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Bilanz, Rück- und Ausblick über das Projekt Fischnetz - Rheinaubund

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Gewässer<br />

Gewässer<br />

Dem Fischrückgang auf der Spur:<br />

<strong>Bilanz</strong>, Rück- <strong>und</strong> <strong>Ausblick</strong> über <strong>das</strong><br />

<strong>Projekt</strong> <strong>Fischnetz</strong><br />

Im <strong>Projekt</strong> <strong>Fischnetz</strong> sind Forschende transdisziplinär<br />

der Frage nachgegangen, wieso der Fischfang in<br />

Schweizer Fliessgewässern seit 1980 drastisch abgenommen<br />

hat. Jetzt – nach fünf Jahren Forschung – ist<br />

klar, welche Ursachen den Fischrückgang bewirkt<br />

haben. <strong>Fischnetz</strong> empfiehlt Massnahmen, um die<br />

Lebensräume anzureichern <strong>und</strong> besser zu vernetzen,<br />

die Gewässerqualität zu verbessern <strong>und</strong> die fischereiliche<br />

Bewirtschaftung zu optimieren.<br />

Dr. Ori Schipper 1<br />

Universität Basel<br />

Programm MGU<br />

Socinstr. 59<br />

Postfach<br />

4002 Basel<br />

ori.schipper@unibas.ch<br />

Als klar wurde, <strong>das</strong>s sich der Fischfang<br />

in den Flüssen der Schweiz innerhalb<br />

der letzten 20 Jahren praktisch<br />

halbiert hat <strong>und</strong> sich Hinweise auf eine<br />

verschlechterte Ges<strong>und</strong>heit der Bachforellen<br />

mehrten, wurde Ende 1998<br />

<strong>das</strong> <strong>Projekt</strong> «Netzwerk Fischrückgang<br />

Schweiz», kurz <strong>Fischnetz</strong> geboren. Ein<br />

kleines W<strong>und</strong>er war geschehen, denn<br />

es war gelungen, die Eidgenössische<br />

Anstalt für Wasserversorgung, Abwasserreinigung<br />

<strong>und</strong> Gewässerschutz (EA-<br />

WAG), <strong>das</strong> B<strong>und</strong>esamt für Umwelt,<br />

Wald <strong>und</strong> Landschaft (BUWAL), den<br />

Schweizerischen Fischerei-Verband<br />

(SFV), die Schweizerische Gesellschaft<br />

für Chemische Industrie (SGCI) <strong>das</strong><br />

Fürstentum Liechtenstein sowie alle<br />

Kantone der Schweiz um einen Tisch zu<br />

versammeln, statt abzuwarten <strong>und</strong> sich<br />

gegenseitig die Schuld zuzuschieben.<br />

<strong>Fischnetz</strong> hatte während seiner fünfjährigen<br />

Laufdauer drei Ziele vor<br />

Augen: Erstens galt es, die zeitlichen<br />

Veränderungen beim Fischfang nachzuzeichnen<br />

<strong>und</strong> die Entwicklung der<br />

1<br />

Dieser Beitrag basiert auf den Erkenntnissen<br />

der <strong>Projekt</strong>leitung <strong>Fischnetz</strong>: Prof. Dr. Patricia<br />

