Helga und Wolfgang R̮̦sch - Rheingau
Helga und Wolfgang R̮̦sch - Rheingau
Helga und Wolfgang R̮̦sch - Rheingau
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Alter <strong>und</strong> Liebe<br />
11 Paare im Gespräch über Liebe, Sexualität <strong>und</strong> so vieles mehr<br />
Eine Dokumentation des Seniorenbüros der Stadt Hanau<br />
mit Fotografien von Winfried Eberhardt<br />
ACHTUNG LIEBE
Impressum:<br />
Seniorenbüro der Stadt Hanau<br />
Fachbereich Jugend, Familie <strong>und</strong> Senioren<br />
Steinheimer Straße 1, 63450 Hanau<br />
Telefon: 06181 - 6682060<br />
Telefax: 06181 - 6682049<br />
barbara.heddendorp@hanau.de<br />
www.senioren-hanau.de<br />
www.hanau.de<br />
Fotografien:<br />
Winfried Eberhardt<br />
Interviews:<br />
Barbara Heddendorp – September/Oktober 2009<br />
Redaktion:<br />
Barbara Heddendorp, Agathe Chiriac, Bernd Wagner<br />
Umschlaggestaltung:<br />
Idee – Julia Reuther<br />
Umsetzung – United Power Fields<br />
Druck:<br />
ingra Druck GmbH<br />
2
Vorwort<br />
Die Wanderausstellung „Alter <strong>und</strong> Liebe“ soll dem Betrachter <strong>und</strong> dem Leser<br />
eindrucksvolle <strong>und</strong> berührende Einblicke in das Leben von älteren Menschen<br />
geben. Liebe ist eine bewegende Emotion, die uns in allen Lebensphasen<br />
begegnet. Sie wird in Partnerschaften unterschiedlich gelebt. Manchmal<br />
umfasst die Liebesbeziehung viele Jahre, manchmal ist sie zeitlich begrenzt.<br />
Immer aber ist sie von zentraler Bedeutung.<br />
Die Wanderausstellung zeigt Facetten <strong>und</strong> Bedeutung von Liebe in älteren<br />
Lebensjahren. Die Menschen in den Interviews erzählen von ihren<br />
Beziehungen, die über mehrere Jahre bestehen oder von neuen<br />
Partnerschaften, die nach dem Verlust eines früheren Partners oder nach<br />
Trennungen entstanden sind. Sie erzählen von der Bedeutung der Liebe für<br />
sie, bis hin zu der Frage, was der Tod eines Partners für sie bedeuten kann.<br />
Den Betrachter <strong>und</strong> den Leser sollen die Fotografien <strong>und</strong> die Interviews zum<br />
Nachdenken anregen. Sie können dazu führen, eigene Denkweisen zu<br />
reflektieren <strong>und</strong> die Bedeutung <strong>und</strong> Intensität von Partnerschaften im Alter<br />
aufzeigen.<br />
Der Fotograf Winfried Eberhardt hat das Thema „Alter <strong>und</strong> Liebe“ in sehr<br />
eindrucksvollen <strong>und</strong> gefühlvollen Aufnahmen der 11 Paare festgehalten.<br />
Wir freuen uns, die Fotografien <strong>und</strong> die Interviews in Form einer<br />
Wanderausstellung weiteren interessierten Kommunen <strong>und</strong> Organisationen<br />
zur Verfügung stellen zu können.<br />
Das Thema Alter wird in der Zukunft mit Sicherheit noch weiter an<br />
Bedeutung gewinnen. Unser Projekt „Alter <strong>und</strong> Liebe“ versteht sich als ein<br />
weiterer Baustein, um die Öffentlichkeit für das Thema Alter zu sensibilisieren.<br />
Es soll Mut machen, das Alter als Lebensphase zu begreifen, anzunehmen<br />
<strong>und</strong> sichtbar zu machen.<br />
Dem Betrachter der Fotos <strong>und</strong> dem Leser der Interviews wünschen wir<br />
unterhaltsame, kurzweilige aber auch nachdenkliche St<strong>und</strong>en.<br />
Claus Kaminsky<br />
Oberbürgermeister<br />
Axel Weiss-Thiel<br />
Stadtrat<br />
3
Hintergr<strong>und</strong> zu diesem Projekt<br />
In einem gemeinsamen Gespräch mit pro familia entstand die Idee, sich<br />
verstärkt mit dem Thema „Alter <strong>und</strong> Liebe“ auseinanderzusetzen.<br />
Die Fragestellung war: Was bedeutet für die Menschen Liebe im Alter,<br />
welche Bedeutung <strong>und</strong> Stellenwert hat die Liebe für sie <strong>und</strong> kann Liebe im<br />
Alter immer gelebt werden?<br />
Am Anfang stand die Überlegung, am Internationalen Kusstag ältere<br />
küssende Paare im Stadtgeschehen zu fotografieren. Es stellte sich jedoch<br />
sehr bald heraus, dass ältere Menschen solche Zärtlichkeitsbek<strong>und</strong>ungen in<br />
der Regel nicht in der Öffentlichkeit zur Schau stellen <strong>und</strong> dieser Ansatz<br />
somit dem Thema Alter <strong>und</strong> Liebe nicht gerecht wird. Wir haben bei vielen<br />
Paare angefragt <strong>und</strong> auch hier stellten wir fest, dass es viele Bedenken gab<br />
<strong>und</strong> viele Menschen uns sagten, dass sie nicht im Rahmen des Themas „Alter<br />
<strong>und</strong> Liebe“ fotografiert werden möchten.<br />
Es wurde uns im Vorfeld klar signalisiert, dass das Thema Alter <strong>und</strong> Liebe ein<br />
sehr privates <strong>und</strong> persönliches Thema ist, das sehr viel Respekt <strong>und</strong><br />
Vertrauen erfordert. In vielen Gesprächen erläuterten wir, dass wir mit den<br />
Fotografien <strong>und</strong> den Interviews dem Thema „Alter <strong>und</strong> Liebe“ ein Gesicht<br />
geben <strong>und</strong> zeigen möchten, wie Partnerschaften im Alter gelebt werden<br />
können. Gibt es Antworten auf die Fragen nach Lebensweisheiten <strong>und</strong><br />
Verhaltensmustern, von denen wir lernen können.<br />
11 Paare haben wir gewinnen können, sich am Projekt „Alter <strong>und</strong> Liebe“ zu<br />
beteiligen. Die entstandenen Fotografien sollen die Nähe <strong>und</strong> das Vertrauen<br />
in Beziehungen bildlich darzustellen. Dem Fotografen Winfried Eberhardt ist<br />
dies - wie wir glauben - hervorragend gelungen. Die Interviews haben uns<br />
mit den Paaren ins Gespräch kommen lassen <strong>und</strong> verstärken die<br />
Ausstrahlung <strong>und</strong> Wirkung der Bilder.<br />
Wir danken allen Paaren, die dazu beigetragen haben, dieses Projekt<br />
umzusetzen. Wir danken aber auch den Paaren, bei denen wir angefragt<br />
haben <strong>und</strong> die wir nicht für das Projekt gewinnen konnten. Die Gespräche<br />
mit Ihnen haben uns immer gezeigt, wie sensibel das Thema „Alter <strong>und</strong><br />
Liebe“ ist <strong>und</strong> uns geholfen, das Thema behutsam <strong>und</strong> respektvoll<br />
4
umzusetzen. Bei den 11 Paaren möchten wir uns für das entgegengebrachte<br />
Vertrauen <strong>und</strong> den Mut bedanken, dem Thema „Alter <strong>und</strong> Liebe“ ein Gesicht<br />
zu geben <strong>und</strong> es in Worte zu fassen.<br />
Sie haben uns an ihrem Leben teilhaben lassen <strong>und</strong> uns Erkenntnisse <strong>und</strong><br />
Weisheiten aufgezeigt, die uns zum Nachdenken <strong>und</strong> zum Reflektieren<br />
eigener Verhaltensweisen angeregt haben.<br />
Vielen Dank!<br />
Die Mitarbeiterinnen <strong>und</strong> Mitarbeiter des Hanauer Seniorenbüros.<br />
5
Einleitung<br />
Die Bezeichnung für die stärkste Zuneigung, die ein Mensch für einen<br />
anderen Menschen zu empfinden vermag, ist die Liebe. Von ihr gibt es viele<br />
Arten: Die Elternliebe, die Fre<strong>und</strong>esliebe, die geschlechtliche Liebe, die<br />
Nächstenliebe, die platonische Liebe <strong>und</strong> viele, viele mehr.<br />
In dieser Ausstellung steht die partnerschaftliche Liebe älterer Menschen im<br />
Vordergr<strong>und</strong>. Liebe im Alter – auch wenn sie meistens unseren Augen<br />
verborgen scheint – ist trotzdem gegenwärtig. Die Sehnsucht nach<br />
Zärtlichkeit, liebevoller Zuwendung <strong>und</strong> intimer Kommunikation steht nicht<br />
im Verhältnis zu dem Rückgang unserer körperlichen Möglichkeiten – egal in<br />
welchem Alter wir uns befinden. Auch wenn „Liebe machen“ oft als eine<br />
andere Bezeichnung für den Geschlechtsverkehr verwendet wird, bedeutet<br />
das Nachlassen der sexuellen Aktivität nicht zwangsläufig ein<br />
bevorstehendes Ende der Liebe. Vielmehr ereignet sich eine Verschiebung,<br />
die eine Konzentration auf andere Bereiche der Partnerschaft nach sich zieht.<br />
Das Erlebnis der Liebe ist nicht normiert, sondern lässt mehrere Varianten<br />
des Fühlens <strong>und</strong> Handelns zu. Anders ausgedrückt: Die Liebe hat viele<br />
Farben; was die Liebe zweier Menschen für uns so unheimlich interessant<br />
macht. Sie setzt sich jedes Mal aus vielen unterschiedlichen Facetten zu<br />
einem Gemälde zusammen. Jedes dieser Bilder ist wertvoll.<br />
Sie haben in dieser Ausstellung die Möglichkeit einen tieferen Blick auf die<br />
doch so oft unterschätzten Kunstwerke in unserer Gesellschaft zu werfen. 11<br />
Paare haben uns die Möglichkeit geschenkt ein wenig hinter den Vorhang zu<br />
schauen <strong>und</strong> dieses Thema mehr in den Blickpunkt der Öffentlichkeit zu<br />
rücken.<br />
Wir möchten noch anmerken, dass es keine Absicht war die<br />
gleichgeschlechtliche Liebe zweier Menschen auszuschließen. Wir haben<br />
aber die Erfahrung gemacht, dass ältere homosexuelle Paare für ihre Liebe<br />
ein geschütztes Umfeld brauchen.<br />
6
<strong>Helga</strong> <strong>und</strong> <strong>Wolfgang</strong> Rösch<br />
Alter: <strong>Helga</strong> Rösch 68 Jahre, <strong>Wolfgang</strong> Rösch 75 Jahre.<br />
Herr Rösch ist in Oelsnitz im Vogtland geboren. Er ist von Beruf Schreiner.<br />
Frau Rösch ist in Hanau geboren. Sie arbeitete als Verkäuferin.<br />
Das Ehepaar Rösch lebt in einer Altenwohnanlage in Hanau. Sind seit fast 50<br />
Jahren verheiratet <strong>und</strong> feiern im Januar 2010 ihre Goldene Hochzeit.<br />
Sie haben zwei Kinder, zwei Enkelkinder <strong>und</strong> zwei Urenkel.<br />
Wie haben Sie sich kennen gelernt?<br />
Herr Rösch: Das war Zufall.<br />
Frau Rösch: In der Mainterrasse in Steinheim, im Tanzsaal. Heute ist dort ein<br />
Altenheim. Früher wurde dort getanzt. Ich war mit meinen Eltern <strong>und</strong><br />
Fre<strong>und</strong>en dort.<br />
Herr Rösch: Ich kam vom Waldfest <strong>und</strong> bin noch einmal in die Mainterrasse<br />
gegangen. Ich habe damals in Steinheim gewohnt. „Wenn du einmal<br />
Steinheimer Wasser getrunken hast, bleibst du hier“, sagen die Steinheimer<br />
(Anmerkung: Steinheimer Wasser ist der Main).<br />
Sie ist vor mir her gelaufen <strong>und</strong> ihr Kleid war hinten hoch gekrempelt. Ich bin<br />
hin, habe gefragt, ob ich es runter machen soll, was ich dann auch getan<br />
habe.<br />
Wir haben uns gleich für den nächsten Tag verabredet.<br />
7
Wann haben Sie geheiratet?<br />
Frau Rösch: Geheiratet haben wir 1960 <strong>und</strong> bei den Eltern in Kesselstadt sehr<br />
beengt gewohnt. Wir haben beide gearbeitet. Kurz darauf wurde unser Sohn<br />
geboren. Meine Mutter hat auf ihn aufgepasst. 1964 sind wir in eine eigene<br />
Wohnung gezogen.<br />
Herr Rösch: Eigentlich wollten wir nicht kirchlich heiraten, da der Pfarrer sich<br />
etwas im Ton vergriffen hatte. Er schaute auf den Bauch meiner Frau <strong>und</strong><br />
meinte zu mir: “Herr Rösch, musste das sein?“ Darüber habe ich mich<br />
geärgert.<br />
Was bedeutet für Sie Liebe?<br />
