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4.2014 JULI / AUGUST | € 12,90 A: € 14,60, CH: SFR 25,80, BENELUX: € 14,90<br />
25 Jahre: Vom Mauerfall bis heute<br />
<strong>Eisenbahn</strong> <strong>in</strong><br />
ZEITVERGLEICH IM BILD<br />
Berl<strong>in</strong>s Bahnbetrieb<br />
gestern und heute<br />
Berl<strong>in</strong><br />
4 199112 912908<br />
04<br />
Die Highlights<br />
1989–2014<br />
Neue Strecken, neue Bahnhöfe<br />
Die neuen Zugverb<strong>in</strong>dungen<br />
Der Aufstieg der Privatbahnen<br />
Dampfloks auf der Stadtbahn<br />
Erfolg und Krise bei der S-Bahn
Das kle<strong>in</strong>e Magaz<strong>in</strong><br />
über die große Bahn<br />
Das neue<br />
Heft ist da.<br />
Jetzt am<br />
Kiosk!<br />
GeraMond Verlag GmbH, Infanteriestraße 11a, 80797 München<br />
Onl<strong>in</strong>e blättern oder Testabo mit Prämie bestellen unter:<br />
www.lok-magaz<strong>in</strong>.de/abo
Fotos: Volker Emersleben (o.), Bodo Schulz (2, u.)<br />
E<strong>in</strong> „dicker Brocken“ steht heute im Zentrum des Berl<strong>in</strong>er Bahnverkehrs: der neue Hauptbahnhof, Kreuzungspunkt von Stadtbahn und<br />
Nord-Süd-Fernbahn (oben). Weitere Impressionen der Nach-Wende-Zeit zeigen die Bilder unten. Rechts e<strong>in</strong> S-Bahn-Zug der S 1 im ehemaligen<br />
Sperrgebiet; im Juni 1990 hat er den Nord-Süd-Tunnel verlassen und fährt nach Humboldtha<strong>in</strong>; l<strong>in</strong>ks das ehemalige Bw Pankow (2014)<br />
So viel Wandel wie nirgends<br />
In ke<strong>in</strong>er deutschen Stadt hat die <strong>Eisenbahn</strong> <strong>in</strong> den letzten 25 Jahren solch e<strong>in</strong>en rasanten<br />
Aufschwung erlebt wie <strong>in</strong> Berl<strong>in</strong>. Nach dem Mauerfall wurden neue Strecken und Bahnhöfe<br />
gebaut, Bahnanlagen aus dem Dornröschenschlaf geholt oder weitgehend umgestaltet. Aber<br />
es gab auch Schattenseiten, <strong>in</strong> Form von Stilllegungen und Krisen. Das alles macht die Entwicklung<br />
<strong>in</strong> Berl<strong>in</strong> zu e<strong>in</strong>em der spannendsten Kapitel der jüngeren <strong>Eisenbahn</strong>geschichte –<br />
<strong>BAHN</strong> <strong>EXTRA</strong> zeigt Ihnen, wie und wo die Veränderungen vonstatten g<strong>in</strong>gen!<br />
<strong>BAHN</strong> <strong>EXTRA</strong> 4/2014 3
Inhalt | <strong>BAHN</strong>-ATLAS 2014<br />
Thomas Hanna-Daoud<br />
Verantwortlicher<br />
Redakteur<br />
Liebe Leser<strong>in</strong>nen, liebe Leser,<br />
fleißige S-Bahn-Kräfte putzen den E<strong>in</strong>gang zur Station Witzleben<br />
heraus – ist das Foto vom Juni 2010 nicht symbolisch für die<br />
Entwicklung der letzten 25 Jahre? Der Mauerfall und die Wiedervere<strong>in</strong>igung<br />
gaben der Stadt e<strong>in</strong>en Schub, dessen Dynamik sich<br />
bis heute fortsetzt. Auch Berl<strong>in</strong>s <strong>Eisenbahn</strong> wird seitdem aufpoliert,<br />
wenigstens <strong>in</strong> e<strong>in</strong>igen wichtigen Bereichen.<br />
Das konnten wir sehen, als wir die Aufnahmen für dieses Heft<br />
auswählten. Mehr als e<strong>in</strong>mal kamen wir <strong>in</strong>s Staunen: Was? So sieht<br />
das heute aus? Oder auch umgekehrt: Wie? Das ist erst 15, 20 oder<br />
25 Jahre her? Und manchmal noch: Ach! Was ist daraus geworden ...<br />
Hauptautoren <strong>in</strong> diesem Heft<br />
Michael Reimer,<br />
Jahrgang 1963, kennt den<br />
Zugverkehr <strong>in</strong> Berl<strong>in</strong> seit<br />
K<strong>in</strong>dertagen. Seit 1979 bei<br />
der Reichsbahn, bekam er<br />
die Entwicklung hautnah<br />
mit. Heute ist er bei DB<br />
Netz und <strong>in</strong> der Freizeit<br />
bei Bahnmuseen aktiv.<br />
Dirk W<strong>in</strong>kler,<br />
Jahrgang 1964, wuchs<br />
ebenfalls <strong>in</strong> Berl<strong>in</strong> auf.<br />
Nach dem Studium der<br />
Schienenfahrzeugtechnik<br />
g<strong>in</strong>g er zur Bahn<strong>in</strong>dustrie;<br />
Berl<strong>in</strong>er <strong>Eisenbahn</strong>en<br />
s<strong>in</strong>d nach wie<br />
vor se<strong>in</strong> Interessengebiet.<br />
Dieses fesselnde Nebene<strong>in</strong>ander von „Ah“, „Oh“ und bisweilen<br />
auch „Oh je“ begleitete uns bei der gesamten Produktion.<br />
Es begleitet Sie nun durch das<br />
Heft. Staunen Sie mit uns, was<br />
sich zwischen 1989 und 2014 so<br />
alles bei der <strong>Eisenbahn</strong> getan hat.<br />
Und lassen Sie sich überraschen –<br />
vom herausgeputzten Berl<strong>in</strong> wie<br />
vom vergangenen ...<br />
Viel Freude beim Blättern,<br />
Schauen und Schmökern!<br />
36<br />
Nach<br />
der Wende entstand die lang ersehnte Nord-<br />
Süd-Fernbahn – e<strong>in</strong>es der großen Bauprojekte <strong>in</strong><br />
Berl<strong>in</strong>. Zu den Nutznießern zählt der ICE, heute <strong>in</strong> der<br />
Spreestadt das Fernverkehrsmittel Nummer e<strong>in</strong>s<br />
Titelfotos<br />
Titel: Bodo Schulz (3)<br />
S. 4: Uwe Miethe (Personenfoto o.l.),<br />
Sebastian Schrader (M.), Volker Emersleben;<br />
Autorenfotos M. Reimer/D. W<strong>in</strong>kler: privat<br />
S. 5: Wolfgang Dath, Konrad Kosch<strong>in</strong>ski,<br />
Manuel Jacob (v.o.)<br />
Rücktitel: Konrad Kosch<strong>in</strong>ski (gr. Bild),<br />
Volker Emersleben (u.l.), Bodo Schulz (u.r.)<br />
4
Güter- und Rangierbahnhöfe um 1990 <strong>in</strong> Berl<strong>in</strong><br />
Postbahnhöfe, Bahnbetriebswerke,<br />
Mit Karten:<br />
S. 29, S. 52, S. 61<br />
46<br />
56<br />
70<br />
Berl<strong>in</strong>s<br />
Romantik <strong>in</strong> Berl<strong>in</strong>: In den frühen 1990ern<br />
hatten Dampfloke<strong>in</strong>sätze Konjunktur<br />
Sehr wechselhaft entwickelte sich der<br />
Güterverkehr <strong>in</strong> der Hauptstadt<br />
S-Bahn im Fußballtaumel – zur WM 2006<br />
macht sie noch positive Schlagzeilen. Insgesamt g<strong>in</strong>g<br />
es <strong>in</strong> den letzten 25 Jahren aber drunter und drüber<br />
Inhalt<br />
Momentaufnahmen<br />
8 Aufbruch und Abbruch<br />
<strong>Eisenbahn</strong> <strong>in</strong> Berl<strong>in</strong> – die letzten 25 Jahre<br />
30 Fast alles anders<br />
Zugverkehr <strong>in</strong> Berl<strong>in</strong> 1989–2014<br />
46 Hoch zu Ross ...<br />
Dampfnostalgie <strong>in</strong> Berl<strong>in</strong><br />
68 Tschüss, Ihr Klassiker!<br />
Generationswechsel bei der S-Bahn<br />
82 Projekt Ostkreuz<br />
Der Umbau des Nahverkehrs-Knotens<br />
88 Blick zurück<br />
Berl<strong>in</strong>er <strong>Eisenbahn</strong> e<strong>in</strong>st und jetzt<br />
Strecken und Stationen<br />
6 Immer wieder was Neues<br />
Berl<strong>in</strong> 1989–2014 – e<strong>in</strong>e E<strong>in</strong>führung<br />
18 Das große Quartett<br />
Um- und Neubau der Bahnhöfe<br />
24 Saniert und neu sortiert<br />
Streckenbaumaßnahmen nach 1990<br />
28 Adressat verzogen<br />
Die Postbahnhöfe<br />
56 Gew<strong>in</strong>ner und Verlierer<br />
Die Güter- und Rangierbahnhöfe<br />
84 Noch zu erledigen<br />
Aktuelle Bauprojekte <strong>in</strong> Berl<strong>in</strong><br />
Fahrzeuge und Betrieb<br />
36 Bahn frei für die „weiße Flotte“<br />
ICE-Verkehr <strong>in</strong> Berl<strong>in</strong><br />
40 Die anderen am Markt<br />
Die Privatbahnen 1989–2014<br />
64 Mit neuem Schwung<br />
Die Bahn<strong>in</strong>dustrie <strong>in</strong> Berl<strong>in</strong><br />
70 Zwischen Jubel und Jammer<br />
Berl<strong>in</strong>s S-Bahn 1989–2014<br />
80 Der Weg zum E<strong>in</strong>heitsticket<br />
Der VVB<br />
Ständige Rubriken<br />
98 <strong>Vorschau</strong>, Leserservice, Impressum<br />
<strong>BAHN</strong> <strong>EXTRA</strong> 4/2014 5
Strecken und Stationen<br />
| STREIFZUG DURCH BERLIN<br />
Willkommen <strong>in</strong> Berl<strong>in</strong>. Im modernen Berl<strong>in</strong>, dessen Stadtbahn<br />
elektrifiziert ist und auf der moderne S-Bahnen fahren –<br />
wenn die Verantwortlichen nicht wieder sparen ... David Ulrich/DB<br />
Immer wieder was<br />
Neues!<br />
6<br />
25 Jahre ist es jetzt her, dass<br />
die Mauer fiel. E<strong>in</strong>e sehr lange<br />
Zeit, wenn man betrachtet,<br />
was sich seither alles bei der<br />
<strong>Eisenbahn</strong> getan hat. Es gab<br />
Neubauten und Umbauten,<br />
Euphorie und Krise<br />
Nehmen wir mal an, Sie reisen heute mit der <strong>Eisenbahn</strong> nach<br />
Berl<strong>in</strong> und wollen wissen, wie es dort „früher“ war. So seit<br />
der Wende-Zeit etwa. Das ist leichter gefragt als gesagt, weil<br />
sich so viel geändert hat und auch, weil es da viele Arten von „früher“<br />
gibt. Früher, das kann zum Beispiel die ganz frühe Zeit se<strong>in</strong>, die vor<br />
25 Jahren und vor der Wende: mit der Mauer und den Grenz kon -<br />
trollen im düsteren Bahnhof Friedrichstraße. Oder die Zeit vor<br />
21 Jahren, 1993: Mit der „Aktion Silberpfeil“ und den ersten ICE-<br />
Zügen <strong>in</strong> Berl<strong>in</strong>. Oder die Zeit vor acht Jahren: 2006, als mit Bohei<br />
und Feuerwerk der neue Hauptbahnhof eröffnet wurde und wenig<br />
später die Fußball-WM jede Menge Rummel <strong>in</strong> die Hauptstadt<br />
brachte. Es gab und gibt eben immer wieder etwas Neues <strong>in</strong> Berl<strong>in</strong>.<br />
Selbst aktuell: 2014 wird die (<strong>in</strong> den 1990er-Jahren modernisierte)<br />
Stadt bahn wieder für mehrere Monate geschlossen. Um dr<strong>in</strong>gende<br />
Instandhaltungsarbeiten und Reparaturen auszuführen.<br />
Der bekannteste <strong>Eisenbahn</strong>er von Berl<strong>in</strong><br />
Das hat sich <strong>in</strong> den letzten 25 Jahren e<strong>in</strong>fach so e<strong>in</strong>gespielt: In Berl<strong>in</strong><br />
baut man immer. An der e<strong>in</strong>en Stelle kommt was dazu, an der<br />
anderen was weg – siehe die Güterbahnhöfe und Bahnbetriebswerke,<br />
von denen heute nur noch Reste existieren. Der bekannteste <strong>Eisenbahn</strong>er<br />
der Stadt ist nicht der Bahnchef (aktuell Dr. Rüdiger Grube),<br />
sondern se<strong>in</strong> Kumpel Max Maulwurf. Der Kle<strong>in</strong>e wirbt nun schon<br />
seit fast zwei Jahrzehnten auf Plakaten und Flyern unermüdlich für<br />
Verständnis, weil baustellenbed<strong>in</strong>gt mal dieser Zug nicht fährt und<br />
jener Bahnhof nur e<strong>in</strong>geschränkt zugänglich ist. Das könnte ja jeder
Party <strong>in</strong> Pankow:<br />
Zur LoveParade s<strong>in</strong>d<br />
im Juli 2001 zahlreiche<br />
Teilnehmer mit<br />
Sonderzügen nach<br />
Berl<strong>in</strong> gekommen – und<br />
viele 103er auch, die<br />
nun auf die Rückfahrt<br />
warten. Inzwischen<br />
könnte die DB die<br />
Lokomotiven hier<br />
nicht mehr abstellen;<br />
der Güterbahnhof<br />
ist geschlossen<br />
Bodo Schulz<br />
Max Maulwurf hat <strong>in</strong> Berl<strong>in</strong> traditionell viel um<br />
die Ohren; ke<strong>in</strong> Tag, an dem er nicht bei irgende<strong>in</strong>er<br />
Baustelle um Verständnis werben muss Bodo Schulz<br />
Neue Gesichter <strong>in</strong> der Stadt: Heute mischen etliche Privatbahnen<br />
im Reise- und Güterverkehr von Berl<strong>in</strong> mit. In Lichtenberg steht e<strong>in</strong><br />
Connex-Zug nach Stralsund bereit Volker Emersleben<br />
verstehen – wenn es denn irgendwann e<strong>in</strong> Ende hätte. Aber das zieht<br />
sich eben genauso wie e<strong>in</strong> roter Faden durch, bei der Bahn wie <strong>in</strong><br />
Berl<strong>in</strong>: Kaum ist e<strong>in</strong>e Baustelle geschlossen, beg<strong>in</strong>nt die nächste.<br />
Wie gesagt, die Stadtbahn dieses Jahr ...<br />
Was es alles an Projekten gab, lässt sich schon nicht mehr an<br />
e<strong>in</strong>er Hand aufzählen. Neben der Stadtbahn die R<strong>in</strong>gbahn, die Nord-<br />
Süd-Fernbahn mit dem Pilzkonzept, der Innenr<strong>in</strong>g, der Außenr<strong>in</strong>g,<br />
Zulaufstrecken – da wird dem Außenstehenden ganz schw<strong>in</strong>delig.<br />
Spätestens, wenn er erfährt, wie viel Geld bei Ausbau, Umbau oder<br />
Neubau verbuddelt wurde. Gerade meldet die Presse, dass der Bau<br />
der S 21 vom R<strong>in</strong>g zum neuen Hauptbahnhof länger dauert und<br />
teurer wird. Womöglich taugt der Tunnel gar nicht für den Betrieb, so<br />
dass man den Endbahnhof verkürzen und 500 Meter nach vorn verlegen<br />
muss. Das ist Berl<strong>in</strong>. Da haben wir mit Flughafen BER, Staatsoper,<br />
Stadtschloss, Hauptbahnhof ... so unsere Erfahrungen. Nichts<br />
wird pünktlich fertig, alles kostet mehr.<br />
Der beständigste Job <strong>in</strong> Berl<strong>in</strong><br />
Wenigstens hat sich Berl<strong>in</strong>s <strong>Eisenbahn</strong> dabei ganz gut herausgeputzt.<br />
Stadtbahn, Spandau, Gesundbrunnen, Südkreuz: Es ist viel passiert<br />
<strong>in</strong> dem Vierteljahrhundert. Übrigens nicht nur bei den Bauten, auch<br />
bei den Strukturen. Die Reichsbahn g<strong>in</strong>g, die Deutsche Bahn AG<br />
kam. Und nichts war beständiger als der Job des Umzugsmanagers<br />
für die Bahn. Erst nahm die DR e<strong>in</strong> Quartier <strong>in</strong> der Stadt (<strong>in</strong> der ehemaligen<br />
Zentrale des M<strong>in</strong>isteriums für Staatssicherheit), heutzutage<br />
residiert die Bahn AG am Potsdamer Platz. In e<strong>in</strong>em Riesend<strong>in</strong>g aus<br />
Stahl und Glas. Klar: Dort, wo die Eigentümer sitzen (der DB-Kon -<br />
zern gehört ja immer noch zu 100 Prozent dem Bund), möchte die<br />
Bahnführung nicht weit weg se<strong>in</strong>. Beim Bahntower, wie der Glasturm<br />
heißt, hat man Reichstag und Kanzler(<strong>in</strong>nen)amt quasi gleich<br />
nebenan. Für solche kurzen Entscheidungswege lohnt sich schon<br />
mal die fette Miete mitten <strong>in</strong> Berl<strong>in</strong> ...<br />
Nach wie vor ist die Deutsche Bahn AG auch der Platzhirsch <strong>in</strong><br />
der Stadt. Nichts geht ohne sie. Na gut, fast nichts, denn <strong>in</strong>zwischen<br />
mischen Privatbahnen munter mit. Bunte Garnituren im Nahverkehr,<br />
bunte Loks vor Güterzügen, dazu e<strong>in</strong> bisschen Fernreisen aus der<br />
Hand der „Nichtbundeseigenen“ – da hat sich ebenfalls e<strong>in</strong>e Menge<br />
getan. Inklusive der ersten Wechsel.<br />
So s<strong>in</strong>d die letzten zweie<strong>in</strong>halb Jahrzehnte an der Spree ziem -<br />
lich turbulent verlaufen. Berl<strong>in</strong> wuchs zusammen und stieg zur<br />
(Bahn-) Hauptstadt auf. Internationale Verb<strong>in</strong>dungen nach halb<br />
Europa? Klar, haben Sie heute mehr als früher. Regionale Taktung?<br />
Logisch, kriegen Sie, ziemlich schnell und ohne Pause – außer vielleicht,<br />
wenn gerade gebaut wird. Und wenn nicht e<strong>in</strong>ige Übereifrige<br />
am falschen Ende sparen, so wie bei der S-Bahn. Wie erfreulich entwickelte<br />
sich die doch, bis jemand auf den Gedanken kam, die Betreiber<strong>in</strong><br />
S-Bahn Berl<strong>in</strong> GmbH solle dem Mutterkonzern DB AG auf<br />
den Börsensprung helfen. Noch immer räumen die Verantwortlichen<br />
das betriebliche Chaos auf, das die Vorgänger mit ihrem Streichkonzert<br />
anrichteten. Neubau, Umbau, Euphorie und Krise, von allem<br />
war bei der S-Bahn <strong>in</strong> den letzten 25 Jahren etwas dabei. So wie bei<br />
der ganzen <strong>Eisenbahn</strong> <strong>in</strong> Berl<strong>in</strong>. Dieter Schmitt/Willy Grübner<br />
7
Momentaufnahmen<br />
| EISEN<strong>BAHN</strong> IN BERLIN – DIE LETZTEN 25 JAHRE<br />
„Janz Berl<strong>in</strong> eene Baustelle“: In der wiedervere<strong>in</strong>igten Metropole setzt e<strong>in</strong> beispielloser Bauboom<br />
e<strong>in</strong>, auch bei der <strong>Eisenbahn</strong>. Die auffälligste Neuerung erhält die Stadtbahn; gleich neben dem<br />
Lehrter Stadtbahnhof entsteht der neue Hauptbahnhof, mit dem man den Verkehr <strong>in</strong> Ost-Westwie<br />
Nord-Süd-Richtung neu ordnet. Im Mai 2002 lassen sich der Vorgängerbau l<strong>in</strong>ks und der Neubau<br />
rechts geme<strong>in</strong>sam ablichten. Wenig später wird der Stadtbahnhof abgerissen Konrad Kosch<strong>in</strong>ski<br />
Aufbruch und<br />
8<br />
Anfang 1989 schien es, als würde sich bei Berl<strong>in</strong>s <strong>Eisenbahn</strong>en <strong>in</strong> nächster Zeit<br />
wenig ändern. Weit gefehlt: Im Herbst fiel die Mauer, Berl<strong>in</strong> wuchs zusammen und<br />
nichts war mehr wie zuvor. Stationen der Entwicklung zur (Bahn-)Hauptstadt
Abbruch<br />
<strong>BAHN</strong> <strong>EXTRA</strong> 4/2014 9
Momentaufnahmen<br />
| EISEN<strong>BAHN</strong> IN BERLIN – DIE LETZTEN 25 JAHRE<br />
Zwei Tage nach der Öffnung der Grenzen fährt am<br />
11. November 1989 e<strong>in</strong> Sonderzug mit Berl<strong>in</strong>-Besuchern aus dem<br />
Bahnhof Zoo aus. Der große Reisestrom von Ost nach West<br />
hat begonnen – er reißt so schnell nicht ab Bodo Schulz<br />
10
Im geteilten Berl<strong>in</strong> war Friedrichstraße der streng abgeschirmte Grenzbahnhof<br />
zwischen West- und Ost-Berl<strong>in</strong>. Auch im Juni 1990 wirkt der Durchgang für Reisende aus<br />
dem Westen beklemmend, obwohl es ke<strong>in</strong>e Fe<strong>in</strong>dseligkeiten mehr gibt Bodo Schulz<br />
Wie durch e<strong>in</strong> Freilichtmuseum rollt die „Ferkeltaxe“ 172 711,<br />
als sie am 22. Oktober 1990 als Personenzug Charlottenburg –<br />
Nauen <strong>in</strong> Staaken e<strong>in</strong>trifft. Deutschland ist bereits wieder<br />
vere<strong>in</strong>igt, aber noch stehen im ehemaligen Grenzbahnhof<br />
Wachtürme und Zäune Konrad Kosch<strong>in</strong>ski<br />
Abschied aus Deutschland: Am 1. September 1994<br />
wartet der letzte russische Militärzug im Bahnhof<br />
Berl<strong>in</strong>-Lichtenberg auf die Abfahrt. Nach fast fünf<br />
Jahrzehnten endet die Zeit der Alliierten <strong>in</strong> Berl<strong>in</strong><br />
Konrad Kosch<strong>in</strong>ski<br />
Die Mauer ist weg!<br />
Der 9. November 1989 geht <strong>in</strong> die Geschichtsbücher e<strong>in</strong>. Über<br />
Nacht ist die Teilung Berl<strong>in</strong>s überwunden, auch bei der <strong>Eisenbahn</strong>.<br />
E<strong>in</strong>e neue Zeitrechnung beg<strong>in</strong>nt: im Zeichen der Geme<strong>in</strong>samkeit<br />
<strong>BAHN</strong> <strong>EXTRA</strong> 4/2014 11
Momentaufnahmen<br />
| EISEN<strong>BAHN</strong> IN BERLIN – DIE LETZTEN 25 JAHRE<br />
In den 1990er-Jahren wird das lang geplante Vorhaben e<strong>in</strong>er<br />
Nord-Süd-Fernverb<strong>in</strong>dung Realität. Aus dem Bahnhof Papestraße<br />
macht die DB dabei den (teilweise neuen) Bahnhof<br />
Südkreuz, e<strong>in</strong>en weiteren Knoten für den Regional- und<br />
Fernverkehr Volker Emersleben<br />
Am Potsdamer Platz, mit Blick auf den Reichstag, hat die<br />
DB AG seit dem Jahr 2000 ihr Hauptquartier. Der Mietvertrag<br />
für den 26 Stockwerke hohen „Bahn Tower“ läuft noch<br />
m<strong>in</strong>destens bis zum Jahr 2024 Volker Emersleben<br />
Im September 1996 lud<br />
das Messegelände Berl<strong>in</strong><br />
zur ersten InnoTrans e<strong>in</strong>.<br />
Mittlerweile ist die zweijährige<br />
Veranstaltung<br />
die Leitmesse für die<br />
Schienenverkehrstechnik<br />
und e<strong>in</strong> Laufsteg der<br />
Fahrzeug-Neuheiten –<br />
wie mit der Mehrmotorlok<br />
245 im September 2012<br />
Sebastian Schrader<br />
Licht aus, Spot an: Mit e<strong>in</strong>em spektakulären<br />
Programm eröffnet die Deutsche Bahn am<br />
26. Mai 2006 den neuen Hauptbahnhof, ihre<br />
Visitenkarte im heutigen Berl<strong>in</strong> Bodo Schulz<br />
12
An die Spitze<br />
Als Hauptstadt der DDR war (Ost-)Berl<strong>in</strong> schon Mittelpunkt des<br />
Bahnreiseverkehrs. Das wieder vere<strong>in</strong>igte Berl<strong>in</strong> rückt erst recht <strong>in</strong>s Rampenlicht.<br />
Sei es mit dem Streckennetz, <strong>in</strong> Sachen Verwaltung oder bei der Bahn<strong>in</strong>dustrie<br />
<strong>BAHN</strong> <strong>EXTRA</strong> 4/2014 13
Momentaufnahmen<br />
| EISEN<strong>BAHN</strong> IN BERLIN – DIE LETZTEN 25 JAHRE<br />
Die Verb<strong>in</strong>dung Berl<strong>in</strong> – Budapest ist zwar eigentlich e<strong>in</strong>e<br />
bekannte Fernverb<strong>in</strong>dung, aber im Juni 1994 doch etwas<br />
Besonderes. Der EuroCity 175 kommt aus Hamburg und<br />
hat unter anderem im Bahnhof Zoo Station gemacht, bevor<br />
er über die Stadtbahn weiter Richtung Ostbahnhof fährt.<br />
Im Bild s<strong>in</strong>d die beiden DB-Dieselloks der Baureihe 218 mit<br />
dem Zug bei Jannowitzbrücke unterwegs; h<strong>in</strong>ten der<br />
Bahnhof Alexanderplatz, den der EC ohne Halt durchfuhr<br />
Bernd Oliver Sydow<br />
Villa Kunterbunt<br />
Neue Fahrzeuge, neue Züge, neue Betreiber: In den Jahren nach<br />
der Wende jagt e<strong>in</strong> Novum das nächste. Berl<strong>in</strong> wird farbenfroh,<br />
was die Fahrzeuge betrifft. Und zu e<strong>in</strong>em Paradies für Tra<strong>in</strong>spotter<br />
14
E<strong>in</strong>e Schlafwagen-Schaffner<strong>in</strong> der Russischen <strong>Eisenbahn</strong>en<br />
wartet im September 2007 im neuen Hauptbahnhof mit ihrem<br />
D-Zug auf die Abfahrt. Über Polen und Weißrussland geht die<br />
Reise nach Kal<strong>in</strong><strong>in</strong>grad Bodo Schulz<br />
In den ersten Jahren nach der Wende gibt es auf dem Berl<strong>in</strong>er<br />
Streckennetz zahlreiche Dampflok-Fahrten – auch vor planmäßigen<br />
Zügen. Mit e<strong>in</strong>em Schnellzug ist 01 1531 auf der Stadtbahn unterwegs;<br />
gerade passiert sie den S-Bahn-Haltepunkt Jannowitzbrücke Ronald Broschat<br />
Im Regionalverkehr von Berl<strong>in</strong> und Brandenburg ist die Ostdeutsche<br />
<strong>Eisenbahn</strong>-Gesellschaft (ODEG) <strong>in</strong>zwischen e<strong>in</strong>e feste Größe. Seit<br />
2013 bedient sie mit Stadler-Doppelstocktriebzügen vom Typ KISS<br />
unter anderem die Regionalexpress-L<strong>in</strong>ie Wismar – Berl<strong>in</strong> – Cottbus;<br />
hier auf der Stadtbahn an der Museums<strong>in</strong>sel Bodo Schulz<br />
15
Momentaufnahmen<br />
| EISEN<strong>BAHN</strong> IN BERLIN – DIE LETZTEN 25 JAHRE<br />
In Rummelsburg liegen Vergangenheit und Gegenwart dicht beie<strong>in</strong>ander:<br />
Der ICE im Vordergrund verlässt im Juli 1999 nach e<strong>in</strong>em Aufenthalt im ICE-Werk<br />
das Gelände; dabei passiert er auch die historische Rotunde, die, denkmalgeschützt<br />
und ungenutzt, sich selbst überlassen bleibt Volker Emersleben<br />
Abschied von e<strong>in</strong>em großen<br />
Namen: Die Leuchtschrift am<br />
Berl<strong>in</strong>er Hauptbahnhof, der seit<br />
1998 wieder Ostbahnhof heißt,<br />
hat im August 1999 ausgedient.<br />
Mit der Modernisierung stellt<br />
sich der Bahnhof den Reisenden<br />
auf andere Weise vor<br />
Volker Emersleben<br />
Wie e<strong>in</strong>e Restekiste wirkt das<br />
Bahnbetriebswerk Berl<strong>in</strong>-Pankow<br />
im September 1990. Die<br />
Anforderungen haben sich<br />
geändert; für die 242er-Elloks,<br />
die 120er-Dieselloks und den<br />
Triebkopf 175 008 gibt es ke<strong>in</strong>en<br />
Bedarf mehr Josef Mauerer<br />
16
Der Rangierbahnhof Berl<strong>in</strong>-Wuhlheide ist im<br />
Mai 2009 Brachland, Biotop, Abenteuerspielplatz oder<br />
alles zusammen – an die Betriebszeiten er<strong>in</strong>nern<br />
lediglich die trotzig stehenden Signale Volker Emersleben<br />
Wiederseh’n, danke schön<br />
Der Aufschwung der <strong>Eisenbahn</strong> nach 1989 nimmt beileibe nicht alles mit. S<strong>in</strong>kende<br />
Frachtraten und veränderte Instandhaltungskonzepte machen viele Bahnanlagen<br />
überflüssig. Auch Sanierungen lassen Vertrautes aus dem Bahnalltag verschw<strong>in</strong>den<br />
<strong>BAHN</strong> <strong>EXTRA</strong> 4/2014 17
Strecken und Stationen<br />
| <strong>BAHN</strong>HOFSUMBAUTEN UND –NEUBAUTEN<br />
Nicht, dass die <strong>Eisenbahn</strong> <strong>in</strong> Berl<strong>in</strong> <strong>in</strong><br />
den 1990er-Jahren neu erfunden worden<br />
wäre. Aber weit davon entfernt<br />
liegt das, was Reichsbahn und Deutsche<br />
Bahn damals anpackten, vermutlich auch<br />
nicht. G<strong>in</strong>g es doch darum, die Verkehrsströme<br />
<strong>in</strong> der wieder vere<strong>in</strong>igten Stadt neu<br />
zu ordnen und besser zu verteilen. Tradi -<br />
tionell hatte die Stadtbahn <strong>in</strong> Ost-West-Richtung<br />
das Gros der durchfahrenden Fernzüge<br />
aufgenom men. Nun entstand e<strong>in</strong>e zweite<br />
Magistrale <strong>in</strong> Nord-Süd-Richtung (siehe<br />
S. 24–27). Sie eröffnete e<strong>in</strong>erseits neue Kapazitäten<br />
und ersparte andererseits Zügen aus<br />
Hamburg, Rostock, Leipzig oder Dresden<br />
kostspielige Umwege. Den Fernver kehr <strong>in</strong><br />
Berl<strong>in</strong> konnte man damit besser lenken – und<br />
die Bahn-Metropole an der Spree noch mehr<br />
<strong>in</strong> das nationale und <strong>in</strong>ternationale Schienennetz<br />
e<strong>in</strong>b<strong>in</strong>den.<br />
Freilich gehörten dazu neue Zustiegsmöglichkeiten<br />
– entsprechende Vorhaben standen<br />
mit auf der Agenda der DB. Und so wandelte<br />
sich <strong>in</strong> der zweiten Hälfte der 1990er-Jahre,<br />
vor allem aber im neuen Jahrtausend das<br />
Bild: Neue bedeutende Halte wurden geschaffen,<br />
bisher wichtige Fernverkehrsbahnhöfe<br />
Berl<strong>in</strong>s verloren an Bedeutung.<br />
Der neue Berl<strong>in</strong>er Hauptbahnhof<br />
An der Spitze der Berl<strong>in</strong>er Bahnhofs-Hierarchie<br />
hatte man e<strong>in</strong>en zentral gelegenen<br />
Hauptbahnhof vorgesehen; <strong>in</strong> dem Neubau<br />
sollten sich die alte Magistrale Stadtbahn<br />
und die neue Nord-Süd-Fernbahn kreuzen.<br />
Am 9. Septem ber 1998 legten Bundesverkehrsm<strong>in</strong>ister<br />
Matthias Wissmann und<br />
Bahnchef Dr. Johannes Ludewig dafür den<br />
Grundste<strong>in</strong>. Der Neubau erhielt se<strong>in</strong>en Platz<br />
neben dem alten Lehrter Stadtbahnhof,<br />
direkt an der Spree und im Ortsteil Moabit<br />
des Bezirks Berl<strong>in</strong> Mitte. In Er<strong>in</strong>nerung an<br />
den benachbarten „Vorgänger“, der im Rahmen<br />
der Bauarbeiten abgerissen wurde, trug<br />
er anfangs e<strong>in</strong>en Namen mit Untertitel: „Berl<strong>in</strong><br />
Hauptbahnhof Lehrter Bahnhof“. Er öff -<br />
net wurde das neue Herzstück des Berl<strong>in</strong>er<br />
Zugverkehrs <strong>in</strong> zwei Etappen: 2002 für die<br />
S-Bahn, endgültig dann am 26./27. Mai 2006<br />
mit e<strong>in</strong>er groß angeleg ten „Lichts<strong>in</strong>fonie“.<br />
Seit dem 28. Mai 2006 fahren den Bahnhof<br />
planmäßig Reisezüge des Regional- und<br />
Fernverkehrs an; an diesem Tag g<strong>in</strong>g auch<br />
die neue Nord-Süd-Verb<strong>in</strong>dung <strong>in</strong> Betrieb.<br />
Der Neubau ist als Turmbahnhof konzipiert<br />
und <strong>in</strong> dieser Form europaweit der<br />
Größte se<strong>in</strong>er Art. Zwei Streckenebenen stehen<br />
zur Verfügung: Die Züge der Ost-West-<br />
Richtung fahren auf der Stadtbahn im<br />
oberen Bereich, rund zehn Meter über Straßenniveau.<br />
Es stehen sechs auf Brückenbauwerken<br />
verlegte Gleise zur Verfügung; der<br />
neue Hauptbahnhof liegt als Zwischenhalt<br />
zwischen den Bahnhöfen Zoologischer Gar-<br />
18<br />
Alle Welt sche<strong>in</strong>t auf den<br />
Be<strong>in</strong>en, als die DB am 27. Mai<br />
2006 zur Eröffnung des neuen<br />
Berl<strong>in</strong>er Hauptbahnhofs lädt.<br />
Im Tunnelbahnhof warten<br />
Sonderzüge und e<strong>in</strong>e Fahrzeugschau<br />
auf die Besucher<br />
Volker Emersleben<br />
Das große<br />
Quartett<br />
In den 1990er-Jahren begannen etliche Ausbau- und<br />
Umbaumaßnahmen, um die Verkehrsströme <strong>in</strong> Berl<strong>in</strong><br />
neu zu ordnen. Damit e<strong>in</strong>her g<strong>in</strong>g e<strong>in</strong>e Neuordnung<br />
der Bahnhöfe; vier bedeutende Fernbahnhalte<br />
entstanden, dafür traten andere <strong>in</strong> den H<strong>in</strong>tergrund<br />
ten und Friedrichstraße. Der untere Bereich,<br />
die Tunnelstation, bef<strong>in</strong>det sich <strong>in</strong> 15 Metern<br />
Tiefe und umfasst acht Gleise. Dies ist das<br />
Zentrum der Nord-Süd-Fernbahn zwischen<br />
Spandau bzw. Gesundbrunnen im Norden<br />
und Südkreuz im Süden. Auf drei weiteren<br />
Ebenen verteilen sich Geschäfte, Verkaufsstellen<br />
und Service-E<strong>in</strong>richtungen.<br />
Die DB hatte den Anspruch, e<strong>in</strong> prestigeträchtiges<br />
Aushängeschild zu schaffen.<br />
Demgemäß erhielt der neue Hauptbahnhof<br />
e<strong>in</strong>e spektakuläre Gestaltung, entwickelt<br />
von den Architekten Me<strong>in</strong>hard von Gerkan<br />
und Partner. Die Stadtbahnebene über -<br />
spannt e<strong>in</strong>e bee<strong>in</strong>druckende Glasdach-Bogenhalle.<br />
Über die Halle „legen“ sich noch<br />
zwei Querbauten, die „Bügelbauten“. In der<br />
realisierten Ausführung misst die Halle<br />
321 Meter Länge und 59 bis 68 Meter Breite;<br />
das Dach enthält mehr als 9.000 Glas -<br />
elemente und e<strong>in</strong>e Photovoltaik-Anlage.<br />
Nach dem Willen der Architekten sollte die<br />
Bogenkonstruktion sogar 430 Meter lang<br />
werden. Da jedoch der Bau <strong>in</strong> Term<strong>in</strong>verzug
Die Station mit dem Doppelnamen: Zur Er<strong>in</strong>nerung an den Vorgänger <strong>in</strong><br />
nächster Nähe bekam der neue Hauptbahnhof den Zusatz „Lehrter Bahnhof“;<br />
auf der Stadtbahnebene (Foto) heißt er noch immer so Heiko Focken<br />
Bei der Grundste<strong>in</strong>legung<br />
für den neuen Hauptbahnhof<br />
wurden 1998<br />
Modelle des ICE und des<br />
Transrapid e<strong>in</strong>gebaut. Der<br />
Bahnhof sollte auch die<br />
Magnetbahntrasse Ham -<br />
burg – Berl<strong>in</strong> aufnehmen;<br />
dies scheiterte aber aus<br />
politischen und f<strong>in</strong>anziellen<br />
Gründen<br />
Volker Emersleben<br />
geriet und die DB AG den Bahnhof unbe -<br />
d<strong>in</strong>gt zur Fußball-Weltmeisterschaft 2006 betreiben<br />
wollte, verfügte sie e<strong>in</strong>e verkürzte<br />
Version. E<strong>in</strong>en Aufschlag gab es dagegen<br />
bei den Kosten. Anstelle der vorgesehenen<br />
400 Millionen Euro beliefen sie sich am Ende<br />
auf rund das Doppelte.<br />
Im Reiseverkehr ist der neue Hauptbahnhof<br />
unangefochten Berl<strong>in</strong>s Nummer 1. Alle<br />
wichtigen Fernverb<strong>in</strong>dungen haben hier e<strong>in</strong>en<br />
Halt – national wie <strong>in</strong>ternational. Wobei<br />
der Bahnhof zwar zentral liegt und mit<br />
Nur der Reichstag<br />
bef<strong>in</strong>det sich gleich um<br />
die Ecke – e<strong>in</strong> Zufall?<br />
Mangel im Konzept: Weil die Fernbahnsteige<br />
des neuen Hauptbahnhofs gekrümmt s<strong>in</strong>d,<br />
müssen die Aufsichten beim Abfertigen der<br />
Züge über Monitore den Fahrgastwechsel an<br />
den Wagenreihen beobachten Bernd Kuhlmann<br />
300.000 Reisenden täglich e<strong>in</strong> enormes Aufkommen<br />
hat, aber sich auf Berl<strong>in</strong> bezogen<br />
eher im Niemandsland bef<strong>in</strong>det. Zentrum<br />
und Mitte, die beiden „Innenstädte“, liegen<br />
von anderen Bahnhöfen aus näher. Nur der<br />
Reichstag als „Herberge“ des Bundesparlaments<br />
bef<strong>in</strong>det sich gleich um die Ecke – e<strong>in</strong><br />
Zufall? Und auch die S-Bahn-Anb<strong>in</strong>dung ist<br />
ausbaufähig: Bislang gibt es ke<strong>in</strong>e Nord-Süd-<br />
L<strong>in</strong>ie, nur die Züge auf der Stadtbahn.<br />
Wie auch immer, der neue Hauptbahnhof<br />
ist nicht zuletzt wegen se<strong>in</strong>er Architektur <strong>in</strong>zwischen<br />
das berühmteste <strong>Eisenbahn</strong>-Bauwerk<br />
Berl<strong>in</strong>s und selbst <strong>in</strong>mitten der zahllosen<br />
Neubauten der Hauptstadt e<strong>in</strong>e Besonderheit.<br />
Übrigens: Während der Bahnhof offiziell<br />
seit 2006 „Berl<strong>in</strong> Hauptbahnhof“ heißt,<br />
lebt der Untertitel „Lehrter Bahnhof“ fort;<br />
man f<strong>in</strong>det ihn auf den Bahnhofsschildern<br />
der Stadtbahn-Ebene und DB-<strong>in</strong>tern, wo der<br />
neue Hauptbahnhof bis heute als „Berl<strong>in</strong><br />
Lehrter Stadtbahnhof“ (BLS) firmiert.<br />
Im Zusammenhang mit der Neuordnung<br />
der Verkehrsströme g<strong>in</strong>g die Deutsche Bahn<br />
ab den 1990er-Jahren noch drei weitere<br />
große Bahnhofsprojekte <strong>in</strong> Berl<strong>in</strong> an. Die<br />
Baumaßnahmen <strong>in</strong> Spandau, Gesundbrunnen<br />
und Südkreuz stehen zwar <strong>in</strong> ihrem Umfang<br />
h<strong>in</strong>ter denen beim neuen Hauptbahn -<br />
hof zurück, aber auch hier entstanden bemerkenswerte<br />
neue Halte.<br />
Bahnhof Berl<strong>in</strong>-Spandau<br />
Ähnlich wie der zentrale Bau auf der Stadtbahn<br />
ist der Fernbahnhof <strong>in</strong> dem Berl<strong>in</strong>er<br />
Ortsteil e<strong>in</strong> Neubau neben e<strong>in</strong>er vorhan de -<br />
nen Anlage. Planungen, die Strecke und den<br />
Fernhalt aufzuwerten, reichen bis <strong>in</strong> die Zeit<br />
vor der Wende zurück; bereits 1988 gab es<br />
erste Verhandlungen zum Bau e<strong>in</strong>er ICE-<br />
Trasse Berl<strong>in</strong> – Hannover. Von 1996 bis 1998<br />
realisierte die Deutsche Bahn AG dann das<br />
Projekt des Fern- und Regionalbahnhofs Berl<strong>in</strong>-Spandau.<br />
In direkter Nachbarschaft zum<br />
bisherigen S-Bahn- und ehemaligen Fernbahnhalt<br />
entstand e<strong>in</strong> neuer, sechsgleisiger<br />
Bahnhof für Regional- und Fernzüge (vier<br />
<strong>BAHN</strong> <strong>EXTRA</strong> 4/2014 19
Strecken und Stationen<br />
| <strong>BAHN</strong>HOFSUMBAUTEN UND –NEUBAUTEN<br />
Die lang gezogenen Tonnendächer der<br />
Bahnhofshalle s<strong>in</strong>d das Markenzeichen des<br />
Neubaus <strong>in</strong> Berl<strong>in</strong>-Spandau. Zwischen 1996<br />
und 1998 entstand hier e<strong>in</strong> neuer Bahnhof,<br />
samt Gütergleis außerhalb der Halle<br />
Hans-Jürgen Eggert/DB<br />
Gleise) sowie für die S-Bahn (zwei Gleise).<br />
Gleichzeitig rückte die DB damit den Verkehrshalt<br />
näher zur Stadt. Mit se<strong>in</strong>er 432 Meter<br />
langen, verglasten Tonnendachkonstruktion<br />
als Bahnsteigüberdachung ist der<br />
Neubau von Berl<strong>in</strong>-Spandau der längste Hal -<br />
lenbahnhof Deutschlands; der Entwurf<br />
stammt von den Architekten Gerkan und<br />
Partner.<br />
Am 19. Mai 1997 nahm die DB den ersten<br />
Bahnsteig des neuen Bahnhofs <strong>in</strong> Betrieb.<br />
Zunächst diente er nur dem Regional- und<br />
Fernverkehr, zum 30. Dezember 1998 folgte<br />
auch die S-Bahn. Im Fernverkehr ist Berl<strong>in</strong>-<br />
Spandau heute fester Bestandteil des IC-/ECund<br />
ICE-Netzes. Es halten Züge nach Hamburg,<br />
München, Amsterdam, Interlaken Ost,<br />
Budapest und Wroclaw.<br />
Allerd<strong>in</strong>gs musste der Bahnkonzern bei<br />
dem Bahnhof e<strong>in</strong>ige Kompromisse e<strong>in</strong>gehen.<br />
Die während der Bauzeit noch vorgesehene<br />
Magnetbahn-Trasse Hamburg – Berl<strong>in</strong> beschränkte<br />