Holm, Dr. Peter Dollenmeier, Prof. Dr. Walter<br />

Giger, Dr. Herbert Güttinger, Dr. Ueli Ochsenbein,<br />

Dr. Armin Peter, Heinz Renz, Karin Scheurer,<br />

Prof. Dr. Helmut Segner, Dr. Erich Staub,<br />

Dr. Marc Suter.<br />

Foto: D.Habegger<br />

Fischges<strong>und</strong>heit <strong>und</strong> der Fischbestände<br />

für die gesamte Schweiz zu dokumentieren.<br />

Zweitens sollten die Ursachen<br />

für den Fischfangrückgang ergründet<br />

werden. Und schliesslich, auf den gewonnenen<br />

Erkenntnissen aufbauend,<br />

sollte <strong>Fischnetz</strong> Massnahmenvorschläge<br />

zur Verbesserung entwickeln. Am 29.<br />

Januar 2004 fand <strong>das</strong> Abschluss-Symposium<br />

statt, an dem der 180 Seiten starke<br />

Schlussbericht veröffentlicht, die wichtigsten<br />

Resultate einem interessierten<br />

Publikum vorgestellt, sowie Empfehlungen<br />

für Verbesserungsmassnahmen<br />

abgegeben wurden.<br />

<strong>Projekt</strong>aufbau<br />

Über 100 Fachleute aus Wissenschaft,<br />

Behörden, Umweltberatung, Fischereivereinen<br />

<strong>und</strong> der chemischen Industrie<br />

arbeiteten in den 77 einzelnen<br />

Forschungsprojekten von <strong>Fischnetz</strong> mit.<br />

Die <strong>Projekt</strong>leitung bestand aus ExpertInnen<br />

aus den Gebieten Fischerei,<br />

Fischbiologie, Ökotoxikologie, Abwassertechnologie<br />

<strong>und</strong> Chemie. Sie war<br />

für die Planung, die wissenschaftliche<br />

Leitung <strong>und</strong> die technische Umsetzung<br />

verantwortlich <strong>und</strong> sorgte für die Kommunikation<br />

<strong>und</strong> die integrativen Arbeiten.<br />

Ein Lenkungsausschuss – bestehend<br />

aus den beiden Direktoren der<br />

EAWAG <strong>und</strong> des BUWAL, des Präsidenten<br />

des SFV, sowie zwei RegierungsrätInnen<br />

aus St. Gallen <strong>und</strong> aus<br />

Bern – fungierte als politisches Auf-<br />

sichtsgremium, <strong>das</strong> die <strong>Projekt</strong>ziele bestätigte<br />

<strong>und</strong> <strong>das</strong> Erreichen der Ziele<br />

überprüfte.<br />

Für <strong>Fischnetz</strong> wendeten EAWAG,<br />

BUWAL, <strong>das</strong> Fürstentum Liechtenstein,<br />

die Kantone <strong>und</strong> die SGCI insgesamt<br />

etwa 3 Millionen Schweizer<br />

Franken auf. Wichtig für <strong>das</strong> Gelingen<br />

des <strong>Projekt</strong>s war zusätzlich der grosse<br />

persönliche Einsatz von Mitarbeiter-<br />

Innen des BUWAL, der EAWAG, der<br />

SGCI, des SFV, der Kantone <strong>und</strong> des<br />

Zentrums für Fisch- <strong>und</strong> Wildtiermedizin<br />

der Universität Bern.<br />

Foto: BUWAL, M.Roggo<br />

Vorgehen<br />

Um die Gründe für den Fischrückgang<br />

einzukreisen, hat <strong>Fischnetz</strong> ein<br />

Dutzend Arbeitshypothesen aufgestellt,<br />

die jeweils eine mögliche Ursache des<br />

Fischrückgangs zum Thema hatten.<br />

Liegt der Rückgang daran, <strong>das</strong>s den<br />

Bachforellen geeignete Lebensräume<br />

abhanden gekommen sind, oder <strong>das</strong>s<br />

ihnen die Nahrung ausgegangen ist?<br />

Oder haben Fisch fressende Vögel<br />

wie Kormoran <strong>und</strong> Gänsesäger die<br />

Bestände dezimiert? Ist die chemische<br />

Verschmutzung oder die erhöhte Wassertemperatur<br />

am Fischrückgang beteiligt?<br />

Solchen Fragen, aber auch Fragen<br />

nach der Ges<strong>und</strong>heit <strong>und</strong> dem Fortpflanzungsvermögen<br />

