wie Wirtschaftsleistung <strong>der</strong> jeweiligen Stadt, Wirtschaftsleistung<br />
des Parks, Kostenstrukturen, Zugang zu qualifiziertem Personal und Park-<br />
Management in sieben Kategorien von AAA (sehr gut) bis C (unbefriedigend)<br />
eingeordnet. Das Abschneiden <strong>der</strong> in den <strong>West</strong>provinzen angesiedelten<br />
Parks ist in Abbildung 20 zusammengefasst.<br />
Es zeigt sich, dass es nur die Parks in Chongqing, Shaanxi und Sichuan in<br />
die Spitzengruppe einer A-Bewertung schaffen, eine ganze Reihe von Parks<br />
im <strong>West</strong>en dagegen in den unteren Kategorien landet – vor allem die Parks<br />
in den wirtschaftlich schwachen Regionen Qinghai, Ningxia und Tibet, aber<br />
auch die in Xinjiang. Auch bezüglich <strong>der</strong> Industrieparks besteht also noch<br />
Nachholbedarf in <strong>West</strong>china.
82 |<br />
Studie<br />
4. Status quo: Außenwirtschaft<br />
4.1 Außenhandel<br />
Beim Außenhandel liegen die <strong>West</strong>provinzen nach wie vor sehr weit hinter<br />
den an<strong>der</strong>en Regionen Chinas zurück: Der Anteil <strong>der</strong> westlichen Provinzen<br />
an den gesamt<strong>chinesischen</strong> Exporten beträgt knapp 4%. Auf <strong>der</strong> Importseite<br />
liegt <strong>der</strong> Anteil ebenfalls nur bei 4%.<br />
Den dominierenden Part im Außenhandel <strong>West</strong>chinas spielen bei den Exporten<br />
die Autonome Region Xinjiang sowie die Provinzen Sichuan und Shaanxi;<br />
die drei Provinzen erreichen zusammen einen Anteil von 50%. <strong>Die</strong> Innere<br />
Mongolei und die Provinzen Sichuan und Guangxi kommen bei den Importen<br />
zusammen auf einen Anteil von 35%. <strong>Die</strong> starke Rolle von Guangxi bei<br />
den Einfuhren lässt sich durch die Küstenlage und die damit verbundene<br />
direkte Anbindung an Seehäfen und internationale Handelsströme erklären.<br />
Analog erklärt sich die große Bedeutung Xinjiangs bzgl. <strong>der</strong> Exporte aus <strong>der</strong><br />
Grenzlage <strong>der</strong> Provinz zu den Zentralasiatischen Republiken Kasachstan,<br />
Kirgisistan, Tadschikistan sowie zu Russland, <strong>der</strong> Mongolei und Indien und<br />
dem daraus entstehenden Handelsverkehr. Ihre Lage und die starke Rolle<br />
im Handel ist einer <strong>der</strong> Hauptgründe für die hohe strategische Bedeutung,<br />
die die chinesische Zentralregierung dieser Autonomen Region beimisst<br />
(siehe Portrait <strong>der</strong> Autonomen Region Xinjiang, Seite 166ff.).<br />
4.2 Ausländische Direktinvestitionen<br />
Zu den zentralen Zielen <strong>der</strong> <strong>chinesischen</strong> <strong>Regierung</strong> im Rahmen <strong>der</strong> <strong>Go</strong>-<br />
<strong>West</strong>-<strong>Strategie</strong> zählt die För<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> ausländischen Direktinvestitionen 11)<br />
in den <strong>West</strong>provinzen. Man könnte dies als Versuch <strong>der</strong> Wie<strong>der</strong>auflage des<br />
Erfolgsmodells interpretieren, das sich bereits in den Küstenregionen Ostchinas<br />
bewährt hat: Hier wurden die Industrialisierung und <strong>der</strong> damit<br />
einhergehende wirtschaftliche Aufschwung überwiegend durch den<br />
Zustrom ausländischen Kapitals getrieben.<br />
Ob beziehungsweise in welchem Umfang es gelungen ist, ausländische<br />
Investoren zu einem Engagement in <strong>West</strong>china zu bewegen, lässt sich<br />
nur im Vergleich mit <strong>der</strong> gesamt<strong>chinesischen</strong> Entwicklung beurteilen: <strong>Die</strong><br />
ausländischen Direktinvestitionen in <strong>der</strong> Volksrepublik China sind in den<br />
zehn Jahren zwischen 1999 und 2008 mit durchschnittlich 10% pro Jahr<br />
sehr dynamisch gewachsen und lagen 2008 bei 92 Mrd. USD.<br />
11) Unter ausländischen Direktinvestitionen sind hier Kapitalanlagen ausländischer natürlicher o<strong>der</strong><br />
juristischer Personen in China zu verstehen, die typischerweise zu einer Kapitalbeteiligung von<br />
über 10% an dem entsprechenden Unternehmen führen.
83 |<br />
<strong>Die</strong> <strong>Go</strong>-<strong>West</strong>-<strong>Strategie</strong> <strong>der</strong> <strong>chinesischen</strong> <strong>Regierung</strong> – Chancen für die deutsche Wirtschaft?<br />
Betrachtet man die Entwicklung <strong>der</strong> ausländischen Direktinvestitionen in<br />
den <strong>West</strong>provinzen, stellt man fest, dass das Gefälle zu Gesamtchina sehr<br />
groß ist. Beim Zustrom ausländischen Kapitals liegt <strong>der</strong> <strong>West</strong>en noch weiter<br />
zurück als bei <strong>der</strong> Wirtschaftsleistung. Allerdings zeichnet sich ein Aufwärtstrend<br />
ab: In den letzten Jahren sind die ausländischen Direktinvestitionen<br />
in <strong>West</strong>china deutlich gestiegen. Sie haben zwischen 2004 und 2008 mit<br />
einer durchschnittlichen jährlichen Wachstumsrate von 35% zugelegt,<br />
während die ausländischen Direktinvestitionen bezogen auf Gesamtchina<br />
um durchschnittlich 11% gewachsen sind.<br />
<strong>Die</strong> wichtigsten Formen ausländischer Direktinvestitionen 12)<br />
> Wholly Foreign Owned Enterprise (WFOE) – Gesellschaft mit ausschließlich<br />
ausländischer Beteiligung<br />
> Equity Joint Venture (EJV) – Gründung erfolgt als haftungsbeschränkte<br />
Gesellschaft <strong>chinesischen</strong> Rechts; Beteiligung des ausländischen Investors<br />
grundsätzlich mindestens 25%; Kapitalstruktur, Einlagen und Gewinnverteilung<br />
entsprechen dem Verhältnis <strong>der</strong> Investitionen <strong>der</strong> Gesellschafter<br />
> Cooperative Joint Venture (CJV)/Contractual Joint Venture – Intention,<br />
Flexibilität für die Zusammenarbeit zwischen ausländischen Investoren und<br />
<strong>chinesischen</strong> Partnern zu ermöglichen; Gesellschaftsform ist vor allem für<br />
Projekte mit beschränkter Laufzeit gedacht<br />
> Nie<strong>der</strong>lassung (Branch) – unselbständige Nie<strong>der</strong>lassung ohne eigene<br />
Rechtspersönlichkeit; nur in bestimmten Bereichen möglich, zum Beispiel<br />
Finanzdienstleistungen<br />
> Personengesellschaften – Gründung von Personengesellschaften durch<br />
ausländische Unternehmen o<strong>der</strong> natürliche Personen; in <strong>der</strong> Praxis <strong>der</strong>zeit<br />
noch schwierig<br />
Der Anteil an allen ausländischen Direktinvestitionen in China, <strong>der</strong> in die<br />
<strong>West</strong>provinzen geflossen ist, hat sich von einer niedrigen Basis ausgehend<br />
zwischen 2005 und 2008 von 8% auf 14% vergrößert. Er liegt damit aber<br />
immer noch deutlich unter dem Anteil, den die westlichen Provinzen an<br />
<strong>der</strong> gesamt<strong>chinesischen</strong> Wertschöpfung erwirtschaften (siehe Abbildung<br />
21). Das heißt, <strong>der</strong> <strong>West</strong>en absorbiert nach wie vor sehr viel weniger<br />
ausländische Direktinvestitionen, als es eigentlich dem Anteil seiner<br />
Wirtschaftsleistung entsprechen würde.<br />
12) <strong>Die</strong> Darstellung erfolgt nach dem Investitionsführer China 2009, hrsg. von DEG, F.A.Z. Institut<br />
und Rödl & Partner, Seite 58 ff.
84 |<br />
Studie<br />
Bei <strong>der</strong> Investitionstätigkeit ausländischer Unternehmen zeichnen sich klare<br />
Schwerpunkte ab: 80% aller Auslandsinvestitionen in <strong>West</strong>china fließen in<br />
die Provinzen Sichuan (26%), Chongqing (22%), in die Innere Mongolei<br />
(21%) und nach Shaanxi (11%).<br />
BASF eröffnet Produktionsstätte für Betonzusatzmittel in Kunming<br />
<strong>Die</strong> BASF AG hat im Mai 2009 in Kunming eine Fabrik für Betonzusatzmittel<br />
eingeweiht. Damit gehört das Unternehmen – es beschäftigt weltweit 97.000<br />
Mitarbeiter, davon 6.300 in China – zu den deutschen Pionieren in <strong>der</strong> von ausländischen<br />
Firmen bislang eher weniger stark frequentierten west<strong>chinesischen</strong><br />
Provinz Yunnan.<br />
Im Segment Construction Chemicals stellt BASF in China bereits seit 1988<br />
Betonzusatzmittel her. <strong>Die</strong> Fabrik in <strong>der</strong> Provinzhauptstadt Kunming ist die<br />
13. Produktionsanlage im Bereich Bauchemie, die das Unternehmen in <strong>der</strong><br />
Volksrepublik errichtet hat. Das 6.500 Quadratmeter große Werksgelände<br />
befindet sich in <strong>der</strong> Kunming State New & High Technology Development Zone<br />
40 Kilometer außerhalb von Kunming. Mit den bereits bestehenden Produktionsstätten<br />
in Chongqing und Chengdu und <strong>der</strong> neuen Fabrik in Kunming will<br />
das deutsche Unternehmen die Nachfrage auf dem wachsenden Markt des<br />
Baugewerbes in dieser Region decken.
85 |<br />
<strong>Die</strong> <strong>Go</strong>-<strong>West</strong>-<strong>Strategie</strong> <strong>der</strong> <strong>chinesischen</strong> <strong>Regierung</strong> – Chancen für die deutsche Wirtschaft?<br />
4.3 Präsenz ausländischer Unternehmen in <strong>West</strong>china<br />
Wie die Zahlen und Fakten zur Entwicklung <strong>der</strong> ausländischen Direktinvestitionen<br />
und des Warenhandels bereits nahelegen, ist die Präsenz ausländischer<br />
Unternehmen in den <strong>West</strong>provinzen weitaus schwächer ausgeprägt<br />
als im Osten Chinas. Von den 286.000 in <strong>der</strong> Volksrepublik registrierten<br />
ausländischen Unternehmen sind nur 16.600 – das entspricht einem Anteil<br />
von 6% – in den westlichen Provinzen präsent. <strong>Die</strong> meisten Unternehmen<br />
mit ausländischer Beteiligung finden sich heute in den Provinzen Sichuan<br />
und Shaanxi sowie in den südlichen Provinzen Yunnan und Guangxi<br />
(siehe Abbildung 22).<br />
Bislang machen sich deutsche Unternehmen rar in <strong>West</strong>china: Von den<br />
knapp 3.600 Unternehmen in <strong>der</strong> Datenbank <strong>der</strong> Deutschen Auslandshandelskammer<br />
in China sind nur 167 (5%) in <strong>West</strong>china registriert. Der Anteil<br />
liegt damit noch knapp unterhalb des Anteils aller ausländischen Unternehmen<br />
in den <strong>West</strong>provinzen (6%). <strong>Die</strong> Verteilung <strong>der</strong> deutschen Unternehmen<br />
innerhalb des <strong>West</strong>ens zeigt dabei – analog zu den Ergebnissen beim<br />
Engagement aller ausländischen Unternehmen in China – einen Schwerpunkt<br />
in den Provinzen Sichuan, Shaanxi und Chongqing (siehe<br />
Abbildung 23).
86 |<br />
Studie<br />
In <strong>der</strong> Branchenverteilung zeigt sich die Dominanz des Maschinenbaus,<br />
dem fast die Hälfte <strong>der</strong> deutschen Unternehmen in <strong>West</strong>china zuzurechnen<br />
ist. Es folgen mit deutlichem Abstand in <strong>der</strong> Bedeutung die Elektronik-,<br />
IT-, Automobil- und Chemiebranche (siehe Abbildung 23). Dass sich trotz<br />
dieser in praktisch allen Dimensionen <strong>der</strong> Außenwirtschaft stark zurückliegenden<br />
Position in <strong>West</strong>china auch Chancen für Unternehmen bieten<br />
können, die die sich in dieser Region entwickelnden Märkte und die spezifischen<br />
Rahmenbedingungen zu nutzen verstehen, soll anhand <strong>der</strong> Beispiele<br />
in den Textkästen in diesem Kapitel und in den Provinzportraits verdeutlicht<br />
werden.<br />
Veolia-Gruppe betreibt zahlreiche Wasseraufbereitungsanlagen in<br />
<strong>West</strong>china<br />
<strong>Die</strong> französische Veolia-Gruppe ist seit 1995 in China in verschiedenen Infrastrukturbereichen<br />
tätig, wobei Projekte in <strong>der</strong> Wasserwirtschaft den Schwerpunkt<br />
bilden. So betreibt <strong>der</strong> internationale Umweltdienstleister mit weltweit<br />
300.000 Mitarbeitern <strong>der</strong>zeit 27 Wassermanagement-Projekte in China,<br />
zum Beispiel für den Stadtbezirk Pudong in Shanghai.<br />
In den <strong>West</strong>provinzen ist Veolia in verschiedenen Projekten aktiv: Das Unternehmen<br />
hat 1998 eine Wasseraufbereitungsanlage in Chengdu errichtet und<br />
ist Betreiber <strong>der</strong> Anlage. Außerdem hat Veolia 2004 die Trinkwasserversorgung<br />
in Hohhot, <strong>der</strong> Hauptstadt <strong>der</strong> Inneren Mongolei, übernommen. Seit 2009<br />
betreibt <strong>der</strong> französische Umweltdienstleister neun Anlagen zur Wasserversorgung<br />
in <strong>der</strong> Provinzhauptstadt von Yunnan, Kunming, und seit 2007 vier Wasseraufbereitungsanlagen<br />
in Lanzhou, <strong>der</strong> Hauptstadt <strong>der</strong> Provinz Guangxi. <strong>Die</strong><br />
<strong>Go</strong>-<strong>West</strong>-<strong>Strategie</strong> kam <strong>der</strong> Expansion von Veolia zugute, denn im Zuge des<br />
Ausbaus <strong>der</strong> Infrastruktur in den <strong>West</strong>provinzen wurden die kommunalen<br />
Versorgungsnetze stark erweitert und mo<strong>der</strong>nisiert.
87 |<br />
<strong>Die</strong> <strong>Go</strong>-<strong>West</strong>-<strong>Strategie</strong> <strong>der</strong> <strong>chinesischen</strong> <strong>Regierung</strong> – Chancen für die deutsche Wirtschaft?<br />
5. Status quo: Rahmenbedingungen für ausländische Firmen in <strong>West</strong>china<br />
5.1 Rahmenbedingungen in China insgesamt<br />
<strong>Die</strong> <strong>West</strong>provinzen sind ein Teil Chinas. Das heißt, die Rahmenbedingungen<br />
und Spielregeln, denen ausländische Unternehmen bei ihrer Geschäftstätigkeit<br />
in <strong>der</strong> Volksrepublik unterworfen werfen, gelten für den <strong>West</strong>en und<br />
den Osten gleichermaßen. <strong>Die</strong> Studie "German Business Expansion in China<br />
2008-2010", die die Deutsche Handelskammer China veröffentlicht hat,<br />
gibt einen Überblick, wie deutsche Unternehmen ihre Lage und Perspektiven<br />
in China einschätzen. Für diese Publikation wurde ein repräsentatives<br />
Sample <strong>der</strong> rund 4.500 deutschen Unternehmen befragt, die mittlerweise<br />
in China aktiv sind.<br />
<strong>Die</strong> befragten Unternehmen kommen zu <strong>der</strong> Einschätzung, dass sich die<br />
Rahmenbedingungen für ihre Geschäftstätigkeit insgesamt verbessert haben.<br />
<strong>Die</strong> große Mehrheit <strong>der</strong> deutschen Unternehmen (80%) gibt an, dass die<br />
Ziele ihres China-Engagements erreicht, wenn nicht sogar übertroffen<br />
wurden.<br />
Auch <strong>der</strong> Blick in die Zukunft fällt in <strong>der</strong> Studie "German Business Expansion<br />
in China 2008-2010" positiv aus: Etwa zwei Drittel <strong>der</strong> Firmen rechnen<br />
mit wachsenden Marktchancen. Außerdem erwarten sie, dass sich die<br />
Möglichkeiten verbessern, lokale Zulieferer in ihre Wertschöpfungsketten<br />
einzubinden. Fast alle Unternehmen (90%) <strong>der</strong> Stichprobe beabsichtigen,<br />
ihre Aktivitäten in China auszuweiten. Allerdings erwarten sie steigende<br />
Arbeits- und Energiekosten. Mehr als die Hälfte glaubt, dass sich die steuerlichen<br />
Bedingungen verschlechtern werden, über 40% rechnen mit einer<br />
Intensivierung des Wettbewerbs.<br />
Obwohl die Perspektiven auf dem <strong>chinesischen</strong> Markt nach wie vor positiv<br />
eingeschätzt werden, beklagen die im Rahmen <strong>der</strong> Studie "German Business<br />
Expansion in China 2008-2010" befragten Unternehmen einige Hin<strong>der</strong>nisse,<br />
mit denen sie bei ihrer Geschäftstätigkeit konfrontiert sind: Als "Problem<br />
o<strong>der</strong> großes Problem" bezeichnen 80% <strong>der</strong> Umfrageteilnehmer die<br />
Rechtssicherheit und die Einhaltung von Vereinbarungen. 75% klagen über<br />
den Mangel an qualifiziertem Personal. Ebenso viele Unternehmen sehen<br />
die Verletzung gewerblicher Schutzrechte sowie Bürokratie als "Problem<br />
o<strong>der</strong> großes Problem". Korruption wird als weniger gravierend wahrgenommen<br />
als in <strong>der</strong> Vergangenheit, aber immerhin zwei Drittel <strong>der</strong> Befragten<br />
bewerten sie noch als erschwerenden Faktor für die Geschäftstätigkeit.
88 |<br />
Studie<br />
Generell gehen die Firmen (90%) jedoch davon aus, dass sich die Rahmenbedingungen<br />
in China verbessern o<strong>der</strong> zumindest stabil bleiben. Skepsis<br />
zeigen sie jedoch bei den Themen Rechtssicherheit und Einhaltung von<br />
Vereinbarungen: Hier glauben nur 20% beziehungsweise 30% <strong>der</strong> Befragten<br />
an eine Verbesserung <strong>der</strong> Situation. Fast drei Viertel <strong>der</strong> Unternehmen<br />
beabsichtigen, ihre Beschäftigtenzahl zu erhöhen. Mehr als die Hälfte plant,<br />
beim Einkauf den lokalen Anteil auszuweiten und mehr Forschung vor Ort<br />
zu betreiben; aber nur 20% haben vor, eine eigene Produktion in China<br />
aufzubauen.<br />
<strong>Die</strong> grundsätzliche Zuversicht in die Entwicklung des <strong>chinesischen</strong> Marktes<br />
hat bislang auch die Wirtschaftskrise nicht nachhaltig erschüttert: Wie die<br />
im Sommer 2009 durchgeführte "China Business Confidence Survey" <strong>der</strong><br />
Auslandshandelskammern in China ergab, schätzen die deutschen Unternehmen<br />
in <strong>der</strong> Volksrepublik ihre Lage nach wie vor positiv ein. Fast drei<br />
Viertel <strong>der</strong> Befragten, darunter viele kleine und mittelständische Betriebe,<br />
gehen davon aus, dass sich die chinesische Wirtschaft im ersten Halbjahr<br />
2010 wie<strong>der</strong> erholen wird. Viele Unternehmen gaben an, dass sie Umsatzeinbußen<br />
im Exportgeschäft durch höhere Absätze auf dem <strong>chinesischen</strong><br />
Markt zumindest teilweise kompensieren konnten.<br />
5.2 Rahmenbedingungen in <strong>West</strong>china im Speziellen<br />
Was die Rahmenbedingungen anbelangt, so werden die Aufnahme und die<br />
Ausübung einer Geschäftstätigkeit in den <strong>West</strong>provinzen immer noch als<br />
schwieriger beurteilt als in Ostchina. Zu diesem Ergebnis kommt die Weltbank-Studie<br />
"Doing Business in China 2008": <strong>Die</strong> Gründung eines Unternehmens<br />
dauert mit durchschnittlich 45 Tagen länger als im Osten (39<br />
Tage). Ähnlich verhält es sich mit <strong>der</strong> Zeit, die die Registrierung von Eigentum<br />
(57 Tage im <strong>West</strong>en vs. 50 Tage im Osten), die Registrierung von<br />
Kreditgarantien (21 Tage im <strong>West</strong>en vs. 14 Tage im Osten) und zur Durchsetzung<br />
von Verträgen vor Gericht (351 Tage im <strong>West</strong>en vs. 300 Tage im<br />
Osten) in Anspruch nehmen. Im Rahmen dieser Weltbank-Studie erhalten<br />
Sichuan, Chongqing und Shaanxi nicht nur die besten Platzierungen unter<br />
allen <strong>West</strong>provinzen; sie schneiden im Schnitt auch besser ab als die ost<strong>chinesischen</strong><br />
Provinzen (siehe Abbildung 24).
89 |<br />
<strong>Die</strong> <strong>Go</strong>-<strong>West</strong>-<strong>Strategie</strong> <strong>der</strong> <strong>chinesischen</strong> <strong>Regierung</strong> – Chancen für die deutsche Wirtschaft?<br />
5.3 Wesentliche Motive für das Engagement ausländischer Unternehmen<br />
in <strong>West</strong>china<br />
Im Rahmen <strong>der</strong> Studie "German Business Expansion in China 2008-2010"<br />
nannten die befragten Unternehmen im Wesentlichen die folgenden Motive<br />
für ihr China-Engagement:<br />
> Der überwiegende Teil <strong>der</strong> befragten deutschen Unternehmen (80%) gibt<br />
an, dass die Größe des <strong>chinesischen</strong> Absatzmarktes das ausschlaggebende<br />
Argument für den Schritt nach China war.<br />
> Mehr als 40% <strong>der</strong> Firmen unternahmen den Schritt auf den <strong>chinesischen</strong><br />
Markt, weil sie einem Kunden nachgefolgt sind.<br />
> Für etwa ein Drittel <strong>der</strong> Unternehmen war <strong>der</strong> kostengünstige Einkauf<br />
das Motiv für eine Geschäftstätigkeit in China. Rund 40% <strong>der</strong> Firmen<br />
führen die niedrigen Produktionskosten als Grund an.<br />
> Der Exportanteil <strong>der</strong> deutschen Unternehmen mit einer Produktionsstätte<br />
in China liegt im Durchschnitt bei knapp 30%. <strong>Die</strong>s stützt die<br />
Einschätzung, dass die meisten Firmen aus Deutschland die Perspektiven<br />
auf dem <strong>chinesischen</strong> Absatzmarkt als Hauptmotiv ihrer China-Aktivitäten<br />
betrachten.
90 |<br />
Studie<br />
<strong>Die</strong> Unternehmensinterviews, die für die vorliegende Studie geführt wurden,<br />
machten deutlich, dass das Engagement in <strong>West</strong>china im Prinzip auf einer<br />
ähnlichen Motivationslage basiert. Unterschiede gibt es allenfalls bei <strong>der</strong><br />
Gewichtung <strong>der</strong> einzelnen Faktoren: So werden die Marktchancen als<br />
bedeutsamer eingeschätzt, die Kostenposition dagegen als weniger relevant.<br />
Der lokale Einkauf spielt – sofern es nicht um den Bezug von Rohstoffen<br />
geht – eine eher geringe Rolle. Gleicht man diese Motivationslage mit dem<br />
Stärken-Schwächen-Profil <strong>der</strong> <strong>West</strong>provinzen ab, so zeigt sich, dass <strong>der</strong><br />
<strong>West</strong>en eher in den Bereichen punkten kann, die von den Unternehmen<br />
als weniger wichtig betrachtet werden (siehe Abbildung 25).<br />
Überraschend wenig Bedeutung messen die befragten Unternehmen <strong>der</strong><br />
vorhandenen politischen Unterstützung und <strong>der</strong> Wirtschaftsför<strong>der</strong>ung zu.<br />
<strong>Die</strong>s wird nicht als beson<strong>der</strong>er Mehrwert <strong>der</strong> <strong>West</strong>provinzen betrachtet, da<br />
viele an<strong>der</strong>e Standorte in China ähnliche Konditionen bieten. Auch Kostenfaktoren<br />
sind in <strong>der</strong> Regel eher in zweiter Linie relevant für ein Engagement<br />
im <strong>West</strong>en. <strong>Die</strong> (stark verbesserte) Infrastruktur ist eher ein "hygienischer"<br />
Faktor: Sie wird als notwendige Voraussetzung angesehen und nicht als<br />
Differenzierungsmerkmal, das den Ausschlag für eine Standortentscheidung<br />
zugunsten <strong>der</strong> <strong>West</strong>provinzen geben könnte.
91 |<br />
<strong>Die</strong> <strong>Go</strong>-<strong>West</strong>-<strong>Strategie</strong> <strong>der</strong> <strong>chinesischen</strong> <strong>Regierung</strong> – Chancen für die deutsche Wirtschaft?<br />
5.4 Beson<strong>der</strong>e Herausfor<strong>der</strong>ungen für ausländische Unternehmen<br />
in <strong>West</strong>china<br />
Bei einem Engagement in den <strong>West</strong>provinzen nehmen die in den Interviews<br />
befragten Unternehmen spezifische Hürden und Hin<strong>der</strong>nisse wahr:<br />
> Das Qualifikationsniveau des Personals ist typischerweise wesentlich<br />
schlechter als an <strong>der</strong> Ostküste. Ausländische Unternehmen müssen also<br />
deutlich mehr Zeit für Aus- und Weiterbildung investieren – und laufen<br />
häufig Gefahr, dass manche Beschäftigte ihre Tätigkeit nur als Sprungbrett<br />
für einen Stellenwechsel an die Ostküste nutzen.<br />
> Nur wenige Expatriates sind bisher nach <strong>West</strong>china gezogen, dementsprechend<br />
klein – o<strong>der</strong> in vielen Städten überhaupt nicht existent – sind die<br />
sozialen Zirkel, in denen sich ausländische Mitarbeiter bewegen können.<br />
<strong>Die</strong> Bereitschaft von Expatriates, eine Tätigkeit in den westlichen Provinzen<br />
aufzunehmen, ist deshalb eher gering. Übrigens verlangen auch viele<br />
chinesische Führungskräfte eine Art "<strong>West</strong>zuschlag", um ihren Wirkungskreis<br />
von den Ost- in die <strong>West</strong>provinzen zu verlegen.<br />
> Lokale Behörden und Partner im <strong>West</strong>en haben häufig weniger Erfahrung<br />
im Umgang mit Auslän<strong>der</strong>n und ausländischen Unternehmen. Dementsprechend<br />
langwierig gestalten sich manche Prozesse, die zudem in <strong>der</strong> Regel<br />
einen größeren persönlichen Einsatz erfor<strong>der</strong>n als in den Ostprovinzen.<br />
> Der Aufbau langfristiger und intensiver persönlicher Beziehungen ist im<br />
<strong>West</strong>en meist noch wichtiger für den Geschäftserfolg als im östlichen<br />
China – das erfor<strong>der</strong>t Zeit und Geduld.<br />
> <strong>Die</strong> enormen Entfernungen und die an<strong>der</strong>en logistischen Herausfor<strong>der</strong>ungen<br />
aufgrund <strong>der</strong> geografischen Gegebenheiten machen den <strong>West</strong>en<br />
im Wesentlichen nur für die Bedienung des lokalen Marktes interessant.<br />
<strong>Die</strong> Märkte außerhalb <strong>der</strong> Ballungszentren sind aber noch wenig entwickelt.<br />
Aus Sicht <strong>der</strong> ausländischen Unternehmen kann <strong>der</strong> <strong>West</strong>en jedoch mit<br />
einem Vorzug aufwarten: Das Thema <strong>der</strong> gewerblichen Schutz- und Urheberrechte<br />
wird hier im Schnitt als weniger problematisch eingestuft als in<br />
Ostchina: Da Verletzungen <strong>der</strong> geistigen Eigentumsrechte typischerweise<br />
vor allem bei Produkten auftreten, die exportiert werden, wirkt sich die<br />
deutlich geringer Exportorientierung <strong>der</strong> Wirtschaft in den <strong>West</strong>provinzen<br />
diesbezüglich positiv aus. Außerdem gibt es aus <strong>der</strong> Perspektive <strong>der</strong> befragten<br />
Unternehmen im <strong>West</strong>en weniger hinreichend qualifizierte und motivierte<br />
Player, die Produkte kopieren.
92 |<br />
Studie<br />
Insgesamt lässt sich festhalten, dass sich aus Sicht <strong>der</strong> Unternehmen die<br />
Rahmenbedingungen in <strong>West</strong>china nicht grundsätzlich o<strong>der</strong> extrem, son<strong>der</strong>n<br />
eher graduell und bezüglich einiger Spezifika von denen in an<strong>der</strong>en<br />
Regionen Chinas unterscheiden.<br />
5.5 Stärken und Schwächen <strong>der</strong> <strong>West</strong>provinzen<br />
<strong>Die</strong> wesentlichen eruierten Stärken und Schwächen <strong>der</strong> <strong>West</strong>provinzen<br />
können nun summarisch zusammengefasst werden (siehe Abbildung 26)<br />
6. <strong>Die</strong> zweite Phase <strong>der</strong> <strong>Go</strong>-<strong>West</strong>-<strong>Strategie</strong>: Blick in die Zukunft<br />
6.1 Zehn Jahre <strong>Go</strong>-<strong>West</strong>-<strong>Strategie</strong>: Zwischenbilanz<br />
Im Sommer 2009 arbeitet man bei <strong>der</strong> Nationalen Entwicklungs- und<br />
Reformkommission an einer Bestandsaufnahme <strong>der</strong> im 11. Fünfjahresplan<br />
vorgesehenen Maßnahmen für die <strong>West</strong>provinzen und an einer Novellierung<br />
<strong>der</strong> <strong>Go</strong>-<strong>West</strong>-<strong>Strategie</strong>. In den Prozess <strong>der</strong> Evaluierung des Erreichten<br />
und <strong>der</strong> Ausarbeitung neuer Maßnahmen ist auch eine Vielzahl von externen<br />
Experten und Forschungseinrichtungen eingebunden, so etwa die<br />
chinesische Akademie <strong>der</strong> Wissenschaften.<br />
<strong>Die</strong> chinesische <strong>Regierung</strong> hebt in ihrer bisherigen offiziellen Bewertung die<br />
positiven Effekte <strong>der</strong> <strong>Go</strong>-<strong>West</strong>-<strong>Strategie</strong> hervor: Erfolge seien insbeson<strong>der</strong>e<br />
bei <strong>der</strong> Infrastrukturentwicklung, dem Wirtschaftswachstum, <strong>der</strong> Erhöhung<br />
<strong>der</strong> Haushaltseinkommen sowie durch die Verän<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Wirtschafts-
93 |<br />
<strong>Die</strong> <strong>Go</strong>-<strong>West</strong>-<strong>Strategie</strong> <strong>der</strong> <strong>chinesischen</strong> <strong>Regierung</strong> – Chancen für die deutsche Wirtschaft?<br />
struktur – stärkere Entwicklung <strong>der</strong> Industrieproduktion relativ zur Landwirtschaft<br />
– erzielt worden. Es wurden auch in <strong>der</strong> Tat einige messbare<br />
Fortschritte erreicht. Beispielhaft sei hier angeführt, dass sich <strong>der</strong> Human<br />
Development Index <strong>der</strong> Vereinten Nationen für die <strong>West</strong>provinzen zwischen<br />
1999 und 2008 von im Schnitt 0,59 auf 0,72 verbessert hat. Damit<br />
hat <strong>der</strong> <strong>West</strong>en fast das Niveau erreicht, das die Ostprovinzen im Jahr<br />
1999 hatten. Heute stehen diese mit einem HDI von 0,82 schon jenseits<br />
<strong>der</strong> Schwelle von 0,8, ab <strong>der</strong> man bei einem Land von einem hohem<br />
Entwicklungsstand spricht.<br />
Auch auf Provinzebene werden hauptsächlich Erfolge berichtet. So zeigt sich<br />
in einer Analyse <strong>der</strong> Planumsetzung im 10. Fünfjahresplan, dass alle Provinzen<br />
die in den Fünfjahresplänen vorgesehenen Ziele weitestgehend erfüllt<br />
haben (siehe Abbildung 27). Betrachtet wurden die Kategorien ökonomische<br />
Entwicklung, soziale Entwicklung, Infrastrukturentwicklung, Industrieansiedlung,<br />
Umwelt und die grundsätzliche Datentransparenz beziehungsweise<br />
Datenverfügbarkeit. Im Ergebnis zeigen sich nur sehr geringe<br />
Schwankungen <strong>der</strong> erzielten Werte im Vergleich zur 100-Prozent-Planerfüllung<br />
und keine signifikanten Abweichungen zwischen den Provinzen – die<br />
Rangfolge ist daher wenig aussagekräftig. Allerdings ist davon auszugehen,<br />
dass im offiziellen <strong>chinesischen</strong> Reporting-Mechanismus im Regelfall eine<br />
volle Zielerreichung berichtet wird, gegebenenfalls mit entsprechen<strong>der</strong><br />
Anpassung <strong>der</strong> Daten. <strong>Die</strong> Aussagefähigkeit dieser Berichte für einen<br />
systematischen Vergleich <strong>der</strong> Provinzen ist daher eingeschränkt.<br />
Das Beispiel zeigt aber deutlich eine wichtige Beobachtung: We<strong>der</strong> bei <strong>der</strong><br />
Definition spezifischer Zielstellungen und Programme noch in <strong>der</strong> politischen<br />
Zielerreichung lassen sich extreme Unterschiede zwischen den Provinzen<br />
feststellen, beziehungsweise die Unterschiede erweisen sich als
94 |<br />
Studie<br />
so gering, dass sie wenig Aussagekraft für einen Standortvergleich haben.<br />
Es muss aber generell festgehalten werden – dies hat die Darstellung in<br />
den vorangehenden Kapiteln gezeigt –, dass zehn Jahre nach dem Start<br />
<strong>der</strong> <strong>Go</strong>-<strong>West</strong>-<strong>Strategie</strong> in vielen Bereichen noch ein erheblicher Abstand<br />
zwischen den <strong>West</strong>provinzen und den wohlhaben<strong>der</strong>en Ostprovinzen klafft:<br />
Paradigmatisch hierfür ist, dass bei einem Bevölkerungsanteil von 28% das<br />
Bruttoinlandsprodukt des <strong>West</strong>ens immer noch nur 19% <strong>der</strong> gesamt<strong>chinesischen</strong><br />
Wirtschaftsleistung ausmacht – es hat sich also im Vergleich zu 1999<br />
nicht verbessert. Schlaglichtartig kann die immer noch problematische<br />
Situation <strong>West</strong>chinas innerhalb <strong>der</strong> Volksrepublik in <strong>der</strong> Abbildung 28<br />
zusammengefasst werden.<br />
In einem Interview mit dem US-Magazin "Newsweek" im Oktober 2008<br />
hat Ministerpräsident Wen Jiabao auch klar benannt, dass die Disparitäten<br />
<strong>der</strong> sozialen und ökonomischen Entwicklung innerhalb <strong>der</strong> Volksrepublik<br />
nach wie vor ein gravierendes Problem darstellen: "Obwohl China mit einer<br />
Bevölkerung von 1,3 Milliarden Menschen in den vergangenen Jahren<br />
durch die Reform- und Öffnungsbemühungen eine sehr schnelle ökonomische<br />
und soziale Entwicklung durchlaufen hat, steht es immer noch vor<br />
<strong>der</strong> Herausfor<strong>der</strong>ung von starken Ungleichgewichten in <strong>der</strong> Entwicklung<br />
zwischen den Regionen und zwischen Stadt und Land (…) China bleibt<br />
ein Entwicklungsland."