den Platz; auch deshalb fiel die<br />
Empfangshalle eher unrepräsentativ kle<strong>in</strong><br />
aus. Als man die Idee des Transrapid verwarf,<br />
war es zu spät, um etwas zu ändern.<br />
Bahnhof Berl<strong>in</strong> Gesundbrunnen<br />
Nicht weit von der Berl<strong>in</strong>er Mauer entfernt,<br />
spielte Gesundbrunnen im gleichnamigen<br />
Ortsteil vor der Wende nur als etwas abseitig<br />
gelegener S-Bahn-Halt e<strong>in</strong>e Rolle. Im Zusammenhang<br />
mit der Neuordnung der Verkehrsströme<br />
nach dem so genannten Pilzkonzept<br />
20<br />
Im August 1989 hat der Bahnhof Gesundbrunnen mit Fernverkehr nicht viel zu tun. Er ist ledig -<br />
lich Durchfahrstation, zum Beispiel für diesen Militärzug der französischen Alliierten Josef Mauerer<br />
war geplant, den Bahnhof zu modernisieren,<br />
weitgehend umzubauen und zu ei nem Fernbahnhalt<br />
aufzuwerten; zuletzt hatten Züge<br />
nur e<strong>in</strong> Fernbahngleis zur Durch fahrt<br />
genutzt. Gleichzeitig sollten die bei der Teilung<br />
unterbrochenen S-Bahn-Strecken <strong>in</strong>s<br />
frühere Ost-Berl<strong>in</strong> wieder aufge baut werden.<br />
Beides verwirklichte die Deutsche Bahn<br />
ab den 1990er-Jahren. Im Bahnhof selbst<br />
wurden die alten S-Bahnsteige abgetragen<br />
und leicht versetzt neu errichtet; sie dienen<br />
nun als Richtungsbahnsteige. Daran schließt<br />
sich der neu gebaute Fernbahnteil an. Er ist<br />
mit dem S-Bahn-Bereich über e<strong>in</strong>en Hochbahnsteig<br />
verbunden. Am 17. September<br />
2001 fuhren erstmals wieder S-Bahnen von<br />
Gesundbrunnen über die ehemalige Demarkationsl<strong>in</strong>ie<br />
zum Bahnhof Schönhauser Allee;<br />
am 15. Juni 2002 g<strong>in</strong>g zwischen Gesundbrunnen<br />
und Wedd<strong>in</strong>g der letzte fehlende<br />
Abschnitt der R<strong>in</strong>gbahn <strong>in</strong> Betrieb. Bis zur<br />
Eröffnung des Fernbahnteils dauerte es aller -<br />
d<strong>in</strong>gs noch; er folgte erst zum 28. Mai 2006<br />
mit dem Betriebsstart des Pilzkonzeptes.<br />
Außer von Regional- und Fernreisezügen<br />
wird Gesundbrunnen seit Ende 2007 auch<br />
vom Interconnex angefahren. Der modernisierte<br />
Bahnhof verfügt über sechs Fernbahnund<br />
vier S-Bahn-Gleise; der Umbau kostete<br />
114 Millionen Euro.<br />
Über Jahre machte die Station allerd<strong>in</strong>gs<br />
e<strong>in</strong>en unfertigen E<strong>in</strong>druck. Nicht ohne Grund:<br />
Um Kosten zu sparen, hatte die DB auf die<br />
vom Architekten Axel Oesterreich geplanten<br />
Turmbauten und auch das Empfangsgebäude<br />
verzichtet. Zunächst gab es neben dem Bahnhof<br />
e<strong>in</strong>e leere Fläche, ab Februar 2006 dann<br />
e<strong>in</strong> Provisorium <strong>in</strong> Form e<strong>in</strong>es Pavillons mit
Aus Papestraße wurde Südkreuz: Ebenfalls<br />
Ende Mai 2006 nahm die DB den neuen Halt auf<br />
der Nord-Süd-Verb<strong>in</strong>dung <strong>in</strong> Betrieb. Wenige<br />
Tage später begegnet sich dort mit S-Bahn, Bus<br />
und Bär Berl<strong>in</strong>er Prom<strong>in</strong>enz Bodo Schulz<br />
So sah der Betrieb im Bahnhof Friedrichstraße<br />
1990 aus: Er ist Fernverkehrshalt<br />
(l<strong>in</strong>ks mit D-Zug, 27. Mai)<br />
und die Transportpolizisten arbeiten bis<br />
zum 3. Oktober auf e<strong>in</strong>em Grenzbahnhof<br />
(oben, Foto vom 2. Juli) Bodo Schulz (2)<br />
DB-Service-Store. Seit 2013 entsteht hier e<strong>in</strong><br />
e<strong>in</strong>geschossiger Bau. Der Abschluss der Arbeiten,<br />
die mit 9,7 Millionen Euro zu Buche<br />
schlagen, ist für Mitte 2014 geplant.<br />
Bahnhof Berl<strong>in</strong> Südkreuz<br />
Das vierte größere Bahnhofsprojekt bezog<br />
sich auf e<strong>in</strong>en Turmbahnhof im Ortsteil Schöneberg,<br />
der ursprünglich den Namen Papestraße<br />
trug. Dort besteht die Umsteigemöglichkeit<br />
von den S-Bahn-Zügen der R<strong>in</strong>g -<br />
bahn (obere Ebene) zur Nord-Süd-S-Bahn<br />
sowie zu den Regional- und Fernzügen der<br />
Anhalter Bahn nach Halle/Leipzig bzw. der<br />
Dresdner Bahn nach Dresden (untere Ebe -<br />
ne). Im Rahmen des Pilzkonzeptes plan te die<br />
DB, den Bahnhof grundsätzlich umzugestalten<br />
und zu erneuern. Auch Streckenabschnit -<br />
te der R<strong>in</strong>gbahn und der Nord-Süd-Bahn sollten<br />
modernisiert werden. Insgesamt hatte<br />
die DB 640 Millionen Mark (rund 320 Millionen<br />
Euro) für das Projekt veranschlagt.<br />
Der Plan, 1995 mit den Arbeiten zu beg<strong>in</strong>nen,<br />
ließ sich jedoch nicht verwirklichen. Von<br />
den Anwohnern angestrengte Gerichtsverfahren<br />
und Diskussionen mit dem Senat<br />
über f<strong>in</strong>anzielle Zuschüsse zögerten den Umbau<br />
h<strong>in</strong>aus. Letztlich dauerte es bis <strong>in</strong>s neue<br />
Jahrtausend, bis das Projekt aufgenommen<br />
werden konnte. Unter anderem verlegte man<br />
auf der unteren Ebene die Trasse der Nord-<br />
Süd-S-Bahn und errichtete drei Fern- und<br />
Regionalbahnsteige. Auch auf der oberen<br />
<strong>BAHN</strong> <strong>EXTRA</strong> 4/2014 21
Strecken und Stationen<br />
| <strong>BAHN</strong>HOFSUMBAUTEN UND –NEUBAUTEN<br />
Übersicht<br />
Berl<strong>in</strong>s Fernbahnhöfe<br />
Bahnhof Inbetriebnahme Außerbetriebnahme Bemerkungen<br />
Ahrensfelde* 01.05.1892 – nur RB<br />
Alexanderplatz 15.05.1882 – 1961–1995 nur S-Bahn, Fernzüge fuhren ohne Halt durch,<br />
Umbau bis 1998, jetzt Halt für RE, RB (ICE, IC fahren durch)<br />
Anhalter Bahnhof 01.07.1841 18.05.1952 Güterverkehr bis 1995<br />
Baumschulenweg 20.05.1890 2006 Abriss nach 2006 für Umbau; bis 1990 nur Halt weniger Züge,<br />
zumeist Sonderzüge, 2006 wieder aktiviert für Ersatzverkehr<br />
mit Triebwagen 628<br />
Blankenburg 01.06.1877 1924 S-Bahn<br />
1961 1976 Behelfsbahnsteig für Züge nach Basdorf (siehe Karow)<br />
Charlottenburg 07.02.1882 – nach 2006 nur Halt für RE, RB<br />
Eberswalder Str. 01.10.1877 11.07.1985 Nordbahnhof, ab 1950 Eberswalder Str. Gbf, 1898 Reiseverkehr<br />
an Stett<strong>in</strong>er Bahnhof abgegeben; verbliebene Anlagen (Brücken)<br />
heute bei DB Netz AG<br />
Friedrichstraße 07.02.1882 – Grenzbahnhof 1961–1990, bis 1995 auch IC-Halt, nach<br />
Stadtbahnsanierung 1999 nur Halt für RE, RB<br />
Gesundbrunnen 17.07.1871 18.05.1952 nur noch Durchfahrten<br />
28.05.2006 – Wiedererschließung für Pilzkonzept (ICE, IC, RE, RB)<br />
Görlitzer Bahnhof 13.09.1866 30.04.1951 bis 1987/1990 nur Güterverkehr<br />
Grunewald 01.08.1879 1928 S-Bahn<br />
1941 1945 Verwendung für Judendeportationen<br />
1993 1998 Rollende Landstraße (2 x tgl. Autozug mit IC-Wagen ab Ladestraße)<br />
Hohenschönhausen 20.12.1984 – RB, RE-Halt (nach 2006 nur noch RB)<br />
Jungfernheide 01.05.1894 1952 1992–1994 provisorischer Halt von Personenzügen<br />
28.05.2006 – Halt für RE, RB (ICE, IC durchfahren den Haltepunkt)<br />
Karlshorst 01.05.1895 2016 nur Halt RB, Abriss zugunsten von Köpenick Neubau geplant<br />
Karow 15.11.1882 1924 zugunsten der S-Bahn<br />
1950 Neubau Verb<strong>in</strong>dungskurve nach Basdorf, ab 1976 planmäßiger Halt<br />
der Züge Richtung Basdorf, heute RB der NEB<br />
Köpenick 2016 – Neubau geplant (Gütergleise zu DDR-Zeiten für NVA-Züge und<br />
andere Sonderzüge genutzt)<br />
Lichtenberg 1881 – Umbau 1982, e<strong>in</strong>st wichtigster Berl<strong>in</strong>er Bahnhof, jetzt nur RB<br />
Lichterfelde Ost 20.09.1868 1952<br />
28.05.2006 –<br />
Lichterfelde West 15.12.1887 – bis 1993 Bahnhof der Amerikanischen Alliierten,<br />
heute ke<strong>in</strong>Reiseverkehr<br />
Potsdamer Platz 28.05.2006 – Neubau Pilzkonzept (parallel zur Nord-Süd-S-Bahn)<br />
Marzahn 01.05.1898 30.12.1982 nur P, zurück nach Ahrensfelde<br />
Nordbahnhof 01.08.1882 18.05.1952 ehem. Stett<strong>in</strong>er Bf bis 1950, bis 1962 Teilabriss; E<strong>in</strong>fahrten, Brücken<br />
heute noch vorhanden (und bei DB Netz)<br />
Ostbahnhof 1 1867 07.02.1882 Übergang auf Stadtbahn (Schlesischer Bahnhof), Reste als<br />
Postpaketbahnhof (BRD) und z.T. noch Fahrkartendruckerei der DR<br />
Ostbahnhof 2 23.10.1842 – 1987–1998 Berl<strong>in</strong> Hauptbahnhof (ehem. Frankfurter Bahnhof bis<br />
1881, Schlesischer Bahnhof bis 1950), Endstation der ICE, Halt für IC,<br />
EC, RE, RB<br />
Ostkreuz 07.02.1882 1923 Umbau (erste Bezeichnung Rummelsburg-Stralau), dann nur S-Bahn<br />
2015 – Halt an neuen Bahnsteigen (R<strong>in</strong>gbahn, zur Stadtbahn) geplant<br />
Schöneweide 24.05.1868 – e<strong>in</strong>st Halt für D-Züge, dann RE/RB, letzter RB zum 11.12.2011,<br />
jetzt nur fallweise Dampfsonderzüge<br />
Schönefeld* 10.07.1951 – bis 2006 auch Halt für ICE, IC; jetzt nur noch RE, RB<br />
Flughafen BER* 2012 – Probebetrieb, evtl. Eröffnung des Flughafen BER 2017<br />
Spandau 15.07.1910 - Eröffnung als Spandau West, Umbau zum 19.05.1997,<br />
Halt für ICE, IC, RE, RB<br />
Stresow 15.10.1846 19.05.1997 Spandau Hbf 1911–1936, bis 1997 Berl<strong>in</strong>-Spandau Pbf<br />
Südkreuz 28.05.2006 – 1901 als Papestraße eröffnet, Umbau ab 2003, Halt auch für Fernzüge<br />
(ICE, IC, RE, RB)<br />
Tegel 01.10.1893 – bis 1993 Bahnhof der französischen Alliierten, heute ke<strong>in</strong> Reiseverkehr<br />
Wannsee 01.06.1874 - bis 1998 auch ICE-Halt, jetzt nur RE, RB und Autozug<br />
Westkreuz 06.1994 05.1997 nur RB (Behelfsbahnsteig, Verlagerung von Jungfernheide)<br />
Zoologischer Garten 1882/1884 – 28.05.2006 hielt zuletzt e<strong>in</strong> ICE, jetzt nur RE, RB<br />
Die Aufstellung schließt jene Bahnhöfe e<strong>in</strong>, die 1990 noch e<strong>in</strong>en Gleisanschluss hatten bzw. bei denen Teile des e<strong>in</strong>stigen Bahnhofs noch vorhanden oder angeschlossen waren bzw. die aufgrund<br />
von Bauwerken heute noch zum Inventar der DB Netz AG gehören. Nicht berücksichtigt wurden die Stationen Lehrter Bahnhof (1868 – 1951)(Hamburg und Lehrter Bahnhof, Conta<strong>in</strong>erbahnhof<br />
bis 2006), Hamburger Bahnhof (1846 – 1884), Potsdamer Bahnhof (1869 – 1945), Schlachtensee (1874 – 1970, nach 1933 nur Güterverkehr), der zeitweise provisorische „Messe-Bahnhof“<br />
der Internationalen Luftfahrt-Ausstellung (ILA) <strong>in</strong> Diepensee und Zehlendorf.<br />
* Schönefeld liegt zwar nicht im Bundesland Berl<strong>in</strong>, hieß aber lange Flughafen Berl<strong>in</strong>-Schönefeld und ist daher mit aufgeführt. Ebenso bef<strong>in</strong>det sich der neue Flughafen BER Berl<strong>in</strong> Brandenburg<br />
„Willy Brandt“ im Bundesland Brandenburg, wird aber wegen des namentlichen Bezugs zu Berl<strong>in</strong> berücksichtigt; der Bahnhof Ahrensfelde bef<strong>in</strong>det sich im Berl<strong>in</strong>er Stadtgebiet (Marzahn-Hellersdorf)<br />
Zusammenstellung: Michael Reimer<br />
22
Im Januar 2010 fährt e<strong>in</strong> D-Zug mit Ziel Russ -<br />
land/Ukra<strong>in</strong>e <strong>in</strong> den Bahnhof Zoo e<strong>in</strong>. E<strong>in</strong>ige<br />
wenige Osteuropa-D-Züge halten hier; sie<br />
stehen aber nur Reisenden des <strong>in</strong>ternationalen<br />
Verkehrs offen Bodo Schulz<br />
Ebene, im Bereich der R<strong>in</strong>gbahn, wurde<br />
der S-Bahnsteig versetzt; er erhielt e<strong>in</strong>e<br />
183 Meter lange, 47 Meter breite Halle als<br />
Über dachung. Am 4. April 2005 begann der<br />
e<strong>in</strong>gleisige Betrieb auf der R<strong>in</strong>g-S-Bahn, zum<br />
13. Juni 2005 eröffnete die DB den vollständigen<br />
R<strong>in</strong>gbahnteil. Der Fernbahnbereich der<br />
unteren Ebene wurde am 28. Mai 2006 mit<br />
dem Start des Pilzkonzeptes e<strong>in</strong>geweiht. Zu<br />
dem Anlass gab die DB dem Bahnhof auch<br />
e<strong>in</strong>en neuen Namen: Berl<strong>in</strong> Südkreuz.<br />
Wie Gesundbrunnen ist Südkreuz e<strong>in</strong><br />
Halt für ICE, IC/EC und den Interconnex;<br />
außerdem machen hier e<strong>in</strong> EuroNight und<br />
zwei CityNightL<strong>in</strong>e-Züge Station. Seit Mai<br />
2014 steht auf dem Dach e<strong>in</strong>e W<strong>in</strong>dkraftanlage<br />
– die Erste auf e<strong>in</strong>em deutschen Bahn -<br />
hof. Der gewonnene Strom speist Elektroautos<br />
und Elektrofahrräder.<br />
Das ist im Jahr 1993 der<br />
Berl<strong>in</strong>er Hauptbahnhof! Hier<br />
beg<strong>in</strong>nen und enden zum<br />
Beispiel IC-Züge über die<br />
Stadtbahn; das Privileg des<br />
IC-Halts hat der Bahnhof<br />
auch heute noch, wenngleich<br />
er <strong>in</strong>zwischen Ostbahnhof<br />
heißt Volker Emersleben<br />
Bahnhöfe mit Bedeutungsverlust<br />
Während die vier genannten Stationen im<br />
Berl<strong>in</strong>er Streckennetz zu den Aufsteigern<br />
zählen, führen andere, e<strong>in</strong>st wichtige Fernverkehrshalte<br />
nurmehr e<strong>in</strong> Schattendase<strong>in</strong>.<br />
Das betrifft etwa den Bahnhof Zoo, früher<br />
scherzhaft als „Hauptbahnhof von West-Berl<strong>in</strong>“<br />
bezeichnet. Mit dem Betriebsbeg<strong>in</strong>n am<br />
neuen Hauptbahnhof verlor er se<strong>in</strong>en Status<br />
als ICE-Halt. Heute fahren fast alle Inlands-<br />
Fernzüge durch, nur D-Züge nach Osteuropa<br />
Als Regionalbahn nach Frankfurt/Oder steht im Juni 2002 e<strong>in</strong> 628 <strong>in</strong> Berl<strong>in</strong>-Lichtenberg bereit.<br />
RB- und RE-Züge s<strong>in</strong>d <strong>in</strong>zwischen das e<strong>in</strong>zige Aufgabengebiet dieses Bahnhofs Wolf-Dietmar Loos<br />
erreicht man hier noch – und seit kurzem<br />
den preisgünstigen IRE Berl<strong>in</strong> – Hamburg.<br />
Nicht besser ergeht es Berl<strong>in</strong> Friedrichstraße<br />
und Berl<strong>in</strong>-Lichtenberg. Inter natio nale Verb<strong>in</strong>dungen<br />
und selbst Inlands-Fernzüge<br />
sucht man dort vergebens; das Angebot beschränkt<br />
sich auf Regionalbahnen.<br />
Bliebe abschließend e<strong>in</strong> Blick auf den<br />
Bahnhof, der während der Wende als<br />
Berl<strong>in</strong>er Hauptbahnhof firmierte. Seit 1998<br />
heißt er wieder Ostbahnhof (wie schon vor<br />
1987). Immerh<strong>in</strong> bleibt ihm im Zugbetrieb<br />
etwas Prestige. Nach wie vor wird er von<br />
IC/EC/ICE bedient. Willy Grübner/MR/BK<br />
<strong>BAHN</strong> <strong>EXTRA</strong> 4/2014 23
Strecken und Stationen<br />
| STRECKENBAUMASSNAHMEN NACH DER WIEDERVEREINIGUNG<br />
Saniert<br />
und neu sortiert<br />
Drei Bauvorhaben führten die Maßnahmen im<br />
Berl<strong>in</strong>er Streckennetz nach 1990 an. Die Nord-Süd-S-<br />
Bahn wurde saniert, die Stadtbahn <strong>in</strong>stand gesetzt und<br />
die Nord-Süd-Fernbahn geschaffen. Mit dieser neuen<br />
Strecke erfüllte sich e<strong>in</strong>e mehr als 100 Jahre alte Idee<br />
In der Mitte Berl<strong>in</strong>s, aber hermetisch abgeriegelt:<br />
Das war das Los des Nord-Süd-<br />
Tunnels der Berl<strong>in</strong>er S-Bahn während<br />
der Teilung. Auf dem Abschnitt Nordbahnhof<br />
– Anhalter Bahnhof der Strecke Gesundbrunnen<br />
– Priesterweg tauchten die S-Bahn-<br />
Züge aus dem Westen ab; für e<strong>in</strong>ige M<strong>in</strong>uten<br />
fuhren sie unter Ost-Berl<strong>in</strong> durch und passierten<br />
ohne Halt mehrere „Geister-<br />
bahnhöfe“, die von DDR-Grenzsoldaten bewacht<br />
wurden. Nur <strong>in</strong> Friedrichstraße gab es<br />
e<strong>in</strong>en (beaufsichtigten) Zwischenstopp.<br />
Nach dem Mauerfall g<strong>in</strong>g die Reichsbahn<br />
daran, dies zu ändern. Am 2. Juli 1990 wurde<br />
mit Oranienburger Straße der erste „Geisterbahnhof“<br />
wieder für den Verkehr <strong>in</strong> Betrieb<br />
genommen; weitere folgten. Zudem ließ die<br />
DR den Tunnel 1991/1992 grundlegend sanieren.<br />
Am 1. März 1992 waren die Arbeiten ab-<br />
Im Mai 1991 ist e<strong>in</strong>e Diesellok der Baureihe 132 mit D 242 Warschau – Paris auf der Stadtbahn<br />
unterwegs. Es gibt nur e<strong>in</strong> Fernbahngleis und ke<strong>in</strong>en Fahrdraht – D<strong>in</strong>ge, welche sich<br />
im Rahmen der Sanierungsarbeiten <strong>in</strong> den späteren 1990er-Jahren ändern Konrad Kosch<strong>in</strong>ski<br />
24
fester Fahrbahn verlegt; die Gleise liegen<br />
nun mit Beton-Halbschwellen <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Betontrog.<br />
Gleichzeitig wurden die Spreebrücken<br />
ausgetauscht bzw. erneuert und die S-<br />
Bahn-Stationen modernisiert. Allerd<strong>in</strong>gs<br />
musste man die Arbeiten wiederholt unterbrechen<br />
– wegen Bl<strong>in</strong>dgängern aus dem<br />
Zweiten Weltkrieg.<br />
Im Jahr 1996 war die Instandsetzung der<br />
S-Bahn-Gleise abgeschlossen. Vom 23. bis<br />
26. August kehrte die S-Bahn zwischen Lehrter<br />
Stadtbahnhof und Bahnhof Zoo auf „ihren“<br />
Gleisbereich zurück; zwischen 18. und<br />
21. Oktober folgte der Abschnitt Lehrter<br />
Stadtbahnhof – Ostbahnhof.<br />
Als zweiter Schritt stand die Sanierung der<br />
Fernbahngleise an. Im großen und gan zen<br />
entsprachen die Arbeiten jenen bei der<br />
S-Bahn, mit e<strong>in</strong>em Unterschied. Die Ferngeschlossen,<br />
mit dem Bahnhof Potsdamer<br />
Platz stand auch der letzte S-Bahn-Halt im<br />
Tunnel zur Verfügung. E<strong>in</strong> Relikt des Kalten<br />
Krieges verschwand.<br />
Renovierung der Stadtbahn<br />
Der für den Stadtverkehr bedeutsamen Maßnahme<br />
folgten bald Projekte, die über Berl<strong>in</strong><br />
h<strong>in</strong>aus Wirkung hatten. Auf dem Plan stand<br />
die Sanierung und Ertüchtigung der stark<br />
beanspruchten Stadtbahn, konkret des Abschnitts<br />
zwischen Bahnhof Zoo und Ostbahnhof.<br />
Berl<strong>in</strong>s Ost-West-Magistrale – zu<br />
jener Zeit die e<strong>in</strong>zige große Achse durch die<br />
Stadt – besaß im Fernbahnbereich abschnittsweise<br />
nur e<strong>in</strong> Gleis.<br />
Im Juni 1994 begann die heiße Phase. Im<br />
Fernbahnbereich wurde wieder e<strong>in</strong> zweites<br />
Gleis verlegt, danach erhielten die Fernbahngleise<br />
Komponenten der S-Bahn, wie Stromschienen<br />
und Signalisierung.<br />
Ab 25. September 1994 zog die<br />
S-Bahn um; ab 31. Oktober<br />
nutzte sie die Gleise der Fernbahn<br />
und machte ihre Gleise<br />
frei für die Aufarbeitung.<br />
Dabei wurden die Gleise demontiert,<br />
der Schotter abgetragen<br />
und e<strong>in</strong>e neue Trasse mit<br />
Gespenstisch wirkt der S-Bahn-Halt<br />
Potsdamer Platz kurz nach der Wende – 192<br />
wird er wieder für den Betrieb geöffnet<br />
Heiko Focken<br />
E<strong>in</strong> klassisches Berl<strong>in</strong>er Motiv <strong>in</strong> moderner Anmutung:<br />
Im Juni 2000 hält e<strong>in</strong>e Ellok der Baureihe 112 mit ihrem<br />
Regionalexpress im Bahnhof Friedrichstraße – auf der<br />
sanierten, elektrifizierten Stadtbahn Wolf-Dietmar Loos<br />
Diesellok 229 102 und<br />
D 1954 Berl<strong>in</strong> – Frankfurt (Ma<strong>in</strong>)<br />
beschließen am 24. September 1994<br />
das Dieselzeitalter auf der Stadtbahn<br />
(Bild <strong>in</strong> Berl<strong>in</strong> Hbf); danach beg<strong>in</strong>nt der<br />
Umbau der Strecke Heiko Focken<br />
<strong>BAHN</strong> <strong>EXTRA</strong> 4/2014 25
Strecken und Stationen<br />
| STRECKENBAUMASSNAHMEN NACH DER WIEDERVEREINIGUNG<br />
bahngleise wurden auch elektrifiziert, wobei<br />
sich die Oberleitung harmonisch an die denkmalgeschützte<br />
Trasse mit ihren gemauerten<br />
Viaduktbögen anpassen musste. Zwei Jahre<br />
währten die Arbeiten; am 20. Mai 1998 g<strong>in</strong> -<br />
gen die Fernbahngleise wieder <strong>in</strong> Betrieb.<br />
Jetzt konnten elektrische Triebfahrzeuge den<br />
Ostbahnhof von beiden Seiten her anfahren.<br />
Vorher waren die von Osten kommenden Elloks<br />
jeweils mit Schwung <strong>in</strong> den Bahnhof gerollt;<br />
auf der Westseite zogen Dieselloks sie<br />
vom Zug ab und beförderten sie zurück <strong>in</strong><br />
den mit Fahrdraht überspannten Bereich.<br />
Während der Arbeiten, die 779 Millionen<br />
Euro kosteten, hatte man die Streckenführung<br />
beibehalten. E<strong>in</strong>e Ausnahme machte<br />
nur der Abschnitt am Lehrter Stadtbahnhof,<br />
der Ort, an dem der neue Hauptbahnhof entstehen<br />
sollte. Hier wurden S-Bahn- wie Fernbahngleise<br />
nach Süden verschwenkt und<br />
ange hoben, um auf das geplante, höhere Niveau<br />
des Neubaus zu kommen.<br />
Baustelle Berl<strong>in</strong> Gesundbrunnen:<br />
Im September 1996 laufen dort unter<br />
anderem Arbeiten für den neuen<br />
Fernbahnbereich Bodo Schulz<br />
Das Projekt Nord-Süd-Fernbahn<br />
Die Stadtbahn-Sanierung gehörte zu e<strong>in</strong>em<br />
umfassenden Konzept, nach dem die Deutsche<br />
Reichsbahn und der Berl<strong>in</strong>er Senat den<br />
Fernverkehr im wiedervere<strong>in</strong>igten Berl<strong>in</strong><br />
neu ordnen wollten. Die Magistralen erga -<br />
ben <strong>in</strong> ihrem Zusammenwirken das Aussehen<br />
e<strong>in</strong>es Pilzes – also hieß es „Pilzkonzept“.<br />
An e<strong>in</strong>em Julimorgen 2010<br />
br<strong>in</strong>gt die an Dispo-Tf<br />
vermietete Ellok 482 020 von<br />
SBB Cargo den privaten<br />
Nachtzug EN 301 aus Malmö<br />
nach Berl<strong>in</strong> Hauptbahnhof.<br />
Auf den letzten Metern<br />
befährt die Garnitur das<br />
imposante Brückenbauwerk<br />
„Überflieger“, hier am Berl<strong>in</strong>-<br />
Spandauer Schifffahrtskanal<br />
Sebastian Schrader<br />
26
Die Neuordnung der Strecken folgte dem so<br />
genannten Pilzkonzept mit der Stadtbahn als<br />
Krempe (blau) und der neuen Nord-Süd-Fernbahn<br />
als Stiel (rot/schwarz) DB<br />
Übung für den Ernstfall: Am 25. März 2006 proben E<strong>in</strong>satzkräfte die Evakuierung e<strong>in</strong>es ICE-T<br />
im Nord-Süd-Tunnel Volker Emersleben<br />
Die Stadtbahn lag dabei etwas oberhalb der<br />
Mitte und bildete die Krempe. Als Hut fungierte<br />
e<strong>in</strong> Teil der R<strong>in</strong>gbahn (des Innenr<strong>in</strong>gs),<br />
über den Züge von Nordosten und Nordwesten<br />
<strong>in</strong> das Zentrum Berl<strong>in</strong>s geleitet werden<br />
sollten. Die Fortsetzung nach Süden – den<br />
Stiel des Pilzes – markierte e<strong>in</strong>e neue, noch<br />
zu bauende Strecke: die Nord-Süd-Fern -<br />
bahn. Sie sollte die R<strong>in</strong>gbahn im Norden (mit<br />
den Zufahrten der Lehrter Bahn, Hamburger<br />
Bahn und Stett<strong>in</strong>er Bahn) mit der Anhalter<br />
Bahn und über Umwegen der Dresdner<br />
Bahn im Süden verb<strong>in</strong>den. Konzepte für e<strong>in</strong>e<br />
solche Nord-Süd-Magistrale gab es <strong>in</strong> Berl<strong>in</strong><br />
schon seit dem frühen 20. Jahrhundert.<br />
Am 15. Juli 1992 verabschiedete der Bundestag<br />
den ersten gesamtdeutschen Bundesverkehrswegeplan<br />
und machte den Weg für<br />
den Neubau frei. Die Nord-Süd-Fernbahn<br />
war auf neun Kilometer Länge angelegt, vom<br />
Abzweig Wedd<strong>in</strong>g an der R<strong>in</strong>gbahn bis zum<br />
südlichen Ende des Bahnhofs Papestraße an<br />
der Anhalter Bahn, der später <strong>in</strong> Südkreuz<br />
umbenannt wurde. Dazwischen lagen mehrere,<br />
neu zu errichtende Großbauten:<br />
– der „Überflieger“: e<strong>in</strong>e 570 Meter lange,<br />
bis zu zwölf Meter hohe Brücke, um die<br />
neue Strecke im Nordteil über den Berl<strong>in</strong>-<br />
Spandauer Schifffahrtskanal und die<br />
Gleise der Lehrter Bahn zu führen<br />
– e<strong>in</strong> 3,5 Kilometer langer, viergleisiger Tunnel,<br />
<strong>in</strong> dem die Strecke das Zentrum Berl<strong>in</strong>s<br />
e<strong>in</strong>schließlich Spree und Tiergarten<br />
unterquert; <strong>in</strong> diesem lagen auch der<br />
– als Tunnelstation konzipierte untere Teil<br />
des neuen Hauptbahnhofs und<br />
– der viergleisige Regionalbahnhof Potsdamer<br />
Platz<br />
An dem Projekt beteiligten sich neben der<br />
Reichsbahn bzw. der Deutschen Bahn AG<br />
als Nachfolger<strong>in</strong> noch private Investoren<br />
und für den Bereich des Regierungsviertels<br />
die Bundesbaudirektion. Das auch deshalb,<br />
weil die Baumaßnahme weitere Projekte e<strong>in</strong>bezog:<br />
Bei dem Tunnelbau etwa wurden neben<br />
der <strong>Eisenbahn</strong>strecke e<strong>in</strong>e Straße, Straßenbahn-<br />
und U-Bahn-Strecken geschaffen.<br />
Im August 1993 bzw. Anfang 1994 gründeten<br />
die Beteiligten die „Baustellenlogistik Potsdamer<br />
Platz GmbH“ und die „Rhenus Baulogistik“;<br />
sie sollten dafür sorgen, dass die Arbeiten<br />
das Berl<strong>in</strong>er Alltagsleben möglichst<br />
wenig e<strong>in</strong>schränkten. Der Erdaushub wurde<br />
mit der Bahn bzw. mit B<strong>in</strong>nenschiffen abtransportiert;<br />
am 21. Juli 1994 rollte der erste<br />
beladene Güter zug im Südbereich.<br />
In der zweiten Hälfte der 1990er-Jahre und<br />
Anfang des neuen Jahrtausends gehörten<br />
die Großbaustellen der Nord-Süd-Fernbahn<br />
<strong>in</strong> Berl<strong>in</strong> zum täglichen Anblick. Sie fanden<br />
sich nicht nur im Zentrum, sondern zum Beispiel<br />
auch im Norden, wo Teile der R<strong>in</strong>gbahn<br />
elektrifiziert und der Bahnhof Gesundbrunnen<br />
umgestaltet wurden. Oder im Süden, wo<br />
e<strong>in</strong>e neue Verb<strong>in</strong>dungskurve entstand, um<br />
Züge mit dem Ziel Dresden beim Bahnhof<br />
Genshagener Heide auf den Außenr<strong>in</strong>g zu<br />
schleusen. Bald nahm die Veränderung der<br />
Berl<strong>in</strong>er Bahnlandschaft Gestalt an. Am<br />
27. April 2001 war der Regionalbahnhof Potsdamer<br />
Platz fertig gestellt, ab 2002 hielten<br />
S-Bahn-Züge am neuen Hauptbahnhof. Am<br />
28. Mai 2006 nahm die DB AG den neuen<br />
Hauptbahnhof <strong>in</strong> Betrieb und den planmäßigen<br />
Zugverkehr auf der Nord-Süd-Fernbahn<br />
auf. Das Pilzkon zept wurde Wirklichkeit.<br />
Kritik und Planungen<br />
Zwar führte man nun, wie beabsichtigt, alle<br />
Fernzüge über den neuen Hauptbahnhof, so<br />
dass dieser zentrale Zustiegs- und Umsteigemöglichkeiten<br />
bot. Außerdem entstanden<br />
zusätzliche Halte für Fern- und Regional -<br />
züge. Doch der Betrieb entsprach nicht mehr<br />
ganz dem Entwurf der frühen 1990er, denn<br />
die DB koppelte den Bahnhof Zoo vom In-<br />
lands-Fernverkehr ab; erst seit kurzem gibt<br />
es wieder e<strong>in</strong>en Fernzug nach Hamburg. Die<br />
Pilzkrempe ist damit an ihrem westlichen<br />
Rand geschwächt. Das sorg t für Kritik an<br />
dem Konzept, dessen Umsetzung bis dato<br />
rund vier Milliarden Euro gekostet hat.<br />
Alles <strong>in</strong> allem ist die Neuordnung des<br />
Berl<strong>in</strong>er Bahnverkehrs heute weitgehend<br />
geschafft – zumal weitere Ertüchtigungen<br />
und Ausbaumaßnahmen die Großprojekte<br />
ergänzten. Allerd<strong>in</strong>gs stehen auch noch Maßnahmen<br />
aus. E<strong>in</strong>e direkte Anb<strong>in</strong>dung der<br />
Dresdner Bahn an die Nord-Süd-Fernbahn<br />
etwa oder e<strong>in</strong>e Nord-Süd-S-Bahn zum neuen<br />
Hauptbahnhof. Berl<strong>in</strong>er <strong>Eisenbahn</strong> und Bauvorhaben<br />
– das wird wohl bis auf wei teres<br />
zusammen gehören. Felix Walther<br />
Buchtipp<br />
Berl<strong>in</strong> Ostkreuz<br />
E<strong>in</strong>es der aktuell laufenden Projekte <strong>in</strong><br />
Berl<strong>in</strong> ist die Renovierung und Umgestaltung<br />
des Bahnhofs Ostkreuz. Geschichte<br />
und Gegenwart dieses Nahverkehrs-<br />
Knotens im Berl<strong>in</strong>er Osten s<strong>in</strong>d das The -<br />
ma des Buches, das 2014 <strong>in</strong> aktualisierter<br />
Form beim GeraMond Verlag erschien:<br />
Erich Preuß, Hans-Joachim Kirsche,<br />
Andreas Butter: Berl<strong>in</strong> Ostkreuz. 144 S.,<br />
ca. 150 Abb. ISBN 978-3-95613-001-4<br />
<strong>BAHN</strong> <strong>EXTRA</strong> 4/2014 27
Strecken und Stationen<br />
| DIE POST<strong>BAHN</strong>HÖFE IN BERLIN<br />
Adressat<br />
verzogen<br />
Zwei Postbahnhöfe gab<br />
es nach 1945 noch <strong>in</strong><br />
Berl<strong>in</strong>. Sie verrichteten<br />
den Dienst während der<br />
Teilung und nach dem<br />
Mauerfall. Erst 1997<br />
kam das Aus<br />
Die Tradition der Postbeförderung mit<br />
der <strong>Eisenbahn</strong> ist so alt wie der<br />
Bahnbetrieb selbst. In den Anfangsjahren<br />
genügte die Abfertigung der Postsendungen<br />
auf den Personenbahnhöfen noch,<br />
doch die zunehmenden Zahl der beförderten<br />
Postsendungen, besonders der Pakete, führ -<br />
te dazu, dass spezielle Postbahnhöfe errich -<br />
tet werden mussten. Bis zum Ende des Zweiten<br />
Weltkriegs besaß Berl<strong>in</strong> drei spezielle<br />
Postbahnhöfe: am Lehrter Bahnhof, am<br />
Schlesischen Bahnhof und den Postbahnhof<br />
Luckenwalder Straße für den Potsdamerund<br />
Anhalter Bahnhof. Am Stett<strong>in</strong>er Bahn -<br />
hof gab es außerdem e<strong>in</strong>e Postverladestelle<br />
mittleren Umfangs mit separaten Postbahnsteigen<br />
<strong>in</strong> der zwischen 1900 und 1903 neu<br />
erbauten äußeren Halle des Ostflügels.<br />
Die Standorte <strong>in</strong> Berl<strong>in</strong><br />
Der Postbahnhof am Lehrter Bahnhof wur -<br />
de nach der Jahrhundertwende aus Platzmangel<br />
zwischen dem Stadtbahnviadukt<br />
und der Invalidenstraße gebaut. Aufgrund<br />
des ger<strong>in</strong>gen Abstandes der Ladegleise un-<br />
tere<strong>in</strong>ander und von den Personengleisen<br />
des Lehrter Bahnhofs erhielt er drei Teildrehscheiben,<br />
um die Postwagen den Ladegleisen<br />
zuführen zu können. Die Postdiensträume<br />
hatte man unter den Stadtbahnbögen, <strong>in</strong> der<br />
Abgangs-Packkammer am Wilhelmufer sowie<br />
im Gebäude an der Invalidenstraße untergebracht.<br />
Die Ankunfts-Packkammer befand<br />
sich westlich des Empfangsgebäudes<br />
des Lehrter Bahnhofs im Zufahrtsbereich<br />
zum Güterbahnhof Spreeufer.<br />
Der Postbahnhof am Schlesischen Bahnhof<br />
g<strong>in</strong>g 1908 <strong>in</strong> Betrieb. Nach mehrjähriger<br />
Bauzeit war hier der erste größere Postbahnhof<br />
<strong>in</strong> Berl<strong>in</strong> entstanden, <strong>in</strong> dem der gesamte<br />
ankommende und abgehende Paketverkehr<br />
<strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Anlage behandelt werden konnte.<br />
Im Bereich zwischen Frucht- und Mühlenstraße<br />
hatte man mehrere neue Gebäude sowie<br />
Zufahrts- und Abstellgleise für den Postverkehr<br />
zum Teil auf Viadukten gebaut, die<br />
das vorhandene, der Post gehörende Ensemble<br />
ergänzten. Die Bahnsteige vor der Abgangs-Packkammer<br />
waren überdacht. Für<br />
die umfangreichen, durch die unterschied -<br />
Im Mai 1993 rangiert Postlok 5 (ehemals 261 841) im Postbahnhof Luckenwalder Straße,<br />
dem größten Postbahnhof Berl<strong>in</strong>s (gr. Bild). L<strong>in</strong>ks das Zuglaufschild e<strong>in</strong>es Berl<strong>in</strong>er<br />
Postzugs aus dem Jahr 1990 Konrad Kosch<strong>in</strong>ski (gr. Bild), Volker Emersleben (kl. Bild l.)<br />
28
liche Höhe unübersichtlichen Gleisanlagen<br />
entstand e<strong>in</strong> eigenes Stellwerk. Der Betrieb<br />
im Postbahnhof wurde erstmals mit elektrischen<br />
Lokomotiven für 500-Volt-Gleichspannung<br />
durchgeführt.<br />
Der Postbahnhof Luckenwalder Straße,<br />
der zur Entlastung des Potsdamer wie des<br />
Anhalter Bahnhofs erbaut wurde, nahm 1913<br />
se<strong>in</strong>en Betrieb auf. Dabei hatte man Ankunfts-<br />
und Abgangs-Packkammer eben -<br />
falls geme<strong>in</strong>sam auf dem Gelände plaziert.<br />
Zum Teil unterhalb des Bahnhofs Gleisdreieck<br />
der Hochbahn gelegen, hatte man hier<br />
auf engstem Raum den größten Berl<strong>in</strong>er<br />
Postbahnhof geschaffen. Er wurde westlich<br />
durch die Viadukte der Potsdamer Vorort -<br />
bahn, östlich durch die Gleise der Anhalter<br />
Bahn begrenzt. Auch hier entschied man sich<br />
für e<strong>in</strong>en elektrischen Betrieb.<br />
So sah der Postverkehr vom und zum Bahnhof Luckenwalder Straße 1991 aus: Im Juni hat Diesellok<br />
118 619 Postzug Gex 2203 am Haken und fährt durch den Anhalter Güterbahnhof Michael Krolop<br />
schen Bahnhof sowie an der Luckenwalder<br />
Straße wurden <strong>in</strong> den ersten Nachkriegsjahren<br />
wiederhergestellt. Als e<strong>in</strong>zige Anlagen<br />
<strong>in</strong> den jeweiligen Halbstädten kamen ihnen<br />
Schlüsselrollen zu, die ihre weitere Erhal -<br />
tung notwendig machte.<br />
Die Anlagen am Schlesischen Bahnhof<br />
(ab 1952 Ostbahnhof) reichten bald für den<br />
Postverkehr nicht mehr aus. Mit dem 1949<br />
geschlossenen benachbarten Wriezener<br />
Bahnhof fand sich e<strong>in</strong> Areal, das als Ergänzung<br />
geeignet war. Über die Jahre wurden<br />
mehrere Schuppen auf dem Bahnsteig errichtet<br />
und das alte Empfangsgebäude von<br />
der Post nun für die Paketpost genutzt. E<strong>in</strong><br />
Verb<strong>in</strong>dungstunnel verband die neue Anlage<br />
Das Berl<strong>in</strong>er Streckennetz mit dem „Hundekopf“,<br />
den Strecken des Innenr<strong>in</strong>gs. Die<br />
gelben Dreiecke markieren die Standorte der<br />
Postbahnhöfe Ostbahnhof (r.) und Luckenwalder<br />
Straße Slg. Dirk W<strong>in</strong>kler, Bearbeitung: Anneli Nau<br />
mit dem ehemaligen Hauptpostamt. Bis zur<br />
Wende war die E<strong>in</strong>richtung auch als Kontrollbahnsteig<br />
für die „West-Post“ bekannt.<br />
Ebenso reichte der Postbahnhof <strong>in</strong> der Luckenwalder<br />
Straße nach dem Krieg bald<br />
nicht mehr aus. Über den Bahnsteigen wurde<br />
e<strong>in</strong>e neue Halle errichtet, die e<strong>in</strong> Be- und Entladen<br />
unter allen Witterungsbed<strong>in</strong>gungen erlaubte.<br />
In beiden Postbahnhöfen führte man<br />
Nutzung <strong>in</strong> der geteilten Stadt<br />
Nach den Zerstörungen im Zweiten Weltkrieg<br />
wurde der Postbahnhof am Lehrter<br />
Bahnhof geschlossen. Die ebenfalls zum Teil<br />
schwer beschädigten Anlagen am Schlesiden<br />
elektrischen Betrieb weiter. Erst ab 1967<br />
wurden <strong>in</strong> West-Berl<strong>in</strong> die elektrischen Postloks<br />
durch Dieselloks ersetzt. Im Ostteil der<br />
Stadt blieb der elektrische Betrieb erhalten.<br />
Zwei neue, zweiachsige Elloks wurden 1964<br />
beschafft, e<strong>in</strong>e Diesellok kam später h<strong>in</strong>zu.<br />
Die Zeit nach 1989<br />
Nach der Wiedervere<strong>in</strong>igung wurden beide<br />
Postbahnhöfe weiter genutzt – bis die Post<br />
ihre Verteilung mehr und mehr auf die Straße<br />
verlagerte. Ab Frühjahr 1993 wurde der<br />
obere Teil des Postbahnhofs am Ostbahnhof<br />
nicht mehr angefahren. Nach der Inbetriebnahme<br />
des Postfrachtzentrums Rüdersdorf<br />
im Juli 1994 wurden die Postbahnhöfe immer<br />
weniger auf der Schiene bedient und letztlich<br />
1996/97 geschlossen. Zwar dienten sie noch<br />
als Umverteilzentren, doch ihre e<strong>in</strong>stige Bedeutung<br />
hatten sie verloren.<br />
Für die Anlagen fanden sich bald Nachnutzer,<br />
die Eventcharakter mit dem Charme<br />
alter Gemäuer verbanden. Auf dem Gelände<br />
am Ostbahnhof zog 1999 das Tempodrom e<strong>in</strong>.<br />
Bis 2001 veranstaltete es Konzerte, Galas etc.<br />
zwischen den Postbahnsteigen, dann wechselte<br />
es zum Tiergarten. Das denkmalgeschützte<br />