der Forellen <strong>und</strong><br />

nach den Auswirkungen von Bewirtschaftungsmassnahmen,<br />

ist <strong>Fischnetz</strong><br />

im Rahmen dieser Hypothesen nachgegangen.<br />

Dabei wurden entweder Forschungsprojekte<br />

neu initiiert, oder aber<br />

von <strong>Fischnetz</strong> unabhängig durchgeführte<br />

<strong>Projekt</strong>e kontaktiert <strong>und</strong> deren<br />

Resultate zur Beantwortung herangezogen.<br />

Viele der von <strong>Fischnetz</strong> angenommenen<br />

Ursachen beeinflussen sich<br />

gegenseitig – so hängt zum Beispiel <strong>das</strong><br />

Fortpflanzungsvermögen der Fische<br />

auch vom Vorhandensein zugänglicher<br />

Laichplätze (also von geeigneten Lebensräumen)<br />

ab, oder die Anfälligkeit<br />

für Krankheiten von einer ungenügenden<br />

Ernährung der Fische.<br />

Das <strong>Projekt</strong> <strong>Fischnetz</strong> ist aus diesem<br />

Gr<strong>und</strong> in einer zusätzlichen Hypothese<br />

davon ausgegangen, <strong>das</strong>s verschiedene,<br />

regional unterschiedliche Faktoren gemeinsam<br />

den Fischrückgang bewirkt<br />

haben. Um dieser Behauptung nachzugehen,<br />

waren vor allem übergreifende<br />

Forschungsansätze <strong>und</strong> Analysen von<br />

grosser Bedeutung. Ein für den Erfolg<br />

von <strong>Fischnetz</strong> wichtiges Kriterium war<br />

dabei auch der kontinuierliche Austausch<br />

von Ideen an den sechs TeilprojektleiterInnen-Konferenzen,<br />

sowie an<br />

nationalen <strong>und</strong> internationalen Hearings.<br />

Fang- <strong>und</strong> Bestandesrückgang<br />

Eine aktuelle detaillierte Auswertung<br />

von Fischfangdaten hat gezeigt,<br />

<strong>das</strong>s die Anzahl gefangener Forellen von<br />

1.2 Millionen im Jahr 1980 auf 400’000<br />

im Jahr 2000 zurückgegangen ist. Mar-<br />

Der Fischbestand<br />

in den schweizerischen<br />

Fliessgewässern<br />

hat sich in<br />

den letzten zwanzig<br />

Jahren beinahe<br />

halbiert. Besonders<br />

betroffen waren<br />

davon typische<br />

Fliesswasserarten<br />

wie Bachforelle,<br />

Äsche oder Nase.<br />

2 natur + mensch 1/2004<br />

natur + mensch 1/2004 3


Gewässer<br />

Gewässer<br />

Der Rückgang des<br />

Fischbestandes<br />

wurde nicht nur<br />

anhand von Fangdaten<br />