95 |<br />
<strong>Die</strong> <strong>Go</strong>-<strong>West</strong>-<strong>Strategie</strong> <strong>der</strong> <strong>chinesischen</strong> <strong>Regierung</strong> – Chancen für die deutsche Wirtschaft?<br />
In ihrer Einschätzung <strong>der</strong> <strong>Go</strong>-<strong>West</strong>-<strong>Strategie</strong> umreißt die chinesische <strong>Regierung</strong><br />
relativ klar diejenigen Problemfel<strong>der</strong>, die die politische Führung <strong>der</strong><br />
Volksrepublik China auch in den nächsten Jahren vor erhebliche Herausfor<strong>der</strong>ungen<br />
stellen wird:<br />
> Im Vergleich zur Infrastrukturentwicklung ist die Entwicklung <strong>der</strong><br />
Industrieproduktion noch zurückgeblieben.<br />
> <strong>Die</strong> Industriestruktur ist noch relativ wenig diversifiziert. Nach wie<br />
vor dominieren Grundstoffe und die Grundstoffverarbeitung.<br />
> Es wird kritisch hinterfragt, ob die Steueranreize für Auslandsinvestitionen<br />
ein hinreichend attraktives Instrument darstellen, um das Engagement<br />
ausländischer Unternehmen in den <strong>West</strong>provinzen zu för<strong>der</strong>n.<br />
> Das Geschäftsklima und die Rahmenbedingungen für die Geschäftstätigkeit<br />
von Unternehmen entsprechen noch nicht den Standards, die in<br />
den Küstenregionen inzwischen üblich sind.<br />
> Das Wirtschaftsleben in den westlichen Provinzen wird immer noch<br />
maßgeblich von den Aktivitäten <strong>der</strong> Staatsbetriebe bestimmt. Kleine und<br />
mittelständische Unternehmen im Privateigentum sind nach wie vor<br />
unterrepräsentiert.<br />
> Als weitere Schwierigkeit zeichnet sich ab, dass die Auswirkungen <strong>der</strong><br />
Finanz- und Wirtschaftkrise auch die Entwicklung <strong>der</strong> <strong>West</strong>provinzen<br />
beeinflussen werden.<br />
Defizite sind außerdem bei <strong>der</strong> Umsetzung einzelner Ziele <strong>der</strong> <strong>Go</strong>-<strong>West</strong>-<strong>Strategie</strong><br />
vor Ort festzustellen: Auf <strong>der</strong> Provinzebene haben sich die Rahmenbedingungen<br />
für eine Geschäftstätigkeit von Unternehmen bisher kaum verbessert.<br />
<strong>Die</strong>s ergab eine Studie <strong>der</strong> Weltbank, die die Reformbemühungen <strong>der</strong><br />
einzelnen Provinzen für die Jahre 2006 und 2007 untersucht hat. In die<br />
Analyse einbezogen waren Kriterien wie <strong>der</strong> Aufwand bei <strong>der</strong> Unternehmensgründung,<br />
Aufwand zur Registrierung von Eigentum, Zugang zu<br />
Krediten und Durchsetzbarkeit von Verträgen. Ergebnis <strong>der</strong> Studie: An<strong>der</strong>s<br />
als in den Ostprovinzen zeigten die Provinzregierungen im <strong>West</strong>en wenig<br />
Initiative, um die Situation auf diesen vier Fel<strong>der</strong>n durch entsprechende<br />
gesetzliche Regelungen zu verbessern. Chongqing ist hier die Ausnahmeerscheinung:<br />
Hier wurden in allen vier Bereichen Maßnahmen ergriffen,<br />
um die Geschäftsbedingungen attraktiver zu gestalten.
96 |<br />
Studie<br />
<strong>Die</strong> <strong>Go</strong>-<strong>West</strong>-<strong>Strategie</strong> muss also fortgeschrieben werden, da ihre Ziele noch<br />
bei weitem nicht erreicht sind. Dazu bereitet die <strong>Regierung</strong> aktuell neue<br />
Initiativen vor. Seit Ende 2008 hat die <strong>Go</strong>-<strong>West</strong>-<strong>Strategie</strong> mit zwei wichtigen<br />
<strong>Regierung</strong>sprogrammen neuen Rückenwind bekommen, dem <strong>chinesischen</strong><br />
Konjunkturprogramm als Reaktion auf die Finanz- und Wirtschaftskrise<br />
und dem Zehn-Industrien-Revitalisierungsplan.<br />
6.2 Das chinesische Konjunkturprogramm<br />
Das im November 2008 aufgelegte chinesische "4 Billionen-Konjunkturprogramm"<br />
kommt überwiegend den <strong>West</strong>provinzen zugute. Wesentliche<br />
Bestandteile dieses Konjunkturpakets sind auf <strong>West</strong>china ausgerichtet (siehe<br />
Übersicht in Abbildung 29) und zielen auf die Beschleunigung beziehungsweise<br />
die Erweiterung von Maßnahmen, die bereits im aktuellen Fünfjahresplan<br />
aufgenommen waren. Dazu gehört <strong>der</strong> forcierte Aufbau von Transport-<br />
und Infrastrukturprojekten, unter an<strong>der</strong>em <strong>der</strong> <strong>West</strong>-Ost-Gaspipelines.<br />
Ein hoher Stellenwert wird auch den Wie<strong>der</strong>aufbaumaßnahmen in <strong>der</strong><br />
Provinz Sichuan eingeräumt, um die Beseitigung <strong>der</strong> von dem Erdbeben<br />
2008 verursachten Schäden zu beschleunigen (Details dazu im Portrait<br />
<strong>der</strong> Provinz Sichuan ab Seite 129).<br />
Außerdem ist im Konjunkturprogramm die Unterstützung strukturschwacher<br />
Gebiete durch den Wohnungsbau und den Aufbau beziehungsweise<br />
die Mo<strong>der</strong>nisierung lokaler Infrastruktur sowie durch Umweltschutzprojekte<br />
vorgesehen.<br />
Allein die Maßnahmen zur Beschleunigung von Transport- und Infrastrukturprojekten<br />
sowie für den Wie<strong>der</strong>aufbau in <strong>der</strong> Provinz Sichuan umfassen<br />
ein Volumen von 2,5 Billionen CNY. <strong>Die</strong>s entspricht fast zwei Dritteln des<br />
Gesamtumfangs des Konjunkturpakets (siehe Abbildung 29). Angesichts<br />
dieser Dimensionierung ist zu erwarten, dass von dem "4 Billionen-Konjunkturprogramm"<br />
noch einmal ein deutlicher Impuls für die Entwicklung<br />
<strong>der</strong> Infrastruktur gerade in den <strong>West</strong>provinzen ausgeht.
97 |<br />
<strong>Die</strong> <strong>Go</strong>-<strong>West</strong>-<strong>Strategie</strong> <strong>der</strong> <strong>chinesischen</strong> <strong>Regierung</strong> – Chancen für die deutsche Wirtschaft?<br />
<strong>Die</strong> stark ausgeprägte Fokussierung auf Infrastrukturmaßnahmen ist ein<br />
auffallendes Merkmal des <strong>chinesischen</strong> Konjunkturprogramms – beson<strong>der</strong>s<br />
dann, wenn man einen Vergleich zu den Konjunkturprogrammen <strong>der</strong> westlichen<br />
Industriestaaten anstellt, bei denen die Stärkung des privaten Konsums<br />
ein wichtiges Element darstellt. <strong>Die</strong> Ankurbelung <strong>der</strong> privaten Nachfrage<br />
spielt dagegen in den konjunkturbelebenden Maßnahmen <strong>der</strong><br />
<strong>chinesischen</strong> <strong>Regierung</strong> eine Nebenrolle.<br />
Nach Informationen <strong>der</strong> <strong>chinesischen</strong> <strong>Regierung</strong> wurden bis Frühjahr<br />
2009 circa 1 Mrd. CNY ausgegeben. Man kann davon ausgehen, dass<br />
das "4 Billionen-Konjunkturprogramm" aktuell deutlich zur Stabilisierung<br />
des Wirtschaftswachstums beiträgt.<br />
6.3 Der Zehn-Industrien-Revitalisierungsplan<br />
Als Ergänzung zum Konjunkturpaket hat die chinesische <strong>Regierung</strong> im<br />
Frühjahr 2009 den sogenannten "Zehn-Industrien-Revitalisierungsplan"<br />
vorgelegt. <strong>Die</strong> dabei in den Fokus genommenen Branchen <strong>der</strong> Industrieproduktion<br />
(außer Logistik) tragen heute einen Anteil von 40% zum<br />
<strong>chinesischen</strong> Bruttoinlandsprodukt bei:
98 |<br />
Studie<br />
> Automobilbau<br />
> Eisen- und Stahlverarbeitung<br />
> Textilindustrie<br />
> Maschinen- und Anlagenbau<br />
> Schiffbau<br />
> Elektronik und Informationstechnologie<br />
> Konsumgüter<br />
> Petrochemie<br />
> Metallverarbeitung (ohne Eisen und Stahl)<br />
> Logistik<br />
Um diese Industriezweige zu för<strong>der</strong>n, wurde ein umfassendes Maßnahmenpaket<br />
geschnürt. Seine Elemente setzen im Wesentlichen an den Hebeln<br />
Nachfrage, Kontrolle <strong>der</strong> Produktionskapazitäten und Mo<strong>der</strong>nisierung <strong>der</strong><br />
Produktion an:<br />
> Zur Stabilisierung <strong>der</strong> Nachfrage sind zum Beispiel Subventionen für den<br />
Kauf von Nutzfahrzeugen in <strong>der</strong> Landwirtschaft und Steuerermäßigungen<br />
beim Kauf von Kleinwagen vorgesehen. Außerdem ist eine Reihe<br />
weiterer Initiativen angelaufen. Dazu gehört die Stärkung <strong>der</strong> lokalen<br />
Automobilbranche durch die öffentliche Hand, die verstärkt chinesische<br />
Modelle kauft. <strong>Die</strong> Kreditzinsen für die Fahrzeugfinanzierung wurden<br />
gesenkt. Um den Konsum anzukurbeln, wurden die Verbrauchssteuern<br />
auf in China produzierte Weine und Spirituosen, Kosmetikprodukte,<br />
Schmuck und Luxusuhren gesenkt; gleichzeitig wurden die Importzölle<br />
für ausländische Produkte angehoben. Mit dem Ankauf von 590.000<br />
Tonnen Aluminium, 59.000 Tonnen Zink und 30 Tonnen Indium trat<br />
die <strong>Regierung</strong> auf dem Rohstoffsektor unmittelbar als Nachfrager in<br />
Erscheinung.<br />
> Um die angestrebte Verbesserung <strong>der</strong> Industriestruktur nicht zu konterkarieren,<br />
sind Maßnahmen zur Kontrolle <strong>der</strong> Produktionskapazitäten<br />
vorgesehen. Eine weitere Expansion in <strong>der</strong> Eisen- und Stahlindustrie<br />
soll verhin<strong>der</strong>t werden; stattdessen ist ein Abbau beziehungsweise eine<br />
Konsolidierung geplant: <strong>Die</strong> Kapazität <strong>der</strong> Stahlerzeugung soll um mindestens<br />
100 Mio. Tonnen verringert werden. Schwerpunkte werden dagegen<br />
auf den Ausbau <strong>der</strong> Produktionskapazitäten im Spezialanlagenbau<br />
gesetzt. Außerdem sind Anreize zur Konsolidierung in den Branchen<br />
Automobilindustrie, Metallverarbeitung und Schiffbau vorgesehen: So<br />
soll in <strong>der</strong> Automobilindustrie die Zahl <strong>der</strong> Anbieter von vierzehn auf<br />
zehn zurückgehen. Alle Pläne zum Ausbau <strong>der</strong> Werften sind für die<br />
nächsten drei Jahre gestoppt.
99 |<br />
<strong>Die</strong> <strong>Go</strong>-<strong>West</strong>-<strong>Strategie</strong> <strong>der</strong> <strong>chinesischen</strong> <strong>Regierung</strong> – Chancen für die deutsche Wirtschaft?<br />
> Durch den Einsatz neuer Technologien sollen Produktionsanlagen und<br />
-prozesse mo<strong>der</strong>nisiert werden. Entsprechende Maßnahmen sind unter<br />
an<strong>der</strong>em für die Automobilindustrie, in den Branchen Elektronik und<br />
Informationstechnologie sowie in <strong>der</strong> Textilindustrie geplant. Hier soll<br />
<strong>der</strong> Fokus auf Industrietextilien und Hightech-Materialien liegen. Für die<br />
Automobilindustrie werden 10 Mrd. CNY bereitgestellt, um Innovationen<br />
und die Entwicklung von Fahrzeugen mit alternativen Antrieben zu<br />
unterstützen. Im Maschinenbau ist die För<strong>der</strong>ung von Zielindustrien<br />
vorgesehen; zu ihnen gehören unter an<strong>der</strong>em erneuerbare Energien,<br />
Kraftwerkstechnik, Hochspannungs- und Stromübertragungstechnik,<br />
Hochgeschwindigkeits-Schienensysteme und städtische Verkehrssysteme.<br />
Wie sich zeigt, weisen die im Zehn-Industrien-Revitalisierungsprogramm<br />
adressierten Branchen eine hohe Korrelation mit denjenigen Wirtschaftszweigen<br />
auf, die bereits das ökonomische Profil <strong>der</strong> <strong>West</strong>provinzen prägen<br />
beziehungsweise in diesen Regionen beson<strong>der</strong>s geför<strong>der</strong>t werden sollen.<br />
So umfasst <strong>der</strong> Bereich Logistik unter an<strong>der</strong>em die För<strong>der</strong>ung von regionalen<br />
Logistikzentren auf <strong>der</strong> Achse Xi'an-Lanzhou-Ürümqi und Chengdu-<br />
Chongqing.<br />
6.4 Weiterentwicklung <strong>der</strong> <strong>Go</strong>-<strong>West</strong>-<strong>Strategie</strong><br />
Im Sommer 2009 hat die chinesische Zentralregierung angekündigt, bereits<br />
Ende des Jahres – und damit vor <strong>der</strong> für 2010 vorgesehenen Präsentation<br />
des 12. Fünfjahresplans – ein überarbeitetes und erweitertes Programm für<br />
die <strong>Go</strong>-<strong>West</strong>-<strong>Strategie</strong> zu entwerfen und zu veröffentlichen. Bereits heute<br />
zeichnet sich ab, dass dieses Programm ebenso wie <strong>der</strong> nächste Fünfjahresplan<br />
vor allem den Ausbau und die Differenzierung <strong>der</strong> Industrieentwicklung<br />
in den <strong>West</strong>provinzen zum Inhalt haben wird. <strong>Die</strong> Gewichtung wird<br />
sich vom Aufbau beziehungsweise von <strong>der</strong> Verbesserung <strong>der</strong> Infrastruktur<br />
in Richtung <strong>der</strong> eigentlichen ökonomischen Entwicklung verschieben. Lag<br />
<strong>der</strong> Schwerpunkt <strong>der</strong> bisherigen För<strong>der</strong>politik also auf <strong>der</strong> Schaffung <strong>der</strong><br />
Rahmenbedingungen für die Ankurbelung <strong>der</strong> Wirtschaft, so geht es jetzt<br />
darum, diesen Rahmen mit ökonomischem Leben zu erfüllen. An<strong>der</strong>s ausgedrückt:<br />
<strong>Die</strong> "Hardware" steht nun bereit; jetzt kommt es darauf an, sie<br />
durch die Installation <strong>der</strong> "Software" zum Laufen zu bringen.<br />
Dabei ist ein wichtiges Anliegen, eine größere Ausgewogenheit <strong>der</strong> Wirtschaftsstruktur<br />
zu erreichen: Als Ergänzung zu den klassischen grundstofforientierten<br />
Industrien sollen deshalb Sektoren wie Hightech-Industrien,<br />
erneuerbare Energien, <strong>Die</strong>nstleistungsbranchen und Tourismus speziell<br />
geför<strong>der</strong>t werden. Außerdem sind verstärkte Anstrengungen und Anreize<br />
zur För<strong>der</strong>ung des Handels zu erwarten; ausgebaut werden sollen sowohl<br />
die interregionalen Handelsbeziehungen <strong>der</strong> <strong>West</strong>provinzen als auch <strong>der</strong><br />
Außenhandel.
100 |<br />
Studie<br />
In den Interviews, die bei den Recherchen zur vorliegenden Studie geführt<br />
wurden, hielten sich Vertreter <strong>der</strong> offiziellen Stellen noch sehr bedeckt, was<br />
die konkrete Ausgestaltung des aktualisierten <strong>Go</strong>-<strong>West</strong>-Programms anbelangt.<br />
<strong>Die</strong> Gesprächspartner <strong>der</strong> NDRC und vom <strong>chinesischen</strong> Handelsministerium<br />
(MOFCOM) wollten keine Details zu Inhalten und neuen Elementen<br />
des Programms preisgeben. Allerdings deuteten sie an, dass es ein o<strong>der</strong><br />
zwei neue Fokusregionen (siehe Seite 56f.) geben wird. Damit würde sich<br />
die Zahl <strong>der</strong> Fokusregionen von <strong>der</strong>zeit drei auf vier beziehungsweise fünf<br />
erhöhen.
101 |<br />
<strong>Die</strong> <strong>Go</strong>-<strong>West</strong>-<strong>Strategie</strong> <strong>der</strong> <strong>chinesischen</strong> <strong>Regierung</strong> – Chancen für die deutsche Wirtschaft?<br />
E. <strong>Die</strong> Attraktivität <strong>der</strong> <strong>chinesischen</strong> <strong>West</strong>provinzen:<br />
Benchmarking <strong>der</strong> Gebietskörperschaften<br />
1. Methodik<br />
Ziel des Benchmarkings <strong>der</strong> Provinzen und <strong>der</strong> wesentlichen Wirtschaftszentren<br />
in <strong>West</strong>china ist es, einen methodischen Vergleich <strong>der</strong> einzelnen<br />
Standorte vorzunehmen. Anhand verschiedener relevanter Standortfaktoren<br />
soll die Attraktivität <strong>der</strong> einzelnen Gebietskörperschaften für ein unternehmerisches<br />
Engagement, das heißt für die Bearbeitung lokaler Märkte o<strong>der</strong><br />
eine Unternehmensansiedlung, beurteilt werden.<br />
<strong>Die</strong> Betrachtung ist dabei in zwei Dimensionen geglie<strong>der</strong>t: <strong>Die</strong> analytische<br />
Perspektive basiert auf neutral erhobenen und statistisch verfügbaren Parametern.<br />
<strong>Die</strong> Unternehmensperspektive liefert auf <strong>der</strong> Grundlage von strukturierten<br />
Interviews eine konkrete, gegebenenfalls subjektive und pragmatische<br />
Einschätzung <strong>der</strong> Standorte aus <strong>der</strong> Sicht <strong>der</strong> Firmen, die bereits in<br />
<strong>West</strong>china aktiv sind.<br />
<strong>Die</strong> vergleichende Betrachtung <strong>der</strong> <strong>West</strong>provinzen und ihrer wichtigsten<br />
Städte erfolgt entlang eines Kriterienrasters mit den wesentlichen Kategorien<br />
> Marktattraktivität<br />
> Infrastrukturniveau<br />
> Kostenniveau<br />
> Wirtschaftspolitische Rahmenbedingungen<br />
> Personal und Innovation<br />
> Rahmenbedingungen für den Geschäftsbetrieb<br />
In den einzelnen Kategorien wurden Parameter definiert, die (soweit<br />
möglich) als statistisch verfügbare Indikationen für die Leistungsfähigkeit<br />
<strong>der</strong> einzelnen Standorte gemessen werden können. Zum Beispiel dient <strong>der</strong><br />
Umfang <strong>der</strong> ausländischen Direktinvestitionen als Indikator für die Qualität<br />
<strong>der</strong> lokalen Wirtschaftspolitik; als Merkmal für den Entwicklungsstand<br />
<strong>der</strong> Verkehrsinfrastruktur wird unter an<strong>der</strong>em die Zahl <strong>der</strong> wöchentlichen<br />
Flugverbindungen nach Peking herangezogen. Eine komplette Aufstellung<br />
<strong>der</strong> für die Ermittlung <strong>der</strong> Rangfolgen verwendeten Parameter findet sich<br />
in Abbildung 30.
102 |<br />
Studie<br />
<strong>Die</strong> Parameter wurden aus den vorhandenen statistischen Quellen, insbeson<strong>der</strong>e<br />
aus den Jahrbüchern <strong>der</strong> einzelnen Gebietskörperschaften, systematisch<br />
für alle zwölf <strong>West</strong>provinzen erhoben. Daraus wurden mit Hilfe<br />
eines Scoring-Modells Rangtabellen für die einzelnen Faktoren abgeleitet.<br />
In einem zweiten Schritt wurden dann die Rangplätze <strong>der</strong> Gebietskörperschaften<br />
unter Gleichgewichtung <strong>der</strong> fünf Hauptkategorien zu einem<br />
Gesamtrangplatz aus analytischer Perspektive aggregiert.
103 |<br />
<strong>Die</strong> <strong>Go</strong>-<strong>West</strong>-<strong>Strategie</strong> <strong>der</strong> <strong>chinesischen</strong> <strong>Regierung</strong> – Chancen für die deutsche Wirtschaft?<br />
Parallel zu dieser Analyse wurden im Juni und Juli 2009 in China ausführliche<br />
persönliche o<strong>der</strong> telefonische Interviews mit 15 ausländischen Unternehmen<br />
geführt, die bereits in den <strong>West</strong>provinzen aktiv sind. Ein wesentliches<br />
Anliegen dieser Gespräche war es, analog zur analytischen Perspektive in<br />
Erfahrung zu bringen, wie die befragten Unternehmen die Rahmenbedingungen<br />
für eine Geschäftstätigkeit in den <strong>West</strong>provinzen einschätzen. <strong>Die</strong><br />
Unternehmen wurden dabei auch explizit aufgefor<strong>der</strong>t, gemäß ihrer Beurteilung<br />
Rangplätze zur Attraktivität einzelner Standorte in den <strong>West</strong>provinzen<br />
(Provinz- und Stadtebene) zu vergeben. Auch diese Einschätzungen<br />
wurden zu einem Gesamtrangplatz aus Unternehmensperspektive aggregiert.<br />
Eine schematische Übersicht <strong>der</strong> angewendeten Methodik findet sich in<br />
Abbildung 31.<br />
Um die Attraktivität von Standorten in den <strong>West</strong>provinzen zu beurteilen,<br />
reicht es aber nicht aus, ausschließlich die Ebene <strong>der</strong> Provinzen zu berücksichtigen.<br />
Auf einer zweiten Ebene werden daher parallel zu den Provinzen<br />
die wichtigsten Wirtschaftszentren in <strong>West</strong>china im Benchmarking gegenübergestellt.<br />
<strong>Die</strong> Auswahl dieser Städte musste bereits im Vorfeld <strong>der</strong> Interviews<br />
erfolgen; dabei wurde folgen<strong>der</strong>maßen vorgegangen: Zunächst<br />
wurden für die 30 größten Städte <strong>der</strong> <strong>West</strong>provinzen die einfach zu bestimmenden<br />
Faktoren Bruttoinlandsprodukt, Wirtschaftswachstum und ausländische<br />
Direktinvestitionen erhoben. Auf dieser Basis erfolgte die Auswahl<br />
<strong>der</strong> 15 wichtigsten Wirtschaftszentren. Xianyang wurde dann im Laufe <strong>der</strong><br />
Analyse aufgrund <strong>der</strong> räumlichen Nähe zu Xi’an nicht separat betrachtet.<br />
<strong>Die</strong> Auswahl wurde mit dem Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie<br />
abstimmt. Wegen ihres Status als regierungsunmittelbare Stadt und<br />
ihrer ökonomischen Bedeutung wird Chongqing auf Ebene <strong>der</strong> Provinzen<br />
betrachtet. So ergibt sich eine Gesamtheit von 13 wichtigen Wirtschaftszentren,<br />
die in Abbildung 32 dargestellt werden.<br />
<strong>Die</strong> Schwerpunktbildung anhand <strong>der</strong> wichtigsten ökonomischen Parameter<br />
hatte zur Folge, dass in dieses Raster keine Städte aus Tibet und aus <strong>der</strong><br />
Provinz Quinghai aufgenommen wurden. Dagegen werden aus an<strong>der</strong>en<br />
Provinzen jeweils mehrere Städte analysiert, etwa Chengdu, Mianyang<br />
und Nanchong in Sichuan.
104 |<br />
Studie<br />
2. Kernergebnisse des Benchmarkings auf Provinzebene<br />
In <strong>der</strong> Zusammenschau aller Ergebnisse des Benchmarkings <strong>der</strong> Provinzen<br />
ergibt sich das Bild gemäß Abbildung 33:
105 |<br />
<strong>Die</strong> <strong>Go</strong>-<strong>West</strong>-<strong>Strategie</strong> <strong>der</strong> <strong>chinesischen</strong> <strong>Regierung</strong> – Chancen für die deutsche Wirtschaft?<br />
Demnach zeigt sich eine Dreiergruppe von "führenden" Provinzen ("Stars"),<br />
die sich sowohl aus analytischer als auch aus Unternehmensperspektive als<br />
die attraktivsten Standorte unter den <strong>West</strong>provinzen positioniert haben.<br />
<strong>Die</strong>s sind die Provinzen Chongqing, Shaanxi und Sichuan. Das Ergebnis ist<br />
insofern keine Überraschung, als sich in diesen Provinzen die industriellen<br />
Kerne des <strong>West</strong>ens befinden und sich auch ein großer Teil des Engagements<br />
ausländischer – und auch deutscher – Unternehmen (siehe Kapitel Industriestruktur<br />
und Außenwirtschaft, Seite 77f. und 82) auf diese Regionen<br />
konzentriert.<br />
In einer zweiten "Verfolger"-Gruppe ("Fast Follower") finden sich die Autonome<br />
Region Innere Mongolei, die in <strong>der</strong> analytischen Perspektive überraschen<strong>der</strong>weise<br />
sogar Platz eins unter allen <strong>West</strong>provinzen erreicht, sowie<br />
die südlichen Grenzregionen Yunnan und Guangxi. Beide wurden aus <strong>der</strong><br />
Unternehmensperspektive hoch bewertet, wobei Guangxi aus analytischer<br />
Sicht noch besser abschneidet als Yunnan.<br />
<strong>Die</strong> an<strong>der</strong>en sechs weiter nördlich und westlich gelegenen Provinzen<br />
fallen alle in beiden Perspektiven deutlich zurück und gehören damit in<br />
die Gruppe <strong>der</strong> Provinzen mit <strong>der</strong> geringsten Attraktivität ("Dogs"), mit Tibet<br />
als – lei<strong>der</strong> wenig überraschendem – eindeutigem Schlusslicht aus beiden<br />
Perspektiven.<br />
<strong>Die</strong>ses Resultat lässt sich nun in Teilergebnisse herunterbrechen. Betrachtet<br />
man die Ergebnisse in den einzelnen Dimensionen <strong>der</strong> analytischen Perspektive<br />
(siehe Abbildung 34), fällt auf den ersten Blick die starke Stellung<br />
<strong>der</strong> Inneren Mongolei auf.
106 |<br />
Studie<br />
<strong>Die</strong>se Führungsposition <strong>der</strong> Inneren Mongolei ist vor allem auf die starke<br />
Wirtschaftsentwicklung in den vergangenen Jahren zurückzuführen: Mit<br />
einem Bruttoinlandsprodukt von 776 CNY (rund 112 Mrd. USD) im Jahr<br />
2008 liegt die Autonome Region auf Platz zwei <strong>der</strong> <strong>West</strong>provinzen und<br />
erreicht mit einem durchschnittlichen (nominalen) Wirtschaftswachstum<br />
über die vergangenen fünf Jahre von über 18% den ersten Platz unter<br />
den westlichen Provinzen.
107 |<br />
<strong>Die</strong> <strong>Go</strong>-<strong>West</strong>-<strong>Strategie</strong> <strong>der</strong> <strong>chinesischen</strong> <strong>Regierung</strong> – Chancen für die deutsche Wirtschaft?<br />
Auch bei <strong>der</strong> Infrastrukturentwicklung und den wirtschaftspolitischen<br />
Rahmenbedingungen liegt die Innere Mongolei im <strong>West</strong>en vorne. <strong>Die</strong>se<br />
Provinz ist inzwischen über alle Verkehrsträger sehr gut an die östlichen<br />
Provinzen angebunden. Bei <strong>der</strong> Betrachtung <strong>der</strong> ausländischen Direktinvestitionen<br />
pro Einwohner liegt die Innere Mongolei im <strong>West</strong>en ebenfalls<br />
an <strong>der</strong> Spitze. Bei dieser Platzierung profitiert sie allerdings auch davon,<br />
dass bei vielen Faktoren eine "Pro Einwohner"-Kategorie als Maßzahl<br />
benutzt wurde, was sich bei gegebener relativ dünner Besiedlung und<br />
dem – mit Chongqing zusammen – höchsten Urbanisierungsgrad in den<br />
<strong>West</strong>provinzen (50%) positiv auf die Bewertung auswirkt.<br />
<strong>Die</strong> drei Provinzen Sichuan, Chongqing und Shaanxi erreichen aus analytischer<br />
Perspektive in allen Dimensionen die <strong>der</strong> Inneren Mongolei nachfolgenden<br />
vor<strong>der</strong>en Ränge. Wenn man die Details <strong>der</strong> Ergebnisse in den<br />
einzelnen Analysedimensionen betrachtet, lässt sich diese Platzierung vor<br />
allem auf folgende Faktoren zurückführen: die starken und dynamisch<br />
wachsenden regionalen Volkswirtschaften, die gute Stellung bezüglich<br />
verfügbarer Hochschulabsolventen und Forschungslandschaft (gemessen<br />
in <strong>der</strong> Zahl <strong>der</strong> Patente relativ zum Bruttoinlandsprodukt) sowie die wirtschaftspolitischen<br />
Rahmenbedingungen, die in höherem Maße als an<strong>der</strong>swo<br />
in <strong>West</strong>china ausländische Direktinvestitionen anziehen.<br />
Eine Umkehrung <strong>der</strong> in den meisten an<strong>der</strong>en Kategorien gegebenen Rangfolgen<br />
lässt sich in Bezug auf das Kostenniveau beobachten. Dort, wo die<br />
stärkste Wirtschaftsleistung und die ansonsten besten Rahmenbedingungen<br />
zu beobachten sind, zeigt sich im Schnitt dann im Gegenzug ein tendenziell<br />
höheres Niveau bei den Arbeits- und Energiekosten.<br />
Der Vergleich <strong>der</strong> <strong>West</strong>provinzen mit dem östlichen China offenbart noch<br />
deutliche Abstände. <strong>Die</strong>s illustriert die Gegenüberstellung von Chongqing,<br />
<strong>der</strong> größten regierungsunmittelbaren Agglomeration des <strong>West</strong>ens, und<br />
Shanghai, <strong>der</strong> größten und ebenfalls direkt <strong>der</strong> Zentralregierung in Peking<br />
unterstellten Stadt in Ostchina. Dabei zeigt sich, dass Shanghai im Vergleich<br />
zu Chongqing<br />
> pro 1.000 Einwohner fast doppelt so viele Universitätsabsolventen<br />
> ein doppelt so hohes verfügbares Pro-Kopf-Einkommen<br />
> um den Faktor 3,3 höhere Konsumausgaben pro Kopf<br />
> viermal höhere ausländische Direktinvestitionen<br />
> 4,8 mal mehr Internetverbindungen pro 1.000 Einwohner und<br />
> 5,1 mal mehr angemeldete Patente pro Jahr
108 |<br />
Studie<br />
aufzuweisen hat. Auch die führenden Wirtschaftskerne <strong>West</strong>chinas liegen in<br />
ihrer Entwicklung also noch mit deutlichem Abstand hinter den ost<strong>chinesischen</strong><br />
Benchmarks zurück.<br />
In <strong>der</strong> Unternehmensperspektive zeigen sich Sichuan, Chongqing und<br />
Shaanxi den an<strong>der</strong>en Provinzen deutlich überlegen (siehe Abbildung 35).<br />
Häufig konnten die Unternehmen auch nur zu diesen drei Provinzen aus<br />
eigener Erfahrung sinnvolle Aussagen treffen.<br />
Aus Unternehmenssicht bietet über diese Dreier-Gruppe hinaus vor allem<br />
<strong>der</strong> südliche Teil <strong>der</strong> <strong>West</strong>provinzen interessante Perspektiven: Im Hinblick<br />
auf die logistischen Möglichkeiten in <strong>der</strong> "North Bay"-Region und den<br />
Seehafenzugang gilt Guangxi als vielversprechen<strong>der</strong> Standort, ebenso<br />
Yunnan, das sich zunehmend zur Handelsdrehscheibe nach Myanmar,<br />
Laos, Thailand und Vietnam entwickelt.<br />
In <strong>der</strong> Rangfolge <strong>der</strong> Unternehmen folgen dann die Autonomen Regionen<br />
Innere Mongolei und Xinjiang, bei denen in den Gesprächen vor allem das<br />
Rohstoff-, das Energie- und das landwirtschaftliche Potenzial hervorgehoben<br />
wurde. Alle an<strong>der</strong>en <strong>West</strong>provinzen werden nur von einzelnen Unternehmen<br />
als relevant erachtet, die spezifische Interessen in den jeweiligen<br />
Regionen haben, etwa Kunden, Geschäftspartner o<strong>der</strong> die Nutzung<br />
bestimmter natürlicher Ressourcen (beispielsweise die Verarbeitung<br />
regionstypischer landwirtschaftlicher Produkte).