Herr Rösch: Zusammengehörigkeit - wir machen sehr viel zusammen. Auch<br />
in jüngeren Jahren habe ich meine Frau immer zum Fußballspielen<br />
mitgenommen.<br />
Frau Rösch: Vertrauen, einer ist für den anderen da. Liebe ist, dass man die<br />
Fehler des anderen akzeptiert.<br />
Rücksicht nehmen aufeinander. Wir<br />
machen fast alles zusammen.<br />
Ist es Liebe was Sie verbindet?<br />
Ehepaar Rösch: Ja.<br />
Welche Vorlieben bzw. Abneigungen<br />
teilen Sie?<br />
Beide: das Reisen.<br />
Frau Rösch: Seit 27 Jahren fahren wir<br />
zusammen nach Gran Canaria, wir<br />
lieben das angenehme Klima. Seit wir<br />
beide im Ruhestand sind,<br />
überwintern wir dort für vier Monate.<br />
Herr Rösch: Gran Canaria ist unsere<br />
zweite Heimat, wir haben dort viele<br />
Fre<strong>und</strong>e <strong>und</strong> Bekannte. Wir sind auch im Gartenverein <strong>und</strong> haben einen<br />
eigenen Garten in der Bulau.<br />
Frau Rösch: Wenn jemand hinten herum ist, das kann ich nicht leiden.<br />
8
Haben Sie als älteres Paar besondere Strategien entwickelt, um Konflikte zu<br />
lösen?<br />
Herr Rösch: In jungen Jahren sind die Fetzen geflogen, heute sind wir<br />
ruhiger.<br />
Frau Rösch: Bei unterschiedlichen Meinungen müssen wir uns einigen <strong>und</strong><br />
auch nachgeben. Wir drücken uns dann auch.<br />
Herr Rösch: Das gibt es nicht, tagelang nichts zu reden. Das hat keinen Wert.<br />
Frau Rösch: Manch einer geht aus Zorn auseinander <strong>und</strong> einer kommt nicht<br />
zurück.<br />
Wie unterscheidet sich die körperliche <strong>und</strong> emotionale Liebe im Alter von<br />
der Liebe in jüngeren Jahren?<br />
Herr Rösch: Ist gleich geblieben. Ich bin keine 20 Jahre mehr, aber gut drauf.<br />
Frau Rösch: Wir haben mehr Zeit für einander uns zu unterhalten, für alles -<br />
auch für die körperlichen Zuwendungen. Wenn wir möchten, können wir<br />
morgens länger im Bett bleiben.<br />
Herr Rösch: Wir nehmen uns gemeinsam Zeit für die Liebe <strong>und</strong> für<br />
gemeinsame Aktivitäten. Das einzige, was meine Frau alleine macht, sie geht<br />
zu ihrer Gymnastik.<br />
Was macht Ihren Partner/Ihre Partnerin so besonders?<br />
Herr Rösch: Sie hat mich halt immer noch gern. Sie ist immer zugänglich.<br />
Frau Rösch: Er ist mein ruhiger Pol, ich bin schneller oben auf. Er hat immer<br />
für uns gesorgt, erst kommen die Kinder, dann komm ich <strong>und</strong> dann er.<br />
Sind Sie stolz auf sie/ihn?<br />
Beide: Ja.<br />
9
Was würde der Tod Ihres Partner/Ihrer Partnerin für Ihre Lebensumstände<br />
bedeuten?<br />
Frau Rösch: Wäre ganz schlimm. Im Haus sehe ich so viele Witwen, ich bin<br />
glücklich, meinen Partner noch zu haben.<br />
Herr Rösch: Ich müsste mich umstellen, wenn ich alleine wäre. Ich müsste<br />
schauen, wo ich essen kann. Jetzt werde ich gut bedient. Im Alter ist es<br />
einfacher, wenn beide zusammen gehen. „Es wäre besser, wenn beide einen<br />
kalten Hintern hätten“.<br />
Können Sie sich ein Leben ohne Ihre Partnerin/Ihren Partner vorstellen?<br />
Herr Rösch: Man muss das Leben nehmen, wie es kommt. Muss nicht jeden<br />
Tag daran denken, dass einer in die Kiste springt.<br />
Gibt es einen großen Wunsch, den Sie sich gemeinsam erfüllen möchten?<br />
Herr Rösch: Wir haben uns so viele Wünsche erfüllen können. Ges<strong>und</strong>heit ist<br />
das Wichtigste. Ich wünsche mir noch schöne Jahre zusammen.<br />
Frau Rösch: Wir haben ein Dach über dem Kopf <strong>und</strong> genug zu essen.<br />
Herr Rösch: Wir haben uns unsere Wünsche erfüllt. Ich würde noch einmal<br />
gerne in die Berge gehen, aber ich komme nicht mehr hoch.<br />
10
Marianne <strong>und</strong> Peter Deckart<br />
Alter: Peter Deckart 73 Jahre, Marianne Deckart 68 Jahre<br />
Frau Deckart ist in Offenbach geboren <strong>und</strong> lebt seit 1990 in Hanau. Sie ist<br />
von Beruf gelernte Großhandelskauffrau <strong>und</strong> hat 17 Jahre lang als<br />
Schulsekretärin gearbeitet. Sie hat einen Sohn, eine Tochter <strong>und</strong> eine<br />
Enkeltochter.<br />
Herr Deckarts Geburtsstadt ist Hanau, wo er 1936 geboren wurde. Er ist von<br />
Beruf Verfahrensingenieur.<br />
Wie haben Sie<br />
sich kennen<br />
gelernt?<br />
Frau Deckart:<br />
Ein Ehepaar, das<br />
wir gemeinsam<br />
kannten, wollte<br />
uns verkuppeln.<br />
Herr Deckart:<br />
Draußen auf der<br />
Terrasse – Vera<br />
hat sie mit her<br />
gebracht – nach ihrer Badekur.<br />
Frau Deckart: Vera hat gesagt, Marianne, ich hätte einen Mann für dich. Als<br />
ich von der Badekur zurück war, hat sie am nächsten Tag angerufen.<br />
Er hat mich eingeladen, hatte den Kaffeetisch gedeckt <strong>und</strong> wir haben Kaffee<br />
getrunken. Unsere Beziehung ist ganz langsam gewachsen. Ich wollte mich<br />
nicht binden <strong>und</strong> war sehr zögerlich. Nach sechs Jahren haben wir<br />
geheiratet.<br />
Herr Deckart: Unsere Beziehung wird immer besser. Je älter man wird, umso<br />
mehr intensiviert sie sich.<br />
Frau Deckart: Es gibt für mich, auch seit wir verheiratet sind, keine<br />
Einschränkungen. Mein Mann ist sehr großzügig.<br />
11
Wie lange sind Sie verheiratet?<br />
Frau Deckart: Wir sind seit 19 Jahren verheiratet.<br />
Ist es ihre erste Ehe/ Partnerschaft?<br />
Frau Deckart: Es ist die zweite.<br />
Herr Deckart: Ich bin zum dritten Mal verheiratet.<br />
Haben Sie Kinder, Enkelkinder? Wie stehen Sie zu den Kindern/Enkeln Ihres<br />
Partners? Wie stehen diese zu Ihnen?<br />
Herr Deckart: Ich weiß von zwei Töchtern <strong>und</strong> einem Enkelsohn.<br />
Frau Deckart: Also Peter…! Ich habe einen Sohn, eine Tochter <strong>und</strong> eine<br />
Enkeltochter. Alle haben sich gefreut, als wir geheiratet haben.<br />
Wie war es für Sie, noch einmal<br />
vor das Standesamt zu treten?<br />
Herr Deckart: Wir haben unsere<br />
selbst gemachten Trauzeugen<br />
mitgebracht.<br />
Frau Deckart: Seine Tochter aus<br />
Berlin <strong>und</strong> meine Tochter aus<br />
München.<br />
Herr Deckart: Ich heirate immer wieder gern in Schloss Philippsruhe. Alle drei<br />
Ehen habe ich dort geschlossen. Meine jüngste Tochter hat gekichert beim<br />
Vorlesen des Treueversprechens.<br />
Frau Deckart, war es ein Problem für Sie, dass Ihr Mann zweimal verheiratet<br />
war?<br />
Frau Deckart: Nein, hat mich überhaupt nicht gestört. Ich bin herzlich in die<br />
Familie aufgenommen worden.<br />
Herr Deckart: Es gab nur noch einen Termin am Freitag, den 13., 10 Uhr. Den<br />
haben wir genommen. Die Standesbeamtin war zappelig, da wir erst um 5<br />
vor 10 eintrafen.<br />
Frau Deckart: Es war ein lustiger Tag.<br />
12
Was bedeutet für Sie Liebe?<br />
Frau Deckart: Oh lieber Himmel. Sich auf den Menschen verlassen zu<br />
können. Sich beistehen in guten wie in schlechten Zeiten. Jemanden an der<br />
Seite zu haben, der immer für einen da ist. Einen Partner zu haben, auf den<br />
ich mich verlassen kann, der meine Sorgen <strong>und</strong> Nöte teilt.<br />
Frau Deckart zu ihrem Mann: Jetzt überleg du mal – erzähl mal – interessiert<br />
mich auch – musst mich nicht angucken.<br />
Herr Deckart: Schreib rein, ihm fällt nichts weiter dazu ein.<br />
Ist es Liebe, was Sie verbindet?<br />
Herr Deckart: Auch, nicht nur.<br />
Frau Deckart: Ich denke mal, wenn ich ihn nicht lieben würde, wäre ich nicht<br />
mit ihm zusammen. Im Alter ist es eine andere Liebe, nicht mehr wie in<br />
jungen Jahren.<br />
Herr Deckart: Es ist Liebe. Ich finde es toll, die Frau in den Arm zu nehmen.<br />
Welche Vorlieben bzw.<br />
Abneigungen teilen Sie?<br />
Herr Deckart: Ich bin allergisch<br />
gegen laute, schrille hohe<br />
Frauenstimmen. Beim Allergietest<br />
habe ich das auch dem Arzt gesagt.<br />
Gibt es auch etwas, was Sie beide mögen, bzw. nicht mögen?<br />
Frau Deckart: Wir teilen uns unsere Zeit gerne selbst ein.<br />
Herr Deckart: Gemeinsames Frühstücken, wenn es irgendwie geht.<br />
Uns bringt nichts aus der Ruhe. Wir entscheiden frei über unsere Zeit,<br />
sprechen über unsere Vorhaben. Gewisse Dinge machen wir zusammen.<br />
Theater <strong>und</strong> Konzerte besuchen sowie gemeinsame Besuche bei Fre<strong>und</strong>en<br />
<strong>und</strong> Verwandten.<br />
Frau Deckart: Peter liebt mehr den Jazz.<br />
Wir gehen gerne spazieren <strong>und</strong> verreisen gerne <strong>und</strong> lesen.<br />
Herr Deckart: Ich lese Sachbücher <strong>und</strong> interessiere mich fürs<br />
Tagesgeschehen. Meine Frau liest „Sülz“.<br />
13
Frau Deckart: Ich lese Romane, Bücher mit geschichtlichem Hintergr<strong>und</strong> <strong>und</strong><br />
Biografien.<br />
Herr Deckart: Ich unternehme gerne Fahrradtouren.<br />
Wir treffen uns nur mit Menschen, mit denen wir die Zeit angenehm<br />
verbringen können. Die Zeit ist zu kostbar. Wir mögen es, gute Gespräche zu<br />
führen. Mein Wahlspruch ist: Warum soll ich Geld, das ich nicht habe<br />
ausgeben, für Dinge, die ich nicht brauche, um damit Leuten zu imponieren,<br />
die ich nicht leiden kann.<br />
Haben Sie als älteres Paar besondere Strategien entwickelt, um Konflikte zu<br />
lösen?<br />
Herr Deckart: Ich bin der Herr im Haus, was meine Frau sagt, wird gemacht.<br />
Frau Deckart: Manchmal erstmal schlucken. Wenn wir uns festbeißen,<br />
sprechen wir später. Heute haben wir Meinungsverschiedenheiten, keine<br />
Konflikte.<br />
Herr Deckart: Wir haben keinen Ärger miteinander, Stress wäre<br />
hausgemacht.<br />
Frau Deckart: Wir sollten über alles reden.<br />
Herr Deckart: Die meisten Entscheidungen treffen wir gemeinsam.<br />
Frau Deckart: Er hat in vielen Dingen mehr Erfahrung. Wir finden für alles<br />
eine Lösung.<br />
Wie unterscheidet sich die körperliche <strong>und</strong> emotionale Liebe im Alter von<br />
der Liebe in jüngeren Jahren?<br />
Frau Deckart: Wir zeigen uns unsere Zuneigung, tiefe Zuneigung im Alter.<br />
Wir geben uns einen Kuss, wenn er mich begrüßt. Wenn er weggeht, schaue<br />
ich ihm nach <strong>und</strong> winke. Wir machen das, seitdem wir beide Zuhause sind.<br />
Sex im Alter gibt es auch. Er ist anders als in jungen Jahren.<br />
Herr Deckart: In jungen Jahren war es eine andere Frau, in mittleren Jahren<br />
war es eine andere Frau <strong>und</strong> jetzt ist es eine andere Frau. Mit jeder verbindet<br />
mich eine andere Art von Liebe.<br />
Ich liebe meine Frau <strong>und</strong> bin froh, dass ich sie habe. Und ich bin froh, dass sie<br />
mich hat!<br />
14
Was macht Ihre Partnerin/Ihren Partner so besonders?<br />
Herr Deckart: Als letztes Getränk am Abend erhalte ich ein großes Glas<br />
furchtbar sauren frischen Zitronensaft.<br />
Frau Deckart: Das ist schwierig. Wir decken abwechselnd den<br />
Frühstückstisch. Er kauft alleine ein. Er macht sehr gute Frühstückseier, die<br />