der Verbände,<br />

sondern<br />

auch durch Elektrobefischungen,<br />

hier<br />

an der Luthern,<br />

nachgewiesen.<br />

kante Fangrückgänge wurden ebenfalls<br />

bei Nasen festgestellt. Die Untersuchungen<br />

von <strong>Fischnetz</strong> haben klargemacht,<br />

<strong>das</strong>s ein Teil dieses Rückgangs<br />

auf einen rückläufigen Angleraufwand<br />

zurückzuführen ist. Die Anzahl gelöster<br />

Angelpatente für Fliessgewässer hat<br />

seit 1980 stark abgenommen. Zudem<br />

hat eine von <strong>Fischnetz</strong> durchgeführte<br />

Umfrage bei AnglerInnen ergeben,<strong>das</strong>s<br />

diese im Jahr 2000 durchschnittlich 20<br />

Prozent weniger Angelausflüge tätigten<br />

als im Jahr 1980. Der Fang hat aber<br />

noch stärker abgenommen: während im<br />

Jahr 1980 ein durchschnittlicher Angler<br />

noch 49 Fische aus dem Fluss zog,waren<br />

es im Jahr 2000 nur noch halb so viele.<br />

Auch wenn komplette Zeitreihen, die<br />

die Entwicklung der Fischbestände belegen,<br />

für die meisten Gewässer fehlen,<br />

weist die im Vergleich zum Aufwand<br />

überproportionale Fangabnahme auf<br />

einen Rückgang der Fischbestände hin.<br />

Diesem Rückgang konnte erwiesenermassen<br />

auch <strong>das</strong> Aussetzen von<br />

Millionen von Fischen in verschiedenen<br />

Altersklassen – der sogenannte Besatz –<br />

nicht entgegenwirken.<br />

Warum ist der Bestand<br />

zurückgegangen?<br />

Durch die Untersuchungen von<br />

<strong>Fischnetz</strong> haben sich einige Hypothesen<br />

als unwahrscheinlich erwiesen – so<br />

Foto: EAWAG<br />

konnten zum Beispiel keine Hinweise<br />

gef<strong>und</strong>en werden, <strong>das</strong>s sich <strong>das</strong> Nahrungsangebot<br />

für Forellen seit 1980 verringert<br />

oder verschlechtert hat. Andere<br />

Ursachen können nicht für den Fischrückgang<br />

in der gesamten Schweiz verantwortlich<br />

gemacht werden, sondern<br />

beeinträchtigen die Fischbestände in<br />

einigen Einzugsgebieten auf lokaler<br />

Ebene. So reduzieren die Fisch fressenden<br />

Vögel die Bestände nur dort, wo sie<br />

in grosser Zahl einfliegen.<br />

Insgesamt zeigen die Ergebnisse von<br />

<strong>Fischnetz</strong>, <strong>das</strong>s <strong>das</strong> Verschwinden der<br />