Gebäu de der Ankunfts-Packkammer<br />
ließ die Deutsche Post AG von 1999 bis<br />
2003 aufwendig sanieren. Die Räumlichkeiten<br />
kann man heute für Veranstaltungen aller<br />
Art mieten. Zudem wurde 2005 der fritz-Club<br />
als ständige E<strong>in</strong>richtung für Clubveranstaltungen,<br />
Konzerte und Partys eröffnet.<br />
Die Gebäude an der Luckenwalder Straße<br />
wurden von der Post noch bis 2003 genutzt.<br />
Dann folgte auch hier e<strong>in</strong>e kurze Zeit des<br />
Leerstandes und der Zwischennutzung für<br />
Ausstellungen und Veranstaltungen, bis sich<br />
2005 e<strong>in</strong> neuer Eigentümer fand. In den<br />
sanierten sieben Hallen entstand die „STA-<br />
TION-Berl<strong>in</strong>“, e<strong>in</strong> Veranstaltungsort für Messen,<br />
Tagungen, Events und Wochenmärkte.<br />
So ist die Post auf der Schiene heute Er<strong>in</strong> ne -<br />
rung. Im übertragenen S<strong>in</strong>n könnte man sagen:<br />
„Adressat verzogen“. Dirk W<strong>in</strong>kler/GM<br />
29
Momentaufnahmen | REISEZÜGE IN BERLIN 1989–2014<br />
Im April 1995 ist die Stadtbahn so weit<br />
elektrifiziert, dass Elloks mit Fernzügen bis<br />
zum Bahnhof Zoo kommen. Ergo kann<br />
die 103 an der Spitze e<strong>in</strong>es IC ihre Nase<br />
der Gedächtniskirche entgegen strecken –<br />
wer hätte zehn Jahre vorher solch e<strong>in</strong> Bild<br />
für möglich gehalten? Wolf-Dietmar Loos<br />
30
Fast alles anders<br />
Der Zugbetrieb der 1990er-Jahre ist geprägt von Neuerungen und von<br />
schrittweisen Verbesserungen. Gute Bekannte aus Ost wie West f<strong>in</strong>den sich<br />
e<strong>in</strong>, ebenso manche Paradiesvögel. E<strong>in</strong>drücke aus dem Bahnalltag<br />
In Berl<strong>in</strong>-Lichtenberg kann man im Juni 1993 noch<br />
Leichtverbrennungstriebwagen („Ferkeltaxen“) antreffen.<br />
Aber die Modernisierung im Reise verkehr läuft –<br />
siehe die Beschilderung am Bahnsteig Volker Emersleben<br />
Bis zu vier Mal am Tag verb<strong>in</strong>det der Berl<strong>in</strong>-Warszawa-Express heute<br />
Deutschland und Polen. Die Zuglok stellt die Polnische Staatsbahn<br />
mit Elloks aus der „Taurus“-Familie; im Jahr 2012 gastierte die zur Fußball-EM<br />
dekorierte „Deutschland“-Lok <strong>in</strong> Berl<strong>in</strong> Hbf Jürgen Hörstel<br />
„Neptun“ braucht länger: Wegen Baumaßnahmen wird<br />
D 323 Kopenhagen – Berl<strong>in</strong> – Prag im September 1991 umgeleitet;<br />
e<strong>in</strong>e Diesellok 120 leistet der Ellok 243 Vorspann (Bild <strong>in</strong><br />
Spr<strong>in</strong>gpfuhl). Bald muss der Zug neuen Verb<strong>in</strong>dungen weichen<br />
Wolf-Dietmar Loos<br />
Er ist der Blickfang des Sommers 1990. Rund acht<br />
Wochen lang schickt die Reichsbahn e<strong>in</strong>en Ex-Bundesbahn-Triebzug<br />
601 als IC „Max Liebermann“ von Berl<strong>in</strong><br />
nach Hamburg. Am 27. Juli dieselt der Star aus Trans-<br />
Europ-Express-Zeiten durch den Bahnhof Staaken<br />
mit se<strong>in</strong>en (funktionslosen) Absperrungen Bodo Schulz<br />
<strong>BAHN</strong> <strong>EXTRA</strong> 4/2014 31
Momentaufnahmen | REISEZÜGE IN BERLIN 1989–2014<br />
Rot ist Trumpf<br />
... im Nahverkehr Berl<strong>in</strong>s, jedenfalls fast überall dort, wo<br />
die DR und später die DB AG aktiv s<strong>in</strong>d. Das Rollmaterial und<br />
die Farbgebung wechseln, der vorherrschende Farbton bleibt.<br />
Neue Impulse kommen von den Privaten ... auch farblich<br />
Lückenschluss im Kle<strong>in</strong>en: Ab 22. Januar 1990 gibt es wieder e<strong>in</strong>e S-Bahn-Verb<strong>in</strong>dung<br />
Potsdam – Wannsee. Vorläufig fahren 118-Dieselloks mit Doppelstockwagen<br />
Doppelstockwagen und Ellok –<br />
das ist vielfach das Standardangebot<br />
bei den RE-Leistungen<br />
der DB. Im Juni 2005 geben e<strong>in</strong><br />
Dampfschiff und spannender<br />
Sonne-Wolken-Mix dem Zug<br />
bei der Jannowitzbrücke Geleit<br />
Heiko Focken<br />
Typisch für den<br />
Berl<strong>in</strong>er Nahverkehr<br />
s<strong>in</strong>d <strong>in</strong>zwischen auch<br />
die Talent-Triebzüge<br />
der Niederbarnimer<br />
<strong>Eisenbahn</strong>; im April<br />
2014 ist e<strong>in</strong>es der<br />
Fahrzeuge nach Berl<strong>in</strong>-<br />
Lichtenberg unterwegs<br />
Bodo Schulz (2, auch o.)<br />
32
Klassische Reichsbahn f<strong>in</strong>det man im<br />
Mai 1992 <strong>in</strong> Berl<strong>in</strong>-Charlottenburg: Als<br />
Nah verkehrszug nach Rathenow steht e<strong>in</strong>e<br />
Diesellok 201 mit Halberstädter Wagen<br />
bereit Bernd Oliver Sydow<br />
Im April 1993 besucht Heiko Focken Hennigsdorf bei Berl<strong>in</strong>;<br />
im dortigen Nahverkehr kann er auch mit Wagenmaterial<br />
aus dem Bestand der Rostocker S-Bahn fahren ...<br />
<strong>BAHN</strong> <strong>EXTRA</strong> 4/2014 33
Momentaufnahmen | REISEZÜGE IN BERLIN 1989–2014<br />
Durchgestartet<br />
InterRegio und InterCity s<strong>in</strong>d nur der Anfang. Ihnen folgen der ICE,<br />
diverse Arten von Nachtzügen und – nicht zu vergessen – private<br />
Angebote. Irgendwie passend für e<strong>in</strong>e Metropole, die im Reiseverkehr<br />
an Bedeutung gew<strong>in</strong>nt. Selbst wenn nicht jede Neuheit Erfolg hat<br />
Im Sommer 1990 hat<br />
Berl<strong>in</strong> bereits Anschluss<br />
an das westdeutsche<br />
InterRegio-Netz; im Bild<br />
e<strong>in</strong> IR mit zwei 219 <strong>in</strong><br />
Berl<strong>in</strong>-Charlottenburg<br />
(August 1990) Bodo Schulz<br />
34
Im Juni 2005 ist die Begegnung der beiden Privatbahnzüge <strong>in</strong><br />
Berl<strong>in</strong>-Lichtenberg ganz normal. Heute nicht mehr: Der Vogtland-<br />
Express (mit Desiro der Vogtlandbahn, r.) musste dem Busbetrieb<br />
weichen, die Leistung des RegioShuttle der ODEG (l.) geht Ende<br />
2014 an die Niederbarnimer <strong>Eisenbahn</strong> Volker Emersleben<br />
Am Morgen des 11. Juni 2013 herrscht beim S-Bahnhof<br />
Warschauer Straße Hochbetrieb. E<strong>in</strong> 481-Vollzug ist als S 7<br />
auf dem Weg nach Ahrensfelde, e<strong>in</strong> ICE-T-Doppel fährt vom<br />
Betriebswerk Rummelsburg zum Berl<strong>in</strong>er Ostbahnhof.<br />
Die tschechische Ellok 371 003 muss dagegen auf Hilfe warten,<br />
denn sie blieb mit ihrem EuroNight nach Prag kurz nach<br />
der Abfahrt aus dem Ostbahnhof liegen. Später schleppt e<strong>in</strong>e<br />
120er-Ellok der DB den Zug nach Dresden Sebastian Schrader<br />
Im Januar 1990 werden die D-Züge von und nach Berl<strong>in</strong> noch im<br />
Grenzbahnhof Griebnitzsee abgefertigt. Die Kontrollen s<strong>in</strong>d aber nicht<br />
zu vergleichen mit der Zeit vor dem Mauerfall Bodo Schulz<br />
Der private Nachtzug nach Malmö hat ab Mai 2006 den<br />
Tunnelbereich des neuen Hauptbahnhofs als Start und Ziel.<br />
Während die deutsch-schwedische Garnitur auf das Abfahrsignal<br />
wartet, trifft nebenan e<strong>in</strong> EC aus Ungarn e<strong>in</strong> Bodo Schulz<br />
<strong>BAHN</strong> <strong>EXTRA</strong> 4/2014 35
Fahrzeuge und Betrieb<br />
| ICE-VERKEHR IN BERLIN<br />
Bahn frei für die<br />
Dass die Spreestadt möglichst schnell <strong>in</strong> den<br />
modernen Fernverkehr e<strong>in</strong>gebunden werden sollte,<br />
war von Anfang an klar. Es dauerte aber noch<br />
bis 1993, bis der ICE nach Berl<strong>in</strong> kam. Heute ist die<br />
Stadt im ICE-Netz bestens verknüpft<br />
„weiße<br />
Nach dem Mauerfall im November<br />
1989 und der Annäherung zwischen<br />
Ost und West rückte Berl<strong>in</strong> auch po -<br />
litisch <strong>in</strong> den Mittelpunkt Europas. So wundert<br />
es nicht, dass Verkehrspolitiker und Planer<br />
über die E<strong>in</strong>richtung neuer Ost-West-Magistralen<br />
nachdachten. Viele der damals<br />
diskutierten Ideen wurden später verworfen.<br />
Außer Zweifel stand jedoch von Anfang an,<br />
dass Berl<strong>in</strong> an das Hochgeschw<strong>in</strong>digkeitsnetz<br />
der DB angebunden werden sollte.<br />
Der ICE kommt nach Berl<strong>in</strong><br />
Nach jahrelanger Vorbereitungszeit nahm<br />
die Deutsche Bundesbahn am 29. Mai 1991<br />
den ICE-Verkehr mit e<strong>in</strong>er ersten L<strong>in</strong>ie Hamburg<br />
– Frankfurt – Stuttgart – München auf.<br />
Bis zum Frühjahr 1993 folgten weitere Relationen<br />
im Westen Deutschlands. Der Verkehr<br />
nach Berl<strong>in</strong> blieb vorerst auf IC- sowie IR-<br />
Züge beschränkt. Erst zum Fahrplanwechsel<br />
am 23. Mai 1993 erreichten erstmals ICE-<br />
Züge Berl<strong>in</strong>; sie nahmen den Weg von München<br />
über Stuttgart, Frankfurt und<br />
Hannover. Zuvor war die Strecke Marienborn<br />
– Magdeburg elektri fi ziert<br />
und Berl<strong>in</strong> an das elektrifizierte Netz<br />
der DB angebunden worden.<br />
Allerd<strong>in</strong>gs musste die Deutsche<br />
Reichsbahn (DR) zunächst improvisieren:<br />
Baumaßnahmen auf der Stadtbahn<br />
sowie die fehlende Elektrifizierung<br />
verh<strong>in</strong>derten den ICE-E<strong>in</strong>satz.<br />
Zum vorgesehenen Fahrplanwechsel<br />
im Frühjahr 1993 war zudem die Elektrifi zie -<br />
rung zwischen Wannsee und Zoologischer<br />
Garten nicht abgeschlossen. Die ICE fuhren<br />
daher zunächst von Magdeburg über Güterglück<br />
und Belzig nach Michen dorf, wo e<strong>in</strong><br />
Notbahnsteig errichtet war, und weiter über<br />
Schönefeld nach Lichtenberg. Von Michendorf<br />
gab es für die Reisenden mit Ziel West-<br />
Berl<strong>in</strong> e<strong>in</strong>en Diesel-Pendelzug zum Bahnhof<br />
Zoologischer Garten. Ab dem 4. Juli 1993<br />
konnten die ICE-Züge, mit Zwischenhalt <strong>in</strong><br />
Wannsee, direkt zum Bahnhof Zoo fahren.<br />
Die Halte <strong>in</strong> Lichtenberg und Michendorf<br />
entfielen wieder. Doch e<strong>in</strong> durchgehender<br />
Betrieb über die Stadtbahn war nach wie vor<br />
36<br />
nicht möglich. Zwischen 1994 und 1998<br />
wurde die Stadtbahn umfangreich saniert,<br />
e<strong>in</strong>schließlich der Elektrifizierung vom Ostbahnhof<br />
zum Zoologischen Garten. Zum<br />
24. Mai 1998 konnten dann die ICE-Züge die<br />
Hauptstadt auf der Stadtbahn durchqueren.<br />
Überlegungen für e<strong>in</strong> Betriebswerk<br />
Die Betriebsaufnahme des ICE-Verkehrs<br />
warf bereits 1991 ihre Schatten voraus. Die<br />
Reichsbahn begann mit Planungen für e<strong>in</strong>e<br />
multifunktionelle Anlage, <strong>in</strong> der Reisezüge<br />
und Lokomotiven herkömmlicher Art eben -<br />
so wie Triebzüge gewartet werden sollten.<br />
Als Standort wurde zunächst das Firmengelände<br />
des Herstellers LEW <strong>in</strong> Hennigsdorf<br />
vorgesehen, da man dazu übergehen wollte,<br />
bestimmte Bereiche aus der DR/DB auszugliedern<br />
und Arbeiten von der Industrie ausführen<br />
zu lassen. Allerd<strong>in</strong>gs wären die Zufahrtswege<br />
der Leerreisezüge dabei recht<br />
lang geworden. Ähnliche Überlegungen<br />
sprachen gegen die <strong>in</strong> Erwägung gezogenen<br />
Auftakt mit H<strong>in</strong>dernissen: Zum Beg<strong>in</strong>n des ICE-Verkehrs 1993 ist die Strecke Wannsee – Bahnhof<br />
Zoo noch nicht elektrifiziert. E<strong>in</strong> „Shuttle“ mit 219-Dieselloks und Intercity-Wagen stellt für e<strong>in</strong>ige<br />
Wochen die Verb<strong>in</strong>dung zwischen „Zoo“ und dem Behelfshalt Michendorf außerhalb von Berl<strong>in</strong> her<br />
(gr. Bild: ICE-Shuttle <strong>in</strong> Wannsee; Willy Grübner; kl. Bild: Zuglaufschild; Volker Emersleben)
Flotte“<br />
Berl<strong>in</strong>er Fernverkehr heute: Auf der Stadtbahnebene des neuen Hauptbahnhofs ist e<strong>in</strong> ICE 1 e<strong>in</strong>getroffen (2013) Volker Emersleben<br />
Standorte Karow (Gelände für e<strong>in</strong> ursprünglich<br />
geplantes S-Bahn-Betriebswerk), Tempelhof<br />
(ehemaliges Reichsbahnausbesserungswerk),<br />
Papestraße (ehemaliges S-Bahn-<br />
Betriebswerk), Köpenick und Pankow<br />
(beides Rangierbahnhöfe). Übrig blieb der<br />
Rangierbahnhof Rummelsburg, der für die<br />
Ost-West-Richtung sehr günstig lag. Unklar<br />
war jedoch anfangs, wie man ihn auch für<br />
die Züge, die Berl<strong>in</strong> <strong>in</strong> Nord-Süd-Richtung<br />
passieren sollten, nutzen könnte. Mit dem<br />
Pilzkonzept für den Bau des neuen Hauptbahnhofs<br />
zeichnete sich hier e<strong>in</strong>e Lösung ab;<br />
damit wurde e<strong>in</strong>e Anb<strong>in</strong>dung über das Nordkreuz<br />
möglich (siehe S. 24–27).<br />
Orientiert an den ICE-Werken <strong>in</strong> Ham -<br />
burg und München begannen die Planungen<br />
für e<strong>in</strong> Berl<strong>in</strong>er ICE-Werk. Dabei wollte die<br />
DR zusätzlich den neuesten Stand der Technik<br />
nutzen und e<strong>in</strong> zukunftsweisendes Werk<br />
bauen. Neben den 40 ICE-Zügen, die <strong>in</strong><br />
Berl<strong>in</strong> stationiert werden sollten, wollte man<br />
auch Talgo-Züge und herkömmliche Reisezugwagen<br />
sowie Lokomotiven <strong>in</strong> dem Werk<br />
unterhalten. Die Anlage wurde großzügig geplant,<br />
da auch Arbeiten ausgeführt werden<br />
sollten, die sonst e<strong>in</strong> Ausbesserungswerk<br />
erledigt, so die Aufarbeitung von Drehge -<br />
stellen und der Tausch von Baugruppen. Die<br />
Planungen umfassten zwei Triebwagen hal -<br />
Zuerst dachte man an e<strong>in</strong><br />
großzügiges ICE-Werk –<br />
dann kam der Sparkurs<br />
len mit je vier Gleisen, wobei die Behandlung<br />
von Zügen mit e<strong>in</strong>er Länge von 400 Metern<br />
möglich se<strong>in</strong> sollte. Das ergab Hallenmaße<br />
von etwa 430 zu 70 Metern. Die Halle sollte<br />
unterkellert werden, um e<strong>in</strong>en großen Lagerbereich<br />
zu schaffen. An den Aus fahrten der<br />
Halle, wo die Stellplätze der ICE-Triebköpfe<br />
vorgesehen waren, wurde e<strong>in</strong> verfahrbarer<br />
Kran geplant. Die Fahrleitung <strong>in</strong> diesem Bereich<br />
sollte verschiebbar se<strong>in</strong>, um e<strong>in</strong> ungeh<strong>in</strong>dertes<br />
Arbeiten zu ermöglichen. Für das<br />
Cater<strong>in</strong>g war e<strong>in</strong>e Hängebahn vorgesehen.<br />
Besondere E<strong>in</strong>richtungen für den Talgo-Zug<br />
sollten e<strong>in</strong> seitliches Verschieben der Wagenkästen<br />
ermöglichen, um Arbeiten an den E<strong>in</strong>zelradlaufwerken<br />
effektiv ausführen zu können.<br />
H<strong>in</strong>zu kamen Anlagen für die Vakuum -<br />
entsorgung, die Tr<strong>in</strong>kwasserversorgung, die<br />
Besandung sowie e<strong>in</strong>e Druckluftanlage. Daneben<br />
waren weitere E<strong>in</strong>richtungen geplant,<br />
so e<strong>in</strong> Anbau für Werkstatt, Büros und Cater<strong>in</strong>g,<br />
der sich über die ge samte Länge der<br />
Halle erstrecken sollte, e<strong>in</strong> großzügiger Sozialtrakt,<br />
e<strong>in</strong>e separate Außenre<strong>in</strong>igungsanlage<br />
und e<strong>in</strong>e große Zahl von Aufstellgleisen.<br />
Doch bei dieser Planung mussten bald<br />
Abstriche gemacht werden, vor allem aufgrund<br />
von Sparmaßnahmen der neuen Konzernführung.<br />
So entfiel die Unterkellerung<br />
der Halle. Die Führungskräfte der DB waren<br />
auch der Ansicht, dass es nicht nötig sei,<br />
RAW-Arbeiten <strong>in</strong> dem Berl<strong>in</strong>er Werk aus -<br />
zuführen. Statt dessen sollten möglichst viele<br />
Arbeiten an die Industrie vergeben werden.<br />
<strong>BAHN</strong> <strong>EXTRA</strong> 4/2014 37
Fahrzeuge und Betrieb<br />
| ICE-VERKEHR IN BERLIN<br />
Auf der neu geschaffenen Nord-Süd-Fernbahn<br />
nutzt e<strong>in</strong> ICE-T die Zufahrtstrecke zum Tunnelbereich<br />
des neuen Hauptbahnhofs; l<strong>in</strong>ks der<br />
Bereich des ehemaligen Conta<strong>in</strong>erbahnhofs<br />
HuL an der Heidestraße Volker Emersleben<br />
Samba do Spandau:<br />
Im August 2005<br />
feiern brasilianische<br />
Fußballfans im<br />
Berl<strong>in</strong>er Fernbahnhof.<br />
Im Jahr darauf<br />
br<strong>in</strong>gt der ICE viele<br />
Sportbegeisterte zu<br />
den Spielen der<br />
Fußball-WM<br />
Volker Emersleben<br />
...und so sah es <strong>in</strong><br />
der Frühphase des<br />
Berl<strong>in</strong>er ICE-<br />
Verkehrs aus. Im<br />
Jahr 1993 hat e<strong>in</strong><br />
ICE 1 se<strong>in</strong> Ziel,<br />
den Bahnhof<br />
Zoologischer<br />
Garten, erreicht. Vor<br />
der nächsten Fahrt<br />
erhält er noch Sicht<br />
fördernde Kosmetik<br />
Volker Emersleben<br />
Bei der geplanten ICE-Aufstellanlage im<br />
ehemaligen Rennbahnhof Karlshorst drohte<br />
e<strong>in</strong>e starke Belastung der Anwohner. Auch<br />
der Denkmalschutz forderte e<strong>in</strong>e Änderungen,<br />
da das Empfangsgebäude des alten<br />
Rennbahnhofs an der Treskowallee und der<br />
Lokschuppen des ehemaligen Bw Rummelsburg<br />
als erhaltungswürdig e<strong>in</strong>gestuft waren.<br />
Start mit e<strong>in</strong>em Provisorium<br />
Bei der Betriebsaufnahme im Mai 1993 bis<br />
zum Bahnhof Zoo konnten die ICE-Züge ohneh<strong>in</strong><br />
noch nicht über die Stadtbahn nach<br />
Rummelsburg fahren. Als Zwischenlösung<br />
bot sich an, die Arbeiten vorerst im Bw Grunewald<br />
auszuführen. Dort wurden im Rechteckschuppen<br />
zwei Gleise entfernt und e<strong>in</strong><br />
durchgehendes Gleis für die Instandhaltung<br />
gebaut. Es konnte e<strong>in</strong>en Triebkopf und drei<br />
Mittelwagen oder aber vier Mittelwagen aufnehmen.<br />
Damit war <strong>in</strong> vier Takten e<strong>in</strong> ICE 1<br />
<strong>in</strong> 90 M<strong>in</strong>uten durchzuschleusen.<br />
Pünktlich zum Fahrplanwechsel im Mai<br />
1993 war das Provisorium <strong>in</strong> Grunewald e<strong>in</strong>satzbereit.<br />
Mit dem vorläufigen Endhalt <strong>in</strong><br />
Lichtenberg musste auch dort für e<strong>in</strong>ige ICE-<br />
Züge e<strong>in</strong>e Wartungsmöglichkeit geschaffen<br />
werden, wofür sich die Wagenhalle des Betriebswagenwerks<br />
Lichtenberg anbot. Um<br />
die Züge durch die fahrdrahtlose Halle zie -<br />
hen zu können, wurde e<strong>in</strong>e Diesellok der<br />
38<br />
Baureihe 201 mit e<strong>in</strong>er ICE-Kupplung versehen.<br />
In der Halle fehlten Seitenkanäle – Gummimatten<br />
wurden beschafft, welche die Klappen<br />
des ICE vor Beschädigungen auf dem<br />
Betonboden schütz ten und auf denen die<br />
Schlosser ihre Arbeit knieend oder liegend<br />
ausführten. Außerdem wurde e<strong>in</strong>e spezielle<br />
Leiter entwickelt, die e<strong>in</strong>e Besichtigung der<br />
Dachausrüstung erlaubte. Für den Scheibenwischerwechsel<br />
baute man e<strong>in</strong>en provisorischen<br />
Stand, der vor die Frontfenster des ICE<br />
geschoben werden konnte. Damit stand dem<br />
fahrplanmäßigen Betrieb nach Lichtenberg<br />
nichts mehr im Weg.<br />
Ausweitung des ICE-Verkehrs<br />
Rasch wurde die Anb<strong>in</strong>dung Berl<strong>in</strong>s mit<br />
den modernen Zügen ausgebaut. Seit dem<br />
8. März 1994 verkehrte der ICE auch zwischen<br />
Köln und Berl<strong>in</strong>, ab dem 29. Mai 1994<br />
zusätzlich als ICE-Spr<strong>in</strong>ter. Hauptnutz nie -<br />
ßer dieser Verb<strong>in</strong>dung s<strong>in</strong>d die nicht fliegenden<br />
Bundesbeamten, die zwischen alter und<br />
neuer Hauptstadt der Bundesrepublik pendeln.<br />
Ab September 1994 wurde e<strong>in</strong> ICE von<br />
Berl<strong>in</strong> nach Dresden e<strong>in</strong>gesetzt, der jedoch<br />
wegen des Streckenzustands nicht schneller<br />
fahren konnte als die alten lokbespannten<br />
Züge. 1998 band man diese ICE-Züge bis<br />
Hamburg durch. Zum Mai 1995 erhielt Berl<strong>in</strong><br />
die erste <strong>in</strong>ternationale ICE-Anb<strong>in</strong>dung; der<br />
ICE „Thunersee“ fuhr täglich nach Inter -<br />
laken Ost <strong>in</strong> der Schweiz. Ab September 1996<br />
wurde die ICE-Verb<strong>in</strong>dung Berl<strong>in</strong> – Frank -<br />
furt (Ma<strong>in</strong>) im Stundentakt bedient.<br />
Erst Ende Mai 1997 begann der ICE-Verkehr<br />
Berl<strong>in</strong> – Hamburg. Vorher hatte man<br />
190 Kilometer Strecke grundlegend überholt<br />
und für Tempo 160 erneuert. Die Reise Berl<strong>in</strong><br />
– Hamburg dauerte nun zwei Stunden und<br />
14 M<strong>in</strong>uten, die Fahrgäste wa ren also fast genauso<br />
schnell wie mit dem „Fliegenden Hamburger“<br />
1933. Erst am 12. Dezember 2004,<br />
nach nochmaligem Ausbau der Strecke, durften<br />
die ICE hier 230 km/h fahren und brauchten<br />
nur noch e<strong>in</strong>e Stunde 28 M<strong>in</strong>uten.<br />
Zum Sommerfahrplan 1997 gab es noch<br />
e<strong>in</strong>e weitere Neuheit: Mit der Zuweisung erster<br />
ICE-2-Langzüge wurde e<strong>in</strong>e zusätzliche<br />
ICE-Verb<strong>in</strong>dung Berl<strong>in</strong> – Köln e<strong>in</strong>gerichtet;<br />
ab dem W<strong>in</strong>terfahrplan 1997/98 fuhren die<br />
ICE im Zweistundentakt weiter bis Bonn.<br />
Nach Inbetriebsetzung der Steuerwagen<br />
setzte die DB AG ab 24. Mai 1998 die ICE-2-<br />
Kurzzüge erstmals plan mä ßig mit e<strong>in</strong>er Flügelung<br />
<strong>in</strong> Hamm von Berl<strong>in</strong> nach Köln über<br />
Wuppertal bzw. das Ruhr gebiet e<strong>in</strong>.<br />
Endlich zeichnete sich auch e<strong>in</strong> durchgehender<br />
ICE-Betrieb über die Stadtbahn ab.<br />
Nach dem Ende der Sanierungsarbeiten und<br />
dem Abschluss der Elektrifizierung rollen<br />
seit dem 24. Mai 1998 die ICE-Züge über<br />
diese Strecke. Damit war auch e<strong>in</strong>e erste<br />
Etappe im Verkehrsprojekt Deutsche E<strong>in</strong>heit<br />
Nr. 4 geschafft. Der zweite und größere folgte<br />
mit der Inbetriebnahme der Schnellfahrstrecke<br />
Hannover – Berl<strong>in</strong> zum Fahrplanwechsel<br />
am 27. September 1998. Dabei erhielt auch<br />
Spandau se<strong>in</strong>en neuen Bahnhof. Nun verkehrten<br />
täglich zwei ICE-Spr<strong>in</strong>ter-Zugpaare<br />
zwischen Berl<strong>in</strong> und Frankfurt, die „Spree-<br />
Spr<strong>in</strong>ter“ bzw. „Ma<strong>in</strong>-Spr<strong>in</strong>ter“. Zum Fahrplanwechsel<br />
am 30. Mai 1999 verlängerte die
Seit 2008 fährt der Diesel-ICE zwischen Berl<strong>in</strong>, Hamburg und Kopenhagen.<br />
Jüngst wurde e<strong>in</strong> erstes Fahrzeug <strong>in</strong> Farben der Dänischen Staatsbahn<br />
lackiert und defilierte so über die Stadtbahn (April 2014) Bodo Schulz<br />
In Berl<strong>in</strong>-Rummelsburg entstand e<strong>in</strong> modernes ICE-Werk für die Betreuung der „weißen Flotte“.<br />
Behandelt werden hier ICE 1, ICE 2, ICE-T und ICE-TD. Nur ICE 3 und Velaro D (Baureihe 407)<br />
fehlen – aber die kommen ja auch nicht planmäßig nach Berl<strong>in</strong> Jet-Foto Kranert/DB<br />
DB die Berl<strong>in</strong>-Frankfurt-Spr<strong>in</strong>ter bis Mannheim<br />
(morgens) sowie Stuttgart (abends).<br />
ICE-Werk <strong>in</strong> Rummelsburg<br />
Inzwischen liefen Vorbereitungen <strong>in</strong> Rummelsburg.<br />
Der Güterbahnhof wurde stillgelegt,<br />
andere Dienststellen verlagert, Baufreiheit<br />
geschaffen. Der Abstellbahnhof für die<br />
Reisezüge blieb dagegen weitgehend unverändert.<br />
Am 10. Februar 1997 begannen die<br />
Arbeiten für das neue ICE-Werk, das am<br />
20. Mai 1998 nach 15 Monaten Bauzeit fertig<br />
gestellt wurde. Für 307 Millionen D-Mark<br />
entstand e<strong>in</strong>e ICE-Behandlungsanlage, die<br />
folgende Komponen ten umfasste:<br />
– e<strong>in</strong>e zweigleisige Triebzughalle mit angrenzendem<br />
dreigeschossigen Betriebsgebäude<br />
– e<strong>in</strong>e viergleisige Außenbehandlungsanlage<br />
– e<strong>in</strong>e Außenre<strong>in</strong>igungsanlage<br />
– e<strong>in</strong>e Radsatzdiagnosee<strong>in</strong>richtung<br />
– 15 Abstellgleise<br />
– e<strong>in</strong> elektronisches Stellwerk<br />
Für die Anlage wurden 18 Kilometer Gleis,<br />
78 Weichen und ca. 17 Kilometer Oberleitung<br />
neu verlegt. In der westlichen E<strong>in</strong>fahrt entstand<br />
e<strong>in</strong>e Unterführung unter die Gleise zur<br />
R<strong>in</strong>gbahn, um e<strong>in</strong>e neue Anb<strong>in</strong>dung an die<br />
Strecke Berl<strong>in</strong> – Frankfurt/Oder zu schaffen.<br />
Im Dezember 1999 startete die zweite Stufe<br />
für den Werksausbau. Nach e<strong>in</strong>er Bauzeit<br />
von 16 Monaten g<strong>in</strong>g im Januar 2002 e<strong>in</strong>e<br />
neue Halle mit drei Werkstattgleisen sowie<br />
e<strong>in</strong>e fünfgleisige Ausfahr-Abstellanlage <strong>in</strong><br />
Karlshorst <strong>in</strong> Betrieb. Mit der Erweiterung<br />
wurde die gesamte ICE-2-Flotte <strong>in</strong> Berl<strong>in</strong> beheimatet.<br />
In Rummelsburg arbeiten derzeit<br />
rund 800 Mitarbeiter, die wöchentlich rund<br />
590 Fahrzeuge der Typen ICE 1, ICE 2, ICE-T<br />
behandeln. Seit Dezember 2007 wird auch<br />
e<strong>in</strong> Teil der ICE-TD-Flotte <strong>in</strong> Berl<strong>in</strong> unterhal-<br />
ten. Anzumerken bliebe, dass im Jahr 2000<br />
e<strong>in</strong>ige ICE-2-Züge im S-Bahnbetriebswerk<br />
Wannsee bzw. ICE-T-Züge im DB-Nachtzug-<br />
Werk an der Warschauer Straße durchgecheckt<br />
wurden.<br />
Neue Züge, neue Strecken<br />
Derweil wuchs das Netz der Verb<strong>in</strong>dungen<br />
weiter. Ab 1999 verkehrten ICE-1-Züge im<br />
Zweistundentakt von Berl<strong>in</strong> über Hannover<br />
– Köln – Frankfurt nach Nürnberg bzw. München,<br />
also <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Rundtour durch die alten<br />
Bundesländer, der sich ke<strong>in</strong> Direktreisender<br />
von Berl<strong>in</strong> nach Nürnberg oder München unterzog.<br />
Erst nach der Auslieferung der neuen<br />
ICE-T-Züge mit Neigetechnik begann zum<br />
30. Januar 2000 der direkte ICE-Verkehr Berl<strong>in</strong><br />
– München; anfangs im Zwei-Stunden-,<br />
seit Dezember 2000 im Stundentakt. Seit<br />
Ende Mai 2000 wurde auch die Neigetechnik<br />
der Züge genutzt, die e<strong>in</strong> schnelleres Durchfahren<br />
der kurvenreichen Strecken <strong>in</strong> Franken<br />
und Thür<strong>in</strong>gen ermöglichen sollte. Dabei<br />
fuhren e<strong>in</strong>zelne Züge bis Hamburg durch.<br />
Mit der Fertigstellung des neuen Hauptbahnhofs<br />
<strong>in</strong> Berl<strong>in</strong> fahren seit dem 28. Mai<br />
2006 die ICE von und nach Berl<strong>in</strong> über die<br />
neue Station. Insbesondere durch Inbetriebnahme<br />
des neuen unterirdischen Teils des<br />
Hauptbahnhofs gab es Änderungen der L<strong>in</strong>ienführungen<br />
<strong>in</strong> Berl<strong>in</strong> und Brandenburg.<br />
Zeitgleich wurde der Halt im Bahnhof Zoologischer<br />
Garten aufgehoben, andererseits<br />
erhielten Spr<strong>in</strong>terzüge e<strong>in</strong>en zusätzlichen<br />
Halt <strong>in</strong> Spandau. Seitdem ist der Berl<strong>in</strong>er<br />
Hauptbahnhof der ICE-Knoten im Stadtgebiet.<br />
Das Angebot an ICE-Zügen von und<br />
nach Berl<strong>in</strong> wurde weiter ausgebaut, selbst<br />
Verb<strong>in</strong>dungen zur Ostsee kamen dazu. So<br />
kann man seit 2007 nach Rostock oder seit<br />
2011 nach B<strong>in</strong>z auf Rügen mit den modernen<br />
Zügen fahren. Dirk W<strong>in</strong>kler/Wolfgang Dath<br />
<strong>BAHN</strong> <strong>EXTRA</strong> 4/2014 39
Fahrzeuge und Betrieb<br />
| PRIVATE EISEN<strong>BAHN</strong>VERKEHRSUNTERNEHMEN IN BERLIN<br />
In Berl<strong>in</strong>-Moabit werden im Westhafen<br />
Conta<strong>in</strong>er zwischen Bahn und B<strong>in</strong>nenschiff<br />
verladen. Neben den Fahrzeugen<br />
der Hafenbahn s<strong>in</strong>d auch Privatbahn-<br />
Lokomotiven zu sehen – am 10. April 2007<br />
die 1401 und 1402 der D&D <strong>Eisenbahn</strong>gesellschaft<br />
Sven Kle<strong>in</strong><br />
Die anderen<br />
Als 1996 die Bahnreform <strong>in</strong> Kraft trat,<br />
hofften die Initiatoren, damit den<br />
Markt zu öffnen. Das ist ihnen auch<br />
gelungen: Zahlreiche <strong>Eisenbahn</strong>verkehrsunternehmen<br />
(EVU) wurden gegründet, nicht<br />
zuletzt <strong>in</strong> Berl<strong>in</strong>. Zwar bestimmen die großen<br />
Vertreter der Deutschen Bahn AG, von der<br />
Berl<strong>in</strong>er S-Bahn bis zu DB Bahnbau, nach<br />
wie vor das Geschehen. Aber gerade die Kle<strong>in</strong>en<br />
nutzten gekonnt die Nischen. Zum Beispiel,<br />
als die DB, allen voran die Gütersparte,<br />
zunehmend auf Rangier- und Überführungsleistungen<br />
verzichtete. Da war es 1996 e<strong>in</strong>e<br />
Sensation, als die Neukölln-Mittenwalder <strong>Eisenbahn</strong><br />
AG (NME) für die DB die Rangieraufgaben<br />
im Bahnhof Berl<strong>in</strong>-Neukölln übernahm.<br />
Die Wurzeln der Privatbahn reichen<br />
zurück bis 1899; am 25. September 1990 war<br />
40<br />
am Markt<br />
Konkurrenz belebt das Geschäft, heißt es. Auf jeden<br />
Fall belebt sie das Bild der <strong>Eisenbahn</strong>. Seit der Bahnreform<br />
s<strong>in</strong>d auch <strong>in</strong> Berl<strong>in</strong> Privatbahnen neben der<br />
Deutschen Bahn AG aktiv. In fast allen Sparten<br />
die NME als erstes öffentliches <strong>Eisenbahn</strong>verkehrsunternehmen<br />
<strong>in</strong> Berl<strong>in</strong> e<strong>in</strong>getragen.<br />
Aktivitäten im Nahverkehr<br />
Der Personennahverkehr blieb nach 1996 zunächst<br />
<strong>in</strong> DB-Hand. Wer konnte sich vorstellen,<br />
dass wie <strong>in</strong> anderen Bundesländern<br />
kle<strong>in</strong>e Privatbahn-Triebwagen zum E<strong>in</strong>satz<br />
kommen? Doch Berl<strong>in</strong> holte das nach. 2002<br />
wurde die Ostdeutsche <strong>Eisenbahn</strong>-Gesellschaft<br />
(ODEG) gegründet, e<strong>in</strong> Konsortium<br />
aus Hamburger Hochbahn und der<br />
Prignitzer <strong>Eisenbahn</strong>gesellschaft (PEG). Im<br />
gleichen Jahr übernahm sie erste Stre cken<br />
<strong>in</strong> Mecklenburg, seit 2004 ist sie mit Regio -<br />
Shuttle RS 1 (VT 650) <strong>in</strong> und um Berl<strong>in</strong> zu se-
Zu den alte<strong>in</strong>gesessenen Berl<strong>in</strong>er<br />
Privatbahnen gehört die BEHALA mit<br />
ihrer Hafenbahn; 1993 setzt sie unter anderem<br />
die urige Zweiachs-Ellok L 2 und die diesel-elektrische<br />
Lok LEM 25 e<strong>in</strong> (Bild <strong>in</strong> Berl<strong>in</strong>-Rummelsburg) Volker Emersleben<br />
hen. Planmäßige Leistungen führen die Triebwagen<br />
nach Wriezen, Frankfurt (Oder), Joachimsthal,<br />
Beeskow oder Bad Saarow; <strong>in</strong><br />
Berl<strong>in</strong>-Lichtenberg hat die ODEG mehrere<br />
Gleise zum Abstellen der Züge angemietet.<br />
Der Start war holprig. Es gab Diskussionen<br />
um die neu geschaffenen Arbeitsplätze<br />
bei der Privatbahn (gegenüber den entfallenen<br />
bei der DB) und um die Ausbildung,<br />
nachdem Lokführer im Schnellverfahren angelernt<br />
wor den waren. Dies hat sich gelegt.<br />
Heute betreibt die ODEG auch zwei Regionalexpress-L<strong>in</strong>ien<br />
<strong>in</strong> Berl<strong>in</strong> und Brandenburg/Mecklenburg.<br />
Für den RE 2 Wismar –<br />
Cottbus und den RE 4 Stendal – Jüterbog nutzt<br />
sie Doppelstocktriebzüge KISS der Firma<br />
Stadler. H<strong>in</strong>zu kommen Aufgaben am<br />
westlichen Stadtrand von Wannsee nach Bee-<br />
Betrieb bei der BEHALA heute: Am Westhafen<br />
steuert e<strong>in</strong> Bediensteter der Privatbahn se<strong>in</strong>e<br />
Diesellok mithilfe der Fernsteuerung über das<br />
Gelände Matthias Cantzler<br />
litz – Jüterbog und Rathenow – Brandenburg;<br />
dort fahren Stadler-Gelenktriebwagen (GTW).<br />
Doch gab es abermals Schwierigkeiten.<br />
Die verspäteten Lieferungen und Zulassungen<br />
der KISS-Züge sorgten zum Ende 2012<br />
für e<strong>in</strong>en blamablen Auftakt und vielfältigen<br />
Ersatzverkehr. Als RE 2 verd<strong>in</strong>gten sich<br />
Züge von DB Regio mit ODEG-Aufklebern,<br />
als RE 4 fuhren bunte Garnituren mit Elloks<br />
der Baureihe 182 (Bauform des „Taurus“).<br />
Nach und nach kamen dann die KISS-Züge;<br />
<strong>in</strong>zwischen hat sich die Aufregung gelegt<br />
und der Verkehr läuft zuverlässig.<br />
E<strong>in</strong> Grundgedanke der Bahnreform ist jedoch<br />
auch, dass die Leistungen <strong>in</strong> bestimm -<br />
ten Abständen neu ausgeschrieben werden.<br />
Und so, wie die ODEG Aufträge an Land<br />
ziehen konnte, verliert sie 2014/2015 die „Bimmelbahnleistungen“<br />
an e<strong>in</strong>e andere Pri vat -<br />
bahn: die Niederbarnimer <strong>Eisenbahn</strong> (NEB).<br />
Die NEB f<strong>in</strong>det ihren Ursprung <strong>in</strong> der<br />
alten „Heidekrautbahn“ nördlich von Berl<strong>in</strong><br />
<strong>in</strong> Basdorf. Die DDR hatte 1950 e<strong>in</strong>en Teil des<br />
Netzes dieser „West-Berl<strong>in</strong>er“ Bahn ent eig -<br />
net; dafür leistete die DB AG 1998 e<strong>in</strong>e Wiedergutmachung<br />
und gab zwei Dieselloks der<br />
Baureihe 202 ab. Für den Personennahverkehr<br />
gründete die NEB 2004 e<strong>in</strong>e Betriebsgesellschaft.<br />
Heute ist sie e<strong>in</strong>e feste Größe <strong>in</strong><br />
Berl<strong>in</strong>s Personennahverkehr. Mit „Talent“-<br />
Das private Trio für den<br />
Personennahverkehr:<br />
ODEG, NEB und PEG<br />
Dieseltriebzügen fährt sie von Berl<strong>in</strong>-Karow<br />
über Bas dorf nach Groß Schönebeck bzw.<br />
Wensickendorf oder auf der Ost- bzw. Oderlandbahn<br />
nach Küstr<strong>in</strong>-Kietz und weiter<br />
nach Kos trzyn (Polen). Damit war die NEB<br />
die erste Privatbahn, die plan mäßig über e<strong>in</strong>e<br />
Landesgrenze fuhr. Die Über nahme der<br />
ODEG-Strecken br<strong>in</strong>gt nun neue Aufgaben.<br />
Zusätzlich zu RegioShuttle und Talent beschafft<br />
die NEB L<strong>in</strong>k-Triebwagen aus Polen.<br />
Neben der Tochter ODEG war die PEG<br />
selbst im Berl<strong>in</strong>er Nahverkehr aktiv. Das<br />
1996 gegründete Unternehmen bediente von<br />
Dezember 2006 bis Dezember 2012 die<br />
RB 12 Berl<strong>in</strong>-Lichtenberg – Löwenberg –<br />
Temp l<strong>in</strong> und teilte sich dort Leistungen mit<br />
DB Regio. E<strong>in</strong>gesetzt wurden RegioShuttle,<br />
doch g<strong>in</strong>g die Strecke Ende 2012 an die DB.<br />
Die PEG, heute e<strong>in</strong>e Tochter der Net<strong>in</strong>era (an<br />
<strong>BAHN</strong> <strong>EXTRA</strong> 4/2014 41
Fahrzeuge und Betrieb<br />
| PRIVATE EISEN<strong>BAHN</strong>VERKEHRSUNTERNEHMEN<br />
Übersicht<br />
Öffentliche EVU <strong>in</strong> Berl<strong>in</strong><br />
BEHALA Berl<strong>in</strong>er Hafen- und Lagerhausgesellschaft mbH, 13153 Berl<strong>in</strong><br />
BSB – Saugbagger und Zweiwegetechnik, 10367 Berl<strong>in</strong><br />
BT Berl<strong>in</strong> Transport GmbH, 10119 Berl<strong>in</strong> (zurzeit ohne <strong>Eisenbahn</strong>betrieb)<br />
BVG Berl<strong>in</strong>er Verkehrsbetriebe, 10783 Berl<strong>in</strong> (zurzeit ohne <strong>Eisenbahn</strong>betrieb)<br />
CTL Logistics GmbH, 10179 Berl<strong>in</strong><br />