sind immer wachsweich. Er erledigt auch meine Bankgeschäfte. Er hat einen<br />
trockenen Humor <strong>und</strong> für alles eine gute Ausrede.<br />
Sind Sie stolz auf sie/ihn?<br />
Frau Deckart: Ja<br />
Herr Deckart: Doch, auf die Frau kann man schon stolz sein. Ich bin froh, dass<br />
sie mich hat. Was sie macht, macht sie meistens toll.<br />
Frau Deckart: Mein Mann ist mit allem zufrieden, was ich koche, was ich ihm<br />
an Kleidung hinlege. Er ist nicht anspruchsvoll. Er meckert nie.<br />
Was würde der Tod Ihres Partners/Ihrer Partnerin für Ihre Lebensumstände<br />
bedeuten?<br />
Herr Deckart: Da denkt man noch gar nicht dran. Man schiebt alles vor sich<br />
her. Dabei ist es ganz wichtig, sich baldigst mit all diesen Themen zu<br />
befassen. Sicher ein großer Verlust. Eine schlimme Katastrophe, ein großer<br />
Einschnitt.<br />
Frau Deckart: Ich wünsche mir, dass ich vor meinem Mann sterben werde, da<br />
er besser mit dieser Situation umgehen könnte, oder zusammen. Es ist<br />
unvorstellbar, nicht auszudenken.<br />
15
Können Sie sich ein Leben ohne Ihre Partnerin/Ihren Partner vorstellen?<br />
Frau Deckart: Sehr schwer, aber man muss ja weiter machen.<br />
Beide: Wichtig ist eine intakte Familie, die einem zur Seite steht.<br />
Herr Deckart: Es würde lange dauern, bis das Leben wieder in geordnete<br />
Bahnen kommt.<br />
Gibt es einen großen Wunsch, den Sie sich gemeinsam erfüllen möchten?<br />
Herr Deckart: Gemeinsam alt zu werden – ges<strong>und</strong> zu bleiben.<br />
Frau Deckart: Wir freuen uns über jeden Tag <strong>und</strong> gemeinsam, unsere Arbeit<br />
bewältigen zu können. Sonst haben wir keine besonderen Wünsche. Wir<br />
haben alle notwendigen Dinge des täglichen Lebens.<br />
Herr Deckart: Genieße dein Leben ständig, bist länger tot als lebendig. Das ist<br />
unser Wahlspruch.<br />
16
Gisela Muth <strong>und</strong> Manfred Heinle<br />
Alter: Gisela Muth 69 Jahre, Manfred Heinle 72 Jahre<br />
Frau Muth hat zwei Kinder <strong>und</strong> drei Enkelkinder,<br />
Herr Heinle je zwei Kinder <strong>und</strong> Enkelkinder.<br />
Die Ehepartner von Frau Muth <strong>und</strong> Herrn Heinle sind verstorben.<br />
Seit wann wohnen Sie in Hanau?<br />
Herr Heinle: Wir wohnen seit zehn Jahren in Hanau.<br />
Welchen Beruf haben Sie ausgeübt?<br />
Frau Muth: Ich bin Floristin <strong>und</strong> hatte ein eigenes Blumengeschäft.<br />
Herr Heinle: Ich bin Maschinenbauingenieur <strong>und</strong> hatte zusammen mit<br />
meiner ersten Frau eine eigene Firma.<br />
Wie lange sind Sie ein Paar?<br />
Frau Muth: wir leben seit 23 Jahren in einem gemeinsamen Haushalt.<br />
Ist es Ihre erste Ehe/Partnerschaft?<br />
Frau Muth: Nein, mein erster Mann ist<br />
verstorben.<br />
Herr Heinle: Nein, meine erste Frau ist<br />
verstorben. Nach dem Tod meiner<br />
Frau bin ich acht Tage später mit<br />
einer Frau nach Marbella in den<br />
Urlaub geflogen. Nach dem Urlaub<br />
war es mit der Beziehung wieder<br />
vorbei. Danach hatte ich vier Jahre eine Beziehung, diese ging auch in die<br />
Brüche.<br />
17
Haben Sie Trost gesucht?<br />
Herr Heinle: Ich sah klasse aus, hatte Geld, hatte die Schnauze voll von der<br />
Firma <strong>und</strong> wollte es wissen, was Frauen betrifft.<br />
Meine erste Frau war prüde <strong>und</strong> sehr konservativ. Das wollte ich auf gar<br />
keinen Fall mehr.<br />
Ich habe meine jetzige Frau gefragt, ob sie aufgeklärt ist, wenn nicht, hätte<br />
ich sie nicht genommen.<br />
Ich habe ihr nach einem Jahr mit roten Rosen, einem Brief <strong>und</strong> auf den Knien<br />
einen Heiratsantrag gemacht. Den Termin beim Standesamt hatte ich<br />
heimlich gemacht. Ich habe gefragt. Willst du mich heiraten?<br />
Sie hat gesagt: „Nein, ich muss am Freitag auf den Großmarkt.“<br />
Frau Muth: Er hat den Termin gemacht ohne mich zu fragen.<br />
Wie haben Sie reagiert, Herr Heinle?<br />
Ich war sprachlos <strong>und</strong> beleidigt. Ich hatte mir vorgenommen an meinem 50.<br />
Geburtstag bekannt geben zu können, dass wir geheiratet haben. Ich habe<br />
den Standesamttermin abgesagt. Ich will sie heute noch heiraten.<br />
18
Wie haben Sie sich kennen gelernt?<br />
Herr Heinle: Wir kannten uns vom Sehen. Sie war die Ehefrau eines<br />
Kegelbruders.<br />
Frau Muth: Ja, wir kannten uns vom Kegeln, hatten aber keinen näheren<br />
Kontakt.<br />
Nach dem Tod seiner Frau hat er immer Blumen für seine neuen<br />
Fre<strong>und</strong>innen bei mir im Geschäft gekauft. Wir haben uns über die Frauen<br />
unterhalten, wenn es Probleme in der Beziehung gab <strong>und</strong> es kriselte. Wir<br />
haben uns darüber unterhalten <strong>und</strong> uns ausgetauscht.<br />
Eines Tages habe ich über die Theke hinweg zu ihm gesagt: „Du kannst mich<br />
auch einmal zum Kaffee einladen.“<br />
Was haben Sie geantwortet, Herr Heinle?<br />
Herr Heinle: Ich habe geantwortet: „Ja, natürlich.“ Ich habe sie eine Woche<br />
später zum Kaffeetrinken abgeholt. Vier Wochen später sind wir zusammen<br />
gezogen.<br />
Haben Sie Kinder, Enkelkinder? Wie stehen Sie zu den Kindern/Enkeln Ihres<br />
Partners? Wie stehen diese zu Ihnen?<br />
Frau Muth: Ich<br />
habe zwei Söhne<br />
<strong>und</strong> drei Enkelkinder.<br />
Als ich<br />
mit ihm zusammen<br />
kam, habe<br />
ich ihn nicht<br />
nach Hause gebracht.<br />
Er galt<br />
als Casanova,<br />
<strong>und</strong> ich habe es<br />
zuerst geheim<br />
gehalten. Ich bin<br />
ziemlich schnell zu ihm nach Mühlheim gezogen. Meine Söhne blieben im<br />
Haus wohnen. Der jüngere Sohn kam immer am Wochenende nach<br />
Mühlheim <strong>und</strong> hat nach mir geschaut. Er hatte den Wunsch, mich zu<br />
beschützen. Hat die Beziehung skeptisch beobachtet.<br />
19
Herr Heinle: Ich habe zwei Kinder <strong>und</strong> zwei Enkelkinder. Meine Kinder hatten<br />
keine großen Probleme, dass ich wieder fest mit einer Frau zusammen war.<br />
Der jüngere Sohn von Frau Muth hat 20 Jahre lang angerufen <strong>und</strong> der erste<br />
Satz war immer: Ist die Mama da?<br />
Hat sich in den vergangenen Jahren aber geändert.<br />
Was bedeutet für Sie Liebe?<br />
Frau Muth: Für den Partner da sein, in schlechten <strong>und</strong> in guten Zeiten.<br />
Herr Heinle: Absolute Zuneigung – selbstverständlich auch körperlich.<br />
Ist es Liebe, was Sie verbindet?<br />
Herr Heinle: Ja. Es ist wichtig, dass sie sich riechen können, im wahrsten<br />
Sinne des Wortes. Ich hatte einmal eine Frau, die roch nicht gut, da fühlte ich<br />
mich auch nicht körperlich hingezogen.<br />
Ich liebe es, wenn meine Frau aufgedonnert ist ohne Ende. Sie ist die erste<br />
Frau, die alles getan hat, um für mich so blendend auszusehen.<br />
Frau Muth: Ja.<br />
Welche Vorlieben bzw. Abneigungen teilen Sie?<br />
Beide: Verreisen.<br />
Herr Heinle: Wir haben vier Jahre lang zusammen in Spanien gelebt.<br />
Frau Muth: Wir unternehmen fast alles zusammen – wir sind zusammen<br />
bekannt, alleine kennt uns niemand.<br />
Haben Sie als älteres Paar besondere Strategien entwickelt, um Konflikte zu<br />
lösen?<br />
Herr Heinle: Sie hat immer Recht <strong>und</strong> ich meine Ruhe. Wenn wir uns streiten,<br />
erhebe ich meine Stimme, <strong>und</strong> bevor ich wahnsinnig werde, gehe ich in mein<br />
Büro. Ich bin schnell emotional erregt <strong>und</strong> beleidigt. Nach etwa 30 Minuten<br />
komme ich wieder aus dem Büro <strong>und</strong> es ist gut.<br />
Frau Muth: Ich kläre Streitigkeiten lieber, ich sage, du musst doch nicht laut<br />
werden. Ich lasse ihn, bin gutmütig <strong>und</strong> gnädig mit ihm.<br />
Wir mögen beide nicht, wenn es Streitigkeiten gibt.<br />
20
Wie unterscheidet sich die körperliche <strong>und</strong> emotionale Liebe im Alter von<br />
der Liebe in jüngeren Jahren?<br />
Herr Heinle: Kann ich nicht definieren. Durch meine Krankheit, mehrere<br />
Herzinfarkte, hat sich etwas verändert. Vorher war unsere Beziehung<br />
körperlich sehr intensiv. Für die körperliche Liebe gibt es kein Ende. Ich habe<br />
jetzt mehr Angst als früher <strong>und</strong> daher schränke ich mich selbst ein.<br />
Frau Muth: Dass alles nicht mehr so funktioniert aufgr<strong>und</strong> der körperlichen<br />
Einschränkungen. Die Gefühle haben sich nicht verändert. Die körperliche<br />
Zuwendung ist nicht mehr so intensiv, aber ich denke es gehört zum Leben.<br />
Was macht Ihre Partnerin/Ihren Partner so besonders?<br />
Frau Muth: Er ist charmant, angenehm <strong>und</strong> liebenswert.<br />
Herr Heinle: Sie versteht, sich super anzuziehen, auch im Bett. Das hat mich<br />
gereizt <strong>und</strong> das schätze ich noch heute.<br />
Sind Sie stolz auf sie/ihn?<br />
Frau Muth: Ja.<br />
Herr Heinle: Ja, klar.<br />
Was würde der Tod Ihrer<br />
Partnerin/Ihres Partnes für Ihre<br />
Lebensumstände bedeuten?<br />
Frau Muth: Alles würde sich verändern, würde mich einsam fühlen. Ich<br />
müsste alle Aufgaben wieder alleine übernehmen.<br />
Herr Heinle: Als meine erste Frau starb, war ich total hilflos. Das bin ich<br />
heute nicht mehr. Zum Putzen würde ich mir eine Putzfrau zulegen <strong>und</strong> auch<br />
offen sein für eine neue Beziehung. „Zweisam ist besser als einsam“.<br />
Können Sie sich ein Leben ohne Ihre Partnerin/Ihren Partner vorstellen?<br />
Frau Muth: Momentan nicht.<br />
Herr Heinle: Ja sicher. Als meine erste Frau gestorben ist, war ich verzweifelt,<br />
jetzt nicht mehr. Sie müssen sich vorstellen, meine Schwägerin hat mich<br />
damals eingekleidet.<br />
21
Ist es auch der Verdienst von Frau Muth, dass Sie ihr Leben regeln können?<br />
Herr Heinle: Selbstverständlich!<br />
Gibt es einen großen Wunsch, den Sie sich gemeinsam erfüllen möchten?<br />
Beide: Dass alles noch lange so bleibt.<br />
Herr Heinle: Dass ich als erster sterbe.<br />
22
Eugenia <strong>und</strong> Joachim Grothe<br />
Alter: Eugenia Grothe 85 Jahre, Joachim Grothe 88 Jahre<br />
Frau Grothe ist in Warschau/Polen geboren <strong>und</strong> in Russland aufgewachsen.<br />
Sie hat eine Tochter, zwei Enkel <strong>und</strong> zwei Urenkel. Im zweiten Weltkrieg war<br />
sie im Alter von 17 Jahren zwangsverschleppt worden <strong>und</strong> musste in<br />
Frankfurt a. M. arbeiten. Dort lernte sie auch ihren ersten Mann kennen, mit<br />
dem sie 30 Jahre verheiratet war. 1946 kam ihre Tochter zur Welt. 1975 starb<br />
ihr erster Mann. 1999 heirate sie Joachim Grothe.<br />
Herr Grothe ist in Berlin geboren <strong>und</strong> lebt seit 1972 in Hanau. Er hat einen<br />
Sohn <strong>und</strong> eine Enkeltochter aus erster Ehe. Seine erste Frau starb 1991. Acht<br />
Jahre später heiratete er seine zweite Frau.<br />
Wie haben Sie<br />
sich kennen<br />
gelernt?<br />
Herr Grothe: Wir<br />
haben uns im<br />
Bekanntenkreis<br />
beim Kartenspielen<br />
<strong>und</strong> bei<br />
