natur und mensch - Rheinaubund
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<strong>natur</strong><br />
<strong>und</strong><br />
<strong>mensch</strong><br />
49. Jahrgang • Heftnummer 2 / 2007<br />
La <strong>natur</strong>e et l’homme<br />
La <strong>natur</strong>a e l’uomo<br />
La natira e l’uman<br />
Boden <strong>und</strong> Raumplanung<br />
Forum Landschaft<br />
Jahresbericht Rheinaub<strong>und</strong><br />
Rheinaub<strong>und</strong><br />
<strong>natur</strong> <strong>und</strong> <strong>mensch</strong> 2 / 2007<br />
Seite 39
<strong>natur</strong><br />
<strong>und</strong><br />
<strong>mensch</strong><br />
49. Jahrgang • Heftnummer 2 / 2007<br />
Schweizerische Blätter<br />
für Natur- <strong>und</strong> Heimatschutz<br />
Impressum<br />
Herausgeber:<br />
Rheinaub<strong>und</strong>, Schweizerische<br />
Arbeitsgemeinschaft für Natur <strong>und</strong> Heimat<br />
Redaktion:<br />
Günther Frauenlob (gf) Dipl. Geogr.<br />
Geschäftsstelle des Rheinaub<strong>und</strong>es<br />
<strong>und</strong> Redaktion:<br />
Weinsteig 192<br />
Postfach 1157<br />
CH-8200 Schaffhausen<br />
Telefon: 052 625 26 58<br />
Telefon Redaktionsbüro:<br />
052 625 26 67<br />
Fax: 052 625 26 51<br />
E-mail: redaktion@rheinaub<strong>und</strong>.ch<br />
www.rheinaub<strong>und</strong>.ch<br />
Postcheck 82-3003-8 Schaffhausen<br />
Postbank Karlsruhe BLZ 660 100 75<br />
Konto 300 550 758<br />
Satz:<br />
Diener + Bachmann GmbH<br />
Martin Diener<br />
Nordstrasse 108<br />
8037 Zürich<br />
Layout:<br />
Günther Frauenlob, Christoph Frauenlob<br />
Druck <strong>und</strong> Spedition:<br />
Ropress Genossenschaft<br />
Baslerstr. 106<br />
8048 Zürich<br />
Abonnementspreise 2007:<br />
Inland Fr. 45.–, Ausland € 31.–,<br />
Einzelheft Fr. 8.–<br />
ISSN 0466-5899<br />
Erscheinungsweise 6 x jährlich<br />
Nachdruck von Beiträgen aus<br />
«Natur <strong>und</strong> Mensch» werden gestattet unter<br />
Quellenangabe <strong>und</strong> Zusand von 2 Belegen.<br />
Die veröffentlichten Beiträge geben die<br />
Meinung der Autorinnen <strong>und</strong> Autoren wieder<br />
<strong>und</strong> müssen nicht immer der Auffassung des<br />
Rheinaub<strong>und</strong>es entsprechen.<br />
Inhalt<br />
Mensch <strong>und</strong> Umwelt<br />
2 Der Landschaftsverbrauch hat viele Ursachen Heidi Haag<br />
6 Landschaft gestalten Maya Kohte, Johannes Stoffler<br />
Rheinaub<strong>und</strong><br />
8 2006 – ein wegweisendes Jahr für den Rheinaub<strong>und</strong><br />
Jürg Bloesch<br />
11 Albbruck-Dogern <strong>und</strong> der Fischaufstieg – eine endliche Geschichte<br />
Ueli Rippmann<br />
14 „KWO Plus“ Grimsel – Mauererhöhung gegen Moorlandschaft<br />
Jürg Bloesch<br />
18 Auch die kleinen Fliessgewässer benötigen Aufmerksamkeit<br />
Lukas Boller<br />
20 VivaRiva – Wasser macht Schule Kathrin Jaag<br />
24 Erfolgreiche ökologische Begleitung der Eisenbahn-Grossprojekte<br />
Günther Frauenlob<br />
26 Jahresbericht Rheinaub<strong>und</strong> Ruedi Schneider<br />
33 Rechnung <strong>und</strong> Bilanz 2006 Ruedi Schneider<br />
Mitteilungen<br />
34 Kurzinformationen aus dem Umweltbereich<br />
Buchbesprechungen<br />
36 Klima – Wandel – Alpen Günther Frauenlob<br />
36 Gehen Uwe Scheibler<br />
36 AlpenStadt – AlpenLand Günther Frauenlob<br />
Letzte Seite<br />
37 Termine / Aktuelles<br />
Assoziierte Organisationen:<br />
Arbeitsgemeinschaft zum Schutz der Aare<br />
AQUA VIVA<br />
IG Bielersee<br />
ARGE Pro Thur<br />
PROTÖSS<br />
Bodensee-Stiftung<br />