DB Bahnbau Gruppe GmbH, 12487 Berl<strong>in</strong><br />
DB Fahrwegdienste GmbH, 10115 Berl<strong>in</strong><br />
DB Services GmbH, 10115 Berl<strong>in</strong><br />
Eichholz Eivel GmbH, 12103 Berl<strong>in</strong><br />
ErailS GmbH, 14057 Berl<strong>in</strong><br />
Freightl<strong>in</strong>er DE GmbH, 12487 Berl<strong>in</strong><br />
Hanseatic Rail AG, 10405 Berl<strong>in</strong> (zurzeit ohne <strong>Eisenbahn</strong>betrieb)<br />
Havelländische <strong>Eisenbahn</strong> AG (hvle), 13587 Berl<strong>in</strong><br />
Keolis Deutschland GmbH & Co. KG, 10117 Berl<strong>in</strong><br />
Laeger & Wöstenhöfer GmbH & Co. KG, 12347 Berl<strong>in</strong><br />
NEB Betriebsgesellschaft mbH, 10117 Berl<strong>in</strong> (auch IGB/CAPTRAIN)<br />
Neukölln-Mittenwalder <strong>Eisenbahn</strong> AG (NME), 12099 Berl<strong>in</strong><br />
POND Security Bahn Service GmbH, 12555 Berl<strong>in</strong><br />
Prignitzer <strong>Eisenbahn</strong> GmbH (PEG), 10179 Berl<strong>in</strong><br />
Rhe<strong>in</strong>hessische <strong>Eisenbahn</strong> GmbH, 12526 Berl<strong>in</strong><br />
(Unternehmen ist <strong>in</strong>solvent, Widerruf der Genehmigung angekündigt)<br />
S-Bahn Berl<strong>in</strong> GmbH, 10115 Berl<strong>in</strong><br />
SNCF Voyages Deutschland GmbH, 10117 Berl<strong>in</strong><br />
(Name geändert, vormals: eurobahn Verkehrsgesellschaft mbH)<br />
Talgo (Deutschland) GmbH, 10245 Berl<strong>in</strong> (zurzeit ohne <strong>Eisenbahn</strong>betrieb)<br />
dispo Tf Ltd., 13053 Berl<strong>in</strong><br />
dispo-Tf Rail GmbH, 12681 Berl<strong>in</strong><br />
ekr Bahnlogistik & Bauüberwachung GmbH, 12623 Berl<strong>in</strong> (<strong>in</strong> Abwicklung)<br />
locomore rail GmbH & Co. KG, 10987 Berl<strong>in</strong> (zurzeit ohne <strong>Eisenbahn</strong>betrieb)<br />
Anmerkung: DB Regio, Fernverkehr und Netz haben ihre Firmensitze <strong>in</strong> Frankfurt (Ma<strong>in</strong>)<br />
Quelle: EBA-Bund „EVU BRD“<br />
Auswahl von EVU mit „Bezug Berl<strong>in</strong>“<br />
Öffentliche <strong>Eisenbahn</strong>verkehrsunternehmen<br />
BSL Betrieb-Service-Logistik GmbH, Mittenwalde<br />
BUG Vermietungsgesellschaft mbH, Hoppegarten<br />
DeltaRail GmbH, Straupitz/Frankfurt (Oder)<br />
Deutsche Museumseisenbahn GmbH (DME), Darmstadt<br />
(Dampflokfreunde Berl<strong>in</strong>-Schöneweide)<br />
<strong>Eisenbahn</strong>gesellschaft Potsdam mbH (EGP), Potsdam<br />
(Standorte <strong>in</strong> Wittenberge und Berl<strong>in</strong> Greifswalder Str.)<br />
Georg Verkehrsorganisation GmbH (GVG), Frankfurt (Ma<strong>in</strong>)<br />
LOCON Logistik & Consult<strong>in</strong>g AG, Oberuckersee<br />
(Standort Bw Berl<strong>in</strong>-Lichtenberg)<br />
Mitteldeutsche <strong>Eisenbahn</strong> GmbH (MEG), Schkopau (Standort Rüdersdorf)<br />
ODEG Ostdeutsche <strong>Eisenbahn</strong>gesellschaft mbH, Parchim<br />
(Standorte Berl<strong>in</strong>-Lichtenberg, Eberswalde, Beeskow)<br />
Röbel/Müritz <strong>Eisenbahn</strong> GmbH (RME), Röbel (Müritz)<br />
(ehemals Bw Berl<strong>in</strong>-Lichtenberg, S-Bw Friedrichsfelde)<br />
SBB Cargo Deutschland GmbH, Duisburg<br />
Spitzke SE, Großbeeren<br />
Veolia Verkehr Regio Ost GmbH, Leipzig<br />
(InterConnex Berl<strong>in</strong> – Leipzig/Warnemünde)<br />
WFL Wedler Franz Logistik GmbH & Co. KG, Potsdam<br />
(u.a. Berl<strong>in</strong> Greifswalder Str.)<br />
Nichtöffentliche <strong>Eisenbahn</strong>verkehrsunternehmen Berl<strong>in</strong>/Brandenburg<br />
BEF Berl<strong>in</strong>er <strong>Eisenbahn</strong>freunde e.V., Basdorf<br />
Balfour Beatty Rail GmbH, München (verschiedene Standorte)<br />
Bombardier Transportation GmbH, 10785 Berl<strong>in</strong><br />
LAT Fernmelde-Montagen und Tiefbau GmbH, 10245 Berl<strong>in</strong><br />
H<strong>in</strong>weis: Kriterien für die Auswahl s<strong>in</strong>d der Standort <strong>in</strong> Brandenburg bzw. Leistungen/Standorte <strong>in</strong> Berl<strong>in</strong>.<br />
Zusammenstellung: Dieter Schmitt<br />
42<br />
Als Kooperation von Georg<br />
Verkehrsgesellschaft und der<br />
Schwedischen Staatsbahn g<strong>in</strong>g<br />
im Jahr 2000 der Nachtzug Berl<strong>in</strong> –<br />
Malmö an den Start. Bis 2006 fuhr er<br />
am Ostbahnhof ab (Foto) Volker Emersleben<br />
Großkatze auf der südlichen R<strong>in</strong>gbahn: Im August 2011<br />
hat „Blue Tiger“ V 330.3 der Havelländischen <strong>Eisenbahn</strong><br />
Leerwagen e<strong>in</strong>es Baustoffzuges im Güterbahnhof Neukölln<br />
abgeholt. Er fährt mit ihnen nach Röderau Sebastian Schrader
Von den Privatbahnen ist die Ostdeutsche <strong>Eisenbahn</strong>-Gesellschaft (ODEG) im Nah- bzw.<br />
Regionalverkehr des Berl<strong>in</strong>er Raums am stärksten vertreten. Mit KISS-Triebzügen bedient<br />
sie zwei Regionalexpress-L<strong>in</strong>ien; auf dem Weg nach Cottbus liefert sich 445 002 im<br />
Oktober 2013 h<strong>in</strong>ter dem Ostbahnhof e<strong>in</strong> „Wettrennen“ mit e<strong>in</strong>em 481 der S-Bahn Bodo Schulz<br />
Dabei kooperierte die Firma, die seit 1994<br />
die Zulassung als <strong>Eisenbahn</strong>verkehrsunternehmen<br />
hat, zunächst mit den Schwedischen<br />
Staatsbahnen. Seit Ende 2011 ist Veolia Transport<br />
Schweden der Geschäftspartner. Der<br />
Zug besteht aus schwedischen Wagen, von<br />
Berl<strong>in</strong> bis zum Fährhafen Saßnitz-Mukran<br />
über nimmt e<strong>in</strong>e Ellok der Baureihe 109 die<br />
Bespannung. Die drei weißen Exemplare stehen<br />
zumeist <strong>in</strong> Berl<strong>in</strong>-Lichtenberg abgestellt.<br />
Der Nachtzug fuhr zunächst von/nach<br />
Berl<strong>in</strong> Ostbahnhof, seit Sommer 2006 steuert<br />
er den neuen Hauptbahnhof an. Allerd<strong>in</strong>gs<br />
hat das Angebot nicht mehr die Ausmaße der<br />
Anfangszeit. Gab es vor zehn Jahren e<strong>in</strong>en<br />
planmäßigen Zug alle zwei Tage, muss man<br />
heute nach den Verkehrstagen suchen. Meistens<br />
zieht die Lok nur zwei oder drei Wagen<br />
– das Fahrgastaufkommen sche<strong>in</strong>t ger<strong>in</strong>g.<br />
Im Jahr 2002 wurde der nächste private<br />
Fernzug über Berl<strong>in</strong> e<strong>in</strong>geführt. Als Inter-<br />
Connex fuhren blau-gelbe Talent-Trieb wa -<br />
gen von Gera über Pegau, Leipzig, Berl<strong>in</strong><br />
Im Fernreiseverkehr<br />
agieren die Privaten mit<br />
wechselndem Erfolg<br />
Besonderheit bei den „Nichtbundeseigenen“: Im Bundesbahn-Grün br<strong>in</strong>gt 151 124 von SRI Rail<br />
Invest im Oktober 2013 e<strong>in</strong>en Zementzug von Deuna nach Berl<strong>in</strong> Greifswalder Straße. Hier, am<br />
Abzweig Bornholmer Straße, entstand 1991 auch das Bild mit dem Müllzug von S. 59 Bodo Schulz<br />
nach Rostock. 2007 wurde der Laufweg im<br />
Süden auf den Anfangs-/Endpunkt Leipzig<br />
verkürzt. Elloks der Baureihe 146 und Wagenzüge<br />
der Nord-Ostsee-Bahn (NOB) lös -<br />
ten die Triebwagen ab. Als Marke der Ostseelandverkehr<br />
AG im Veolia-Konzern kommen<br />
die InterConnex-Züge heute zwei Mal durch<br />
die Spreestadt; e<strong>in</strong> Zuglauf führt weiter nach<br />
Warnemünde. Mit günstigen Ticketpreisen<br />
und kaum längeren Fahrzeiten als der ICE<br />
hat sich der InterConnex bislang behauptet.<br />
Anders verlief der E<strong>in</strong>satz des dritten<br />
privaten Fernzugs nach Berl<strong>in</strong>, des Vogtland-<br />
Express. Nachdem die DB die InterRegio-<br />
Verb<strong>in</strong>dung vom Vogtland nach Berl<strong>in</strong> e<strong>in</strong>gestellt<br />
hatte, startete im Jahr 2005 e<strong>in</strong> neuer<br />
Reisezug von Plauen über Chemnitz, Riesa,<br />
Berl<strong>in</strong>-Schönefeld Flughafen und die Stadtbahn<br />
nach Berl<strong>in</strong> Zoo. Zum E<strong>in</strong>satz kamen<br />
grün lackierte Desiro-Triebwagen der<br />
Vogtland bahn; das 1998 gegründete Unternehmen,<br />
heute Teil des Net<strong>in</strong>era-Konzerns,<br />
setzte den Zug auf Initiative des Vogtlandkreises<br />
e<strong>in</strong>. Bald folgten Änderungen: Von<br />
Februar bis April 2009 fuhr der Zug mangels<br />
Rendite nicht, zum Januar 2011 wurde er auf<br />
Busbetrieb umgestellt, weil Triebwagen fehlten.<br />
Nachdem ab Juni 2011 teils Busse, teils<br />
Triebwagen verkehrten, fahren seit 1. Oktober<br />
2012 nur noch Busse.<br />
Abgerundet wird die Auflistung der Fernverkehrs-Aktivitäten<br />
mit e<strong>in</strong>em weiteren<br />
Connex-D-Zug. Er fuhr nahezu kreuz und<br />
quer durch die Republik und tangierte am<br />
späten Nachmittag den Berl<strong>in</strong>er Haltepunkt<br />
Berl<strong>in</strong>-Hohenschönhausen auf se<strong>in</strong>er Weiterder<br />
die Italienische Staatsbahn 51 % hält),<br />
zog sich <strong>in</strong>zwischen aus dem Personenverkehr<br />
zurück. Der Firmensitz <strong>in</strong> Berl<strong>in</strong> blieb<br />
bestehen. Teile der Geschäftsführung und der<br />
Lokführer wechselten zur Gütersparte EGP<br />
– <strong>Eisenbahn</strong>gesellschaft Pots dam.<br />
Aktivitäten im Fernverkehr<br />
Mit ODEG, PEG und NEB s<strong>in</strong>d die drei Unternehmen<br />
genannt, die <strong>in</strong> Berl<strong>in</strong> neben<br />
DB Regio über Jahre Nahverkehr betrieben.<br />
Daneben gibt es aber auch private Fernverkehrszüge.<br />
Als Ersatz für e<strong>in</strong>en von der Deutschen<br />
Bahn AG e<strong>in</strong>gestellten D-Zug nahm<br />
die Georg Verkehrsorganisation im September<br />
2000 den Nachtzugverkehr zwischen<br />
Berl<strong>in</strong> und Malmö auf. Die Züge führen nur<br />
Schlaf- und Liegewagen und laufen als<br />
EN 300 Scand<strong>in</strong>avia-Night-Express bzw.<br />
EN 301 Berl<strong>in</strong>-Night-Express.<br />
<strong>BAHN</strong> <strong>EXTRA</strong> 4/2014 43
Fahrzeuge und Betrieb<br />
| PRIVATE EISEN<strong>BAHN</strong>VERKEHRSUNTERNEHMEN IN BERLIN<br />
In den Jahren 2008 bis 2010 war V 252 der<br />
Mittelweserbahn an DB AutoZug vermietet.<br />
Am 15. Januar 2010 rangiert die Kle<strong>in</strong>lok <strong>in</strong><br />
Berl<strong>in</strong>-Wannsee e<strong>in</strong>ige Autotransportwagen,<br />
die an e<strong>in</strong>en Nachtreisezug angehängt werden<br />
Sebastian Schrader<br />
fahrt nach Stralsund. Jedoch wurde er be -<br />
reits nach kurzer Zeit e<strong>in</strong>gestellt.<br />
Güter, Gleisbau und Rangierdienst<br />
Im Güterverkehr wiederum fanden etliche<br />
Privatbahnen e<strong>in</strong> Betätigungs feld. Berl<strong>in</strong><br />
hat hier vor allem als Zwischenstation e<strong>in</strong>e<br />
Menge zu bieten, ist es doch die Achsenverb<strong>in</strong>dung<br />
von den Ostseehäfen nach Süden<br />
oder Osten. Auf dem Außenr<strong>in</strong>g, der teilweise<br />
die Stadt durchquert, sieht der Beobachter<br />
die unterschiedlichsten Arten von Zügen<br />
und Fahrzeugen. Die Bandbreite reicht von<br />
schweren Ganzzügen bis zu leichten Sonderleistungen.<br />
Entsprechend groß ist die Vielfalt<br />
der Unternehmen.<br />
Die DB-Tochter Mitteldeutsche <strong>Eisenbahn</strong>-Gesellschaft<br />
(MEG) fährt Zementzüge<br />
von Rüdersdorf zur Ostsee; die Bespannung<br />
übernehmen Elloks der Baureihen 143, 155<br />
oder 156. 143er gibt es auch bei den Stahlzügen<br />
von Arcelor Mittal, während MRCE Dispolok<br />
mit Elloks analog dem „Taurus“ und<br />
der Baureihe 189 präsent ist. Die ITL <strong>Eisenbahn</strong><br />
setzte zuerst Dieselloks 228 e<strong>in</strong>, ehe<br />
das Kamenzer bzw. Dresdner Unternehmen<br />
neue Zug pfer de bestellte. Blaue Loks der<br />
PRESS s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> und um Berl<strong>in</strong> genauso zu sehen<br />
wie schwarz-rote von Uwe Adam. Dies<br />
44<br />
Die Nohab-Dieselloks zählten zu den großen Privatbahn-Attraktionen: My 1142 und My 1125<br />
verd<strong>in</strong>gen sich im Oktober 2009 im Frachtdienst (Bild im Güterbahnhof Großbeeren) Bodo Schulz<br />
ist nur e<strong>in</strong>e erste Auswahl, die man noch nahezu<br />
beliebig fortführen könnte.<br />
Auch <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em weiteren Geschäftsfeld<br />
haben sich Privatbahnen erfolgreich niedergelassen:<br />
dem Bauzugdienst. Er br<strong>in</strong>gt viele<br />
verschiedene Lokomotiven auf die Bau stel -<br />
len Berl<strong>in</strong>s. So verd<strong>in</strong>gen sich Oldtimer-<br />
Diesel der Reihen 202, 346 oder sogar V 75.<br />
Die Masch<strong>in</strong>en der Firma BUG s<strong>in</strong>d grün, die<br />
der LOCON orange und WFL rangiert im<br />
dunklen Rot. Fotografen erfreuen sich täg -<br />
lich an der Baureihenvielfalt zwischen Berl<strong>in</strong>-Hohenschönhausen<br />
und Schönefeld. E<strong>in</strong><br />
besonderes Highlight waren e<strong>in</strong>st die Kiezzüge<br />
von der Ostbahn kommend nach Berl<strong>in</strong><br />
mit den Nohab-Dieselloks (V 170); jene Reihe<br />
fuhr übrigens bei Bauarbeiten auch den<br />
Georg-Nachtzug vom Berl<strong>in</strong>er Ostbahnhof<br />
nach Lichtenberg zum Lokwechsel. Inzwischen<br />
mussten die „Kartoffelkäfer“ neueren<br />
Generationen von Verbrennungslokomo -<br />
tiven weichen, über e<strong>in</strong>ige Blue Tiger und die<br />
Class 66 bis h<strong>in</strong> zur Maxima 40 CC.<br />
Da <strong>in</strong> Berl<strong>in</strong> bis auf BNO (Berl<strong>in</strong> Nordost)<br />
und Berl<strong>in</strong>-Ruhleben alle Güterbahnhöfe<br />
stillgelegt s<strong>in</strong>d, durcheilen die meisten<br />
Frachtzüge die Stadt. In Berl<strong>in</strong> versorgen<br />
Ganzzüge noch die Kraftwerke Mariendorf<br />
(Bahnhof Marienfelde mit Kesselzügen via<br />
Berl<strong>in</strong>-Südkreuz) und Moabit (Kohlenzüge).<br />
E<strong>in</strong> besonderes Kapitel stellen schließlich<br />
die Rangierdienste dar, denn die Verwendung<br />
der NME-Lok Mitte der 1990er blieb ke<strong>in</strong> E<strong>in</strong>zelfall.<br />
Oft werden für DB-Lokomotiven, die
Fernreiseverkehr e<strong>in</strong>er Privatbahn <strong>in</strong> Berl<strong>in</strong>:<br />
Am 28. April 2014 ist der InterConnex<br />
Warnemünde – Leipzig nahe des S-Bahnhofs<br />
Bornholmer Straße unterwegs. Westlich<br />
des Abzweigs Bornholmer Straße verlief e<strong>in</strong>st<br />
die Grenze zwischen West- und Ost-Berl<strong>in</strong><br />
Konrad Kosch<strong>in</strong>ski<br />
Das Zementwerk an der Greifswalder Straße<br />
wird regelmäßig auf der Schiene bedient. Im<br />
August 2012 machen sich die „Holzroller“<br />
142 128 und 142 118 sowie 212 054 der <strong>Eisenbahn</strong>gesellschaft<br />
Potsdam (EGP) mit dem<br />
Zementzug DGS 95187 auf den Weg nach<br />
Geseke Sebastian Schrader<br />
zur Reparatur s<strong>in</strong>d, andere von Privaten angemietet.<br />
So konnte man zeitweise e<strong>in</strong>e<br />
Kle<strong>in</strong>lok der Reihe 332 der Mittelweserbahn<br />
(MWB) im Anschluss von DB Autozug <strong>in</strong> Berl<strong>in</strong>-Wannsee<br />
erleben. An der Greifswalder<br />
Straße rangiert zumeist e<strong>in</strong>e Lok der Reihe<br />
312 der Firma WFL. Dagegen zog sich die<br />
NME weitgehend auf ihre „Industriebahn“<br />
zurück; der erwähnte Bahnhof Neukölln ist<br />
heute weitgehend verwaist.<br />
Bei der Lokversorgung gehen die Unternehmen<br />
unterschiedliche Wege. Die <strong>in</strong> der<br />
Uckermark angesiedelte LOCON AG, die vor<br />
allem Güterzüge fährt, nutzt seit über sechs<br />
Jahren die alten Anlagen im Bw Berl<strong>in</strong>-Lichtenberg.<br />
Allerd<strong>in</strong>gs auch nur die Strahlengleise<br />
ohne den baufälligen Rundschuppen.<br />
Andere Bauunternehmen stellen ihre Loks<br />
auf Anschlussgleisen ab. Das klassische<br />
Bahnbetriebswerk ist hier längst Geschichte.<br />
Industriebahnen und Bahn-Adressen<br />
Die Betrachtung der Berl<strong>in</strong>er Privatbahnen<br />
wäre derweil nicht vollständig ohne den<br />
Blick auf die Industriebahnen. Ihr Netz<br />
<strong>BAHN</strong> <strong>EXTRA</strong> 4/2014<br />
schrumpfte bereits zu Beg<strong>in</strong>n der 1990er-<br />
Jahre erheblich. Anschlüsse wurden entbehrlich,<br />
da der Güterverkehr sich neu ordnete<br />
oder ausblieb. Die elektrifizierte „Bullenbahn“<br />
<strong>in</strong> Oberschöneweide verzichtete 1995<br />
auf die Elloks, 1996 auf den Restbetrieb mit<br />
Zweiwegefahrzeugen. Anders erg<strong>in</strong>g es der<br />
Berl<strong>in</strong>er Hafen- und Lagerhausgesellschaft<br />
(BEHALA), die schon seit den 1920er-Jahren<br />
existiert. Eigentlich <strong>in</strong> West-Berl<strong>in</strong> angesiedelt<br />
und <strong>in</strong> Moabit am Westhafen im E<strong>in</strong>satz,<br />
führt sie seit 1990 auch den Betrieb im Netz<br />
des früheren VEB B<strong>in</strong>nen häfen. Wobei die<br />
silbernen Rangierdiesel <strong>in</strong> Moabit zumeist<br />
auf ihren Hafenbahngleisen bleiben.<br />
Noch häufiger als Privatbahnen mit Fahrzeugen<br />
f<strong>in</strong>det man <strong>in</strong> Berl<strong>in</strong> aber am Ort e<strong>in</strong>getragene<br />
<strong>Eisenbahn</strong>verkehrsunternehmen.<br />
E<strong>in</strong> Grund für die Vielzahl der Bahnadressen:<br />
E<strong>in</strong> Bahnunternehmen muss nicht unbe -<br />
d<strong>in</strong>gt eigene Lokomotiven haben; es kann<br />
beispielsweise auch nur Triebfahrzeugführer<br />
für andere Leistungen stellen. In anderen<br />
Fällen war das Unternehmen erst im Entstehen.<br />
Neben den Dampflokfreunden <strong>in</strong> Berl<strong>in</strong>-Schöneweide<br />
zum Beispiel versuchte<br />
sich e<strong>in</strong> Geschäftsführer der Röbel-Müritzer<br />
<strong>Eisenbahn</strong> (RME) an e<strong>in</strong>em Standort für historische<br />
Fahrzeuge samt Vermietleistungen.<br />
Bis auf wenige betriebsbereite Lokomotiven<br />
der Reihen 346 und 202 sammelte er meist<br />
eher schrottreife Wagen und Lokomotiven,<br />
die <strong>in</strong> Bereichen des Bw Lichtenberg, des<br />
aufgelassenen S-Bw Friedrichsfelde oder<br />
Bernau verstreut standen. Aufgrund von<br />
Zahlungsschwierigkeiten hat die RME Ber -<br />
l<strong>in</strong> <strong>in</strong>zwischen wieder verlassen.<br />
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Momentaufnahmen<br />
| DAMPFNOSTALGIE IN BERLIN<br />
Hoch zu Ross ...<br />
Schon bevor die Mauer fiel, setzte die Reichsbahn <strong>in</strong> Berl<strong>in</strong> Dampflokomotiven<br />
für Nostalgie-Sonderfahrten e<strong>in</strong>. Nach dem Herbst 1989 aber begann der Boom der<br />
schwarzen Rösser: <strong>Eisenbahn</strong>freunde und Veranstalter nutzten den Bestand<br />
an Masch<strong>in</strong>en und die vorhandene Infrastruktur für den Nostalgieverkehr. Selbst<br />
planmäßige Züge auf der Stadtbahn wurden wieder mit Dampf bespannt<br />
In Sachen Dampflok-Romantik<br />
unterwegs: Am 31. August 1989<br />
bespannt 02 0201 e<strong>in</strong>en Sonderzug mit<br />
Doppelstockwagen auf dem Innenr<strong>in</strong>g;<br />
rechts der S-Bahnhof Westend<br />
Bodo Schulz<br />
46
Sogar e<strong>in</strong> richtiges Dampflok-Bw<br />
gab es: In Schöneweide wird im<br />
Oktober 1993 Lok 01 2066<br />
versorgt Wolfgang Dath<br />
Zu Reichsbahnzeiten waren die Dampfwolken über den Bahngleisen<br />
meist e<strong>in</strong> Ärgernis – aber nicht immer, denn es gab so<br />
manche Sonderfahrt, die <strong>Eisenbahn</strong>freunde <strong>in</strong> die Züge<br />
lockte (und bei Veranstaltungen <strong>in</strong> West-Berl<strong>in</strong> die begehrten Valuta<br />
– West-Mark – brachte). Nach dem Mauerfall hatte die Reichsbahn<br />
zudem e<strong>in</strong>en unschätzbaren Vorteil: Sie verfügte noch über<br />
Dampflokomotiven und Dampflok-Infrastruktur. So waren die<br />
Museumslok 52 6666 und weitere Exemplare der Baureihe 52.80 betriebsfähig<br />
erhalten, aber auch Schnellzugloks oder gar Tenderloks<br />
ließen sich für E<strong>in</strong>sätze heranziehen. Das bot die Chance, dampflokbespannte<br />
Sonder- und sogar Regelzüge zu fahren.<br />
Hatten bisher 52 6666 und ihre Schwestern im W<strong>in</strong>ter Wagen oder<br />
Schuppen geheizt, so heizten sie nun Dampflokfreunden bei Ehren-<br />
Lokführer-Sem<strong>in</strong>aren auf der Strecke nach Töpch<strong>in</strong> e<strong>in</strong>. Und auch<br />
beim Plandampf, wenn Dampfloks (ansonsten von Dieselloks geführte)<br />
Planzüge übernahmen, war der Dampflok-Fundus von Vorteil.<br />
Schöneweider 52er kamen damit <strong>in</strong> die Altmark oder stampften bei<br />
Im Herbst 1994 verabschiedet sich 52 8134 als letzte DB-Dampflok;<br />
den Lokpark hatte man schrittweise reduziert Heiko Focken<br />
<strong>BAHN</strong> <strong>EXTRA</strong> 4/2014<br />
Locker zieht 01 1531 mit ihrem<br />
D-Zug aus Halberstadt am<br />
19. Oktober 1991 an der S-Bahn<br />
vorbei; Bild an der E<strong>in</strong>fahrt zum<br />
Bahnhof Alexanderplatz Sven Kle<strong>in</strong><br />
47
Momentaufnahmen<br />
| DAMPFNOSTALGIE IN BERLIN<br />
Dampf auf der Stadtbahn: Mit dem „Gurkenzug“ Nauen – Berl<strong>in</strong> –<br />
Lübbenau hat die Wustermarker 52 8075 an e<strong>in</strong>em Sommertag 1992 den<br />
S-Bahnhof Alexanderplatz passiert und dampft weiter Richtung Ostbahnhof,<br />
wo zahlreiche Fahrgäste ihre Dampfzugfahrt Richtung Spreewald<br />
beg<strong>in</strong>nen werden Mart<strong>in</strong> Weltner<br />
Heute gibt es Sonderfahrten<br />
unter anderem<br />
mit dem Programm<br />
„Berl<strong>in</strong> macht Dampf“.<br />
Dabei kommt am<br />
5. Mai 2013 „Else“ alias<br />
52 8177 mit dem<br />
Traditionszug auf den<br />
Innenr<strong>in</strong>g; soeben<br />
erreicht die Garnitur<br />
den S-Bahnhof<br />
Schöneberg<br />
Bodo Schulz<br />
48
Auch die Tenderlok<br />
74 1230 ist mit von der<br />
Partie; im Mai 1993<br />
lässt sie sich <strong>in</strong><br />
Berl<strong>in</strong> Hauptbahnhof<br />
bewundern<br />
Volker Emersleben<br />
Am 29. August 1991 s<strong>in</strong>d 52 6666 und 52 8079 für<br />
die praktische Ausbildung während e<strong>in</strong>es<br />
Lokführersem<strong>in</strong>ars e<strong>in</strong>gesetzt. An der Ausfahrt<br />
des Bahnhofs Mittenwalde hat man beide Loks<br />
für e<strong>in</strong> Souvenirfoto aufgestellt Wolfgang Dath<br />
Bei der von Rob<strong>in</strong><br />
Garn organisierten<br />
Plandampfveranstaltung<br />
„Metropol“ fährt<br />
am 4. April 1994<br />
e<strong>in</strong> Pendelzug auf<br />
der Stadtbahn;<br />
Zuglokomotiven<br />
s<strong>in</strong>d 03 1010 und<br />
03 2204. Hier trifft<br />
der Zug im<br />
Bahnhof Friedrichstraße<br />
e<strong>in</strong><br />
Wolfgang Dath<br />
„Viva Magistrale“ nach Magdeburg. Es war damals die eher verrückte<br />
Idee, 52 8055 e<strong>in</strong>fach nur vor Fristende würdig zu verabschieden –<br />
aber die Reichsbahndirektion Berl<strong>in</strong> zog dabei alle Register. Daraus<br />
entstand nämlich die Bespannung des als „Gurkenzug“ bekannt gewordenen<br />
Planzugs Nauen – Berl<strong>in</strong> – Lübbenau. Wustermarker und<br />
Schöneweider 52er präsentierten sich nahezu jeden Samstag vor<br />
diesem Planzug; sonntags g<strong>in</strong>g es nach Rhe<strong>in</strong>sberg. Als alle 52er<br />
verkauft waren, bewährten sich noch andere Dampflokomotiven<br />
vor diesem Zug.<br />
Untrennbar verbunden s<strong>in</strong>d die Dampfveranstaltungen der<br />
1990er-Jahre <strong>in</strong> und um Berl<strong>in</strong> mit dem Namen Rob<strong>in</strong> Garn. Der <strong>Eisenbahn</strong>freund<br />
aus dem Westen erreichte, dass Schnellzüge an auserwählten<br />
Tagen wieder mit Dampf über die Stadtbahn Berl<strong>in</strong>s<br />
fuhren. Gleich fünf Masch<strong>in</strong>en präsentierten sich vor schweren<br />
D-Zügen. Andere Veranstalter zogen nach. Ob die Überführung der<br />
65 1057 nach Basdorf, die 74 1230 zu Silvester auf der Humboldthafenbrücke<br />
oder andere Charterzüge – die Stadtbahn war vor ihrer<br />
Sanierung noch mal „Pflicht“.<br />
Stichwort Umbau: Der s<strong>in</strong>kende Dampflokbestand, die reduzierte<br />
Infrastruktur und nicht zuletzt die Modernisierung der Strecken ließ<br />
ab Mitte der 1990er-Jahre die Zahl der Dampfloke<strong>in</strong>sätze spürbar<br />
schrumpfen – Plandampf gab es gar nicht mehr. Aber noch immer<br />
gibt es Bahn-Nostalgie im Berl<strong>in</strong>er Stadtbild, wenn auch <strong>in</strong> ganz<br />
kle<strong>in</strong>em Rahmen. Bei den Museumsfahrten „Berl<strong>in</strong> macht Dampf“<br />
zum Beispiel sieht man Sonderzüge mit Dampfloks sogar auf bedeutenden<br />
Bahnverb<strong>in</strong>dungen.<br />
Michael Reimer/GM<br />
<strong>BAHN</strong> <strong>EXTRA</strong> 4/2014 49
Strecken und Stationen<br />
| DIE <strong>BAHN</strong>BETRIEBSWERKE IN BERLIN<br />
Gew<strong>in</strong>ner<br />
und Verlierer<br />
Alt und neu <strong>in</strong> nächster Nähe: Im Juli 2009<br />
beherbergt das ehemalige Bahnbetriebswerk<br />
Schöneweide nur noch historische<br />
Fahrzeuge (unten). Das ehemalige Reichsbahnausbesserungswerk<br />
Schöneweide<br />
hat e<strong>in</strong>e neue Funktion als Hauptwerkstatt<br />
der S-Bahn erhalten (oben) Bodo Schulz<br />
Die Teilung Berl<strong>in</strong>s war an der Struktur der<br />
Lokbehandlung nicht spurlos vorübergegangen.<br />
Doch wer gehofft hatte, nach der Wende käme<br />
es zu e<strong>in</strong>em Aufschwung der Bahnbetriebswerke,<br />
sah sich <strong>in</strong> den meisten Fällen getäuscht<br />
Dass sich die <strong>Eisenbahn</strong> <strong>in</strong> der<br />
geteilten Stadt unterschiedlich entwickelte,<br />
konnte <strong>in</strong> den 80er-Jahren<br />
wirklich niemand mehr übersehen. Die <strong>Eisenbahn</strong><br />
<strong>in</strong> West-Berl<strong>in</strong> unterstand der Betriebsführung<br />
der Deutschen Reichsbahn<br />
(DR) – und war immer wieder Gegenstand<br />
politischer Aktionen und Diskussionen. Der<br />
<strong>Eisenbahn</strong>verkehr hatte sich entschieden<br />
verändert. Es blieb nur das erhalten, was Devisen<br />
<strong>in</strong> Form von D-Mark für die DR (und<br />
damit die DDR) erbrachte. Etwas anders verhielt<br />
es sich lediglich beim S-Bahn-Verkehr<br />
<strong>in</strong> den Westsektoren; den hatte 1984 die West-<br />
Berl<strong>in</strong>er BVG übernommen. Sie nutzte für<br />
die Instandhaltung ihrer Triebzüge Hallen <strong>in</strong><br />
Berl<strong>in</strong>-Wannsee, Hundekehle (Grunewald)<br />
und Papestraße (Tempelhof).<br />
Gegensätze West – Ost<br />
Ansonsten gab es im Westteil nur e<strong>in</strong> Bahnbetriebswerk<br />
(Bw), das noch tätig war:<br />
Grunewald. Die Lokbehandlungsanlagen <strong>in</strong><br />
Tempelhof verfielen. Nach der Neustrukturierung<br />
im Westteil unterstanden der Unterhaltungsstelle<br />
für Masch<strong>in</strong>entechnik (UfM)<br />
Tempelhof die E<strong>in</strong>satzstelle Grunewald und<br />
das „Reichsbahn aus besserungswerk“ (Raw)<br />
Tempelhof Rangierbahnhof. Die Unterhaltungsstelle<br />
für Bahntechnik (UfB) hielt den<br />
Schuppen <strong>in</strong> Tempelhof Rangierbahnhof für<br />
die Bahnmeisterei vor, Teile des ehemaligen<br />
Raw Grunewald wurden zur Direktionsbeschaffungsstelle.<br />
Außerdem gab es das stillgelegte<br />
Gelände am Anhalter Bahn hof; es<br />
wurde später e<strong>in</strong> Hauptbestandteil des Verkehrsmuseums<br />
(heute Deutsches Technik<br />
Museum).<br />
Im Ostteil der Stadt, der Hauptstadt der<br />
DDR, brummte dagegen der Betrieb. Ke<strong>in</strong>es<br />
der Bahnbetriebswerke war entbehrlich. Historische<br />
Rotunden <strong>in</strong> Rummelsburg oder<br />
Pankow blieben erhalten, auch wenn sich<br />
dort nur kurze Lokomotiven unterbr<strong>in</strong>gen<br />
ließen. Für Sonder- und Heizlokdienste standen<br />
selbst zur Wende noch e<strong>in</strong>e Vielzahl von<br />
50<br />
betriebsfähigen Dampfrössern der Baureihe<br />
52 im Bw Schöneweide zur Verfügung.<br />
Kurze Blüte – lange Schrumpfung<br />
Im Jahr 1990 gab es <strong>in</strong> Berl<strong>in</strong> drei große<br />
Bahnbetriebswerke mit zusammen fünf E<strong>in</strong>satzstellen<br />
sowie e<strong>in</strong>e weitere E<strong>in</strong>satzstelle;<br />
die S-Bahn unterhielt im wesentlichen zwei<br />
Bahnbetriebswerke, zwei E<strong>in</strong>satzstellen und<br />
e<strong>in</strong>e Triebwagenhalle (siehe S. 53). Doch dabei<br />
sollte es nicht bleiben. Zwar bescherte<br />
die verstärkte E<strong>in</strong>b<strong>in</strong>dung des wiedervere<strong>in</strong>igten<br />
Berl<strong>in</strong> <strong>in</strong> den Fernreiseverkehr manchem<br />
Bw e<strong>in</strong>e kurzzeitige Blüte – zunächst<br />
blieben auch alle Werke bestehen, der Zugverkehr<br />
wandelte sich stetig. Langfristig<br />
aber lief die Entwicklung auf die Schrumpfung<br />
h<strong>in</strong>aus. Das s<strong>in</strong>kende Güterverkehrsaufkommen<br />
und der Sparkurs der DR bzw.<br />
der 1994 nachfolgenden Deutschen Bahn AG<br />
legten dies nahe. Bereits die Anfang der<br />
1990er-Jahre entwickelte Langfristige Wer -<br />
ke-Ordnung sah e<strong>in</strong>e Bündelung der Standorte<br />
vor, was sich dann bei der DB AG ver-<br />
Das Rundhaus des Bw Pankow bietet zwar nicht viel Platz, aber für die Kle<strong>in</strong>loks der Reichsbahn<br />
ist es e<strong>in</strong>e willkommene Unterbr<strong>in</strong>gungsmöglichkeit. Foto vom Oktober 1993 Heiko Focken
stärkt fortsetzte. Die Divisionalisierung – die<br />
Aufteilung <strong>in</strong> Geschäftsbereiche – sorgte dabei<br />
für manche Kuriosität. Wie sich die Bw-<br />
Landschaft nach 1990 entwickelte, zeigt der<br />
folgende Überblick.<br />
Bw Pankow und E<strong>in</strong>satzstellen<br />
„Taigatrommeln“ (Diesellok-Baureihe 120),<br />
„Holzroller“ (Ellok-Baureihe 242), diverse<br />
Dieselloks und auch „Ferkeltaxen“ (Triebwagen<br />
171) – der Bestand des Bahnbetriebswerks<br />
war Anfang der 90er-Jahre recht bunt.<br />
Dem Niedergang des Güterverkehrs stand<br />
zunächst der Aufschwung beim Reise ver -<br />
kehr gegenüber, der immerh<strong>in</strong> e<strong>in</strong>en Teil der<br />
Abgänge kompensierte. Bis Dezember 1992<br />
verschwanden die 242 (jetzt 142), bis Januar<br />
1994 die 120 (jetzt 220); im Gegenzug kamen<br />
ab August 1992 modernisierte 219-Dieselloks<br />
(229) und ab Mai 1993 Dieselloks der Baureihe<br />
232 <strong>in</strong> den Bestand; sie bespannten<br />
IC- bzw. D-Züge von Berl<strong>in</strong> nach Hamburg,<br />
Helmstedt und Oebisfelde und blieben bis<br />
1994/95 hier stationiert. Auch zu dieser Zeit<br />
hatte Pankow noch Bedeutung: Ende Mai<br />
1994 übernahm der Standort alle Lokführer<br />
aus Schöneweide, zudem baute ihn die<br />
Weil der Aufenthalt im<br />
Schuppen Geld kostete,<br />
blieben die Loks draußen<br />
DB AG zu e<strong>in</strong>er Zweigniederlassung (ZNL)<br />
des <strong>in</strong>zwischen gegründeten Geschäftsbereichs<br />
Traktion auf. Dieser gehörten nicht<br />
weniger als elf E<strong>in</strong>satzstellen an, zum Teil<br />
sogar Dienststellen <strong>in</strong> weiterer Entfernung<br />
wie Angermünde und Neustadt (Dosse). Pankow<br />
selbst wurde letztlich zur Heimat aller<br />
„Stangendieselloks“ <strong>in</strong> Berl<strong>in</strong>.<br />
Jedoch währte dies nicht lange. Zum 1. Januar<br />
1997 wurde der benachbarte Rangierbahnhof<br />
formell geschlossen, und nun zeigte<br />
sich e<strong>in</strong>e Stilblüte der Divisionalisierung. Die<br />
Schuppengleise gehörten zum Geschäftsbereich<br />
Werke, zuständig für die Triebfahrzeug-<br />
Unterhaltung; die Triebfahrzeuge aber wa -<br />
ren Teil des Geschäftsbereichs Traktion, der<br />
den Fahrbetrieb leistete. Wenn nun die Lok<br />
vom GB Traktion im Schuppen des GB Werke<br />
nächtigte, musste die e<strong>in</strong>e DB-Sparte an die<br />
andere zahlen. Daher standen die abgestellten<br />
Lokomotiven fortan vor den Hal len. Im<br />
W<strong>in</strong>ter taten sie dies mit laufendem Motor<br />
und wie e<strong>in</strong>st g<strong>in</strong>g der Schuppen heizer von<br />
Triebfahrzeug zu Triebfahrzeug und kümmerte<br />
sich darum, es „warm“ zu halten.<br />
Bis Ende 1998 gab Pankow se<strong>in</strong>e Dieselloks<br />
der Baureihen 202, 219, 232, 234 und 346<br />
ab. Die DB AG unterhielt hier zwar noch ei-<br />
<strong>BAHN</strong> <strong>EXTRA</strong> 4/2014 51
Strecken und Stationen<br />
| DIE <strong>BAHN</strong>BETRIEBSWERKE IN BERLIN<br />
Das Streckennetz im Berl<strong>in</strong>er Zentrum mit dem<br />
„Hundekopf“, dem Innenr<strong>in</strong>g. Orange markiert<br />
s<strong>in</strong>d die Bahnbetriebswerke bzw. S-Bahn-Betriebswerke,<br />
Stand 1990. Heute betreut nur<br />
noch das ICE-Werk Rummelsburg planmäßig<br />
Triebfahrzeuge Slg. Dirk W<strong>in</strong>kler, Bearbeitung: Anneli Nau<br />
nen Abstell- und Meldeort, tatsächlich aber<br />
wurden die Anlagen nicht mehr genutzt und<br />
verkamen. Die Jugendveranstaltung „Rock<br />
im Schuppen“ blieb e<strong>in</strong> Zwischen spiel.<br />
Im Jahr 2014 war die Anlage baufällig –<br />
die sehenswerte Rotunde ist <strong>in</strong> noch schlechterem<br />
Zustand als das Schwes ter bauwerk <strong>in</strong><br />
Rummelsburg. Viele Nutzungsideen, vom<br />
Garten bis zum Möbelhaus, wurden<br />
druckreif, aber bis heute nicht angefangen.<br />
Schon früher hatte e<strong>in</strong>e Berl<strong>in</strong>er Dienststelle<br />
des Bw Pankow schließen müssen. Die<br />
E<strong>in</strong>satzstelle Basdorf war 1990 Heimat für<br />
e<strong>in</strong>ige Leichttriebwagen 171/172 und ansonsten<br />
Abstellplatz für nicht mehr benötigte<br />
120er-Dieselloks. Ende 1992 wurde das Gelände<br />
von der Reichsbahn geräumt und der<br />
Niederbarnimer <strong>Eisenbahn</strong> überlassen; <strong>in</strong>zwischen<br />
dient es den Berl<strong>in</strong>er <strong>Eisenbahn</strong>freunden<br />
zu musealen Zwecken.<br />
Bw Schöneweide und E<strong>in</strong>satzstellen<br />
Nach der Wende hatten zwar die hiesigen<br />
106er-Dieselloks und 242er-Elloks aus -<br />
52<br />
Das ehemalige Bahnbetriebswerk Anhalter Bahnhof hatte schon vor der Wende se<strong>in</strong>e<br />
Funktion verloren; es wird <strong>in</strong>zwischen aber vom Deutschen Technik Museum genutzt.<br />
Im Dezember 2011 gastiert dort 35 1019 des Lausitzer Dampflok-Club Bodo Schulz<br />
gedient, aber das Bw bekam <strong>in</strong> anderer H<strong>in</strong>sicht<br />
Bedeutung. Hier wurden zunächst<br />
Reichsbahn-Dampfloks zusammengezogen<br />
– 1993 umfasste der Bestand nicht weniger<br />
als acht 52er! Verwendung fanden sie bei<br />
Plandampfveranstaltungen und Lokführersem<strong>in</strong>aren<br />
und sie hielten somit auch den<br />
Standort Schöneweide „am Leben“.<br />
Allerd<strong>in</strong>gs verlor Schöneweide 1993/94<br />
die Eigenständigkeit; es wurde e<strong>in</strong>e E<strong>in</strong>satzstelle<br />
der Zweigniederlassung Pankow des<br />
Geschäftsbereichs Traktion, die Triebfahr-
Im Sommer 2002 rollt e<strong>in</strong>e 145 <strong>in</strong> Rummelsburg an den<br />
Gebäuden der DB Netz AG vorbei – h<strong>in</strong>ten die markante<br />
Rotunde. Das ICE-Werk liegt weiter l<strong>in</strong>ks Willy Grübner<br />
zeug-Unterhaltung wechselte nach Lichtenberg.<br />
Ab dem 29. Mai 1994 gab es hier nur<br />
noch e<strong>in</strong>e Lokleitung, ausgelagert <strong>in</strong> e<strong>in</strong><br />