109 |<br />
<strong>Die</strong> <strong>Go</strong>-<strong>West</strong>-<strong>Strategie</strong> <strong>der</strong> <strong>chinesischen</strong> <strong>Regierung</strong> – Chancen für die deutsche Wirtschaft?<br />
Man muss beachten, dass aus <strong>der</strong> Unternehmensperspektive nicht allen<br />
Standortfaktoren die gleiche Bedeutung beigemessen wird. Aus Unternehmenssicht<br />
wird als die absolut vorrangige Motivation für ein Engagement<br />
in den <strong>West</strong>provinzen und als wesentlicher treiben<strong>der</strong> o<strong>der</strong> einschränken<strong>der</strong><br />
Faktor weitgehend einheitlich die Möglichkeit <strong>der</strong> Erschließung neuer<br />
Märkte genannt. Nur in Ausnahmefällen werden seitens <strong>der</strong> Unternehmen<br />
an<strong>der</strong>e spezifische Gründe als relevant bezeichnet, zum Beispiel konkrete<br />
Anfragen von regionalen Gebietskörperschaften für Infrastrukturprojekte.<br />
Der zweitwichtigste Faktor aus Unternehmenssicht ist das Infrastrukturniveau.<br />
Hier nehmen die meisten Unternehmen eine deutliche Verbesserung<br />
<strong>der</strong> Situation in den letzten Jahren wahr. <strong>Die</strong> Infrastrukturentwicklung ist<br />
auch nach Einschätzung <strong>der</strong> Unternehmen <strong>der</strong> sichtbarste Erfolg <strong>der</strong><br />
<strong>Go</strong>-<strong>West</strong>-<strong>Strategie</strong>.<br />
Als drittwichtigsten Standortfaktor wird das Thema Personal und Innovation<br />
aufgeführt. <strong>Die</strong> Verfügbarkeit von qualifiziertem Personal hat für die Unternehmen<br />
eine hohe Bedeutung. Teilweise sehen sie hier aber einen Engpass.<br />
Zwar gibt es in <strong>West</strong>china im Unterschied zu den ost<strong>chinesischen</strong> Wirtschaftszentren<br />
weniger Konkurrenz auf dem Arbeitsmarkt: <strong>Die</strong> Zahl <strong>der</strong><br />
ausländischer Unternehmen als Arbeitgeber ist noch relativ gering und die<br />
Zahl qualifizierter Arbeitnehmer ist eigentlich groß. De facto gelten diese<br />
jedoch als weniger gut ausgebildet und weniger vertraut mit den Anfor<strong>der</strong>ungen,<br />
die gerade ausländische Unternehmen an Beschäftigte stellen. Für<br />
viele in den <strong>West</strong>provinzen eingestellte Mitarbeiter ist ihre Tätigkeit vor<br />
Ort auch nur eine Durchgangsstation und ein "Sprungbrett" für einen<br />
Wechsel zu Unternehmen an Chinas Ostküste.<br />
Bei <strong>der</strong> Frage <strong>der</strong> Bedeutung des Kostenniveaus gehen die Meinungen <strong>der</strong><br />
Unternehmen am weitesten auseinan<strong>der</strong>. Für einige produktionsorientierte<br />
Unternehmen ist das Kostenniveau ein sehr wichtiger Faktor und eine wesentliche<br />
Motivation, eine Produktion im <strong>West</strong>en aufzubauen. Der überwiegende<br />
Tenor aller Gespräche war jedoch, dass dem Kostenniveau eher<br />
unterdurchschnittliche Bedeutung beigemessen wird. Hinzu kommt, dass<br />
die Kostenvorteile <strong>der</strong> <strong>West</strong>provinzen durch Nachteile an an<strong>der</strong>er Stelle<br />
(zum Beispiel beim Qualifikationsniveau <strong>der</strong> Mitarbeiter) teilweise aufgehoben<br />
werden.<br />
Wie bereits im Kapitel D (siehe Seite 92f.) dargestellt, ist <strong>der</strong> Faktor Verfügbarkeit<br />
natürlicher Ressourcen – eine <strong>der</strong> wesentlichen Stärken <strong>der</strong> <strong>West</strong>provinzen<br />
– für die befragten Unternehmen eines <strong>der</strong> am wenigsten relevanten<br />
Kriterien für eine Standortentscheidung. Auch die wirtschaftspolitischen<br />
Rahmenbedingungen spielen für die Unternehmen im Prinzip keine<br />
wichtige Rolle.
110 |<br />
Studie<br />
Für die vergleichende Beurteilung <strong>der</strong> <strong>West</strong>provinzen aus Unternehmenssicht<br />
lässt sich aus diesen Bewertungen folgende Schlussfolgerung ziehen:<br />
Es werden diejenigen Provinzen bevorzugt, die heute tendenziell stärkere<br />
lokale Märkte bieten können, logistisch und infrastrukturell besser dastehen<br />
und hinreichend und gut qualifizierte Arbeitskräfte anbieten können.<br />
Bei den darüber hinaus relevanten "weichen" Faktoren für eine Entscheidung<br />
für o<strong>der</strong> gegen bestimmte Standorte spielt insbeson<strong>der</strong>e eine Rolle,<br />
dass man bei <strong>der</strong> Etablierung einer lokalen Repräsentanz in den <strong>West</strong>provinzen<br />
auch die Belange <strong>der</strong> eigenen entsandten nicht-<strong>chinesischen</strong> Mitarbeiter<br />
berücksichtigen muss. Hier gelten die weiter südlich gelegenen Provinzen<br />
als attraktiver für "Expatriates", weil sich hier schon mehr ausländische<br />
Unternehmen angesiedelt haben. Als "entlegener" wahrgenommene Provinzen,<br />
und dazu zählt zum Beispiel auch die analytisch stark bewertete Innere<br />
Mongolei, werden aufgrund <strong>der</strong> geringen Verbreitung von "Expatriate<br />
Communities" als weniger attraktiv beurteilt.<br />
3. Kernergebnisse des Städte-Benchmarkings<br />
<strong>Die</strong> Ergebnisse des Benchmarkings <strong>der</strong> 13 wichtigsten Wirtschaftszentren in<br />
<strong>West</strong>china ergeben ein Bild, das zum Teil mit den Ergebnissen <strong>der</strong> Provinzbetrachtung<br />
korreliert (siehe Abbildung 36).
111 |<br />
<strong>Die</strong> <strong>Go</strong>-<strong>West</strong>-<strong>Strategie</strong> <strong>der</strong> <strong>chinesischen</strong> <strong>Regierung</strong> – Chancen für die deutsche Wirtschaft?<br />
Klar führend – sowohl aus analytischer als auch aus Unternehmensperspektive<br />
– zeigen sich die wichtigsten Agglomerationen in denjenigen Provinzen,<br />
die auf den ersten Plätzen des Provinz-Benchmarkings liegen: Xi'an in<br />
Shaanxi und Chengdu in Sichuan. Auch die auf <strong>der</strong> Provinzebene weit oben<br />
platzierte Innere Mongolei erzielt hier mit Baotou und ihrer Hauptstadt<br />
Hohhot eine hohe analytische Bewertung, während analog zur aus Unternehmenssicht<br />
wichtigen Region Guangxi <strong>der</strong>en Hauptstadt Nanning auch<br />
in <strong>der</strong> Städtebetrachtung hoch bewertet wird.<br />
Überraschend im Vergleich zur Provinzperspektive ist allerdings die überaus<br />
positive Beurteilung von Yunnans Hauptstadt Kunming aus beiden Perspektiven.<br />
Aus analytischer Perspektive sind für diese hohe Bewertung die in<br />
Relation zu den an<strong>der</strong>en "nachfolgenden" Städten relativ stark entwickelte<br />
Wirtschaft sowie die sehr gut ausgebaute Infrastruktur und Erreichbarkeit<br />
ausschlaggebend. Letzteres ist ein Kernaspekt dafür, dass Kunming sich<br />
zunehmend zur <strong>chinesischen</strong> Drehscheibe des Handels mit <strong>der</strong> ASEAN-<br />
Region entwickelt. Auf <strong>der</strong> Unternehmensseite waren viele <strong>der</strong> Interview-<br />
Partner von den ökonomischen Potenzialen dieses "Tors nach Südostasien"<br />
überzeugt: <strong>Die</strong> Chancen <strong>der</strong> geplanten Asian-China Free Trade Area<br />
(ACFTA) steigern die Attraktivität des Standorts für Unternehmensansiedlungen<br />
ebenso wie die mehrfach in den Unternehmensgesprächen<br />
erwähnten Anziehungskräfte <strong>der</strong> "Stadt des ewigen Frühlings".<br />
Auf den hinteren Rangplätzen zeigt sich eine stärkere Spreizung <strong>der</strong> Beurteilungen<br />
aus analytischer und Unternehmenssicht als im Provinzvergleich.<br />
Während aus analytischer Perspektive die weiter nordwestlich gelegenen<br />
Städte Ürümqi, Yinchuan und Lanzhou etwas besser abschneiden, werden<br />
aus Unternehmenssicht die südlicheren Standorte Guiyang, Guilin,<br />
Mianyang und Nanchong als attraktiver wahrgenommen.<br />
Aus <strong>der</strong> Einzelbetrachtung entlang <strong>der</strong> verwendeten Beurteilungskriterien<br />
in <strong>der</strong> analytischen Perspektive (siehe Abbildung 37) geht hervor, dass<br />
die in <strong>der</strong> Spitzengruppe angesiedelten Städte vor allem in den Bereichen<br />
Marktattraktivität, Infrastruktur und bei den Rahmenbedingungen des<br />
Geschäftsbetriebs vorne liegen. Chengdu und Xi'an können außerdem<br />
in den Bereichen Personal und Innovation punkten.
112 |<br />
Studie<br />
In Bezug auf die Kostensituation zeigt sich analog zum Provinz-Benchmarking<br />
eine Umkehrung <strong>der</strong> Favoritenstellungen. Bei den Städten aus <strong>der</strong><br />
zweiten Reihe hinter <strong>der</strong> jeweiligen Provinzhauptstadt, also etwa Guilin,<br />
Nanchong o<strong>der</strong> Mianyang fällt mit Ausnahme von Baotou auf, dass sie in<br />
<strong>der</strong> Bewertung deutlich hinter den führenden Städten zurückbleiben und<br />
in fast allen Kategorien das Schlusslicht <strong>der</strong> analytischen Bewertungsskala<br />
bilden.
113 |<br />
<strong>Die</strong> <strong>Go</strong>-<strong>West</strong>-<strong>Strategie</strong> <strong>der</strong> <strong>chinesischen</strong> <strong>Regierung</strong> – Chancen für die deutsche Wirtschaft?<br />
4. Schlussfolgerungen zur Attraktivität <strong>der</strong> <strong>West</strong>provinzen im Vergleich<br />
<strong>Die</strong> Ergebnisse <strong>der</strong> analytischen Perspektive und <strong>der</strong> Unternehmensperspektive<br />
sind für den Vergleich <strong>der</strong> <strong>West</strong>provinzen insofern synchron, als keine<br />
Extremfälle aufgetreten sind, in denen die Bewertung von Provinzen je<br />
nach Perspektive diametral entgegengesetzt ausfällt. <strong>Die</strong> offensichtlichste<br />
Divergenz <strong>der</strong> Perspektiven ergibt sich in <strong>der</strong> Einschätzung <strong>der</strong> Inneren<br />
Mongolei. Ihre auf Basis <strong>der</strong> gegebenen Fakten hervorragende Ausgangsposition<br />
bewerten die Unternehmen bisher nicht so hoch wie die an<strong>der</strong>er<br />
Regionen. <strong>Die</strong> Vorzüge dieser Provinz werden offensichtlich seitens <strong>der</strong><br />
Unternehmen noch nicht wahrgenommen. <strong>Die</strong> Innere Mongolei hat sich<br />
mittlerweile zur ökonomisch zweitwichtigsten <strong>West</strong>provinz entwickelt,<br />
hat einen hohen Urbanisierungsgrad und kann das zweithöchste Haushaltseinkommen<br />
in <strong>West</strong>china vorweisen. <strong>Die</strong>se Tatsachen sprechen dafür,<br />
dass hier ein stark konzentrierter und daher attraktiver Markt entsteht,<br />
was jedoch bisher anscheinend nicht ins Bewusstsein vieler Unternehmen<br />
gedrungen ist.<br />
Generell ist zu beobachten, dass die Unternehmen – und dies deckt sich<br />
mit <strong>der</strong> faktischen Verteilung ausländischer Unternehmen in <strong>West</strong>china<br />
(siehe Kapitel Außenwirtschaft, Seite 82ff.) – in ihren Präferenzen den<br />
schon stärker eingetretenen Pfaden folgen und die südlicher gelegenen<br />
Provinzen bevorzugen. <strong>Die</strong>s gilt für die Beurteilung auf <strong>der</strong> Provinzebene,<br />
zeigt sich jedoch noch deutlicher bei <strong>der</strong> Bewertung <strong>der</strong> Städte. Den neuen<br />
Chancen, die <strong>der</strong>zeit auf Basis <strong>der</strong> starken Wirtschaftsentwicklung auch im<br />
nördlichen Teil <strong>West</strong>chinas entstehen, wird bislang keine so große Aufmerksamkeit<br />
geschenkt.<br />
Der naheliegende erste Fokus einer Analyse <strong>der</strong> Markt- und Standortpotenziale<br />
in <strong>West</strong>china seitens <strong>der</strong> Unternehmen wird daher aktuell vorrangig<br />
eher in den südlicheren Teilen <strong>West</strong>chinas liegen. <strong>Die</strong> Bearbeitung <strong>der</strong><br />
lokalen Märkte o<strong>der</strong> gar eine Ansiedlung in Provinzen wie <strong>der</strong> Inneren<br />
Mongolei, Gansu o<strong>der</strong> Xinjiang wird selbst von den Unternehmen, die<br />
bereits in diesen Regionen aktiv sind, als Pioniertätigkeit betrachtet.
114 |<br />
Studie<br />
F. Schlussfolgerungen und Empfehlungen<br />
1. Deutsch-chinesische Wirtschaftsbeziehungen<br />
Als die Bundesrepublik Deutschland und China im Jahr 1972 diplomatische<br />
Beziehungen aufnahmen, exportierten deutsche Unternehmen Waren für<br />
270 Mio. USD in die Volksrepublik; 2008 lag dieser Wert bei 34,1 Mrd.<br />
USD. <strong>Die</strong> Zahl <strong>der</strong> deutschen Unternehmen, die auf dem <strong>chinesischen</strong><br />
Markt aktiv sind, wird auf etwa 4.600 geschätzt. Längst sind es nicht mehr<br />
ausschließlich Konzerne, die die Chancen in China nutzen: Immer mehr<br />
mittelständische Unternehmen haben in den letzten Jahren den Schritt<br />
in das "Reich <strong>der</strong> Mitte" gewagt.<br />
Seit Beginn <strong>der</strong> <strong>chinesischen</strong> Reformpolitik haben sich die bilateralen<br />
Wirtschaftsbeziehungen stark intensiviert. Das Handelsvolumen hat<br />
sich dynamisch entwickelt und lag 2008 auf dem Rekordniveau von<br />
93,5 Mrd. EUR (siehe Abbildung 38).<br />
Auf Deutschland entfällt ein Drittel des <strong>chinesischen</strong> Handels mit <strong>der</strong><br />
Europäischen Union. Damit ist Deutschland Chinas wichtigster Handelspartner<br />
unter den EU-Län<strong>der</strong>n. Insgesamt liegt Deutschland auf Rang<br />
sechs <strong>der</strong> <strong>chinesischen</strong> Handelspartner. Umgekehrt ist die Volksrepublik<br />
für Deutschland <strong>der</strong> wichtigste asiatische Handelspartner, gefolgt von<br />
Japan, Südkorea und Indien:
115 |<br />
<strong>Die</strong> <strong>Go</strong>-<strong>West</strong>-<strong>Strategie</strong> <strong>der</strong> <strong>chinesischen</strong> <strong>Regierung</strong> – Chancen für die deutsche Wirtschaft?<br />
Ein Drittel <strong>der</strong> deutschen Ausfuhren nach Asien ist für die Volksrepublik<br />
bestimmt. China ist nach den USA Deutschlands zweitwichtigster Handelspartner<br />
außerhalb Europas: <strong>Die</strong> Exporte nach China haben mit einem<br />
Volumen von 34,1 Mrd. USD einen Anteil an den gesamten deutschen<br />
Ausfuhren von 4%.<br />
<strong>Die</strong> deutschen Direktinvestitionen in China betrugen 2008 900 Mio. USD;<br />
kumuliert belaufen sie sich auf 15,7 Mrd. USD. <strong>Die</strong> <strong>chinesischen</strong> Investitionen<br />
in Deutschland erreichen umgekehrt kumuliert erst 650 Mio. USD.<br />
<strong>Die</strong> Perspektiven für deutsche Unternehmen in <strong>der</strong> Volksrepublik China<br />
sind ambivalent: Einerseits begünstigt die Wirtschaftskrise – vor allem auf<br />
Provinzebene – protektionistische Tendenzen; zudem för<strong>der</strong>n die staatlichen<br />
Unterstützungsmaßnahmen die Wettbewerbsfähigkeit <strong>der</strong> <strong>chinesischen</strong><br />
Anbieter. An<strong>der</strong>erseits sorgt das Konjunkturpaket für eine anhaltende<br />
Investitionstätigkeit und für die Umsetzung von Infrastrukturprojekten.<br />
Und gerade in diesen Bereichen punkten deutsche Unternehmen, weil diese<br />
Nachfrage ausgezeichnet zu ihren Stärken passt. Vor allem Spitzentechnologien<br />
sind gefragt. <strong>Die</strong> deutsche Wirtschaft kann auch von <strong>der</strong> Orientierung<br />
auf nachhaltiges Wachstum durch die Stärkung <strong>der</strong> Binnennachfrage<br />
profitieren: <strong>Die</strong> chinesische Führung wird erhebliche Investitionen vornehmen<br />
müssen, um den ökonomischen Rückstand einiger Provinzen<br />
auszugleichen.<br />
Hier sollten Unternehmen beachten, dass gerade die Provinzen in Zentralund<br />
<strong>West</strong>china beim geplanten weiteren Ausbau <strong>der</strong> Infrastruktur und bei<br />
<strong>der</strong> För<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Binnennachfrage für die chinesische Wirtschaftspolitik<br />
einen sehr hohen Stellenwert einnehmen. Auch die stärkere Gewichtung<br />
ökologischer Belange im 11. Fünfjahresplan und im Konzept <strong>der</strong> "harmonischen<br />
Gesellschaft" kommt <strong>der</strong> deutschen Wirtschaft zugute. Bei den<br />
geplanten Maßnahmen zum Schutz <strong>der</strong> Umwelt können sich deutsche<br />
Unternehmen durch ihre beson<strong>der</strong>e Kompetenz in <strong>der</strong> Umwelttechnologie<br />
gegenüber <strong>chinesischen</strong> und internationalen Wettbewerbern profilieren.<br />
2. <strong>Die</strong> Bedeutung <strong>West</strong>chinas für die deutsche Wirtschaft<br />
Es ist davon auszugehen, dass sich für deutsche Unternehmen in den <strong>West</strong>provinzen<br />
in Zukunft vor allem in den Branchen Chancen bieten werden,<br />
in denen sie heute schon für China eine starke Rolle spielen. Dazu zählen<br />
insbeson<strong>der</strong>e <strong>der</strong> Maschinen- und Anlagenbau, die chemische Industrie<br />
sowie die Kfz-Industrie.
116 |<br />
Studie<br />
Im Außenhandel Deutschlands mit China insgesamt dominieren heute hochwertige<br />
Industriegüter. Zwar sind die deutschen Exporte nach China zwischen<br />
dem ersten Quartal 2008 und dem ersten Quartal 2009 leicht gesunken,<br />
jedoch hat sich <strong>der</strong>en Struktur nur leicht verän<strong>der</strong>t. Eine Verschiebung<br />
ist auf das Einbrechen <strong>der</strong> Automobilexporte um 33% zurückzuführen. Der<br />
Anteil des Maschinen- und Anlagenbaus an den gesamten deutschen Ausfuhren<br />
liegt bei circa 30%. <strong>Die</strong> Automobilindustrie kommt nach dem deutlichen<br />
Rückgang 2009 auf einen Anteil von 13%. Auf die Elektrotechnik<br />
und chemische Erzeugnisse entfallen jeweils 11%.<br />
<strong>Die</strong>se Struktur weist eine starke Übereinstimmung mit <strong>der</strong> Verteilung <strong>der</strong><br />
deutschen Unternehmen auf, die heute in den chinesische <strong>West</strong>provinzen<br />
vertreten sind (siehe Kapitel Außenwirtschaft, Abbildung 23): Von den dort<br />
aktiven Firmen finden sich 45% im Maschinenbau, 9% in <strong>der</strong> Automobilindustrie,<br />
11% im Bereich Elektronik und 7% in <strong>der</strong> Chemiebranche.<br />
3. Chancen für die deutsche Wirtschaft: Marktperspektive<br />
<strong>Die</strong> Volkswirtschaft wächst in <strong>West</strong>china immer noch stärker als im restlichen<br />
China, und teilweise von einer nicht mehr so geringen Basis aus.<br />
Damit geht vor allem in den städtischen Agglomerationen eine Steigerung<br />
des Einkommens und <strong>der</strong> Konsumausgaben einher.<br />
Führende globale Akteure im Konsumgütermarkt haben das bereits erkannt<br />
und geben die Richtung vor: So hat Coca Cola im Juni 2009 eine neue<br />
Abfüllanlage mit einer Kapazität von 200.000 Tonnen in Ürümqi in <strong>der</strong><br />
Autonomen Region Xinjiang eröffnet. <strong>Die</strong> Investition hatte ein Volumen<br />
von 30 Mio. USD.<br />
In den städtischen Regionen <strong>der</strong> westlichen Provinzen kommt zum reinen<br />
Wirtschafts- und Einkommenswachstum noch <strong>der</strong> Bevölkerungszuwachs<br />
hinzu. Experten gehen davon aus, dass künftig <strong>der</strong> Urbanisierungsgrad<br />
Chinas um einen Prozentpunkt pro Jahr zunimmt. Heute liegt <strong>der</strong> Urbanisierungsgrad<br />
in Gesamtchina bei 45%, im <strong>West</strong>en nur bei 38%. Sollte<br />
<strong>der</strong> <strong>West</strong>en diese Lücke schließen und im Urbanisierungsgrad das Niveau<br />
Gesamtchinas erreichen, würde die Stadtbevölkerung des <strong>West</strong>ens um<br />
26 Mio. Einwohner zunehmen. Ginge damit auch ein Sprung vom durchschnittlichen<br />
verfügbaren Einkommen zwischen Stadt und Land in <strong>West</strong>china<br />
einher, entstünden alleine durch diese Bewegung zusätzliche für<br />
Konsum verfügbare Einkommen von 33 Mrd. USD jährlich. <strong>Die</strong>s wie<strong>der</strong>um<br />
würde bedeuten, dass die Attraktivität <strong>der</strong> westlichen Provinzen als Absatzmärkte<br />
für Konsumgüter steigt.
117 |<br />
<strong>Die</strong> <strong>Go</strong>-<strong>West</strong>-<strong>Strategie</strong> <strong>der</strong> <strong>chinesischen</strong> <strong>Regierung</strong> – Chancen für die deutsche Wirtschaft?<br />
<strong>Die</strong>se Entwicklung wird – im Einklang mit <strong>der</strong> wirtschaftspolitischen<br />
Zielsetzung <strong>der</strong> <strong>chinesischen</strong> <strong>Regierung</strong>, die Inlandsnachfrage zu stärken –<br />
mittel- und langfristig dazu führen, dass die Industrialisierung <strong>der</strong> westlichen<br />
Provinzen fortschreitet, weil die Produzenten von Konsumgütern,<br />
hier vor allem chinesische Unternehmen, die Nähe <strong>der</strong> Absatzmärkte<br />
suchen. Davon könnten deutsche Unternehmen profitieren, denn <strong>der</strong><br />
Ausbau bestehen<strong>der</strong> und <strong>der</strong> Aufbau neuer Produktionsstätten erhöht<br />
die Nachfrage im Maschinen- und Anlagenbau.<br />
Direkt auf den Konsumgütermärkten <strong>West</strong>chinas sind deutsche Unternehmen<br />
allerdings bisher praktisch nicht vertreten. Es bieten sich aber – abgeleitet<br />
aus dem Aufwärtstrend beim Konsum – Perspektiven in angrenzenden<br />
Branchen wie dem Handel o<strong>der</strong> <strong>der</strong> Logistik. Dort sind heute schon einige<br />
deutsche Unternehmen in <strong>West</strong>china aktiv. <strong>Die</strong> Tatsache, dass <strong>West</strong>china<br />
mit Yunnan im Süden und Xinjiang im Nordwesten auch zunehmend zum<br />
strategischen Umschlagsplatz für den <strong>chinesischen</strong> Außenhandel nach<br />
Südostasien und Zentralasien auf dem Landwege wird, unterstreicht<br />
diese Entwicklung.<br />
4. Chancen für die deutsche Wirtschaft: regionale Perspektive<br />
Bei <strong>der</strong> Investitionstätigkeit ausländischer Unternehmen in <strong>West</strong>china<br />
zeichnen sich klare Schwerpunkte ab: 80% aller Auslandsinvestitionen<br />
in <strong>West</strong>china fließen in die Provinzen Sichuan (26%), Chongqing (22%),<br />
in die Innere Mongolei (21%) und nach Shaanxi (11%).<br />
Auf Basis des im Rahmen <strong>der</strong> vorliegenden Studie durchgeführten Benchmarkings<br />
lassen sich die <strong>chinesischen</strong> <strong>West</strong>provinzen bezüglich ihrer<br />
generellen Attraktivität in drei Gruppen einteilen:<br />
1. Klar führende Regionen ("Stars"): Sichuan, Chongqing, Shaanxi<br />
2. Sich dynamisch entwickelnde Regionen mit deutlichem Potential<br />
("Fast Follower"): Innere Mongolei, Yunnan, Guangxi, Xinjiang<br />
3. Für unternehmerisches Potenzial (noch) wenig attraktive Regionen<br />
("Dogs"): Tibet, Qinghai, Gansu, Ningxia, Guizhou<br />
<strong>Die</strong>se Kategorisierung wird dadurch bestätigt, dass die tatsächliche regionale<br />
Verteilung <strong>der</strong> ausländischen Direktinvestitionen in den westlichen<br />
Provinzen und die Potenzialanalyse dieser Studie zu sehr ähnlichen Ergebnissen<br />
kommen. Innerhalb <strong>der</strong> einzelnen Regionen sind die ökonomischen<br />
Zentren in <strong>der</strong> Regel die jeweiligen Provinzhauptstädte. Eine Ausnahme<br />
von dieser Regel bildet nur Batou in <strong>der</strong> Inneren Mongolei, das neben <strong>der</strong><br />
Hauptstadt Hohhot ein wichtiges Zentrum <strong>der</strong> ökonomischen Entwicklung<br />
darstellt.
118 |<br />
Studie<br />
Vor dem Hintergrund dieser Ergebnisse sollten in einer Standortanalyse für<br />
<strong>West</strong>china regional die "Stars" als erstes betrachtet werden, je nach Branche<br />
aber auch die "Fast Follower"-Regionen in den Blick genommen werden.<br />
Aus diesem Grund werden im folgenden Teil G die "Stars" über den Steckbrief<br />
hinaus noch einmal ausführlicher dargestellt.<br />
5. Chancen für die deutsche Wirtschaft: Branchenperspektive<br />
Zwar fließen heute nur circa 14% aller ausländischen Direktinvestitionen<br />
nach China überhaupt in den <strong>West</strong>en, ihre Verteilung ist aber durchaus<br />
aufschlussreich. Analysiert man die für die west<strong>chinesischen</strong> Provinzen<br />
bestimmten ausländischen Direktinvestitionen im Detail nach Zielbranchen,<br />
zeigen sich ganz klare Schwerpunkte, die sich dann auch regionalspezifisch<br />
differenzieren lassen.<br />
So gelangt <strong>der</strong> größte Anteil des von den <strong>West</strong>provinzen vereinnahmten<br />
Zustroms an ausländischen Direktinvestitionen (50%; Stand 2007) in den<br />
Aufbau von Produktionsstätten für Industriegüter; dieser Wert ist allerdings<br />
etwas niedriger als in Ostchina, wo er 60% beträgt. Den zweitgrößten Block<br />
mit circa 25% machen Investitionen in Immobilien aus, ein gegenüber dem<br />
18%-Anteil in den östlichen Provinzen deutlich höherer Wert, <strong>der</strong> auch im<br />
Bereich Immobilienentwicklung den Nachholbedarf des <strong>West</strong>ens belegt.<br />
Ebenfalls eine deutlich wichtigere anteilige Rolle als im Osten spielen<br />
im <strong>West</strong>en Auslandsinvestitionen in die Versorgung mit Energie, Gas und<br />
Wasser; in dieses Segment fließen hier 9% des ausländischen Geldes, in<br />
Ostchina dagegen nur 2%. In den west<strong>chinesischen</strong> Provinzen absorbieren<br />
Groß- und Einzelhandelsaktivitäten 4% <strong>der</strong> Auslandsmittel, im Osten liegt<br />
<strong>der</strong>en Anteil bei 2%.<br />
<strong>Die</strong>se Analyse lässt eine eindeutige Schlussfolgerung zu: Im Ausbau <strong>der</strong><br />
Industrieproduktion, <strong>der</strong> Immobilienwirtschaft, des Energie- und Versorgungssektors<br />
und (schon mit deutlichem Abstand) des Handels spielt also<br />
heute die Musik für ausländische Unternehmen in <strong>West</strong>china.<br />
<strong>Die</strong>s kann und wird in den kommenden Jahren auch so bleiben, wenn man<br />
die Aussage vom stellvertretenden politischen Direktor des Ministeriums<br />
für Wohnungsbau und städtisch-ländliche Entwicklung, Xu Zhongwei, im<br />
Kontext <strong>der</strong> oben bereits beschriebenen Urbanisierungsentwicklung Ernst<br />
nimmt: "<strong>Die</strong> schnelle Zunahme <strong>der</strong> Urbanisierung wird mindestens 1 Billion<br />
CNY (ca. 144 Mrd. USD) jährliche Investitionen in Wasserbereitstellung,<br />
Heizung, Abfallentsorgung und an<strong>der</strong>en öffentlichen <strong>Die</strong>nstleistungen in<br />
den Städten hervorrufen."
119 |<br />
<strong>Die</strong> <strong>Go</strong>-<strong>West</strong>-<strong>Strategie</strong> <strong>der</strong> <strong>chinesischen</strong> <strong>Regierung</strong> – Chancen für die deutsche Wirtschaft?<br />
Legt man eine Verteilung dieser Größen analog <strong>der</strong> Verteilung des Bruttoinlandsprodukts<br />
zugrunde, würde dies bedeuten, dass jährlich Investitionen<br />
in Höhe von etwa 27 Mrd. USD in die Mo<strong>der</strong>nisierung <strong>der</strong> Ausrüstung <strong>der</strong><br />
Versorgungsdienstleistungen in <strong>West</strong>china fließen – ein nicht zu vernachlässigendes<br />
Marktpotenzial.<br />
Für deutsche Unternehmen, die vor allem in den Segmenten Maschinenbau<br />
und Industrieausrüstung sowie im Anlagenbereich für Energie und Versorgung<br />
eine starke Position sowohl auf dem Weltmarkt als auch in China<br />
haben, bieten sich hier also in erster Linie Chancen. Geson<strong>der</strong>t zu betrachten<br />
sind dann Branchen, die entwe<strong>der</strong> in den Statistiken nicht klar abgrenzbar<br />
sind o<strong>der</strong> vor allem spezifische Regionen betreffen. So sind einzelne<br />
Branchen wie beispielsweise die Automobilindustrie eher darauf angewiesen,<br />
sich an den bereits existierenden Clustern zu orientieren, also vor<br />
allem an Chongqing und Sichuan. Aus den massiven Herausfor<strong>der</strong>ungen<br />
<strong>West</strong>chinas im Bereich <strong>der</strong> Umweltverschmutzung ergeben sich aber auch<br />
starke Potenziale für die weltweit führende deutsche Greentech-Branche 13) ;<br />
dies gilt im Bereich Umwelt-Technologie in unterschiedlichen Ausprägungen<br />
für fast alle westlichen Provinzen.<br />
Gleichzeitig ist es erklärtes Ziel <strong>der</strong> <strong>chinesischen</strong> <strong>Regierung</strong>, in <strong>der</strong> nächsten<br />
Phase <strong>der</strong> Entwicklung von "<strong>Go</strong> <strong>West</strong>" stärker die Industrieentwicklung<br />
voranzutreiben, wobei auch <strong>der</strong> Hochtechnologie eine stärkere Rolle<br />
zukommen soll. Da <strong>der</strong> planwirtschaftliche Ansatz Chinas zumindest einen<br />
stark richtungsweisenden Charakter für die Industrieentwicklung hat, sind<br />
in <strong>der</strong> folgenden Tabelle (siehe Abbildung 39) für die wichtigsten Branchen<br />
jeweils die regionalen Schwerpunkte für Auslandsinvestitionen nach den<br />
offiziellen Vorgaben seitens <strong>der</strong> <strong>chinesischen</strong> Politik zusammengefasst.<br />
<strong>Die</strong>se Schwerpunkte werden in den Listen <strong>der</strong> "geför<strong>der</strong>ten Industrien" in<br />
den Umsetzungsbestimmungen <strong>der</strong> <strong>Go</strong>-<strong>West</strong>-<strong>Strategie</strong> aufgeführt. Ergänzend<br />
werden die heute schon erkennbaren attraktivsten Standorte auf Basis<br />
<strong>der</strong> Ergebnisse dieser Studie dargestellt. <strong>Die</strong> Tabelle auf <strong>der</strong> folgenden Seite<br />
bietet damit eine erste regionale Orientierung für Branchenteilnehmer,<br />
die sich für ein Engagement in den <strong>West</strong>provinzen interessieren.<br />
13) <strong>Die</strong> Perspektiven <strong>der</strong> deutschen Umweltindustrie auf dem <strong>chinesischen</strong> Markt werden ausführlich<br />
in <strong>der</strong> Publikation " GreenTech made in Germany 2.0. Umwelttechnologie-Atlas für Deutschland "<br />
(München, 2009) dargestellt.