Verband zum Schutze des Greifensees<br />
Schweizerische Greina-Stiftung<br />
Landschaftsschutzverband Vierwaldstättersee<br />
<strong>natur</strong> <strong>und</strong> <strong>mensch</strong> 2 / 2007
Editorial<br />
Endlich,<br />
Liebe Leserinnen <strong>und</strong> Leser<br />
Endlich; endlich ist es wieder möglich zu fragen, was „endlich“ noch bedeutet. Dabei stösst<br />
man vermehrt – auch in diesem Heft – auf die Feststellung, dass unsere Ressourcen begrenzt<br />
sind, also endlich. Doch von wessen Ressourcen ist da eigentlich die Rede ? Und von welchen ?<br />
Geht man dieser Frage konkret nach, stellt man verblüfft fest, dass immer mehr Ressourcen als<br />
endlich <strong>und</strong> „erschöpfbar“ gelten, denn neben den nicht erneuerbaren, fossilen Energieträgern<br />
wie Kohle, Gas <strong>und</strong> Öl tauchen da plötzlich Güter wie Luft, Boden <strong>und</strong> (Süss)-Wasser, Klima,<br />
Biodiversität <strong>und</strong> Landschaft auf – von der Ruhe oder der Dunkelheit der Nacht ganz zu<br />
schweigen.<br />
Das Merk-Würdige daran ist, dass es sich bei<br />
den aufgezählten Gütern – mit Ausnahme<br />
des Bodens <strong>und</strong> der nicht erneuerbaren<br />
Energien – um sogenannte „freie“ Güter handelt,<br />
um Güter also, die aus der Sicht der noch<br />
immer nicht aktualisierten „ökonomischen<br />
Theorie“, in derart grossen Mengen vorkommen,<br />
dass ihr Preis pro Mengeneinheit so<br />
nahe bei Null liegt, dass er auf Null gesetzt<br />
werden „darf“. So sahen das jedenfalls die<br />
Begründer der ökonomischen Theorie zur<br />
Zeit Sigm<strong>und</strong> Freuds.<br />
Hätten diese Denker je erkennen können,<br />
dass sich die Menschheit ausnahmslos am<br />
globalen Erdölspiel beteiligen würde, an jenem<br />
Spiel also, das Erdöl in CO2 <strong>und</strong> Power verwandelt<br />
<strong>und</strong> dabei ein Gefühl vermittelt, das<br />
anscheinend besser ist als ein Kirchgang ?<br />
Es ist erschütternd, dass es uns noch immer<br />
nicht gelungen ist, längst überholte ökono mi -<br />
sche Hypothesen endlich über Bord zu werfen.<br />
Noch heute wird die Heilslehre vom<br />
öko nomi schen Wachstum weltweit als Paradies<br />
vorstellung kolportiert <strong>und</strong> – geglaubt.<br />
Dabei wissen auch Ökonomen: Bäume wachsen nicht in den Himmel. Und der aufmerksame<br />
Beobachter erkennt: Der „Wald“, definiert als die Gesamtheit seiner Bäume, ist das beste Beispiel<br />
natürlichen Nicht-Wachstums über Jahrtausende. Dennoch bildet er, dank seiner Bäume <strong>und</strong><br />
anderer Lebewesen, die dem Lebenszyklus unterworfen sind, ein quick lebendiges Biotop.<br />
Es dürfte für Ökonomen schwierig sein zu zeigen, dass die „Wirtschaft“, definiert als<br />
Gesamtheit ihrer Unternehmungen, die dem Lebenszyklus ebenfalls unterworfenen sind, bei<br />
Nicht-Wachstum nicht doch ein lebensfähiges Sozialsystem ermöglicht. Was es allerdings<br />
bräuchte, wäre der Paradigmawechsel von der Plünderungs- zur solar betriebenen<br />
Kreislaufwirtschaft.<br />
Noch in diesem Jahr werden die Unterschriftensammlungen zur Landschafts- <strong>und</strong><br />
Klimainitiative gestartet, womit endlich wieder über das Endliche diskutiert werden<br />
wird – zweifellos mit Erfolg.<br />
Ich wünsche Ihnen eine anregende Lektüre unseres „Jahresberichts“,<br />
Ihr Jean-Pierre Jaccard, Vorstandsmitglied Rheinaub<strong>und</strong><br />
<strong>natur</strong> <strong>und</strong> <strong>mensch</strong> 2 / 2007<br />
Seite 1
Mensch <strong>und</strong> Umwelt<br />