Sparziergängen<br />
kennen gelernt.<br />
1995 haben wir<br />
unsere erste<br />
gemeinsame Reise gemacht. Danach folgten jährlich mehrere Reisen, unter<br />
anderem in meine Heimatstadt Berlin, wo wir mit Theater- <strong>und</strong><br />
Opernbesuchen sowie mit Museumsbesichtigungen an der Hauptstadtkultur<br />
teilnahmen.<br />
Wie war das, als Sie noch einmal geheiratet haben?<br />
Frau Grothe: Es war ein schönes Gefühl, nicht mehr alleine zu sein.<br />
Herr Grothe: Es ist schön, wieder eine Lebenspartnerin zu haben, mit der<br />
man gemeinsame Interessen teilen kann.<br />
23
Wie stehen Ihre Kinder zu der neuen Partnerschaft?<br />
Frau Grothe: Meine Tochter hat sich sehr gefreut.<br />
Herr Grothe: Mein Sohn hat sich auch für mich gefreut. Ich wohnte bis zur<br />
meiner Hochzeit zusammen mit der Familie meines Sohnes in unserem<br />
gemeinsamen Haus. Um das Familienleben meines Sohnes nicht zu stören,<br />
zog ich mit meiner Frau in eine größere Wohnung.<br />
Was bedeutet für Sie Liebe? Und ist es Liebe, was Sie verbindet?<br />
Herr Grothe: Liebe bedeutet Zuneigung, geistig <strong>und</strong> körperlich, u. a. sich in<br />
die Arme nehmen <strong>und</strong> zärtlich zueinander sein, sich zu küssen.<br />
Frau Grothe: Für mich bedeutet unsere Liebe Wärme. Geborgenheit.<br />
Sich aufeinander verlassen können. Wir haben uns für getrennte<br />
Schlafzimmer entschieden, damit jeder seine Gewohnheiten behalten kann,<br />
z. B. Radio hören oder früher aufstehen. So stören wir einander nicht.<br />
24
Was würde eine schwere Krankheit oder gar der Tod Ihres Partners für Sie<br />
bedeuten?<br />
Frau Grothe: Es wäre sehr schlimm, plötzlich wieder ganz alleine zu sein. Mir<br />
würde mein Mann sehr fehlen.<br />
Herr Grothe: Ich hätte die gleichen Empfindungen <strong>und</strong> wäre sehr traurig.<br />
Welche Vorlieben bzw. Abneigungen teilen Sie?<br />
Beide: Schwimmen, Reisen, Theaterbesuche, klassische Musik, besonders<br />
Opernaufführungen. Lärm <strong>und</strong> Streitigkeiten mögen wir beide nicht.<br />
Wie lösen Sie Konflikte?<br />
Frau Grothe: Jeder sagt seine Meinung. Irgendwann gibt einer nach. Vor dem<br />
Schlafengehen wird der Streit in jedem Fall beendet, denn wir wissen nicht,<br />
ob wir am nächsten Tag noch beisammen sind.<br />
Wie<br />
unterscheidet<br />
sich die körperliche<br />
<strong>und</strong><br />
emotionale<br />
Liebe im Alter?<br />
Beide: Die Liebe<br />
im Alter wird<br />
ruhiger <strong>und</strong><br />
gelassener.<br />
Zärtlichkeit <strong>und</strong> Herzenswärme gewinnen an Bedeutung.<br />
25
Was macht Ihre Partnerin/Ihren Partner so besonders?<br />
Frau Grothe: Seine Bescheidenheit <strong>und</strong> Höflichkeit. Ich kann mich auf ihn<br />
verlassen. Er steht zu seinem Wort.<br />
Herr Grothe: Sie ist sehr ges<strong>und</strong>heitsbewusst, achtet auf eine gute<br />
Ernährung für uns. Sie setzt sich für ihre Gr<strong>und</strong>sätze ein <strong>und</strong> hat einen<br />
eisernen Willen.<br />
Sind Sie stolz auf sie/ihn?<br />
Frau Grothe: Ja, ich habe ihn als Pensionär kennen gelernt. Er ist gebildet, hat<br />
ein gutes Benehmen <strong>und</strong> ist allen Umständen des Lebens gewachsen.<br />
Herr Grothe: Ich bin stolz auf sie, dass sie noch in ihrem hohen Alter unseren<br />
Haushalt führen <strong>und</strong> gemütlich gestalten kann.<br />
Gibt es einen großen Wunsch, den Sie sich gemeinsam erfüllen möchten?<br />
Herr Grothe: Wir haben uns einen Wunsch erfüllt. Wir ziehen in eine<br />
seniorengerechte Wohnung, in das Fischerhaus der Kathinka-Platzhoff-<br />
Stiftung, wo wir uns gut betreut <strong>und</strong> wohl fühlen werden.<br />
Anmerkung: Das Ehepaar Grothe wohnt seit Oktober im Fischerhaus.<br />
26
Hildegard <strong>und</strong> Raim<strong>und</strong> Hocke<br />
Alter: Hildegard Hocke 66 Jahre, Raim<strong>und</strong> Hocke 83 Jahre.<br />
Herr Hocke ist in Matzke (Oberschlesien/Polen) geboren <strong>und</strong> wohnt seit<br />
1967 in Hanau. Er ist gelernter Bäcker<br />
Frau Hocke wurde in Werbitz (Sudetenland/Tschechien) geboren. In Hanau<br />
lebt die Hausfrau seit 1983. Es ist die zweite Ehe jedes Ehepartners.<br />
Herr Hocke hat zwei Kinder <strong>und</strong> 5 Enkelkinder. Frau Hocke hat ein Kind.<br />
Herr Hocke ist pflegebedürftig <strong>und</strong> benötigt einen Rollstuhl. Das Ehepaar<br />
lebt in einer Altenwohnanlage in Hanau.<br />
Wie haben Sie sich kennen gelernt?<br />
Frau Hocke: In einem Lager für Oberschlesier in Friedland.<br />
Ich habe zu einem Fre<strong>und</strong> gesagt:“ Ich brauche einen Mann.“<br />
Ich war in der Küche mit Frauen zum Kochen. Er kam in die Küche, ich habe<br />
seine Hände gesehen <strong>und</strong> habe gedacht, was ist das für ein Mann? Er hatte<br />
so dreckige Hände. (Herr Hocke arbeitete damals auf der Autobahn) Noch am<br />
gleichen Abend hat er mich besucht. Er war besser gekleidet <strong>und</strong> wir haben<br />
uns unterhalten.<br />
Herr Hocke: Ich wollte, dass sie zu mir zieht.<br />
Wie lange sind Sie verheiratet?<br />
Frau Hocke: Seit 17 Jahren, wir haben am 5. August 1992 geheiratet.<br />
Ist es Ihre erste Ehe/ Partnerschaft?<br />
Frau Hocke: Nein, es ist meine zweite Ehe. Als ich ihn kennen lernte, war ich<br />
schon geschieden. Wir haben uns acht Jahre gekannt, bevor wir geheiratet<br />
haben. Eine neue Liebe ist wie ein neues Leben. Er wollte ein Kind von mir,<br />
aber ich war schon 41 Jahre alt.<br />
Herr Hocke: Sie ist meine zweite Frau. Ich habe mich auf die Nacht gefreut.<br />
Haben Sie Kinder, Enkelkinder? Wie stehen Sie zu den Kindern/Enkeln Ihres<br />
Partners? Wie stehen diese zu Ihnen?<br />
Frau Hocke: Mein Sohn hat geweint <strong>und</strong> zu ihm gesagt, du hast mir meine<br />
Mutti weggenommen. Er war da 19 Jahre alt.<br />
27
Was bedeutet für Sie Liebe?<br />
Frau Hocke: Jetzt bedeutet Liebe nichts mehr. Ich bin mit meinem Mann<br />
zusammen <strong>und</strong> pflege ihn.<br />
Herr Hocke: Eine schöne Frau zu haben <strong>und</strong> ges<strong>und</strong> soll sie sein, gutes<br />
Aussehen <strong>und</strong> ich kann sie freihalten.<br />
Ist es Liebe was Sie verbindet?<br />
Frau Hocke: Wir haben uns aneinander gewöhnt. Ich pflege ihn, bin selbst<br />
krank, habe nichts vom Leben. Es kommt aber nicht in Frage, mir einen<br />
neuen Mann zu suchen, da ich diesen womöglich auch pflegen muss. Die<br />
Männer wollen immer gleich ins Bett. Ich bin 66 Jahre, auf was will ich noch<br />
warten?<br />
Herr Hocke: Selbstverständlich, sonst hätte ich sie nicht geheiratet. Ich war<br />
froh, als ich sie gesehen habe.<br />
Haben Sie als<br />
älteres Paar<br />
besondere<br />
Strategien<br />
entwickelt, um<br />
Konflikte zu<br />
lösen?<br />
Herr Hocke: Sie<br />
scheißt mich<br />
zusammen <strong>und</strong><br />
ich sie – wie es<br />
auf dem Bauerndorf war – zehn Hektar Land <strong>und</strong> zehn Kinder.<br />
Frau Hocke: Manchmal bin ich nervös <strong>und</strong> weine. Wenn wir uns streiten <strong>und</strong><br />
uns nicht einigen können, dann ist zwei bis drei St<strong>und</strong>en Sendepause.<br />
28
Wie unterscheidet sich die körperliche <strong>und</strong> emotionale Liebe im Alter von<br />
der Liebe in jüngeren Jahren?<br />
Herr Hocke: Ich war stürmisch. Ich habe in Brennnesseln gebadet. Bei mir hat<br />
alles gebrannt, aber mit den Schlaganfällen, es waren vier Stück, da war erst<br />
einmal Stille mit der Liebe…. Aber jetzt geht´s schon wieder. Ich hätte gern<br />
mehr körperliche Zuwendung.<br />
Frau Hocke: Die körperliche Zuwendung spielt für mich nicht so eine große<br />
Rolle. Ich musste immer arbeiten <strong>und</strong> dann war mein Mann krank <strong>und</strong> ich<br />
habe ihn gepflegt.<br />
Was macht Ihre Partnerin/Ihren Partner so besonders?<br />
Herr Hocke: Sie kocht gut – aber küssen will sie mich nicht. Ich könnte sie<br />
auffressen. Ich liebe sie. Ich habe sie geküsst, bis sie fast erstickt wäre.<br />
Frau Hocke: Jetzt gar nichts! Für mich ist die momentane Situation der Pflege<br />
eine Belastung.<br />
Sind Sie stolz auf sie/ihn?<br />
Herr Hocke: Ja, klar<br />
29
Frau Hocke: Gott sei Dank liegst du im Bett. Früher bist du ans Kiosk –<br />
Bierchen trinken…Ich habe den ganzen Tag gewartet, bis er kommt.<br />
Was würde der Tod Ihrer Partnerin/Ihres Partners für Ihre Lebensumstände<br />
bedeuten?<br />
Herr Hocke: Ich würde nicht mehr heiraten, würde ins Altersheim <strong>und</strong> würde<br />
weinen.<br />
Frau Hocke: Es wäre schwer, alleine zu sein.<br />
Können Sie sich ein Leben ohne Ihren Partner/Ihre Partnerin vorstellen?<br />
Frau Hocke: Weiß ich nicht, ist schwer.<br />
Herr Hocke: Nein.<br />
Gibt es einen großen Wunsch, den Sie sich gemeinsam erfüllen möchten?<br />
Herr Hocke: Ich will im Lotto gewinnen, dann kaufe ich mir ein schönes Auto.<br />
Ins Hotel gehen, sich bedienen lassen.<br />
Frau Hocke: Reisen.<br />
30
Elisabeth <strong>und</strong> Willi Schultheiß<br />
Alter: Elisabeth Schultheiß 74 Jahre, Willi Schultheiß 76 Jahre<br />
Frau Schultheiß ist 1935 in Eichsfeld geboren <strong>und</strong> lebt seit 1960 in Hanau.<br />
Herr Schultheiß ist 1933 in der 6. Generation in Hanau geboren <strong>und</strong> lebt<br />
seitdem in Hanau. Sie haben drei Kinder, fünf Enkelkinder <strong>und</strong> drei Urenkel,<br />
aus ihrer gemeinsamen Ehe haben sie einen Sohn.<br />
Welchen Beruf<br />
haben Sie<br />
ausgeübt?<br />
Frau Schultheiß:<br />
Ich habe in der<br />
Altenpflege <strong>und</strong><br />
als Fußpflegerin<br />
gearbeitet. Ich<br />
habe immer irgendetwas<br />
gearbeitet.<br />
Ich arbeite<br />
<strong>und</strong> engagiere mich sehr viel ehrenamtlich.<br />
Herr Schultheiß: Ich bin gelernter Silberschmied. Habe dreimal umgeschult.<br />
Ich habe als Vorwerksdreher, Revolverdreher <strong>und</strong> als Brunnenwärter<br />
gearbeitet. Danach habe ich bis zur Pensionierung 22 Jahre in der Abteilung<br />
Edelmetalle als Vacuumschmelzer (Silberschmelzer) am Vacuumofen bei der<br />
Firma Degussa gearbeitet.<br />
Wie lange sind Sie ein Paar?<br />
Beide: Wir sind seit 41 Jahren verheiratet.<br />
31
Ist es Ihre erste Ehe/ Partnerschaft?<br />
Frau Schultheiß: Nein, Willi ist mein zweiter Mann. Ich habe meinen ersten<br />
Mann bei Nacht <strong>und</strong> Nebel <strong>und</strong> schwanger verlassen.<br />
Herr Schultheiß: Ich bin zum dritten Mal verheiratet.<br />
Meine erste Frau ist bei der Geburt unserer Tochter gestorben. Die zweite<br />
Ehe wurde geschieden.<br />
Wie haben Sie sich kennen gelernt?<br />
Herr Schultheiß: „Auf der Couch.“ Liesel hat bei meinem Bruder im Haus<br />
gewohnt, der hat sie an Silvester eingeladen. Sie kam von der Arbeit in der<br />
Martin-Luther-Stiftung von der Spätschicht. Wir haben zusammen auf der<br />