120 |<br />
Studie
121 |<br />
<strong>Die</strong> <strong>Go</strong>-<strong>West</strong>-<strong>Strategie</strong> <strong>der</strong> <strong>chinesischen</strong> <strong>Regierung</strong> – Chancen für die deutsche Wirtschaft?<br />
6. Empfehlungen an das Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie<br />
Es gehört zu den wesentlichen Anliegen des Bundesministeriums für Wirtschaft<br />
und Technologie, die Aktivitäten <strong>der</strong> deutschen Wirtschaft und insbeson<strong>der</strong>e<br />
des deutschen Mittelstandes national und international zu unterstützen.<br />
Im Wesentlichen kann dies auf drei Wegen geschehen:<br />
> Aufbereitung und Angebot von Informationsmaterial und Entscheidungshilfen<br />
> Weiterentwicklung und Fokussierung <strong>der</strong> bereits existierenden<br />
spezifischen Instrumente <strong>der</strong> Außenwirtschaftsför<strong>der</strong>ung<br />
> Dialog mit <strong>der</strong> <strong>chinesischen</strong> <strong>Regierung</strong> über die Rahmenbedingungen<br />
für deutsche Unternehmen<br />
In Bezug auf Chinas <strong>West</strong>en sind zunächst einmal die Aufbereitung und<br />
Verbreitung von Basisinformationen wichtig, zu denen auch die vorliegende<br />
Studie beitragen soll. Für den an China generell und den Möglichkeiten<br />
in <strong>West</strong>china interessierten Leser werden hier umfassende Entscheidungshilfen<br />
angeboten.<br />
Es hat sich im Rahmen <strong>der</strong> Arbeiten an <strong>der</strong> Studie aber gezeigt, dass die<br />
Verfügbarkeit von Informationen, die für eine Analyse von Standorten in<br />
<strong>West</strong>china relevant sind, stark reduziert ist. Viele statistische Quellen liegen<br />
nur in chinesischer Sprache vor, nur wenige auf Englisch, praktisch keine in<br />
deutscher Sprache. Auch wichtige Dokumente über die Wirtschaftspolitik,<br />
etwa die Liste <strong>der</strong> für Auslandsinvestitionen geför<strong>der</strong>ten Industriezweige,<br />
sind nicht ohne weiteres zu erhalten. <strong>Die</strong> vorliegende Studie kann hier eine<br />
erste Brücke bauen. Eine Aufarbeitung <strong>der</strong> För<strong>der</strong>bedingungen <strong>der</strong> För<strong>der</strong>bedingungen<br />
für spezifische Einzelbranchen und attraktive Regionen in<br />
<strong>West</strong>china wäre ein nächster Schritt.<br />
Dass in Guangxi Auslandsinvestitionen in die Technologieentwicklung und<br />
die Herstellung von Floatglas, in Guizhou solche in Schleifmaterialien und<br />
Schleifwerkzeuge, in Xinjiang und in Gansu solche in den Weinanbau o<strong>der</strong><br />
in Qinghai solche in die Yak-Fell-Verarbeitung geför<strong>der</strong>t werden, kann hier<br />
nur beispielhaft dargestellt werden – die entsprechende Liste geför<strong>der</strong>ter<br />
Spezialindustrien umfasst alleine für die <strong>West</strong>provinzen 218 Einzelposten.<br />
Solche Informationen zu För<strong>der</strong>bereichen, aber auch ganz generell zur<br />
ökonomischen Entwicklung einzelner Branchen in Datenbanken aufzubereiten<br />
und leichter, also am besten online und zumindest in englischer<br />
Sprache, verfügbar zu machen, kann eine starke Unterstützung gerade<br />
für mittelständische Unternehmen mit Interesse an China darstellen. Der<br />
Bedarf an einer solchen Hilfestellung scheint umso größer, als die deutschen
122 |<br />
Studie<br />
Unternehmen in China grundsätzlich beklagen, dass es um die Verfügbarkeit<br />
<strong>der</strong> für strategische Entscheidungen relevanten Informationen sehr<br />
schlecht bestellt sei – was die Geschäftstätigkeit signifikant behin<strong>der</strong>e.<br />
<strong>Die</strong> Ergebnisse dieser Studie können auch dazu dienen, die existierenden<br />
Aktivitäten <strong>der</strong> Außenwirtschaftsför<strong>der</strong>ung regional und industriebezogen<br />
zu fokussieren. Auf Basis <strong>der</strong> in dieser Studie enthaltenen Informationen<br />
können Maßnahmen <strong>der</strong> Absatz- und Kooperationsför<strong>der</strong>ung avisiert<br />
werden, also zum Beispiel Informations- und Kontaktveranstaltungen mit<br />
Industrie- und Handelskammern in Deutschland o<strong>der</strong> mit an<strong>der</strong>en Institutionen<br />
<strong>der</strong> Außenwirtschaftsför<strong>der</strong>ung. <strong>Die</strong> Ergebnisse des Benchmarkings<br />
<strong>der</strong> Regionen und die nach Industrien organisierte, in Abbildung 39 dargestellte<br />
Orientierungstabelle können dabei als Grundlage für die Planung<br />
entsprechen<strong>der</strong> Maßnahmen dienen.<br />
Auch die Organisation von Delegationsreisen nach <strong>West</strong>china wäre ein<br />
geeignetes Instrument, um Unternehmer aus erster Hand über die Potenziale<br />
<strong>der</strong> westlichen Provinzen zu informieren. In diesem Zusammenhang<br />
ist zu empfehlen, künftig stattfindende Delegationsreisen von hochrangigen<br />
deutschen <strong>Regierung</strong>s- und Wirtschaftsvertretern gemäß den Ergebnissen<br />
dieser Studie zu fokussieren. Das die "zentralen" <strong>West</strong>provinzen Sichuan,<br />
Chongqing und Shaanxi dabei vor allem attraktive Ziele darstellen, ergibt<br />
sich logisch aus <strong>der</strong> bisherigen Darstellung. Daneben werden aber in<br />
Zukunft auch einige <strong>der</strong> <strong>West</strong>provinzen an <strong>der</strong> Peripherie stark an Bedeutung<br />
und Potenzial gewinnen. <strong>Die</strong>s ist zum Beispiel schon heute bei <strong>der</strong><br />
Inneren Mongolei zu beobachten, vor allem im Umkreis des Themas Energie.<br />
Aber auch die Provinz Yunnan kann – etwa mit dem Schwerpunkt<br />
auf Handel und Logistik – ein attraktives Ziel sein.<br />
In Zusammenarbeit mit den Auslandshandelskammern, Delegationen und<br />
Repräsentanzen <strong>der</strong> Deutschen Wirtschaft in China kann außerdem überlegt<br />
werden, inwiefern ein weitergehendes Engagement dieser Einrichtungen in<br />
und für <strong>West</strong>china sinnvoll ist. <strong>Die</strong> heute bereits vorhandene Repräsentanz<br />
<strong>der</strong> deutschen Kammern in Chengdu kann dazu als Basis dienen. Um die<br />
zu erwartenden starken Potenziale bei <strong>der</strong> Ausrüstung <strong>der</strong> städtischen<br />
Infrastrukturen besser für deutsche Unternehmen nutzbar zu machen,<br />
bietet es sich auch an, zu diesem Punkt weiter- und tiefergehende Analysen<br />
vorzunehmen und auch in Kontakt mit den lokalen <strong>Regierung</strong>en zu treten.<br />
<strong>Die</strong> Ergebnisse dieser Studie lassen sich schließlich auch auf <strong>der</strong> nationalen<br />
Ebene für den weiteren Austausch mit <strong>der</strong> <strong>chinesischen</strong> <strong>Regierung</strong> nutzen.<br />
<strong>Die</strong> Resultate erlauben ein fundiertes Gespräch mit <strong>der</strong> <strong>chinesischen</strong> <strong>Regierung</strong><br />
darüber, dass nach Maßgabe <strong>der</strong> vorgenommenen Analysen aber auch<br />
rein faktisch die Rahmenbedingungen in <strong>West</strong>china offensichtlich in <strong>der</strong>
123 |<br />
<strong>Die</strong> <strong>Go</strong>-<strong>West</strong>-<strong>Strategie</strong> <strong>der</strong> <strong>chinesischen</strong> <strong>Regierung</strong> – Chancen für die deutsche Wirtschaft?<br />
Wahrnehmung <strong>der</strong> Unternehmen noch nicht hinreichend attraktiv sind,<br />
um den Nachholbedarf <strong>der</strong> westlichen Provinzen beim Zufluss ausländischer<br />
Direktinvestition zu decken.<br />
<strong>Die</strong>s zeigt sich daran, dass <strong>der</strong> ADI-Anteil des <strong>West</strong>ens <strong>der</strong> relativen Wirtschaftsentwicklung<br />
noch immer hinterherläuft. Es ist aktuell nicht absehbar,<br />
dass sich dieser Zusammenhang durch den Einfluss <strong>der</strong> Wirtschaftskrise<br />
stark verän<strong>der</strong>t. Wenn – analog zur starken Entwicklung <strong>der</strong> östlichen<br />
Provinzen Chinas – die Angleichung <strong>der</strong> Verhältnisse in <strong>West</strong>china auch<br />
und vor allem mit Hilfe ausländischer Investitionen erfolgen soll, müssen<br />
weitere und über die gegebenen Anreize hinaus gehende Verbesserungen<br />
<strong>der</strong> Rahmenbedingungen erzielt werden. <strong>Die</strong> bisher ergriffenen Maßnahmen<br />
– vor allem im Bereich <strong>der</strong> Infrastruktur – werden von den Unternehmen<br />
als sehr positiv wahrgenommen, stellen aber eher einen "hygienischen"<br />
Faktor dar; das heißt, sie sind eine notwendige Bedingung für ein Engagement,<br />
aber leisten nur einen geringen Beitrag als hinreichendes Entscheidungskriterium.<br />
<strong>Die</strong> gegebenen Kostenvorteile in den <strong>West</strong>provinzen werden teilweise<br />
wie<strong>der</strong> durch Nachteile, zum Beispiel bei <strong>der</strong> Qualifikation des Personals,<br />
kompensiert. <strong>Die</strong> Anreize, die ermäßigte Sätze bei Unternehmenssteuern<br />
bieten, werden von den Unternehmen als nicht sehr hoch bewertet; alle vor<br />
Ort stattfindenden Maßnahmen <strong>der</strong> Wirtschaftsför<strong>der</strong>ung werden nicht als<br />
spezifischer Standortvorteil in den westlichen Provinzen betrachtet, weil es<br />
vergleichbare Maßnahmen in vielen <strong>chinesischen</strong> Regionen gibt. Will die<br />
chinesische <strong>Regierung</strong> also eine höhere Attraktivität <strong>der</strong> <strong>West</strong>provinzen für<br />
ausländische Unternehmen bewirken, muss sie ihre Anstrengungen bezüglich<br />
industriepolitischer Anreize verstärken.<br />
Ein sehr konkreter und viel versprechen<strong>der</strong> Ansatz könnte außerdem darin<br />
bestehen, die Zusammenarbeit mit China im Kontext <strong>der</strong> Bekämpfung des<br />
Klimawandels und <strong>der</strong> Umweltprobleme zu verstärken. <strong>Die</strong> Ausführungen<br />
zur Energiesituation und zu den bestehenden Umweltproblemen <strong>West</strong>chinas<br />
in dieser Studie haben gezeigt, dass ein Umsteuern in Richtung mehr<br />
Nachhaltigkeit für China und speziell auch für <strong>West</strong>china nicht nur zum<br />
Erhalt <strong>der</strong> globalen Lebensräume unerlässlich ist, son<strong>der</strong>n auch wirtschaftliche<br />
Chancen bietet. Deutschland hat mit seiner internationalen Vorreiterrolle<br />
bei den erneuerbaren Energien, bei Effizienztechnologien o<strong>der</strong> an<strong>der</strong>en<br />
Umwelttechnik-Bereichen (wie etwa in <strong>der</strong> Abfall- o<strong>der</strong> Wasserwirtschaft)<br />
einen klaren internationalen Wettbewerbsvorteil, <strong>der</strong> gerade in<br />
<strong>West</strong>china zum Tragen gebracht werden kann. Vor diesem Hintergrund<br />
wäre zum Beispiel eine Initiative für einen deutsch-<strong>chinesischen</strong> "Umweltpakt"<br />
eine interessante Basis für den Ausbau <strong>der</strong> wirtschaftlichen Aktivitäten<br />
Deutschlands in <strong>West</strong>china.
124 |<br />
Studie<br />
G. Profile <strong>der</strong> Provinzen<br />
In diesem Teil werden die chinesischem <strong>West</strong>provinzen und ihre 13 wichtigsten<br />
Wirtschaftszentren einzeln vorgestellt. <strong>Die</strong>s erfolgt in Form von<br />
"Steckbriefen" mit den wichtigsten Daten und Fakten sowie den Rangpositionen,<br />
die die Provinzen und Städte nach den Ergebnissen <strong>der</strong> Studie<br />
im Benchmarking einnehmen.<br />
<strong>Die</strong> "Star"-Provinzen werden ergänzend zum "Steckbrief" mit einem ausführlichen<br />
Text beschrieben. Aufgrund des spezifischen Interesses des<br />
Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie sowie <strong>der</strong> beson<strong>der</strong>en<br />
Bedeutung <strong>der</strong> Provinz für den Handel mit Zentralasien wird die Autonome<br />
Region Xinjiang aus <strong>der</strong> Gruppe <strong>der</strong> "Fast Follower" herausgegriffen und<br />
ebenfalls in Textform portraitiert.<br />
<strong>Die</strong> Reihenfolge <strong>der</strong> Provinzdarstellungen orientiert sich an <strong>der</strong> Gruppierung,<br />
die sich aus dem Benchmarking ergibt:<br />
"Stars"<br />
1. Sichuan: Provinz-Steckbrief, Provinzbeschreibung und<br />
Steckbriefe zu Chengdu, Mianyang und Nanchong<br />
2. Chongqing: Provinz-Steckbrief und Provinzbeschreibung<br />
3. Shaanxi: Provinz-Steckbrief, Provinzbeschreibung und Steckbrief<br />
zu Xi'an<br />
"Fast Follower"<br />
4. Xinjiang: Provinz-Steckbrief, Provinzbeschreibung und Steckbrief<br />
zu Ürümqi<br />
5. Innere Mongolei: Provinz-Steckbrief und Steckbriefe zu Hohhot<br />
und Baotou<br />
6. Guangxi: Provinz-Steckbrief und Steckbriefe zu Nanning und Guilin<br />
7. Yunnan: Provinz-Steckbrief und Steckbrief zu Kunming<br />
"Dogs"<br />
8. Gansu: Provinz-Steckbrief und Steckbrief zu Lanzhou<br />
9. Guizhou: Provinz-Steckbrief und Steckbrief zu Guiyang<br />
10. Ningxia: Provinz-Steckbrief und Steckbrief zu Yinchuan<br />
11. Qinghai: Provinz-Steckbrief<br />
12. Tibet: Provinz-Steckbrief
125 |<br />
<strong>Die</strong> <strong>Go</strong>-<strong>West</strong>-<strong>Strategie</strong> <strong>der</strong> <strong>chinesischen</strong> <strong>Regierung</strong> – Chancen für die deutsche Wirtschaft?<br />
Literaturempfehlung<br />
Über diese Studie hinaus existieren eine Reihe sehr gelungener und nützlicher<br />
Aufarbeitungen zu den <strong>chinesischen</strong> <strong>West</strong>provinzen in englischer<br />
Sprache. Als Quellen zur Vertiefung <strong>der</strong> Betrachtung können hier empfohlen<br />
werden:<br />
> <strong>Die</strong> Investitionsführer <strong>der</strong> <strong>chinesischen</strong> <strong>Regierung</strong> zu den einzelnen<br />
Provinzen, die unter<br />
http://www.fdi.gov.cn/pub/FDI_EN/News/Focus/Subject/IICS/<br />
default.jsp abrufbar sind<br />
> <strong>Die</strong> Publikation "The China Business Handbook 2009",<br />
herausgegeben von ACA Publishing Ltd; London 2009<br />
> <strong>Die</strong> Profile <strong>der</strong> <strong>chinesischen</strong> Provinzen von HKDC:<br />
http://info.hktdc.com/mktprof/china.htm<br />
> <strong>Die</strong> Profile <strong>der</strong> <strong>chinesischen</strong> Provinzen auf Alibaba.com:<br />
http://resources.alibaba.com/china-biz.html
126 |<br />
Studie
127 |<br />
<strong>Die</strong> <strong>Go</strong>-<strong>West</strong>-<strong>Strategie</strong> <strong>der</strong> <strong>chinesischen</strong> <strong>Regierung</strong> – Chancen für die deutsche Wirtschaft?
128 |<br />
Studie<br />
Sichuan<br />
"Land des Überflusses" wurde die Provinz im alten China genannt: Der<br />
fruchtbare Boden des Roten Beckens und <strong>der</strong> Handel för<strong>der</strong>ten das Ansehen<br />
und den Wohlstand Sichuans. Auch heute noch spielt die bevölkerungsreichste<br />
<strong>West</strong>provinz eine Schlüsselrolle in <strong>der</strong> wirtschaftlichen Entwicklung<br />
<strong>der</strong> Region: Mehr als ein Fünftel des gesamten Bruttoinlandsprodukts<br />
des <strong>West</strong>ens wird in Sichuan erwirtschaftet. Im Rahmen <strong>der</strong> <strong>Go</strong>-<strong>West</strong>-<br />
<strong>Strategie</strong> soll sich die stark landwirtschaftlich geprägte Provinz noch stärker<br />
als bisher als mo<strong>der</strong>ner Industrie- und <strong>Die</strong>nstleistungsstandort etablieren.<br />
<strong>Die</strong> drei größten Städte Sichuans – Chengdu, Nanchong und Mianyang 14)<br />
– sind die ökonomischen Zentren <strong>der</strong> Provinz.<br />
Sichuan ist mit einer Fläche von 485.000 Quadratkilometern größer als<br />
Deutschland und Österreich zusammengenommen. Das dicht besiedelte<br />
Zentrum <strong>der</strong> Provinz ist das 200.000 Quadratkilometer große Sichuan-<br />
Becken, das von Bergketten umgeben wird: Im <strong>West</strong>en ragt das Gebirge<br />
Daxue Shan mit dem <strong>Go</strong>nnga Shan (7.555 Meter) auf, dem höchsten Berg<br />
Sichuans. Im Osten liegt das Qinling-Gebirge und nach Südosten begrenzt<br />
das Dalou-Shan-Gebirge das Rote Becken. Der Jangtse markiert über lange<br />
Strecken die <strong>West</strong>- und Südgrenze <strong>der</strong> Provinz.<br />
<strong>Die</strong> Gebirge und ihre Ausläufer sowie das Rote Beckens bilden jeweils<br />
eigene Klimazonen: In <strong>der</strong> Tiefebene ist das Klima subtropisch; im Jahresmittel<br />
liegt die Temperatur bei 14-19° C mit 280 bis 300 frostfreien Tagen.<br />
Der durchschnittliche jährliche Nie<strong>der</strong>schlag beträgt 1.000 Millimeter. <strong>Die</strong>s<br />
sind ideale Bedingungen für hohe Erträge in <strong>der</strong> Landwirtschaft. Zum Teil<br />
sind sogar zwei Ernten pro Jahr möglich. <strong>Die</strong> höheren Lagen Sichuan bieten<br />
dagegen unwirtlichere Voraussetzungen: <strong>Die</strong> durchschnittliche Jahrestemperatur<br />
liegt hier teilweise bei 8° C, die Nie<strong>der</strong>schlagsmenge bei 500 bis<br />
700 Millimetern.<br />
Chengdu, die "Brokat-Stadt"<br />
Seidenbrokat war seit dem seit<br />
2. Jahrhun<strong>der</strong>t vor Christus<br />
ein gefragter Exportartikel<br />
Chengdus. Der Stoff aus Sichuan<br />
wurde bis nach Zentralasien und<br />
ins Römische Reich geliefert.<br />
Bevölkerung<br />
Mit über 80 Millionen Einwohnern (Stand 2008) ist Sichuan mit Abstand<br />
die bevölkerungsreichste Provinz in <strong>West</strong>china – die nächstgrößte Provinz<br />
Guangxi bringt es lediglich auf 48,2 Millionen Einwohner. In <strong>der</strong> Hauptstadt<br />
Chengdu leben 2008 12,8 Millionen Menschen, das sind fast ein<br />
Viertel mehr als noch 2003. Sichuan ist die Heimat verschiedener ethnischer<br />
Gruppen: Neben den Han-Chinesen mit einem Anteil an <strong>der</strong> Provinz-<br />
Bevölkerung von circa 94% leben in Sichuan 2,5 bis 5 Millionen Angehörige<br />
<strong>der</strong> nationalen Min<strong>der</strong>heiten <strong>der</strong> Yi, Tibeter, Miao, Qiang, Hui, Tujia,<br />
Bouyei, Naxi und Lisu. <strong>Die</strong>se ethnischen Gruppen sind vor allem im<br />
<strong>West</strong>teil Sichuans ansässig.<br />
14) Siehe " Steckbriefe " auf den Seiten 138 und 139.
129 |<br />
<strong>Die</strong> <strong>Go</strong>-<strong>West</strong>-<strong>Strategie</strong> <strong>der</strong> <strong>chinesischen</strong> <strong>Regierung</strong> – Chancen für die deutsche Wirtschaft?<br />
Erdbeben von Sichuan<br />
<strong>Die</strong> Provinz liegt in einer gefährlichen geologischen Zone: Hier stoßen die<br />
eurasische und die indische Kontinentalplatte aneinan<strong>der</strong>, sodass die Erdbebengefahr<br />
in Sichuan seit jeher groß ist. Am 12. Mai 2008 kam es zu einem<br />
heftigen Beben <strong>der</strong> Stärke von 7,9 auf <strong>der</strong> Richter-Skala, das nach offiziellen<br />
Angaben 69.227 Tote for<strong>der</strong>te, darunter über 20.000 Kin<strong>der</strong>, die von zusammenstürzenden<br />
Schulgebäuden begraben wurden. 374.000 Menschen wurden<br />
verletzt, 5,8 Millionen Menschen wurden obdachlos. Das Epizentrum des<br />
Bebens lag im Kreis Wenchuan, etwa 80 Kilometer von <strong>der</strong> Provinzhauptstadt<br />
Chengdu entfernt.<br />
<strong>Die</strong> Naturkatastrophe verursachte für die Wirtschaft <strong>der</strong> Provinz Schäden in<br />
Höhe von 14,5 Mrd. USD. Von den Auswirkungen waren über 16.000 Unternehmen<br />
betroffen. Der Wie<strong>der</strong>aufbau <strong>der</strong> zerstörten Gebiete hat für die chinesische<br />
Zentralregierung einen hohen Stellenwert. <strong>Die</strong>s zeigt sich auch daran, dass von<br />
den im "4 Billionen-Konjunkturprogramm" vorgesehenen Mitteln ein Viertel für<br />
die Beseitigung <strong>der</strong> Erdbeben-Schäden bestimmt ist.<br />
Deutschland hat ebenfalls einen Beitrag zum Wie<strong>der</strong>aufbau geleistet: <strong>Die</strong><br />
Bundesregierung hat für die Wie<strong>der</strong>herstellung von acht zerstörten Schulen<br />
3,6 Mio. EUR zur Verfügung gestellt. Dazu kam eine Unterstützung für humanitäre<br />
Nothilfemaßnahmen in Höhe von 20,1 Mio. EUR. Darüber hinaus hat die<br />
Bundesregierung 20,1 Mio. EUR aus Mitteln <strong>der</strong> Entwicklungszusammenarbeit<br />
bereitgestellt. Zusätzlich haben deutsche Unternehmen und ihre Mitarbeiter<br />
circa 10 Mio. EUR gespendet.<br />
<strong>Die</strong> gemeinsamen Anstrengungen zeigen Wirkung: Zum Jahrestag des Erdbebens<br />
hatte bereits ein Drittel <strong>der</strong> 5,8 Millionen obdachlos Gewordenen wie<strong>der</strong><br />
ein eigenes Dach über dem Kopf. Allerdings leben immer noch Millionen <strong>der</strong><br />
Erdbeben-Geschädigten in Containersiedlungen.<br />
Einkommen und Konsumverhalten<br />
Das verfügbare Pro-Kopf-Einkommen <strong>der</strong> städtischen Bevölkerung in<br />
Sichuan betrug im Jahr 2007 10.500 CNY (rund 1.390 USD). Damit befand<br />
sich die Provinz knapp unter dem west<strong>chinesischen</strong> Durchschnitt von<br />
11.500 CNY (rund 1.500 USD). Im Vergleich zum Pro-Kopf-Einkommen in<br />
den Metropolen Ostchinas war Sichuan allerdings weit abgeschlagen: In<br />
Shanghai lag das Pro-Kopf-Einkommen bei 20.700 CNY (rund 2.730 USD)<br />
pro Jahr und damit fast doppelt so hoch wie in Sichuan.
130 |<br />
Studie<br />
Das Konsumverhalten fällt in Sichuan etwas zurückhalten<strong>der</strong> aus als in<br />
an<strong>der</strong>en westlichen Provinzen: <strong>Die</strong> tatsächlichen Konsumausgaben je Einwohner<br />
liegen hier bei 5.900 CNY (circa 780 USD); damit belegt die Provinz<br />
den vierten Rang in <strong>West</strong>china, war aber über dem west<strong>chinesischen</strong><br />
Durchschnitt von 5.300 CNY (circa 700 USD). Der Umsatz des Einzelhandels<br />
in Sichuan erreichte im Jahr 2008 481 Mrd. CNY (circa 63,5 Mrd.<br />
USD) und legte damit im Vergleich zum Vorjahr um fast ein Fünftel zu.<br />
Was die Verbreitung von Wohlstandsgütern in Sichuan anbelangt, so liegt<br />
die Provinz über dem <strong>West</strong>-Durchschnitt: <strong>Die</strong> Pkw-Dichte beträgt 6,1 Autos<br />
pro 100 städtische Haushalte (vs. 5,7 im <strong>West</strong>-Durchschnitt) , fast in jedem<br />
zweiten Haushalt gibt es einen Computer (49 pro 100 städtische Haushalte<br />
vs. 44 im <strong>West</strong>-Durchschnitt) und fast in jedem Haushalt eine Klimaanlage<br />
(87 pro 100 städtische Haushalte vs. 42 im <strong>West</strong>-Durchschnitt). <strong>Die</strong> starke<br />
Abweichung bei den Klimaanlagen lässt sich damit erklären, dass Sichuan<br />
zu den heißesten Provinzen im <strong>West</strong>en gehört.<br />
Infrastruktur<br />
Auf <strong>der</strong> aktuellen Liste <strong>der</strong> wichtigsten im Rahmen <strong>der</strong> <strong>Go</strong>-<strong>West</strong>-<strong>Strategie</strong><br />
geplanten Verkehrsprojekte steht auch <strong>der</strong> Ausbau <strong>der</strong> Eisenbahnstrecken in<br />
Sichuan. <strong>Die</strong>se Trassen sind darauf ausgelegt, die neuen Zentren in Zentralchina<br />
wie Sichuan, Shaanxi und Chongqing zu verbinden (siehe Seite 64).<br />
In <strong>der</strong> Provinz Sichuan gibt es zwei Flughäfen mit Verbindungen ins Ausland<br />
und neun mit Inlandsflügen. Im Jahr 2008 starteten von Sichuan aus<br />
pro Woche 243 Flüge nach Peking – damit belegt Sichuan bezüglich <strong>der</strong><br />
Häufigkeit <strong>der</strong> Flugverbindungen in die chinesische Hauptstadt den zweiten<br />
Platz unter allen <strong>West</strong>provinzen.<br />
<strong>Die</strong> Gesamtkapazität aller Kraftwerke in Sichuan betrug im Jahr 2007 32<br />
Gigawatt; das bedeutet gegenüber dem Vorjahr eine Steigerung von rund<br />
18%. Während die Provinz im Jahr 2005 mit 22 Gigawatt noch die höchste<br />
Gesamtkapazität bei <strong>der</strong> Energieerzeugung von allen <strong>West</strong>provinzen vorweisen<br />
konnte, wurde sie 2007 von <strong>der</strong> Inneren Mongolei, <strong>der</strong>en Gesamtkapazität<br />
bei 42 Gigawatt lag, von ihrem Spitzenplatz verdrängt.<br />
Bildung und Forschung<br />
In Sichuan gibt es 53 Universitäten. Mit dieser Zahl liegt Sichuan hinter<br />
Shaanxi auf dem zweiten Rang unter den <strong>West</strong>provinzen. Aufgrund seiner<br />
großen Bevölkerung kommt Sichuan bei <strong>der</strong> Relation Hochschulen je<br />
1 Million Einwohner allerdings nur auf 0,6, was deutlich unter dem <strong>West</strong>-<br />
Durchschnitt von 1,1 liegt. In Bezug auf die Verfügbarkeit von Hochschul-<br />
Absolventen hat sich Sichuan auf Platz zwei in <strong>West</strong>china positioniert.
131 |<br />
<strong>Die</strong> <strong>Go</strong>-<strong>West</strong>-<strong>Strategie</strong> <strong>der</strong> <strong>chinesischen</strong> <strong>Regierung</strong> – Chancen für die deutsche Wirtschaft?<br />
<strong>Die</strong> Zahl <strong>der</strong> Uni-Abgänger ist im Zeitraum von 2005 bis 2008 stetig<br />
gewachsen und liegt heute bei mehr als 250.000 pro Jahr. Der Akademikeranteil<br />
liegt in Sichuan mit 4% leicht unter dem Durchschnitt aller westlichen<br />
Provinzen von 5%.<br />
Sichuan gibt als größte Volkswirtschaft <strong>West</strong>chinas mit einem Anteil von<br />
20% am Bruttoinlandsprodukt aller westlichen Provinzen absolut betrachtet<br />
am meisten für Investitionen in Bildungseinrichtungen aus (7,4 Mrd. CNY).<br />
Relativ zur Einwohnerzahl gesehen bleiben die Bildungsinvestitionen mit<br />
138.000 CNY (rund 18.000 USD) pro 1.000 Einwohner allerdings deutlich<br />
unter dem Durchschnitt <strong>der</strong> <strong>West</strong>provinzen von 168.000 CNY (rund<br />
22.100 USD).<br />
Als Indikator für die Forschungsleistung <strong>der</strong> Region und ihr Innovationspotenzial<br />
kann man die Zahl <strong>der</strong> Patentanmeldungen heranziehen, die seit<br />
2007 eine deutlich steigende Tendenz aufweist: 2007 wurden in Sichuan<br />
knapp 10.000 Patente angemeldet, 2008 bereits 13.400. Damit liegt<br />
Sichuan unter den <strong>West</strong>provinzen auf dem zweiten Platz. Zum Vergleich:<br />
In Deutschland wurden 2008 circa 62.000 Patente angemeldet, also<br />
etwa fünfmal so viele wie in Sichuan.<br />
Innerhalb <strong>der</strong> Provinz spielt Chengdu eine beson<strong>der</strong>s wichtige Rolle als<br />
Innovationszentrum: In <strong>der</strong> Hauptstadt befinden sich die bedeutendsten<br />
Forschungseinrichtungen Sichuans, insgesamt sind hier 70 Forschungsinstitute<br />
und an<strong>der</strong>e universitäre Einrichtungen ansässig. Über 600.000 Wissenschaftler<br />
sind in Chengdu tätig – so viele wie an keinem an<strong>der</strong>en Standort<br />
<strong>West</strong>chinas.<br />
Pandas in Sichuan<br />
Das 1975 gegründete Wolong-<br />
Naturreservat 150 Kilometer<br />
nordwestlich von Chengdu beherbergt<br />
etwa 60 Große Pandas. Ein<br />
Forschungszentrum und eine<br />
Zuchtstation tragen hier dazu bei,<br />
die Population <strong>der</strong> vom Aussterben<br />
bedrohten Spezies zu erhalten.<br />
Eine weitere Forschungsund<br />
Zuchtstation für den Kleinen<br />
und Großen Panda befindet sich<br />
in <strong>der</strong> Nähe von Chengdu.<br />
Natürliche Ressourcen und Rohstoffe<br />
Sichuan gehört mit verwertbaren Wasserressourcen von 110 Gigawatt zu<br />
den Provinzen <strong>West</strong>chinas, die das höchste Potenzial für Wasserkraft aufweisen.<br />
Mit Erdgasvorkommen von 560 Mrd. Kubikmetern liegt die Provinz auf<br />
dem dritten Platz in <strong>West</strong>china. In Sichuan sind 130 Arten von Mineralien<br />
nachgewiesen. Davon befinden sich von 50 Arten die größten Vorkommen<br />
in China auf dem Territorium von Sichuan. <strong>Die</strong> Provinz weist das drittgrößte<br />
Eisenvorkommen Chinas auf und verfügt über 95% <strong>der</strong> <strong>chinesischen</strong><br />
Titan- und über die Hälfte <strong>der</strong> Vanadium-Vorkommen Gesamtchinas.
132 |<br />
Studie<br />
Wirtschaftsleistung<br />
Sichuan ist das ökonomische Schwergewicht in <strong>West</strong>en: Mit einem Bruttoinlandsprodukt<br />
von 1251 Mrd. CNY (circa 180,3 Mrd. USD) liegt die Provinz<br />
2008 an <strong>der</strong> Spitze <strong>der</strong> <strong>West</strong>provinzen; Sichuans Wirtschaftsleistung<br />
trägt einen Anteil von 21,5% zum gesamten <strong>West</strong>-BIP bei und erwirtschaftet<br />
4,2% des gesamt<strong>chinesischen</strong> Bruttoinlandsprodukts. Das Wachstum<br />
Sichuans lag zwischen 2004 und 2008 bei durchschnittlich 12% pro Jahr.<br />
Das entspricht in etwa dem westlichen Durchschnitt von 13% im selben<br />
Zeitraum. Mit einem Anteil von 27% am Provinz-BIP ist die Hauptstadt<br />
Chengdu das ökonomische Zentrum Sichuans. Nanchong, die zweitgrößte<br />
Stadt in Sichuan, erwirtschaftet einen Anteil von 4% und Mianyang, die<br />
drittgrößte Stadt, steuert einen Anteil von 5,9% zur Wirtschaftsleistung<br />
<strong>der</strong> Provinz bei. Das in Chengdu erwirtschaftete Bruttoinlandsprodukt<br />
belief sich 2008 auf 390 Mrd. CNY (circa 56,2 Mrd. USD), das entspricht<br />
gegenüber dem Vorjahr einem Wachstum von etwa 17%.<br />
Wirtschaftsstruktur<br />
Der Anteil des primären Sektors am Bruttoinlandsprodukt (BIP) Sichuans<br />
liegt bei fast 20%. Stellt man diesen Wert dem gesamt<strong>chinesischen</strong> Anteil<br />
von 10% o<strong>der</strong> dem durchschnittlichen Anteil in den <strong>West</strong>provinzen von<br />
16% gegenüber, wird auf Anhieb deutlich, dass die Landwirtschaft in<br />
Sichuan ein wichtiger Wirtschaftsfaktor ist. Aus dieser Provinz stammen<br />
etwa 6% <strong>der</strong> gesamten <strong>chinesischen</strong> Agrarproduktion. Der BIP-Anteil des<br />
sekundären Sektors liegt in Sichuan bei 52% und entspricht damit exakt<br />
dem gesamt<strong>chinesischen</strong> Durchschnitt. Den durchschnittlichen BIP-Anteil<br />
des sekundären Sektors in den <strong>West</strong>provinzen von 40% übertrifft Sichuan<br />
um 12 Prozentpunkte. Der Bergbau dagegen liefert mit 5% einen geringeren<br />
Beitrag zum Provinz-BIP als in an<strong>der</strong>en westlichen Regionen (<strong>West</strong>-Durchschnitt:<br />
8,5%). Auch <strong>der</strong> BIP-Anteil des <strong>Die</strong>nstleistungssektors fällt mit<br />
23% in Sichuan niedriger aus als Durchschnitt <strong>West</strong>chinas (35%).<br />
Warenhandel mit dem Ausland<br />
Im Außenhandel konnte Sichuan erheblich zulegen. <strong>Die</strong>se Entwicklung<br />
kann als Erfolg <strong>der</strong> <strong>Go</strong>-<strong>West</strong>-<strong>Strategie</strong> interpretiert werden. Im Jahr 2008<br />
hatten die Exporte aus Sichuan ein Volumen von 10,7 Mrd. USD; das entspricht<br />
gegenüber dem Vorjahr einer Steigerung von circa 47%. In Anbetracht<br />
<strong>der</strong> Erdbebenschäden ist diese Zunahme beson<strong>der</strong>s beeindruckend.<br />
Ein Drittel aller Ausfuhren Sichuans wurde von Unternehmen mit ausländischer<br />
Kapitelbeteiligung abgewickelt. Das Volumen <strong>der</strong> Importe nach<br />
Sichuan betrug im Jahr 2008 9,2 Mrd. USD, was gegenüber dem Vorjahr<br />
eine Zunahme von fast 50% bedeutet. Etwa die Hälfte aller Einfuhren in<br />
die Provinz entfiel auf Unternehmen mit ausländischer Kapitalbeteiligung.