Der Landschaftsverbrauch hat viele Ursachen<br />
Von Genf bis Romanshorn gleicht die Schweiz mehr <strong>und</strong> mehr einer grossen Stadt. Viele<br />
Gemeinden breiten sich nach wie vor in die Fläche aus <strong>und</strong> wachsen mit ihren Nachbargemeinden<br />
zusammen. Fachleute sprechen von einer Zersiedlung des Landes, von Siedlungsbrei oder „urban<br />
sprawl“. Haben die Planungsfachleute eine übersensible Wahrnehmung oder lässt sich<br />
der grosse Bodenverbrauch tatsächlich belegen? Wo liegen die Gründe für das ungebremste<br />
Siedlungswachstum? Sind sie vornehmlich im Bevölkerungswachstum zu suchen oder tragen<br />
mehr noch gesellschaftliche, wirtschaftliche oder politische Faktoren zum erhöhten<br />
Bodenverbrauch bei?<br />
Heidi Haag<br />
Das B<strong>und</strong>esgesetz über die Raumplanung<br />
verpflichtet die Planungsbehörden zu einer<br />
haushälterischen, nachhaltigen Nutzung<br />
des Bodens. Das Landschaftsbild oder die<br />
Nut zungs pläne der Gemeinden sprechen<br />
oft eine andere Sprache.<br />
Siedlungsflächenzuwachs<br />
Pro Kopf der Wohnbevölkerung stehen heute<br />
gemäss Arealstatistik [1] 1992/97 fast 400 m 2<br />
Siedlungsfläche zur Verfügung [2]. Das sind<br />
13 Prozent mehr als noch zwölf Jahre zuvor<br />
(Arealstatistik 1979/85). Zur Siedlungsfläche<br />
werden Bauten <strong>und</strong> Anlagen, Infrastrukturen<br />
sowie Verkehrsflächen gezählt. In den 1980er<br />
<strong>und</strong> 1990er Jahren wurden jährlich durchschnittlich<br />
ca. 2300 Hektar Boden für neue<br />
Siedlungsflächen überbaut [3] – eine Fläche,<br />
die der Grösse des Murtensees entspricht.<br />
Das Siedlungswachstum muss räumlich differenziert<br />
werden. So nahm die Sied lungsfläche<br />
im Mittelland innert zwölf Jahren doppelt<br />
so stark zu wie im Landesdurchschnitt<br />
<strong>und</strong> betrug Ende der 90er Jahre bereits über<br />
14 Prozent der Gesamtfläche. Entsprechend<br />
hoch ist in diesem Raum auch die Bevölkerungsdichte<br />
mit r<strong>und</strong> 450 Personen pro<br />
km 2 (Landes durchschnitt: 173 Personen/<br />
km 2 ). In den ländlichen Gebieten des Mittellandes<br />
wachsen die für Siedlungszwecke<br />
benötigten Gebiete prozentual stärker als in<br />
den städtischen Agglomerationen.<br />
Es sieht so aus, als ob raumplanerische Be mü -<br />
hungen zusammen mit einem abgeschwächten<br />
Wirtschaftswachstum um die Jahrtausendwende<br />
schweizweit zu einer langsameren<br />
Ausdehnung der Siedlungen geführt haben.<br />
Erste Resultate der Areal statistik 2004/09 aus<br />
der Westschweiz belegen diesen Rückgang.<br />
So verlangsamte sich das Siedlungswachstum<br />
in den 623 ausgewerteten Gemeinden von<br />
knapp fünfzehn (1981–1993) auf ca. neun<br />
Prozent (1993–2005).<br />
Mehr Flächenbedarf<br />
für Wohnen<br />
Die Entwicklung der ausschliesslich für<br />
Wohn zwecke genutzten Gebäude <strong>und</strong> deren<br />
Umschwung betrug innert zwölf Jahren<br />
über 25 Prozent <strong>und</strong> übertraf das Wachstum<br />
der gesamten Siedlungsfläche um nahezu<br />
das Doppelte. Diese Zunahme lässt sich zum<br />
Teil durch das Bevölkerungswachstum (9%)<br />
erklären. Wichtiger jedoch scheint, dass<br />
das Siedlungswachstum auch Ausdruck<br />
eines veränderten Lebensstils mit höheren<br />
Ansprüchen an den Wohnraum <strong>und</strong> die<br />
Mobilität ist.<br />
Die sozioökonomischen Entwicklungen in<br />
der Schweiz reflektieren sich an der Art <strong>und</strong><br />
Weise, wie die Bevölkerung wohnt. Die finanzielle<br />