Couch gesessen, so haben wir uns kennen gelernt.<br />
Frau Schultheiß: Wir haben uns dann öfter getroffen. Er hat mich von der<br />
Arbeit abgeholt. Im Winter hat er mir die Wohnung warm gemacht <strong>und</strong> die<br />
Kohlen aus dem Keller hochgebracht, damit ich es warm habe, wenn ich von<br />
der Schicht kam. Wir arbeiteten damals beide im Schichtdienst. Er hat mir<br />
jede Woche Blumen heimgebracht. Er durfte aber nicht über Nacht bleiben.<br />
Herr Schultheiß: Ich bringe ihr heute noch immer Blumen mit.<br />
Frau Schultheiß: Ich wollte eigentlich nicht mehr mit einem Mann<br />
zusammen sein. Wir haben uns anderthalb Jahre näher kennen gelernt,<br />
bevor wir geheiratet haben. Es war eine Vernunftheirat, <strong>und</strong> ich wusste, er<br />
ist mir immer treu. Willi ist zu mir gezogen, da ich im Haus der<br />
Schwiegermutter nicht wohnen wollte.<br />
Herr Schultheiß: Beim Spiegeleier backen, habe ich sie gefragt, ob sie mich<br />
heiraten will.<br />
32
Haben Sie Kinder, Enkelkinder? Wie stehen Sie zu den Kindern/ Enkeln Ihres<br />
Partners? Wie stehen diese zu Ihnen?<br />
Herr Schultheiß: Das Jugendamt hat nach dem Tod meiner ersten Frau<br />
vorgeschlagen, dass meine Eltern, in dessen Haus wir lebten, die<br />
Vorm<strong>und</strong>schaft für meine Tochter übernehmen, da ich den ganzen Tag<br />
arbeiten war.<br />
Liesels Tochter habe ich adoptiert, <strong>und</strong> sie ist unsere gemeinsame Tochter.<br />
Frau Schultheiß: Meine Tochter Alex hat einen Papa gesucht. Sie hat sich<br />
sehr gefreut, als wir heirateten <strong>und</strong> gesagt: „Macht es, macht es!“.<br />
Zusammen haben wir unseren Sohn bekommen.<br />
Was bedeutet für Sie Liebe?<br />
Herr Schultheiß: Gegenseitiges Vertrauen. Was soll ich viel darüber<br />
sprechen. Ich will hören, was Liesel sagt.<br />
Frau Schultheiß: Den Menschen achten, mit dem ich zusammen bin.<br />
Vertrauen, ehrlich sein. Die großen <strong>und</strong> kleinen Schwächen akzeptieren.<br />
Absolute Zuneigung – selbstverständlich auch körperlich.<br />
Ist es Liebe, was Sie verbindet?<br />
Frau Schultheiß: Ja, schon. Das Wort<br />
Liebe wird in der heutigen Zeit etwas<br />
strapaziert. Schmetterlinge im Bauch<br />
sind es nicht mehr.<br />
Herr Schultheiß: Ja, das kann man so nennen. Das siehst du doch auf den<br />
Bildern!<br />
Welche Vorlieben bzw. Abneigungen teilen Sie?<br />
Frau Schultheiß: Gartenarbeit im Schrebergarten, gemeinsame Mahlzeiten<br />
<strong>und</strong> der Gedankenaustausch. Abends zusammen fernsehen.<br />
Herr Schultheiß: Wir lassen uns beide an der langen Leine. Ich habe keine<br />
Termine, fahre jeden Tag mit dem Fahrrad durch Hanau <strong>und</strong> treffe mich<br />
jeden Morgen mit meinen „Kollegen“ im Café zum Stammtisch.<br />
33
Haben Sie als älteres Paar besondere Strategien entwickelt, um Konflikte zu<br />
lösen?<br />
Frau Schultheiß: Ich will etwas klären, das ist mit Willi nicht gut möglich. Er<br />
sagt dann: „Ich muss mal wieder zum Ohrenarzt“, <strong>und</strong> haut dann ab. Er will<br />
bestimmte Dinge einfach nicht hören.<br />
Herr Schultheiß: Ich muss annehmen, dass sie Recht hat <strong>und</strong> ich muss keine<br />
Diskussion führen. Manchmal denke ich ein paar Tage nach <strong>und</strong> gebe später<br />
zu, dass sie Recht hat. Ich will, dass wir uns wieder angucken. Nach einer<br />
Diskussion soll wenigsten einer Gute Nacht sagen, damit einem das<br />
Frühstück am nächsten Morgen noch schmeckt.<br />
Wie unterscheidet sich die körperliche <strong>und</strong> emotionale Liebe im Alter von<br />
der Liebe in jüngeren Jahren?<br />
Liesel Schultheiß: Ganz gewaltig!<br />
Willi Schultheiß: Wenn einer zu mir sagt, Willi, wie klappt es noch mit der<br />
Liebe? „Ja, ich gehe abends mit meinem Schatzi ins Bett <strong>und</strong> schau sie an –<br />
gell, du bist auch müde.“ Alle Fragen beantwortet, das geht nur uns zwei<br />
etwas an.<br />
Was macht Ihren Partner/Ihre Partnerin so besonders?<br />
Frau Schultheiß: Er ist sehr zuverlässig, zu 99 Prozent pünktlich <strong>und</strong> ich<br />
denke, du bist mir auch treu. (Dabei wirft sie ihm einen Blick zu <strong>und</strong><br />
streichelt sein Bein.)<br />
Herr Schultheiß: Liesel kann sehr gut kochen, das Mittagessen findet immer<br />
zur verabredeten Zeit statt.<br />
Sind Sie stolz auf sie/ihn?<br />
Frau Schultheiß: Oh joooh! Ja, er hat noch nie irgendwelche Untaten<br />
gemacht. Stolz bin ich immer, wenn er das anzieht, was ich hinhänge… Sonst<br />
läuft er wie ein Lumpensammler herum.<br />
Herr Schultheiß: Ja, sicher.<br />
34
Was würde der Tod Ihrer Partnerin/Ihres Partners für Ihre Lebensumstände<br />
bedeuten?<br />
Herr Schultheiß: Darüber denke ich noch nicht nach. Ich bin froh, dass sie<br />
noch da ist.<br />
Liesel Schultheiß: Du weißt noch nicht einmal, wo du das Geld holen musst.<br />
Herr Schultheiß: Muss ich ja auch nicht.<br />
Liesel Schultheiß: Er musste sich zu Hause um nichts kümmern. Die Eltern<br />
hatten fünf Buben. Sie haben alles für die Kinder geregelt. Für mich wäre der<br />
Tod von Willi ein Schock <strong>und</strong> würde Trauer auslösen. Aber ich würde nicht in<br />
ein Loch fallen. Ich habe immer alles gemacht. Für ihn wäre es eine<br />
Katastrophe. Ich bin als Frau selbständiger.<br />
Herr Schultheiß: Schön wäre es nicht. Wir gehen immer zusammen ins Bett<br />
<strong>und</strong> wir stehen zusammen auf. Wenn Liesel im Bad ist, decke ich den<br />
Frühstückstisch. Beim Frühstück besprechen wir die Tagesgestaltung.<br />
Können Sie sich<br />
ein Leben ohne<br />
Ihre<br />
Partnerin/Ihren<br />
Partner<br />
vorstellen?<br />
Herr Schultheiß:<br />
Nein.<br />
Frau Schultheiß:<br />
Ja, weil ich mein<br />
Leben selbst in<br />
die Hand<br />
nehmen <strong>und</strong> sehr früh alles alleine machen musste. Mit 15 Jahren habe ich<br />
mit meinen drei Geschwistern alleine im eigenen Haus in der Landwirtschaft<br />
gelebt <strong>und</strong> gearbeitet. Es gibt kein Problem, mit dem ich nicht fertig werde.<br />
35
Gibt es einen großen Wunsch, den Sie sich gemeinsam erfüllen möchten?<br />
Herr Schultheiß: Wir haben alles gemacht, was wir wollten – viele Reisen.<br />
Frau Schultheiß: Der größte Wunsch ist, dass die Kinder ges<strong>und</strong> bleiben <strong>und</strong><br />
wir auch.<br />
36
Uta <strong>und</strong> Michael Goebler<br />
Alter: Uta Goebler 69 Jahre, Michael Goebler 70 Jahre<br />
Frau Goebler wohnt seit 32 Jahren, Herr Goebler seit 38 Jahren in Hanau.<br />
Beide sind in Berlin geboren. Frau Goebler hat drei Kinder aus erster Ehe.<br />
Sie ist von Beruf Goldschmiedin, hat unter anderem Töpferkurse für die<br />
Volkshochschule gegeben <strong>und</strong> war Übungsleiterin für den Sport- <strong>und</strong><br />
Werkunterricht.<br />
Herr Goebler war bei der Post im<br />
Ausbildungswesen als Lehrbeamter<br />
angestellt. Er war von 1972 bis 1974<br />
<strong>und</strong> von 1977 bis 2005<br />
Stadtverordneter. Jetzt ist er<br />
ehrenamtlicher Stadtrat. 1987 hat er<br />
den Ehrenbrief des Landes Hessen<br />
erhalten.<br />
Wie lange sind Sie verheiratet?<br />
Herr Goebler: Seit 1978, seit 31<br />
Jahren.<br />
Ist es Ihre erste Ehe?<br />
Herr Goebler: Ja.<br />
Frau Goebler: Nein, es ist meine<br />
zweite Ehe. Meine erste Ehe wurde geschieden.<br />
Haben Sie Kinder, Enkelkinder? Wie stehen Sie zu den Kindern/Enkeln Ihres<br />
Partners? Wie stehen diese zu Ihnen?<br />
Frau Goebler: Ich habe drei Kinder aus erster Ehe <strong>und</strong> fünf Enkelkinder.<br />
Herr Goebler: Eine Tochter hat länger mit uns zusammen im Haus gewohnt.<br />
Zu den Enkelkindern haben wir ein sehr gutes Verhältnis <strong>und</strong> verbringen viel<br />
Zeit mit ihnen.<br />
37
Wie haben Sie sich kennen gelernt?<br />
Frau Goebler: Ich habe Michael durch den Sport kennen gelernt. Bei<br />
Wettkämpfen <strong>und</strong> sportlichen Veranstaltungen sind wir uns öfter begegnet.<br />
Ich war Mitglied beim Turn- <strong>und</strong> Sportverein Neuberg.<br />
Herr Goebler: Ich war Vorsitzender des Postsportvereins.<br />
Frau Goebler: Es war in der Zeit als meine Scheidung lief. Ich habe auf alles<br />
verzichtet <strong>und</strong> ich kämpfte für das alleinige Sorgerecht für meine Kinder. Als<br />
ich vom Gericht wegen des Sorgerechtsstreits kam, habe ich ihn getroffen. Er<br />
hat mich gefragt, ob ich Hilfe brauche.<br />
Herr Goebler: Näher kennen gelernt haben wir uns beim Sport.<br />
Frau Goebler: Er hat uns Karten für ein Handballspiel in den Briefkasten<br />
geworfen. Er saß neben uns. Meine Tochter Karin hat ihn gefragt, wie das<br />
Spiel funktioniert. Es gab erste heimliche Berührungen <strong>und</strong> weitere Treffen.<br />
Es hat schon gereicht, wenn wir uns gesehen haben. Es hat sich ganz<br />
langsam entwickelt. Ich dachte, ich kann nicht in eine neue Beziehung hinein<br />
rennen.<br />
Wie war das, als Sie noch einmal geheiratet haben?<br />
Frau Goebler: Erst wollte ich ja nicht. Meine Tochter Karin hat gesagt:<br />
„Micha, wann heiraten wir.“ Es war schön, mit meiner Mutter, seinen Eltern,<br />
der Schwester <strong>und</strong> dem Schwager. Ich hatte das Gefühl, mit offenen Armen<br />
aufgenommen zu werden. Wir hatten eine lustige Hochzeit.<br />
Herr Goebler: Wir haben in der AWO (Arbeiterwohlfahrt) gefeiert. Wir hatten<br />
eine kleine Feier, aber eine ganz kleine Feier war es auch nicht. Die Nachricht,<br />
dass wir heiraten, schlug ein wie der Blitz.<br />
38
Was bedeutet für Sie Liebe?<br />
Herr Goebler: Liebe heißt Geborgenheit, eine Art Basis für ein erträgliches<br />
Leben. Wenn man nicht verheiratet ist, fehlt etwas. Als Ehepaar ist man eine<br />
kleine Zweckgemeinschaft. Man richtet sich ein, kritisiert sich. Liebe ist eine<br />
Korrektur am menschlichen Leben.<br />
Frau Goebler: Im Prinzip das Gleiche, was Michael gesagt hat. Es würde<br />
etwas fehlen, wenn man alleine ist. Liebe bedeutet, sich dem Partner<br />
mitzuteilen, einen Partner zu haben, auf den man zurückgreifen, was<br />
gemeinsames Schaffen kann. Liebe bedeutet, nicht alleine zu sein, nicht<br />
einsam zu sein.<br />
Man merkt, wenn man einen Tag weg ist, dass man an den Partner denkt.<br />
Man braucht die Reibung miteinander. Man möchte den Partner um sich<br />
haben.<br />
Herr Goebler: Gute Definition. Liebe bedeutet einen beidseitigen Austausch,<br />
der beiden einen gewissen Freiraum lässt.<br />
Ist es Liebe, was Sie verbindet?<br />
Frau Goebler: Ja, ich denke. Wenn nicht, hätte ich ihm die Koffer schon vor<br />
die Tür gestellt. Ohne Liebe könnte man gar nicht zusammen leben.<br />
Herr Goebler: Dann wäre es schon gescheitert. Man teilt gemeinsame Sorgen<br />
<strong>und</strong> Nöte.<br />
Welche Vorlieben bzw. Abneigungen teilen Sie?<br />
Frau Goebler: Unordnung können wir beide nicht vertragen. Nicht nur<br />