133 |<br />
<strong>Die</strong> <strong>Go</strong>-<strong>West</strong>-<strong>Strategie</strong> <strong>der</strong> <strong>chinesischen</strong> <strong>Regierung</strong> – Chancen für die deutsche Wirtschaft?<br />
Kernindustrien, Cluster<br />
Sichuan ist sehr stark von Landwirtschaft geprägt, was durch das subtropische<br />
Klima und die fruchtbaren Böden im Sichuan-Becken begünstigt wird.<br />
Sichuan zählt zu den führenden Reisproduzenten; bei Mais, Weizen, Raps,<br />
Roggen, Soja und Kartoffeln liegt die Provinz ebenfalls an <strong>der</strong> Spitze. Stark<br />
ist Sichuan auch bei <strong>der</strong> Herstellung von Seide und Materialien aus Pflanzenfasern,<br />
insbeson<strong>der</strong>e aus Hanf.<br />
<strong>Die</strong> Verarbeitung landwirtschaftlicher Produkte zu Nahrungsmitteln und<br />
Getränken spielt in <strong>der</strong> Wirtschaft von Sichuan eine wichtige Rolle: <strong>Die</strong><br />
Provinz zählt zu den Zentren <strong>der</strong> Getränkeherstellung in China: 16% des<br />
gesamt<strong>chinesischen</strong> Getränke-Outputs werden in Sichuan produziert. Dort<br />
sind auch die führenden Wein- und Spirituosenhersteller <strong>der</strong> Volksrepublik<br />
ansässig, zum Beispiel die Chengdu Sugar and Wine Corporation.<br />
Trotz <strong>der</strong> großen Bedeutung <strong>der</strong> Landwirtschaft bemüht sich Sichuan<br />
bereits seit den achtziger Jahren, sich als Industrie- und Hightech-Standort<br />
zu profilieren. Mit Erfolg – inzwischen haben sich zahlreiche große chinesische<br />
Unternehmen angesiedelt, beispielsweise die Chengdu Food Group,<br />
Sichuan Medicine Co. Ltd. und die Chengdu Automobile Co. Ltd. Schwerpunkte<br />
liegen in den Branchen Elektronik, Automobilbau, chemische Industrie<br />
und Pharmaindustrie. Auch die Luftfahrtindustrie ist in Chengdu aktiv:<br />
Hier ist <strong>der</strong> Sitz <strong>der</strong> Chengdu Aircraft Industry, die vor allem Militärflugzeuge<br />
für die chinesische Armee produziert. Außerdem zählt Chengdu<br />
zu den Zentren <strong>der</strong> Biotechnologie in China.<br />
In den letzten zehn Jahren entdecken immer mehr ausländische Konzerne<br />
den Standort Sichuan: Zu den "Global Playern", die hier Produktionsstätten<br />
aufgebaut haben, gehören unter an<strong>der</strong>em Microsoft, Cisco, Intel (siehe<br />
Seite 135), IBM und Motorola. Im Bereich Finanzdienstleistungen sind in<br />
Chengdu zahlreiche internationale Großbanken mit Nie<strong>der</strong>lassungen vertreten,<br />
darunter Citibank, HSBS, Standard Chartered Bank, ABN AMRO, BNP<br />
Paribas. Chengdu plant außerdem, nach Shanghai und Shenzhen <strong>der</strong> dritte<br />
Börsenplatz Chinas zu werden.<br />
Sichuan hat fünf wirtschaftliche Entwicklungszonen auf <strong>der</strong> Provinzebene;<br />
zu den wichtigsten gehört die "Chengdu Hi-Tech Industrial Development<br />
Zone". Sie wurde 1988 gegründet und 1991 als eine <strong>der</strong> ersten nationalen<br />
Hightech-Entwicklungszonen anerkannt. <strong>Die</strong> Branchenschwerpunkte dieser<br />
80 Quadratkilometer großen Entwicklungszone liegen in <strong>der</strong> Mikroelektronik,<br />
<strong>der</strong> Software-Entwicklung, <strong>der</strong> Herstellung von Präzisionsmaschinen<br />
sowie in <strong>der</strong> Pharmaindustrie mit einem Fokus auf mo<strong>der</strong>ne Anwendungen<br />
<strong>der</strong> traditionellen <strong>chinesischen</strong> Medizin. Beson<strong>der</strong>e Erfolge hat die Entwicklungszone<br />
im Bereich Software und Mikroelektronik vorzuweisen: Hier<br />
haben sich unter an<strong>der</strong>em Fujitsu, Intel und IBM angesiedelt.
134 |<br />
Studie<br />
Der Tourismus ist ebenfalls ein wichtiger Wirtschaftszweig in Sichuan. Jedes<br />
Jahr kommen über 160 Millionen chinesische Touristen und über 1,4 Millionen<br />
Besucher aus dem Ausland in die Provinz, die etwa 5% zur Wirtschaftsleistung<br />
des Hotel- und Gaststättengewerbes in Gesamtchina beiträgt.<br />
Sechs <strong>der</strong> zahlreichen Sehenswürdigkeiten Sichuans stehen auf <strong>der</strong><br />
UNESCO-Liste <strong>der</strong> Weltkultur- beziehungsweise Weltnaturerbestätten:<br />
Dazu gehört <strong>der</strong> Emei Shan. Der 3.099 Meter hohe Berg ist ein Heiligtum<br />
<strong>der</strong> <strong>chinesischen</strong> Buddhisten und Ziel Tausen<strong>der</strong> von Pilgern. Weltberühmt<br />
ist auch die Buddha-Statue in Le Shan. <strong>Die</strong> Figur des Dafo ("Großer<br />
Buddha") wurde im 8. Jahrhun<strong>der</strong>t in Sandstein gemeißelt und ist<br />
71 Meter hoch.<br />
<strong>Die</strong> Liberalisierung des <strong>Die</strong>nstleistungssektors nach Chinas WTO-Beitritt<br />
ebnete den Weg für Investitionen ausländischer Unternehmen im Groß- und<br />
Einzelhandel. Inzwischen sind die international bekannten Handelsunternehmen<br />
Carrefour (Frankreich), Metro (Deutschland) und Wal-Mart in<br />
Sichuan vertreten.<br />
Chengdu-Chongqing Economic Zone<br />
In <strong>der</strong> <strong>Go</strong>-<strong>West</strong>-<strong>Strategie</strong> des 11. Fünfjahresplans <strong>der</strong> <strong>chinesischen</strong> <strong>Regierung</strong><br />
wird die Chengdu-Chongqing Economic Zone als eine von drei wichtigen<br />
Fokus-regionen definiert, die in <strong>West</strong>china für die ökonomische Entwicklung<br />
und bei <strong>der</strong> Zusammenarbeit zwischen Provinzen und städtischen Agglomerationen<br />
eine Führungsrolle übernehmen sollen. <strong>Die</strong> Chengdu-Chongqing Economic<br />
Zone umfasst eine Fläche von 155.000 Quadratkilometern – das entspricht<br />
einem Viertel <strong>der</strong> gesamten Fläche <strong>der</strong> Provinz Sichuan und <strong>der</strong> regierungsunmittelbaren<br />
Stadt Chongqings. Zu ihrem Gebiet gehören 14 Städte in Sichuan<br />
und 23 Bezirke und Kommunen in Chongqing. Im politischen Programm für die<br />
Chengdu-Chongqing Economic Zone ist vorgesehen, bestimmte Industriezweige<br />
stärker zu entwickeln. Insbeson<strong>der</strong>e sind dies <strong>der</strong> Maschinen- und Anlagenbau,<br />
Hightech-Industrien, Wasserkraftan lagen, die Verarbeitung landwirtschaftlicher<br />
Produkte und Nebenprodukte, die chemische Industrie und <strong>der</strong> Tourismus.<br />
Außerdem soll eine ökologische Schutzzone am Oberlauf des Jangtse aufgebaut<br />
werden. Zu den Planungen für die Kernregion gehört auch, die Verbindung<br />
zwischen den Städten Chengdu und Chongqing durch den Bau weiterer Strassenverbindungen<br />
und eine Schnellzugstrecke zu verbessern. Das Projekt <strong>der</strong><br />
Chengdu-Chongqing Economic Zone soll als Schrittmacher fungieren, damit die<br />
Region zu den an<strong>der</strong>en Modellprojekten <strong>der</strong> interprovinziellen Zusammenarbeit<br />
im Osten Chinas aufschließen kann, zum Beispiel dem "Yangtze River Delta",<br />
dem "Pearl River Delta" und <strong>der</strong> "Bohai Bay Region". Auf dem Gebiet <strong>der</strong><br />
Chengdu-Chongqing Economic Zone werden <strong>der</strong>zeit etwa 5% von Chinas<br />
Bruttoinlandsprodukt erwirtschaftet. Künftig soll die Bedeutung dieser Region<br />
für die gesamtchinesische Wirtschaft noch größer werden: Der Anteil am<br />
BIP Chinas soll in den kommenden Jahren auf 10% wachsen.
135 |<br />
<strong>Die</strong> <strong>Go</strong>-<strong>West</strong>-<strong>Strategie</strong> <strong>der</strong> <strong>chinesischen</strong> <strong>Regierung</strong> – Chancen für die deutsche Wirtschaft?<br />
Ausländische Direktinvestitionen<br />
Sichuan hat sich als das Zentrum <strong>der</strong> ausländischen Geschäftstätigkeit<br />
in <strong>West</strong>china etabliert: Zwischen 2005 und 2008 sind die ausländischen<br />
Direktinvestitionen (ADI) in diese Provinz durchschnittlich jährlich um 45%<br />
gewachsen. Im Jahr 2008 flossen ausländische Direktinvestitionen (ADI) in<br />
Höhe von 3,3 Mrd. USD nach Sichuan; damit ist es Sichuan gelungen, unter<br />
allen westlichen Provinzen den größten Umfang an ausländischen Direktinvestitionen<br />
anzuziehen. <strong>Die</strong> 3,3 Mrd. USD entsprechen etwa einem Viertel<br />
aller für die westlichen Provinzen bestimmten ausländischen Direktinvestitionen.<br />
Der Anteil Sichuans an den ADI nach Gesamtchina lag 2008 bei<br />
3,6%. Innerhalb <strong>der</strong> Provinz erweist sich die Hauptstadt Chengdu als immer<br />
stärkerer Magnet für ausländische Direktinvestitionen: 2005 betrugen die<br />
ADI nach Chengdu 0,5 Mrd. USD, 2008 waren es bereits 1,451 Mrd. USD.<br />
Immer mehr ausländische Unternehmen entdecken Sichuan als attraktiven<br />
Standort: So sind hier bereits zahlreiche Fortune-500-Unternehmen ansässig<br />
geworden, darunter Motorola, IBM, United Technologies, Coca Cola, Pepsi<br />
Cola, Toyota, Sumitomo, Marubeni, Lafarge Cement, o<strong>der</strong> GM. Intel ist das<br />
wohl prominenteste Beispiel einer ausländischen Investition in Sichuan<br />
(siehe unten).<br />
Intel verlagert Halbleiter-Wert in den <strong>West</strong>en<br />
Intel ist seit 1985 auf dem <strong>chinesischen</strong> Markt aktiv und beschäftigt dort<br />
mittlerweile über 6000 Mitarbeiter in den Bereichen Herstellung, Forschung<br />
und Ent-wicklung, Verkauf und Marketing. Dabei ist Intel nicht nur in Peking<br />
und Shanghai präsent, son<strong>der</strong>n auch an zahlreichen Standorten im <strong>West</strong>en <strong>der</strong><br />
Volksrepublik. Nie<strong>der</strong>lassungen des IT-Unternehmens befinden sich in Chengdu,<br />
Kunming, Chongqing, Xi'an und sogar in Ürümqi, <strong>der</strong> Hauptstadt von Xinjian. In<br />
Chengdu, <strong>der</strong> Provinzhauptstadt von Sichuan, betreibt Intel eine Halbleiter-<br />
Fabrik und plant <strong>der</strong>zeit, diese Produktionsstätte weiter auszubauen. Im Zug<br />
<strong>der</strong> Expansion in <strong>West</strong>china soll ein Werk in Shangai mit 2.000 Mitarbeitern bis<br />
Mitte des Jahres 2010 stillgelegt werden; zeitgleich soll eine zweite "State-ofthe-Art"-Fabrik<br />
in Chengdu zur Herstellung und zum Test von hochentwickelten<br />
Mikroprozessoren eröffnen. Durch den Standortwechsel will das kalifornische<br />
Unternehmen von dem im Vergleich zu Shanghai deutlich niedrigeren Lohnniveau<br />
in Sichuan profitieren und durch eine Verringerung <strong>der</strong> Produktionskosten<br />
<strong>der</strong> momentan schwierigen Situation in <strong>der</strong> Halbleiterbranche entgegenwirken.<br />
In <strong>der</strong> Vergangenheit wurden die Investitionen von Intel in <strong>West</strong>china bereits<br />
als Meilensteine in Pekings <strong>Go</strong>-<strong>West</strong>-<strong>Strategie</strong> bezeichnet.
136 |<br />
Studie<br />
Auch zahlreiche deutsche Unternehmen haben sich in Sichuan nie<strong>der</strong>gelassen.<br />
Von den 3.500 in <strong>der</strong> Datenbank <strong>der</strong> Deutschen Handelskammer<br />
gelisteten Firmen hat sich ein Drittel in <strong>der</strong> Provinz Sichuan angesiedelt.<br />
Bei <strong>der</strong> Standort-Wahl entschieden sich alle deutschen Unternehmen für<br />
die Provinzhauptstadt Chengdu. Zum Beispiel ist <strong>der</strong> Bayer-Konzern hier<br />
seit 1997 mit <strong>der</strong> Sparte Tiergesundheit aktiv. An<strong>der</strong>e deutsche Unternehmen<br />
sind Kühne + Nagel, Siemens und Bosch.<br />
Ein weiterer Indikator für die Bedeutung Sichuans im Rahmen <strong>der</strong> deutsch<strong>chinesischen</strong><br />
Wirtschaftsbeziehungen ist die Tatsache, dass Chengdu die<br />
einzige Stadt im <strong>West</strong>en Chinas ist, in <strong>der</strong> die Deutsche Handelskammer<br />
mit einem Verbindungs-büro vertreten ist. Außerdem ist Chengdu <strong>der</strong> Sitz<br />
eines <strong>der</strong> vier deutschen Generalkonsulate in China.
137 |<br />
<strong>Die</strong> <strong>Go</strong>-<strong>West</strong>-<strong>Strategie</strong> <strong>der</strong> <strong>chinesischen</strong> <strong>Regierung</strong> – Chancen für die deutsche Wirtschaft?
138 |<br />
Studie
139 |<br />
<strong>Die</strong> <strong>Go</strong>-<strong>West</strong>-<strong>Strategie</strong> <strong>der</strong> <strong>chinesischen</strong> <strong>Regierung</strong> – Chancen für die deutsche Wirtschaft?
140 |<br />
Studie
141 |<br />
<strong>Die</strong> <strong>Go</strong>-<strong>West</strong>-<strong>Strategie</strong> <strong>der</strong> <strong>chinesischen</strong> <strong>Regierung</strong> – Chancen für die deutsche Wirtschaft?
142 |<br />
Studie<br />
Chongqing<br />
Bis 1997 gehörte Chongqing zur Provinz Sichuan, dann erhielt die Region<br />
den Status einer regierungsunmittelbaren Stadt und wurde damit den<br />
Metropolen Peking, Shanghai und Tianjin gleichgestellt. <strong>Die</strong>ser administrative<br />
Schritt hatte Symbolcharakter: <strong>Die</strong> chinesische <strong>Regierung</strong> unterstrich<br />
damit den hohen Stellenwert, den sie Chongqing bei <strong>der</strong> Weiterentwicklung<br />
<strong>der</strong> Provinzen im Landesinnern beimaß. Der Stadtprovinz war die Rolle <strong>der</strong><br />
Lokomotive zugedacht, die den <strong>West</strong>en Chinas auf einen steilen wirtschaftlichen<br />
Wachstumspfad ziehen sollte. <strong>Die</strong>ses Kalkül ist aufgegangen. Chongqing<br />
hat sich als eine <strong>der</strong> tragenden Säulen <strong>der</strong> <strong>Go</strong>-<strong>West</strong>-<strong>Strategie</strong> erwiesen.<br />
Mit einer Fläche von 82.300 Quadratkilometern und 28,2 Millionen Einwohnern<br />
wird Chongqing häufig die "größte Stadt <strong>der</strong> Welt" genannt. Allerdings<br />
täuscht diese Bezeichnung leicht darüber hinweg, dass die Verwaltungseinheit<br />
Chongqing nicht nur das Stadtgebiet von Chongqing mit 7<br />
Millionen Einwohnern umfasst, son<strong>der</strong>n auch ländliche Bezirke und Kreise.<br />
Auf dem Landstreifen entlang des Jangtse im Nordosten <strong>der</strong> Provinz spielt<br />
die Landwirtschaft eine wichtige Rolle. <strong>Die</strong> Stadt Chongqing liegt auf einer<br />
felsigen Landzunge am Zusammenfluss des Jialing-Flusses mit dem Jangtse<br />
und wird wegen <strong>der</strong> vielen Hügel auch Shan Cheng ("Stadt <strong>der</strong> Berge")<br />
genannt. Das Klima in Chongqing ist subtropisch, die Temperaturen betragen<br />
im Jahresmittel 18° C. <strong>Die</strong> tiefsten Temperaturen im Winter liegen bei<br />
6° C, die Sommertemperaturen zwischen 27° C und 29° C.<br />
<strong>Die</strong> Han-Chinesen stellen bei weitem den größten Anteil an <strong>der</strong> Bevölkerung<br />
<strong>der</strong> Provinz von Chongqing. Etwa 1,75 Millionen Menschen – das<br />
sind rund 6% <strong>der</strong> Provinzbevölkerung – werden einer <strong>der</strong> 49 an<strong>der</strong>en<br />
ethnischen Gruppen zugerechnet, die in Chongqing vertreten sind. <strong>Die</strong><br />
meisten Angehörigen <strong>der</strong> nationalen Min<strong>der</strong>heiten leben im Südwesten<br />
<strong>der</strong> Provinz.<br />
Provisorische Hauptstadt<br />
Während des japanisch-<strong>chinesischen</strong><br />
Krieges (1937-1945) war<br />
Chongqing die Hauptstadt <strong>der</strong><br />
Guomindang-<strong>Regierung</strong>, die sich<br />
aus Nanjing ins Landesinnere<br />
zurückziehen musste. In dieser<br />
Zeit wurden zahlreiche Industriebetriebe<br />
und öffentliche Einrichtungen<br />
nach Chongqing evakuiert,<br />
um sie außerhalb <strong>der</strong><br />
Reichweite japanischer Bombenangriffe<br />
zu bringen. Auch wenn<br />
diese Unternehmensansiedlungen<br />
aus <strong>der</strong> Not geboren waren,<br />
so legten sie doch eine wichtige<br />
Basis für die Entwicklung Chongqings<br />
als Industriestandort.<br />
Umwelt<br />
<strong>Die</strong> pittoreske Lage <strong>der</strong> Stadt in einer Hügellandschaft hat auch Nachteile,<br />
zumindest was die Luftqualität anbelangt: <strong>Die</strong> Kombination aus hoher<br />
Luftfeuchtigkeit und Luftverschmutzung setzt Einwohnern und Gästen<br />
Chongqings sehr zu. <strong>Die</strong> Stadtregierung hat eine Reihe von Maßnahmen<br />
ergriffen, um dieses Problem zu entschärfen. Dazu gehören zum Beispiel<br />
<strong>der</strong> Umstieg von Kohle auf die Energiequelle Erdgas, die Umrüstung von<br />
Linienbussen auf Erdgasantrieb sowie die Stilllegung beziehungsweise<br />
Umsiedlung von Betrieben mit hoher Schadstoff-Emission.
143 |<br />
<strong>Die</strong> <strong>Go</strong>-<strong>West</strong>-<strong>Strategie</strong> <strong>der</strong> <strong>chinesischen</strong> <strong>Regierung</strong> – Chancen für die deutsche Wirtschaft?<br />
<strong>Die</strong> starke Wasserverunreinigung durch die Einleitung von Industrie- und<br />
Haushaltsabwässern beeinträchtigt die Wasserqualität des Jangtse und<br />
seiner Zuflüsse erheblich. <strong>Die</strong> <strong>Regierung</strong> will in großem Umfang in Kläranlagen<br />
investieren, um dieses Problem einzudämmen.<br />
Einkommen und Konsumverhalten<br />
Das Pro-Kopf-Einkommen <strong>der</strong> städtischen Bevölkerung in Chongqing betrug<br />
im Jahr 2007 11.600 CNY (circa 1.500 USD). Mit diesem Wert platzierte<br />
sich Chongqing auf Rang eins unter den <strong>West</strong>provinzen und lag erheblich<br />
über dem <strong>West</strong>-Durchschnitt von 9.500 CNY (circa 1.250 USD). Allerdings<br />
blieb selbst Chongqing als Spitzenreiter <strong>der</strong> westlichen Provinzen weit<br />
hinter den Metropolen des Ostens zurück. Zum Vergleich: Das Pro-Kopf-<br />
Einkommen von Shanghai belief sich 2007 auf 20.700 CNY (circa 2.700<br />
USD) und war damit wesentlich höher als in Chongqing.<br />
Der Einzelhandel erzielte 2008 einen Umsatz von 206 Mrd. CNY (circa<br />
27,2 Mrd. USD) und legte damit gegenüber dem Vorjahr um 24% zu. Auch<br />
internationale Handelsunternehmen haben inzwischen Filialen in Chongqing<br />
eröffnet und profitieren von <strong>der</strong> gestiegenen Kaufkraft: Vor Ort<br />
präsent sind beispielsweise Carrefour, Wal-Mart und Metro.<br />
Das für westchinesische Verhältnisse überdurchschnittliche Einkommensniveau<br />
spiegelt sich auch am Lebensstandard und an <strong>der</strong> Verbreitung von<br />
Computern wi<strong>der</strong>: Auf 100 Haushalte kommen in Chongqing 58 Computer<br />
(Stand 2008). Mit dieser Relation liegt die Stadt weit über dem <strong>West</strong>-Durchschnitt<br />
von 44 Computern je 100 Haushalte – und erreicht fast den Ost-<br />
Durchschnitt von 62. <strong>Die</strong> Pkw-Dichte ist dagegen mit 4,4 Autos je 100<br />
Haushalte geringer als im west<strong>chinesischen</strong> Durchschnitt (5,7). Wegen<br />
<strong>der</strong> feucht-heißen Sommer gehören Klimaanlagen offensichtlich zur Grundausstattung<br />
jeden Haushalts: Auf 100 Haushalte kommen 155 Klimaanlagen<br />
(<strong>West</strong>-Durchschnitt 42).<br />
Infrastruktur<br />
Im Rahmen <strong>der</strong> <strong>chinesischen</strong> <strong>Go</strong>-<strong>West</strong>-<strong>Strategie</strong> soll Chongqing zur wichtigsten<br />
Verkehrsdrehscheibe im Südwesten ausgebaut werden. <strong>Die</strong> <strong>Regierung</strong><br />
von Chongqing hat angekündigt, dass weitere Investitionen in die Infrastruktur<br />
geplant sind. Bis 2012 sollen 300 Mrd. CNY für den Ausbau und<br />
die Mo<strong>der</strong>nisierung des Transportsektors verwendet werden. Jeweils ein<br />
Drittel dieser Summe ist für den Flughafen Jiangbei und die Erweiterung des<br />
Straßennetzes vorgesehen: 1.000 Kilometer Schnellstraße sollen neu gebaut<br />
werden. Bereits heute verbinden Autobahnen Chongqing mit Chengdu und<br />
an<strong>der</strong>en Städten in <strong>der</strong> Provinz Sichuan. Richtung Süden führt eine Autobahn<br />
nach Guiyang (Provinz Guizhou), nach <strong>West</strong>en verläuft eine Strecke<br />
über Wuhan bis an die Ostküste. Weitere Verbindungen sind nach Sichuan<br />
und in die östliche Nachbarprovinz Hubei vorgesehen.
144 |<br />
Studie<br />
<strong>Die</strong> Schienenverbindungen wurden in den letzten Jahren ausgebaut beziehungsweise<br />
mo<strong>der</strong>nisiert: Ein wichtiges Projekt ist die Hochgeschwindigkeitsstrecke<br />
zwischen Chongqing und Guangzhou im Südosten Chinas.<br />
Seit <strong>der</strong> Einweihung dieser Trasse hat sich die Fahrzeit zwischen den beiden<br />
Städten von 38 auf 31 Stunden verringert. Bis 2020 ist <strong>der</strong> Bau weiterer<br />
Hochgeschwindigkeitsstrecken geplant, unter an<strong>der</strong>em über Wuhan und<br />
Nanjing nach Shanghai. Außerdem soll bis 2009 die 1.000 Kilometer lange<br />
Strecke zwischen Chongqing und Lanzhou, <strong>der</strong> Provinzhauptstadt von<br />
Gansu, fertig gestellt sein.<br />
<strong>Die</strong> Binnenschifffahrt spielte für die Verkehrsanbindung Chongqings schon<br />
immer eine wichtige Rolle. Seit dem Bau des Drei-Schluchten-Staudamms<br />
(siehe Seite 145) ist <strong>der</strong> Jangtse auch für große Schiffe eine durchgehende<br />
Verbindung zu den Wirtschaftszentren im Osten Chinas. Deshalb sind<br />
erhebliche Investitionen in den Ausbau <strong>der</strong> Infrastruktur für die Binnenschifffahrt<br />
geplant: So sollen bis 2010 15 Mrd. CNY in den Ausbau von<br />
Chongqings Häfen fließen, <strong>der</strong> Großteil dieser Mittel ist für Containerterminals<br />
bestimmt. China International Maritime Container, <strong>der</strong> weltgrößte<br />
Produzent <strong>der</strong> Stahlboxen, hat bereits 150 Mio. USD in eine<br />
Container-Produktion in Chongqing investiert<br />
Jiangbei, <strong>der</strong> internationale Flughafen im Südwesten <strong>der</strong> Provinz, zählt mit<br />
einem Passagieraufkommen von über 8 Millionen zu den zehn wichtigsten<br />
Flughäfen Chinas. In <strong>der</strong> Provinz gibt es außerdem zwei Inlandsflughäfen,<br />
Wanzhou Wuqiao und Qianjiang Zhoubai. Sie sollen künftig ein Frachtvolumen<br />
von über 100.000 Tonnen pro Jahr abwickeln. Im Jahr 2008 starteten<br />
durchschnittlich 132 Flüge pro Woche aus <strong>der</strong> Provinz nach Peking.<br />
Um den wachsenden Energiebedarfs Chongqings zu decken, wurde die<br />
Ölpipeline aus Myanmar über Kunming (Provinz Yunnan) nach Chongqing<br />
verlängert. Hier mündet sie direkt im Changshou Chemical Industry Park,<br />
wo sich ein Zentrum <strong>der</strong> Petrochemie dieser Provinz befindet.<br />
Bildung und Forschung<br />
Chongqing hat ein im Vergleich zu den an<strong>der</strong>en <strong>West</strong>provinzen ein gehobenes<br />
Bildungsniveau. Nach offiziellen <strong>chinesischen</strong> Statistiken hat die Stadt<br />
34 Universitäten und liegt damit relativ zur Bevölkerungszahl im Schnitt<br />
<strong>der</strong> <strong>West</strong>provinzen. Pro Jahr schließen in <strong>der</strong> Provinz pro 1.000 Einwohner<br />
3,6 Personen ein Hochschulstudium ab, was den zweithöchsten Wert in<br />
den <strong>West</strong>provinzen (nach Shaanxi mit 6 Personen) darstellt, Der Akademikeranteil<br />
in <strong>der</strong> Bevölkerung liegt mit 4% noch knapp unter dem Schnitt<br />
<strong>der</strong> <strong>West</strong>provinzen (5%).<br />
Allerdings wurden im Jahr 2007 in Chongqing 7,4 Mrd. CNY (fast 1 Mrd.<br />
USD) in Bildungseinrichtungen investiert. <strong>Die</strong>s stellt den dritthöchsten<br />
Wert in <strong>West</strong>china insgesamt dar und erreicht relativ zur Einwohnerzahl
145 |<br />
<strong>Die</strong> <strong>Go</strong>-<strong>West</strong>-<strong>Strategie</strong> <strong>der</strong> <strong>chinesischen</strong> <strong>Regierung</strong> – Chancen für die deutsche Wirtschaft?<br />
mit 263.000 CNY (circa 34.716 USD) pro 1.000 Einwohner den zweithöchsten<br />
Wert im <strong>West</strong>en, <strong>der</strong> auch über dem Durchschnitt <strong>der</strong> östlichen<br />
Provinzen liegt (193.000 CNY; circa 25.500 USD).<br />
In Bezug auf die Forschungsleistung wurden in Chongqing 2008 pro<br />
1 Million Einwohner 171 Patente angemeldet, was sehr deutlich über dem<br />
Schnitt <strong>der</strong> <strong>West</strong>provinzen von 91 liegt, allerdings noch weit unter dem<br />
gesamt<strong>chinesischen</strong> Schnitt von 273.<br />
Seit 2004 bemüht sich Chongqing um die Einrichtung von Innovations-<br />
Plattformen. Eine dieser Plattformen soll die Forschungs- und Entwicklungsleistung<br />
<strong>der</strong> Stadt nach vorne bringen, indem Laboratorien und Technologie-<br />
Forschungszentren errichtet werden. Mit Unterstützung <strong>der</strong> Southwest<br />
Agricultural University und <strong>der</strong> Chongqing University wurden im Jahr<br />
2004 bereits fünf Laboratorien und zehn Forschungszentren gegründet.<br />
Deren Zahl soll bis Ende des 11. Fünfjahresplans im Jahre 2010 auf 30<br />
beziehungsweise 40 Einrichtungen anwachsen.<br />
Drei-Schluchten-Staudamm<br />
<strong>Die</strong> Idee, im Mittellauf des Jangtse im Bereich <strong>der</strong> Drei Schluchten einen Damm<br />
zu bauen, um die Schiffbarkeit des Flusses zu verbessern und seine Wasserkraft<br />
zu nutzen, kam bereits 1919 auf. 1992 wurde dann die Umsetzung dieses<br />
Projekts genehmigt – obwohl ein Drittel <strong>der</strong> Delegierten des Nationalen Volkskongresses<br />
dagegen stimmte. Angesichts <strong>der</strong> Tatsache, dass dieses Gremium<br />
<strong>Regierung</strong>svorlagen üblicherweise mit 98% und mehr Stimmen absegnet, sagt<br />
dieses Votum viel über die Ambivalenz <strong>der</strong> <strong>chinesischen</strong> Gesellschaft gegenüber<br />
dem Drei-Schluchten-Staudamm aus.<br />
Der Drei-Schluchten-Staudamm ist mit einer Kapazität von mehr als 18.000<br />
Megawatt die größte Wasserkraftanlage <strong>der</strong> Welt. <strong>Die</strong> Gesamtlänge <strong>der</strong> Staumauer<br />
beträgt 2.309 Meter, sie ist 185 Meter hoch. Über ein fünfstufiges,<br />
1.600 Meter langes Schleusensystem überwinden die Schiffe einen Höhenunterschied<br />
von 113 Metern. Der durch den Damm entstandene Stausee hat eine<br />
Länge von 645 Kilometern; sein Wasserspiegel soll eine Höhe von 175 Metern<br />
haben. Für das Projekt mussten 1,3 Millionen Menschen umgesiedelt werden.<br />
Über 1.000 Städte und Dörfer wurden geflutet.<br />
Unter ökologischen Aspekten ist <strong>der</strong> Drei-Schluchten-Staudamm umstritten:<br />
Kritiker befürchten, dass sich <strong>der</strong> Sediment- und Nährstoffhaushalt des Jangtse<br />
verschlechtern wird. Hinzu kommt: <strong>Die</strong> Siedlungen wurden vor ihrer Flutung<br />
nicht gereinigt, son<strong>der</strong>n einschließlich ihrer Kläranlagen, Mülldeponien und<br />
Industrieanlagen unter Wasser gesetzt.
146 |<br />
Studie<br />
Natürliche Ressourcen und Rohstoffe<br />
Der Jangtse und seine Nebenflüsse prägen nicht nur die Landschaft Chongqings,<br />
son<strong>der</strong>n haben für die Provinz auch eine große Bedeutung als Energielieferanten:<br />
<strong>Die</strong> Wasserkraft spielt eine wesentliche Rolle für Chongqing;<br />
auf dem Gebiet <strong>der</strong> Provinz befinden sich über 1.000 Wasserkraftwerke<br />
verschiedener Größe, die zusammen eine Kapazität von 619 Gigawatt<br />
haben. Das für Chongqing wichtigste – und weltweit bekannte – Projekt zur<br />
Energiegewinnung durch Wasserkraft ist <strong>der</strong> Drei-Schluchten-Damm (siehe<br />
Seite 145). <strong>Die</strong>ses gigantische Wasserkraftwerk ist für Chongqing nicht nur<br />
unter dem Aspekt <strong>der</strong> Energieerzeugung relevant, son<strong>der</strong>n auch in Bezug<br />
auf die Logistik: Der Drei-Schluchten-Damm macht es möglich, dass nun<br />
Schiffe mit einer Kapazität von über 10.000 Tonnen den Jangtse flussaufwärts<br />
bis nach Chongqing befahren können.<br />
Wirtschaftsleistung<br />
Das Bruttoinlandsprodukt Chongqings betrug im Jahr 2008 510 Mrd. CNY<br />
(rund 74 Mrd. USD). <strong>Die</strong>s entspricht gegenüber dem Vorjahr einem nominalen<br />
Wachstum von 24%. Der Anteil <strong>der</strong> Provinz am Bruttoinlandsprodukt<br />
des <strong>West</strong>ens betrug 2008 9%; zur gesamt<strong>chinesischen</strong> Wirtschaftsleistung<br />
erbrachte Chongqing einen Beitrag von 1,7%. In den letzten fünf Jahren<br />
(2003-2008) ist das BIP von Chongqing durchschnittlich um 15% pro Jahr<br />
gestiegen. Mit dieser Wachstumsrate landet Chongqing mit Shaanxi nach<br />
<strong>der</strong> Inneren Mongolei auf dem zweiten Platz unter den west<strong>chinesischen</strong><br />
Provinzen.<br />
Wirtschaftsstruktur<br />
<strong>Die</strong> Landwirtschaft hat einen Anteil von 13% am Bruttoinlandsprodukt von<br />
Chongqing; dies liegt unter dem <strong>West</strong>-Durchschnitt von 16%. Der Bergbau<br />
trägt nur knapp 2% zur Wirtschaftsleistung Chongqings bei (<strong>West</strong>-Durchschnitt:<br />
8,5%). Wie in einer großen Agglomeration nicht an<strong>der</strong>s zu erwarten,<br />
dominieren bei <strong>der</strong> Wertschöpfung <strong>der</strong> sekundäre Sektor mit einem<br />
Anteil von 40% und <strong>der</strong> <strong>Die</strong>nstleistungssektor mit einem Anteil von 46%.<br />
Warenhandel mit dem Ausland<br />
<strong>Die</strong> Exporte aus Chongqing hatten im Jahr 2008 ein Volumen von 5,3 Mrd.<br />
USD. Gegenüber dem Vorjahr bedeutet das einen Zuwachs von fast 20%.<br />
Knapp ein Fünftel aller Exporte wird von ausländischen Unternehmen<br />
abgewickelt. <strong>Die</strong> Ausfuhren aus Chongqing stellen einen Anteil von 8%<br />
an den gesamten Exporten aus <strong>West</strong>china. Das Volumen <strong>der</strong> Importe nach<br />
Chongqing betrug 2008 3,7 Mrd. USD; das entspricht einem Anteil von<br />
7% an allen Importen, die für <strong>West</strong>china bestimmt waren. Ausländische<br />
Unternehmen haben 30% <strong>der</strong> Einfuhren nach Chongqing bestritten.