Unabhängigkeit der jungen <strong>und</strong> alten<br />
Generation, der hohe Anteil Berufstätiger<br />
sowie das gut ausgebaute Sozialwesen fördern<br />
den Trend zu Kleinhaushalten. Die<br />
Einpersonenhaushalte verdreifachten sich<br />
von 1970 bis 2000 annähernd, <strong>und</strong> auch die<br />
Zweipersonenhaushalte haben noch um 70<br />
Prozent zugenommen. Es ist zu erwarten,<br />
dass die Zahl der Single-Haushalte auch in<br />
Zukunft noch steigen wird, da die allein stehenden<br />
Senioren so lange als möglich in<br />
ihrer Wohnung bleiben möchten <strong>und</strong> das<br />
„Single-Dasein“ heute oft nicht mehr eine<br />
zeitlich begrenzte sondern bewusst gewählte<br />
Lebenssituation ist.<br />
Bauten, Infrastruktur <strong>und</strong><br />
Verkehr nehmen vor allem<br />
im Mittelland immer mehr<br />
Platz ein<br />
Foto: VLP-ASPAN<br />
Seite 2 <strong>natur</strong> <strong>und</strong> <strong>mensch</strong> 2 / 2007
Ein weiterer Ausdruck des gesellschaftlichen<br />
Wohlstands ist die Zunahme der Wohnungsgrössen<br />
neu erstellter Wohnungen. In den<br />
1960er Jahren betrug die Fläche einer mittleren<br />
Neuwohnung 84 m 2 , im Jahr 2000 bereits<br />
117 m 2 . Zusätzlich haben die Flächen<br />
der Wohnungen stärker zugenommen als<br />
die Zahl der Zimmer, was bedeutet, dass der<br />
Komfort <strong>und</strong> die Qualität der Wohnungen<br />
angestiegen sind [4]. Die durchschnittliche<br />
Wohnfläche pro Person stieg denn auch von<br />
ca. 24 m 2 (1950), über 34 m 2 (1980) <strong>und</strong> bis<br />
auf 44 m 2 (2000) an.<br />
Viele der grossen Mietblöcke <strong>und</strong> Hochhäuser<br />
der Schweiz wurden in den 1960er<br />
<strong>und</strong> 1970er Jahren erstellt. Diese werden heute<br />
mehrheitlich von einer Bevölkerung mit<br />
tiefem Ausbildungsniveau bewohnt. Wird die<br />
Betrachtung der soziokulturellen Wohn situation<br />
noch vertieft, fällt auf, dass Personen<br />
ohne Berufsbildung (konkret Zugezogene<br />
aus Südeuropa) eher in Siedlungskernen, in<br />
Wohnblöcken, Wohntürmen, in lärmbelasteten<br />
Gebäuden <strong>und</strong> an schlecht erschlossenen<br />
Lagen leben. Personen, die gar keine<br />
abgeschlossene Schulbildung haben, wohnen<br />
auffallend oft in hochurbanen Wohnkontexten<br />
<strong>und</strong> industriellen Gemeinden der<br />
Ostschweiz, des Aargaus <strong>und</strong> der Innerschweiz.<br />
Diese Verteilung stimmt weitgehend<br />
mit jener der Bevölkerungsgruppen<br />
aus der Türkei <strong>und</strong> dem Balkan überein.<br />
Über 63 Prozent des in<br />
den 1980er <strong>und</strong> 1990er<br />
Jahren neu entstandenen<br />
Wohnareals entfiel auf Ein<strong>und</strong><br />
Zweifamilienhäuser.<br />
Foto: VLP-ASPAN<br />
Entwicklung der Haushalte, Wohnflächen <strong>und</strong> Bevölkerung der Schweiz<br />
ha<br />
4000<br />
3500<br />
3000<br />
2500<br />
2000<br />
1500<br />
1000<br />
500<br />
0<br />
Haushalte total<br />
1-Pers-Haushalte<br />
2-Pers-Haushalte<br />
5+-Pers-Haushalte<br />
Bevölkerung total<br />
Wohnfläche/Person<br />
1970<br />
1980 1990 2000<br />
Siedlungsflächenzuwachs in den Schweizer Kantonen 1979/87–1992/97<br />
Bern<br />
Waadt<br />
Wallis<br />
Zürich<br />
Aargau<br />
Freiburg<br />
St. Gallen<br />
Luzern<br />
absolute Zunahme in ha relative Zunahme in %<br />
Tessin<br />
Graubünden/<br />
Thurgau<br />
tätsausbil dung folgendermassen umschrieben<br />
wer den: Einerseits urbane, geschlossene<br />
Bebauung mit Wohnblöcken älterer<br />