Sozialgebäude an der S-Bahn-Station. Inzwischen<br />
dient das Bw Schöneweide zum Teil<br />
den Dampflokfreunden vom DB Museum;<br />
sie hüten dort diverse Fahrzeugschätze.<br />
Für die E<strong>in</strong>satzstelle Königs Wusterhau -<br />
sen war schon früher das Aus gekommen. Zunächst<br />
noch Heimat für Dieselloks der Baureihen<br />
106 und 110, endete 1992 die Nutzung.<br />
Der Lokschuppen wurde 1995 abgerissen.<br />
Überblick<br />
Berl<strong>in</strong>er Bahnbetriebswerke 1990<br />
Im Juni 1995 hat die<br />
E<strong>in</strong>satzstelle Lichtenberg<br />
E 44 103 zu Gast;<br />
auf der Drehscheibe<br />
steht das werkseigene<br />
Akkuschleppfahrzeug.<br />
Fünf Jahre später wurde<br />
dieser Standort geschlossen<br />
Volker Emersleben<br />
Im Jahr 1990 hielt die Deutsche Reichsbahn folgende Werke <strong>in</strong> Berl<strong>in</strong> vor:<br />
Bw Berl<strong>in</strong>-Pankow; hauptsächlich e<strong>in</strong>gesetzte Triebfahrzeuge: Baureihen 101/102,<br />
105/106, 110, 120, 171, 242; mit E<strong>in</strong>satzstellen Basdorf und Oranienburg<br />
Bw Berl<strong>in</strong>-Schöneweide; Baureihen 52, 106; mit E<strong>in</strong>satzstelle Königs Wusterhausen<br />
Bw Berl<strong>in</strong> Ostbahnhof; Baureihen 118, 132, 175, 243; mit den E<strong>in</strong>satzstellen<br />
Berl<strong>in</strong>-Rummelsburg, Berl<strong>in</strong>-Lichtenberg<br />
– E<strong>in</strong>satzstelle Grunewald der UfM Tempelhof; Baureihen 101, 106<br />
S-Bw Berl<strong>in</strong>-Grünau; Baureihe 277 (künftig auch 270)<br />
S-Bw Berl<strong>in</strong>-Friedrichsfelde; Baureihen 275, 276<br />
S-Bw E<strong>in</strong>satzstelle Erkner; Baureihe 277<br />
S-Bw E<strong>in</strong>satzstelle Oranienburg; Baureihe 275<br />
Triebwagenhalle Bernau; Baureihe 277<br />
Zusätzlich wurden S-Bahn-Triebzüge <strong>in</strong> Berl<strong>in</strong>-Wannsee unterhalten (Baureihe 275).<br />
Für die Fahrzeugreparatur gab es das Reichsbahnausbesserungswerk „Roman<br />
Chwalek“ <strong>in</strong> Berl<strong>in</strong>-Schöneweide (für S-Bahn, außerdem U-Bahn und Straßenbahn)<br />
und das Reichsbahnausbesserungswerk „Franz Stenzer“ an der Warschauer Straße<br />
für Güterwagen (Kühlwagen, Rungenwagen). Das ehemalige Raw Grunewald<br />
fungierte als Direktionsbeschaffungsstelle, das ehemalige Raw Tempelhof Rangierbahnhof<br />
als Unterhaltungsstelle für Masch<strong>in</strong>entechnik. Aufstellung: Michael Reimer<br />
Bw Ostbahnhof und E<strong>in</strong>satzstellen<br />
Zu Zeiten der Wende hieß die Dienststelle<br />
Bw Hauptbahnhof – der zugehörige Bahnhof<br />
war se<strong>in</strong>erzeit ja der Hauptbahnhof und erst<br />
später erhielten Bahnhof und Bw (wieder)<br />
die Bezeichnung Ostbahnhof. Auf den Anlagen<br />
gab es e<strong>in</strong>e Menge zu sehen: Zum umfangreichen<br />
Diesellok-Bestand gesellten<br />
sich ab Juni 1990 Elloks der Baureihe 243<br />
und später auch die neuen 112er; ab Frühjahr<br />
1992 kamen noch IC-taugliche Diesel loks<br />
Das Bw Hauptbahnhof<br />
erlebte e<strong>in</strong>en schnellen<br />
Auf- und Abstieg<br />
234 dazu. Doch es war e<strong>in</strong> schnelles Auf und<br />
Ab, denn die Reichsbahn zog sukzessive<br />
„Großdiesel“ ab: bis Juni 1991 alle 118 (später<br />
228), bis 1993 alle 232, bis 1994 die 234. Die<br />
„Stangen-Diesel“ 344–346 verließen im Oktober<br />
1995 den nunmehrigen Betriebshof, der<br />
schließlich nur noch 112er beheimatete. E<strong>in</strong>ige<br />
Jahre später folgte die Schlie ßung, 2001<br />
wurde das Areal an e<strong>in</strong>en priva ten Investor<br />
verkauft. Von dem modernen Bw-Gelände<br />
(Baujahr 1970) ist fast nichts mehr vor -<br />
handen. Heute steht dort die O2-Halle. Nur<br />
aus Denkmalschutzgründen blieben drei Gebäude<br />
vom Bahnarchtikten Bade erhalten.<br />
Nicht viel besser erg<strong>in</strong>g es der E<strong>in</strong>satz -<br />
stelle Rummelsburg, der gleich im Sommer<br />
1990 e<strong>in</strong>e große Ehre zuteil wurde. Sie be -<br />
heimatete den TEE-Dieseltriebzug der Bundesbahn-Baureihe<br />
601, der im August/Sep -<br />
tem ber als IC „Max Liebermann“ zwischen<br />
Berl<strong>in</strong> und Hamburg fuhr. Im Dezember 1990<br />
gab die Reichsbahn das Fahrzeug <strong>in</strong> die<br />
Schweiz ab. Bis 1993 wurde die E<strong>in</strong>satzstelle<br />
genutzt, danach lag das „alte“ Bw-Gelände<br />
brach. Die Gebäude standen zwar unter<br />
Denkmalschutz – darunter neben dem Bau<br />
im Bw Pankow die zweite erhalten<br />
gebliebene Rotunde –, doch sie verfielen<br />
langsam. Im Jahr 2014 präsentiert sie sich<br />
ent kernt und <strong>in</strong> traurigem Zustand. E<strong>in</strong>e öffentliche<br />
Nutzung <strong>in</strong>mitten der Bahngleise<br />
ersche<strong>in</strong>t unmöglich.<br />
Ganz ohne Betrieb ist Rummelsburg allerd<strong>in</strong>gs<br />
nicht. In unmittelbarer Nähe der<br />
alten Anlagen entstand ab Februar 1997 e<strong>in</strong><br />
<strong>BAHN</strong> <strong>EXTRA</strong> 4/2014 53
Strecken und Stationen<br />
| DIE <strong>BAHN</strong>BETRIEBSWERKE IN BERLIN<br />
Im Juni 1993 ist e<strong>in</strong>e Ellok 103 der Bundesbahn zu Gast im Bw Berl<strong>in</strong> Hauptbahnhof. Dass es<br />
sich bei dem Standort um e<strong>in</strong>e der modernen Dienststellen <strong>in</strong> der Spreestadt handelte, half<br />
den Anlagen wenig; die Schließung durch die Deutsche Bahn kam dennoch Volker Emersleben<br />
ICE-Werk, das am 20. Mai 1998 fertig gestellt<br />
wurde. Bis heute versorgt es Triebzüge der<br />
Typen ICE 1, ICE 2, ICE-T und zusätzlich den<br />
Diesel-ICE (siehe S. 36-39).<br />
Die zweite E<strong>in</strong>satzstelle, Lichtenberg,<br />
übernahm 1997 die Triebfahrzeuge aus Pankow.<br />
Zum Ende des Jahrzehnts verlagerte<br />
sich der Schwerpunkt der Beheimatung auf<br />
Fahrzeuge des Regionalverkehrs, im E<strong>in</strong>zelnen<br />
die Diesellok-Baureihen 202, 219 und die<br />
Triebwagen 628 und 772; zusätzlich hatte<br />
man Rangierdieselloks 346 <strong>in</strong> Lichtenberg<br />
stationiert. Am 17. November 2000 wurde jedoch<br />
die E<strong>in</strong>satzstelle geschlossen.<br />
Sonderfall Grunewald<br />
Seit 1986/87 hatte es im Bw Grunewald ke<strong>in</strong>e<br />
Lokstationierungen mehr gegeben. Das<br />
sollte sich ändern: Im September 1990 erhielt<br />
der Standort 16 Kle<strong>in</strong>loks (7 x 100, 9 x 101),<br />
die Personale übernahmen Zugleistungen<br />
nach Helmstedt, Oebisfelde, Hamburg. Ab<br />
1993 wurde Grunewald e<strong>in</strong>e E<strong>in</strong>satzstelle des<br />
Bw Wustermark, umgebaut und teilweise<br />
elektrifiziert. Denn mit der im Frühjahr 1994<br />
beg<strong>in</strong>nenden Schließung der Stadtbahn für<br />
Sanierungsarbeiten nahm der Standort die<br />
im Bahnhof Zoo endenden Lokomotiven auf.<br />
Zusätzlich errichtete man <strong>in</strong> Grunewald Anlagen<br />
zur behelfsmäßigen Untersuchung<br />
von ICE-Zügen, die bis zur Fertigstellung des<br />
ICE-Werks <strong>in</strong> Rummelsburg hier erledigt<br />
werden sollten. Aufgeteilt <strong>in</strong> die Bereiche<br />
Traktion und Werke, erlebte Grunewald verschiedene<br />
Änderungen der Zustän dig keit,<br />
bis man den Standort 1996 vollends als E<strong>in</strong>satzstelle<br />
des Betriebshofs Berl<strong>in</strong> Hauptbahnhof<br />
führte. Bald darauf wurde e<strong>in</strong>e E<strong>in</strong>-<br />
54<br />
satzstelle der DB-Gütersparte Cargo e<strong>in</strong>gerichtet,<br />
die jedoch schon im September 1998<br />
wieder die Arbeit beendete. Danach betreute<br />
die Dienststelle Berl<strong>in</strong>er Museumsfahrzeuge<br />
und nach der Rekonstruktion als Werkstatt<br />
der DB Netz AG Nebenfahrzeuge.<br />
Die S-Bahn-Betriebswerke<br />
Bei der Berl<strong>in</strong>er S-Bahn blieb zunächst alles<br />
beim Alten. Doch das änderte sich Mitte der<br />
1990er-Jahre, als die Betriebsteile der BVG<br />
und der Deutschen Reichsbahn <strong>in</strong> der neu<br />
gegründeten S-Bahn Berl<strong>in</strong> GmbH aufg<strong>in</strong> -<br />
gen. Ebenfalls <strong>in</strong> diese Zeit fiel e<strong>in</strong>e Neu -<br />
ausrichtung des Instandhaltungswesens. Die<br />
vorhandenen Bahnbetriebswerke wurden<br />
zu Werkstätten (Bswst) und das Reichsbahnausbesserungswerk<br />
Schöneweide zur<br />
Haupt werkstatt (Hwst). Innen geputzt, beherbergte<br />
es fortan nur die S-Bahn-Wagen.<br />
Bei den e<strong>in</strong>zelnen Werkstätten gab es an -<br />
fangs positive Impulse. So unterzog man das<br />
S-Bahn-Bw Friedrichsfelde 1991 e<strong>in</strong>em Sanierungsprogramm<br />
und renovierte die Werkstatthalle;<br />
Friedrichsfelde beheimatete die<br />
Altbauzüge 475 und 476, die neueren 485 sowie<br />
e<strong>in</strong>en Gepäckzug und e<strong>in</strong> Museumsfahrzeug.<br />
Mitte 1994 wurden die 485 nach Grü -<br />
nau verlegt, ab 1. Januar 1995 war das Bw<br />
Teil der S-Bahn Berl<strong>in</strong> GmbH. Im Jahr 1997<br />
fungierte Friedrichsfelde als Auslauf-Betriebswerk<br />
für die „Stadtbahner“ der Baureihe<br />
475.<br />
In die Schlagzeilen kam der Standort e<strong>in</strong>ige<br />
Jahre später, als die S-Bahn Berl<strong>in</strong><br />
GmbH e<strong>in</strong>en rigiden Sparkurs e<strong>in</strong>schlug.<br />
Denn aus Kostengründen wurde das S-Bw<br />
Friedrichsfelde nach der Fußball-Weltmeisterschaft<br />
im Sommer 2006 geschlossen. E<strong>in</strong><br />
Schritt, den man noch bereuen sollte. Denn<br />
mit den heruntergefahrenen Kapazitäten<br />
konnten viele Störungen an den Fahrzeugen<br />
nicht behoben werden, im S-Bahn-Verkehr<br />
kam es zu Ausfällen und chaotischen Zuständen.<br />
Es fehlte schlichtweg an Kapazitäten<br />
und Personal. So wurde 2010 das Werk <strong>in</strong><br />
Friedrichsfelde (ohne Heizung) reaktiviert.<br />
Heute entstehen dort neue Gleise und neue<br />
Abstellmöglichkeiten.<br />
Das Bw Grünau hatte 1991 se<strong>in</strong>e 275er<br />
nach Friedrichsfelde abgegeben und wurde<br />
im Juni 1996 geschlossen, um e<strong>in</strong>en Komplettneubau<br />
zu ermöglichen. Die Arbeiten<br />
verlagerte man so lange <strong>in</strong> die Außenstellen<br />
Erkner, Bernau und <strong>in</strong> die Hauptwerkstatt<br />
Schöneweide. Am 6. November 1998 wurde<br />
<strong>in</strong> Grünau der Instandhaltungs-Neubau mit<br />
neuer Halle und e<strong>in</strong>er Waschanlage eröffnet.<br />
Für die Bauphase am Berl<strong>in</strong>er Ostkreuz<br />
(seit 2006) und die Inselfahrten der S-Bahn-<br />
L<strong>in</strong>ie 3 hauchte die S-Bahn GmbH dem zwischenzeitlich<br />
nicht mehr genutzten Werk<br />
Erkner (vormals E<strong>in</strong>satzstelle von Grünau)<br />
wieder Leben e<strong>in</strong>. Die S-Bahn-Freunde, die<br />
vorher mit ihren Museumszügen von Hundekehle<br />
nach Erkner umgezogen waren,<br />
mussten teilweise ausziehen; für historische<br />
Fahrzeuge hatte die GmbH weder Nerven<br />
noch Geld. Auch e<strong>in</strong>e <strong>in</strong>zwischen wieder<br />
selbstständig geführte Triebwagenhalle <strong>in</strong><br />
Oranienburg ist aktiv. Lediglich die noch vorhandenen,<br />
aber länger nicht genutzten Anlagen<br />
an der Papestraße wurden abgerissen.<br />
Die Situation 2014<br />
Neben den erwähnten, im E<strong>in</strong>satz bef<strong>in</strong>d -<br />
lichen Anlagen gibt es im heutigen Berl<strong>in</strong><br />
e<strong>in</strong>ige weitere E<strong>in</strong>richtungen zur Triebfahrzeugversorgung.<br />
Lokomotiven und Triebwagen<br />
von DB Regio zum Beispiel fahren <strong>in</strong> die<br />
Wagenwerkstatt an der Buchberger Straße<br />
<strong>in</strong> Lich ten berg, die wenigen vom Fern -<br />
verkehr <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e Halle im Wagenwerk Rummelsburg.<br />
Triebfahrzeuge für die Güter spar -<br />
te (DB Schenker Rail) werden ausschließlich<br />
im Werk Sedd<strong>in</strong>, südwestlich von Berl<strong>in</strong>,<br />
<strong>in</strong>stand gehalten. Im Areal des e<strong>in</strong>stigen<br />
Bw Lichtenberg steht heute die e<strong>in</strong>zige Dieselloktankstelle<br />
der Stadt. Auf den Gleisen<br />
f<strong>in</strong>den sich Trieb wagen und Lokomotiven<br />
unterschied lichs ter <strong>Eisenbahn</strong>verkehrsunternehmen.<br />
Interessant ist schließlich noch der Werdegang<br />
des Bw Lichtenberg und des Reichsbahnausbesserungswerks<br />
„Franz Stenzer“<br />
<strong>in</strong> der Warschauer Straße. Bei Ersterem<br />
belegt heute das private <strong>Eisenbahn</strong>verkehrsunternehmen<br />
LOCON e<strong>in</strong>ige Gleise mit Dieselloks,<br />
bei Letzterem dient e<strong>in</strong> Teil der<br />
Anlage DB Nachtzug, e<strong>in</strong> weiterer als „Franz-<br />
Klub“ der Nachtszene Berl<strong>in</strong>s.<br />
Michael Reimer/Willy Grübner
Fasz<strong>in</strong>ation Nahverkehr<br />
GeraMond Verlag GmbH, Infanteriestraße 11a, 80797 München<br />
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Strecken und Stationen<br />
| DIE GÜTER- UND RANGIER<strong>BAHN</strong>HÖFE IN BERLIN<br />
Vergangener Glanz<br />
Über viele Jahrzehnte bildete der <strong>Eisenbahn</strong>güterverkehr das Rückgrat<br />
der Versorgung, <strong>in</strong> Ost- wie <strong>in</strong> West-Berl<strong>in</strong>. Doch alle Planungen zu e<strong>in</strong>em<br />
Ausbau wurden durch den Niedergang nach dem Mauerfall überholt.<br />
Mit dem neuen Jahrtausend begann der strukturierte Rückzug der Bahn<br />
aus dem Gütertransport. Auch <strong>in</strong> Berl<strong>in</strong><br />
56
Im April 1993 entstand das Bild vom Güterbahnhof Berl<strong>in</strong>-Buch<br />
mit e<strong>in</strong>em Kesselwagenzug samt e<strong>in</strong>er Diesellok 120. Der Güterbahnhof<br />
wurde bald danach zurückgebaut Heiko Focken<br />
Im September 1991<br />
ist der Hamburg<br />
und Lehrter Güter -<br />
bahnhof (HuL) „gut<br />
im Geschäft“: E<strong>in</strong>e<br />
118 fährt mit ihrem<br />
Kesselwagenzug<br />
aus, h<strong>in</strong>ten werden<br />
Conta<strong>in</strong>erwagen<br />
rangiert. Heute<br />
stellt man hier nur<br />
noch auf zwei<br />
verbliebenen<br />
Gleisen Kohlewagen<br />
für das Kraftwerk<br />
Moabit um<br />
Konrad Kosch<strong>in</strong>ski<br />
Die Versorgung e<strong>in</strong>er Großstadt war<br />
schon immer e<strong>in</strong>e logistische Herausforderung.<br />
Der Bedarf an Nahrungsmitteln,<br />
an Heiz- und Baumaterialien,<br />
Rohstoffen und Waren sowie die Absiche -<br />
rung des wirtschaftlichen Kreislaufs erreichten<br />
Dimensionen, die nur leistungsfähige Verkehrsträger<br />
erbr<strong>in</strong>gen konnten. In Berl<strong>in</strong><br />
stellte hierfür die <strong>Eisenbahn</strong> neben der B<strong>in</strong>nenschifffahrt<br />
das Rückgrat dar – viele Jahrzehnte<br />
lang. In dieser Zeit wuchs e<strong>in</strong>e Infrastruktur<br />
heran, die auch nach dem Zweiten<br />
Weltkrieg die Lebensadern der Großstadt bildete.<br />
Große Rangierbahnhöfe <strong>in</strong>mitten der<br />
Stadt – <strong>in</strong> Pankow, Tempelhof, Schöneweide<br />
und Rummelsburg – waren die Knoten im<br />
Güterverkehr; Güterbahnhöfe <strong>in</strong> der Nähe<br />
der großen Personenbahnhöfe und Bahn -<br />
In der Stadt entstanden<br />
große Rangierbahnhöfe<br />
und etliche Verteilstellen<br />
höfe entlang der übrigen Strecken waren die<br />
Umschlagzentren, vor allem für Stückgut.<br />
Mit der unterschiedlichen Entwicklung<br />
der beiden Halbstädte nach dem Mauerbau<br />
wandelte sich auch der Güterverkehr. Nahm<br />
<strong>in</strong> der Versorgung West-Berl<strong>in</strong>s der Lkw-Verkehr<br />
e<strong>in</strong>en immer breiteren Raum e<strong>in</strong>, blieb<br />
die Reichsbahn für die Ost-Berl<strong>in</strong>er Versorgung<br />
weiterh<strong>in</strong> der Hauptverkehrsträger.<br />
Die großen Güterbahnhöfe am Ost- und am<br />
Wriezener Bahnhof waren Umschlagszentren<br />
für Lebensmittel und Stückgut, Adlershof<br />
kam e<strong>in</strong>e Hauptrolle <strong>in</strong> der Hausbrandversorgung<br />
zu, Pankow, Rummelsburg oder<br />
Schöneweide nahmen e<strong>in</strong>e wichtige Rolle<br />
für die örtliche Industrie e<strong>in</strong>. In West-Berl<strong>in</strong><br />
<strong>BAHN</strong> <strong>EXTRA</strong> 4/2014 57
Strecken und Stationen<br />
| DIE GÜTER- UND RANGIER<strong>BAHN</strong>HÖFE IN BERLIN<br />
H<strong>in</strong>tergrund<br />
Baustellenlogistik<br />
Der nach der Wende e<strong>in</strong>setzende Bauboom<br />
<strong>in</strong> Berl<strong>in</strong>s Zentrum, auf den <strong>in</strong>nerstädtischen<br />
Brachen vom Potsdamer<br />
Platz bis zum Tiergarten, hätte Prognosen<br />
zufolge e<strong>in</strong>en Baustellenverkehr mit<br />
täglich 5.000 Lkw erfordert. Die DB erkannte<br />
frühzeitig, dass e<strong>in</strong> reibungsloser<br />
Ablauf der Bauvorhaben nicht ohne entsprechende<br />
verkehrstechnische Maßnahmen<br />
möglich ist. Andererseits sah sie<br />
auch die Chance, größere Aufträge für<br />
den Gütertransport zu erhalten.<br />
Geme<strong>in</strong>sam mit dem Berl<strong>in</strong>er Senat<br />
wurde bis 1992 e<strong>in</strong> Konzept erarbeitet,<br />
das bis 1993 zur Gründung e<strong>in</strong>es Public-<br />
Private-Partnership-Unternehmens<br />
führte.<br />
Ziel der Baustellenlogistik Potsdamer<br />
Platz war es, die Versorgung mit Bau -<br />
materialien sowie die Entsorgung der<br />
Baustellen zu gewährleisten. Unter<br />
Umweltgesichtspunkten wurde der<br />
Haupttransport auf Bahn und B<strong>in</strong>nenschiffahrt<br />
übertragen. Auf den Geländen<br />
des ehemaligen Potsdamer und des<br />
Anhalter Güterbahnhofs wurden entsprechende<br />
Anlagen errichtet und<br />
Gleisanschlüsse reaktiviert bzw. neu<br />
geschaffen. Im Juli 1994 fuhr der erste<br />
Zug mit Sand vom Potsdamer Platz. Für<br />
die Errichtung des Baulogistikzentrums<br />
auf dem Gelände des ehemaligen<br />
Potsdamer Güterbahnhofes war der<br />
Abriss von Güter- und Lokschuppen<br />
sowie von Teilen des Viadukts der R<strong>in</strong>gund<br />
Vorortbahn notwendig. Auf den<br />
Strecken der Stammbahn und der<br />
Anhalter Bahn wurden Logistikgleise<br />
mit neuen Brücken über die Yorckstraße<br />
geführt. Zudem errichtete man von<br />
1995 bis 2006 auf dem Gelände des<br />
Potsdamer Güterbahnhofs die südliche<br />
Rampe und die Tunnele<strong>in</strong>fahrt für die<br />
Nord-Süd-Fernbahn. Die Baulogistik<br />
endete 2001. 2006 begannen die Arbeiten<br />
zur Umgestaltung des ehemaligen<br />
Bahngeländes zu e<strong>in</strong>em Grünpark am<br />
Gleisdreick, der ab 2011 nach und nach<br />
eröffnet wurde.<br />
Im Logistikverkehr von und zur Baustelle<br />
Postdamer Platz ist am 27. Oktober 1997<br />
Diesellok 202 287 an der Kolonnenstraße<br />
unterwegs. An dieser Stelle liegt heute der<br />
S-Bahnhof Julius-Leber-Brücke Michael Krolop<br />
58<br />
Wer er<strong>in</strong>nert sich noch an den CargoSpr<strong>in</strong>ter? Am 10. September 1997 wurde e<strong>in</strong>er der Gütertriebwagen<br />
<strong>in</strong> Berl<strong>in</strong> Frankfurter Allee präsentiert. Zu e<strong>in</strong>em Seriene<strong>in</strong>satz kam es allerd<strong>in</strong>gs<br />
nicht Volker Emersleben<br />
besaßen der Anhalter- und der Moabiter<br />
Güterbahnhof sowie der Güterbahnhof am<br />
Hamburger- und Lehrter Bahnhof (HuL)<br />
noch e<strong>in</strong>e wichtige Rolle im Stückgutumschlag,<br />
Ruhleben und Neukölln h<strong>in</strong>gegen<br />
e<strong>in</strong>e Schlüsselrolle für örtliche Industrieunternehmen.<br />
Betrieblicher Mittelpunkt des<br />
Güterverkehrs war der Rangierbahnhof Grunewald.<br />
Planungen vor der Wende<br />
Mitte der 1980er-Jahre dachte nicht nur die<br />
Reichsbahn darüber nach, wie sie ihr Defizit<br />
<strong>in</strong> West-Berl<strong>in</strong> abbauen könnte. Auch die<br />
Bundesbahn überlegte, den Schienengüterverkehr<br />
von und nach West-Berl<strong>in</strong> attrak -<br />
tiver zu machen. 1987 be för derte die DB im<br />
Berl<strong>in</strong>verkehr rund 2,4 Millionen Tonnen<br />
Güter, davon nur 30.100 Tonnen Stückgut.<br />
Hauptverkehrsträger mit e<strong>in</strong>em Anteil von<br />
68 % waren Lkw. Ziel des DB-Konzepts war<br />
es, dem Straßengüterverkehr durch verbesserte<br />
Angebote im Komb<strong>in</strong>ierten Ladungsverkehr<br />
(Huckepackverkehr) sowie im Con -<br />
ta<strong>in</strong>er verkehr Marktanteile abzu neh men,<br />
die Serviceleistungen zu erhöhen und durch<br />
den Ausbau der Strecke Berl<strong>in</strong> – Stendal –<br />
Hannover für 200 km/h die Transportgeschw<strong>in</strong>digkeit<br />
im Güterverkehr zu steigern.<br />
Im Zuge der notwendigen Rationalisierungsmaßnahmen<br />
der Reichsbahn <strong>in</strong> West-<br />
Berl<strong>in</strong> wurde 1987 die Stückgutabfertigung<br />
am Anhalter Güterbahnhof aufgegeben und<br />
die gesamte Abfertigung <strong>in</strong> Moabit konzentriert.<br />
Weiterh<strong>in</strong> sollte e<strong>in</strong>e Reihe von Bahnhöfen<br />
und Betriebsanlagen geschlossen werden,<br />
darunter die Güterbahnhöfe Görlitzer<br />
Bahnhof, Treptow, Eberswalder Straße,<br />
Spree ufer und Lichterfelde West. Gleich -<br />
zeitig war bereits angedacht, nicht mehr benötigte<br />
Flächen zu veräußern.<br />
Im Januar 1989 schlossen der West-Berl<strong>in</strong>er<br />
Senat und die Reichsbahn e<strong>in</strong>e umfangreiche<br />
Vere<strong>in</strong>barung über den <strong>Eisenbahn</strong>-<br />
Güterverkehr. Ziel war die Modernisierung<br />
des Güterverkehrs, die Neunutzung von<br />
<strong>Eisenbahn</strong>flächen sowie die Fertigstellung<br />
des Stadtautobahnr<strong>in</strong>gs am Sachsendamm.<br />
Mit der Vere<strong>in</strong>barung übergab die Reichsbahn<br />
mehrere Bahnanlagen an West-Berl<strong>in</strong>:<br />
den Anhalter Güterbahnhof, den Güterbahnhof<br />
Spreeufer, den Güterbahnhof am Görlitzer<br />
Bahnhof sowie den westlichen Teil des<br />
Rangierbahnhofs Tempelhof. Auf der ande -<br />
ren Seite sollte HuL modernisiert und <strong>in</strong> zwei<br />
Baustufen ausgebaut werden, <strong>in</strong>sbesondere<br />
der Conta<strong>in</strong>erbahnhof; auf dem Güterbahnhof<br />
Moabit waren neue Umschlaghallen für<br />
die geplante Konzentration des Güterverkehrs<br />
vorgesehen. Bis 1993 wollte man <strong>in</strong><br />
HuL die Gleisanlagen erweitern, e<strong>in</strong> neues<br />
Zentralstellwerk bauen und E<strong>in</strong>richtungen<br />
für den Kombiverkehr schaffen. Die Idee e<strong>in</strong>es<br />
Südgüterbahnhofs wurde endgültig aufgegeben.<br />
Auch für Ost-Berl<strong>in</strong> sah die Reichsbahn<br />
Veränderungen für den Güterverkehr vor.<br />
Neben der Erweiterung des Rangier bahn -<br />
hofs Wuhlheide – e<strong>in</strong>schließlich neuer Signal-<br />
und Sicherungstechnik – plante sie den<br />
Abzug des Conta<strong>in</strong>erumschlags vom Con -<br />
ta<strong>in</strong>erbahnhof Frankfurter Allee. Um den erwarteten<br />
Kapazitätsengpässen zu begegnen,<br />
dachte sie seit 1970 an e<strong>in</strong> Conta<strong>in</strong>erzentrum<br />
Nordost auf dem gleichnamigen Güterbahnhof.<br />
Noch im Februar 1989 hielt die Reichs-
Nach der Wende und der Wirtschaftsunion sank das Güteraufkommen der<br />
Berl<strong>in</strong>er Industrie, dafür hatte andere Fracht Konjunktur. Im April 1991 passiert<br />
120 372 mit e<strong>in</strong>em Ganzzug die Bösebrücke an der Bornholmer Straße;<br />
mancher rümpft bei dem Zug die Nase, und das nicht von ungefähr: Das<br />
Ladegut ist Müll Bodo Schulz<br />
bahn allerd<strong>in</strong>gs e<strong>in</strong>en Baubeg<strong>in</strong>n erst nach<br />
1995 für erforderlich.<br />
Der Güterverkehr nach der Wende<br />
Mit der politischen Wende <strong>in</strong> der DDR und<br />
dem zum 3. Oktober 1990 vollzogenen<br />
Beitritt der DDR zur Bundesrepublik setzte<br />
dann e<strong>in</strong> tiefgreifender Wandel im Güterverkehr<br />
e<strong>in</strong>. Kraftverkehrslogistiker drängten<br />
<strong>in</strong> den nun offenen Markt und machten der<br />
Reichsbahn Fracht streitig. Gleichzeitig bekam<br />
es die Industrie <strong>in</strong> Ost- und wenig später<br />
auch West-Berl<strong>in</strong> mit veränderten Rahmenbed<strong>in</strong>gungen<br />
zu tun, der sie zum großen Teil<br />
nicht standhalten konnte. Zwar blieb das Gütertransportvolumen<br />
anfangs, besonders<br />
durch die starke Nachfrage nach Konsumgütern,<br />
auf hohem Niveau. Doch die e<strong>in</strong>setzende<br />
De<strong>in</strong>dustrialisierung <strong>in</strong> Berl<strong>in</strong> führte<br />
zu e<strong>in</strong>em rapiden Rückgang der Gütertransporte<br />
im Bereich des verarbeitenden Gewerbes.<br />
Die <strong>in</strong> weiten Teilen nicht konkurrenzfähige<br />
Industrie <strong>in</strong> Ost-Berl<strong>in</strong>, das Vorgehen<br />
der Treuhandanstalt und das Auslaufen der<br />
Berl<strong>in</strong>-Förderung für die West-Berl<strong>in</strong>er Industrie<br />
ließen die <strong>in</strong>dustrielle Wertschöpfung<br />
e<strong>in</strong>brechen. Während die geteilte Stadt allmählich<br />
zusammen wuchs, fiel die Zahl der<br />
im verarbeitenden Gewerbe Tätigen von<br />
1991 bis 2001 um mehr als zwei Drittel.<br />
Die Bahn bewältigte <strong>in</strong> den ersten Nachwendejahren<br />
noch e<strong>in</strong>en Großteil des Güterverkehrs<br />
von und nach Berl<strong>in</strong>. Waren es 1991<br />
rund 10 Millionen Tonnen, sank die Menge<br />
bis 1993 auf rund 7,5 Millionen Tonnen. Danach<br />
wuchs die Menge des <strong>in</strong> Berl<strong>in</strong> umgeschlagenen<br />
Gutes wieder an und erreichte<br />
1996 den Spitzenwert von rund 12 Millionen<br />
Tonnen – um dann drastisch zu fallen. 1999<br />
hatte sie sich halbiert. Haupttransportgüter<br />
waren über alle Jahre Kohle, Öl und Bau -<br />
Mit der Wende änderte<br />
sich der Güterverkehr<br />
auf der Schiene komplett<br />
stoffe, <strong>in</strong> weit ger<strong>in</strong>gerem Maße Konsum -<br />
güter oder Produkte für die verarbeitende Industrie.<br />
Alles <strong>in</strong> allem sank der Anteil des<br />
Schienengüterverkehrs am Wirtschaftsverkehr<br />
Berl<strong>in</strong>s von 26 % im Jahr 1992 auf 9 %<br />
im Jahr 2000. Der zunehmende ungleiche<br />
Wettbewerb mit dem Güterkraftverkehr, e<strong>in</strong><br />
zu hohes Preisniveau der Bahn sowie der<br />
von den Kunden bemängelte schlechte Service<br />
begünstigten die Entwicklung.<br />
Dies blieb nicht ohne Folge für die <strong>Eisenbahn</strong><strong>in</strong>frastruktur.<br />
Die Zahl der im Stückgutverkehr<br />
bedienten Güterbahnhöfe <strong>in</strong> Berl<strong>in</strong><br />
verr<strong>in</strong>gerte sich stetig. Besonders die <strong>in</strong> Ost-<br />
Berl<strong>in</strong> gelegenen Güterbahnhöfe mit großen<br />
<strong>in</strong>dustriellen Anschließern waren betroffen.<br />
Der Güterbahnhof <strong>in</strong> Schöneweide, der<br />
Über gabebahnhof für die Industriebahn<br />
Oberschöneweide <strong>in</strong> Rummelsburg, aber<br />
auch kle<strong>in</strong>ere Güterbahnhöfe waren 1997 bereits<br />
stillgelegt. Der Rangierbahnhof Wuhlheide<br />
wurde zum 10. Januar 1994 geschlos -<br />
sen, obwohl erst zwei Jahre zuvor e<strong>in</strong> neues<br />
Stellwerk <strong>in</strong> Betrieb g<strong>in</strong>g. Am 2. Juni 1996<br />
folgte der Rangierbahnhof Pankow. Der<br />
rück läufige Conta<strong>in</strong>erumschlag, die schlech -<br />
te Zufahrt sowie die Verlagerung des Umschlags<br />
zum Conta<strong>in</strong>erbahnhof an der Heidestraße<br />
(HuL) sorgten dafür, dass der Conta<strong>in</strong>erbahnhof<br />
Frankfurter Allee zum<br />
31. Dezember 1999 se<strong>in</strong>en Betrieb e<strong>in</strong>stellte.<br />
E<strong>in</strong>stige Kohleumschlagplätze, wie <strong>in</strong> Adlershof<br />
und Kaulsdorf, waren ebenfalls bis<br />
1999 ohne Funktion.<br />
Der geplante Kahlschlag<br />
Der stetigen wirtschaftlichen Schieflage im<br />
Güterverkehr wollte die mittlerweile gegründete<br />
Deutsche Bahn AG mit e<strong>in</strong>em großen<br />
Programm begegnen. MORA C, das Marktorientierte<br />
Angebot Cargo, reduzierte drastisch<br />
das Angebot im E<strong>in</strong>zelwagenladungsverkehr<br />
und setzte verstärkt auf die Beförderung<br />
von Ganzzügen. Der Bahnkonzern<br />
<strong>BAHN</strong> <strong>EXTRA</strong> 4/2014 59
Strecken und Stationen<br />
| DIE GÜTER- UND RANGIER<strong>BAHN</strong>HÖFE IN BERLIN<br />
hoffte auf größere Kunden im Inland und vermehrte<br />
<strong>in</strong>ternationale Verkehrsleistungen,<br />
etwa im Conta<strong>in</strong>erverkehr; der Stückgutumschlag<br />
kle<strong>in</strong>er Unternehmen wurde dagegen<br />
als unrentabel angesehen.<br />
Bereits Mitte 2001 warf das Programm<br />
se<strong>in</strong>e Schatten voraus – alle<strong>in</strong> <strong>in</strong> Berl<strong>in</strong><br />
sollten bis Ende 2002 sechs von 26 Güterbahnhöfen<br />
geschlossen werden. Doch diese<br />
verkündeten Daten g<strong>in</strong>gen zum Teil an der<br />
Realität vorbei. E<strong>in</strong>ige der Bahnhöfe hatten<br />
bereits seit längerem ke<strong>in</strong>en Güterzug mehr<br />
gesehen, e<strong>in</strong>zig die Anlagen waren noch vorhanden.<br />
Die Gleisreste <strong>in</strong> Schöneweide wurden<br />
bis 2001 beseitigt, der Kohlenbahnhof<br />
Adlershof schloss offiziell zum 1. Januar<br />
2002, doch auch hier waren die Gleise bis<br />
Dezember 2001 bereits komplett abgeräumt.<br />
Der Betriebsbahnhof Schöneberg, der im<br />
Rahmen der Baustellenlogistik Potsdamer<br />
Platz als Wendebahnhof für die Züge vom<br />
Logistikzentrum zum Bahnhof Tempelhof<br />
diente, wurde im Jahr 2002 geschlossen,<br />
ebenso der <strong>in</strong> dem Zusammenhang zum Abstellen<br />
von Zementzügen genutzte Güterbahnhof<br />
Wilmersdorf.<br />
Der größte Güterumschlagplatz der DB<br />
lag im <strong>in</strong>zwischen neu wachsenden Stadtzentrum.<br />
Trotz der guten <strong>in</strong>nerstädtischen<br />
Lage (oder gerade deshalb?) entschied sie,<br />
den Güterbahnhof HuL an der Heidestraße<br />
Ende 2003 zu schließen – obwohl sie ihn als<br />
Der Wandel der Berl<strong>in</strong>er<br />
Industrie entzog der<br />
Bahn Güterkunden<br />
wichtigen Umschlagplatz ansah. E<strong>in</strong> schneller<br />
Ersatz wurde mit Großbeeren präsentiert,<br />
dem seit September 1998 gebauten, aber bis<br />
dato kaum ausgelasteten Güterverteilzentrum<br />
(GVZ) im südlichen Berl<strong>in</strong>er Umland.<br />
Die Stadt verfolgte unter diesen Voraussetzungen<br />
das Ziel, den Westhafen als <strong>in</strong>nerstädtisches<br />
Güterverteilzentrum aufrecht zu<br />
erhalten und auszubauen. Für den <strong>in</strong>nerstädtischen<br />
Güterverkehr verblieb als e<strong>in</strong>zige<br />
größere Anlage, sieht man e<strong>in</strong>mal von dem<br />
städtischen Westhafen ab, das ab 1995 e<strong>in</strong>gerichtete<br />
Güterverteilzentrum Treptow auf<br />
dem e<strong>in</strong>stigen Güterbahnhof, das über e<strong>in</strong>e<br />
Conta<strong>in</strong>erkrananlage verfügte. Allerd<strong>in</strong>gs<br />
wurde nur e<strong>in</strong> Jahr nach der Schließung von<br />
HuL im Oktober 2004 auch der Conta<strong>in</strong>erbahnhof<br />
Treptow geschlossen.<br />
Rückzug auf ganzer L<strong>in</strong>ie<br />
Erst seit 2005 begann die Berl<strong>in</strong>er Wirtschaft<br />
wieder zu wachsen, jedoch auf anderen<br />
Gebieten als zuvor. Treibende Kraft wurden<br />
<strong>in</strong> zunehmendem Maße der Dienstleistungsund<br />
Me dien sektor, die verarbeitende Industrie<br />
stagnierte auf niedrigem Niveau. Das<br />
Transport volu men der Bahn war mit rund<br />
60<br />
In Berl<strong>in</strong> Ostgüterbahnhof kommt 1999 Lok 7 der Osthannoverschen <strong>Eisenbahn</strong>en zum<br />
E<strong>in</strong>satz. Für die Firma Schauffele ist sie im Baustoffrangierverkehr tätig Volker Emersleben<br />
4 Millionen Ton nen <strong>in</strong>zwischen auf e<strong>in</strong>em<br />
Tiefpunkt angelangt; es betrug damit gerade<br />
e<strong>in</strong>mal das Doppelte des Wertes von 1987 für<br />
West- Ber l<strong>in</strong>.<br />
Nach Angaben der DB waren zum<br />
30. April 2005 im Land Berl<strong>in</strong> noch 20 Güterverkehrsstellen<br />
(Güterbahnhöfe) und e<strong>in</strong>e<br />
Zugbildungsanlage (Rangierbahnhof) <strong>in</strong> Betrieb<br />
– e<strong>in</strong>schließlich der Privatbahnen. Die<br />
e<strong>in</strong>stigen großen Rangierbahnhöfe Grunewald,<br />
Pankow, Schöneweide, Tempelhof und<br />
Wuhlheide hatte man zu diesem Zeitpunkt<br />
bereits stillgelegt, nur noch Berl<strong>in</strong>-Nordost<br />
war <strong>in</strong> Verwendung. Bedient wurden von der<br />
DB noch Greifswalder Straße, Grünau, Lichtenberg,<br />
Lichterfelde-West, Marienfelde,<br />
Moa bit, Neukölln, Nordost, Re<strong>in</strong>ickendorf,<br />
Ruhleben, Rummelsburg und Treptow. Aller -<br />
d<strong>in</strong>gs lief für Moabit bereits e<strong>in</strong> Verfahren<br />
für e<strong>in</strong>en neuen Bebauungsplan. Andere ge-<br />
Ihre Prämie<br />
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nannte Bahnhöfe waren nur Übergabebahnhöfe,<br />
wie Lichtenberg, Neukölln, Ruhleben<br />
oder Rummelsburg, Treptow verfiel für kurze<br />
Zeit <strong>in</strong> e<strong>in</strong>en Dornröschenschlaf, bevor ihn<br />
e<strong>in</strong> Baulogistiker wieder wach küsste.<br />
In den Folgejahren kehrte sich die Entwicklung<br />
nicht nennenswert um. Die Übergabestelle<br />
an die Neukölln-Mittenwalder <strong>Eisenbahn</strong><br />
am Bahnhof Hermannstraße hatte<br />
die DB 2008 bis auf zwei Gleise abbauen lassen<br />
und damit den Güterbahnhof Neukölln<br />
aufgegeben. Das passte <strong>in</strong> die Ende 2009 von<br />
der DB geplante neuerliche Schlie ßungs -<br />
welle. Bundesweit waren 72 Güterbahnhöfe<br />
auserwählt worden, darunter e<strong>in</strong>ige Berl<strong>in</strong>er.<br />
Anfang 2011 wurden unter anderem noch die<br />
Bahnhöfe Neukölln, Rummelsburg, Westhafen<br />
und Ruhleben regelmäßig im E<strong>in</strong>zelwagenverkehr<br />
bedient. Treptow verlor se<strong>in</strong>en<br />
Conta<strong>in</strong>er kran, Pläne für e<strong>in</strong> modernes<br />
Güterverteilzentrum wurden bisher nicht<br />
realisiert. Auch der lange noch genutzte<br />
Güterbahnhof Greifswalder Straße wurde<br />
2011 geschlossen. Immerh<strong>in</strong> stieg die zu<br />
befördern de Menge im <strong>Eisenbahn</strong>güterverkehr<br />
wieder an und lag 2011 bei rund 5,5 Millionen<br />
Tonnen.<br />
Flächen für die Stadtentwicklung<br />
Für die brach liegenden, teils verwahrlosten<br />
Flächen fand die DB bald Abnehmer. Das lukrative<br />
Geschäft mit Immobilien spülte Geld<br />
<strong>in</strong> die Kassen des Konzerns. Auf dem Ostgüterbahnhof<br />
entstand zwischen 2006 und 2008<br />
e<strong>in</strong>e große Veranstaltungshalle, ganz dem<br />
Berl<strong>in</strong>er Eventcharakter verpflichtet; gegenüber<br />
auf dem Wriezener Güterbahnhof fanden<br />
Groß- und E<strong>in</strong>zelhandel e<strong>in</strong>en Platz, e<strong>in</strong>e<br />