147 |<br />
<strong>Die</strong> <strong>Go</strong>-<strong>West</strong>-<strong>Strategie</strong> <strong>der</strong> <strong>chinesischen</strong> <strong>Regierung</strong> – Chancen für die deutsche Wirtschaft?<br />
Kernindustrien, Cluster<br />
Chongqing ist eines <strong>der</strong> wichtigsten industriellen Zentren <strong>West</strong>chinas. <strong>Die</strong><br />
Stadtprovinz hat von den Investitionen und Vergünstigungen im Rahmen<br />
<strong>der</strong> <strong>Go</strong>-<strong>West</strong>-<strong>Strategie</strong> profitiert. In den letzten Jahren haben zahlreiche<br />
chinesische Unternehmen Produktionsstätten in Chongqing aufgebaut:<br />
Beispielsweise errichtet <strong>der</strong> Haushaltsgerätehersteller Haier hier für 2,8<br />
Mrd. CNY eine Fabrikanlage mit 94 Hektar, in <strong>der</strong> rund 10.000 Beschäftigte<br />
Klimaanlagen, Fernseher, Waschmaschinen etc. produzieren sollen.<br />
<strong>Die</strong> Attraktivität des Standorts rührt nicht zuletzt daher, dass in Chongqing<br />
die Produktionskosten wesentlich niedriger liegen als in den Industrieregionen<br />
<strong>der</strong> Ostküste. Gleichzeitig bietet Chongqing eine gut ausgebaute Infrastruktur<br />
sowie qualifizierte Arbeitskräfte. Auch die Voraussetzung für die<br />
Ansiedlung beziehungsweise Entwicklung von Hightech-Industrien ist gut.<br />
<strong>Die</strong>s liegt unter an<strong>der</strong>em daran, dass in Chongqing einige technologieintensive<br />
Rüstungsbetriebe ansässig sind; einige von ihnen haben inzwischen<br />
auf zivile Produktion umgestellt.<br />
Ein wichtiges Rückgrat <strong>der</strong> Industrieproduktion in Chongqing bilden die<br />
bereits Anfang <strong>der</strong> neunziger Jahre gegründeten Entwicklungszonen Chongqing<br />
Economic Technology Development Zone und Chongqing High-Tech<br />
Industry Development Zone.<br />
In <strong>der</strong> 1990 gegründeten Chongqing Economic Technology Development Zone<br />
(ETDZ), mit einer Fläche von 10 Quadratkilometern in 3 Kilometern Entfernung<br />
zum Stadtzentrum Chongqings gelegen, sind über 900 chinesische<br />
und 300 ausländische Unternehmen ansässig. Schwerpunktbranchen sind<br />
die Automobilindustrie, Telekommunikation, Biotechnologie, Medizintechnik<br />
und Lebensmittelindustrie. <strong>Die</strong> ETDZ legte auch die Basis für die Weiterentwicklung<br />
des tertiären Sektors durch die Ansiedlung von Unternehmen<br />
aus den Bereichen Finanzdienstleistungen, Handel und dem Hotelund<br />
Gaststättengewerbe.<br />
<strong>Die</strong> Chongqing High-Tech Industry Development Zone (HTDZ) umfasst eine<br />
Fläche von 20 Quadratkilometern und wurde 1991 mit dem Ziel gegründet,<br />
insbeson<strong>der</strong>e Hochtechnologie-Branchen zu för<strong>der</strong>n. An diesem Standort<br />
haben sich inzwischen rund 4.000 Firmen nie<strong>der</strong>gelassen. Der Fokus liegt<br />
auf den Branchen IT und Telekommunikation, Software- und Hardware-<br />
Entwicklung, Mess- und Regeltechnik, Photoelektronik und Elektromechanik,<br />
Pharma und Feinchemie.
148 |<br />
Studie<br />
Chongqing ist eines <strong>der</strong> Zentren <strong>der</strong> <strong>chinesischen</strong> Automobilindustrie: <strong>Die</strong>se<br />
Branche erwirtschaftet einen Anteil von 10% des Bruttoinlandsprodukts <strong>der</strong><br />
Provinz. Zur Wertschöpfung <strong>der</strong> Automobilindustrie Gesamtchinas trägt<br />
Chongqing 6% bei. In <strong>der</strong> Stadtprovinz werden pro Jahr über 500.000<br />
Autos und mehr als 90.000 Lastwagen produziert.<br />
Zu den größten Automobilherstellern in Chongqing gehört die Changan<br />
Ford Mazda Automobile Corporation. An diesem Joint Venture hält die<br />
Chongqing Changan Automobile 50%, Ford 35% und Mazda 15%. Das<br />
Gemeinschaftsunternehmen produziert und vertreibt die Ford-Modelle<br />
Fiesta, Focus, Mondeo und S-max sowie den Mazda 2, Mazda 3 und den<br />
Volvo S40. Außerdem ist Changan an einem Joint Venture mit Suzuki<br />
beteiligt und produziert in Chongqing vier Modelle dieser Marke.<br />
Gemeinsam mit <strong>der</strong> Fiat-Tochter Iveco hat die Shangai Automotive Industry<br />
Corporation Group im Jahr 2006 in die Chongqing Heavy Vehicle Corporation<br />
investiert: Nun werden in Chongqing Iveco-Lkw hergestellt.<br />
Eine starke Rolle spielt Chongqing bei <strong>der</strong> Produktion von Motorrä<strong>der</strong>n:<br />
Ein Drittel aller Motorrä<strong>der</strong>, die China exportiert, stammt aus den Fabrikhallen<br />
Chongqings. Yamaha und Piaggo haben hier Joint Ventures mit <strong>chinesischen</strong><br />
Unternehmen gegründet. Zu den wichtigsten Motorrad-Herstellern<br />
in Chongqing zählen Chongqing Zongshen Motorcycle, die Jialing Group<br />
und die Lifan Group. Letztere gilt als beispielhafte Erfolgsgeschichte für die<br />
Entwicklung von Privatunternehmen. Seit ihrer Gründung 1992 entwickelte<br />
sich die Firma zu einem <strong>der</strong> größten <strong>chinesischen</strong> Motorradhersteller und<br />
einem internationalen Konzern mit 12.000 Beschäftigten, <strong>der</strong> in über 100<br />
Län<strong>der</strong> exportiert. Eigene Produktionsstätten außerhalb Chinas betreibt<br />
Lifan in Vietnam, Thailand und <strong>der</strong> Türkei. 2005 ist Lifan erfolgreich in<br />
die Autoproduktion eingestiegen.<br />
Unternehmer-Karriere<br />
Yin Mingshan, Grün<strong>der</strong> und<br />
Geschäftsführer des Lifan-<br />
Konzerns, wurde während <strong>der</strong><br />
Kulturrevolution als Konterrevolutionär<br />
verurteilt und verbrachte<br />
zwei Jahrzehnte im Arbeitslager.<br />
Nach seiner Entlassung arbeitete<br />
er in einem Buchverlag. 1992<br />
gründete er mit sechs Geschäftspartnern,<br />
seiner Frau und<br />
seinem Sohn mit einem Startkapital<br />
von 15.000 USD eine<br />
Motorrad-Werkstatt. <strong>Die</strong>s war<br />
die Keimzelle <strong>der</strong> Lifan-Gruppe.<br />
Heute beschäftigt <strong>der</strong> Motorradund<br />
Autohersteller 12.000<br />
Mitarbeiter und zählt zu den<br />
größten Privatunternehmen<br />
Chinas.<br />
Auch die Hochtechnologie-Branchen haben eine starke Stellung in <strong>der</strong> Stadt:<br />
Beispielsweise ist die chinesische TCL Corporation hier aktiv, einer <strong>der</strong><br />
größten Hersteller von Unterhaltungselektronik weltweit. Ausländische<br />
Unternehmen aus den Branchen IT und Telekommunikation wie beispielsweise<br />
UTStarcom, Hewlett Packard und Nokia sind ebenfalls in Chongqing<br />
präsent.
149 |<br />
<strong>Die</strong> <strong>Go</strong>-<strong>West</strong>-<strong>Strategie</strong> <strong>der</strong> <strong>chinesischen</strong> <strong>Regierung</strong> – Chancen für die deutsche Wirtschaft?<br />
Unternehmen aus den Bereichen Energieerzeugung und Chemieindustrie<br />
sind in Chongqing ebenfalls zahlreich vertreten. Große chinesische Firmen<br />
sind hier zum Beispiel die China National Petroleum Corporation (CNPC),<br />
SinoChem und SinoPEC. Als Beispiele für Unternehmen aus dem Ausland<br />
lassen sich BP, ExxonMobil und BASF nennen.<br />
Geht es nach den Plänen <strong>der</strong> Provinzregierung, so soll sich Chongqing zu<br />
einem Zentrum für Umwelttechnologie entwickeln: So plant die Stadt Chongqing<br />
ein Kompetenzzentrum für Elektroautos und -zubehör, das Forschung<br />
und Entwicklung sowie Fertigung umfasst. Mit Suntech Power ist in <strong>der</strong><br />
Provinz Chongqing im Bezirk Wanzhou ein bereits etabliertes Greentech-<br />
Unternehmen ansässig. Suntech ist <strong>der</strong> drittgrößte Hersteller von Solarzellen<br />
weltweit und produziert vor allem für den Export.<br />
Wirtschaftspolitische Schwerpunkte<br />
Im Rahmen ihrer <strong>Go</strong>-<strong>West</strong>-<strong>Strategie</strong> räumt die chinesische <strong>Regierung</strong> <strong>der</strong><br />
Stadtprovinz Chongqing einen hohen Stellenwert ein. <strong>Die</strong> Chengdu-Chongqing<br />
Economic Zone ist eine von drei wichtigen Kernregionen, die in <strong>West</strong>china<br />
in <strong>der</strong> ökonomischen Entwicklung und bei <strong>der</strong> Zusammenarbeit<br />
zwischen Provinzen und städtischen Agglomerationen eine Führungsrolle<br />
übernehmen sollen. Einzelheiten über die Chengdu-Chongqing Economic<br />
Zone werden in dem Text über Sichuan auf Seite 134 dargestellt.<br />
2007 hat Chongqing den sogenannten "Ein Ring – Zwei Flügel"-Plan 15)<br />
veröffentlicht. Mit "Ring" ist die Zone gemeint, die im Radius von einer<br />
Stunde Fahrzeit um das eigentliche Stadtzentrum liegt. Sie umfasst auf einer<br />
Fläche von fast 29.000 Quadratkilometern 23 <strong>der</strong> insgesamt 40 Bezirke und<br />
Kreise Chongqings und gilt als ökonomisches Kraftzentrum <strong>der</strong> Provinz:<br />
Hier werden etwa 80% des Bruttoinlandsprodukts Chongqings erwirtschaftet.<br />
Innerhalb des Rings sind mehrere ambitionierte Projekte geplant: Ein<br />
großer neuer Industriepark soll sich auf <strong>Die</strong>nstleistungsbranchen fokussieren.<br />
Für einen ähnlichen Park im Norden ist eine Konzentration auf den<br />
Automobilbau, Elektronik und Pharma vorgesehen, für die Zone im <strong>West</strong>en<br />
ein Schwerpunkt auf Hightech, vor allem Mikroelektronik und die<br />
Software-Entwicklung.<br />
Weitere Industrieparks sollen an den Bahnlinien in die umliegenden Kommunen<br />
entstehen und sich unter an<strong>der</strong>em auf Erdgas, Petrochemie, Nahrungsmittel<br />
und Hightech fokussieren. Bis 2010 sollen allein in diese neuen<br />
Industriezonen 1 Bill. CNY (rund 144 Mrd. USD) investiert werden.<br />
15) " One-hour Economic Circle and the Two Wings "
150 |<br />
Studie<br />
<strong>Die</strong> "Zwei Flügel" breiten sich von <strong>der</strong> Ringzone in den Nordosten und den<br />
Südosten <strong>der</strong> Provinz Chongqing aus. Auf dem Gebiet des nordöstlichen<br />
Flügels mit dem Bezirk Wangzhou als Zentrum erstreckt sich <strong>der</strong> Drei-<br />
Schluchten-Stausee. Das Areal des Nordost-Flügels umfasst 11 Bezirke<br />
und Kreise <strong>der</strong> Provinz. Der Fokus im nordöstlichen Flügel liegt auf Landwirtschaft,<br />
Forstwirtschaft und Tourismus. Das Zentrum des südöstlichen<br />
Flügels mit insgesamt sechs Bezirken und Kreisen ist <strong>der</strong> Bezirk Qianjiang.<br />
In diesem Gebiet soll <strong>der</strong> Aufbau einer nachhaltigen Tourismuswirtschaft<br />
eine wichtige Rolle spielen.<br />
Duravit produziert Sanitärausstattung in Chongqing<br />
Duravit beschäftigt als Designmarktführer unter den Bad-Ausstattern weltweit<br />
5.000 Mitarbeiter und produziert Sanitärkeramik, Badmöbel sowie Wannenund<br />
Wellnessprodukte. Das 1817 im Schwarzwald gegründete Unternehmen<br />
startete seine Aktivitäten in <strong>West</strong>-China 2003 mit einem Joint Venture und<br />
wählte die Provinz Chongqing als Standort für die Duravit Chongqing Sanitaryware<br />
Co. Ltd. Zwei Jahre später erfolgte die offizielle Einweihung des neu<br />
gebauten Produktions- und Verwaltungsgebäudes mit Sitz in Youxi-Town<br />
(Jiangjin) in <strong>der</strong> Nähe von Chongqing, wo Duravit 20 Mio. USD investiert hat.<br />
Heute ist das ehemalige Gemeinschaftsunternehmen eine 100-prozentige<br />
Tochter und firmiert als Duravit Sanitaryware Co. Ltd.<br />
Ausländische Direktinvestitionen<br />
<strong>Die</strong> ausländischen Direktinvestitionen (ADI) nach Chongqing erreichten<br />
2008 ein Volumen von 2,7 Mrd. USD. Damit rangiert Chongqing in <strong>West</strong>china<br />
auf dem zweiten Platz hinter Sichuan. Dabei hat sich <strong>der</strong> Zufluss<br />
ausländischer Direktinvestitionen in den letzten Jahren rasant entwickelt:<br />
Zwischen 2004 und 2008 ist das ADI-Volumen durchschnittlich um 41%<br />
pro Jahr gewachsen. Über 1.500 ausländische Unternehmen waren im Jahr<br />
2007 in <strong>der</strong> regierungsunmittelbaren Stadt registriert. Damit steht Chongqing<br />
bezüglich <strong>der</strong> Präsenz ausländischer Unternehmen auf dem fünften<br />
Platz in China (nach Sichuan, Shaanxi, Guangxi und Yunnan). Gut möglich,<br />
dass sich diese Reihenfolge demnächst verän<strong>der</strong>t, denn die ausländischen<br />
Direktinvestitionen haben von 2007 auf 2008 einen sehr großen Sprung<br />
gemacht: Sie sind um den Faktor 2,4 gestiegen.
151 |<br />
<strong>Die</strong> <strong>Go</strong>-<strong>West</strong>-<strong>Strategie</strong> <strong>der</strong> <strong>chinesischen</strong> <strong>Regierung</strong> – Chancen für die deutsche Wirtschaft?<br />
Immer mehr deutsche Unternehmen werden in Chongqing ansässig. Dazu<br />
gehört <strong>der</strong> Badausstatter Duravit, <strong>der</strong> in <strong>der</strong> Metropole eine Produktionsstätte<br />
betreibt (siehe oben). <strong>Die</strong> Linde AG investierte zusammen mit einer<br />
Tochter des <strong>chinesischen</strong> Chemiekonzerns Sinopec 50 Mio. EUR in ein<br />
Gemeinschaftsunternehmen in Chongqing. Linde wird zunächst eine<br />
Luftzerlegungsanlage bauen, die ab 2011 Sauerstoff für die Herstellung<br />
<strong>der</strong> Basischemikalie VAM liefert.<br />
Auch die BASF AG ist in <strong>der</strong> Region aktiv. Der Ludwigshafener Konzern<br />
plant in Chongqing den Bau einer Fabrik für das Kunststoffvorprodukt MDI.<br />
Mit einer geplanten Kapazität von 400.000 Tonnen soll damit die weltweit<br />
größte Produktionsstätte für MDI entstehen.
152 |<br />
Studie
153 |<br />
<strong>Die</strong> <strong>Go</strong>-<strong>West</strong>-<strong>Strategie</strong> <strong>der</strong> <strong>chinesischen</strong> <strong>Regierung</strong> – Chancen für die deutsche Wirtschaft?
154 |<br />
Studie<br />
Shaanxi<br />
Mit einer Fläche von 190.000 Quadratkilometern ist Shaanxi die neuntgrößte<br />
Provinz Chinas. Ihre Lage in Zentralchina macht sie zu einem wichtigen<br />
Knotenpunkt des <strong>chinesischen</strong> Verkehrsnetzes.<br />
Der größte Teil von Shaanxi liegt auf einer Höhe von 1.000 bis 2.000<br />
Metern über dem Meeresspiegel. Deutlich tiefer – auf circa 400 Metern<br />
über dem Meeresspiegel – zieht sich das dicht besiedelte Tal des Wei von<br />
<strong>West</strong> nach Ost durch die Provinz. In dieser Guanzhong-Ebene ("Gebiet innerhalb<br />
<strong>der</strong> Pässe") leben zwei Drittel <strong>der</strong> 37,6 Millionen Einwohner von<br />
Shaanxi. Der Gelbe Fluss bildet die Ostgrenze zur Nachbarprovinz Shanxi<br />
und bahnt sich seinen Weg durch zahlreiche Täler und Schluchten. In den<br />
äußersten Norden Shaanxis erstrecken sich die Ausläufer <strong>der</strong> Ordos-Wüste,<br />
<strong>der</strong>en größter Teil auf dem Territorium <strong>der</strong> Inneren Mongolei liegt.<br />
Das südlich <strong>der</strong> Provinzhauptstadt Xi'an verlaufende Qin-Ling-Gebirge ist<br />
innerhalb <strong>der</strong> Provinz eine Klimascheide: Während die Gebiete im Norden<br />
trocken-gemäßigt (340-600 Millimeter Nie<strong>der</strong>schlag pro Jahr) und kälter<br />
sind, ist <strong>der</strong> Süden um die Hanzhong-Ebene subtropisch-feucht (800-1.200<br />
Millimeter Nie<strong>der</strong>schlag pro Jahr) und etwas wärmer; die Vegetation<br />
besteht aus Wäl<strong>der</strong>n, Wiesen und Reisfel<strong>der</strong>n. An <strong>der</strong> Südgrenze Shaanxis<br />
zu Sichuan befindet sich das Gebirge Dabashan. Sandstürme und Kältewellen<br />
sind dort keine Seltenheit. Insgesamt sind Winter und Frühjahr<br />
die trockensten Perioden, in denen – selbst im feuchteren Süden –<br />
Bewässerung in <strong>der</strong> Landwirtschaft erfor<strong>der</strong>lich sein kann.<br />
<strong>Die</strong> Einwohner <strong>der</strong> Provinz Shaanxi sind fast ausschließlich Han-Chinesen.<br />
<strong>Die</strong> Region um Xi'an ist stellenweise sehr dicht besiedelt; hier liegt die Bevölkerungsdichte<br />
zwischen 800 und 1.000 Einwohnern pro Quadratkilometer.<br />
In <strong>der</strong> Hauptstadt leben etwa 8,4 Millionen Menschen. Der Norden<br />
<strong>der</strong> Provinz ist eher ländlich geprägt und meist dünn besiedelt. 42% <strong>der</strong><br />
Provinzbevölkerung leben bereits in Städten, und es gibt einen starken<br />
Trend zu einer weiteren Urbanisierung. Wie die meisten <strong>West</strong>provinzen<br />
hat Shaanxi eine relativ junge Bevölkerung. Der Anteil <strong>der</strong> Altersgruppe<br />
zwischen 15 und 64 Jahren liegt bei 73%.
155 |<br />
<strong>Die</strong> <strong>Go</strong>-<strong>West</strong>-<strong>Strategie</strong> <strong>der</strong> <strong>chinesischen</strong> <strong>Regierung</strong> – Chancen für die deutsche Wirtschaft?<br />
Geschichte<br />
Shaanxi ist eine Provinz, die bereits im Altertum eine bedeutende Rolle<br />
gespielt hat: Im 11. Jahrhun<strong>der</strong>t vor Christus gründete die Zhou-Dynastie<br />
ihre Hauptstadt unweit des heutigen Xi’an am Wei-Fluss in <strong>der</strong> Guanzhong-<br />
Ebene. Nach <strong>der</strong> Einigung Chinas unter Qin Shi Huangdi ("Erster Kaiser")<br />
221 vor Christus war Xi’an über 1.000 Jahre lang das Zentrum <strong>der</strong> politischen<br />
Macht in China. In <strong>der</strong> Ära <strong>der</strong> Tang-Dynastie (618-906) war die<br />
Stadt eine <strong>der</strong> größten und wohlhabendsten Metropolen <strong>der</strong> Welt. Das<br />
damalige Chang’an ("Ewiger Friede") lag am östlichen Ende <strong>der</strong> Seidenstraße,<br />
die China mit Europa verband, und war schon im 9. Jahrhun<strong>der</strong>t<br />
eine Millionenstadt und ein bedeutendes, multikulturelles Handelszentrum.<br />
Das Ende <strong>der</strong> Tang-Dynastie war auch das Ende Xi’ans als Chinas Hauptstadt.<br />
<strong>Die</strong> Spuren <strong>der</strong> Geschichte sind in <strong>der</strong> Hauptstadt Shaanxis noch<br />
heute allgegenwärtig: <strong>Die</strong> Sehenswürdigkeiten im historischen Zentrum –<br />
die 14 Kilometer lange Stadtmauer, <strong>der</strong> Trommel- und Glockenturm, die<br />
Große Moschee etc. – bringen zahlreiche Besucher aus China und aus<br />
dem Ausland nach Shaanxi und machen den Tourismus zu einem wichtigen<br />
Wirtschaftszweig <strong>der</strong> Provinz.<br />
Seidenstraße<br />
Bereits in <strong>der</strong> Antike war die<br />
Seide eine begehrte Exportware:<br />
Lange war die Seidenstraße <strong>der</strong><br />
einzige Handelsweg aus dem<br />
Reich <strong>der</strong> Mitte ins Abendland.<br />
Der Ausgangspunkt <strong>der</strong> Seidenstraße<br />
war die Stadt Chang’an,<br />
das heutige Xi’an. Von dort führte<br />
sie weiter nach <strong>West</strong>en und teilte<br />
sich auf dem Gebiet des heutigen<br />
Xinjiang in zwei Routen, die<br />
nördlich und südlich des Tarim-<br />
Beckens verliefen und sich bei<br />
Kashgar wie<strong>der</strong> vereinigten. <strong>Die</strong><br />
weitere Strecke <strong>der</strong> Seidenstraße<br />
ging über den Karakorum-Pass<br />
durch Persien nach Syrien.<br />
Umwelt<br />
<strong>Die</strong> Verschmutzung <strong>der</strong> Umwelt ist in <strong>der</strong> gesamten Provinz ein schwerwiegendes<br />
Problem: Nach Schätzungen <strong>der</strong> Weltbank sind etwa 13 Millionen<br />
Einwohner Shaanxis auf Wasser angewiesen, dessen Qualität als gesundheitsgefährdend<br />
eingestuft wird. Kläranlagen fehlen weitgehend; in die<br />
Flüsse <strong>der</strong> Provinz werden nicht nur Haushaltsabwässer eingeleitet, son<strong>der</strong>n<br />
auch in großem Umfang Industrieabwässer. In den letzten Jahren hat die<br />
<strong>Regierung</strong> Maßnahmen für den Gewässerschutz ergriffen. So wurden seit<br />
2005 mehrere Kläranlagen gebaut, einige Werke geschlossen und die<br />
Kontrollen <strong>der</strong> Auflagen zu Gewässerreinhaltung verstärkt.<br />
Dem Norden <strong>der</strong> Provinz setzt die Desertifikation immer stärker zu: <strong>Die</strong><br />
Ordos-Wüste ist auf dem Vormarsch und erobert Teile des Ackerlandes. <strong>Die</strong><br />
Bodenerosion verstärkt das Risiko von Überflutungen. Um die Desertifikation<br />
und Bodenerosion zu bekämpfen, wurde mit Aufforstungsmaßnahmen<br />
begonnen. Bis 2010 soll eine Fläche von 1,5 Millionen Hektar aufgeforstet<br />
werden. Der Anteil <strong>der</strong> Forstfläche am Territorium Shaanxis soll von 30%<br />
(Stand 2005) auf 41% steigen.<br />
Infrastruktur<br />
Weil ein Großteil <strong>der</strong> Fläche Shaanxis gebirgig ist, gestaltete sich <strong>der</strong> Aufbau<br />
<strong>der</strong> Verkehrsinfrastruktur schwierig. Dementsprechende Lücken hatte das<br />
Straßen- und Schienennetz vor Beginn <strong>der</strong> <strong>Go</strong>-<strong>West</strong>-<strong>Strategie</strong>. In den letzten<br />
Jahren versuchte die <strong>Regierung</strong> jedoch, diesen Schwachpunkt zu beheben
156 |<br />
Studie<br />
und baute bis 2007 etwa 80.000 Kilometer neue Straßenverbindungen,<br />
davon 1.700 Kilometer Autobahnen/Schnellstraßen sowie 1.200 Kilometer<br />
neue Schienenstrecken.<br />
Im Bereich Straßenbau wurden in letzter Zeit wichtige Infrastrukturprojekte<br />
fertig gestellt. So verlaufen zwei Achsen des nationalen Fernstraßenplans<br />
("5 horizontal, 7 vertikal") (siehe Seite 63) durch Xi'an und schaffen über<br />
Zhengzhou eine Anbindung an die Ostküste und über Lanzhou eine Verbindung<br />
nach Xinjiang. Über die Nord-Süd-Achse gibt es eine Verbindung von<br />
Xi'an in die Innere Mongolei beziehungsweise über Chengdu nach Yunnan.<br />
Das Ziel ist, die Fahrzeit in die Zentren <strong>der</strong> Nachbarprovinzen auf acht<br />
Stunden zu verringern. Entsprechende Schnellstraßen sind bereits in Bau.<br />
Auf einer Bahn-Hochgeschwindigkeitstrasse sollen Passagiere künftig die<br />
Strecke von Xi'an nach Zhengzhou (Henan) zurücklegen. <strong>Die</strong> Arbeiten an<br />
<strong>der</strong> 460 Kilometer langen Trasse wurden bereits begonnen. Eine Neubaustrecke<br />
zwischen Taiyuan (Shanxi) und Zhongwei (Ningxia) wird den Norden<br />
<strong>der</strong> Provinz Shaanxi in Richtung <strong>West</strong>en mit Ürümqi verbinden und<br />
nach Osten für eine Anbindung an das ostchinesische Schienennetz sorgen.<br />
Vor kurzem wurde die 270 Kilometer lange Strecke von Shenmu in Nord-<br />
Shaanxi nach Shuozhou (Shanxi) elektrifiziert; sie verbindet die Kohlefel<strong>der</strong><br />
im Norden Shaanxis mit den Häfen an <strong>der</strong> Ostküste. Außerdem wird <strong>der</strong>zeit<br />
an einer 300 Kilometer langen Trasse von Xi'an nach Pingliang (Gansu)<br />
gebaut.<br />
Shaanxi hat einen internationalen und vier Inlandsflughäfen; drei weitere<br />
sollen bis 2020 neu gebaut werden. Das Flug- und Passagieraufkommen<br />
ist zwischen 2000 und 2008 mit durchschnittlich 13% beziehungsweise<br />
16% pro Jahr stark gewachsen. Pro Woche starten etwa 240 Flüge von Xi'an<br />
nach Peking. Der mit 11,3 Millionen Passagieren pro Jahr (Stand 2007)<br />
größte Flughafen Nordwestchinas soll bis 2011 auf eine Passagierkapazität<br />
von 26 Millionen Passagieren ausgebaut werden.<br />
Bis 2010 ist eine Erweiterung <strong>der</strong> elektrischen Netzleitungskapazität<br />
zum Ausbau des Energieexports vorgesehen. Hierbei sind insbeson<strong>der</strong>e<br />
die Verbindungen aus <strong>der</strong> Guanzhong-Ebene in die Küstenprovinz Jiangsu<br />
sowie aus dem nördlichen Shaanxi in den Nordteil Jiangsus für die Versorgung<br />
<strong>der</strong> Ostküste relevant; diese Trassen sind Bestandteil des gesamt<strong>chinesischen</strong><br />
Netzplans 2020. Auch innerhalb <strong>der</strong> Provinz soll das Elektrizitätsnetz<br />
erweitert werden, um die Energieversorgung <strong>der</strong> Unternehmen<br />
sicherzustellen. Hier war es in <strong>der</strong> Vergangenheit zu Engpässen<br />
gekommen.
157 |<br />
<strong>Die</strong> <strong>Go</strong>-<strong>West</strong>-<strong>Strategie</strong> <strong>der</strong> <strong>chinesischen</strong> <strong>Regierung</strong> – Chancen für die deutsche Wirtschaft?<br />
Wegen <strong>der</strong> umfangreichen Vorkommen von Energieressourcen und ihrer<br />
zentralen Lage spielt die Provinz Shaanxi eine wichtige Rolle im <strong>chinesischen</strong><br />
Netz <strong>der</strong> Gaspipelines. Von und durch Shaanxi verlaufen mehrere<br />
Gaspipelines nach Peking, Tianjin und Shangai. Auch die Trasse <strong>der</strong> <strong>West</strong>-<br />
Ost-Gaspipelines (siehe Seite 68) führt von Xinjiang über Shaanxi nach<br />
Shanghai.<br />
Einkommen und Konsumverhalten<br />
<strong>Die</strong> Kaufkraft liegt in den städtischen Regionen Shaanxis mit rund 9.300<br />
CNY (circa 1.220 USD) pro Kopf und Jahr im Mittelfeld unter den <strong>West</strong>provinzen<br />
(9.500 CNY, Stand 2007). <strong>Die</strong> ländliche Bevölkerung kommt nur<br />
auf ein verfügbares Einkommen von circa 2.300 CNY (circa 300 USD). Im<br />
Vergleich zu den weiter entwickelten Küstenprovinzen liegt sie weit zurück<br />
– vor allem bei <strong>der</strong> ländlichen Bevölkerung, <strong>der</strong>en durchschnittliche Kaufkraft<br />
nur die Hälfte des Niveaus <strong>der</strong> östlichen Provinzen erreicht.<br />
Das Konsumniveau ist daher noch relativ niedrig; dies spiegelt sich unter<br />
an<strong>der</strong>em an <strong>der</strong> im Vergleich mit Ostchina niedrigen Penetration <strong>der</strong> städtischen<br />
Haushalte mit Wohlstandsgütern wie Computer, Klimaanlagen und<br />
Pkw wi<strong>der</strong>. Im Vergleich unter den west<strong>chinesischen</strong> Provinzen ist die<br />
Anzahl <strong>der</strong> Klimaanlagen weit überdurchschnittlich (100 pro 100 städtische<br />
Haushalte vs. 42), die <strong>der</strong> Computer ebenfalls überdurchschnittlich (56 vs.<br />
44); dagegen fällt die Pkw-Dichte mit 4,5 Autos pro 100 städtische Haushalte<br />
etwas niedriger aus als im <strong>West</strong>-Durchschnitt (5,7).<br />
Bildung und Forschung<br />
Shaanxi ist ein Zentrum von Forschung und Wissenschaft in <strong>West</strong>china. <strong>Die</strong><br />
Provinz hat allein 66 Universitäten und belegt damit Platz eins unter den<br />
<strong>West</strong>provinzen. Nach <strong>der</strong> Relation von Hochschulen zur Einwohnerzahl<br />
belegt Shaanxi mit 1,7 Universitäten auf eine Million Einwohner den dritten<br />
Rang im <strong>West</strong>en. In <strong>der</strong> Provinz schließen mit 6 Absolventen pro 1.000<br />
Einwohner jährlich die meisten Personen in den <strong>West</strong>provinzen ein Studium<br />
ab – ein Wert, <strong>der</strong> doppelt so hoch ist wie im Schnitt <strong>der</strong> <strong>West</strong>provinzen<br />
(2,8) und fast an den Shanghais (6,8) heranreicht. Dementsprechend<br />
hoch ist <strong>der</strong> Anteil von Akademikern an <strong>der</strong> Bevölkerung: Er liegt bei 8%,<br />
<strong>der</strong> <strong>West</strong>-Durchschnitt dagegen nur bei 5%.<br />
Xi'an gilt mit 43 Universitäten und Fachhochschulen – sowie mit 400 ITund<br />
Softwareunternehmen – als einer <strong>der</strong> wichtigsten Forschungs- und<br />
Entwicklungsstandorte in <strong>West</strong>china und hat im Provinzvergleich beson<strong>der</strong>s<br />
viele Hochschulabsolventen vorzuweisen: Das Verhältnis zwischen Uni-<br />
Absolventen und Bevölkerung <strong>der</strong> Hauptstadt liegt bei 19 zu 1.000 Einwohnern<br />
im Jahr – diese Relation ist nicht nur <strong>der</strong> Spitzenwert unter den west<strong>chinesischen</strong><br />
Städten, son<strong>der</strong>n übertrifft auch Shanghai – dort liegt das<br />
Verhältnis bei 6,8 Absolventen zu 1000 Einwohnern im Jahr.