Bau perioden, zentral <strong>und</strong> in Bahnhofsnähe<br />
gelegen, andererseits die lockere Bebauung<br />
an Siedlungsrändern oder an Seeufern. Absolventen<br />
von Fach hochschulen leben bevorzugt<br />
in periurbanen Einfamilienhäusern.<br />
Über 63 Prozent des in den 1980er <strong>und</strong><br />
1990er Jahren neu entstandenen Wohn -<br />
areals entfiel auf Ein- <strong>und</strong> Zweifa milienhäuser.<br />
Damit nahm der Anteil der Einfami<br />
lien häuser am gesamten Ge bäu de be -<br />
stand von vierzig Prozent im Jahre 1970<br />
auf 56 Prozent im Jahre 2000 zu. Trotz ent -<br />
gegengesetzter Bemühungen der Raumplanungspolitik<br />
waren im Jahr 2004 75<br />
Prozent aller neu erstellten Gebäude mit<br />
Wohnungen Einfamilienhäuser. Auf eine gewisse<br />
rationelle Verwendung des Bodens<br />
Solothurn<br />
Jura<br />
Baselland<br />
Schwyz<br />
Genf/Neuenburg<br />
Zug<br />
Schaffhausen<br />
NE<br />
GE<br />
Obwalden<br />
AR/Glarus/<br />
Uri/Nidwalden<br />
Appenzell-iR<br />
Basel-Stadt<br />
Nicht alle Bevölkerungsgruppen der Schweiz<br />
leben jedoch in „bodensparenden Verhältnis<br />
sen“. So können beispielsweise die<br />
Wohn um felder der Personen mit Universilässt<br />
immerhin schliessen, dass hauptsächlich<br />
die Zahl der dreigeschos sigen<br />
Einfamilienhäuser zugenommen hat [5] .<br />
Billige <strong>und</strong> schnelle Mobilität –<br />
billiges Bauland<br />
300<br />
250<br />
200<br />
150<br />
100<br />
Mitverantwortlich für die ungebremste Sied -<br />
lungsentwicklung ist die immer bessere Erschliessung<br />
der periurbanen <strong>und</strong> ländlichen<br />
Gebiete mit leistungsfähigen Strassen, aber<br />
auch das preiswerte Bauland an peripheren<br />
Wohnlagen. So werben beispielsweise ländli -<br />
che Kantone oder Kreditanstalten in städtischen<br />
Tageszeitungen mit „Wohnen im Grünen“.<br />
Heute ist die Mobilität in der Schweiz<br />
noch so billig, dass es sich finanziell lohnt,<br />
ein preiswertes Stück Bauland auf dem Land<br />
zu kaufen <strong>und</strong> mit dem Auto weite Wege<br />
zur Arbeit zurückzulegen. Die externen<br />
Kosten des Individualverkehrs (Luftbelastung,<br />
Lärm, Unfallgefahr) werden von<br />
der Allgemeinheit getragen. Locker überbaute<br />
Einfamilienhausquartiere lassen sich<br />
50<br />
0<br />
%<br />
30<br />
25<br />
20<br />
15<br />
10<br />
Quelle: B<strong>und</strong>esamt für Statistik<br />
5<br />
0<br />
<strong>natur</strong> <strong>und</strong> <strong>mensch</strong> 2 / 2007<br />
Seite 3
Mensch <strong>und</strong> Umwelt<br />
zudem kaum attraktiv mit öffentlichem<br />
Verkehr erschliessen.<br />
Seit 1960 nimmt die Zahl der Arbeitspendler<br />
alle zehn Jahre um etwa zehn Prozent zu, im<br />
Jahr 2000 arbeiteten bereits 57 Prozent der<br />
Erwerbstätigen ausserhalb ihres Wohnorts.<br />
Da sich die Pendlerdistanzen vergrösserten,<br />
könnte angenommen werden, der<br />
Zeitaufwand für den Arbeitsweg habe ebenfalls<br />
zugenommen. Dem ist jedoch nicht<br />
so: Benötigten die Arbeitspendler vor 1970<br />
durchschnittlich etwa achtzehn Minuten<br />
für ihren Arbeitsweg, so waren dies im Jahr<br />
2000 zwanzig Minuten. Neben den schnelleren<br />
Verkehrsmitteln trägt hier zweifellos<br />
der Ausbau des Strassennetzes zur Beschleunigung<br />
des Verkehrs bei. Die Verkehrsflächen<br />
haben in den 80er <strong>und</strong> 90er Jahren denn auch<br />
um knapp zehn Prozent zugenommen, wobei<br />
grosse regionale Unterschiede bestehen. Auch<br />