Forellen schweizweit nicht durch einen<br />

einzigen Faktor verursacht wurde,<br />

sondern <strong>das</strong>s die Fische aus verschiedenen,<br />

komplex ineinander verschränkten<br />

Gründen unter Druck stehen.Vor allem<br />

drei Ursachen üben einen erheblichen<br />

Einfluss auf die Fischbestände aus:<br />

der Lebensraumverlust,die Fischkrankheit<br />

PKD (proliferative Nierenerkrankung,<br />

englisch: «Proliferative Kidney<br />

Disease») <strong>und</strong> die chemische Belastung<br />

des Wassers.<br />

Verschw<strong>und</strong>ene Fliessgewässer-<br />

Lebensräume<br />

Fliessgewässer begannen vor ungefähr<br />

100 Jahren im Zuge der Industrialisierung<br />

<strong>und</strong> der zunehmenden<br />

Bevölkerungsdichte zu einem Wirtschaftsfaktor<br />

zu werden. Heute trägt<br />

die Nutzung der Wasserkraft 60 Prozent<br />

zur schweizerischen Stromerzeugung<br />

bei. Siedlungen sind immer näher an<br />

die Flussufer herangerückt <strong>und</strong> werden<br />

mit Bauwerken vor Hochwasser geschützt.<br />

Obwohl die Begradigung <strong>und</strong><br />

Verbauung der Flüsse <strong>und</strong> die Zerstörung<br />

der Ufervegetation teilweise<br />

schon Jahrzehnte zurückliegen, sind<br />

deren Folgen – wie zum Beispiel monotone<br />

<strong>und</strong> schlecht miteinander vernetzte<br />

Lebensräume – noch heute wirksam.<br />

Sie behindern die Fische bei der Flucht<br />

vor widrigen Umständen <strong>und</strong> versperren<br />

den Zugang zu Laichplätzen.<br />

Von den 61’000 km an Schweizer<br />

Fliessgewässern sind schätzungsweise<br />

r<strong>und</strong> ein Fünftel (12’500 km) in naturfernem<br />

Zustand. Den Fischen fehlen<br />

Unterstände, weil die Entfernung von<br />

Ufervegetation <strong>und</strong> die Begradigung<br />

vieler Fliessgewässer zu einer Strukturverarmung<br />

geführt hat.<br />

Ein weiteres, gewichtiges Problem<br />

ist die ungenügende Vernetzung. Die<br />

Fliessgewässer im Kanton Zürich beispielsweise<br />

werden auf einer kartierten<br />

Gewässerlänge von 3620 Kilometern<br />

Foto: EAWAG, A. Peter<br />

Foto: H.Mahler<br />

durch 38’900 Barrieren unterbrochen,<br />

<strong>das</strong> sind knapp 11 Barrieren pro Kilometer<br />

Fliessgewässer. Fast 70% der<br />

vorhandenen Barrieren sind künstlich.<br />

Im Ticino sind nur 44 Prozent, in der<br />

Aare unterhalb des Bielersees 20 Prozent,<br />

in der Rhone nur noch 19 Prozent<br />

der Lauflänge frei fliessend. Da die<br />

meisten grösseren Fliessgewässer begradigt<br />

<strong>und</strong> eingeengt wurden, erhöht<br />

sich deren Fliessgeschwindigkeit. Der<br />

Hauptfluss gräbt sich dadurch tiefer in<br />

sein Flussbett ein <strong>und</strong> trennt sich<br />

schliesslich von kleineren Seitengewässern<br />

ab,in die die Fische dann nicht mehr<br />

aufsteigen können. <strong>Fischnetz</strong> hat in verschiedenen<br />

Teilprojekten die entscheidende<br />

Bedeutung kleiner Seitengewässer<br />

für die natürliche Fortpflanzung der<br />

Fischbestände aufgezeigt, denn gerade<br />

in diesen kleinen Bächen finden Forellen<br />

gute Laichplätze <strong>und</strong> geeignete<br />

Gewässerabschnitte für Jungfische vor.<br />

Nierenerkrankung PKD<br />

Untersuchungen von <strong>Fischnetz</strong> zur<br />

Fischges<strong>und</strong>heit haben ergeben, <strong>das</strong>s<br />

Bachforellen an einer sich ausbreitenden<br />

Infektionskrankheit leiden. In den<br />

Jahren 2000 <strong>und</strong> 2001 wurde die so genannte<br />

proliferative Nierenerkrankung<br />

PKD an 190 von 462 Standorten nachgewiesen.<br />

In Zusammenarbeit mit dem<br />

BUWAL hat <strong>Fischnetz</strong> erreicht, <strong>das</strong>s<br />