158 |<br />
Studie<br />
In <strong>der</strong> Zahl <strong>der</strong> angemeldeten Patente als Indikator für die Forschungsleistung<br />
<strong>der</strong> Provinz liegt Shaanxi mit knapp 4.500 im Jahr 2007 in <strong>der</strong> Spitzengruppe<br />
<strong>der</strong> <strong>West</strong>provinzen und mit 117 Patenten pro 1 Million Einwohner<br />
auch deutlich über dem Schnitt <strong>der</strong> <strong>West</strong>provinzen.<br />
<strong>Die</strong> hohe Bedeutung von Wissenschaft und Forschung schlägt sich auch in<br />
den Bildungsinvestitionen nie<strong>der</strong>, die 2007 mit fast 11 Mrd. CNY (rund 1,4<br />
Mrd. USD) 19% <strong>der</strong> in den <strong>West</strong>provinzen für Bildung investierten Summe<br />
ausmachen. Nur die wesentlich größere Provinz Sichuan hat absolut mehr<br />
in Bildung investiert. Pro 1.000 Einwohner liegt Shaanxi bei den Bildungsinvestitionen<br />
mit 286.000 CNY an <strong>der</strong> Spitze <strong>der</strong> <strong>West</strong>provinzen und auch<br />
deutlich über dem Schnitt <strong>der</strong> östlichen Provinzen (193.000 CNY).<br />
Natürliche Ressourcen und Rohstoffe<br />
Shaanxi verfügt über große Vorkommen an Energieressourcen, die vor allem<br />
im Nordteil <strong>der</strong> Provinz liegen: Das Kohlevorkommen wird auf 163 Mrd.<br />
Tonnen geschätzt, damit hat Shaanxi die drittgrößten Kohlereserven in<br />
China nach Xinjiang und <strong>der</strong> Inneren Mongolei. Das Ölvorkommen in<br />
Shaanxi beläuft sich auf 1,1 Mrd. Tonnen, das Erdgasvorkommen auf<br />
588 Mrd. Kubikmeter. <strong>Die</strong> Entwicklung des Energiesektors, insbeson<strong>der</strong>e<br />
<strong>der</strong> "North Shaanxi energy and chemical base", ist ein integraler Teil <strong>der</strong><br />
Wachstumsstrategie <strong>der</strong> Provinz.<br />
Wirtschaftsleistung<br />
Shaanxi profitierte als eines <strong>der</strong> wichtigsten Wachstumszentren <strong>West</strong>chinas<br />
überproportional von <strong>der</strong> <strong>Go</strong>-<strong>West</strong>-<strong>Strategie</strong>. Das Bruttoinlandsprodukt<br />
belief sich 2008 auf 685 Mrd. CNY (rund 99 Mrd. USD), davon wurde ein<br />
Drittel in <strong>der</strong> Hauptstadt Xi'an erwirtschaftet. Das BIP <strong>der</strong> Provinz Shaanxi<br />
entspricht einem Anteil von 2,3% an <strong>der</strong> gesamt<strong>chinesischen</strong> Wirtschaftsleistung,<br />
damit liegt Shaanxi hinter Sichuan (180 Mrd. USD; 4,2%) und etwa<br />
gleichauf mit <strong>der</strong> Inneren Mongolei und Guangxi. 2008 betrug das Wirtschaftswachstum<br />
<strong>der</strong> Provinz Shaanxi 16%; zwischen 2004 und 2008<br />
erreichte das durchschnittliche jährliche Wachstum 15% und kam so über<br />
den west<strong>chinesischen</strong> Fünfjahresschnitt von 14% und übertraf damit bei<br />
Weitem die jährliche durchschnittlichen Wachstumsrate Gesamtchinas<br />
von 9,1%. Unter den <strong>West</strong>provinzen wuchs mit 18% pro Jahr nur die<br />
Innere Mongolei noch schneller.<br />
Yan'an<br />
Etwa 250 Kilometer nördlich von<br />
Xi'an befindet sich Yan’an, ein<br />
legendärer Ort in <strong>der</strong> Geschichte<br />
<strong>der</strong> Kommunistischen Partei<br />
Chinas (KPCh): Hier richteten<br />
die Überlebenden des Langen<br />
Marsches 1936 das neue Hauptquartier<br />
<strong>der</strong> KPCh ein. Von Yan'an<br />
aus organisierten Mao und die<br />
Führungska<strong>der</strong> <strong>der</strong> Partei den<br />
bewaffneten Kampf gegen die<br />
Guomindang-<strong>Regierung</strong>, <strong>der</strong><br />
1949 mit dem Sieg <strong>der</strong> kommunistischen<br />
Volksbefreiungsarmee<br />
und <strong>der</strong> Gründung <strong>der</strong> Volksrepublik<br />
China endete.<br />
Wirtschaftsstruktur<br />
Der primäre Sektor hat mit einem Anteil von 11% am Bruttoinlandsprodukt<br />
von Shaanxi einen geringeren Stellenwert als in vielen an<strong>der</strong>en <strong>West</strong>provinzen<br />
(durchschnittlich 16%). Den größten Beitrag zum BIP <strong>der</strong> Provinz<br />
liefert <strong>der</strong> sekundäre Sektor mit 52%. Hier gibt es deutlich dominierende
159 |<br />
<strong>Die</strong> <strong>Go</strong>-<strong>West</strong>-<strong>Strategie</strong> <strong>der</strong> <strong>chinesischen</strong> <strong>Regierung</strong> – Chancen für die deutsche Wirtschaft?<br />
Branchen: Der Bergbau erwirtschaftet 19% des Provinz-BIP, das produzierende<br />
Gewerbe 22%. Innerhalb des produzierenden Gewerbes spielen<br />
insbeson<strong>der</strong>e <strong>der</strong> Bausektor (8%), die Energieerzeugung und -versorgung<br />
(3%), die petrochemische Industrie (3%) und <strong>der</strong> Sektor Transportausrüstung<br />
(Luftfahrt, Automotive) (3%) eine bedeutende Rolle. Der BIP-Anteil<br />
des tertiären Sektors liegt bei 33%. Hier dominieren mit einem Anteil von<br />
jeweils 7% am Provinz-BIP die Branchen Transport und Logistik sowie<br />
Groß- und Einzelhandel.<br />
Einige Branchen in Shaanxi haben große Relevanz für die Wirtschaft Chinas:<br />
Der Bergbau <strong>der</strong> Provinz erwirtschaftet einen Anteil von 8% <strong>der</strong> gesamt<strong>chinesischen</strong><br />
Produktion in diesem Wirtschaftszweig und liegt damit auf Platz<br />
eins unter den <strong>West</strong>provinzen. <strong>Die</strong> wachsende Bedeutung <strong>der</strong> petrochemischen<br />
Industrie in Shaanxi zeigt sich an einem Wertschöpfungsanteil von<br />
5% des gesamt<strong>chinesischen</strong> Outputs dieser Branche; hier ist Shaanxi unter<br />
den westlichen Provinzen ebenfalls die Nummer eins. Shaanxis Pharmasektor<br />
liegt mit 3% des <strong>chinesischen</strong> BIP in diesem Sektor hinter Sichuan auf<br />
Rang zwei <strong>der</strong> <strong>West</strong>provinzen. Der Transportsektor (Flugzeugbau, Automobil)<br />
nimmt den dritten Platz nach Sichuan und Chongqing (3%) ein.<br />
Warenhandel mit dem Ausland<br />
Der Außenhandel Shaanxis verzeichnet in den letzten zehn Jahren einen<br />
starken Aufwärtstrend. Das Export-Volumen lag 2008 bei 6,8 Mrd. USD,<br />
das entspricht einem Wachstum von 28% gegenüber dem Vorjahr. Das<br />
Volumen <strong>der</strong> Importe betrug 3,7 Mrd. USD, das bedeutet ein Plus von 27%<br />
im Vergleich zu 2007. Damit hat sich die Handelsbilanz verbessert. Mit<br />
einem Anteil von 77% am Handelsvolumen ist die Provinzhauptstadt Xi'an<br />
das Schwergewicht des Außenhandels in Shaanxi, weitere Zentren sind die<br />
Städte Baoji (12%) und Xianyang (6%). <strong>Die</strong> mit Abstand größten Handelspartner<br />
waren 2006 die Europäische Union (29%), die USA (17%),<br />
Japan (9%) und Indien (8%).<br />
<strong>Die</strong> wichtigsten Exportgüter sind elektromechanische Erzeugnisse (37%),<br />
Mineralien und Erze (23%), Agrarprodukte (10%), Textilien (8%) und Hightech-Produkte<br />
(5%). Auf diese Produktgruppen entfielen 2006 mehr als<br />
vier Fünftel des Gesamtvolumens aller Ausfuhren <strong>der</strong> Provinz Shaanxi.<br />
Kernindustrien, Cluster<br />
Der Guanzhong-Tianshui-Städtecluster mit den Städten Xi'an, Xianyang,<br />
Baoji, Weinan in <strong>der</strong> Guanzhong-Flussebene wurde von <strong>der</strong> <strong>chinesischen</strong><br />
Zentralregierung als eine <strong>der</strong> drei Kernentwicklungszonen (siehe Seite 56)<br />
im <strong>West</strong>en definiert. <strong>Die</strong>se Kernentwicklungszone ist provinzübergreifend:<br />
<strong>Die</strong> Stadt Thianshui liegt in <strong>der</strong> Nachbarprovinz Gansu. Zu den Plänen für
160 |<br />
Studie<br />
diese Kernentwicklungszone gehört eine För<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Urbanisierung;<br />
dabei ist vorgesehen, dass die Städte Xi'an und Xianyang zusammenwachsen<br />
sollen. Aufgrund <strong>der</strong> starken Präsenz von Universitäten und an<strong>der</strong>en<br />
wissenschaftlichen Institutionen ist diese Kernentwicklungszone ein<br />
Schwerpunkt für Forschung und Entwicklung. <strong>Die</strong>s wie<strong>der</strong>um erweist<br />
sich als attraktiver Standortfaktor für technologieintensive Branchen wie<br />
den Flugzeug- und Automobilbau, die optische Industrie, Optik, IT/Software<br />
sowie das Business Process Outsourcing 16) .<br />
Shaanxi hat fünf Hightech- und Wirtschaftsentwicklungszonen (Xi'an,<br />
Bao'ji, Yangling, Weinan, Xianyang). <strong>Die</strong> Xi'an High-Tech Industrial Development<br />
Zone ist eine <strong>der</strong> erfolgreichsten Chinas und beherbergt circa<br />
1.300 chinesische und 900 ausländische Unternehmen.<br />
In Shaanxi befindet sich Chinas führen<strong>der</strong> Cluster für Flugzeugbau: Der Xian<br />
Yangliang Aviation Park, etwa 50 Kilometer nordöstlich von Xi'an gelegen,<br />
ist ein nationales Zentrum für Luft- und Raumfahrt. Hier haben sich Forschungs-<br />
und Entwicklungseinrichtungen sowie Unternehmen angesiedelt,<br />
darunter mehrere große Flugzeughersteller, Hochschulen sowie mehrere<br />
Forschungsinstitute.<br />
Der Bereich Luft- und Raumfahrt ist noch an weiteren Standorten in Shaanxi<br />
präsent: Xi'an ist <strong>der</strong> Sitz einiger chinesischer Raumfahrtunternehmen. In<br />
<strong>der</strong> Provinz sind viele große Namen <strong>der</strong> <strong>chinesischen</strong> Luftfahrtindustrie<br />
zuhause: Xian Aircraft Industry Group, Shaanxi Aircraft und Hanzhong<br />
Aircraft stellen Komponenten, Transport-, Kurzstreckenpassagier- und<br />
Militärflugzeuge sowie einen Regionaljet her. Xian Aero Engine Group ist<br />
das größte chinesische Outsourcing-Unternehmen für Luftfahrtmotoren<br />
(2007). Joint Ventures von Xian Aero Engine mit Rolls-Royce und Pratt &<br />
Whitney produzieren Komponenten für mehrere amerikanische und<br />
europäische Flugzeughersteller.<br />
Weitere Schwerpunktbranchen <strong>der</strong> Provinz Shaanxi sind <strong>der</strong> Maschinenbau<br />
und <strong>der</strong> Fahrzeugbau: <strong>Die</strong> Shaanxi Automotive Group (Offroad-Fahrzeugund<br />
Lkw-Herstellung) hat mit an<strong>der</strong>en Unternehmen <strong>der</strong> Branche eine<br />
"Engineering Academy" für Aus- und Weiterbildung sowie für Forschungund<br />
Entwicklung gegründet. <strong>Die</strong> Shaanxi Automotive Group kooperiert mit<br />
<strong>der</strong> deutschen MAN Gruppe; außerdem ist das Automobilunternehmen ein<br />
Joint Venture mit Cummins (USA) zur Motorenherstellung eingegangen.<br />
Shaanxi Fast Gear ist Chinas größter Getriebehersteller und betreibt mit<br />
Easton aus den USA ein Joint Venture.<br />
16) Beim Business Process Outsourcing (BPO) werden einzelne Geschäftsprozesse (zum Beispiel<br />
Buchhaltung, Personalverwaltung, Teile <strong>der</strong> Forschung und Entwicklung) einem externen <strong>Die</strong>nstleistungsunternehmen<br />
übertragen.
161 |<br />
<strong>Die</strong> <strong>Go</strong>-<strong>West</strong>-<strong>Strategie</strong> <strong>der</strong> <strong>chinesischen</strong> <strong>Regierung</strong> – Chancen für die deutsche Wirtschaft?<br />
BYD Auto aus Guangdong hat in Xi'an eines <strong>der</strong> weltgrößten Werke für<br />
Akkumulatoren und stellt über seine Tochter SinoMOS Hybrid-Elektrofahrzeuge<br />
her. Im Maschinenbau sind einige ausländische Unternehmen aktiv,<br />
darunter auch deutsche Firmen: Bosch, Siemens, Metso, ABB, Schnei<strong>der</strong>.<br />
Shaanxi ist inzwischen auch die Heimat zahlreicher chinesischer und ausländischer<br />
Unternehmen aus dem Hightech-Sektor: Datang Telecom, Zhongxing<br />
Telecom (ZTE), IRICO (Elektronik) sowie Xi'an Janssen Pharma (eine<br />
Tochter von Johnsson & Johnsson), Infineon und Qimonda, Applied Materials,<br />
Honeywell, Hewlett-Packard und International Rectifier. <strong>Die</strong> meisten<br />
dieser Unternehmen haben sich in den Hightech- und Wirtschaftsentwicklungszonen<br />
angesiedelt, wo sie Produktionsstätten sowie Forschungsund<br />
Entwicklungseinrichtungen betreiben.<br />
Während <strong>der</strong> Süden das regionale Zentrum <strong>der</strong> metallverarbeitenden Industrie<br />
darstellt, ist <strong>der</strong> Norden Shaanxis mit seinen Kohle-, Gas- und Ölreserven<br />
stark von <strong>der</strong> Energie- und Chemiebranche geprägt. Hier haben sich viele<br />
chinesische Energiekonzerne angesiedelt, darunter Shaanxi Coal Chemical,<br />
Shenhua Energy Group, Petrol China, Shaanxi Yanchang Petrol, China<br />
Natural Gas. Auch ausländische Unternehmen sind hier präsent: Anglo<br />
American, Shell, Messer, British Petrol, Dow Chemical und Genesis Energy.<br />
Im Moment bauen viele Öl- und Chemieunternehmen in <strong>der</strong> Region um<br />
die Städte Yulin, Shenmu, Fugu Coal-to-Petrol-Anlagen 17) ; aktiv in diesem<br />
Bereich sind <strong>der</strong>zeit die Shaanxi Coal Chemical Group (Methanol, Butanediol),<br />
Shenhua Energy Group (Coal-to-Oil), Anglo American (Coal-to-Chemicals),<br />
Sino Biopharmaceutical (Coal-to-Olefin), Dow Chemical and Shenua<br />
Energy (Coal-to-Chemicals) sowie Sasol (Südafrika, Coal-to-Liquid). Weiterhin<br />
baut China United Coalbed Methane mit Longmen Hui Cheng Investment<br />
in Hancheng Anlagen zur Methangasextraktion aus Kohlegruben.<br />
<strong>Die</strong> Ölför<strong>der</strong>ung ist ebenfalls ein wichtiger Faktor in Shaanxis Wirtschaft:<br />
<strong>Die</strong> Shaanxi Yangchong Petroleum Group – das Unternehmen in seiner<br />
heutigen Form entstand 2003 im Zuge <strong>der</strong> Verstaatlichung des Ölsektors<br />
<strong>der</strong> Provinz und ist heute <strong>der</strong> viertgrößte Ölkonzern Chinas – för<strong>der</strong>te 2007<br />
8,3 Mio. Tonnen Rohöl und plant für 2010 eine Ausweitung auf 12 Mio.<br />
Tonnen. 2009 stellte es eine neue Großraffinerie für verschiedene Chemiekalien<br />
und Treibstoffe fertig, und 2010 soll eine neue Methanol-Raffinerie<br />
in Betrieb gehen. Genesis Energy investiert momentan in neue För<strong>der</strong>kapazitäten<br />
im Xunyi-Ölfeld.<br />
Für die Erdgas-För<strong>der</strong>ung sind vor allem die Gasfel<strong>der</strong> im Ordos-Becken<br />
relevant – eines <strong>der</strong> wichtigsten För<strong>der</strong>gebiete für PetroChina. Royal Dutch<br />
Shell för<strong>der</strong>t hier seit 2007 im Rahmen eines Joint Venture für PetroChina<br />
im Changbei-Feld.<br />
17) Chemisches Verfahren zur Kohleverflüssigung, um Erdöl als Ausgangsstoff für die Petrochemie<br />
zu ersetzen.
162 |<br />
Studie<br />
Shaanxi ist ein Netto-Exporteuer von Elektrizität. Der unabhängige chinesische<br />
Elektrizitätskonzern Huaneng Enterprises ist einer <strong>der</strong> wichtigsten<br />
Investoren und baut <strong>der</strong>zeit ganz im Norden <strong>der</strong> Provinz den Fugu-Qingshuichuan-(Kohle)-Kraftwerkskomplex<br />
auf. Im Süden Shaanxis gibt es an<br />
den Flüssen Hanjiang, Xihe and Shuhe mehrere Wasserkraftwerke. Ein<br />
isländisches Konsortium hat in Geothermiekraftwerke investiert.<br />
In <strong>der</strong> landwirtschaftlichen Produktion <strong>der</strong> Provinz ist <strong>der</strong> Schwerpunkt <strong>der</strong><br />
Anbau von Getreide, Gemüse und Obst. Vor allem <strong>der</strong> Apfelanbau wurde in<br />
den letzten Jahren stark geför<strong>der</strong>t: Auf einer Fläche von 426.000 Hektar<br />
wachsen 40% <strong>der</strong> <strong>chinesischen</strong> Apfelernte. Im Kontext <strong>der</strong> Landwirtschaft<br />
wird in <strong>der</strong> Provinz Shaanxi auch in <strong>der</strong> Gentechnik geforscht: Eine wichtige<br />
Institution ist hier die Universität Yangling. Einen engen Bezug zur<br />
Landwirtschaft hat auch das Produktportfolio <strong>der</strong> chemischen Industrie,<br />
die viele Agrarchemikalien herstellt.<br />
Wirtschaftspolitische Schwerpunkte<br />
Für die wirtschaftliche Weiterentwicklung <strong>der</strong> Provinz setzt die <strong>Regierung</strong><br />
primär auf hochtechnologie- und exportorientierte Branchen. Dabei sollen<br />
einige Wirtschaftszweige innerhalb <strong>der</strong> Hightech-Zonen beson<strong>der</strong>s geför<strong>der</strong>t<br />
werden. Dazu gehört beispielsweise die pharmazeutische Industrie o<strong>der</strong><br />
<strong>der</strong> Maschinen- und Anlagenbau, dessen Produktivität erhöht werden soll.<br />
Das beson<strong>der</strong>e Augenmerk <strong>der</strong> <strong>Regierung</strong> gilt <strong>der</strong> Armutsbekämpfung,<br />
vor allem im ländlichen Raum. Zu den geplanten Maßnahmen zählen die<br />
Umsiedlung von Bauern aus Gegenden mit wenig fruchtbaren Böden in<br />
stadtnahe Gebiete sowie die Ansiedlung von (Spezial-/Nischen-)Agrarbetrieben<br />
für den Export.<br />
Ausländische Direktinvestitionen<br />
Shaanxi empfing zwischen 2004 und 2008 im Durchschnitt 13% aller<br />
ausländischen Direktinvestitionen, die in diesem Zeitraum nach <strong>West</strong>chinas<br />
geflossen sind. Damit belegt die Provinz nach Sichuan, Chongqing und <strong>der</strong><br />
Inneren Mongolei den vierten Platz. 2008 lag <strong>der</strong> Anteil an den ausländischen<br />
Direktinvestitionen (ADI) in den <strong>West</strong>provinzen bei 11% (1,4 Mrd.<br />
USD). <strong>Die</strong> durchschnittliche jährliche ADI-Wachstumsrate in Shaanxi<br />
betrug 27% in den Jahren von 2004 bis 2008. <strong>Die</strong>ser Wert liegt unterhalb<br />
des <strong>West</strong>-Durchschnitts von 35% – allerdings ist dies auch auf das bereits<br />
relativ hohe Ausgangsniveau Shaanxis zurückzuführen. Innerhalb <strong>der</strong><br />
Provinz hatte Xi'an die höchste Anziehungskraft für ausländische Direktinvestitionen<br />
– mit einer durchschnittliche jährlichen ADI-Wachstumsrate<br />
von 43% überholte die Hauptstadt ganz klar alle an<strong>der</strong>en Standort Shaanxis.
163 |<br />
<strong>Die</strong> <strong>Go</strong>-<strong>West</strong>-<strong>Strategie</strong> <strong>der</strong> <strong>chinesischen</strong> <strong>Regierung</strong> – Chancen für die deutsche Wirtschaft?<br />
<strong>Die</strong>s ist ein Hinweis, dass die beson<strong>der</strong>e För<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Region Xi'an-<br />
Xianyang im Rahmen <strong>der</strong> Vorgaben für die Kernentwicklungszone des<br />
Guanzhong-Tianshui-Cluster greifbare Ergebnisse zeigt.<br />
2007 flossen in Shaanxi rund 49% <strong>der</strong> ausländischen Direktinvestitionen<br />
(613 Mio. USD) in die produzierende Industrie, etwa 31% (390 Mio. USD)<br />
in den Immobiliensektor <strong>der</strong> Provinz. Weit abgeschlagen folgten mit einem<br />
Anteil von je circa 4% die Branchen Energiewirtschaft und Gas-/Wasserversorgung<br />
sowie Hotel- und Gaststättengewerbe.<br />
Von den <strong>der</strong>zeit 34 in Shaanxi in <strong>der</strong> Datenbank <strong>der</strong> Deutschen Handelskammer<br />
gelisteten Unternehmen aus Deutschland haben sich die meisten<br />
in <strong>der</strong> Region Xi'an und einige wenige im nahe gelegenen Baoji angesiedelt,<br />
das ebenfalls im Guanzhong-Tianshui-Cluster liegt. Der Großteil <strong>der</strong> deutschen<br />
Firmen kommt aus den Branchen Maschinenbau und Elektronik/Software/IT,<br />
darunter sind Unternehmen wie Infineon, Siemens und Thyssenkrupp.<br />
Zulieferbetriebe <strong>der</strong> Branchen Automobil und Luftfahrt sind ebenfalls<br />
in Shaanxi vertreten, zum Beispiel Schaeffler, Bosch und Messer Gas. Deutsche<br />
Firmen sind außerdem in den Branchen Einzelhandel, Chemie, Baumaterialien<br />
und Logistik präsent, beispielsweise Metro, Kühne & Nagel, Heidelberg).<br />
Fraport hält einen fast 25-prozentigen Anteil am Flughafen Xianyang.<br />
Fraport AG beteiligt sich am Flughafen Xi'an<br />
Als erster ausländischer Flughafenbetreiber hat sich die Fraport AG an einem<br />
nicht börsenorientierten Airport in China beteiligt: Das deutsche Unternehmen<br />
hält 24,5% <strong>der</strong> Anteile an einem Joint Venture mit <strong>der</strong> China <strong>West</strong> Airport<br />
Group, das künftig den Flughafen von Xi'an in <strong>der</strong> Provinz Shaanxi betreiben<br />
soll. Der internationale Airport <strong>der</strong> Provinzhauptstadt von Shaanxi kann eine<br />
beachtliche Entwicklung vorweisen: Der Flughafen <strong>der</strong> alten Kaiserstadt mit<br />
<strong>der</strong> weltberühmten Terrakotta-Armee hat im ersten Halbjahr 2009 7 Millionen<br />
Passagiere abgefertigt. Das entspricht im Vergleich zum entsprechenden Vorjahreszeitraum<br />
einer Steigerung von 30%. Auch künftig verspricht <strong>der</strong> mit einer<br />
Entfernung zum Stadtzentrum von 27 Kilometer gut positionierte Airport ein<br />
hohes Passieraufkommen: In seinem Einzugsgebiet leben 40 Millionen<br />
Menschen.<br />
US-amerikanische Unternehmen sind in Shaanxi ebenfalls zahlreich vertreten.<br />
Sie verteilen sich auf die Branchen Lebensmittel- und Getränkeherstellung<br />
(Pepsi), Einzelhandel (Wal-Mart), Elektronik/Software/IT (Oracle,<br />
EMC, Hewlett Packard, International Rectifier, Honeywell), Energie und<br />
Chemie (Dow Chemical, Applied Material), Bergbau (Anglo American)
164 |<br />
Studie<br />
sowie Transportausrüstung und Maschinenbau (Pratt & Whitney, Cooper<br />
Electric). Weitere ausländische Konzerne, die sich in Shaanxi angesiedelt<br />
haben, kommen aus Australien, Finnland, Frankreich (Carrefour), den<br />
Nie<strong>der</strong>landen (Shell) und <strong>der</strong> Schweiz (ABB).<br />
Politisches Umfeld für Investoren<br />
<strong>Die</strong> <strong>Regierung</strong> von Shaanxi zeigt sich für ausländische Investitionen in den<br />
meisten Kernindustrien <strong>der</strong> Provinz sehr aufgeschlossen. Ziel ist es, bestehende<br />
Industrien zu mo<strong>der</strong>nisieren sowie neue technologieintensive Branchen<br />
anzusiedeln. <strong>Die</strong> 13 Schwerpunktbranchen im "Catalogue of competitive<br />
industries for Foreign Investment in Shaanxi" decken sich mit denen<br />
des nationalen Entwicklungsplans für Zentral- und <strong>West</strong>china (siehe Seite<br />
55ff.). Hervorgehoben werden in <strong>der</strong> Provinz jedoch die Bereiche Verkehrsinfrastruktur<br />
und städtische Versorgung, Verarbeitung fossiler und an<strong>der</strong>er<br />
nicht-erneuerbarer Rohstoffe, Nischen-/Spezialprodukte und -techniken in<br />
<strong>der</strong> Landwirtschaft, Mo<strong>der</strong>nisierung von Staatsbetrieben in <strong>der</strong> verarbeitenden<br />
Industrie, Tourismusentwicklung und die Ansiedlung neuer Branchen<br />
wie Agrartechnologie, Materialtechnik, Biotech o<strong>der</strong> energieeffiziente<br />
Technologien.<br />
Tendenziell geht es also um jene Bereiche, die zum Technologietransfer und<br />
zur Schaffung hochqualifizierter Beschäftigung beiträgt. <strong>Die</strong> Ausbeutung<br />
natürlicher Ressourcen durch ausländische Unternehmen ist deshalb nur<br />
in Verbindung mit technologieintensiven Anwendungen erwünscht.
165 |<br />
<strong>Die</strong> <strong>Go</strong>-<strong>West</strong>-<strong>Strategie</strong> <strong>der</strong> <strong>chinesischen</strong> <strong>Regierung</strong> – Chancen für die deutsche Wirtschaft?
166 |<br />
Studie
167 |<br />
<strong>Die</strong> <strong>Go</strong>-<strong>West</strong>-<strong>Strategie</strong> <strong>der</strong> <strong>chinesischen</strong> <strong>Regierung</strong> – Chancen für die deutsche Wirtschaft?
168 |<br />
Studie<br />
Xinjiang<br />
<strong>Die</strong> Autonome Region Xinjiang ist die größte Provinz Chinas: Ihre Fläche von<br />
1,6 Mio. Quadratkilometern entspricht einem Sechstel des gesamten <strong>chinesischen</strong><br />
Territoriums. <strong>Die</strong> Autonome Region Xinjiang hat eine gemeinsame<br />
Grenze mit acht Staaten: Mongolei, Russland, Kasachstan, Kirgisistan,<br />
Tadschikistan, Pakistan und Indien.<br />
Xinjiang ist von Gebirgen umgeben – vom Altai im Norden, vom Pamir im<br />
<strong>West</strong>en, <strong>der</strong> Kunlun Shan im Süden und <strong>der</strong> Altun Shan im Südosten. Manche<br />
Gipfel dieser Bergketten sind mehr als 7.000 Meter hoch. Der Gebirgszug<br />
Tian Shan ("Himmelsgebirge") zieht sich auf einer Länge von 2.500<br />
Kilometern quer durch Xinjiang und teilt dabei die Provinz in zwei große<br />
Beckenlandschaften: das Junggar-Becken im Norden und das Tarim-Becken<br />
im Süden. Hier liegt die Wüste Taklamakan, mit einer Ausdehnung von<br />
300.000 Quadratkilometern die zweitgrößte Sandwüste <strong>der</strong> Welt. Xinjiang<br />
gehört zu den trockensten Provinzen Chinas, was in <strong>der</strong> Landwirtschaft<br />
großflächige Bewässerung erfor<strong>der</strong>lich macht.<br />
In Xinjiang leben 21,3 Millionen Menschen, davon etwa zwei Drittel in<br />
ländlichen Gebieten. Aufgrund <strong>der</strong> geografischen Bedingungen – die Landschaft<br />
Xinjiangs besteht größtenteils aus Wüsten und Bergen – ist die<br />
Besiedelungsdichte eher gering.<br />
In Ürümqi ("Schöne Weiden"), seit dem 19. Jahrhun<strong>der</strong>t die Hauptstadt <strong>der</strong><br />
Provinz, leben 2,4 Millionen Einwohner, davon sind 75% Han-Chinesen 18) .<br />
Das sehr trockene Klima (etwa 270 Millimeter Nie<strong>der</strong>schlag pro Jahr) ist<br />
kontinental geprägt: <strong>Die</strong> Sommer sind sehr heiß, die Winter dagegen extrem<br />
kalt. Das Thermometer fällt dann auf bis zu minus 30° C.<br />
Geschichte<br />
Vor 2.000 Jahren war Xinjiang ein Knotenpunkt des Weltwirtschaft und<br />
Chinas Tor nach Zentralasien und Europa: <strong>Die</strong> beiden Routen <strong>der</strong> Seidenstraße<br />
waren die Transportwege für den Warenverkehr aus China in das<br />
Römische Reich. Im 18. Jahrhun<strong>der</strong>t eroberten chinesische Truppen das<br />
Gebiet Xinjiangs. In <strong>der</strong> ersten Hälfte des 20. Jahrhun<strong>der</strong>ts wurde Xinjiang<br />
zwar offiziell von <strong>chinesischen</strong> Militärgouverneuren regiert, tatsächlich<br />
war es jedoch seit den zwanziger Jahren sowjetisches Einflussgebiet und<br />
war von 1934 bis 1941 ein Satellitenstaat <strong>der</strong> UdSSR. <strong>Die</strong> <strong>chinesischen</strong><br />
Kommunisten besetzten Xinjiang 1949; damit war die Region wie<strong>der</strong> Teil<br />
des <strong>chinesischen</strong> Herrschaftsgebiets. 1955 wurde die Autonome Region<br />
Xinjiang gegründet.<br />
18) <strong>Die</strong>ser Wert liegt erheblich über dem Durchschnitt <strong>der</strong> Gesamtprovinz von 41%.
169 |<br />
<strong>Die</strong> <strong>Go</strong>-<strong>West</strong>-<strong>Strategie</strong> <strong>der</strong> <strong>chinesischen</strong> <strong>Regierung</strong> – Chancen für die deutsche Wirtschaft?<br />
Exkurs: Ethnische Konflikte in Xinjiang<br />
Xinjiang war seit jeher eine multiethnische Region, die einerseits durch<br />
verschiedene Kulturen geprägt wurde und an<strong>der</strong>erseits den Herrschaftsansprüchen<br />
unterschiedlicher Mächte ausgesetzt war. Von den 21,3 Millionen<br />
Einwohnern Xinjiangs stellen die vor allem im Nord- und Ostteil <strong>der</strong> Provinz<br />
lebenden Han-Chinesen einen Anteil von 40% 19) . Der Bevölkerungsanteil <strong>der</strong><br />
Uiguren liegt bei 47%; außerdem sind in Xinjiang Kasachen (5%) sowie Usbeken,<br />
Tadschiken und Angehörige an<strong>der</strong>er zentralasiatischer Völker ansässig.<br />
<strong>Die</strong> unterschiedlichen kulturellen und ökonomischen Bedürfnisse dieser Gruppen<br />
und die Autonomiebestrebungen <strong>der</strong> turksprachigen Ethnien stellen bereits<br />
seit Gründung <strong>der</strong> Volksrepublik China ein Konfliktpotenzial dar: Schon in den<br />
fünfziger Jahren gab es Aufstände. <strong>Die</strong> Repressalien und die harte Assimilierungspolitik<br />
<strong>der</strong> <strong>chinesischen</strong> Zentralregierung während <strong>der</strong> Kulturrevolution<br />
empfanden die Angehörigen <strong>der</strong> ethnischen Min<strong>der</strong>heiten als Ausdruck einer<br />
aggressiven Fremdherrschaft. Zwar wurden die Spielräume zum Ausleben <strong>der</strong><br />
eigenen kulturellen Identität nach dem Ende <strong>der</strong> Kulturrevolution wie<strong>der</strong> größer,<br />
die grundlegenden Probleme sind jedoch geblieben: Aus <strong>der</strong> Sicht <strong>der</strong> nationalen<br />
Min<strong>der</strong>heiten, vor allem <strong>der</strong> Uiguren, besetzen die Han-Chinesen die<br />
Schlüsselstellungen in Politik und Wirtschaft.<br />
Auf dem Nährboden dieser latenten Unzufriedenheit kam es in den neunziger<br />
Jahren immer wie<strong>der</strong> zu militanten Aktionen uigurischer Separatisten. Im<br />
Gegen-zug verschärfte die chinesische <strong>Regierung</strong> ihre Gangart gegen jegliche<br />
Form von politischen Meinungsäußerungen, die mehr Rechte für nationale<br />
Min<strong>der</strong>heiten for<strong>der</strong>n.<br />
Eine Reihe von Zwischenfällen im Vorfeld <strong>der</strong> Olympischen Spiele 2008 diente<br />
<strong>der</strong> <strong>chinesischen</strong> <strong>Regierung</strong> als Begründung, gegen die uigurische Bevölkerung<br />
vorzugehen. Amnesty International klagt über massive Menschenrechtsverletzungen<br />
in Xinjiang, darunter willkürliche Verhaftungen, Misshandlungen und das<br />
Verschwindenlassen uigurischer Aktivisten. Auch die Religionsfreiheit <strong>der</strong> meist<br />
moslemischen Uiguren sei nicht gewährleistet.<br />
Im Juli 2009 eskalierte die Situation, als bei einer Demonstration in Ürümqi<br />
187 Menschen getötet und über 1.600 Personen verhaftet wurden.<br />
Umwelt<br />
Desertifikation und Bodenerosion sind gravierende Umweltprobleme in<br />
Xinjiang: Weite Teile <strong>der</strong> Provinz (750.000 Quadratkilometer) sind Wüste,<br />
und jedes Jahr wird die Fläche um 100 Quadratkilometer größer.<br />
19) Der Anteil <strong>der</strong> Han-Chinesen an <strong>der</strong> Bevölkerung Xinjiangs hat sich in den letzten Jahrzehnten<br />
erheblich vergrößert: 1949 lag er noch bei 5%.