bewusst gestaltete Grünfläche wird folgen.<br />
In Halensee wurde bis 2013 als erstes neues
Das Streckennetz im zentralen Berl<strong>in</strong> mit dem Innenr<strong>in</strong>g („Hundekopf“) <strong>in</strong> den späten 1980er-Jahren: Die roten Kästchen geben die damals<br />
vorhandenen Güter-/Rangierbahnhöfe an; rot-grün markiert s<strong>in</strong>d die Standorte, die heute noch existieren Slg. Dirk W<strong>in</strong>kler, Bearbeitung: Anneli Nau<br />
Im Oktober 2004 kommt e<strong>in</strong>e Ellok 182 505 von Rail4Chem mit e<strong>in</strong>em Leerzug nach Deuna<br />
durch den Bahnhof Greifswalder Straße. Der hiesige Güterbahnhof ist e<strong>in</strong>er der wenigen <strong>in</strong><br />
Berl<strong>in</strong>, die 2013 noch privat betrieben wurden Sven Kle<strong>in</strong><br />
Gebäude e<strong>in</strong> Baummarkt auf dem Areal des<br />
Güterbahnhofs errichtet. Um andere Gelän -<br />
de <strong>in</strong> der <strong>in</strong>zwischen für Investoren immer<br />
attraktiveren Hauptstadt wird gefeilscht und<br />
um Bebauungspläne gestritten. Ob nun e<strong>in</strong><br />
oder zwei Möbelhäuser mehr auf e<strong>in</strong>stigen<br />
Rangierbahnhöfen oder doch eher ge -<br />
mischte Wohn- und Grünzonen entstehen,<br />
werden die kommenden Jahre zeigen. Absehbar<br />
ist, dass auf den Rangierbahnhöfen<br />
<strong>in</strong> Grunewald, Pankow und Schöneweide<br />
künftig neue Stadtviertel mit e<strong>in</strong>er Mischbebauung<br />
wachsen werden, ebenso auf dem<br />
Areal des Hamburger und Lehrter Güterbahnhofs<br />
mit der „Eurocity“. In ähnlichem<br />
S<strong>in</strong>ne werden <strong>in</strong> den nächsten Jahren die<br />
kle<strong>in</strong>eren Güterbahnhöfe <strong>in</strong> Berl<strong>in</strong> bebaut.<br />
Der e<strong>in</strong>stmals als Erweiterungsmöglichkeit<br />
für e<strong>in</strong>en zentralen West-Berl<strong>in</strong>er Güterbahnhof<br />
erwogene Güterbahnhof Moabit ist<br />
heute Stadtpark und Kunstzentrum. In Neukölln<br />
wird e<strong>in</strong>e Sporthalle für e<strong>in</strong>e nahe<br />
<strong>BAHN</strong> <strong>EXTRA</strong> 4/2014 61
Strecken und Stationen<br />
| DIE GÜTER- UND RANGIER<strong>BAHN</strong>HÖFE IN BERLIN<br />
In Kürze<br />
Neue Knoten<br />
Neben dem <strong>in</strong> der Stadt gelegenen<br />
Berl<strong>in</strong>er Westhafen entstanden Anfang<br />
der 1990er-Jahre am Berl<strong>in</strong>er Stadtrand<br />
drei Güterverkehrszentren (GVZ). Ihre<br />
Aufgabe ist die <strong>in</strong>termodale Verknüpfung<br />
unterschiedlicher Verkehrsträger<br />
des Güterverkehrs. Die Standorte im<br />
Überblick:<br />
Das Güterverteilzentrum Berl<strong>in</strong> Süd <strong>in</strong> Großbeeren ist heute<br />
e<strong>in</strong>e der wichtigen Güterverkehrsschaltstellen im Raum<br />
Berl<strong>in</strong>/Brandenburg – aber eben außerhalb Berl<strong>in</strong>s. Im März<br />
2014 rangiert dort Diesellok 362 940 Conta<strong>in</strong>erwagen<br />
Bodo Schulz<br />
City GVZ Westhafen<br />
Der Bau des Westhafens als größtem<br />
Berl<strong>in</strong>er Hafen begann 1914. Über die Jahrzehnte<br />
stetig ausgebaut und erweitert,<br />
entwickelte er sich seit dem Rückzug der<br />
DB AG aus dem Berl<strong>in</strong>er Güterverkehr<br />
Ende der 1990er-Jahre auf Veranlassung<br />
des Senats zum wichtigsten <strong>in</strong>nerstädtischen<br />
Logistikzentrum. Neben e<strong>in</strong>em<br />
2001 <strong>in</strong> Betrieb genommenen trimodalen<br />
Conta<strong>in</strong>erterm<strong>in</strong>al für Straße, B<strong>in</strong>nenschiff<br />
und <strong>Eisenbahn</strong> besitzt er unter<br />
anderem auch e<strong>in</strong>en Schwerlastkran und<br />
e<strong>in</strong>e RoRo-Anlage.<br />
GVZ Berl<strong>in</strong> Süd – Großbeeren<br />
Auf Teilen des ehemaligen Hilfsrangierbahnhofs<br />
Großbeeren entstand ab 1994<br />
das GVZ Berl<strong>in</strong> Süd Großbeeren, dessen<br />
Term<strong>in</strong>al für den komb<strong>in</strong>ierten Verkehr<br />
(Conta<strong>in</strong>er) im Herbst 1998 <strong>in</strong> Betrieb<br />
g<strong>in</strong>g. Das GVZ bef<strong>in</strong>det sich fünf Kilometer<br />
südlich des Berl<strong>in</strong>er Stadtrands<br />
und liegt an der Bundesstraße 101,<br />
die vierspurig an den Berl<strong>in</strong>er R<strong>in</strong>g<br />
(Autobahn 10) angebunden ist.<br />
GVZ Berl<strong>in</strong> West – Wustermark<br />
Im Herbst 1995 begannen die Bauarbeiten<br />
für das GVZ bei Wustermark. Im Wesentlichen<br />
angebunden über die Bundesstraße<br />
5 und die Autobahn 10, hat der Bereich<br />
Brieselang auch e<strong>in</strong>en Gleisanschluss an<br />
die Strecke Berl<strong>in</strong> – Hannover und e<strong>in</strong><br />
Term<strong>in</strong>al für den komb<strong>in</strong>ierten Verkehr.<br />
Außerdem liegt das Verteilzentrum direkt<br />
an dem westlich von Berl<strong>in</strong> verlaufenden<br />
Havelkanal. Seit 2008 besitzt es auch<br />
e<strong>in</strong>en Hafen am Havelkanal, der über<br />
drei Liegeplätze und e<strong>in</strong>e RoRo-Rampe<br />
verfügt.<br />
GVZ Berl<strong>in</strong> Ost – Freienbr<strong>in</strong>k<br />
Das sieben Kilometer von Berl<strong>in</strong> entfernt<br />
liegende GVZ Berl<strong>in</strong> Ost Freienbr<strong>in</strong>k<br />
bei Grünheide entstand ab Herbst 1994<br />
auf e<strong>in</strong>em ehemaligen Armeeareal.<br />
Ursprünglich nur über e<strong>in</strong>e direkte Ausfahrt<br />
am östlichen Abschnitt des Berl<strong>in</strong>er<br />
R<strong>in</strong>gs (Autobahn 10) erreichbar, wurde<br />
<strong>in</strong>zwischen auch e<strong>in</strong> Gleisanschluss an<br />
die Ostbahn realisiert.<br />
62<br />
Schule entstehen, andernorts sucht man<br />
noch nach Konzepten und Investoren.<br />
E<strong>in</strong> rarer Anblick ist der <strong>Eisenbahn</strong>güterverkehr<br />
<strong>in</strong> der Hauptstadt heute geworden.<br />
E<strong>in</strong>ige wenige Züge rollen noch <strong>in</strong> Re<strong>in</strong>ickendorf,<br />
Ruhleben oder Neukölln, zum wichtigsten<br />
<strong>in</strong>nerstädtischen Logistikzentrum <strong>in</strong>nerhalb<br />
Berl<strong>in</strong>s entwickelte sich das „City GVZ<br />
Westhafen“. Die Diskussion über e<strong>in</strong>e Ver -<br />
lagerung des Lkw-Verkehrs auf die Schiene<br />
und den Bau neuer <strong>in</strong>nerstädtischer Güterverteilzentren<br />
ist zwar noch nicht beendet,<br />
doch fehlen zunehmend Flächen wie auch<br />
Impulse aus Politik und Wirtschaft. Immer -<br />
h<strong>in</strong> wird <strong>in</strong>zwischen darüber nachgedacht,<br />
den Südr<strong>in</strong>g für den Güterverkehr wieder<br />
herzustellen. Umfangreiche Investitionen<br />
wären hier vor allem <strong>in</strong> neue Brückenbauwerke<br />
zu tätigen. Ob die DB, die sich massiv<br />
aus dem klassischen Güterverkehr zurück-
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heute: Der<br />
Rangierbahnhof<br />
Wustermark<br />
(ebenfalls <strong>in</strong><br />
Brandenburg)<br />
gehört e<strong>in</strong>er<br />
Gesellschaft, an der<br />
die Havelländische<br />
<strong>Eisenbahn</strong> Anteile<br />
hält (l.), die <strong>Eisenbahn</strong>gesellschaft<br />
Potsdam bedient<br />
diverse Güterstellen<br />
<strong>in</strong> Berl<strong>in</strong> (r.)<br />
Bodo Schulz (2)<br />
A uf deutschen Eis<br />
enbahnschienen s<strong>in</strong>d immer meh<br />
r Lokomo-<br />
tivtypen unterwegs,<br />
teils auch von <strong>in</strong>ternationalenn Anbietern.<br />
Doch was verraten<br />
Ihnen die Lackierungen, wofür<br />
stehen die<br />
verschiedenen Logos?<br />
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Auch<br />
gezogen hat, hieran wirklich e<strong>in</strong> Interesse<br />
besitzt, bleibt abzuwarten. Auch die Übernahme<br />
von e<strong>in</strong>stigen Güteranlagen durch<br />
private Investoren, wie 2008 des Rangierbahnhofs<br />
Wustermark durch das mehrheitlich<br />
zur Havelländischen <strong>Eisenbahn</strong> (HVLE)<br />
gehörende Rail & Logistik-Center Wustermark,<br />
tragen kaum zur Belebung bei. Die<br />
Zeit des Güterverkehrs auf Berl<strong>in</strong>er Schie -<br />
nen sche<strong>in</strong>t vorbei. Dirk W<strong>in</strong>kler<br />
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Fahrzeuge und Betrieb<br />
| DIE BERLINER <strong>BAHN</strong>INDUSTRIE<br />
Mit neuem<br />
Schwung<br />
Feierstunde bei AEG Hennigsdorf:<br />
Im Dezember 1992 wird die<br />
Ellok 112 für die Deutsche<br />
Reichsbahn vorgestellt. Heute<br />
gehört das Werk zu Bombardier<br />
Transportation Bodo Schulz<br />
Die Wende und die Wiedervere<strong>in</strong>igung stellten auch die Bahn<strong>in</strong>dustrie<br />
<strong>in</strong> Berl<strong>in</strong> und Brandenburg vor neue Herausforderungen. Es kam zu<br />
Konsolidierungen, Verlagerungen, Neugründungen. Heute zählen Hauptstadt<br />
und Umgebung zu den führenden Bahntechnik-Regionen Europas<br />
64
In Hennigsdorf fertigte Bombardier unter<br />
anderem den Elektrotriebzug 442; der Großauftrag<br />
für die DB AG war allerd<strong>in</strong>gs mit<br />
Problemen verbunden, kamen doch die<br />
Fahrzeuge nur mühsam <strong>in</strong> Fahrt Sebastian Schrader<br />
„Berl<strong>in</strong> 2000 – wir s<strong>in</strong>d dafür“; mit e<strong>in</strong>em Bekenntnis zur (später gescheiterten) Olympia-<br />
Bewerbung Berl<strong>in</strong>s übte AEG 1993 den Schulterschluss mit der Region Sven Kle<strong>in</strong><br />
Wer e<strong>in</strong> Beispiel für den Wandel<br />
sucht, den die Industrie <strong>in</strong> Berl<strong>in</strong><br />
und Brandenburg <strong>in</strong> den letzten<br />
25 Jahren durchlief, sollte die Bahn<strong>in</strong>dustrie<br />
nehmen. Der Sektor spiegelt sehr gut das<br />
Auf und Ab, das viele Branchen erlebten.<br />
Oder <strong>in</strong> dem Fall besser: Ab und Auf. Denn<br />
nach e<strong>in</strong>em drastischen Prozess der De -<br />
<strong>in</strong>dustriealisierung erlebte die Region besonders<br />
im letzten Jahrzehnt e<strong>in</strong>en wirtschaft -<br />
lichen Aufschwung, der auch <strong>in</strong> der Bahn -<br />
<strong>in</strong>dustrie se<strong>in</strong>en Niederschlag f<strong>in</strong>det. Heute<br />
gehören die <strong>in</strong> der Stadt vorhandenen<br />
Firmen der Bahnbranche zu den wenigen<br />
verbliebenen großen Industrieunternehmen<br />
e<strong>in</strong>er sonst eher durch Verwaltung und Medien<br />
geprägten Wirtschaftslandschaft.<br />
Dabei s<strong>in</strong>d alte Unternehmen und Namen<br />
verschwunden, neue h<strong>in</strong>zugekommen. In<br />
der Summe gab es 2010 rund 25 Firmen mit<br />
zirka 7.500 Beschäftigten. Neben den großen<br />
Namen, wie Bombardier, Siemens und Stadler,<br />
s<strong>in</strong>d es <strong>in</strong>sbesondere die mittelständischen<br />
Unternehmen, die e<strong>in</strong>en festen Platz<br />
<strong>in</strong> der Region haben und mit stetig wachsenden<br />
Mitarbeiterzahlen e<strong>in</strong>en wesentlichen<br />
Wirtschaftsfaktor darstellen.<br />
Die Zeit nach 1989<br />
In der jüngeren Geschichte wurde die politische<br />
Wende <strong>in</strong> der DDR auch e<strong>in</strong> Wende -<br />
punkt für die <strong>in</strong> der Region Berl<strong>in</strong>-Brandenburg<br />
etablierte Bahn<strong>in</strong>dustrie. E<strong>in</strong>stige<br />
Großunternehmen der DDR mussten sich<br />
unvermittelt dem <strong>in</strong>ternationalen Konkurrenzkampf<br />
stellen, langjährig <strong>in</strong> West-Berl<strong>in</strong><br />
ansässige Unternehmen mit fehlenden Fördergeldern<br />
ause<strong>in</strong>andersetzen. Neben der<br />
AEG, die elektrische Ausrüstungen für Schienenfahrzeuge<br />
<strong>in</strong> West-Berl<strong>in</strong> fertigte, war <strong>in</strong><br />
der Halbstadt nur die Waggon-Union noch<br />
<strong>in</strong> der Bahn<strong>in</strong>dustrie tätig. Die e<strong>in</strong>stigen<br />
DDR-Unternehmen, die recht schnell von<br />
der Treuhandanstalt zum Teil an konkurrierende<br />
Unternehmen oder ehemalige Eigentümer<br />
veräußert wurden, erwiesen sich als<br />
durchaus wettbewerbsfähig. Ob die Lokomotivbau-Elektrotechnischen-Werke<br />
(LEW)<br />
<strong>in</strong> Hennigsdorf, das Werk für Signal- und Sicherungstechnik<br />
(WSSB) <strong>in</strong> Treptow, die<br />
Fahrzeugausrüstung Berl<strong>in</strong> oder das Ber -<br />
l<strong>in</strong>er Bremsenwerk, alle fanden sich <strong>in</strong> der<br />
neuen Wirtschaft wieder. Dies g<strong>in</strong>g meist mit<br />
drastischen E<strong>in</strong>schnitten bei der Zahl der<br />
Beschäftigten e<strong>in</strong>her, teilweise verschwanden<br />
etablierte Bereiche aus dem Wirtschaftsleben<br />
Berl<strong>in</strong>s. Mit der Übernahme der LEW<br />
durch die AEG sowie den WSSB durch Siemens<br />
Verkehrstechnik wurden 1992 erste<br />
Zeichen gesetzt. Der Erhalt der traditionsreichen<br />
Firmen, wenn auch unter e<strong>in</strong>em drastischen<br />
wirtschaftlichen Restrukturierungskurs,<br />
zeigte den Beg<strong>in</strong>n e<strong>in</strong>es langen Weges<br />
nach oben auf. Am Ende hatte sich e<strong>in</strong>e neu<br />
aufgestellte, konkurrenzfähige Bahn<strong>in</strong>dustrie<br />
<strong>in</strong> der Hauptstadtregion etabliert.<br />
Der Bombardier-Konzern<br />
Allgeme<strong>in</strong> setzte nach den Wendejahren e<strong>in</strong><br />
Konsolidierungskurs <strong>in</strong> der Schienenfahrzeug<strong>in</strong>dustrie<br />
Deutschlands e<strong>in</strong>. Die heute<br />
zu Bombardier Transportation gehörenden<br />
Firmenteile <strong>in</strong> Berl<strong>in</strong> und Brandenburg<br />
gehen im wesentlichen auf Unternehmen<br />
der AEG zurück und haben e<strong>in</strong>e wechselhafte<br />
Geschichte h<strong>in</strong>ter sich. Als e<strong>in</strong>ziger der<br />
beiden großen Berl<strong>in</strong>er Elektrokonzerne fertigte<br />
die AEG nach dem Zweiten Weltkrieg<br />
noch Antriebskomponenten <strong>in</strong> West-Berl<strong>in</strong>.<br />
Als die AEG 1982 Insolvenz anmelden<br />
musste, verkaufte man unter anderem das<br />
traditionsreiche Firmenareal an der Brunnenstraße<br />
im Wedd<strong>in</strong>g. Die Stromrichterund<br />
Bahnfabrik wurden an neue Standorte<br />
Nach der Wende setzte<br />
e<strong>in</strong> Konsolidierungskurs<br />
<strong>in</strong> der Industrie e<strong>in</strong><br />
<strong>in</strong> Marienfelde und Spandau verlegt. 1985<br />
übernahm die Daimler-Benz AG die AEG.<br />
Drei Jahre später, 1988, fusionierten die<br />
Bahntechniksparten der AEG mit derjenigen<br />
von West<strong>in</strong>ghouse zur AEG West<strong>in</strong>ghouse<br />
Transport-Systeme. Im Jahr 1990 übernahm<br />
man die MAN Gutehoffnungshütte Schienenverkehrstechnik.<br />
Wieder zwei Jahre später,<br />
1992, folgte die Übernahme der LEW.<br />
Seitdem hieß das Unternehmen AEG Schienenfahrzeuge.<br />
Die seit 1984 <strong>in</strong> Spandau am<br />
Nonnendamm ansässige AEG Bahntechniksparte<br />
und die Hennigsdorfer AEG Werke<br />
wurden 1994/95 am Standort <strong>in</strong> Hennigsdorf<br />
zusammengeführt. Doch die Wiedervere<strong>in</strong>igung<br />
der AEG währte nicht lange: Noch 1995<br />
beschlossen ABB und Daimler-Benz, ihre<br />
Bahntechnik sparten zusammenzulegen.<br />
Zum 1. Januar 1996 entstand die ABB Daimler-Benz<br />
Transportation, kurz ADtranz. Und<br />
auch das blieb nur e<strong>in</strong> Intermezzo. 1999 zog<br />
sich ABB aus dem Unternehmen zurück, das<br />
ab dem 1. Juli 1999 als DaimlerChrysler Rail<br />
Systems firmierte. Im Sommer 2000 beabsichtigte<br />
DaimlerChrysler, die ADtranz an<br />
Bombar dier Transportation zu verkaufen –<br />
was 2001 geschah.<br />
Zuvor schon hatte Bombardier die Deutsche<br />
Waggonbau (DWA) übernommen. Die<br />
DWA war 1995 vom Investor Advent International<br />
erworben und 1998 an Bombardier<br />
Transportation weiter verkauft worden. Die<br />
Hauptvertretung der DWA verlagerte ihren<br />
Sitz vom Gelände des Instituts für Schienenfahrzeugtechnik<br />
an den Hauptsitz von Bombardier<br />
zum Saatw<strong>in</strong>kler Damm – auf das<br />
alte AEG-Gelände.<br />
<strong>BAHN</strong> <strong>EXTRA</strong> 4/2014 65
Fahrzeuge und Betrieb<br />
| DIE BERLINER <strong>BAHN</strong>INDUSTRIE<br />
Die InnoTrans ist heute die Bühne, um neue oder aktuelle Fahrzeuge zu präsentieren. Blick auf das Freigelände während der Messe im<br />
September 2012, unter anderem mit Triebfahrzeugen von Stadler und Siemens Sebastian Schrader<br />
Der dritte Firmenteil, der heute zu Bombardier<br />
gehört, umfasst den e<strong>in</strong>stigen LEW-<br />
Firmenkomplex <strong>in</strong> Hennigsdorf. Zur Wende<br />
waren dort 8.000 Menschen tätig, heute f<strong>in</strong>den<br />
bei Bombardier Transportation noch<br />
rund 2.200 eigene sowie rund 400 temporär<br />
e<strong>in</strong>gesetzte Mitarbeiter Beschäftigung. Im<br />
Hennigsdorfer Werk werden vorwiegend<br />
Triebzüge gebaut sowie das Eng<strong>in</strong>eer<strong>in</strong>g und<br />
Projektmanagement für weltweite Fahrzeugprojekte<br />
abgewickelt. Se<strong>in</strong>en zentralen Firmensitz<br />
bezog Bombardier Transportation<br />
2006 im ehemaligen Gebäude der Königlichen<br />
<strong>Eisenbahn</strong>direktion Berl<strong>in</strong> am Schöneberger<br />
Ufer 1.<br />
Stadler und Siemens<br />
So wie Bombardier ist auch Stadler Pankow<br />
e<strong>in</strong> neuer Name <strong>in</strong> der Berl<strong>in</strong>er Firmenlandschaft.<br />
Seit 1999 residiert die Firma auf dem<br />
ehemaligen Bergmann-Borsig-Gelände <strong>in</strong><br />
Wilhelmsruh. Anfänglich handelte es sich<br />
um e<strong>in</strong> Geme<strong>in</strong>schaftsunternehmen von ADtranz<br />
und der Stadler Rail AG, die Anfang<br />
2000 die Mehrheitsbeteiligung an dem Standort<br />
erwarb; 2001 g<strong>in</strong>g das Unternehmen vollständig<br />
<strong>in</strong> das Eigentum der Stadler AG über.<br />
In den letzten acht Jahren hat sich die Zahl<br />
der Mitarbeiter der Stadler Pankow GmbH<br />
mit derzeit rund 1.200 im Raum Berl<strong>in</strong>/Brandenburg<br />
vervierfacht – Resultat e<strong>in</strong>es impo -<br />
66<br />
san ten Wachstumskurses. Zum e<strong>in</strong>stigen<br />
Pankower Standort kamen 2011 zwei weitere<br />
Standorte <strong>in</strong> Berl<strong>in</strong> h<strong>in</strong>zu: <strong>in</strong> Hohenschönhausen<br />
e<strong>in</strong> Montagewerk und die auf Rohbauten<br />
und Lackierungen spezialisierte<br />
Stichwort<br />
InnoTrans<br />
Im September 1996 richtete die Messe<br />
Berl<strong>in</strong> GmbH erstmals die InnoTrans<br />
aus; e<strong>in</strong>e Fachmesse für Verkehrstechnik<br />
und Fahrzeugsysteme. Seitdem hat sich<br />
die alle zwei Jahre stattf<strong>in</strong>dende Veranstaltung<br />
zur größten und wichtigsten<br />
ihrer Art entwickelt – für die Bahn<strong>in</strong>dustrie<br />
wie für die Kunden, zum<br />
Beispiel Bahngesellschaften oder <strong>Eisenbahn</strong>verkehrsunternehmen.<br />
Waren es<br />
1996 noch 172 Aussteller und 6.376 Fachbesucher,<br />
so kamen 2012 <strong>in</strong>sgesamt<br />
2.515 Aussteller und 126.110 Fachbesucher<br />
nach Berl<strong>in</strong>. Die Messe dient auch<br />
dazu, Fahrzeugneuheiten zu präsentieren<br />
oder Verträge zu unterzeichnen.<br />
Traditionell folgt nach den Tagen für die<br />
Fachbesucher e<strong>in</strong> Publikumswochenende<br />
für die Öffentlichkeit. In diesem Jahr<br />
f<strong>in</strong>det die InnoTrans vom 23. bis 26. September<br />
statt, das Publikumswochenende<br />
am 27./28. September. Karl Laumann<br />
Stadler Re<strong>in</strong>ickendorf GmbH. Bereits im<br />
April 2002 hatte Stadler das Gelände der ehemaligen<br />
S-Bahn-Triebwagenhalle <strong>in</strong> Velten<br />
von der DB AG als Servicezentrum erwor -<br />
ben. Dort werden e<strong>in</strong>zelne Komponenten<br />
gefertigt und Schienenfahrzeuge <strong>in</strong> Betrieb<br />
genommen. Stadler sieht se<strong>in</strong>en Berl<strong>in</strong>er<br />
Standort als Kompetenzzentrum für den Bau<br />
von Straßenbahnen sowie des RegioShuttle.<br />
E<strong>in</strong> traditionsreicher<br />
Name ist wieder zurück<br />
<strong>in</strong> Berl<strong>in</strong>: Siemens<br />
In den letzten Jahren ist die Palette der von<br />
Stadler Pankow angebotenen Fahrzeuge<br />
stetig gewachsen. Seit Herbst 2004 werden<br />
<strong>in</strong> Berl<strong>in</strong> FLIRT-Triebzüge gebaut, seit<br />
2011/2012 auch die für Berl<strong>in</strong>/Brandenburg<br />
vorgesehenen KISS-Doppelstocktriebzüge.<br />
Zudem werden ab 2015 die ersten U-Bahn-<br />
Züge der neuen Generation für das Kle<strong>in</strong> -<br />
profilnetz der Berl<strong>in</strong>er U-Bahn ausgeliefert,<br />
womöglich e<strong>in</strong>ige Jahre später auch erste<br />
S-Bahn-Züge für die Hauptstadt.<br />
Daneben kann man <strong>in</strong> Berl<strong>in</strong> heute wie -<br />
der e<strong>in</strong>en traditionsreichen Namen lesen:<br />
Siemens übernahm nach der Wende das<br />
WSSB-Gelände <strong>in</strong> Treptow und errichtete<br />
dort nach umfangreicher Sanierung e<strong>in</strong>en<br />
modernen Standort für die Signaltechnikfer-
Bei der Stadler Pankow GmbH läuft Anfang 2013 die Fertigung der Veolia-FLIRT auf vollen<br />
Touren. Die Triebzüge s<strong>in</strong>d für den E<strong>in</strong>satz beim Meridian <strong>in</strong> Bayern vorgesehen Sven Kle<strong>in</strong><br />
Großzügig und e<strong>in</strong>drucksvoll wie e<strong>in</strong>st:<br />
die „neue alte“ Zentrale von Siemens am<br />
Nonnendamm <strong>in</strong> Berl<strong>in</strong> Siemens<br />
tigung sowie das Projektmanagement von<br />
Bahnverkehrssystemen. Heute entstehen<br />
hier unter anderem komplette, aufstellfähige<br />
Signale, Weichenstellsysteme, Schrankenantriebe<br />
und Gleisfreimeldesysteme. Zudem<br />
hat hier die Basisentwicklung moderner<br />
ETCS-Onboard-Units für die Fahrzeugausrüstung<br />
mit dem Europäischen Zugsicherungssystem<br />
ihren Platz. Im Jahr 2010 verkündete<br />
Siemens den Umzug des Vorstandes<br />
der Mobility Divison nach Berl<strong>in</strong>. Am tradi -<br />
tionsreichen Standort am Nonnendamm <strong>in</strong><br />
Siemensstadt führte man die zentralen<br />
geschäftlichen Aktivitäten im Bahnbereich<br />
zusammen. An beiden Standorten <strong>in</strong> Berl<strong>in</strong><br />
beschäftigte Siemens 2010 rund 1.200 Mit -<br />
arbeiter.<br />
Die Kle<strong>in</strong>en<br />
Zu diesen Größen der Branche gesellen sich,<br />
wie erwähnt, heute e<strong>in</strong>e Reihe kle<strong>in</strong>er, agiler<br />
Unternehmen. Zu ihnen zählen beispielsweise<br />
die Fahrzeugwerke Miraustraße<br />
(FWM). Die FWM g<strong>in</strong>gen aus Teilen der ehemaligen<br />
Waggon Union hervor, die ab 1984<br />
zur Thyssen Henschel AG gehörte, die ab<br />
1990 ABB Henschel AG hieß und 1996 <strong>in</strong> der<br />
ADtranz aufg<strong>in</strong>g. Im Jahr 1997 wurde die<br />
Produktion von Schienenfahrzeugen von<br />
Re<strong>in</strong>ickendorf nach Pankow-Wilhelmsruh<br />
verlagert. Im e<strong>in</strong>stigen Standort der Deut -<br />
sche Waggon- und Masch<strong>in</strong>enfabriken<br />
(DWM) <strong>in</strong> der Miraustraße <strong>in</strong> Berl<strong>in</strong>-Tegel<br />
verblieb e<strong>in</strong> Werksteil für Reparaturen. Umfangreiche<br />
Erfahrungen sammelte man hier<br />
etwa mit der Instandsetzung der S-Bahn-<br />
Fahrzeuge nach der BVG-Übernahme des<br />
West-Berl<strong>in</strong>er Streckennetzes. Zur Jahrtausendwende<br />
drohte das endgültige Ende. Im<br />
Zuge e<strong>in</strong>es Management-Buyouts des Wittenauer<br />
Werkes aus dem Verbund des neuen<br />
Eigentümers Bombardier wurde es 2002 <strong>in</strong><br />
die Fahrzeugwerke Miraustraße (FWM) umgewandelt.<br />
Das Unternehmen hat sich auf<br />
die Reparatur, Instandhaltung, Modernisierung<br />
und den Neubau von Schienenfahrzeugen<br />
spezialisiert. Inzwischen wurde aus<br />
Platzgründen e<strong>in</strong>e Niederlassung <strong>in</strong> Hennigsdorf<br />
<strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Halle des ehemaligen Stahlwerkes<br />
eröffnet, wo auch e<strong>in</strong> direkter Anschluss<br />
zu Prüfgleisen für Schienen fahr -<br />
zeuge besteht. Derzeit beschäftigen die<br />
FWM an beiden Standorten rund 50 Mitarbeiter.<br />
Die Zulieferer<br />
Neben der Fahrzeug<strong>in</strong>dustrie gibt es <strong>in</strong> der<br />
Hauptstadtregion etliche Zulieferer, wobei<br />
hier ebenfalls nur wenige bekannte Namen<br />
blieben. Allen voran ist Knorr-Bremse zu<br />
nennen, die zwar ihren e<strong>in</strong>stigen Stammsitz<br />
am Bahnhof Ostkreuz (ab 1954 VEB Berl<strong>in</strong>er<br />
Bremsenwerk) aufgab, jedoch die Akti vi -<br />
täten im Firmenstandort Marzahn konzentrierte.<br />
Nach der Wende gründete sich 1990<br />
aus dem Berl<strong>in</strong>er Bremsenwerk und der<br />
Münchner Knorr-Bremse AG das Geme<strong>in</strong>schaftsunternehmen<br />
Berl<strong>in</strong>er Bremsenwerk<br />
– Knorr-Bremsen AG. Den historischen<br />
Standort <strong>in</strong> der Neuen Bahnhofstraße und<br />
<strong>in</strong> der Hirschberger Straße gab man im Jahre<br />
1993 auf und zog auf das Gelände e<strong>in</strong>er früheren<br />
Werkzeugmasch<strong>in</strong>enfabrik <strong>in</strong> der heutigen<br />
Georg-Knorr-Straße 4 <strong>in</strong> Berl<strong>in</strong>-Marzahn.<br />
Rund 550 Mitarbeiter waren hier 2013<br />
beschäftigt.<br />
Zu nennen wäre weiterh<strong>in</strong> die PCS Power<br />
Converter Solutions GmbH, die bis 2010 als<br />
Bombardier Transportation Fahrzeugausrüstung<br />
Berl<strong>in</strong> GmbH (FAGA) firmierte und aus<br />
dem VEB Fahrzeugausrüstung Berl<strong>in</strong> (ehem.<br />
P<strong>in</strong>tsch) hervorg<strong>in</strong>g. Nach mehreren Um -<br />
zügen, darunter von Marzahn nach Hennigsdorf,<br />
residiert die Firma <strong>in</strong>zwischen <strong>in</strong> Tegel<br />
und fertigt weiterh<strong>in</strong> elektrische Systeme für<br />
die Bordnetzenergieversorgung, Antriebstechnik<br />
und Leittechnik für Schienenfahrzeuge.<br />
Ebenfalls aus e<strong>in</strong>er Bombardierausgliederung<br />
kamen die (Schaltgerätewerke) SGW<br />
Werder GmbH & Co. KG, die seit 1984 Hersteller<br />
und Zulieferer von Komponenten für<br />
die Schienenfahrzeug<strong>in</strong>dustrie s<strong>in</strong>d. Ehe -<br />
mals e<strong>in</strong> Betrieb im LEW-Komb<strong>in</strong>at, liefert<br />
heute die mittelständische Firma Schweißbaugruppen,<br />
Führerpulte oder Lüfter an fast<br />
alle namhaften großen Schienenfahrzeughersteller.<br />
Im Jahr 2011 waren hier 90 Mitarbeiter<br />
beschäftigt.<br />
Die aus dem Geräte- und Reglerwerk<br />
(GRW) Teltow hervorgegangene GTB Bahntechnik<br />
Treuenbrietzen liefert Produkte und<br />
Dienstleistungen um die PZB-Sicherungstechnik<br />
für die Bahn. Auch sie ist e<strong>in</strong> mittelständischer<br />
Betrieb, der die traditionelle Fertigung<br />
aus DDR-Zeiten weiterführen und<br />
ausbauen konnte. Dirk W<strong>in</strong>kler/GM<br />
<strong>BAHN</strong> <strong>EXTRA</strong> 4/2014 67
Momentaufnahmen<br />
| GENERATIONSWECHSEL BEI DER S-<strong>BAHN</strong><br />
Am 2. November 2003 schlägt auch für die Triebwagen der<br />
Baureihe 477 die letzte Stunde im Regelbetrieb – und wie<br />
sechs Jahre zuvor beim „Stadtbahner“ 475 f<strong>in</strong>det das „Goodbye“<br />
großes Interesse. Bild mit 477 601 im S-Bahnhof Erkner Bodo Schulz<br />
Der „Stadtbahner“ sagt „ciao“ und der<br />
Himmel we<strong>in</strong>t: Am 21. Dezember 1997<br />
verabschiedet sich die Baureihe 475<br />
nach fast 70 Jahren aus dem Plandienst<br />
(Bild <strong>in</strong> Berl<strong>in</strong>-Charlottenburg)<br />
Heiko Focken, Slg. Heiko Focken (Fahrkarte l<strong>in</strong>ks)<br />
Wer er<strong>in</strong>nert sich nicht an<br />
die „gepolsterte Holzklasse“<br />
der beiden S-Bahn-Klassiker?<br />
In den frühen 90ern konnte<br />
man <strong>in</strong> manchen „Stadtbahnern“<br />
sogar noch auf<br />
blanken Holzbänken unterwegs<br />
se<strong>in</strong> ... Heiko Focken<br />
Parade historischer S-Bahn-<br />
Triebwagen im S-Bahn-Betriebswerk<br />
Erkner; am 20. Mai 2006<br />
zeigen sich dort (v.l.) der ehemalige<br />
BVG-Steuerviertelzug<br />
875 608/475 608, der Wannseebahnprototyp<br />
275 959, der<br />
Stadtbahnprototyp 275 625 und<br />
der Gepäckzug ET 168 030<br />
(ex 278 103) Bodo Schulz<br />
68
Tschüss, Ihr Klassiker!<br />
Jahrzehnte lang prägten sie das Bild der S-Bahn <strong>in</strong> Berl<strong>in</strong>: die Triebzüge der Baureihen 275<br />
(später 475, „Stadtbahner“) und 277 (später 477). Doch nach dem Mauerfall begann<br />
die Modernisierung des Fahrzeugparks <strong>in</strong> großem Stil. 1997 bzw. 2003 g<strong>in</strong>gen die beiden<br />
typischen S-Bahn-Baureihen Berl<strong>in</strong>s <strong>in</strong> Rente<br />
<strong>BAHN</strong> <strong>EXTRA</strong> 4/2014 69
Fahrzeuge und Betrieb | DIE BERLINER S-<strong>BAHN</strong> 1989–2014<br />
Zwischen Jubel<br />
und Jammer<br />
Mit Improvisation und Begeisterung startete die S-Bahn <strong>in</strong><br />
die turbulenten Tage vom Herbst 1989. Die beiden getrennten Netze<br />
wurden zusammengeführt und bei der Deutschen Bahn AG <strong>in</strong><br />
e<strong>in</strong>er Tochtergesellschaft vere<strong>in</strong>igt. Mit Sparmaßnahmen für den<br />
geplanten Börsengang verspielte Berl<strong>in</strong>s S-Bahn allerd<strong>in</strong>gs viel Kredit<br />
70
Die Teilung Berl<strong>in</strong>s hatte sich Ende<br />
der 1980er-Jahre längst auch bei der<br />
S-Bahn ausgewirkt. Man könnte sogar<br />
sagen, sprichwörtlich, existierten doch<br />
im Pr<strong>in</strong>zip zwei S-Bahn-Netze mit unterschiedlichen<br />
Betreibern.<br />
Die S-Bahn <strong>in</strong> Ost-Berl<strong>in</strong> war Teil der Deutschen<br />
Reichsbahn (DR) und fest <strong>in</strong> die Verkehrspolitik<br />
der DDR e<strong>in</strong>gebunden, die dem<br />
öffentlichen Personennahverkehr den Vorrang<br />
vor dem Autoverkehr gab. So beförderten<br />
die rot-weißen S-Bahn-Züge im Jahr 1989<br />
die bemerkenswerte Menge von 178 Millionen<br />
Personen – und das mit vergleichsweise<br />
alter Fahrzeugbasis. Bis Anfang der 1990er-<br />
Jahre stammte der Wagenpark fast ausschließlich<br />
von 1928 bis 1944. Auch die Werkstätten<br />
befanden sich auf eher älterem technischen<br />
Niveau. Trotzdem erreichte die<br />
S-Bahn <strong>in</strong> der DDR-Hauptstadt e<strong>in</strong>e hohe<br />
Betriebsstabilität. Dazu trug unter anderem<br />
e<strong>in</strong>e hohe Fahrzeugreserve bei. Die S-Bahn<br />
konnte zwar nicht aus dem Vollen schöpfen,<br />
jedoch war die Basis, auf der die Verantwortlichen<br />
agieren konnten, auf realistischen Annahmen<br />
kalkuliert.<br />
In West-Berl<strong>in</strong> war die S-Bahn nach jahrzehntelangem<br />
Niedergang seit den 1980er-<br />
Jahren <strong>in</strong> den Fokus von Politik und Öffentlichkeit<br />
gerückt. Nach der Übernahme der<br />
Betriebsführung durch die Berl<strong>in</strong>er Verkehrsbetriebe<br />
(BVG) am 9. Januar 1984 stan den<br />
große Summen für die Sanierung von Anlagen<br />
und Fahrzeugpark zur Verfügung. Die<br />
Förderung der S-Bahn und ihr mittlerweile<br />
positives Bild <strong>in</strong> der Öffentlichkeit ließen die<br />
Fahrgastzahlen bis 1989 auf 48 Millionen steigen.<br />
Wenig im Vergleich zu Ost-Berl<strong>in</strong>, aber<br />
viel im Verhältnis zur vorigen Vernachlässigung<br />
und angesichts des guten BVG-Netzes<br />
aus Bussen und U-Bahnen. Wobei man sagen<br />
muss: Von den marktwirtschaftlichen Gegebenheiten<br />
späterer Jahre waren beide Betriebe<br />
weit entfernt.<br />
Nach dem Mauerfall<br />
Dann kam der 9. November 1989 und mit ihm<br />
die sensationelle Öffnung der Grenzen. Auch<br />
für die S-Bahn stand die Welt auf dem Kopf.<br />
Schlagartig hatte sie es mit e<strong>in</strong>em gewaltigen<br />
Aufkommen an Reisenden zu tun, die <strong>in</strong>sbesondere<br />
zwischen Ost und West unterwegs<br />
se<strong>in</strong> wollten – genau über die Nahtstelle h<strong>in</strong>weg,<br />
die bisher beide Netze ge trennt hatte.<br />
Mit viel Improvisation (und gegenseitiger<br />
Hilfe) versuchten die S-Bahn-Betreiber, dem<br />
gerecht zu werden. Das historische Ereignis<br />
eröffnete aber auch e<strong>in</strong>e epochale Chance:<br />
das Ende der Teilung. Nachdem sich der politische<br />
Rahmen von e<strong>in</strong>em Moment zum<br />
nächsten gewandelt hatte, begann für S-<br />
Bahn und S-Bahner e<strong>in</strong>e turbulente Zeit. Bisher<br />
konnten sie sich <strong>in</strong> Ost und West auf e<strong>in</strong>e<br />
fürsorgliche Pla nung der vorgelagerten Stellen<br />
verlassen, jetzt jagte e<strong>in</strong> Ereignis oder<br />
Konzept das andere:<br />
– Dezember 1989: Erste Beratungen zwischen<br />
Senat, Reichsbahn und BVG zur<br />
Wiederherstellung der Umlandverb<strong>in</strong>dungen.<br />
Erste Ergebnisse werden am<br />
1. März 1990 symbolträchtig auf dem stillgelegten<br />
Bahnsteig Bornholmer Straße im<br />
Grenzgebiet vorgestellt<br />
Viertelzüge der BVG (außen) und der Reichsbahn (mittig) laufen <strong>in</strong> dem<br />
S-Bahn-Zug, der am 12. November 1989 über die Stadtbahn Richtung<br />
Lehrter S-Bahnhof rollt. In den Tagen nach dem Mauerfall ist das nichts<br />
Ungewöhnliches Konrad Kosch<strong>in</strong>ski<br />
<strong>BAHN</strong> <strong>EXTRA</strong> 4/2014 71
Fahrzeuge und Betrieb | DIE BERLINER S-<strong>BAHN</strong> 1989–2014<br />
Jubel<br />
Panorama-S-Bahn<br />
Die Idee kam von „ganz oben“. E<strong>in</strong>e<br />
„Cabrio-S-Bahn“ könnte e<strong>in</strong> völlig neues<br />
S-Bahn-Gefühl vermitteln, dachte sich<br />
der damalige Geschäftsführer Dr. Axel<br />
Nawrocki. Ihm schwebte zunächst e<strong>in</strong><br />
Sonderfahrzeug ohne Dach vor, <strong>in</strong> dem<br />
zur schönen Jahreszeit das S-Bahn-<br />
Fahren zum Erlebnis werden könnte.<br />
Se<strong>in</strong>e Idee war nicht so e<strong>in</strong>fach umzusetzen.<br />
Deshalb wandte man sich e<strong>in</strong>em<br />
weitgehend verglasten Dach nach dem<br />
Vorbild des „Gläsernen Triebwagens“<br />
der Baureihe ET 91 zu.<br />
Der Panoramazug verb<strong>in</strong>det <strong>in</strong> e<strong>in</strong>maliger<br />
Weise Tradition und Zukunft der<br />
Berl<strong>in</strong>er S-Bahn. Die Tradition f<strong>in</strong>det sich<br />
im Antriebskonzept der Baureihe 477 und<br />
se<strong>in</strong>er Frontpartie wieder. Die Zukunft<br />
stellen Innene<strong>in</strong>richtung und technische<br />
Ausstattung dar. Hochwertige Materialien<br />
wie Holz, textiler Bodenbelag und<br />
65 drehbare Luxussessel, e<strong>in</strong>e moderne<br />
Multimediaanlage, Klimaanlage, Garderobenablage,<br />
Bar und beh<strong>in</strong>dertengerechte<br />
Toilette vermitteln e<strong>in</strong> ganz neues<br />
S-Bahn-Gefühl. Großzügige Faltenbalgübergänge<br />
lassen die drei Wagen zu e<strong>in</strong>er<br />