PKD in die vom B<strong>und</strong>esamt für Veterinärwesen<br />

zu überwachenden Krankheiten<br />

aufgenommen wurde.<br />

Diese Krankheit wird durch einen<br />

einzelligen Parasiten verursacht, der bei<br />

den befallenen Fischen eine Wucherung<br />

der Niere bewirkt, <strong>und</strong> schliesslich zu<br />

Nierenversagen <strong>und</strong> Tod führt. Der<br />

Verlauf der PKD ist von der Temperatur<br />

abhängig: Die PKD bricht nur dann<br />

aus, wenn die Wassertemperatur länger<br />

als zwei Wochen über 15°C liegt. Da<br />

sich die schweizerischen Fliessgewässer<br />

in den vergangenen 20 Jahren um<br />

r<strong>und</strong> 1°C erwärmt haben, bricht die<br />

PKD in immer mehr Gewässern aus.<br />

Der Temperaturanstieg führt auch zu<br />

Die fehlende Vernetzung<br />

der Fliessgewässer,<br />

im Bild<br />

ein Aufwanderungshindernis<br />

für<br />

Fische bei einer<br />

Strassenüberführung,<br />

stellt ein<br />

gewichtiges Problem<br />

für die Fische<br />

dar.<br />

Besonders die grossen<br />

Fliessgewässer<br />

Rhein, Aare <strong>und</strong><br />

Rhone sind durch<br />

die Stauhaltungen<br />

über lange<br />

Strecken zu Ketten<br />

von Stauseen degradiert.<br />

Im Bild der<br />

Rhein bei Rheinau.<br />

4 natur + mensch 1/2004<br />

natur + mensch 1/2004 5


Gewässer<br />

Durch die Infektionskrankheit<br />

PKD<br />

(proliferative<br />

kidney disease)<br />

vergrösserte Niere<br />

einer Bachforelle.<br />

Oben: aufgetriebene<br />

Niere durch<br />

starke Vermehrung<br />

des Parasiten <strong>und</strong><br />

des Bindegewebes.<br />

Unten: Niere einer<br />

ges<strong>und</strong>en Bachforelle.<br />

Die PKD führt<br />

zu Nierenversagen<br />

<strong>und</strong> Tod.<br />

einer Verkleinerung des für Bachforellen<br />

geeigneten Lebensraums, denn den<br />

Forellen wird es in den Gewässern des<br />

Mittellands zu warm.<br />

Wasserqualität noch<br />

immer ein Thema<br />

Die chemische Belastung der Gewässer<br />

ist nicht zuletzt dank dem Bau<br />

der Kläranlagen in den letzten 30 Jahren<br />

insgesamt deutlich zurückgegangen.<br />

Unbekannte chemische Verbindungen,<br />

unerforschte Effekte beim Zusammenwirken<br />

verschiedener Substanzen, sowie<br />

nach Regenereignissen auftretende<br />

Spitzenkonzentrationen von Schadstoffen<br />

stellen jedoch weiterhin ein Risiko<br />

für Fische <strong>und</strong> <strong>das</strong> aquatische Ökosystem<br />

dar. Den Untersuchungen von<br />

<strong>Fischnetz</strong> zufolge haben gewisse Stoffgruppen<br />

eine Wirkung auf die Fischbestände.<br />

Hierzu gehören Stickstoffverbindungen<br />

wie Nitrit <strong>und</strong> Ammoniak,<br />

Pestizide, sowie hormonaktive Substanzen.<br />

In vielen Mittellandgewässern wird<br />

die Anforderung des Gewässerschutzgesetzes<br />

hinsichtlich unschädlicher Nitrit-<br />

<strong>und</strong> Ammoniakkonzentrationen<br />

nicht erfüllt, insbesondere treten unterhalb<br />

von Abwasserreinigungsanlagen<br />

(ARA) erhöhte Konzentrationen auf,<br />

die die Wasserqualität beeinträchtigen.<br />

Die Menge eingesetzter Pestizide oder<br />

Pflanzenschutzmittel hat seit 1988 um<br />

beinahe 40% abgenommen, allerdings<br />

wirken viele weiterentwickelte Pro-<br />

Foto: Zentrum für Fisch- <strong>und</strong> Wildtiermedizin, Bern<br />

dukte stärker. Während der Ausbringung<br />

auf die Felder <strong>und</strong> bei starkem<br />

Regen werden viele Fliessgewässer mit<br />

erhöhten Pestizideinträgen belastet.<br />

Umwelthormone beeinflussen die Geschlechtsausprägung<br />

der Fische. Verschiedene<br />

Untersuchungen (auch von<br />

<strong>Fischnetz</strong>) haben aufgezeigt, <strong>das</strong>s natürliche<br />