170 |<br />
Studie<br />
<strong>Die</strong> Desertifikation betrifft fast alle Bezirke und Städte Xinjiangs und verschärft<br />
die Wasserknappheit und die Degradation (vor allem Versalzung) des<br />
Bodens. Um die Desertifikation und die weitere Bodenerosion aufzuhalten,<br />
wurde mit Aufforstungsarbeiten begonnen: Zum Beispiel wurde ein Baumgürtel<br />
entlang <strong>der</strong> Schnellstraße durch die Wüste Taklimakan gepflanzt,<br />
um die Fahrbahn vor Verwehungen zu schützen. Ein weiteres Aufforstungsprojekt<br />
sieht die Anpflanzung von Bäumen an den Hängen des Tianshan-<br />
Gebirges vor.<br />
Aufgrund des extrem trockenen Klimas ist <strong>der</strong> landwirtschaftliche Anbau<br />
nur durch extensive Bewässerung möglich – mit entsprechenden Belastungen<br />
für den Wasserhaushalt Xinjiangs. Um einer weiteren Verschärfung<br />
<strong>der</strong> Trinkwasserknappheit entgegenzuwirken, wurde in den letzten Jahren<br />
erheblich in den Ausbau effizienter Bewässerungssysteme investiert: So<br />
wurde in den Regionen Turpan und Shihezis die Kanalbewässerung zunehmend<br />
auf Tröpfchenbewässerung umgestellt, die zwei Drittel weniger<br />
Wasser verbraucht.<br />
Ein an<strong>der</strong>es schwer wiegendes Umweltproblem in Xinjiang ist die Luftverschmutzung,<br />
vor allem in den Kohleabbaugebieten. Wie auch an<strong>der</strong>swo in<br />
China setzen unterirdische Kohlebrände riesige Mengen an CO 2 frei. <strong>Die</strong><br />
meisten dieser Kohlenbrände schwelen in Xinjiang. In Ürümqi ist die Luftverschmutzung<br />
ebenfalls gravierend, denn die Lage inmitten von Bergen<br />
verschärft die Situation. <strong>Die</strong> Bewohner und Besucher <strong>der</strong> Hauptstadt leiden<br />
unter dem Smog, <strong>der</strong> vor allem im Winter so dicht sein kann, dass <strong>der</strong><br />
Flughafen gesperrt werden muss. Inzwischen hat die <strong>Regierung</strong> einige<br />
Maßnahmen ergriffen, um die Luftverschmutzung zu bekämpfen, etwa<br />
den Einbau von Filtern in Kraftwerke und Industrieanlagen sowie die<br />
Verlegung von Fabriken.<br />
Einkommen und Konsumverhalten<br />
<strong>Die</strong> Kaufkraft ist mit circa 8.900 CNY (rund 1.200 USD) pro Kopf und Jahr<br />
in den urbanen Regionen Xinjiangs eher gering; selbst im Vergleich unter<br />
den <strong>West</strong>provinzen liegt sie am unteren Ende <strong>der</strong> Skala. Wie überall in<br />
<strong>West</strong>china ist auch in Xinjiang <strong>der</strong> Unterschied zwischen Stadt und Land<br />
dramatisch: Auf dem Land erreicht die Bevölkerung nur eine Kaufkraft<br />
von 2.700 CNY (rund 360 USD). Das Konsumniveau ist daher noch relativ<br />
niedrig, was sich auch an <strong>der</strong> im Vergleich mit Ostchina niedrigen Penetration<br />
<strong>der</strong> städtischen Haushalte mit Gütern wie Computern, Klimaanlagen<br />
und Autos zeigt. Im west<strong>chinesischen</strong> Vergleich sind diese Konsumniveaus<br />
zwar ebenfalls unterdurchschnittlich, aber die Pkw-Dichte (4,6 pro 100<br />
städtische Haushalte) und die Verbreitung von Computern (41,3 pro 100<br />
Haushalte) liegt nicht mehr weit unterhalb des <strong>West</strong>-Durchschnitts<br />
(5,7 beziehungsweise 44).
171 |<br />
<strong>Die</strong> <strong>Go</strong>-<strong>West</strong>-<strong>Strategie</strong> <strong>der</strong> <strong>chinesischen</strong> <strong>Regierung</strong> – Chancen für die deutsche Wirtschaft?<br />
Im Vergleich zu an<strong>der</strong>en Millionenstädten <strong>der</strong> <strong>West</strong>provinzen liegt die<br />
Kaufkraft in Ürümqi mit 12.300 CNY pro Kopf (rund 1.800 USD) relativ<br />
niedrig. <strong>Die</strong>ser Wert liegt zum Beispiel in Baotou bei 21.000 CNY, in<br />
Xi’an bei 15.000 CNY und in Chengdu bei 17.000 CNY. Dennoch hat sich<br />
Ürümqi in den letzten Jahren zu einem großen Konsumzentrum entwickelt:<br />
<strong>Die</strong> Zhongshan Road gehört zu den bekanntesten Einkaufsstraßen in China.<br />
Der Umsatz des Einzelhandels in Xinjiang betrug im Jahr 2008 103 Mrd.<br />
CNY (rund 14,8 USD), eine Steigerung von 20% gegenüber dem Vorjahr.<br />
Infrastruktur<br />
<strong>Die</strong> Hauptstadt ist <strong>der</strong> Knotenpunkt in <strong>der</strong> Infrastruktur Xinjiangs: Ob<br />
Schiene o<strong>der</strong> Straße – alle nationalen und internationalen Verbindungswege<br />
aus <strong>der</strong> und in die Provinz laufen in Ürümqi zusammen.<br />
Seit 2000 wurde im Rahmen <strong>der</strong> <strong>Go</strong>-<strong>West</strong>-<strong>Strategie</strong> das Fern- und Schnellstraßennetz<br />
ausgebaut: <strong>Die</strong> Region Ürümqi ist nun über die neue Autobahnverbindung,<br />
die von Korgas an <strong>der</strong> kasachischen Grenze über Ürümqi via<br />
Lanzhou (Gansu) und Xi'an (Shaanxi) weiter an die Ostküste führt, mit den<br />
Hauptrouten nach Nordchina (Yinchuan, Baotou, Hohhot) und Südchina<br />
(Chongqing, Chengdu, Guiyang, Kunming, Nanning/North Bay Area)<br />
verbunden. Bis 2020 sind weitere wichtige Straßenverbindungen geplant,<br />
unter an<strong>der</strong>em <strong>der</strong> Ausbau <strong>der</strong> Strecken zwischen <strong>der</strong> tadschikischen<br />
Grenze und Kashi weiter nach Ürümqi sowie eine weitere grenzüberschreitende<br />
Verbindung nach Kasachstan.<br />
Frachtzug nach Hamburg<br />
Seit 2008 gibt es eine direkte<br />
Güterzugverbindung von Hamburg<br />
nach Xinjiang. <strong>Die</strong> Waggons<br />
sind 18 Tage unterwegs.<br />
Künftig soll noch stärker in den Verkehrsträger Schiene investiert werden.<br />
Das wichtigste Projekt ist <strong>der</strong> Anschluss an die Qinghai-Tibet-Eisenbahn in<br />
<strong>Go</strong>lmud (Qinghai), <strong>der</strong> eine weitere Verbindung nach Zentralchina herstellt.<br />
<strong>Die</strong> Bahnstrecke von Ürümqi nach Kashi soll über die Grenze nach Kirgisistan<br />
verlängert werden. Außerdem ist eine Direktverbindung über Hami in<br />
die Innere Mongolei vorgesehen. Insbeson<strong>der</strong>e <strong>der</strong> Ausbau <strong>der</strong> grenzüberschreitenden<br />
Eisenbahnstrecken hat für die wirtschaftliche Entwicklung<br />
Xinjiangs enorme Bedeutung: <strong>Die</strong>se Trassen schaffen eine Verbindung zum<br />
europäischen Eisenbahnnetz und damit eine Alternative zum aufwendigen<br />
Gütertransport auf dem Land- und Seeweg über die ost<strong>chinesischen</strong> Häfen.<br />
Xinjiang hat zwei internationale (Ürümqi und Kashgar) und neun Inlandsflughäfen;<br />
bis 2020 sollen sechs weitere neu gebaut werden. Das Flug- und<br />
Passagieraufkommen ist zwischen 2000 und 2008 um durchschnittlich<br />
etwa 18% pro Jahr stark gewachsen. Etwa 140 Flugzeuge starten jede<br />
Woche von Ürümqi nach Peking.
172 |<br />
Studie<br />
Bildung und Forschung<br />
Xinjiang hat unter den <strong>West</strong>provinzen mit 9% den höchsten Anteil von<br />
Personen mit einem höheren Bildungsabschluss an <strong>der</strong> Bevölkerung – <strong>der</strong><br />
<strong>West</strong>-Durchschnitt liegt lediglich bei 5% –, obwohl <strong>der</strong> Anteil <strong>der</strong> Personen<br />
mit Sekundarschulabschluss mit 12% nur im unteren Mittelfeld <strong>der</strong> westlichen<br />
Provinzen liegt (<strong>West</strong>-Durchschnitt: 11%).<br />
<strong>Die</strong> Relation von Universitäten zur Einwohnerzahl liegt in Xinjiang bei 1,2<br />
Hochschulen je 1 Million Einwohner; dieser Wert liegt genau zwischen den<br />
Durchschnittswerten für <strong>West</strong>china (1,1) und Ostchina (1,3). In <strong>der</strong> Autonomen<br />
Region gibt es 26 Universitäten. <strong>Die</strong> Zahl ihrer Absolventen wuchs<br />
zwischen 2005 und 2008 um durchschnittlich 15% pro Jahr. Das Verhältnis<br />
von Uni-Absolventen zu Einwohnerzahl lag 2007 bei 2,7 Hochschulabgängern<br />
je 1000 Einwohner. Mit Investitionen in Bildungseinrichtungen von<br />
knapp 140.000 CNY pro 1.000 Einwohner liegt Xinjiang deutlich unter<br />
dem Schnitt <strong>der</strong> <strong>West</strong>provinzen von 170.000 CNY.<br />
In <strong>der</strong> Forschungsleistung schneidet Xinjiang im <strong>West</strong>en Chinas noch<br />
deutlich unterdurchschnittlich ab. So wurden 2007 lediglich knapp<br />
1.500 Patente angemeldet, was einer Quote von 70 pro 1 Million Einwohner<br />
entspricht und deutlich unter dem west<strong>chinesischen</strong> Durchschnitt<br />
von 91 liegt.<br />
Natürliche Ressourcen und Rohstoffe<br />
Xinjiangs enorme Ressourcenvorkommen tragen erheblich zur wirtschaftlichen<br />
Entwicklung <strong>der</strong> Autonomen Region bei: <strong>Die</strong> öl- und petrochemische<br />
Industrie erwirtschaftet einen großen Teil des Bruttoinlandsprodukts <strong>der</strong><br />
Autonomen Region; auch das BIP-Wachstum von real 11% (2007/2008)<br />
ist größtenteils <strong>der</strong> Expansion dieses Sektors geschuldet: <strong>Die</strong> öl- und petrochemische<br />
Industrie wurde durch die Erschließung neuer Kohle-, Öl- und<br />
Gasfel<strong>der</strong> sowie <strong>der</strong> dazugehörigen Infrastruktur (Raffinerien, Anlagen<br />
zur Kohlevergasung, Pipelines und Stromleitungen) in den letzten Jahren<br />
massiv ausgebaut. Für die Zentralregierung spielt Xinjiang eine strategische<br />
Schlüsselrolle, um mittel- und langfristig den wachsenden Energiebedarf<br />
zu decken.<br />
Xinjiang hat große Kohle-Vorkommen; die jährliche För<strong>der</strong>menge beträgt<br />
49 Mio. Tonnen. 2007 wurde im Turpan-Becken ein weiteres Kohlevorkommen<br />
von 100-200 Mio. Tonnen entdeckt. Das Vorkommen im Zhundong-<br />
Tagebau liegt ebenfalls bei circa 200 Tonnen. Außerdem verfügt die Provinz<br />
über 30% beziehungsweise 34% <strong>der</strong> gesamt<strong>chinesischen</strong> Erdöl- und Gasvorkommen;<br />
damit rangiert sie in China auf Platz zwei; im Vergleich <strong>der</strong> <strong>West</strong>provinzen<br />
nimmt sie beim Erdöl sogar Rang eins ein.
173 |<br />
<strong>Die</strong> <strong>Go</strong>-<strong>West</strong>-<strong>Strategie</strong> <strong>der</strong> <strong>chinesischen</strong> <strong>Regierung</strong> – Chancen für die deutsche Wirtschaft?<br />
In Xinjiang gibt es 1.400 Erz- und Mineralienminen, und bei einigen Bodenschätzen<br />
verfügt die Autonome Region über die größten Vorkommen in<br />
China (unter an<strong>der</strong>em für Beryllium, Kaliglimmer, Natron, Salpeter,<br />
Serpentin; nach Expertenschätzungen vermutlich auch bei Andalusit<br />
und Edelsteinen).<br />
Xinjiang ist Ausganspunkt <strong>der</strong> beiden <strong>West</strong>-Ost-Gaspipelines (siehe Seite<br />
68), die die Versorgung <strong>der</strong> ost<strong>chinesischen</strong> Küstenprovinzen mit Erdgas<br />
sicherstellen sollen. <strong>Die</strong> erste Pipeline wurde 2005 fertig gestellt, mit<br />
dem Bau <strong>der</strong> zweiten wurde 2008 begonnen. Xinjiang ist Durchgangsund<br />
Anschlussprovinz für die Zentralasiatische Gaspipeline, die bis 2011<br />
vollendet sein soll. Durch Xinjiang verläuft auch eine fast 1.000 Kilometer<br />
lange Ölpipeline von <strong>der</strong> Atasu-Region in Kasachstan nach Alashankou.<br />
Wirtschaftsleistung<br />
Xinjiang hat mit einem Bruttoinlandsprodukt von 420,3 Mrd. CNY (60,6<br />
Mrd. USD) einen Anteil von 1,4% am gesamt<strong>chinesischen</strong> BIP; damit liegt<br />
es etwas hinter Chongqing und etwas vor Gansu und Guizhou. Das Bruttoinlandsprodukt<br />
wuchs real von 2007 auf 2008 mit 11%. Damit lag Xinjiang<br />
im unteren Mittelfeld <strong>der</strong> westlichen Provinzen. Zwischen 2004 und<br />
2008 lag das durchschnittliche jährliche BIP-Wachstum bei 12%. Mit diesem<br />
Wirtschaftswachstum hatte sich Xinjiang im unteren Drittel <strong>der</strong><br />
<strong>West</strong>provinzen positioniert.<br />
Ürümqi ist ein ökonomisches Schwergewicht in <strong>der</strong> Autonomen Region:<br />
Der Anteil <strong>der</strong> Hauptstadt am Bruttoinlandsprodukt von Xinjiang liegt bei<br />
etwa 25%; die Wirtschaftsleistung <strong>der</strong> Stadt wuchs von 2007 auf 2008<br />
um 15% (real).<br />
Wirtschaftsstruktur<br />
<strong>Die</strong> Autonome Region Xinjiang ist einer <strong>der</strong> wichtigsten Rohstoff- und<br />
Energielieferanten Chinas. Allein <strong>der</strong> Bergbau trug 2007 29% des Bruttoinlandsprodukts<br />
Xinjiangs und 7% des gesamt<strong>chinesischen</strong> BIP in diesem<br />
Sektor bei und ist damit <strong>der</strong> wichtigste Industriezweig <strong>der</strong> Autonomen<br />
Region. An zweiter Stelle folgt die Landwirtschaft (primärer Sektor) mit<br />
einem BIP Anteil von 19%. Der sekundäre Sektor kommt dagegen nur<br />
auf 15% Anteil am BIP, <strong>Die</strong>nstleistungen liegen mit einem Anteil von<br />
38% etwa im Schnitt <strong>der</strong> <strong>West</strong>provinzen.<br />
Warenhandel mit dem Ausland<br />
Im Außenhandel Xinjiangs waren in den letzten Jahren starke Zuwächse<br />
zu verzeichnen: <strong>Die</strong> Exporte stiegen zwischen 2002 und 2007 um durchschnittlich<br />
54% pro Jahr an.
174 |<br />
Studie<br />
<strong>Die</strong> Importe legten in diesem Zeitraum um durchschnittlich 10% pro Jahr<br />
zu. <strong>Die</strong>se Entwicklung spiegelt deutlich das Interesse Chinas wi<strong>der</strong>, sich in<br />
Xinjiang strategisch und ökonomisch auf die Wirtschaftsbeziehungen zu<br />
den zentralasiatischen Nachbarlän<strong>der</strong>n auszurichten.<br />
Der Außenhandel <strong>der</strong> Provinz erreichte 2008 ein Volumen von insgesamt<br />
25 Mrd. USD, das entspricht einer Steigerung um mehr als das Doppelte<br />
im Vergleich zu 2007, als ein Volumen von 11,5 Mrd. USD erreicht wurde.<br />
Dabei besteht ein starker Handelsüberschuss von 18,5 Mrd. USD Exporten<br />
vs. 6,5 Mrd. USD Importen.<br />
Der Großteil <strong>der</strong> Exporte geht in die angrenzenden Län<strong>der</strong> Zentralasiens.<br />
<strong>Die</strong> geografische Schwerpunktsetzung wirkte in <strong>der</strong> Finanzkrise stabilisierend,<br />
da die Exportnachfrage in dieser Region nichts so stark eingebrochen<br />
ist wie auf den europäischen Märkten und in den USA. Das relative Gewicht<br />
<strong>der</strong> Exporte nach Zentralasien – sie bestehen zum Großteil aus<br />
Konsumgütern – hat sich dabei stark erhöht: <strong>Die</strong> Exporte in die zentralasiatischen<br />
Län<strong>der</strong>, vor allem nach Tadschikistan, sind seit 2002 jährlich<br />
um durchschnittlich 75% gewachsen. Der Großteil <strong>der</strong> Exporte in diese<br />
Region besteht aus Konsumgütern. Kasachstan (etwa die Hälfte <strong>der</strong><br />
Exporte) und Kirgisistan (knapp ein Drittel <strong>der</strong> Exporte) sind mit Abstand<br />
die wichtigsten Handelspartner <strong>der</strong> Provinz. Abgeschlagen an dritter Stelle<br />
liegt Russland mit nur circa 5%.<br />
<strong>Die</strong> wichtigsten Exportgüter sind Textilien, Schuhe, Maschinen, Elektrogeräte<br />
und Möbel. Importiert werden hauptsächlich die Rohstoffe Öl,<br />
Eisenerz, Altmetall, Kupfer und Aluminium. <strong>Die</strong> mit Abstand größten<br />
Handelspartner sind Kasachstan und Kirgisistan.<br />
<strong>Die</strong> Importe wuchsen in den vergangenen Jahren nicht ganz so dynamisch<br />
auf 6,5 Mrd. USD. Dabei kamen circa 80% <strong>der</strong> Einfuhren aus Kasachstan.<br />
Immer mehr Unternehmen aus den östlichen Provinzen nutzen Xinjiang als<br />
Sprungbrett nach Zentralasien: <strong>Die</strong> Autonome Region profitiert dabei von<br />
ihrer geografischen Lage als Transitland.<br />
Kernindustrien, Cluster<br />
In <strong>der</strong> Provinz sind vier Kernzonen <strong>der</strong> wirtschaftlichen Entwicklung definiert:<br />
die Tianshan Region im Nordosten (verarbeitendes Gewerbe, <strong>Die</strong>nstleistungen),<br />
die Bayinguole-Akesu-Region im Südosten (Energieerzeugung,<br />
Chemische Industrie, Landwirtschaft), die Tulufan-Hami-Region im <strong>West</strong>en<br />
(Energieerzeugung, Chemische Industrie, metallverarbeitende Industrie,<br />
Landwirtschaft) sowie die Yili-Hetian-Region im Norden (Landwirtschaft,<br />
Grenzhandel).
175 |<br />
<strong>Die</strong> <strong>Go</strong>-<strong>West</strong>-<strong>Strategie</strong> <strong>der</strong> <strong>chinesischen</strong> <strong>Regierung</strong> – Chancen für die deutsche Wirtschaft?<br />
Trotz <strong>der</strong> Anstrengungen <strong>der</strong> <strong>Regierung</strong>, die Wirtschaftsbasis Xinjiangs zu<br />
diversifizieren und die Wertschöpfungstiefen zu erhöhen, sind <strong>der</strong> Bergbau,<br />
Energieerzeugung, die Chemische und Petrochemische Industrie sowie die<br />
Landwirtschaft weiterhin die wichtigsten Wirtschaftszweige <strong>der</strong> Provinz.<br />
So arbeiten im Umfeld von Zhundong, einem <strong>der</strong> größten <strong>chinesischen</strong> 20)<br />
Kohlenfel<strong>der</strong> (Östliches Junggar-Becken) etwa 200 Kilometer östlich von<br />
Ürümqi gelegen, bereits 40 Unternehmen im Kohle-, Energie- und Chemiesektor;<br />
weitere 60 Projekte sind in den nächsten Jahren geplant. Hervorzuheben<br />
sind die Shandong Yankuang Group (Kohleför<strong>der</strong>ung, synthetische<br />
Herstellung von Ammoniak, Carbamidherstellung), die Shenhua Group mit<br />
<strong>der</strong> China Guodian Corp. (Kohleför<strong>der</strong>ung, Kraftwerksbau/Stromerzeugung)<br />
sowie Sinopek (Alkeneherstellung). In Yili nahe dem kasachischen<br />
Grenzübergang betreibt die Xinwen Mining Group eine Chemiefabrik<br />
zur Herstellung von Methangas aus Kohle.<br />
In Dabacheng befindet sich einer <strong>der</strong> größten Windparks Asiens: <strong>Die</strong> Anlage<br />
hat 118 Windrä<strong>der</strong>. Nach ihrer Erweiterung soll die Windkraftanlage sich<br />
auf eine Fläche von 50 Quadratkilometern ausdehnen und eine Kapazität<br />
von 400 Megawatt haben. <strong>Die</strong> in Dabacheng erzeugte Energie soll in das<br />
Stromnetz <strong>der</strong> Autonomen Region eingespeist werden. Das Projekt wird von<br />
einem Joint Venture <strong>der</strong> Sustainable Energy Asia (SEA) und <strong>der</strong> Xinyuan<br />
Zhongyuan Energy Technology Ltd realisiert.<br />
Um die Wirtschaft zu diversifizieren und die Wertschöpfungstiefe zu<br />
erhöhen, hat die <strong>Regierung</strong> zwei Technologieentwicklungszonen in Ürümqi<br />
eingerichtet: die Ürümqi High-Tech Development Zone und die Ürümqi<br />
Economic and Technology Development Zone (UETDZ). Hier haben sich<br />
seit 2004 über 1.000 Windkraftausrüster, Lebensmittelhersteller, Maschinenbauer<br />
und Exportabwickler angesiedelt. An internationalen Unternehmen<br />
sind Coca-Cola, die Tingyi Holding (Cayman-Inseln) mit Xinjiang<br />
Fumanduo Food, SK Telekom (Südkorea) und Carlsberg (Dänemark) vertreten.<br />
Auch <strong>Go</strong>ldwind Science & Technology Co. Ltd., Chinas zweitgrößter<br />
und international expandieren<strong>der</strong> Hersteller für Windkraftanalgen, hat hier<br />
seinen Stammsitz. Ein weiterer Vertreter einer Wachstumsbranche ist die<br />
IPAR Biological, die in <strong>der</strong> Pharmaentwicklung tätig ist. Trotz ihrer relativ<br />
kleinen Fläche trägt die UETDZ 5% zum BIP <strong>der</strong> Region Ürümqi bei.<br />
In <strong>der</strong> Landwirtschaft konzentriert sich Xinjiang auf den Baumwoll- und<br />
Tomatenanbau. Xinjiang ist mit 3 Mio. Tonnen pro Jahr (2007) – das ist<br />
etwa ein Drittel <strong>der</strong> Gesamtproduktion in <strong>der</strong> Volksrepublik – <strong>der</strong> größte<br />
Baumwollproduzent Chinas. Da die Weiterverarbeitung (Fäden, Stoffe)<br />
kaum in <strong>der</strong> Region erfolgt und die Baumwollpreise auf dem Weltmarkt<br />
20) Gesichert 69 Mrd. Tonnen an Reserven, potenziell 390 Mrd. Tonnen
176 |<br />
Studie<br />
stark gefallen sind, hat dieser Sektor mit strukturellen Problemen zu kämpfen.<br />
<strong>Die</strong>s bekommen vor allem die Millionen von armen Saisonarbeitern zu<br />
spüren, die zur Erntezeit beschäftigt werden. Xinjiang ist einer <strong>der</strong> weltgrößten<br />
Produzenten von Tomatenketchup, was den anbauenden Bauern<br />
stabile Einkommen bringt. Weiterhin produziert die Landwirtschaft Xinjiangs<br />
Obst, Gemüse, Milch und Zuckerrüben. <strong>Die</strong> Viehhaltung spielt<br />
ebenfalls eine wichtige Rolle.<br />
Wirtschaftspolitische Schwerpunkte<br />
<strong>Die</strong> chinesische Zentralregierung hat sich im Rahmen <strong>der</strong> <strong>Go</strong>-<strong>West</strong>-<strong>Strategie</strong><br />
das Ziel gesetzt, die Wirtschaft <strong>der</strong> Provinz zu stärken, ihre großen Naturressourcen<br />
nutzbar zu machen, die Umweltschäden zu bekämpfen sowie<br />
die – vor allem in den ländlichen Regionen verbreitete – Armut zu beseitigen.<br />
Um diese Ziele zu erreichen, ist eine Reihe von Maßnahmen vorgesehen.<br />
Zu den bereits begonnenen Projekten gehören:<br />
> <strong>der</strong> Infrastrukturausbau (Verkehr und Energie)<br />
> die Steigerung <strong>der</strong> Kohle-, Öl- und Gasför<strong>der</strong>ung (Kohle vor allem<br />
in Zhundong und im Turpan-Becken; Öl und Gas insbeson<strong>der</strong>e<br />
im Junggar-Becken und im Turpan-Hami-Becken)<br />
> die För<strong>der</strong>ung beziehungsweise Entwicklung <strong>der</strong> Petrochemischen<br />
Industrie<br />
> Elektrizitätserzeugung<br />
> Technologieentwicklungszonen in Ürümqi<br />
> Ausweitung <strong>der</strong> kostenfreien Schulbildung von neun auf zwölf<br />
Schuljahre in beson<strong>der</strong>s einkommensschwachen Regionen<br />
> Aufforstungsprojekte gegen Desertifikation und Überflutungen<br />
Gerade im Anlaufen o<strong>der</strong> für die kommenden Jahre geplant sind Verbesserung<br />
<strong>der</strong> Bewässerungstechnologie in <strong>der</strong> Landwirtschaft sowie ein Ausbau<br />
<strong>der</strong> Stromerzeugung. Bis 2020 soll von großen Kraftwerken am Zhungdong-<br />
Kohlefeld Strom über das <strong>West</strong>-Ost-Elektrizitätsübertragungssystem (siehe<br />
auch Seite 67) nach Henan und Sichuan sowie in das Jangtse-Delta geliefert<br />
werden. Der Anteil von Sonne und Windkraft an <strong>der</strong> Energieerzeugung soll<br />
gesteigert werden. Vorgesehen sind außerdem eine stärkere För<strong>der</strong>ung <strong>der</strong><br />
Tourismusbranche sowie die Vertiefung <strong>der</strong> Wertschöpfung an den Handelsumschlagplätzen<br />
(sogenannte Bor<strong>der</strong> Processing Zones: Yining, Bole und<br />
Tacheng Zone).
177 |<br />
<strong>Die</strong> <strong>Go</strong>-<strong>West</strong>-<strong>Strategie</strong> <strong>der</strong> <strong>chinesischen</strong> <strong>Regierung</strong> – Chancen für die deutsche Wirtschaft?<br />
Joh. Barth & Sohn weitet die Hopfenverarbeitung in Xinjiang aus<br />
<strong>Die</strong> 1794 in Nürnberg gegründete Firma Joh. Barth & Sohn gehört zur Barth-<br />
Haas-Gruppe, eines <strong>der</strong> weltweit führenden Unternehmen für Hopfenhandel<br />
und -verarbeitung. <strong>Die</strong> Barth-Haas-Gruppe (BHG) ist in den wichtigen Hopfenanbaugebieten<br />
<strong>der</strong> Welt aktiv. Bereits 1989 hat die BHG enge Handelskontakte<br />
in China geknüpft, was die Basis für zwei eigene Unternehmen in <strong>der</strong> Volksrepublik<br />
gelegt hat: 1994 wurde die Xinjiang Green Diamond Hop Co., Ltd. (GDH)<br />
gegründet, 1995 die Gansu Tian Ma Hop Co., Ltd.<br />
<strong>Die</strong> GDH hat sich mit einer neuen Anlage zur Hopfenverarbeitung in Hutubi<br />
(70 Kilometer nordwestlich von Ürümqi) und einem Investitionsvolumen von<br />
4 Mio. EUR als Technologieführer in <strong>der</strong> Hopfenverarbeitung in China etabliert.<br />
<strong>Die</strong> Firma beschäftigt in Xinjiang 20 festangestellte Mitarbeiter sowie etwa<br />
40 Saisonkräfte und beliefert Braukunden im In- und Ausland. Mit zusätzlichen<br />
Investitionen in Hopfenanbauflächen in Nord- und Südxinjiang sieht sich<br />
das Unternehmen gut positioniert, um seinen Expansionskurs in <strong>der</strong> schnell<br />
wachsenden <strong>chinesischen</strong> Brauindustrie fortzusetzen.<br />
Ausländische Direktinvestitionen<br />
Nach Xinjiang floss zwischen 2004 und 2008 im Durchschnitt nur ein<br />
Anteil von 1,4% <strong>der</strong> nach <strong>West</strong>china gehenden ausländischen Direktinvestitionen<br />
(ADI). <strong>Die</strong> ADI in den westlichen Provinzen wuchsen jedoch mit<br />
durchschnittlich 43% pro Jahr in diesem Zeitraum sehr stark; Xinjiang<br />
konnte davon allerdings nicht überdurchschnittlich profitierten: Im Jahr<br />
2008 beliefen sich die ADI in Xinjiang auf 190 Mio. USD – das entspricht<br />
einem Anteil von 1,5% an den ausländischen Direktinvestitionen in <strong>West</strong>china.<br />
Von den Städten Xinjiangs profitierte Ürümqi erwartungsgemäß am<br />
meisten vom Zustrom ausländischer Direktinvestitionen – 73% aller ADI<br />
in <strong>der</strong> Autonomen Region gingen in die Hauptstadt. Betrachtet man den<br />
Zufluss <strong>der</strong> ADI nach Wirtschaftszweigen, so waren die fünf wichtigsten<br />
Branchen in Xinjiang die Landwirtschaft (26%), <strong>der</strong> Einzelhandel (20%),<br />
die verarbeitende Industrie (18%), <strong>der</strong> Bergbau (10%), die Energieerzeugung<br />
(9%) sowie Transport und Logistik (8%).<br />
<strong>Die</strong> acht deutschen Unternehmen in <strong>der</strong> Datenbank <strong>der</strong> Deutschen Handelskammer<br />
in China, die in Xinjiang aktiv sind, befinden sich alle in <strong>der</strong><br />
Hauptstadt Ürümqi. Darunter ist jedoch nur ein produzierendes Unternehmen:<br />
Green Diamond Hop Co. gehört zur Barth-Haas-Gruppe und betreibt<br />
Hopfenanbau- und Verarbeitung (siehe oben); die übrigen Firmen sind<br />
in den Bereichen Logistik und Vertrieb, Ausrüstung und Maschinen tätig.
178 |<br />
Studie<br />
In den letzten Jahren haben sich einige ausländische Unternehmen in<br />
Xinjiang nie<strong>der</strong>gelassen: Hewlett-Packard war eines <strong>der</strong> ersten multinationalen<br />
Unternehmen am Standort Ürümqi. Der amerikanische IT-<strong>Die</strong>nstleister<br />
und Hardware-Hersteller EMC gründete 2008 eine Vertriebsnie<strong>der</strong>lassung<br />
in Ürümqi. Carrefour betreibt bereits drei Geschäfte in Ürümqi und plant<br />
die Eröffnung von zwei weiteren Filialen in Xinjiang. <strong>Die</strong> französische<br />
Supermarktkette hat außerdem ihre Hauptverwaltung für Nordwest-China<br />
in die Provinzhauptstadt verlegt, und Coca Cola hat im Sommer 2009<br />
eine neue Abfüllanlage in <strong>der</strong> Region errichtet.<br />
Um die Attraktivität für ausländische Investoren zu erhöhen, folgt Xinjiang<br />
im Wesentlichen den Empfehlungen, die die Zentralregierung im Rahmen<br />
ihrer <strong>Go</strong>-<strong>West</strong>-<strong>Strategie</strong> ausgearbeitet hat. So wird die Ansiedlung bestimmter<br />
"geför<strong>der</strong>ter Branchen" unterstützt, zum Beispiel durch die Gewährung<br />
von Steuererleichterungen für ausländische Unternehmen, die einen überwiegenden<br />
Teil ihres Umsatzes in den genannten Branchen erzielen.<br />
Generell zielt die Investitionsför<strong>der</strong>ung darauf ab, ausländische Investoren<br />
anzuziehen, die den Vorstellungen <strong>der</strong> <strong>chinesischen</strong> <strong>Regierung</strong> entsprechen.<br />
Dazu gehört eine Erhöhung <strong>der</strong> Wertschöpfungstiefe, Investitionen in<br />
Technologie, Schaffung von qualifizierter Arbeit sowie die Zusammenarbeit<br />
mit <strong>chinesischen</strong> Unternehmen. <strong>Die</strong> Reinvestition von Gewinnen, eine<br />
lange Verweildauer und Wachstum werden durch das Investitionsregime<br />
belohnt. Dagegen ist die reine Ausbeutung von Energieressourcen (Gas,<br />
Kohle, Öl) nicht erwünscht. <strong>Die</strong>se behalten sich die Chinesen selbst vor.
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<strong>Die</strong> <strong>Go</strong>-<strong>West</strong>-<strong>Strategie</strong> <strong>der</strong> <strong>chinesischen</strong> <strong>Regierung</strong> – Chancen für die deutsche Wirtschaft?
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<strong>Die</strong> <strong>Go</strong>-<strong>West</strong>-<strong>Strategie</strong> <strong>der</strong> <strong>chinesischen</strong> <strong>Regierung</strong> – Chancen für die deutsche Wirtschaft?
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Impressum<br />
<strong>Die</strong> <strong>Go</strong>-<strong>West</strong>-<strong>Strategie</strong> Chinas – Chancen für die deutsche Wirtschaft<br />
Studie im Auftrag des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie<br />
Gesamtverantwortung: Stefan Schaible<br />
Projektmanagement: Thilo Zelt<br />
Leitung Team China: Jennifer Wilson<br />
Redaktion: Andrea Wiedemann<br />
<strong>Roland</strong> <strong>Berger</strong> Strategy Consultants GmbH<br />
Am Sandtorkai 41<br />
20457 Hamburg
Amsterdam<br />
Bahrain<br />
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Beijing<br />
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Casablanca<br />
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Riga<br />
Rome<br />
São Paulo<br />
Shanghai<br />
Stuttgart<br />
Tokyo<br />
Vienna<br />
Warsaw<br />
Zagreb<br />
Zurich<br />
<strong>Die</strong> <strong>Go</strong>-<strong>West</strong>-<strong>Strategie</strong> <strong>der</strong> <strong>chinesischen</strong> <strong>Regierung</strong> – Chancen für die deutsche Wirtschaft?<br />
© <strong>Roland</strong> <strong>Berger</strong> Strategy Consultants<br />
10/2009, all rights reserved<br />
www.rolandberger.com<br />
<strong>Roland</strong> <strong>Berger</strong> 10/2009