E<strong>in</strong>heit werden.<br />
Die erste Baumaßnahme nach dem Mauerfall war die Wiederverb<strong>in</strong>dung der Stadtbahn<br />
am Bahnhof Friedrichstraße Mitte 1990 Manuel Jacob (2)<br />
Bei ihrem Besuch 2004 fuhr auch Queen<br />
Elizabeth II. mit der Panorama-S-Bahn DB<br />
Während der Feierlichkeiten „75 Jahre<br />
S-Bahn“ am 7. und 8. August 1999 am<br />
Olympiastadion fanden die ersten Fahrten<br />
für das Publikum statt. Ab dem Jahr<br />
2000 war die Panorama-S-Bahn e<strong>in</strong> fester<br />
Bestandteil im Market<strong>in</strong>gangebot der<br />
Berl<strong>in</strong>er S-Bahn. Am 3. November 2004<br />
hatte der Zug außergewöhnliche Fahrgäste:<br />
Die englische König<strong>in</strong> Elisabeth II<br />
und ihr Ehemann, Pr<strong>in</strong>z Philipp, fuhren<br />
mit dem gläsernen Zug <strong>in</strong> 45 M<strong>in</strong>uten<br />
vom Ostbahnhof nach Potsdam und<br />
erlebten Berl<strong>in</strong>s e<strong>in</strong>zigartiges Panorama.<br />
Aus Sicherheitsgründen und um den<br />
prom<strong>in</strong>enten Gästen freien Blick über<br />
das Regierungsviertel zu ermöglichen,<br />
wurden sogar Züge aufgehalten.<br />
Heutzutage kaum noch vorstellbar.<br />
Im Oktober 2008 wurde der 150.000. Fahrgast<br />
des Zuges begrüßt – dann schlug<br />
die S-Bahn-Krise zu. Aus Kostengründen<br />
stellte die S-Bahn GmbH das Panoramafahrzeug<br />
ab. Der letzte planmäßige<br />
E<strong>in</strong>satz datiert vom 26. Juni 2009; die<br />
Zukunft des Fahrzeugs ist ungewiss. MJ<br />
72<br />
Anlässlich des R<strong>in</strong>gbahn-Lückenschlusses wurde im Juni 2002 e<strong>in</strong> Vollzug der Baureihe 275<br />
(ex 165) geschmückt und im Fahrgastverkehr e<strong>in</strong>gesetzt<br />
– 2. Juli 1990: Wiederverb<strong>in</strong>dung der Stadtbahn<br />
zwischen Ost- und West-Berl<strong>in</strong>, ei -<br />
nen Tag nach Beg<strong>in</strong>n der Währungsunion<br />
– Herbst 1990: Gemäß E<strong>in</strong>igungsvertrag<br />
soll die gesamte S-Bahn Ende 1993 unter<br />
das Dach der Deutschen Bahn kommen<br />
– ab 1990: Auslieferung der neuen Bau rei -<br />
hen 270 (jetzt 485: 166 Viertelzüge bis 1992)<br />
und 480 (85 Viertelzüge bis 1994)<br />
– ab September 1991: Die BVG-Züge wer -<br />
den wieder im Reichsbahnausbesserungswerk<br />
(Raw) Schöneweide unterhalten<br />
– ab 1991: Planungsbeg<strong>in</strong>n für die neue Baureihe<br />
481 (Juli 1994: Bestellung der ersten<br />
100 Viertelzüge, 22. Februar 1996: Rollout<br />
<strong>in</strong> der Hauptwerkstatt Schöneweide)<br />
– ab 1992: Eröffnung der ersten Lückenschlüsse<br />
zwischen West-Berl<strong>in</strong> und dem<br />
Um land (1. April: Wannsee – Potsdam,<br />
31. Mai: Frohnau – Hohen Neuendorf,<br />
31. August: Lichtenrade – Blankenfelde)<br />
– 1993: In Verb<strong>in</strong>dung mit der Fernbahn-<br />
Elektrifizierung der Stadtbahn und der<br />
Wieder<strong>in</strong>betriebnahme des S-Bahn-Südr<strong>in</strong>gs<br />
geht das erste Elektronische Stellwerk<br />
<strong>in</strong> Berl<strong>in</strong> <strong>in</strong> Betrieb; es steuert 48<br />
Streckenkilometer<br />
– 1. Januar 1994: Die S-Bahn wird Teil der<br />
neu gegründeten Deutschen Bahn AG.<br />
Die Zusammenführung von Reichsbahnund<br />
BVG-Beschäftigten ist e<strong>in</strong>e große Herausforderung<br />
für alle Beteiligten
Zwischen 1990 und 2005 wurden zehn Verb<strong>in</strong>dungen, welche die ehemalige Grenze überschritten, sowie über 90 Kilometer stillgelegte Streckenabschnitte<br />
wieder <strong>in</strong> Betrieb genommen. Die Abschnitte s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> der Karte rot markiert DR/Slg. Manuel Jacob; Ergänzungen: Manuel Jacob<br />
– 1. Januar 1995: Arbeitsbeg<strong>in</strong>n der S-Bahn<br />
Berl<strong>in</strong> GmbH, e<strong>in</strong>er Tochter der DB AG<br />
Diese Punkte zeigen wie unter e<strong>in</strong>em Brennglas,<br />
welche umfassenden Veränderungen <strong>in</strong><br />
sehr kurzer Zeit zu stemmen waren. Hier waren<br />
Entwicklungen nachzuholen, für die <strong>in</strong><br />
den alten Bundesländern teilweise Jahrzehnte<br />
zur Verfügung gestanden hatten.<br />
Die S-Bahn Berl<strong>in</strong> GmbH<br />
Der neuen S-Bahn-Gesellschaft standen anfangs<br />
zwei (später drei) Geschäftsführer vor.<br />
Ihnen gelang es, das junge Unternehmen<br />
nach <strong>in</strong>nen und außen gut zu positionieren.<br />
Der Vorsitzende der Geschäftsführung, der<br />
Jurist Dr. Axel Nawrocki, war politisch bestens<br />
vernetzt. Der technische Geschäfts füh -<br />
rer, Günter Ruppert, hatte e<strong>in</strong>e Laufbahn bei<br />
der Reichsbahn h<strong>in</strong>ter sich und war zuletzt<br />
Chef der DR-Hauptabteilung Masch<strong>in</strong>enwirtschaft.<br />
Dem damaligen Trend folgend,<br />
wonach Konzerne eigenständige Töchter<br />
gründeten, die ihre Marktsegmente eigenverantwortlich<br />
„beackerten“, positionierten<br />
sie die S-Bahn GmbH selbstbewusst. Das<br />
war auch erforderlich, denn neben den organisatorischen<br />
Aufgaben lief die Sanierung<br />
des Bestandsnetzes, e<strong>in</strong>schließlich Bahn -<br />
höfen und Brücken unter dem „rollenden<br />
Rad“, auf Hochtouren. Das bedeutete für die<br />
Fahrgäste teilweise lange Streckensperrungen,<br />
die zeitweise Schließung von Bahn -<br />
höfen, viele Pendelverkehrsfahrten und<br />
„ewige“ mühevolle Wege über enge Behelfs -<br />
treppen und Notbahnsteige. Neben der „normalen“<br />
Erneuerung des Oberbaus waren <strong>in</strong><br />
großem Umfang Unterbausanierung sowie<br />
Erneuerung von Stromversorgung und<br />
Sicherungstechnik erforderlich. Folgende<br />
Großprojekte seien hier erwähnt:<br />
– ab April 1991: Sanierung des Nord-Süd-S-<br />
Bahn-Tunnels. Die völlige Entfernung von<br />
Gleisen, Unterbau sowie Versorgungsund<br />
Kommunikationsanlagen erforderte<br />
<strong>in</strong> dem engen Bauwerk die Unter bre -<br />
chung des durchgehenden Zugverkehrs<br />
für zehn Monate mit zeitweiser Vollsperrung<br />
zwischen Gesundbrunnen und Anhalter<br />
Bahnhof<br />
– ab Oktober 1994: Sanierung des Stadtbahnviadukts.<br />
Über zwei Jahre wurden<br />
die S-Bahn-Gleise auf die Fernbahntrasse<br />
verlegt und die Stationen Tiergarten, Bellevue,<br />
Hackescher Markt (Richtung Wes -<br />
ten) sowie Jannowitzbrücke geschlossen.<br />
Danach folgte die Sanierung des Fernbahnbereiches<br />
bis Mai 1998<br />
– 1996–2003: völlige Umgestaltung und Neutrassierung<br />
des Nordkreuzes (Gesund-<br />
Die Gründungs-Geschäftsführer der S-Bahn<br />
Berl<strong>in</strong> GmbH, Dr. Axel Nawrocki (r.) und<br />
Technikchef (bis 2005) Günter Ruppert. Als<br />
dieser 2007 <strong>in</strong> den Ruhestand g<strong>in</strong>g, war er<br />
bereits e<strong>in</strong> „König ohne Reich“ Manuel Jacob<br />
<strong>BAHN</strong> <strong>EXTRA</strong> 4/2014 73
Fahrzeuge und Betrieb | DIE BERLINER S-<strong>BAHN</strong> 1989–2014<br />
Jubel<br />
75 Jahre S-Bahn<br />
Am 8. August 1924 fuhr der erste elek -<br />
trische Zug vom damaligen Stett<strong>in</strong>er<br />
Vorortbahnhof nach Bernau. Am 7. und<br />
8. August 1999 wurde folgerichtig das<br />
75-jährige Jubiläum der Berl<strong>in</strong>er S-Bahn<br />
gefeiert; es gab e<strong>in</strong> Bahnhofsfest auf den<br />
erst kurz zuvor fertig gestellten Sonderbahnsteigen<br />
des Bahnhofs Olympiastadion.<br />
E<strong>in</strong>e Fahrzeugausstellung zeigte auf<br />
sieben Gleisen Berl<strong>in</strong>er S-Bahn-Züge und<br />
Sonderfahrzeuge. Weiterh<strong>in</strong> waren die<br />
ehemalige Stadtbahnlokomotive 74 1230<br />
mit e<strong>in</strong>em preußischen Abteilwagen als<br />
Vorläufer der elektrischen S-Bahn sowie<br />
S-Bahnen aus Hamburg und den westdeutschen<br />
Ballungsräumen zu sehen.<br />
Am 8. August 1999 präsentierte die S-<br />
Bahn Berl<strong>in</strong> GmbH e<strong>in</strong>e Fahrzeugparade,<br />
wie man sie noch nie gesehen hatte. Auf<br />
dem Streckengleis Westkreuz – Spandau<br />
paradierten 19 Zugverbände durch den<br />
Bahnhof Olympiastadion, welche die<br />
Geschichte dieser Traditionsbahn <strong>in</strong> thematischen<br />
„Bildern“ darstellten. Um<br />
diese <strong>in</strong> enger Abfolge zeigen zu können,<br />
wurde das betroffene Gleis im fahr -<br />
Zum Bahnhofsfest „75 Jahre S-Bahn“ gab<br />
es e<strong>in</strong>e Fahrzeugschau mit Zügen, die alle<br />
e<strong>in</strong>en Bezug zur S-Bahn hatten Manuel Jacob<br />
dienstlichen S<strong>in</strong>ne gesperrt und zum<br />
Baugleis erklärt. So waren das Aufstellen<br />
und Fahren der Züge ohne Beachtung<br />
der regulären Hauptsignale möglich. Die<br />
Fahrzeugparade wurde auf e<strong>in</strong>er Strecke<br />
von zwei Kilometern vor dem Bahnhof<br />
Olympiastadion aufgestellt.<br />
E<strong>in</strong>e besondere Herausforderung für die<br />
Aufstellung der Parade und deren Ablauf<br />
war das selbst gesteckte Ziel, e<strong>in</strong>en Fahrgastverkehr<br />
im 20-M<strong>in</strong>uten-Takt auf dem<br />
anderen Streckengleis aufrecht zu erhalten,<br />
was durch die moderne Sicherungstechnik,<br />
die signalmäßige Fahrten <strong>in</strong><br />
beiden Richtungen zulässt, erleichtert<br />
wurde.<br />
Die Parade wurde von unzähligen Zuschauern<br />
von den Bahnsteigen des Bahnhofs<br />
Olympiastadion sowie von Brücken<br />
aus verfolgt. Das zweitägige Bahnhofsfest<br />
<strong>in</strong> Olympiastadion mit der Fahrzeugausstellung<br />
haben über 45.000 Teilnehmer<br />
besucht. MJ<br />
74<br />
Feierstimmung: Zur Eröffnung der R<strong>in</strong>gbahnhalle<br />
im Bahnhof Südkreuz wird 2005 e<strong>in</strong>e<br />
S-Bahn-Torte angeschnitten Volker Emersleben<br />
brunnen – Schönhauser Allee – Bornholmer<br />
Straße) für S- und Fernbahn<br />
– 2001–2005: Umbau des Südkreuzes (R<strong>in</strong>gund<br />
Vorortbahnhof Papestraße mit Neu -<br />
bau des Fernbahnhofs)<br />
– 2003–2006: „Verschiebung“ des Bahnhofs<br />
Charlottenburg um 150 Meter Richtung<br />
Osten mit Sanierung des Stadtbahnviaduktes<br />
bis zum Bahnhof Zoo (Unterbrechung<br />
des S-Bahn-Verkehrs für 13 Monate)<br />
– 2007 bis voraussichtlich 2016: Umgestaltung<br />
des Ostkreuzes e<strong>in</strong>schließlich der<br />
Zulaufstrecken vom Ostbahnhof (Umbau<br />
von L<strong>in</strong>ien- auf Richtungsbetrieb)<br />
Angesichts der jahrzehntelang unterlassenen<br />
Investitionen stellte dieses massive<br />
Baugeschehen hohe Anforderungen an<br />
die Geduld der Fahrgäste. Die S-Bahn g<strong>in</strong>g<br />
offensiv auf ihre Kunden zu und warb mit<br />
offener Kommunikation um Verständnis für<br />
die Erschwernisse. Dazu gehörten <strong>in</strong>tensive<br />
Medienarbeit mit der Folge umfangreicher,<br />
meist wohlwollender Berichterstattung, stets<br />
gut besuchte Bahnhofsfeste, die Ausgabe<br />
von Sonder-Tageskarten für Sammler und<br />
manches mehr. Immer wieder gab es pub -<br />
likumswirksame Veranstaltungen, unter anderem:<br />
– 28. Mai 1995: Eröffnung der Streckenabschnitte<br />
nach Tegel im Norden und Lichterfelde<br />
Ost im Süden<br />
– 11. Dezember 1996: Erster Fahrgaste<strong>in</strong>satz<br />
der Baureihe 481<br />
– 21. Dezember 1997: Abschied der Bauart<br />
Stadtbahn (Baureihe 475) mit der großen<br />
Sternfahrt zum Ostkreuz<br />
E<strong>in</strong>ige Zeit gab es auch Vollwerbung an S-Bahnzügen.<br />
Der Halbzug 477/877 070/085 warb im<br />
Herbst 2003 als letzter Altbauzug im Plane<strong>in</strong>satz<br />
für e<strong>in</strong>e Kunstausstellung Manuel Jacob<br />
– 7. und 8. August 1999: Anlässlich e<strong>in</strong>es großen<br />
Bahnhofsfestes „75 Jahre elektrischer<br />
S-Bahn-Betrieb“ erste Fahrgaste<strong>in</strong>sätze<br />
der Panorama-S-Bahn<br />
Beliebtheit durch Leidenschaft<br />
Die Ereignisse „Abschied der Baureihe 475“<br />
und „75 Jahre elektrischer S-Bahn-Betrieb“<br />
wurden zu wahren Volksfesten gestaltet.<br />
Letz tere Veranstaltung im kurz vorher<br />
wieder eröffneten Sonderbahnhof Olympiastadion<br />
lockte am Wochenende 7. und 8. August<br />
1999 rund 45.000 Schaulustige an. Dass<br />
dies so gut gel<strong>in</strong>gen konnte, ist auch e<strong>in</strong>igen<br />
engagierten Mitarbeitern zu verdanken. Sie<br />
brachten ihr kreatives Potenzial <strong>in</strong> komplexe<br />
Fahrplan- und Dienstregelungen e<strong>in</strong> (siehe<br />
Kasten l<strong>in</strong>ks).<br />
Die S-Bahn GmbH unterstützte auch den<br />
Vere<strong>in</strong> Historische S-Bahn bei Erhaltung<br />
und E<strong>in</strong>satz se<strong>in</strong>er Museumszüge und war<br />
ebenso offen für die Zusammenarbeit mit<br />
der Industrie. So betrieb sie 1994/95 e<strong>in</strong>en<br />
von der AEG Hennigsdorf auf diesel-elektrischen<br />
Antrieb umgerüsteten Halbzug der
Im Februar 1993 ist e<strong>in</strong> S-Bahn-Zug<br />
<strong>in</strong> Gesundbrunnen e<strong>in</strong>getroffen;<br />
Bahnhof und Fahrzeug repräsentieren<br />
noch die Berl<strong>in</strong>er S-Bahn, wie man<br />
sie seit Jahrzehnten kennt Bodo Schulz<br />
Baureihe 485 im Fahrgaste<strong>in</strong>satz auf der<br />
Strecke Hennigsdorf – Hohen Neuendorf<br />
West (am Berl<strong>in</strong>er Außenr<strong>in</strong>g (BAR)) – Oranienburg<br />
und verließ damit das Gleichstromnetz.<br />
Nach <strong>in</strong>nen und außen wurde <strong>in</strong>tensiv<br />
daran gearbeitet, die S-Bahn mit dem Unternehmen<br />
„S-Bahn Berl<strong>in</strong> GmbH“ zu assoziieren.<br />
Anfang 1996 erhielten die Mitarbeiter<br />
im Betriebsdienst und mit Kundenkontakt<br />
eigene Dienstkleidung <strong>in</strong> der Grundfarbe<br />
Grün. Drucksachen (Flyer, Plakate, Aus hän -<br />
ge usw.) folgten e<strong>in</strong>em Corporate Design, bei<br />
dem ebenfalls die Farbe Grün dom<strong>in</strong>ierte.<br />
Damit wurde e<strong>in</strong>e Wiedererkennbarkeit zu<br />
dem grünen S-Bahn-Signet (im Unterschied<br />
zum U-Bahn-Blau) geschaffen. Als Tochter<br />
des DB-Konzerns ist sie <strong>in</strong> den ersten Jahren<br />
nicht offensiv <strong>in</strong> Ersche<strong>in</strong>ung getreten.<br />
Trotz dieser „gefühlten“ Leichtigkeit hatte<br />
die S-Bahn aber die Wirtschaftlichkeit strikt<br />
im Blick. Nach <strong>in</strong>nen wurde stets vermittelt,<br />
dass man <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em hart umkämpften Wettbewerbsumfeld<br />
agiere. Zwar verkündete die<br />
Führung stolz, dass die ersten Geschäfts jah -<br />
re mit e<strong>in</strong>er schwarzen Zahl abgeschlossen<br />
wurden, gleichzeitig belegte sie aber mit Beispielen,<br />
dass es erhöhter Anstrengungen<br />
bedürfe, um dies beizubehalten. Dies führte<br />
übrigens zu e<strong>in</strong>er Irritation beim Senat; denn<br />
die S-Bahn erzielte mit öffentlichen Besteller -<br />
entgelten Gew<strong>in</strong>ne, während die städtische<br />
Ursache und Wirkung der S-Bahn-Krise spiegeln sich <strong>in</strong> diesen Kurven wider, die<br />
die Entwicklung von Mitarbeitern, Gew<strong>in</strong>nen und der Fahrgastnachfrage aufzeigen.<br />
Letztere wurde zum Glück nur kurzfristig erschüttert Manuel Jacob<br />
BVG chronisch Verluste e<strong>in</strong>fuhr. Deshalb<br />
kam es nach dem Auslaufen des alten Verkehrsvertrages<br />
Ende 2001 erst im August<br />
2004 zum Abschluss des aktuell bis Ende<br />
2017 geltenden Folgevertrages, der für die<br />
Entgelte Rabatte im zweistelligen Millionenbereich<br />
vorsah.<br />
Dies beflügelte <strong>in</strong>terne Prozessverbesserungen,<br />
<strong>in</strong>dem beispielsweise der E<strong>in</strong>satz der<br />
Wagenzüge optimiert wurde. Im Jahr 2000<br />
g<strong>in</strong>g man dazu über, für Verstärkungszuggruppen<br />
im Berufsverkehr nur Halbzüge e<strong>in</strong>zusetzen.<br />
Diese wurden <strong>in</strong> den Tagesstunden<br />
auf andere L<strong>in</strong>ien verlegt und ersetzten dort<br />
laufende Vollzüge, die dann bis zum Nachmittagsberufsverkehr<br />
pausierten.<br />
Gleichzeitig rückten vermehrt Neubauzüge<br />
<strong>in</strong> den E<strong>in</strong>satzbestand; damit war es<br />
möglich, die Werkstatt<strong>in</strong>tervalle deutlich auszudehnen,<br />
die Fahrzeiten zu straffen und die<br />
Wendezeiten an den Endpunkten zu kürzen.<br />
Während bisher das Fahrpersonal für die<br />
Dauer der Schicht bei se<strong>in</strong>en Fahrzeugen<br />
blieb und die Wendezeiten auch die erforder-<br />
<strong>BAHN</strong> <strong>EXTRA</strong> 4/2014 75
Fahrzeuge und Betrieb | DIE BERLINER S-<strong>BAHN</strong> 1989–2014<br />
Jammer<br />
Wagen und Werke<br />
Allen Verantwortlichen war schon frühzeitig<br />
klar, dass der S-Bahn wegen ihrer<br />
vielfältigen Verb<strong>in</strong>dungen zwischen den<br />
beiden Stadthälften und dem Umland<br />
nach der Wiedervere<strong>in</strong>igung e<strong>in</strong>e Schlüsselrolle<br />
zukommen würde. Deshalb<br />
begannen Senat, DR und BVG schon 1991<br />
mit der Erarbeitung e<strong>in</strong>es Betriebskonzeptes,<br />
das 1994 für den Zeithorizont bis<br />
2010 fortgeschrieben wurde. Unter Berücksichtigung<br />
des geplanten Netzausbaus,<br />
der angenommenen Fahrgastzahlen<br />
und e<strong>in</strong>es modernen Wagenparks<br />
s<strong>in</strong>d die Planer von e<strong>in</strong>em langfristigen<br />
Bedarf von 750 Viertelzügen (Vz) ausge-<br />
Noch wächst das Gras zwischen den alten<br />
Gleisen <strong>in</strong> Friedrichsfelde. Bis 2016 wird das<br />
Werk für 15 Millionen Euro modernisiert<br />
gangen, die <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Hauptwerkstatt und<br />
drei Betriebswerkstätten unterhalten<br />
werden sollten. Die bereits bestellten und<br />
ausgelieferten Baureihen 480 und 485<br />
beliefen sich auf rund 250 Viertelzüge,<br />
so dass von der <strong>in</strong> der Entwicklung bef<strong>in</strong>dlichen<br />
neuen Baureihe 481 genau<br />
500 Viertelzüge bestellt wurden, um die<br />
Zielzahl zu erreichen.<br />
Wegen der erwähnten E<strong>in</strong>satzoptimierung<br />
und Kürzung der Bestellerentgelte<br />
verzichtete schon die alte Geschäftsführung<br />
im Herbst 2003 bei zehn 485ern<br />
auf die fällige Hauptuntersuchung und<br />
stellte die Züge ab. Im Ergebnis vieler<br />
weiterer betriebswirtschaftlicher „Optimierungen“<br />
wurde der Bedarf an Fahrzeugen<br />
und Werkstätten so festgelegt,<br />
dass die Werke Erkner (2003) und Friedrichsfelde<br />
(2006) geschlossen sowie rund<br />
100 Viertelzüge der Baureihe 485 ausgemustert<br />
werden konnten. Vor allem<br />
2007/08 wurden über 60 Viertelzüge der<br />
Baureihe 485 und 16 der Baureihe 480<br />
sogar verschrottet. Die Folgen des Sparkurses:<br />
Im ersten Krisenjahr 2009 verfügte<br />
die S-Bahn laut VBB nur noch über<br />
632 Viertelzüge.<br />
Mittlerweile ist das Werk Erkner teilweise<br />
wieder am Netz und Friedrichsfelde wird<br />
– bei wieder laufendem Betrieb – modernisiert.<br />
Dank der Reaktivierung von<br />
20 Viertelzügen der abgestellten Baureihe<br />
485 beträgt der Wagenpark <strong>in</strong>zwischen<br />
rund 660 Viertelzüge. MJ<br />
76<br />
lichen Pausenzeiten darstellten, g<strong>in</strong>g man<br />
jetzt verstärkt dazu über, Wendezeiten an das<br />
betrieblich nötige Maß anzupassen und die<br />
Pausen an zentralen Orten außerhalb der<br />
Führerstände zu gewähren. Die Züge wur -<br />
den von anderen Triebfahrzeugführern übernommen,<br />
deren Pause zu Ende war.<br />
Der Wandel der Berl<strong>in</strong>er S-Bahn<br />
Zwischen 2006 und 2008 verfolgte der DB-<br />
Vorstand unter Hartmut Mehdorn auf<br />
Wunsch der Bundesregierung das Ziel,<br />
knapp 50 Prozent des Aktienkapitals an der<br />
Börse zu platzieren. Um für die Investoren<br />
attraktiv zu se<strong>in</strong>, musste der Konzern Gew<strong>in</strong>ne<br />
machen, wozu die Tochterunternehmen<br />
kräftig beizutragen hatten. Und so gab<br />
es auch für die S-Bahn Berl<strong>in</strong> GmbH ambitionierte<br />
Gew<strong>in</strong>nziele.<br />
Damit setzte e<strong>in</strong>e verhängnisvolle Wandlung<br />
e<strong>in</strong>: von der Berl<strong>in</strong>er S-Bahn, die jeder<br />
kennt, zu e<strong>in</strong>er S-Bahn, die nicht mehr wiederzuerkennen<br />
ist. Dazu gehörte der gezielte<br />
Austausch der Geschäftsführung zwischen<br />
2005 und 2007. Während alle bisherigen Geschäftsführer<br />
von der Reichsbahn kamen,<br />
politisch ver netzt oder gewerkschaftsnah<br />
waren, hatten alle folgenden Neuzugänge<br />
das Ticket der DB-Zentrale.<br />
Den Anfang machte im Juli 2005 e<strong>in</strong> zusätzlicher,<br />
vierter Geschäftsführer für den<br />
Betrieb und dessen Rationalisierung, der von<br />
der S-Bahn Hamburg kam. Der 60-jährige<br />
Günter Ruppert blieb zwar Sprecher der<br />
Geschäftsführung, hatte aber kaum noch<br />
Zu ständigkeiten. Am 1. April 2006 folgte e<strong>in</strong><br />
neuer kaufmännischer Geschäftsführer<br />
(ebenfalls von der S-Bahn Hamburg), am<br />
1. Januar 2007 der Arbeitsdirektor (von DB<br />
Job Service) und es endete am 3. Mai 2007<br />
mit e<strong>in</strong>em neuen Sprecher der Geschäfts füh -<br />
rung. „...(Se<strong>in</strong>e) wichtigste Aufgabe … be -<br />
Während der WM 2006<br />
glänzte die Berl<strong>in</strong>er<br />
S-Bahn zum letzten Mal<br />
steht dar<strong>in</strong>, die Strukturen der Berl<strong>in</strong>er<br />
S-Bahn auf die sich verändernden Bed<strong>in</strong> -<br />
gungen e<strong>in</strong>zustellen. Mit se<strong>in</strong>er Kompetenz<br />
wird er diese Herausforderung meistern und<br />
den Erfolg der S-Bahn fortsetzen“, zitierte<br />
die Mitarbeiterzeitung der S-Bahn GmbH<br />
Dr. Karl-Friedrich Rausch, den Aufsichtsratsvorsitzenden.<br />
Günter Ruppert wurde mit<br />
62 Jahren <strong>in</strong> den Ruhestand geschickt.<br />
Mit der neuen Geschäftsführung durchforsteten<br />
Unternehmensberater und Controller<br />
alle Abläufe. E<strong>in</strong>e Kommunikation der<br />
neuen Herren mit den zuständigen Mitarbeitern<br />
war schwierig, weil das spezifische Fachwissen<br />
über den Bahnbetrieb ausgeblendet<br />
wurde. Daraus resultierende E<strong>in</strong>sparungen<br />
fanden ke<strong>in</strong>eswegs verdeckt statt und wur -<br />
den nicht nur vom Betriebsratsvorsitzenden<br />
schon 2008 deutlich kritisiert. Doch weil<br />
Prozessoptimierung und Kostensenkung<br />
schon immer Ziel bei der S-Bahn waren, nur<br />
unter realistischeren Gesichtspunkten, blieben<br />
Erfolge anfangs nicht aus und schienen<br />
den Verantwortlichen Recht zu geben.<br />
Während der Fußball-Weltmeisterschaft<br />
(WM) vom 9. Juni bis 9. Juli 2006 glänzte die<br />
Berl<strong>in</strong>er S-Bahn zum letzen Mal: Sie beförderte<br />
<strong>in</strong> diesem Zeitraum sieben Millionen<br />
Fahrgäste mehr als sonst, damit hat sie nach<br />
eigenen Angaben rund zwei Drittel des WM-<br />
Verkehrs geschultert. Knapp 1.000 zusätzliche<br />
Fahrten wurden e<strong>in</strong>gelegt.<br />
Fortgesetzte Wartungsmängel<br />
E<strong>in</strong>e erste Erschütterung folgte aber schon<br />
wenig später, am 20. November 2006. E<strong>in</strong> L<strong>in</strong>ienzug<br />
der Baureihe 481 prallte im Bahnhof<br />
Südkreuz (Vorort) auf e<strong>in</strong> dort haltendes<br />
Gleismessfahrzeug. Weil die Schienen als<br />
Folge der Messungen schlüpfrig waren,<br />
konnte der Zug trotz rechtzeitiger Brems -<br />
bedienung nicht stoppen und fuhr mit e<strong>in</strong>er<br />
Restgeschw<strong>in</strong>digkeit von ca. 37 km/h auf.<br />
Der Untersuchungsbericht des <strong>Eisenbahn</strong>-<br />
Bundesamtes (EBA) stellte nicht nur<br />
Schwachstellen <strong>in</strong> der Bremsanlage fest, sondern<br />
auch noch, dass der Sandbehälter leer<br />
war. Letzteres e<strong>in</strong>e Folge erwähnter Umlauf-
Sonderverkehr während der Fußball-WM 2006: Die Fans werden<br />
gezielt zu den Zügen gelenkt, die als nächste abfahren. Die S-Bahn<br />
bewährte sich während des Turniers als leistungsfähiges Verkehrsmittel.<br />
Es war aber auch für lange Zeit ihr letzter Triumph Manuel Jacob<br />
Hilfe <strong>in</strong> der Krise: Im Jahr 2011 reaktivierte die S-Bahn Berl<strong>in</strong> die<br />
bereits abgestellten Fahrzeuge der Baureihe 485 Bodo Schulz<br />
Untersuchung <strong>in</strong> der S-Bahn-Werkstatt; bei der Baureihe 481 traten<br />
ab 2009 verstärkt Mängel auf Bodo Schulz, Manuel Jacob (S. 76 M.)<br />
optimierungen, wodurch die Werkstatt<strong>in</strong>tervalle<br />
(im vorliegenden Fall 18 Tage) größer<br />
waren als der Sandvorrat.<br />
E<strong>in</strong>ige Zeit später sollte der 481 noch mehr<br />
Negativschlagzeilen machen. Am 1. Mai<br />
2009, dem Tag des Amtsantritts des neuen<br />
DB-Konzernchefs Rüdiger Grube, entgleiste<br />
im Bahnhof Kaulsdorf e<strong>in</strong>er der Triebzüge<br />
wegen e<strong>in</strong>es Radbruchs. Daraufh<strong>in</strong> verpflichtete<br />
sich die S-Bahn GmbH zu e<strong>in</strong>er<br />
Radscheibenprüfung im Sieben-Tages-Intervall.<br />
Weil das EBA wiederholt feststellte, dass<br />
das Unternehmen die Verpflichtungen nur<br />
unzureichend e<strong>in</strong>hielt, ließ es Ende Juni 2009<br />
knapp e<strong>in</strong> Drittel des Wagenparks mit sofortiger<br />
Wirkung stilllegen. Mit katastrophalen<br />
Folgen für den Verkehrs ablauf.<br />
Es mussten Zuglängen und Zugläufe gekürzt<br />
werden, es kam zu größeren Zugfolgen.<br />
Weitere Auflagen des EBA führ ten ab Mitte<br />
Juli dazu, dass nur noch rund e<strong>in</strong> Drittel des<br />
Wagenparks e<strong>in</strong>satzbereit war. Vom 20. Juli<br />
bis 3. August 2009 führte dies <strong>in</strong> großem Umfang<br />
zu Streckenstilllegungen, darunter der<br />
Stadtbahn zwischen Ostbahnhof und Zoo (!).<br />
Zwischen Zoo und Olympiastadion verkehrten<br />
zwei Halbzüge im 20-M<strong>in</strong>uten-Takt. Wegen<br />
e<strong>in</strong>es weiteren Wartungsfehlers mussten<br />
ab 8. September 2009 erneut ca. drei Viertel<br />
des Fuhrparks stillgelegt werden. Diesmal<br />
schloss man die Stadtbahn westlich von<br />
Alexanderplatz bis Spandau und Wannsee.<br />
Der Konzern reagierte, <strong>in</strong>dem er den<br />
Rücktritt der Geschäftsführung annahm<br />
(diese aber nicht entließ). Als wesentliche Ursachen<br />
machte er Konstruktionsmängel bei<br />
der Baureihe 481 aus. Doch waren sämtliche<br />
Gewährleistungsfristen gegenüber den Herstellern<br />
abgelaufen und die Fahrzeuge galten<br />
<strong>BAHN</strong> <strong>EXTRA</strong> 4/2014 77
Fahrzeuge und Betrieb | DIE BERLINER S-<strong>BAHN</strong> 1989–2014<br />
Betrieb am Bahnhof Ostkreuz im August 2009. Die Szenerie täuscht etwas – die S-Bahn steckt zu dieser Zeit <strong>in</strong> der Krise B. Schulz, Slg. M. Jacob (u.)<br />
bisher im Betrieb als Muster bei spiele an Verfügbarkeit.<br />
Dass die Argumentation auf schwachen<br />
Füßen stand, zeigte sich noch daran, dass der<br />
S-Bahn-Verkehr schon seit 2008 wegen immer<br />
neuer Probleme zeitweise schwer<br />
gestört war, was auch der Verkehrsverbund<br />
Berl<strong>in</strong>-Brandenburg (VBB) scharf kritisierte.<br />
Im Sommer 2010 fielen 481er wegen Klimaund<br />
Lüftungsproblemen aus. Ab Dezember<br />
2010 führten massive Antriebsprobleme und<br />
Motorschäden zu e<strong>in</strong>em W<strong>in</strong>ter-Notfahrplan.<br />
Unerwartete Folge des Chaos-Betriebs war<br />
e<strong>in</strong> Mangel an Triebfahrzeugführern, den<br />
selbst die dauerhaften M<strong>in</strong>derleistungen<br />
nicht kompensierten. Der Grund: zu knapp<br />
bemessenes Personal und der ungeheure Zuwachs<br />
an Leerfahrten. Der Jubel der ersten<br />
Jahre nach dem Mauerfall war verflogen, die<br />
S-Bahn befand sich <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Jammertal –<br />
ausgelöst durch überzogene Sparkonzepte.<br />
78<br />
Der Weg <strong>in</strong> die Zukunft<br />
Generelle Schulde<strong>in</strong>geständnisse aus der<br />
DB-Spitze gab es zwar nicht. Aber sie reagierte:<br />
Das im Frühjahr 2007 stillgelegte<br />
Werk Friedrichsfelde wurde am 1. Oktober<br />
2010 reaktiviert, um Wartungs- und Unterhaltungskapazitäten<br />
zu gew<strong>in</strong>nen. Mitte<br />
2012 startete e<strong>in</strong> bis 2016 laufendes Ausbauprogramm<br />
für über 15 Millionen. Gegenüber<br />
dem Tiefst stand von 2.765 Mitarbeitern im<br />
Jahr 2009 (1995: 4.500) s<strong>in</strong>d <strong>in</strong>zwischen wieder<br />
über 3.000 Personen an Bord. Trotzdem<br />
war das System S-Bahn durch die E<strong>in</strong>sparungen<br />
dermaßen ausgezehrt, dass es immer<br />
wieder zu spürbaren E<strong>in</strong>schränkungen kam.<br />
Selbst noch die starken Temperaturschwankungen<br />
des langen W<strong>in</strong>ters 2012/13 beh<strong>in</strong>derten<br />
den Betrieb deutlich: E<strong>in</strong>gefrorene Türen,<br />
Antriebsstörungen, Verspätungen und Zugausfälle<br />
waren an der Tagesordnung. Weitere<br />
Verspätungen gab es durch langsame Züge<br />
(die mangels Sandkontrollen nur mit reduzierter<br />
Geschw<strong>in</strong>digkeit fahren durften) und<br />
durch fehlende Lokführer, die wegen eben<br />
dieser Zugverspätungen das knapp kalkulierte<br />
Pausen- und Ablösungssystem nicht<br />
Sonderfahrkarten mit Sonderklischees <strong>in</strong><br />
den Entwerterstempeln: So machte die S-Bahn<br />
ihre Wieder<strong>in</strong>betriebnahmen zum Ereignis<br />
e<strong>in</strong>halten konnten. Im W<strong>in</strong>ter 2013/2014 fuhr<br />
die S-Bahn zwar stabil, ob sie aber wieder<br />
auf alter Höhe ist, steht nicht fest. Die milden<br />
Temperaturen waren ke<strong>in</strong> Prüfste<strong>in</strong>.<br />
Trotzdem bleibt e<strong>in</strong> riesiger Image- und<br />
auch wirtschaftlicher Schaden. Statt wie<br />
<strong>in</strong> den Vorjahren Millionengew<strong>in</strong>ne auszuschütten<br />
(geplant 2009: 98 Millionen Euro,<br />
2010: 125 Millionen Euro), schloss die S-Bahn<br />
GmbH die Jahre 2009 bis 2012 mit <strong>in</strong>sgesamt<br />
354 Millionen Euro Verlust ab. Neben teuren<br />
Reparaturen, Baureihen-Ertüchtigungen,<br />
der Reaktivierung (!) von 20 Viertelzügen der<br />
Baureihe 485 und Neue<strong>in</strong>stellungen schlu -<br />
gen auch zwei „Kompensationsleistungen“<br />
(Fahrgeldnachlässe) mit zusammen mehr als<br />
70 Millionen Euro zu Buche.<br />
So ist die Gesundung des Unternehmens<br />
heute e<strong>in</strong>e der vorrangigsten Aufgaben – und<br />
e<strong>in</strong>e, für die man den S-Bahn-Chefs nur viele<br />
glückliche Hände wünschen kann. Gleiches<br />
gilt für die Politik, denn aktuell läuft die Ausschreibung<br />
des Systems „R<strong>in</strong>gbahn“ (rund<br />
e<strong>in</strong> Drittel der Gesamtleistung), beg<strong>in</strong>nend<br />
im Jahr 2017. Dazu steht <strong>in</strong> Kürze e<strong>in</strong> Jubiläum<br />
an: Am 8. August 2014 wird die Gleichstrom-S-Bahn<br />
90 Jahre alt. Da wäre es gut,<br />
wenn die heute rot-gelben Triebzüge positiv<br />
von sich reden machen. Denn immerh<strong>in</strong>: Auf<br />
etwas Sympathie dürfen die S-Bahn und ihr<br />
Betreiber bei den Bürgern der Stadt noch<br />
hoffen. Trotz allem, was geschehen ist.<br />
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Fahrzeuge und Betrieb<br />
| DIE TARIFE UND DER VERKEHRSVERBUND BERLIN-BRANDENBURG<br />
Stationen des Regionalverkehrs <strong>in</strong> Berl<strong>in</strong>: Regionalexpress im Januar<br />
2013 <strong>in</strong> Berl<strong>in</strong> Hbf (o.) – er ist zum VBB-Tarif nutzbar –, West-Berl<strong>in</strong>er<br />
S-Bahn <strong>in</strong> Frohnau 1993 (u.) – noch mit eigenem Tarif – und Jubiläumslogo<br />
des VBB von 2014 (r.) Ralf Kutschke (o.), Sven Kle<strong>in</strong> (u.), VBB (u.r.)<br />
Der Weg zum<br />
E<strong>in</strong>heitsticket<br />
Als die Mauer Ende 1989 fiel, prallten <strong>in</strong> Berl<strong>in</strong> zwei Verkehrstarifsysteme<br />
aufe<strong>in</strong>ander. Knapp zehn Jahre später, am 1. April 1999,<br />
startete der Tarif des Verkehrsverbunds Berl<strong>in</strong>-Brandenburg (VBB)<br />
80
Als nach der Grenzöffnung Ost-Berl<strong>in</strong>er<br />
und DDR-Bürger nach West-Berl<strong>in</strong><br />
strömten, galt dort e<strong>in</strong> völlig anderes<br />
Tarifsystem. In der DDR kostete e<strong>in</strong>e E<strong>in</strong>zelfahrkarte<br />
seit Jahrzehnten 20 Pfennig (ermäßigt<br />
10 Pfennig). In West-Berl<strong>in</strong> waren nicht<br />
nur die Preise viel höher, es gab auch ke<strong>in</strong>e<br />
Beschränkung nach L<strong>in</strong>ien: E<strong>in</strong> Fahrsche<strong>in</strong>,<br />
der für beliebig viele Fahrten im Gesamtnetz<br />
der Berl<strong>in</strong>er Verkehrsbetriebe (BVG) galt,<br />
kostete für zwei Stunden 2,70 DM (ermäßigt<br />
1,70 DM); auch die S-Bahn durfte man damit<br />
nutzen. E<strong>in</strong>e Monatskarte (seit wenigen Monaten:<br />
„Umweltkarte“) schlug im Westen nur<br />
noch mit 65 DM zu Buche.<br />
Erste Fahrsche<strong>in</strong>e für Ost und West<br />
Erste Änderungen standen zum 1. Januar<br />
1990 an. Im Anschluss an e<strong>in</strong>e Freifahrt-Regelung<br />
für DDR-Bürger <strong>in</strong> West-Berl<strong>in</strong> aus<br />
Mauerzeiten galt ab diesem Tag e<strong>in</strong>e Vere<strong>in</strong>barung,<br />
nach der DDR-Bürger für DDR-<br />
Mark Fahrsche<strong>in</strong>e kaufen konnten, die bei<br />
den wichtigsten Verkehrsbetrieben <strong>in</strong> beiden<br />
Teilen Berl<strong>in</strong>s und <strong>in</strong> Potsdam gültig waren.<br />
Der 2-Stunden-Fahrsche<strong>in</strong> kostete 2 Mark<br />
(ermäßigt 1 M). Für das 24-Stunden-Ticket<br />
waren 5 M (ermäßigt 2,50 M) zu zahlen. Im<br />
Gegenzug wurden die BVG-Fahrsche<strong>in</strong>e der<br />
West-Berl<strong>in</strong>er auch bei den betreffenden Ostbetrieben<br />
(zum Beispiel den Berl<strong>in</strong>er Verkehrsbetrieben,<br />
BVB) anerkannt.<br />
Am 1. April 1990 wurde im Ost-Berl<strong>in</strong>er<br />
Raum e<strong>in</strong>e Umweltkarte für 30 M (ermäßigt<br />
15 M) e<strong>in</strong>geführt. Daneben galten die bestehenden<br />
Tarife fort. Am 1. August 1991 folgte<br />
e<strong>in</strong> großflächig angelegter Tarif: Er umfasste<br />
den Bereich des bisherigen S-Bahn-Tarifs,<br />
die BVG und BVB <strong>in</strong> Berl<strong>in</strong>, die Verkehrs -<br />
betriebe <strong>in</strong> Potsdam sowie die Straßenbahnbetriebe<br />
<strong>in</strong> Woltersdorf, Schöneiche und<br />
Strausberg östlich der Hauptstadt. Praktisch<br />
bedeutete dies, dass der <strong>in</strong> West-Berl<strong>in</strong> geltende<br />
BVG-Tarif auf die anderen Bereiche<br />
ausgedehnt wurde, dort aber zu niedrigerem<br />
Preis. Um den dennoch gewaltigen Preissprung<br />
<strong>in</strong> Ost-Berl<strong>in</strong> zu mildern, gab es für<br />
e<strong>in</strong> paar Jahre e<strong>in</strong>e Sonderregelung, wonach<br />
der Kurzstreckentarif ohne Umsteigen auf<br />
der gesamten L<strong>in</strong>ie galt (<strong>in</strong> West-Berl<strong>in</strong> nur<br />
sechs Stationen). In West-Berl<strong>in</strong> galten Fahrsche<strong>in</strong>e<br />
der östlichen Betriebe nur für Bürger<br />
der ehemaligen DDR. West-Berl<strong>in</strong>er Tickets<br />