häuslich. Alles muss seine Normalität haben.<br />
Herr Goebler: Der Tagesablauf ist strukturiert, sonst würden wir nicht zu<br />
Potte kommen.<br />
39
Haben Sie als älteres Paar besondere Strategien entwickelt, um Konflikte zu<br />
lösen?<br />
Herr Goebler: Man sollte den Partner erstmal abreagieren lassen, damit ist er<br />
entschärft. Wenn man gleich etwas entgegensetzt, würde das nichts<br />
bringen. Die Strategie ist, die Sache erst einmal auf sich beruhen zu lassen.<br />
Wenn man sich das selbst auferlegt, ist das vorher große Problem dann klein.<br />
Frau Goebler: Wenn wir die Situation haben, dass er etwas behauptet, was<br />
aus meiner Sicht nicht stimmt, kann ich stur sein <strong>und</strong> rede nichts mit ihm.<br />
Herr Goebler: Ernste Konflikte gibt es nicht. Ich weiß, wie sie reagiert.<br />
Frau Goebler: Michael ist nicht nachtragend. Ich raste eher aus <strong>und</strong> werde<br />
lauter. Wenn ich es dann merke, sage ich nichts mehr.<br />
Herr Goebler: Meistens dauert die Auseinandersetzung nicht lange <strong>und</strong><br />
schon gar nicht über Nacht.<br />
Wie unterscheidet sich die körperliche <strong>und</strong> emotionale Liebe im Alter von<br />
der Liebe in jüngeren Jahren?<br />
Herr Goebler: Als junger Mensch ist man spontaner. Es ist etwas Neues. Der<br />
Kennenlerneffekt führt im Alter zur Abnutzung. Die emotionale Zuwendung<br />
nimmt einen größeren Stellenwert ein.<br />
Frau Goebler: Im Gr<strong>und</strong>e genommen… Man kuschelt mal. Die körperliche<br />
Zuwendung spielt eine Nebenrolle.<br />
40
Was macht Ihre Partnerin/Ihren Partner so besonders?<br />
Frau Goebler: Er ist ein ausgeglichener Mensch, sehr hilfsbereit, fre<strong>und</strong>lich.<br />
Er ist kein Mensch, der in Kneipen geht, raucht. Er ist ein Familienmensch geworden.<br />
Er ist großzügig <strong>und</strong> witzig. Er wird von Fre<strong>und</strong>en „Mister Bean“<br />
genannt, <strong>und</strong> sie sagen, wenn es ihn nicht gäbe, müsste man ihn erfinden.<br />
Herr Goebler: Sie ist eigentlich ein Mensch, dem man nicht wehtun kann. Sie<br />
ist ein Mensch, auf den man sich verlassen kann, in allen Situationen!<br />
Sind Sie stolz auf sie/ihn?<br />
Frau Goebler: Ja.<br />
Herr Goebler: Ja – ich bin stolz, was sie aus sich gemacht hat! Was sie sich<br />
künstlerisch aufgebaut hat.<br />
Was würde der Tod Ihrer Partnerin/Ihres Partners für Ihre Lebensumstände<br />
bedeuten?<br />
Frau Goebler: Schwierige Frage, würde mich aus der Bahn werfen. Meine<br />
Wohnsituation <strong>und</strong> die finanzielle Situation würden sich ändern. Ich würde<br />
allein sein. Ich würde es irgendwie schaffen. Mehr schlecht als recht. Ich<br />
kann es nicht beantworten. Habe die Situation nicht durchgespielt. Will es<br />
auch nicht. Ich versuche mein <strong>und</strong> sein Leben anzunehmen, wie es jetzt ist.<br />
Was mache ich, wenn Micha weg ist, will ich nicht, kann ich nicht. Ich will<br />
mir keine Gedanken darüber machen.<br />
Herr Goebler: Eine Katastrophe. Wenn man nicht so praktisch veranlagt ist,<br />
den Umgang im Haushalt lernen muss. Es wäre ein ganz erheblicher<br />
Lebenseinschnitt. Plan B wäre, ich muss mit der Situation umgehen. Man<br />
fällt wieder in das Junggesellendasein, die Art des Lebens, zurück. Ich wäre<br />
wieder allein.<br />
41
Können Sie sich ein Leben ohne Ihre Partnerin/Ihren Partner vorstellen?<br />
Herr Goebler: Im Moment nicht.<br />
Frau Goebler: Nein.<br />
Gibt es einen großen Wunsch, den Sie sich gemeinsam erfüllen möchten?<br />
Beide: Ges<strong>und</strong> bleiben, dass wir lange zusammen sind. Was wir uns<br />
geschaffen haben, lange genießen können.<br />
42
Karin <strong>und</strong> Harry<br />
Alter: Karin 69 Jahre, Harry 73 Jahre<br />
Karin ist 1940 in Breslau/Schlesien, heute Polen, geboren. Harry ist 1934 in<br />
Rawalpindi/Indien, heute Pakistan, geboren.<br />
Das Ehepaar wohnt seit 1968 in Hanau. Sie ist von Beruf<br />
Verwaltungsinspektorin, er ist Maschinenbauingenieur. Seitdem beide im<br />
Ruhestand sind, seit zehn Jahren, leben sie jedes Jahr für drei bis vier Monate<br />
in Indien.<br />
Wie lange sind<br />
Sie verheirat?<br />
Harry: Seit 1963<br />
– 46 Jahre. Wir<br />
haben in Indien<br />
geheiratet <strong>und</strong><br />
in Indien drei<br />
Jahre gelebt.<br />
Karin: Ich habe<br />
dort die Familie<br />
meines Mannes<br />
kennen gelernt.<br />
Harry: Meine Frau hat vier Monate vor der Ehe bei meinem Bruder in Indien<br />
gelebt, damit sie die Familie <strong>und</strong> das indische Leben kennen lernt.<br />
Ist es ihre erste Ehe?<br />
Beide: Ja<br />
Haben Sie Kinder, Enkelkinder?<br />
Beide: Wir haben zwei Kinder, ein Junge <strong>und</strong> ein Mädchen, <strong>und</strong> vier<br />
Enkelkinder.<br />
43
Wie haben Sie sich kennen gelernt?<br />
Beide: In einem Tanzlokal „La Concorde“ in Berlin.<br />
Was bedeutet für Sie Liebe?<br />
Karin: Oh, das ist ja schwer. Liebe ist zu verschiedenen Zeiten anders.<br />
Früher gehörte Leidenschaft dazu.<br />
Zusammenhalt, Vertrauen, Ehrlichkeit, Verlässlichkeit. Ich denke, auch der<br />
Wille gemeinsam etwas zu erleben <strong>und</strong> nicht gleich die Flinte ins Korn zu<br />
werfen, wenn es nicht so läuft… Wenn man gemeinsame Erlebnisse hat, die<br />
Glück bedeuten. Zusammengehören, man ist ein Paar.<br />
Harry: An erster Stelle ein gemeinsames Leben zu führen. Zuverlässigkeit<br />
<strong>und</strong> ich erwarte von einer Frau, dass sie mir ein Heim bietet. Ein Verlangen,<br />
sich wohlzufühlen. Das wichtigste ist, sie ist die Mutter meiner Kinder. Was<br />
sie mir geschenkt hat, ist unschätzbar, das größte Geschenk meines Lebens.<br />
Sie weiß, dass<br />
Liebe durch den<br />
Magen geht.<br />
Ist es Liebe, was<br />
Sie verbindet?<br />
Harry: Auf jeden<br />
Fall.<br />
Karin: Ja, das<br />
stimmt!<br />
Welche Vorlieben bzw. Abneigungen teilen Sie?<br />
Harry: Uns verbinden viele gemeinsame Interessen. Theater, Konzerte,<br />
Fre<strong>und</strong>e, Reisen - an erster Stelle. Häuslichkeit, wir haben gerne Gäste zu<br />
Hause. Gemütlichkeit. Unsere Familie, Kinder <strong>und</strong> Enkelkinder an deren<br />
Leben wir teilnehmen. Das ist eine Bereicherung.<br />
Karin: Das Reisen kommt an erster Stelle. Wir haben oft <strong>und</strong> gerne Gäste zu<br />
Hause.<br />
Beide: Wir mögen beide keinen Extremismus <strong>und</strong> Fanatismus.<br />
44
Haben Sie als älteres Paar besondere Strategien entwickelt, um Konflikte zu<br />
lösen?<br />
Harry: Nein, ich habe keine Strategie, wir lösen sie. Konflikte werden unter<br />
uns gelöst.<br />
Karin: Reden, so große Probleme haben wir nicht. Gegenseitiger Respekt ist<br />
der Erfolg der Ehe.<br />
Wie unterscheidet sich die körperliche <strong>und</strong> emotionale Liebe im Alter von<br />
der Liebe in jüngeren Jahren?<br />
Karin: In jüngeren Jahren ist die Liebe sexuell leidenschaftlicher. Mit<br />
zunehmendem Alter ist es sanfter.<br />
Harry: Dem kann ich zustimmen. In älteren Jahren ist es ein Verlangen nach<br />
Zuneigung. Man will die Nähe des Körpers spüren.<br />
Beide: Wir hatten keine Probeehezeit.<br />
Was macht Ihre Partnerin/Ihren Partner so besonders?<br />
Harry: Ihre Qualitäten, die sie entwickelt hat. Charakter, Zuneigung zu mir,<br />
Benehmen. Sie hat mir Kinder geschenkt. Sie kann super den Haushalt<br />
führen. Dass sie mir ein Heim bietet, trägt dazu bei, dass sie besonders ist.<br />
Sie hat dazu beigetragen, dass ich mich wohl fühle, sonst wäre ich vielleicht<br />
nicht in Deutschland geblieben.<br />
Karin: Er hat die Gabe, Probleme zu lösen. Er stammt aus einer anderen Welt,<br />
hat andere Wurzeln. Das ist nicht das Wichtigste, damit verb<strong>und</strong>en ist aber<br />
seine große Toleranz. Wir haben viele schöne Dinge in Indien erlebt, die ich<br />
hier nicht kennen gelernt hätte. Ich habe durch ihn eine andere Kultur<br />
kennen gelernt <strong>und</strong> drei Jahre mit ihm zusammen in Indien gelebt.<br />
Er denkt immer an den Hochzeitstag <strong>und</strong> bringt Blumen mit.<br />
Sind Sie stolz auf sie/ihn?<br />
Karin: Ja! Ich bin glücklich, dass ich ihn habe.<br />
Harry: Natürlich, ja.<br />
45
Was würde der Tod Ihrer Partnerin/Ihres Partners für Ihre Lebensumstände<br />
bedeuten?<br />
Karin: Verlust, ganz banal. Mein Mann kümmert sich um alles. Er ist mein<br />
Schutz nach außen.<br />
Harry: Ich denke gar nicht daran. Mein innigster Wunsch ist, dass ich vor ihr<br />
gehe.<br />
Harry: Nur sehr schwer.<br />
Können Sie sich<br />
ein Leben ohne<br />
Ihre Partnerin/<br />
Ihren Partner<br />
vorstellen?<br />
Karin: Wenn es<br />
passiert, muss<br />
es weiter gehen.<br />
Die Kräfte wachsen<br />
mit den<br />
Anforderungen.<br />
Gibt es einen<br />
großen<br />
Wunsch, den<br />
Sie sich gemeinsam<br />
erfüllen<br />
möchten?<br />
Harry: Wir<br />
sind so<br />
wunschlos<br />
glücklich. Wir<br />
haben mehr<br />
als wir verdient haben. Familienleben, Familienglück ist ein Segen.<br />
Karin: Eine große Reise würde ich mir erst wünschen, wenn ich sie mir leisten<br />
könnte.<br />
46
Margareta <strong>und</strong> Hans Ott<br />
Alter: Margareta Ott 70 Jahre, Hans Ott 73 Jahre<br />
Frau Ott lebt seit 1982 in Hanau. Sie ist in Bergheim Erft (Fortuna) geboren.<br />
Von Beruf ist sie kaufmännische Angestellte.<br />
Herr Ott wurde 1936 geboren <strong>und</strong> lebt seit seiner Geburt in Hanau.<br />
Er ist von Beruf Holzkaufmann.<br />
Wie haben Sie sich kennen gelernt?<br />
Herr Ott: Im Urlaub am Chiemsee.<br />
Frau Ott: Ich war los <strong>und</strong> ledig <strong>und</strong> hatte nicht vor, einen neuen Mann<br />
kennen zu lernen. Er hat sich beim Essen zu mir an den Tisch gesetzt.<br />
Herr Ott: War kein Platz mehr frei im Lokal. Ich musste mich zu ihr setzen.<br />
Frau Ott: Rede Dich nicht raus!<br />
Herr Ott: Sie war braungebrannt, sah aus, als sei sie auf der Rückreise von<br />
Italien.<br />
Frau Ott: Es war das Ende meiner Badekur. Er hat mir seine Telefonnummer<br />
auf Zigarettenpapier geschrieben. Meine Kur war vorbei <strong>und</strong> ich fuhr nach<br />
Hause. Hans ist geblieben.<br />
Herr Ott: Bei der Verabschiedung habe ich sie gefragt: „Lassen es ihre<br />
persönlichen Umstände zu, uns wieder zu treffen?“<br />
Frau Ott: Ich habe geantwortet: „Ja, kein Problem.“<br />
Hans Ott: Margret hat ein paar Tage später angerufen. Ich war mit einer<br />
Bekannten in meiner Ferienwohnung <strong>und</strong> war deshalb steckensteif <strong>und</strong> kurz<br />
angeb<strong>und</strong>en am Telefon.<br />
Frau Ott: Ich habe gedacht, das war’s.<br />
Herr Ott: Als ich wieder zu Hause war, habe ich angerufen <strong>und</strong> gutes Wetter<br />
gemacht. Wir haben dann jeden Tag telefoniert.<br />
47
Frau Ott: Übertreib nicht!<br />