bei der Zunahme der Verkehrs flächen zeigen<br />
die neusten Resultate aus der Westschweiz einen<br />
leichten Rückgang (von 11% auf 7%).<br />
Ziel einer nachhaltigen Siedlungsent wicklung<br />
müsste es sein, Neueinzonungen für<br />
Wohngebiete konsequent an eine ausreichende<br />
Erschliessung mit öffentlichem<br />
Verkehr zu knüpfen oder mindestens attraktive<br />
Park&Ride-Lösungen in umittelbarer<br />
Nähe anzubieten.<br />
Konsumgesellschaft<br />
<strong>und</strong> Wirtschaftswachstum<br />
Nicht nur das Wohnareal, auch das Industrie<strong>und</strong><br />
Gewerbeareal ist in den zwölf Jahren<br />
zwischen den Erhebungen der ersten <strong>und</strong><br />
zweiten Arealstatistik um über 24 Prozent<br />
schweizweit gewachsen. Mit ein Gr<strong>und</strong><br />
für dieses Wachstum ist sicherlich die gute<br />
Wirtschaftslage dieser Periode, stieg doch<br />
auch die Zahl der Arbeitsstätten von 1985<br />
bis 1995 um achtzehn Prozent an. Aber auch<br />
grossflächige, eingeschossige <strong>und</strong> nicht<br />
unterkellerte Logistik- <strong>und</strong> Einkaufszentren<br />
tragen ihren Teil zum Bodenverbrauch bei.<br />
Diesbezüglich wäre es geboten, vor einer<br />
Neunutzung von Landwirtschaftsland eine<br />
Umnutzung bestehender, brachliegender<br />
Industrieareale zu prüfen [6]. Leider sind<br />
oft die Preise von unbebauten Gr<strong>und</strong>stücken<br />
im Vergleich zu bereits bebautem<br />
Land zu tief.<br />
Freizeitgesellschaft<br />
<strong>und</strong> Freizeitmobilität<br />
Die Schweiz ist eine Freizeitgesellschaft.<br />
Dies drückt sich zum einen darin aus, dass<br />
die Hälfte der täglichen „Unterwegszeit“ der<br />
Freizeit dient, zum andern wird die Nachfrage<br />
nach flächenintensiven Freizeitbeschäftigungen<br />
(Mountainbiken, Gleitschirmfliegen,<br />
Golf, neuerdings die Idee für Hallenskifahren<br />
etc.) immer grösser [7]. Nicht alle<br />
Freizeit beschäftigungen benötigen bauliche<br />
Infra strukturen, sie führen jedoch oft<br />
zu Nutzungskonflikten mit dem Natur- <strong>und</strong><br />
Landschaftsschutz. Für publikumsintensive<br />
Freizeiteinrichtungen wird heute bereits in<br />
verschiedenen kantonalen Richtplänen eine<br />
ausreichende Erschliessung mit dem öffentlichen<br />
Verkehr verlangt. Schwieriger<br />
ist es, die Individualsportler <strong>und</strong> -touristen<br />
zum Umsteigen auf die öffentlichen<br />
Verkehrsmittel zu bewegen.<br />
Zweitwohnungen –<br />
touristisch <strong>und</strong> beruflich<br />
Zweitwohnungen sind in den touristisch geprägten<br />
Orten der Schweiz sowie beinahe in<br />
allen 17 Städten der Schweiz ein Thema. So<br />
betrug der Anteil der pied-à-terre in den „guten“<br />
Quartieren <strong>und</strong> den Altstadtquartieren<br />
der Städte im Jahr 2000 mindestens 15 Prozent.<br />
Die Wirtschaft verlangt von den Arbeits<br />
tätigen eine zunehmende räumliche<br />
Flexibi lität, was dazu führt, dass der Hauptwohn<br />
ort beibehalten <strong>und</strong> am Arbeitsort eine<br />
Zweitwohnung gemietet wird.<br />
In grösseren Tourismusdestinationen erreichen<br />
die Zweitwohnungsanteile vielerorts<br />
über drei Viertel des Bestandes (Campello TI<br />
94%, Flims-Laax, Silvaplana, Montana, Leukerbad,<br />
Vaz/Obervaz). Eine ungebrochen steigende<br />
Zahl von Zweitwohnungen gefährdet<br />
jedoch das Landschafts- <strong>und</strong> Ortsbild<br />
der Tourismusorte <strong>und</strong> beschleunigt die<br />
Zersiedlung. Zudem führt es zu überhöhten<br />