galten bei allen beteiligten Betrieben.<br />
In den folgenden Jahren wurden die<br />
Preise <strong>in</strong> kurzen Abständen erhöht, wobei<br />
man das östliche Preisniveau an das der BVG<br />
heranführte. Bei E<strong>in</strong>zelfahrsche<strong>in</strong>en waren<br />
e<strong>in</strong>heitliche Preise am 1. Januar 1995 erreicht,<br />
bei Zeitkarten am 1. Oktober 1996.<br />
Geme<strong>in</strong>same Verkehrspolitik<br />
In der Zwischenzeit hatte die Verkehrspolitik<br />
<strong>in</strong> Berl<strong>in</strong> e<strong>in</strong>en neuen Rahmen geschaffen.<br />
Dabei diente schon <strong>in</strong> den ersten Wochen<br />
nach dem Mauerfall die Berl<strong>in</strong>er S-Bahn als<br />
e<strong>in</strong>e Art Orientierungspunkt, und das nicht<br />
von ungefähr. Schließlich war sie die Klammer,<br />
die e<strong>in</strong>en großen Verkehrsraum ver -<br />
band. In Ost-Berl<strong>in</strong> bestand seit vielen Jahrzehnten<br />
e<strong>in</strong>e enge Zusammenarbeit zwischen<br />
ihr und den BVB; <strong>in</strong> West-Berl<strong>in</strong> fuhr<br />
die S-Bahn seit 1984 unter dem geme<strong>in</strong> -<br />
samen Dach der BVG.<br />
Im deutsch-deutschen E<strong>in</strong>igungsvertrag<br />
wurde Mitte 1990 festgelegt, dass die S-Bahn<br />
bis 1. Januar 1994 unter das Dach der neuen<br />
Deutschen Bahn AG zurückkehren sollte.<br />
Zum gleichen Zeitpunkt sollte für den Großraum<br />
Berl<strong>in</strong> e<strong>in</strong> Verkehrsverbund geschaffen<br />
werden. Dies erwies sich jedoch als Herkulesaufgabe<br />
– bis zur E<strong>in</strong>führung e<strong>in</strong>es geme<strong>in</strong>samen<br />
Tarifs sollten noch Jahre vergehen.<br />
Denn während man <strong>in</strong> den alten Bundesländern<br />
jahrzehntelange Erfahrung mit<br />
Verkehrsverbünden besaß, war das hier Neuland.<br />
Unter den neuen Bed<strong>in</strong>gungen mussten<br />
hiesige Marktteilnehmer erst ihren Platz f<strong>in</strong>den.<br />
Zudem erforderte das heterogene Tarifgebiet<br />
komplexe Lösungen und auch der<br />
Rahmen, den das europäische Wettbewerbsrecht<br />
im Öffentlichen Personennahverkehr<br />
setzte, sorgte für Verzögerungen.<br />
Die Gründung des VBB und der Tarif<br />
Nach mehreren Zwischenschritten wurde<br />
schließlich am 30. Dezember 1996 der Verkehrsverbund<br />
Berl<strong>in</strong>-Brandenburg (VBB)<br />
gegründet. Er umfasste Berl<strong>in</strong> und fast das<br />
gesamte Land Brandenburg (die zunächst<br />
fehlenden Kreise s<strong>in</strong>d seit 1. Januar 2005 „an<br />
Bord“) und gehört flächenmäßig zu den größten<br />
Verkehrsverbünden Europas. H<strong>in</strong>sicht -<br />
lich der Fahrgastzahlen ist er mit 1.293 Millionen<br />
doppelt so stark wie München (663<br />
Millionen) und Hamburg (717 Millionen;<br />
Stand jeweils 2012).<br />
Wichtige Kennziffern<br />
Der VBB <strong>in</strong> Kürze<br />
E<strong>in</strong>führung<br />
des Verbundtarifes: 01.04.1999<br />
Fläche<br />
des Verbundgebietes: 30.376 km 2<br />
E<strong>in</strong>wohner<br />
im Verbundgebiet: 5,8247 Mio.<br />
Mitwirkende Verkehrsunternehmen:<br />
40<br />
Verbundfahrgäste/Jahr: 1.293 Mio.<br />
Personenkilometer<br />
aller Verkehrsmittel: 11.690 Mio.<br />
Fahrgelde<strong>in</strong>nahmen<br />
(verbundweit): 1.133 Mio. Euro<br />
Quelle: VBB, Werte für 2012 bzw. Stand 31.12.2012<br />
Mangels Automaten mussten beim VBB<br />
anfangs viele Fahrsche<strong>in</strong>e <strong>in</strong> das Umland<br />
von Hand ausgeschrieben werden; die<br />
vierstelligen Ziffern stehen für die Waben<br />
In den letzten 15 Jahren wurde die Fahrkartengrundfarbe<br />
mehrfach gewechselt. Weil außer -<br />
dem die Busse und Straßenbahnen Tickets<br />
zum sofortigen Fahrtantritt ausgeben, liegt e<strong>in</strong><br />
buntes Kartensortiment vor Slg. Manuel Jacob (2)<br />
Der eigentliche VBB-Tarif startete am<br />
1. April 1999. Er teilt die Fläche Branden -<br />
burgs (mit dem Zentrum Berl<strong>in</strong>) <strong>in</strong> Waben<br />
mit e<strong>in</strong>em Durchmesser von etwa fünf Kilometern<br />
auf. Jede Wabe ist mit e<strong>in</strong>er vierstelligen<br />
Zahl bezeichnet, das System lässt aber<br />
auch nachträgliche Erweiterungen des Tarifgebietes<br />
zu. In den Landkreisen errechnet<br />
sich der Fahrpreis anhand der Waben nach<br />
der Wegstrecke. Für die Städte Berl<strong>in</strong>, Potsdam,<br />
Brandenburg, Cottbus und Frankfurt/<br />
Oder gelten besondere Tarifgebiete A, B und<br />
C mit eigenen Preisen. Das Berl<strong>in</strong>er Tarif -<br />
gebiet C markiert e<strong>in</strong>en Bereich von etwa<br />
15 Kilometern außerhalb der Stadt, was ungefähr<br />
dem Bereich des früheren S-Bahn-<br />
Tarifs entspricht. Für Orte mit Stadtl<strong>in</strong>ienverkehr<br />
gelten ebenfalls besondere Preise.<br />
Der heutige Slogan des VBB „E<strong>in</strong> Ticket.<br />
Alles dr<strong>in</strong>.“ ließ sich zunächst nur teilweise<br />
umsetzen. Es fehlte an Automaten, die so programmiert<br />
werden konnten, dass sie durchgehende<br />
Fahrsche<strong>in</strong>e zwischen beliebigen<br />
Orten <strong>in</strong>nerhalb des VBB ausgaben. Jetzt,<br />
nach 15 Jah ren, s<strong>in</strong>d e<strong>in</strong>heitliche Fahrkarten<br />
nach e<strong>in</strong>heitlichen Mustern aber zum Standard<br />
geworden.<br />
Manuel Jacob<br />
<strong>BAHN</strong> <strong>EXTRA</strong> 4/2014 81
Momentaufnahmen<br />
| UMBAU DES NAHVERKEHRS-KNOTENS<br />
Demontiertes Bahnsteigschild an e<strong>in</strong>em der unteren Bahnsteige<br />
im Januar 2010. Auf dieser Ebene will man den S-Bahn-Verkehr<br />
mit dem Umbau bündeln: Für alle Züge stadtauswärts und<br />
stadte<strong>in</strong>wärts gibt es dann jeweils e<strong>in</strong>en Bahnsteig Bodo Schulz<br />
Den maroden Zustand des Bahnhofs Ostkreuz demonstriert der Blick<br />
aus dem kaputten Fenster auf untere Bahnsteige und den Regionalbahnsteig<br />
h<strong>in</strong>ten. Gerade ist auch e<strong>in</strong> 481 von Lichtenberg e<strong>in</strong>gefahren<br />
(Aufnahme von 2007) Volker Emersleben<br />
Die 2006 begonnenen Maßnahmen umfassen alle wichtigen Bahnanlagen<br />
und sollen – Stand jetzt – bis 2018 dauern. E<strong>in</strong>e der auffälligsten<br />
Änderungen ist die Halle für den Bahnsteig der R<strong>in</strong>g-S-Bahn; am<br />
5. Mai 2011 entsteht dafür die Basis (im Bild rechts) Bodo Schulz<br />
Projekt Ostkreuz<br />
82<br />
„Rostkreuz“ lautete <strong>in</strong> den 90ern der unrühmliche Spitzname der Berl<strong>in</strong>er für ihren<br />
wichtigsten Nahverkehrs-Umsteigebahnhof. Ke<strong>in</strong> Wunder, hatte die Station Ostkreuz<br />
doch e<strong>in</strong>e Sanierung dr<strong>in</strong>gend nötig. Die verband man gleich mit e<strong>in</strong>em grundlegenden<br />
Umbau, der die S-Bahn-L<strong>in</strong>ien und den Regionalverkehr besser e<strong>in</strong>b<strong>in</strong>det
Die Halle am R<strong>in</strong>gbahnsteig<br />
wurde mittlerweile fertig<br />
gestellt. Der umgebaute<br />
Bahnhof Ostkreuz vere<strong>in</strong>t<br />
historische und moderne<br />
Bauten; schließlich steht<br />
e<strong>in</strong> Teil der Anlagen unter<br />
Denkmalschutz, unter<br />
anderem der Wasserturm<br />
l<strong>in</strong>ks Bernd Kuhlmann<br />
83
Strecken und Stationen<br />
| AKTUELLE BAUPROJEKTE IN BERLIN<br />
Der Umbau des Bahnhofs Ostkreuz<br />
ist schon weit fortgeschritten, vor<br />
allem auf der Stadtbahn-Ebene fallen<br />
aber noch Arbeiten an. Im Jahr 2012<br />
wurde dort die Bahnsteigüberdachung<br />
demontiert (gr. Bild). Auf der R<strong>in</strong>gbahn-<br />
Ebene g<strong>in</strong>g am 16. April 2012 schon<br />
die neue Halle <strong>in</strong> Betrieb (u.)<br />
Bodo Schulz (gr. Bild), Jet-Foto Kranert/DB (u.)<br />
Noch zu<br />
erledigen<br />
Ostkreuz im Umbau, Flughafen-Bahnhof <strong>in</strong><br />
der Warteschleife und der Ausbau weiterer Strecken:<br />
Bei der <strong>Eisenbahn</strong> der Hauptstadt tut sich auch<br />
aktuell noch e<strong>in</strong>iges. Die wichtigsten Maßnahmen<br />
und Planungen nach dem Stand Frühjahr 2014<br />
Es ist nicht weniger als e<strong>in</strong>e Kompletterneuerung<br />
– bei laufendem Betrieb<br />
an Berl<strong>in</strong>s meistfrequentiertem Nahverkehrs-Umsteigebahnhof.<br />
Und so prä -<br />
sentierte sich der Bahnhof Ostkreuz zuletzt<br />
als e<strong>in</strong>e der größten Baustellen im Bahnnetz<br />
Berl<strong>in</strong>s.<br />
Die Arbeiten am Ostkreuz<br />
Bei dem Projekt schlägt man zwei Fliegen<br />
mit e<strong>in</strong>er Klappe. Zum e<strong>in</strong>en wartete Ost-<br />
84<br />
kreuz schon lange auf e<strong>in</strong>e Sanierung (nicht<br />
umsonst hieß die Station im Volksmund<br />
„Rostkreuz“); zum anderen werden bei der<br />
Renovierung gleich bessere Verb<strong>in</strong>dungen<br />
im S-Bahn-Verkehr und Anb<strong>in</strong>dungen zum<br />
Regionalverkehr geschaffen. So fahren die<br />
Züge an den beiden S-Bahnsteigen der Stadtbahn-Ebene<br />
unten nach Abschluss der Arbeiten<br />
<strong>in</strong> der gleichen Richtung ab: alle Züge<br />
stadte<strong>in</strong>wärts am nördlichen Bahnsteig, alle<br />
Züge stadtauswärts am südlichen. Damit<br />
können die Fahrgäste von e<strong>in</strong>em zum anderen<br />
Zug umsteigen, ohne Treppen zu benutzen.<br />
Zu diesem Zweck entsteht auf der Ostseite<br />
von Ostkreuz e<strong>in</strong> neues Überwerfungsbauwerk,<br />
und am Ostbahnhof kann der<br />
sanierungsbedürftige S-Bahn-Tunnel aufgegeben<br />
werden. Die S-Bahnsteige der Stadtbahnebene<br />
liegen dann etwas weiter östlich,<br />
um günstigere Umsteigemöglichkeiten zur<br />
(oberen) R<strong>in</strong>gbahn-Ebene zu bieten. Dort<br />
entstand der R<strong>in</strong>gbahnsteig der S-Bahn und
erhielt se<strong>in</strong>e Halle. Lediglich auf S-Bahnsteige<br />
an der neu zu bauenden Südwestkurve<br />
wird verzichtet.<br />
Zusätzlich erhält die Stadtbahnebene Regionalbahnsteige<br />
an der Frankfurter Bahn<br />
sowie auf der Nordseite der Ostbahn; auf der<br />
R<strong>in</strong>gbahnebene baute man e<strong>in</strong>en von den S-<br />
Bahn-Gleisen unabhängigen Regionalbahnsteig;<br />
hier können später Regionalbahnzüge<br />
halten. Weiterh<strong>in</strong> erneuert man Bahnsteige,<br />
Treppen, Brücken und Gleis anlagen; beispielsweise<br />
werden zwölf Aufzüge sowie<br />
Fahrtreppen <strong>in</strong>stalliert. Das Wahrzeichen<br />
von Ostkreuz – der denkmalgeschützte Wasserturm<br />
von 1912 – bleibt erhalten. Wegen<br />
der beabsichtigten Umstellung auf den fahrgastfreundlicheren<br />
Richtungsbetrieb ist<br />
auch der S-Bahnhof Warschauer Straße vom<br />
Umbau betroffen.<br />
Die ersten vorbereitenden Maßnahmen<br />
am Ostkreuz begannen im Februar 2006. Im<br />
August 2006 wurde die – seit 28. Mai 1994<br />
nicht mehr planmäßig befah rene – Nordostkurve<br />
der S-Bahn weitgehend abgetragen;<br />
die baufälligen Brücken wurden verschrottet.<br />
Es folgte der Umbau der R<strong>in</strong>gbahn-Ebene,<br />
beg<strong>in</strong>nend mit dem Ausbau der maroden<br />
Brücken für die Gütergleise der R<strong>in</strong>gbahn<br />
und der Brücken der Kynaststraße. Im Frühjahr<br />
2009 wurden die Gleis-Brücken für den<br />
künftigen Regionalbahnsteig auf der R<strong>in</strong>gbahn<br />
e<strong>in</strong>gebaut, an dem ab August/September<br />
2009 zeitweilig die Züge der R<strong>in</strong>g-S-<br />
Bahn hielten. Damit war es möglich, den<br />
alten R<strong>in</strong>gbahnsteig F abzubauen. Im Herbst<br />
2009 hob man die Brücken der neuen Kynaststraße<br />
e<strong>in</strong>. 2010 wurde das Überwerfungsbauwerk<br />
Südr<strong>in</strong>gkurve – R<strong>in</strong>gbahn (auch als<br />
Am 16. Mai 2011 fuhr der erste Probezug zum<br />
Flughafen-Bahnhof BER (o.). Bislang bleibt es<br />
jedoch bei Tests und „Durchlüftungsfahrten“<br />
für den Tunnel (u.) – wann hier Flugzeuge<br />
starten und Zubr<strong>in</strong>gerzüge brauchen, ist offen<br />
Max Lautenschläger/DB (o.), Bernd Kuhlmann (u.)<br />
Vollr<strong>in</strong>g-Tunnel bezeichnet) abgebrochen<br />
und neu errichtet. Zur Jahreswende 2010/11<br />
entstand dann der neue breite Bahnsteig für<br />
die R<strong>in</strong>g-S-Bahn, über dem im Sommer 2011<br />
e<strong>in</strong>e Halle aufgebaut und anschließend verglast<br />
wurde. Nach 16-tägiger Vollsperrung<br />
vom 30. März bis 16. April 2012 ist die neue<br />
R<strong>in</strong>gbahnhalle mit den verlegten S-Bahn-<br />
Gleisen und neuer Sicherungstechnik (dem<br />
Elektronischen Stellwerk Frankfurter Allee)<br />
eröffnet worden. So weit der Stand der D<strong>in</strong>ge<br />
jetzt. Aber noch s<strong>in</strong>d die Gleise der Fernbahn<br />
zu verlegen und mit Oberleitung auszurüs -<br />
ten sowie der Regionalbahnsteig der R<strong>in</strong>gbahn<br />
zu überdachen. Zum Jahresende 2014<br />
werden diese Arbeiten abgeschlossen se<strong>in</strong>.<br />
Erst obere, dann untere Ebene<br />
Nach dem Umbau der R<strong>in</strong>gbahn-Ebene lief<br />
auch jener der Stadtbahn-Ebene an. Die<br />
erste Maßnahme nahm man am 30. September<br />
2011 <strong>in</strong> Angriff: Es handelte sich um Oberleitungsarbeiten,<br />
weil hier die Ferngleise verlegt<br />
werden mussten, sowie den Umbau der<br />
nördlichen Brücke der Ostbahn über die<br />
Karlshorster Straße. Seit Jahreswechsel<br />
2011/12 verkehrt die von Erkner kommende<br />
S 3 nur noch bis Ostkreuz, weil die alten<br />
Bahnsteige abgerissen worden und <strong>in</strong> neuer<br />
Lage aufzubauen s<strong>in</strong>d. Zugleich gab man<br />
die verlängerten Stadtbahn-Gleise zwischen<br />
Ostbahnhof und Ostkreuz auf, weil S-Bahn-<br />
Züge von und nach Lichtenberg nun die Vorortgleise<br />
der Schlesischen Bahn nutzten und<br />
<strong>in</strong> Ostkreuz an den Bahnsteigen D und E<br />
hielten. Daraufh<strong>in</strong> konnten ab März 2012 <strong>in</strong><br />
der Station Warschauer Straße die bishe -<br />
rigen Bahnsteige B und C abgerissen und<br />
der neue Bahnsteig B aufgebaut werden; <strong>in</strong><br />
Ostkreuz trug man Teile des alten Bahn -<br />
steiges D ab und verlegte die neuen Gleise.<br />
Außerdem entstand der neue Regionalbahnsteig<br />
an der Ostbahn, an dem seit 13. Mai<br />
2013 alle S-Bahn-Züge Richtung Stadt hal -<br />
ten; <strong>in</strong> Warschauer Straße nutzen sie den<br />
neuen Bahnsteig B.<br />
Ende Juni 2013 wurden die beiden Ferngleise<br />
der Schlesischen Bahn im Bereich Ostkreuz<br />
verschwenkt und tiefer gelegt, um hier<br />
den Bau des neuen Regionalbahnsteiges an<br />
der Frankfurter Bahn zu ermöglichen. An<br />
diesem soll vom 30. Juni 2014 an die S 3 enden<br />
und beg<strong>in</strong>nen, ohne Anschluss an das übrige<br />
S-Bahn-Netz zu besitzen; das soll bis Juli<br />
2017 so bleiben. Am 6. Oktober 2014 werden<br />
dann nach vier Tagen Betriebspause <strong>in</strong> Warschauer<br />
Straße die südliche Kante des neuen<br />
Bahnsteigs B und <strong>in</strong> Ostkreuz die Nordkante<br />
des neuen Bahnsteigs D nutzbar se<strong>in</strong>, so dass<br />
die S-Bahnen nur noch auf der Nordseite der<br />
Stadtbahn-Ebene fahren und Baufreiheit für<br />
die weiteren Bahnsteige <strong>in</strong> Ostkreuz und<br />
Warschauer Straße gegeben ist. Damit ist die<br />
derzeit noch vorhandene provisorische Fußgängerbrücke<br />
entbehrlich; sie soll bis Dezember<br />
2014 verschw<strong>in</strong>den. Ab 6. Oktober<br />
Auch <strong>in</strong> nächster Zeit<br />
muss man am Ostkreuz<br />
mit Provisorien leben<br />
2014 will man <strong>in</strong> Ostkreuz außerdem die<br />
Fahrtreppen und Aufzüge <strong>in</strong> Betrieb nehmen<br />
und so das Umsteigen erleichtern. Seit Februar<br />
2013 laufen die Arbeiten an dem aus<br />
zwei e<strong>in</strong>gleisigen Brücken bestehenden Südr<strong>in</strong>g-Anschluss;<br />
er soll ab August 2016 betriebsbereit<br />
se<strong>in</strong>.<br />
In den nächsten Jahren müssen die Kunden<br />
aber noch mit e<strong>in</strong>igen Provisorien und<br />
Zwischenstadien leben. Bis August 2016 fahren<br />
die S-Bahn-Züge von/nach Lichtenberg<br />
nur auf der Nordseite der Stadtbahn-Ebene;<br />
<strong>in</strong> Warschauer Straße halten sie am neuen<br />
Bahnsteig B, <strong>in</strong> Ostkreuz auf der Nordseite<br />
des neu errichteten Bahnsteiges D sowie wie<br />
bisher am Regionalbahnsteig der Ostbahn.<br />
Wenn dann das neue Empfangsgebäude Warschauer<br />
Straße fertig gestellt ist, nutzt die<br />
S-Bahn bis Juli 2017 <strong>in</strong> Warschauer Straße<br />
den auf der Südseite gelegenen neuen Bahnsteig<br />
A, <strong>in</strong> Ostkreuz aber die südlichen<br />
Kanten der neuen Bahnsteige D und E, bis<br />
im Dezember 2017 der Endzustand erreicht<br />
se<strong>in</strong> wird. Restarbeiten sowie der Wiederaufbau<br />
der historischen Fußgängerbrücke <strong>in</strong><br />
Ostkreuz schließen den langwierigen und<br />
schwierigen Umbau des nunmehr modernen<br />
<strong>BAHN</strong> <strong>EXTRA</strong> 4/2014 85
Strecken und Stationen<br />
| AKTUELLE BAUPROJEKTE IN BERLIN<br />
Gleich zwei Mal ist der neue Hauptbahnhof von projektierten Arbeiten betroffen. Die maroden Übergänge zwischen den Brücken über<br />
den Humboldthafen müssen 2015/2016 aufwendig saniert werden (l<strong>in</strong>ks), währenddessen laufen auch die Vorbereitungen für den Bau der<br />
S-Bahn-L<strong>in</strong>ie S 21 (rechts, Vorarbeiten für die Errichtung des S-Bahn-Tunnels) Bernd Kuhlmann (3, auch S. 87 o.)<br />
Berl<strong>in</strong>er Umsteigeknotens ab. Alle Bauarbeiten<br />
sollen bis 2018 beendet werden.<br />
86<br />
Bahnanschluss für BER<br />
Bei dem zweiten großen Projekt ist die Deutsche<br />
Bahn an sich schon fertig; dass noch<br />
ke<strong>in</strong>e Züge fahren, hat andere Ursachen. Es<br />
geht um den Fern- und S-Bahn-Anschluss für<br />
den Flughafen Berl<strong>in</strong>-Branden burg „Willy<br />
Brandt“, kurz BER genannt. Am 5. Sep tember<br />
2006 fand der erste Spatenstich für den Neubau<br />
<strong>in</strong> Schönefeld statt; wann der Flughafen<br />
<strong>in</strong> Betrieb geht, lässt sich zurzeit nicht sagen.<br />
Der Planfeststellungsbeschluss sah e<strong>in</strong>e<br />
vom Berl<strong>in</strong>er Außenr<strong>in</strong>g (BAR) bei Selchow<br />
abzweigende zweigleisige Hauptbahn durch<br />
das Flughafengelände vor, die südlich von<br />
Berl<strong>in</strong>-Grünau zweiseitig an die Görlitzer<br />
Bahn angebunden ist. Weiterh<strong>in</strong> sollte e<strong>in</strong>e<br />
westlich bis Waßmannsdorf ausholende<br />
S-Bahn-Strecke auf dem Außenr<strong>in</strong>g ent -<br />
stehen, die häkelnadelförmig parallel zu der<br />
Fernbahn-Anb<strong>in</strong>dung zum Flughafen führt.<br />
Im September 2006 unterzeichneten der<br />
Bund, die Länder Berl<strong>in</strong> und Brandenburg<br />
sowie die DB AG die F<strong>in</strong>anzierungsvere<strong>in</strong>barung<br />
(damals 636 Millionen Euro, davon<br />
285 Millionen für den 2,75 Kilometer langen<br />
Bahnhofstunnel). Die Berl<strong>in</strong>er Flughäfen<br />
GmbH errichtete die Rohbauten des Bahntunnels<br />
und des Bahnhofs im Auftrag der DB<br />
AG. Bahnanlagen, Sicherungstechnik, Oberleitungen<br />
und weitere bahntechnische Ausrüstungen<br />
führte DB ProjektBau aus.<br />
Anfang Juli 2007 begann der Bau des unterirdischen<br />
Flughafen-Bahnhofs, der vier<br />
Gleise an zwei Bahnsteigen für den Fern- und<br />
Regionalverkehr sowie zwei Gleise an e<strong>in</strong>em<br />
Inselbahnsteig für den S-Bahn-Verkehr umfasst.<br />
Westlich und östlich schließen sich zwei<br />
Tröge an, doch wird nur der Fern- und Regionalverkehr<br />
<strong>in</strong> Ost-West-Richtung durchgeführt.<br />
Für Regionalzüge wie den Airport-<br />
Shuttle (künftig Flughafen-Express/FEX) besteht<br />
östlich des Troges e<strong>in</strong>e e<strong>in</strong>gleisige Kehranlage.<br />
Die S-Bahn-Züge enden und<br />
beg<strong>in</strong>nen auf Stumpfgleisen am Bahnsteig.<br />
Weil der neue Bahnhof sich <strong>in</strong> rund acht<br />
Metern Tiefe direkt unter dem Flughafen-Term<strong>in</strong>al<br />
bef<strong>in</strong>det – bisher e<strong>in</strong>malig <strong>in</strong> der Welt –,<br />
musste er als erstes Bauwerk fertig gestellt<br />
se<strong>in</strong>. Tatsächlich stand Ende Juni 2009 der<br />
Rohbau; es folgten der Innenaus bau, das Verlegen<br />
der Gleise und die Installation der Sicherungstechnik.<br />
Inzwischen wuchs das<br />
neue Abfertigungsterm<strong>in</strong>al <strong>in</strong> die Höhe und<br />
feierte am 7. Mai 2010 Richtfest.<br />
Mit dem Tunnel-Bahnhof entstanden die<br />
westlichen Anschlussstrecken der Fern- und<br />
S-Bahn, die sich <strong>in</strong> Höhe der Geme<strong>in</strong>de Selchow<br />
gabeln. Die Ferngleise unterqueren östlich<br />
der Brücke der B 96a den Außenr<strong>in</strong>g, um<br />
später nördlich von diesem nach Mahlow zu<br />
führen. Beide Strecken s<strong>in</strong>d im Abzweig Glasower<br />
Damm Ost mite<strong>in</strong>ander über Weichenstraßen<br />
verbunden; außerdem zweigt im<br />
neuen Abzweig Selchow vom Außenr<strong>in</strong>g<br />
e<strong>in</strong>e Gleisverb<strong>in</strong>dung zur Flughafenbahn ab.<br />
Seit 31. Oktober 2011 wäre e<strong>in</strong>e kommerzielle<br />
Nutzung aller Anlagen möglich, doch<br />
bestellten die Länder wegen fehlenden Flugbetriebes<br />
ke<strong>in</strong>e Verkehrsleistungen. So harrt<br />
der Flughafenbahnhof noch se<strong>in</strong>es Starts im<br />
Planbetrieb. Züge kommen aber schon jetzt<br />
dorth<strong>in</strong>; die unterirdische Strecke wird regelmäßig<br />
befahren, auch von S-Bahnen und<br />
ICE-Zügen, um den Tunnel zu belüften.<br />
Im Sommer 2014 fährt die<br />
S-Bahn auf der Stadtbahn<br />
sechs Wochen lang nicht<br />
Weitere Projekte <strong>in</strong> Berl<strong>in</strong><br />
Neben diesen beiden prom<strong>in</strong>enten Bauvorhaben<br />
gibt es e<strong>in</strong>e Reihe weiterer, die <strong>in</strong> Planung<br />
s<strong>in</strong>d oder bereits verwirklicht werden.<br />
Konkret für dieses Jahr steht zum Beispiel<br />
(wieder) die Berl<strong>in</strong>er Stadtbahn <strong>in</strong> den Baubüchern.<br />
Zwischen 1995 und 1998 hatte man<br />
alle Gleise und Anlagen zwischen Ostbahnhof<br />
und Zoologischer Garten saniert und die<br />
Ferngleise elektrifiziert. Nunmehr wird die<br />
S-Bahn zwischen Ostbahnhof und Zoologischer<br />
Garten <strong>in</strong> den Sommerferien 2014 für<br />
sechs Wochen <strong>in</strong> zwei Etappen gesperrt: zuerst<br />
vom 14. Juli bis 4. August 2014 zwischen<br />
den Bahnhöfen Friedrichstraße und Zoologischer<br />
Garten, danach bis zum 25. August<br />
2014 der östliche Abschnitt bis Ostbahnhof.<br />
Betroffen s<strong>in</strong>d täglich mehr als e<strong>in</strong>e halbe<br />
Million Fahrgäste. Die an der Trasse festgestellten<br />
Schäden s<strong>in</strong>d nämlich größer als angenommen:<br />
Nicht nur die Schienen seien abgefahren<br />
und marode, sondern auch Dübel<br />
und Teile der Konstruktion.<br />
Außerdem müssen die seit Juni/Juli 2002<br />
genutzten Brücken über den Humboldthafen<br />
am neuen Hauptbahnhof saniert werden.<br />
Dort haben sich an den Übergängen zwischen<br />
den Gleisbrücken nach mehr als zehn<br />
Jahren Schrauben gelockert oder gar gelöst.<br />
Seit Anfang 2013 dürfen die Züge hier nur<br />
mit 40 statt 60 km/h verkehren. Um die Probleme<br />
dauerhaft zu beheben, müssen die 37<br />
Fahrbahn-Übergänge unter den Gleisen<br />
durch Neukonstruktionen mit e<strong>in</strong>em Kostenaufwand<br />
von 25 Millionen Euro ersetzt werden.<br />
Nach e<strong>in</strong>em Pilotprojekt im Jahre 2014<br />
sollen von August bis November 2015 die<br />
Stadtbahn-Gleise für drei Monate und 2016<br />
die S-Bahn-Gleise für zwei Monate für die<br />
Arbeiten gesperrt werden.<br />
Möglicherweise muss die DB noch mehr<br />
Maßnahmen <strong>in</strong> Sachen Stadtbahn ergreifen.<br />
Am 18. Dezember 2013 hat DB Netz den Stre-
Schlachten,<br />
Technik,<br />
Feldherren<br />
Sanierung auf dem Innenr<strong>in</strong>g: Während die S 1 Schöneberg <strong>in</strong> Richtung Oranienburg verlässt,<br />
werden rechts die neuen Widerlager betoniert und die neue Fachwerkbrücke montiert (2011)<br />
ckenabschnitt zwischen Ostbahnhof und<br />
Charlottenburg zum „überlasteten Schienenweg“<br />
erklärt; Anträge anderer <strong>Eisenbahn</strong>verkehrsunternehmen<br />
auf Zugtrassen konnten<br />
zu bestimmten Zeiten nicht mehr erfüllt<br />
werden. Die DB AG muss nun mit e<strong>in</strong>er Wirtschaftlichkeitsuntersuchung<br />
prüfen, was zu<br />
machen ist, um die Kapazität der Strecke zu<br />
erhöhen – zum Beispiel durch Verdichtung<br />
der Signalabstände.<br />
Eher zu den Planungen gehört dagegen<br />
das Projekt auf dem südlichen Berl<strong>in</strong>er Innenr<strong>in</strong>g.<br />
Um den Bau des Südkreuzes zu<br />
ermöglichen, nutzte die S-Bahn vorüber -<br />
gehend die Gütergleise der R<strong>in</strong>gbahn; dafür<br />
hatte man zuvor über die Anhalter und Dresdener<br />
Bahn e<strong>in</strong>en 271 Meter langen Brückenzug<br />
errichtet, der am 9. Dezember 2002 für<br />
die S-Bahn <strong>in</strong> Betrieb g<strong>in</strong>g. Um den Südr<strong>in</strong>g<br />
wieder befahren zu können, mussten <strong>in</strong><br />
Schöneberg die R<strong>in</strong>gbahn-Brücken über die<br />
Wannsee-Bahn gegen neue Bauten ausgetauscht<br />
werden – was im Frühjahr 2011 geschah.<br />
Ab 2012 sollte laut DB zwischen Wilmersdorf<br />
und Berl<strong>in</strong>-Tempelhof die R<strong>in</strong>g -<br />
bahn durchgehend befahrbar se<strong>in</strong>. Die DB<br />
AG wollte die Strecke elektrifizieren, um<br />
den teuren Lärmschutz wegen wesentlicher<br />
Änderung der Bahnanlagen zu vermeiden.<br />
Langfristig, aber nicht vor 2017, soll der Südr<strong>in</strong>g<br />
wieder <strong>in</strong> Betrieb gehen; denn sonst<br />
müsste die DB AG die Bundeszuschüsse zurückzahlen.<br />
E<strong>in</strong>e neue S-Bahn-Strecke<br />
Und schließlich ist da noch das Projekt S 21.<br />
In den Planungen für den zentralen Bereich<br />
<strong>BAHN</strong> <strong>EXTRA</strong> 4/2014<br />
Berl<strong>in</strong>s war anfangs e<strong>in</strong>e S-Bahn-L<strong>in</strong>ie<br />
S 21 von der Yorckstraße über Gleisdreieck<br />
– Potsdamer Platz – neuer Zentralbahnhof<br />
mit Anschlüssen zum Nordr<strong>in</strong>g vorgese -<br />
hen. Der Senat entschloss sich im Novem -<br />
ber 1999 auch, den nördlichen Teil der S 21<br />
bis zum Hauptbahnhof zu f<strong>in</strong>anzieren.<br />
Aber wegen komplizierter Verhandlungen<br />
über Geld und Bauausführung wurde erst<br />
Anfang Oktober 2012 die Baustelle am<br />
Hauptbahnhof nörd lich der Invaliden -<br />
straße e<strong>in</strong>gerichtet. Bis Dezember 2019<br />
wird der Hauptbahnhof mit der S-Bahn an<br />
den Nordr<strong>in</strong>g <strong>in</strong> beiden Richtun gen angebunden<br />
se<strong>in</strong>.<br />
Ist dieser erste Bauabschnitt fertig,<br />
sollen drei L<strong>in</strong>ien im 20-M<strong>in</strong>uten-Takt zum<br />
Hauptbahnhof fahren und dort wenden: die<br />
zurzeit <strong>in</strong> Westend endende S 46 über den<br />
Nordr<strong>in</strong>g, die vom Ostr<strong>in</strong>g kommende S 85<br />
(die dann ab Gesundbrunnen nicht nach<br />
Waidmannslust, sondern zum Hauptbahnhof<br />
fährt) und als Ersatz für den Nord-Ast<br />
der S 85 e<strong>in</strong>e neue S 11 von Waidmannslust<br />
über Gesundbrunnen zum Hauptbahnhof.<br />
In e<strong>in</strong>em zweiten Schritt ist der Lückenschluss<br />
zum Potsdamer Platz geplant. Der<br />
Weiterbau könnte aber frühestens 2019 beg<strong>in</strong>nen<br />
und 2023/24 abgeschlossen werden.<br />
Es gibt sogar Planungen, vom Potsdamer<br />
Platz über Gleisdreieck nach Großgörschenstraße/<br />
Yorckstraße mit Anschluss an<br />
den Südr<strong>in</strong>g e<strong>in</strong>e zweite Nord-Süd-S-Bahn<br />
zu schaffen. Ob das gel<strong>in</strong>gt und wann, ist<br />
aktuell unklar. Nur so viel steht fest: Bis dah<strong>in</strong><br />
fließt noch viel Wasser die Spree h<strong>in</strong>ab.<br />
Bernd Kuhlmann/Georg Müller<br />
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Spandau Güterbahnhof 1991 | 2014<br />
Im Jahr 1991 läuft über den Spandauer Güterbahnhof<br />
e<strong>in</strong> Teil des Frachtverkehrs <strong>in</strong> Berl<strong>in</strong>; am 1. September<br />
passiert Reichsbahn-Diesellok 120 284 mit ihrem Zug<br />
das Stellwerk Spg. 23 Jahre später ist davon fast nichts<br />
mehr übrig. Im Frühjahr 2014 liegt hier e<strong>in</strong>e Brachfläche,<br />
gut für Spaziergänge. Die helle Sandfläche rechts<br />
markiert <strong>in</strong> etwa den Standpunkt des damaligen Stellwerks.<br />
H<strong>in</strong>ter der Lärmschutzwand befand sich früher<br />
der S-Bahnhof Spandau West, heute steht dort der<br />
Fernbahnhof Berl<strong>in</strong>-Spandau. Nur andernorts auf dem<br />
Gelände gibt es noch e<strong>in</strong>ige Gleise Aufnahmen: Bodo Schulz (2)<br />
Blick<br />
zurück<br />
Es hat sich viel getan <strong>in</strong> der <strong>Eisenbahn</strong>-<br />
Landschaft der Spreemetropole.<br />
Wie viel, zeigt am deutlichsten e<strong>in</strong>e<br />
Gegenüberstellung: Fünf Mal Berl<strong>in</strong>er<br />
Bahn-Entwicklung im Schnelldurchlauf<br />
88
<strong>BAHN</strong> <strong>EXTRA</strong> 4/2014 89
Zeitvergleich<br />
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90
Stadtbahn beim Bahnhof Zoo 1990 | 2012<br />
Am 24. August 1990 haben die Reichsbahn-Dieselloks 119 026<br />
und 004 mit ihrem InterRegio den Bahnhof Zoologischer Garten<br />
verlassen und fahren westwärts Richtung Charlottenburg; <strong>in</strong><br />
Bildmitte steht das Theater des Westens, e<strong>in</strong> Prachtbau von<br />
1895/96. Am 17. Juni 2012 f<strong>in</strong>det man auf der Stadtbahn weder<br />
InterRegios noch 119-Dieselloks, statt dessen aber Fahrdraht<br />
und ICE-Züge. Verschiedene Neubauten schränken <strong>in</strong>zwischen<br />
den Blick auf das Theater des Westens e<strong>in</strong><br />
Aufnahmen: Bodo Schulz (2)<br />
<strong>BAHN</strong> <strong>EXTRA</strong> 4/2014 91
Zeitvergleich<br />
| BERLINS EISEN<strong>BAHN</strong>EN EINST UND JETZT<br />
92
Bahnbetriebswerk Pankow 1990 | 2014<br />
„Taigatrommeln“ (Dieselloks 120) und „Holzroller“ (Elloks<br />
242) tummeln sich im Frühjahr 1990 im Bw Pankow (Bild vom<br />
25. Mai). Für die Zugleistungen braucht es die Dienststelle<br />
aber später nicht mehr; das Bahnbetriebswerk wird wie der<br />
benachbarte Rangierbahnhof aufgelassen und verfällt. Im<br />
Februar 2014 steht hier e<strong>in</strong>e traurige Ru<strong>in</strong>e – der Investor Kurt<br />
Krieger, Besitzer e<strong>in</strong>er Möbelhauskette, möchte aus dem<br />
Güterbahnhof e<strong>in</strong> Wohn- und Gewerbegebiet machen. Was<br />
aus dem Lokschuppen wird, ist noch unklar Aufnahmen: Bodo Schulz (2)<br />
<strong>BAHN</strong> <strong>EXTRA</strong> 4/2014 93
Zeitvergleich<br />
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94
Bahnhof Staaken 1990 | 2014<br />
Zu Zeiten der Teilung war Staaken streng<br />
bewachter Grenzbahnhof zwischen West-Berl<strong>in</strong> und<br />
der DDR; die Überreste von Wachtürmen und<br />
Absperrwänden er<strong>in</strong>nern auch noch im August 1990<br />
daran. Wie viel freundlicher wirkt die Szenerie e<strong>in</strong><br />
knappes Vierteljahrhundert später! Der (leicht<br />
versetzte) Bahnhof hat sich zu e<strong>in</strong>em gewöhnlichen<br />
Halt gemausert, und wer ICE und Güterverkehr<br />
heute sieht, glaubt kaum noch, dass hier mal e<strong>in</strong>e<br />
Demarkationsl<strong>in</strong>ie verlief (Foto vom April 2014)<br />
Aufnahmen: Bodo Schulz (2)<br />
<strong>BAHN</strong> <strong>EXTRA</strong> 4/2014 95
Zeitvergleich<br />
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Bahnhof Gesundbrunnen 1990 | 2014<br />
Nur die S-Bahn-Gleise und e<strong>in</strong> Fernbahngleis irgendwo<br />
l<strong>in</strong>ks s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> Betrieb, als am 25. Mai 1990 die Aufnahme mit<br />
e<strong>in</strong>em S-Bahn-Triebzug 275 auf der L<strong>in</strong>ie S 1 nach Frohnau<br />
entsteht. Ansonsten beherrscht Grün die Szenerie. Und<br />
heute? Da präsentiert sich der Bahnhof als weitgehender<br />
Neubau mit S-Bahn- und Regionalbahnteil, sogar Intercity-<br />
Züge halten hier. Am 28. April 2014 zeigen sich e<strong>in</strong> Triebzug<br />
481 als S 2 nach Bernau und e<strong>in</strong>e Regionalbahn<br />
Aufnahmen: Bodo Schulz (2)<br />
96
<strong>Vorschau</strong><br />
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Impressum<br />
4/2014 | Juli/August<br />
25. Jahrgang | Nummer 131<br />
Internet: www.eisenbahnwelt.de<br />
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<strong>BAHN</strong>-<strong>EXTRA</strong><br />
Postfach 40 02 09 l 80702 München<br />
Tel. +49 (0) 89.13.06.99.720, Fax -700<br />
E-Mail: redaktion@geramond.de<br />
Chefredakteur: Michael Krische<br />
Verantwortl. Redakteur: Thomas Hanna-Daoud<br />
Chef vom Dienst: Mart<strong>in</strong> Weltner<br />
Redaktionsassistenz: Doreen Wolff<br />
Layout: Ralf Puschmann<br />
Mitarbeit: Wolfgang Dath, Volker Emersleben,<br />
Heiko Focken, Manuel Jacob, Konrad Kosch<strong>in</strong>ski,<br />
Bernd Kuhlmann, Wolf-Dietmar Loos, Anneli Nau,<br />
Michael Reimer, Sebastian Schrader, Bodo Schulz,<br />
Oliver Strüber, Bernd O. Sydow, Dirk W<strong>in</strong>kler u.v.m.<br />
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Thema: Reichsbahn zu Honeckers Zeiten<br />
Die DR 1971–1989<br />
Dampfabschied und Dampfrenaissance, Elektrifizierung und Dieselboom, Städte-Express,<br />
Ölkrise und jede Menge Güterverkehr – es gibt viele Schlagworte, welche die Reichsbahn der 70erund<br />
80er-Jahre charakterisieren. E<strong>in</strong>e Zeit, <strong>in</strong> der die Reichsbahn Neuerungen ang<strong>in</strong>g und<br />
zugleich aufs Höchste beansprucht wurde. Das nächste <strong>BAHN</strong> <strong>EXTRA</strong> widmet sich dieser Ära – mit<br />
fundierten Berichten, <strong>in</strong>teressanten E<strong>in</strong>blicken <strong>in</strong> den Alltag und brillanten Bildern! Ralph Lüderitz<br />
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98
Deutsche <strong>Eisenbahn</strong>geschichte.<br />
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Ost und West, auch die Reichs- und die Bundesbahn fanden im Rahmen<br />
der Wiedervere<strong>in</strong>igung zue<strong>in</strong>ander. Wie sich der Zusammenschluss des<br />
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Konzern Deutsche Bahn vollzog, das beleuchtet <strong>Eisenbahn</strong>experte<br />
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saniert oder gar neu gebaut. Heute ist die Spreestadt e<strong>in</strong> Drehkreuz im<br />
nationalen wie <strong>in</strong>ternationalen Reiseverkehr. Aber neben viel Licht gab es<br />
auch Schatten: den Rückgang des Güterverkehrs und das Chaos bei der<br />
S-Bahn, die 1990 noch verheißungsvoll gestartet war. Dieses Heft nimmt<br />
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