Herr Ott: Nach vier Wochen haben wir uns auf halber Strecke getroffen. In<br />
Maria Laach.<br />
Frau Ott: Wir sind dann schön wieder auseinander gegangen, nicht in der<br />
Wohnung getroffen. Er war die treibende Kraft, er wollte, dass ich nach<br />
Hanau zu ihm komme.<br />
Herr Ott: Das habe ich zum ersten Mal einer Frau angeboten.<br />
Wie lange sind Sie verheiratet?<br />
Herr Ott: Seit dem 3. Oktober 1986, inzwischen ja der Tag der Deutschen<br />
Einheit!<br />
Frau Ott: Er dachte, ich komme sofort nach Hanau. Ich hatte acht Jahre lang<br />
alleine gelebt <strong>und</strong> hatte meinen Rhythmus gef<strong>und</strong>en. Er hat jedes Mal<br />
gefragt, hast du gekündigt? Habe Gründe erf<strong>und</strong>en, warum es nicht gehe.<br />
Wir hatten schon Möbel bestellt. Ich war mir nicht schlüssig. Habe mir dann<br />
eine Arbeit gesucht <strong>und</strong> gedacht, wenn es eine Pleite wird, stehe ich<br />
wenigsten auf sicheren Füßen.<br />
Herr Ott: Wir haben uns sechs Jahre gekannt, vier Jahre zusammen gewohnt<br />
<strong>und</strong> dann geheiratet.<br />
Ist es ihre erste Ehe?<br />
Frau Ott: Es ist meine zweite Ehe. In erster Ehe bin ich geschieden.<br />
Herr Ott: Meine erste Ehe, mit 50 habe ich mich getraut.<br />
Wie war es, noch einmal zu heiraten?<br />
Frau Ott: Es war eine neue Form der Lebensgestaltung. Hans hat sich<br />
gewünscht, kirchlich zu heiraten <strong>und</strong> das ging auch, weil wir in einer<br />
anderen Konfession geheiratet haben.<br />
Herr Ott: Zum Polterabend kamen 150 Gäste. Mit 50 war ich dann kein<br />
Junggeselle mehr. In der ersten Zeit, so zwei bis drei Jahre, ging ich noch in<br />
den „Spanier“ bis 23 Uhr. Ein paar Carajillos trinken. Habe ein bisschen auf<br />
Junggesellentour gemacht.<br />
Frau Ott: Ich bin kein Nachtmensch.<br />
48
Was bedeutet für Sie Liebe?<br />
Herr Ott: Vor allem Vertrauen. Ist schwierig, Zuneigung sowieso. Verständnis<br />
mit großem Fragezeichen. Am Verständnis hapert es oft.<br />
Frau Ott: Gegenseitig füreinander da sein, sich verlassen können auf den<br />
Anderen.<br />
Herr Ott: Wärme. Auch körperliche Nähe.<br />
Frau Ott: Geborgenheit, du weißt, du bist bei dem anderen geborgen. Liebe<br />
ist ein stärkeres Gefühl als Zuneigung.<br />
Herr Ott: Ich suche nach einer Erklärung. Liebe gleich….. Es fehlt noch ein<br />
Gegenwort.<br />
Ist es Liebe, was<br />
Sie verbindet?<br />
Frau Ott: Ja,<br />
sonst wäre ich<br />
nicht nach<br />
Hanau gegangen.<br />
Ich habe<br />
meine Wohnung,<br />
meine<br />
Umgebung <strong>und</strong><br />
meine Berufstätigkeit<br />
aufgegeben.<br />
Als Mensch war er mir das wert. Ich habe Dinge aufgegeben, die mir wichtig<br />
waren. Fre<strong>und</strong>e, meine damalige Lebensstellung. Ich habe nicht gedacht, mir<br />
gefällt es in Hanau so gut, da muss ich unbedingt hin!<br />
Herr Ott: Das habe ich mir zumindest eingebildet. Ich habe in ihr einen<br />
Menschen gesehen, für dessen Persönlichkeit <strong>und</strong> Charakter es wert war, mit<br />
ihm zusammen gehen zu wollen. Jeder hat seine Freiheit. Ich habe<br />
Verständnis für ihre Ansichten <strong>und</strong> umgekehrt auch, da wir in vielen Dingen<br />
unterschiedlich sind.<br />
49
Welche Vorlieben bzw. Abneigungen teilen Sie?<br />
Frau Ott: Ein gemütliches Zuhause, Dinge genießen, schön Essen gehen, uns<br />
auch an kleinen Dingen erfreuen, der Garten. Ich bin ein Bewegungsmensch,<br />
Hans ist musisch interessiert. Man freut sich, wenn der andere etwas<br />
Schönes erlebt.<br />
Herr Ott: Im Großen <strong>und</strong> Ganzen haben wir unterschiedliche Interessen. Ich<br />
liebe sehr den Jazz. Ist ein bedeutender Lebensinhalt bis heute. Ich mag<br />
Kunst <strong>und</strong> Museumsbesuche. Ich mag Gartenreisen <strong>und</strong><br />
Gartenbesichtigungen. Ich bewirtschafte den Garten.<br />
Frau Ott: Hans führt mich an den Jazz heran. Ich bin den Jakobsweg<br />
gegangen. Hans hat gemeint, muss das jetzt noch sein. Nach langem Prozess<br />
haben wir einen gemeinsamen Nenner gef<strong>und</strong>en.<br />
Haben Sie als älteres Paar besondere Strategien entwickelt, um Konflikte zu<br />
lösen?<br />
Herr Ott: Hauptstrategie ist, Konflikte nie lange anstehen zu lassen. Mit<br />
Streit oder Differenzen kann ich nicht einschlafen. Ich gehe rüber zu ihr ins<br />
Zimmer <strong>und</strong> probiere, mich wieder einzuschmeicheln.<br />
Frau Ott: Man muss auch einmal beleidigt sein! In unserem Alter sind wir fix<br />
<strong>und</strong> fertig geformt. Du weißt, dass du den anderen nicht verändern kannst.<br />
Du lässt ihn wie er ist. Mit Kompromissen <strong>und</strong> Liebe zueinander gestalten<br />
wir den Alltag. Für uns geht es so <strong>und</strong> nicht anders.<br />
Wie unterscheidet sich die körperliche <strong>und</strong> emotionale Liebe im Alter von<br />
der Liebe in jüngeren Jahren?<br />
Frau Ott: In jüngeren Jahren spielt die körperliche Liebe eine größere Rolle. In<br />
älteren Jahren gibt es andere Prioritäten z. B. Zärtlichkeit, Geborgenheit <strong>und</strong><br />
Wärme. Im Alter ist es wichtig, dass du dich noch gut <strong>und</strong> wohl fühlst. Alles<br />
andere kommt von alleine!<br />
Herr Ott: Keine Ergänzungen!<br />
50
Was macht Ihren Partner/Ihre Partnerin so besonders?<br />
Frau Ott: Seine Zuverlässigkeit, seine Großzügigkeit, mir meinen Freiraum zu<br />
gewähren.<br />
Herr Ott: Dito! Ihre Offenheit <strong>und</strong> ihre Fröhlichkeit.<br />
Sind Sie stolz auf sie/ihn?<br />
Herr Ott: Ja.<br />
Frau Ott: Als ich vom Jakobsweg zurückkam, hat er mich am<br />
Bahnhofsvorplatz empfangen. Hat mich dort mit einem gedeckten Tisch,<br />
Rosenstrauß <strong>und</strong> Champagner begrüßt. Bin ich stolz auf ihn? Doch, bin ich<br />
schon. Ist schon mein Schätzchen.<br />
Was würde der Tod Ihres<br />
Partners/Ihrer Partnerin für Ihre<br />
Lebensumstände bedeuten?<br />
Herr Ott: Ende! Ich wollte auch nicht<br />
mehr. Das spricht sich so leicht.<br />
Spontan habe ich gedacht: Lös alles<br />
auf – zieh in die Philippsruher Allee<br />
(Seniorenwohnungen des betreuten Wohnens). Ich war nie sehr positiv zum<br />
Leben.<br />
Frau Ott: Je älter man wird, umso öfter denkst du darüber nach, wie wäre es,<br />
ein Leben im Alleingang zu gestalten? Es wäre hart, sich neu zu orientieren.<br />
Man fragt sich, ob man die Kraft hat, sich neu zu besinnen. Wenn du jung<br />
bist, ist das einfacher. Im Alter allein zu sein, ist nicht zu unterschätzen.<br />
Können Sie sich ein Leben ohne Ihren Partner/Ihre Partnerin vorstellen?<br />
Herr Ott: Vorstellen schon, hat aber keinen Sinn mehr. Fühle mich jetzt<br />
verantwortlich für sie.<br />
Frau Ott: Schwierig! Ich bin ein offener Mensch. Ich bin mit meinem Umfeld<br />
mehr in Kontakt, aber es ist ein großer Verlust, wenn der Partner weg ist.<br />
Mir fällt ein Witz ein: „Ein älteres Ehepaar streitet sich. Sie sagt zu ihm:<br />
Wenn ich mal die Augen zu mache, wirst du dich umsehen. Darauf sagt er:<br />
Du kannst die Augen zu machen. Ich habe mich schon umgesehen.“<br />
Männer haben eher wieder eine neue Partnerin.<br />
51
Gibt es einen großen Wunsch, den Sie sich gemeinsam erfüllen möchten?<br />
Beide: Gibt eigentlich nichts.<br />
Frau Ott: Ges<strong>und</strong>heit. Wir sind mit dem, was wir haben, total zufrieden.<br />
Herr Ott: Ich hätte gerne noch einen H<strong>und</strong>.<br />
52
Marianne <strong>und</strong> Hans-Joachim Kuhnert<br />
Alter: Marianne Kuhnert 74 Jahre, Hans-Joachim Kuhnert 71 Jahre.<br />
Marianne Kuhnert wurde 1935 in Frankfurt geboren, Hans-Joachim Kuhnert<br />
1938 in Berlin. Beide wohnen seit 1981 in Hanau. Frau Kuhnert war<br />
kaufmännische Angestellte. Herr Kuhnert erlernte den Beruf des technischen<br />
Zeichners <strong>und</strong> arbeitete als Konstrukteur.<br />
Wie lange sind Sie verheiratet?<br />
Frau Kuhnert: Wir sind seit 1964 verheiratet.<br />
Ist es ihre erste Ehe?<br />
Frau Kuhnert: Ja<br />
Herr Kuhnert: Hoffentlich auch die letzte.<br />
53
Haben Sie Kinder, Enkelkinder?<br />
Beide: Wir haben eine Tochter <strong>und</strong> ein „Enkelpferd“.<br />
Wie haben Sie sich kennen gelernt?<br />
Herr Kuhnert: Beim Tanztee im Odeon in Frankfurt.<br />
Frau Kuhnert: Das war schön, da gab es noch Tanzkapellen <strong>und</strong> Orchester.<br />
Herr Kuhnert: Ich war mit zwei Damen verabredet zu unterschiedlichen<br />
Zeiten, mittags <strong>und</strong> abends. Mittags habe ich Marianne kennen gelernt. Ich<br />
habe sie zum Tanzen aufgefordert <strong>und</strong> habe mich für abends noch einmal<br />
mit ihr verabredet. Wir haben getanzt <strong>und</strong> sie hat mir erzählt, dass sie einen<br />
VW fährt, den sie von ihrer Mutter vor deren Tod geschenkt bekam. Abends,<br />
nachdem wir bezahlt hatten, jeder getrennt, da habe ich gedacht: Tochter<br />
reicher Eltern. Später haben wir festgestellt, dass wir beide gar nicht betucht<br />
sind.<br />
Frau Kuhnert: Ich wollte an diesem Sonntag gar nicht tanzen gehen. Aber<br />
meine Fre<strong>und</strong>in hatte Besuch von ihrer Cousine <strong>und</strong> sagte mir, ich lade Dich<br />
zum Tanztee ein, wenn du uns fährst. Wir sind gefahren. Im Odeon sagte die<br />
Fre<strong>und</strong>in, da hinten sitzt einer <strong>und</strong> guckt immer so. Ich habe mich<br />
umgedreht. Er sah gut aus, dunkles volles Haar <strong>und</strong> ich dachte, er sei<br />
Südländer. Er hat mich zum Tanzen aufgefordert <strong>und</strong> beim ersten Tanz hat<br />
er nichts gesprochen. Ich habe zu meiner Fre<strong>und</strong>in gesagt, er ist Ausländer.<br />
Aber wir haben dann öfter zusammen getanzt <strong>und</strong> uns über Eishockey<br />
unterhalten. Wir haben uns für den Abend verabredet <strong>und</strong> ich habe mich<br />
gew<strong>und</strong>ert. Er hat diese Dame begrüßt…. <strong>und</strong> jene Dame begrüßt… Ich habe<br />
gedacht: Ein Casanova. Nach dem Abend habe ich ihn heimgefahren. Wir<br />
haben Telefonnummern ausgetauscht <strong>und</strong> dann die halbe Nacht lang<br />
telefoniert.<br />
Herr Kuhnert: Ich glaube, ich habe Dich angerufen.<br />
Frau Kuhnert: Wir haben uns im Januar kennen gelernt <strong>und</strong> im Juli<br />
geheiratet, nach einem halben Jahr.<br />
54
Was bedeutet für Sie Liebe?<br />
Herr Kuhnert: Das differenziere ich. Es gibt zweierlei Formen. Die persönliche<br />
Liebe zum Partner <strong>und</strong> zur Familie <strong>und</strong> Liebe im Allgemeinen. Wenn wir<br />
beides hätten, gäbe es keinen Streit oder Krieg. Liebe ist sehr wichtig.<br />
Würden sich alle Menschen lieben, hätten wir das Paradies.<br />
Frau Kuhnert: Bezogen auf den Partner bedeutet es für mich Vertrauen,<br />
Loslassen, persönliche Freiheiten lassen. Bezogen auf die Tochter<br />
Mutterliebe, alles verzeihen - auch was man nicht für gut hält. Liebe zu den<br />