<strong>und</strong> synthetische – wie beispielsweise<br />

die in der Antibabypille verwendeten<br />

– Östrogene eine Verweiblichung<br />

von männlichen Fischen bewirken.<br />

Massgeschneiderte Massnahmen<br />

Da sich die Gewichtung der Ursachen<br />

von Gewässer zu Gewässer<br />

unterscheidet, ist die Anpassung der<br />

Massnahmen an lokale Begebenheiten<br />

unabdingbar.<br />

Der Verbesserung der Lebensräume<br />

kommt eine erstrangige Stelle im Massnahmenkatalog<br />

zu: die Fliessgewässer<br />

müssen über den Längsverlauf, sowie<br />

mit den Seitenflüssen besser vernetzt<br />

werden <strong>und</strong> es sollen mehr Uferrandstreifen<br />

angelegt werden. Letztere fördern<br />

nicht nur die Strukturvielfalt der<br />

Gewässer, sondern bieten auch einen<br />

wirksamen Schutz vor chemischen Einträgen<br />

<strong>und</strong> dem Eintrag von Feinsedimenten.<br />

Des weiteren gilt es zu vermeiden,<br />

<strong>das</strong>s zuviel Wasser abgezweigt wird, damit<br />

immer genügend in den Gewässern<br />

bleibt. Um eine gute Wasserqualität<br />

zu gewährleisten, sind die Festlegung<br />

<strong>und</strong> Einhaltung von Qualitätsstandards<br />

für alle Stoffe, die <strong>das</strong> Ökosystem <strong>und</strong><br />

die Fische beeinträchtigen, sowie ein<br />

konsequenter Vollzug des Gewässerschutzgesetzes<br />

unabdingbar.<br />

Den Fischen kann auch mit einer optimierten<br />

fischereilichen Bewirtschaftung<br />

geholfen werden. Insbesondere<br />

sind Besatzmassnahmen nur in Gewässern<br />

vorzunehmen, in denen nicht<br />

bereits genügend junge Wildfische vorkommen.<br />

Auf einen Besatz mit PKDpositiven<br />

Fischen in PKD-freie oder<br />

Foto: A. Peter, EAWAG<br />

nicht untersuchte Gewässer muss verzichtet<br />

werden. Schliesslich soll im<br />

Sinne einer nachhaltigen Bewirtschaftung<br />

– wie sie in den Richtlinien des<br />

SFV aufgezeichnet worden ist – auch<br />

die Befischung auf die aktuellen Fischbestände<br />

abgestimmt werden.<br />

Um die Entwicklung verfolgen <strong>und</strong><br />

den Erfolg von Massnahmen kontrollieren<br />

zu können, ist eine systematische<br />

Überwachung der Fischbestände nötig.<br />

<strong>Ausblick</strong><br />

<strong>Fischnetz</strong> ist es ein Anliegen, über<br />

sein Ende hinaus <strong>das</strong> erfolgreich aufgebaute<br />

Netzwerk zu verankern. Deshalb<br />

entstehen zwei neue Anlaufstellen. Das<br />

Folgeprojekt «Optimierung der Fischfangerträge<br />

<strong>und</strong> der Gewässerqualität»<br />

stellt die Kommunikation der erarbeiteten<br />

Erkenntnisse <strong>und</strong> Resultate national<br />

<strong>und</strong> international sicher. Zudem unterstützt<br />

es Kantone <strong>und</strong> Fischereiorganisationen<br />

bei der Umsetzung der<br />

Massnahmen <strong>und</strong> bei der Erarbeitung<br />

von Erfolgskontrollen. In Kürze, ab<br />

April 2004, wird die Fischereiberatung<br />

FIBER ihre Dienste zur Verfügung stellen,<br />

um besser auf noch ungelöste Fragen<br />

der FischerInnen in den Bereichen<br />

Fische <strong>und</strong> Gewässer eingehen zu können.<br />

Für weitergehende Informationen<br />

wird auf die <strong>Fischnetz</strong>-Homepage<br />

(www.fischnetz.ch) verwiesen, wo auch<br />

die Schlussberichte bestellt werden<br />

können.<br />

Foto: EAWAG, Armin Peter<br />

Noch immer gibt<br />

es zahlreiche Gewässer<br />

ohne Restwasser.<br />

Hier hilft<br />

einzig ein konsequenter<br />

Vollzug<br />

des Gewässerschutzgesetzes.<br />

Der Verbesserung<br />

der Lebensräume<br />

kommt eine erstrangige<br />

Stelle im<br />

Massnahmenkatalog<br />

<strong>Fischnetz</strong> zu,<br />

Revitalisierungen,<br />

wie hier am Unterlauf<br />

des Liechtensteiner<br />

Binnenkanals,<br />

sind ein wichtiger<br />

Schritt in die<br />

richtige Richtung.<br />

6<br />

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