Bodenpreisen <strong>und</strong> einer Verdrängung der<br />
einheimischen Bevölkerung vom Wohnungsmarkt.<br />
Aus raumplanerischer Sicht ist es<br />
unwesentlich, ob die Zweitwohnungen<br />
im Eigentum einer Schweizerin oder eines<br />
Ausländers sind. Der Druck aus dem Ausland<br />
wird jedoch mit der geplanten Aufhebung<br />
der Lex Koller zunehmen, wirkungsvolle<br />
flankierende Massnahmen zur Steuerung<br />
des Zweitwohnungsbaus sind deshalb dringend<br />
erforderlich.<br />
Siedlungsdruck<br />
auf die Landwirtschaftszone<br />
Die Siedlungsgebiete dehnten sich in den<br />
letzten Jahrzehnten – vor allem an den<br />
besten Lagen des Mittellandes – weitge-<br />
Seite 4 <strong>natur</strong> <strong>und</strong> <strong>mensch</strong> 2 / 2007
Statt neue Industriestandorte<br />
auf der grünen Wiese<br />
einzurichten, sollten<br />
endlich die brachliegenden<br />
Industrieareale in den<br />
Städten genutzt werden.<br />
Foto: photocase<br />
hend auf Kosten der landwirtschaftlichen<br />
Nutzflächen aus. Dennoch bleibt das Kulturl<br />
and mit knapp 37 Prozent die dominierende<br />
Bodennutzung in der Schweiz<br />
[2]. Es findet jedoch auch ausserhalb der<br />
Bauzonen eine kontinuierliche bauliche<br />
Entwicklung statt. Im Kanton Zürich nahm<br />
der Gebäudebestand zwischen 1950 <strong>und</strong><br />
1997 um 80 Prozent zu [8]. 1990 stand jedes<br />
vierte Gebäude der Schweiz ausserhalb<br />
der Bauzone <strong>und</strong> eine immer geringere<br />
Zahl davon wird landwirtschaftlich genutzt.<br />
Zur Abfederung des Struktur wandels in der<br />
Landwirtschaft plant der B<strong>und</strong> Lockerungen<br />
der Bestimmungen für das Bauen ausserhalb<br />
der Bauzonen. Damit wird der Anteil an<br />
nichtlandwirtschaftlichem Gewerbe in den<br />
Landwirtschaftszonen zu neh men. Zusätzlich<br />
ist in den letzten Jahren auf nicht mehr benötigte<br />
Wohn- <strong>und</strong> Ökonomiebauten in der<br />
Landwirtschaftszone ein grosser Nutzungsdruck<br />
durch nichtlandwirtschaftliche Kreise<br />
entstanden. Der raumplanerische Gr<strong>und</strong>satz<br />
der Trennung von Siedlungs- <strong>und</strong><br />
Nichtsiedlungsgebiet erfährt dadurch eine<br />
schleichende Verwässerung.<br />
Steuerwettbewerb <strong>und</strong> Konkurrenzdenken<br />
der Gemeinden<br />
Zur kontinuierlichen Expansion der Siedlungsflächen<br />
tragen ausserdem der Steuerwettbewerb<br />
<strong>und</strong> das Konkurrenzden ken<br />
zwischen den Gemeinden ihren Anteil<br />
bei. Der Wettbewerb um Einwohner, Unternehmen<br />
<strong>und</strong> Arbeitsplätze veranlasste die<br />
Gemeinden, unrealistisch dimensionierte<br />
Bauzonen auszuscheiden, die sich mitnichten<br />
am tatsächlichen Bedarf orientieren.<br />
Sind die übergrossen Bauzonen einmal ausgeschieden,<br />
besteht wenig Anreiz zur Sparsamkeit.<br />
Insbesondere Bauzonen für wenig<br />
verdichtete Wohnformen, wie Einfamilienhäuser,<br />
fördern die flächenhafte Ausdehnung<br />
der Siedlungen. Die Erwar tungen der<br />
Gemeinden, attraktive Steuer zahler anzulocken,<br />
um die bestehenden Infrastrukturen<br />
finanzieren zu können, erfüllen sich nicht<br />
in jedem Fall. Heute ist bereits ein Drittel<br />
der Schweizer Gemeinden von einer abnehmenden<br />
oder stagnierenden Bevölkerungsent<br />
wicklung betroffen. Diese Tendenz wird<br />
sich – treffen die Berechnungen des B<strong>und</strong>esamtes<br />
für Statistik zu – in den nächsten<br />
Jahren verstärken. Damit zeichnet sich ein<br />