Menschen bedeutet Mitgefühl <strong>und</strong> Verständnis haben.<br />
Ist es Liebe, was<br />
Sie verbindet?<br />
Frau Kuhnert:<br />
Ja, würde ich<br />
sagen.<br />
Herr Kuhnert:<br />
Ja.<br />
Welche<br />
Vorlieben bzw.<br />
Abneigungen<br />
teilen Sie?<br />
Herr Kuhnert: Abneigung, (lachend) gegen Katzen… <strong>und</strong> Fluglärm. Ich<br />
persönlich mag keine künstlichen Duftstoffe.<br />
Frau Kuhnert: Wir mögen beide Sport, Geselligkeit mit Fre<strong>und</strong>en,<br />
Essengehen, Pfälzer Wein. Nach 45 Jahren vermischen sich Abneigungen <strong>und</strong><br />
Vorlieben zu einem Ganzen. Nachdem mein Mann Eintracht-Fan ist, schaue<br />
ich mir mit ihm auch die Spiele der Eintracht im Fernsehen an.<br />
55
Haben Sie als älteres Paar besondere Strategien entwickelt, um Konflikte zu<br />
lösen?<br />
Frau Kuhnert: Möglichst abends nicht schlafen zu gehen, ohne sich<br />
ausgesöhnt zu haben.<br />
Herr Kuhnert: Wir streiten nicht oft, ganz selten. Ich sehe die Ehe wie zwei<br />
Steine mit Ecken <strong>und</strong> Kanten, die sich im Laufe der Zeit etwas abschleifen,<br />
aber nie ganz r<strong>und</strong> werden.<br />
Frau Kuhnert: Wir tolerieren unsere Fehler: Ich bin leicht aufbrausend <strong>und</strong><br />
ungeduldig.<br />
Herr Kuhnert: Ich versuche es auszugleichen.<br />
Wie unterscheidet sich die körperliche <strong>und</strong> emotionale Liebe im Alter von<br />
der Liebe in jüngeren Jahren?<br />
Frau Kuhnert: Es prickelt nicht mehr so.<br />
Herr Kuhnert: Würde ich auch sagen.<br />
Frau Kuhnert: Vertrauen, Verstehen, das Wohlergehen des anderen steht im<br />
Vordergr<strong>und</strong>.<br />
Was macht Ihre Partnerin/Ihren Partner so besonders?<br />
Herr Kuhnert: Sie ist halt was Besonderes. Sie ist lieb, nett, verständnisvoll,<br />
sieht gut aus. Vom guten Kochen ganz zu schweigen.<br />
Frau Kuhnert: Dass er immer für mich da ist. Sehr hilfsbereit ist,<br />
ausgleichend. Im Gegensatz zu mir von Technik sehr viel versteht. Mir im<br />
Haushalt viel hilft. Bei Krankheit immer an meiner Seite gestanden hat.<br />
Sind Sie stolz auf sie/ihn?<br />
Herr Kuhnert: Ja…..ja.<br />
Frau Kuhnert: Auch….doch.<br />
56
Was würde der Tod Ihrer Partnerin/Ihres Partners für Ihre Lebensumstände<br />
bedeuten<br />
Herr Kuhnert: Einen schweren Schicksalsschlag. Eigentlich kann ich mir das<br />
gar nicht vorstellen. Wir sind so lange zusammen.<br />
Frau Kuhnert: Ich würde erstmal in ein tiefes Loch fallen. Meine ganze<br />
Lebensplanung wäre über den Haufen geworfen. Ich wüsste nicht, ob ich in<br />
dem Haus bleiben würde, wo mich alles an ihn erinnert.<br />
Können Sie sich ein Leben ohne Ihre Partnerin/Ihren Partner vorstellen?<br />
Herr Kuhnert: Wenn ich vor vollendete Tatsachen gestellt wäre, müsste ich<br />
damit zurecht kommen. „Lebbe geht weiter“.<br />
Frau Kuhnert: Sehr schwer. Aber mit Hilfe von unseren sehr guten Fre<strong>und</strong>en<br />
müsste es weiter gehen. Auch mit Hilfe der Tochter.<br />
57
Gibt es einen großen Wunsch, den Sie sich gemeinsam erfüllen möchten?<br />
Herr Kuhnert: Es gibt viele.<br />
Frau Kuhnert: Ges<strong>und</strong> miteinander alt zu werden.<br />
Herr Kuhnert: Ja, das ist etwas, was man sich nicht kaufen kann.<br />
Herr Kuhnert: Materielle Wünsche, die man sich kaufen kann, haben wir<br />
einige. Ein neues Bad, mit den Postschiffen der Hurtig-Routen verreisen.<br />
Frau Kuhnert: Man sieht es ja, wenn man den „kleine Schlag“ bei ihm sieht<br />
(Herr Kuhnert kam gerade aus dem Krankenhaus), wie wichtig es ist, ges<strong>und</strong><br />
zu bleiben.<br />
Herr Kuhnert: Aber da kommen wir durch.<br />
58
Renate <strong>und</strong> Ali Özarpat<br />
Alter: Renate Özarpat 72 Jahre, Ali Özarpat 74 Jahre.<br />
Frau Özarpat wohnt seit 1973 in Hanau. Von Beruf ist sie medizinischtechnische<br />
Assistentin, Herr Özarpat wohnt seit 1972 in Hanau, war aber<br />
schon vorher in Deutschland. Sein Beruf brachte den Sozialarbeiter zwischen<br />
1961 <strong>und</strong> 1965 wieder vier Jahre in die Türkei zurück. Viele Jahre war er für<br />
die Arbeiterwohlfahrt als Berater der türkischen Gastarbeiter tätig. Für<br />
dieses Engagement bekam er das B<strong>und</strong>esverdienstkreuz. Das seit 34 Jahren<br />
verheiratete Ehepaar Özarpat hat keine Kinder.<br />
Wie haben Sie sich kennen gelernt?<br />
Herr Özarpat: Durch eine Fre<strong>und</strong>in meiner Frau, die im gleichen Haus<br />
wohnte. Ich wollte zuerst die Fre<strong>und</strong>in meiner Frau kennen lernen <strong>und</strong> habe<br />
sie „angebaggert“. Sie war verheiratet <strong>und</strong> meine Frau hatte ihr damals<br />
ausgeredet, mit mir auszugehen. Ich wollte mich rächen <strong>und</strong> habe meine<br />
heutige Frau eingeladen. Wir sind ausgegangen, haben uns im Auto geküsst<br />
<strong>und</strong> sind uns nach <strong>und</strong> nach näher gekommen.<br />
Wie war es, als Sie vor den Traualtar getreten sind?<br />
Herr Özarpat: Am Anfang wollte ich nicht heiraten, im Standesamt habe ich<br />
geweint <strong>und</strong> dann wollte ich meine Frau beschützen.<br />
Was bedeutet für Sie Liebe, <strong>und</strong> ist es Liebe was Sie verbindet?<br />
Frau Özarpat: Ja, es ist Liebe, was uns verbindet.<br />
Herr Özarpat: Verliebt zu sein in die Frau. Heiraten aus Liebe. Treu sein. Sie<br />
ist eine gute Hausfrau <strong>und</strong> sie ist eine schöne Frau. Liebe bedeutet Glück <strong>und</strong><br />
Zufriedenheit.<br />
Wir hatten beide kein Geld, aber wir haben Humor. Liebe bedeutet, über die<br />
gleichen Dinge lachen zu können.<br />
Frau Özarpat: Es war ausschlaggebend für mich, mit diesem Mann<br />
gemeinsam alt werden zu können. Liebe ist das besondere Gefühl, das ich im<br />
Herzen für meinen Mann habe <strong>und</strong> für niemand anderen.<br />
59
Was würde eine schwere Krankheit oder gar der Tod Ihres Partners für Sie<br />
bedeuten?<br />
Frau Özarpat: Wir führen keine Unterhaltung über Krankheit <strong>und</strong> Tod. Ali<br />
möchte das nicht, vielleicht ist dies das Orientalische an ihm. Für mich wäre<br />
es eine Katastrophe, wenn ihm etwas passiert. Mein Mann redet darüber<br />
nicht. Vielleicht macht es ihm Angst. Ich sage, wir müssen Vorsorge treffen,<br />
wie wir später wohnen können. Für ihn ist es jetzt noch kein Thema, etwas<br />
zu verändern.<br />
Herr Özarpat: Als meine Frau erfahren hat, dass sie an Bechterew erkrankt<br />
ist, habe ich sie unterstützt, sie zu der Selbsthilfegruppe gefahren. Ich habe<br />
Angst um sie <strong>und</strong> werde sie nie im Stich lassen. Der Traum, Kinder zu<br />
bekommen, war vorbei. Wir waren darüber sehr traurig.<br />
Für mich ist es kein aktuelles Thema, sich über einen Wohnungswechsel zu<br />
unterhalten. Ich fühle mich ges<strong>und</strong> <strong>und</strong> stark. Ich habe meine Frau gebeten<br />
nicht darüber zu sprechen, wie es wäre, wenn ihr etwas passiert. Ich<br />
versuche, nicht darüber nachzudenken.<br />
60
Welche Vorlieben bzw. Abneigungen teilen Sie?<br />
Frau Özarpat: Wir lieben beide gutes Essen, gemeinsame Mahlzeiten, Gäste<br />
einladen <strong>und</strong> sich dabei zu unterhalten. Unsere gemeinsame große Liebe ist<br />
Istanbul.<br />
Herr Özarpat: Wir essen beide gerne, wir lieben Blumen, die Natur, die<br />
Pflanzen auf der Terrasse <strong>und</strong> eigentlich würden wir im Urlaub am liebsten<br />
zu Hause bleiben. Wir beide helfen Menschen, die in Not sind. Wir haben<br />
beide ein ähnliches soziales Empfinden. Meine Frau ist sehr großzügig.<br />
Frau Özarpat: Bei Abneigung fällt mir spontan nichts ein. Ich lehne<br />
Menschen, die viel Geld haben <strong>und</strong> nicht teilen können, ab. Mein Mann sagt<br />
immer, du bist zu großzügig, aber wir geben beide gerne.<br />
Ich verabscheue Hinterhältigkeit <strong>und</strong> Intrigen.<br />
Herr Özarpat: Mich stören Kinder <strong>und</strong> Jugendliche, die ihre Eltern ausnutzen<br />
<strong>und</strong> sie nicht unterstützen.<br />
Wie lösen Sie ihre Konflikte?<br />
Herr Özarpat: Wenn es geknallt hat, warten wir, bis sich jeder beruhigt hat,<br />
dann sprechen wir darüber. Ich versuche, den Streit von allen Seiten zu<br />
betrachten. Oft tut es mir leid oder ihr leid.<br />
Frau Özarpat: Mit der Klärung von Konflikten wird nie über Nacht gewartet.<br />
Können Sie mir ein Beispiel nennen, was zu Konflikten führt?<br />
Herr Özarpat: Ich gehe früher als meine Frau ins Bett. Meine Frau geht<br />
zwischen 24 Uhr <strong>und</strong> 0.30 Uhr ins Bett <strong>und</strong> hat schon ein wenig vor dem<br />
Fernseher geschlafen. Sie macht das Licht an <strong>und</strong> kommt zum Lesen ins Bett.<br />
Ich werde wach, <strong>und</strong> es stört mich, da ich früh aufstehe. Das macht sie jeden<br />
Tag.<br />
Was machen Sie dann, Frau Özarpat?<br />
Frau Özarpat: Ich warte, bis er eingeschlafen ist <strong>und</strong> mache heimlich das<br />
Licht an <strong>und</strong> lese<br />
61
Wie unterscheidet<br />
sich die körperliche<br />
<strong>und</strong><br />
emotionale<br />
Liebe im Alter<br />
von der Liebe in<br />
jüngeren<br />
Jahren?<br />
Herr Özarpat:<br />
Ich finde den<br />
Körper meiner<br />
Frau nach wie<br />
vor schön.<br />
Frau Özarpat: Für uns beide hat sich nichts geändert. Wenn er unterwegs ist,<br />
rufe ich ihn öfter an, weil ich mir mehr Sorgen mache als früher.<br />
Was macht Ihre Partnerin/Ihren Partner so besonders?<br />
Frau Özarpat: Er ist ein Teil von mir. Sein Humor! Er bringt mich zum Lachen.<br />
Herr Özarpat: Das gemeinsame Lachen über gemeinsame Dummheiten, die<br />
wir machen. Sie ist eine sehr liebe Frau.<br />
Sind Sie stolz auf sie/ihn?<br />
Herr Özarpat: Ja.<br />
Frau Özarpat: Ja, sicher.<br />
Gibt es einen großen Wunsch, den<br />
Sie sich gemeinsam erfüllen möchten?<br />
Herr Özarpat: Wir wollten gemeinsam<br />
ein Häuschen am Meer, hat aber nicht geklappt. Aber wir fahren<br />
jedes Jahr sechs Wochen ans Meer. Wir können die Villa eines Verwandten in<br />
der Türkei nutzen.<br />
Frau Özarpat: Ges<strong>und</strong> zu sein, das ist ein Geschenk.<br />
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Seniorenbüro der Stadt Hanau<br />
Fachbereich Jugend, Familie <strong>und</strong> Senioren<br />
Haus am Steinheimer Tor<br />
Steinheimer Straße 1 · 63450 Hanau<br />
Telefon: 06181-66820-60<br />
Telefax: 06181-66820-49<br />
E-Mail: barbara.heddendorp@hanau.de<br />
www.senioren-hanau.de<br />
www.hanau.de<br />
B<strong>und</strong>esarbeitsgemeinschaft Seniorenbüros e.V.<br />
Bonngasse 10 · 53111 Bonn · Telefon: 0228-614074 · Telefax: 0228-614060<br />
E-Mail: bas@seniorenbueros.org · www.seniorenbueros.org<br />
Beratungsstelle Hanau · Vor dem Kanaltor 3 · 63450 Hanau<br />
Telefon: 06181-218 54 · Telefax: 06181-218 16 · E-Mail: hanau@profamilia.de