noch härterer Wettbewerb zwischen den<br />
Gemeinden ab, wenn sie nicht beginnen, in<br />
nutzungsplanerischen Fragen intensiv zusammenzuarbeiten.<br />
Literaturangaben<br />
[1] Arealstatistik des B<strong>und</strong>esamtes für Statistik<br />
BFS. Die Erhebungsperioden sind 1979/85,<br />
1992/97, 2004/09 (2004/09 erst Kantone VD<br />
<strong>und</strong> GE abgeschlossen).<br />
[2] B<strong>und</strong>esamt für Statistik BFS 2001:<br />
Bodennutzung im Wandel, Neuchâtel<br />
[3] B<strong>und</strong>esamt für Umwelt, Wald <strong>und</strong> Landschaft<br />
BUWAL 2003: Landschaft 2020, Bern<br />
[4] BFS 2006: Atlas des räumlichen Wandels der<br />
Schweiz, Neuchâtel<br />
[5] BFS 2006: Panorama, Bau- <strong>und</strong> Wohnwesen,<br />
Neuchâtel, März 2006<br />
[6] BFS 2002: Betriebszählung 2001 in Kürze,<br />
Neuchâtel<br />
[7] ARE 2001: Mobilität in der Schweiz, Bern<br />
[8] Peter Sacha 2000: Die Gebäudedynamik<br />
ausserhalb der Bauzonen im Kanton Zürich,<br />
Zürich<br />
Heidi Haag<br />
Geografin<br />
Schweizerische Vereinigung für<br />
Landesplanung VLP-ASPAN<br />
Seilerstrasse 22<br />
CH-3011 Bern<br />
Tel. +41 31 380 76 70<br />
heidi.haag@vlp-aspan.ch<br />
www.vlp-aspan.ch<br />
In grösseren Tourismusdestinationen<br />
erreichen die<br />
Zweitwohnungsanteile<br />
vielerorts über drei Viertel<br />
des Bestandes.<br />
Foto VLP-ASPAN<br />
<strong>natur</strong> <strong>und</strong> <strong>mensch</strong> 2 / 2007<br />
Seite 5
Mensch <strong>und</strong> Umwelt<br />
Landschaft gestalten<br />
Landschaft ist eine Kulturleistung. Sie ist das Produkt <strong>mensch</strong>licher<br />
Entscheidungen im Umgang mit der Natur. Dort, wo diese Ent -<br />
scheidungen nicht getroffen werden, „entsteht“ sie – als zufälliges<br />
Abfallprodukt des Handelns verschiedener Akteure. Wie Landschaft bewusst<br />
gestaltet <strong>und</strong> entwickelt werden kann, will das Forum Landschaft<br />
auf seiner Jahrestagung im Mai 2007 thematisieren. Die Tagung versteht<br />
sich als Diskussionsbeitrag zum neuen Raumkonzept Schweiz,<br />
das derzeit unter der Leitung des B<strong>und</strong>esamtes für Raumentwicklung<br />
(ARE) erarbeitet wird.<br />
Maya Kohte, Johannes Stoffler<br />
Die Gestalt der Landschaften der Schweiz<br />
trägt wesentlich zur Identität des Landes<br />
bei <strong>und</strong> ist Ausdruck seiner kulturellen<br />
Vielfalt. Sie ist eine wichtige Gr<strong>und</strong>lage<br />
unserer Lebensqualität, des wirtschaftlichen<br />
Standortes <strong>und</strong> des Tourismus. Sie<br />
ist Ausdruck unseres kulturellen Erbes<br />
<strong>und</strong> gleichzeitig Gr<strong>und</strong>lage für dessen<br />
Weiterentwicklung.<br />
Eine Reise ins Ungewisse<br />
Angesichts der raschen <strong>und</strong> grossräumigen<br />
Entwicklungen (Suburbanisierung, Wandel der<br />
Land- <strong>und</strong> Forstwirtschaft, Vergandung u.a.)<br />
fehlt bisher jedoch eine effektive Strategie,<br />
wie die Landschaften der Schweiz qualitätsvoll<br />
weiterentwickelt werden können. Landschaft<br />
droht zu einem zufälligen Nebenprodukt unserer<br />
Gesellschaft zu werden. Die Eigenart des<br />
kulturellen Erbes, das wir mitbekommen haben,<br />
droht damit aus dem gesellschaftlichen<br />
Bewusstsein zu verschwinden. Gleichzeitig<br />
müssen wir uns kritisch fragen, was wir selbst<br />
einmal vererben wollen.<br />
Landschaft ist eine Gesamtheit. In Zukunft<br />
wird es deshalb nicht mehr ausreichen,<br />
die Landschaft einzig durch Eingriffe ver -<br />
schiedener Akteure aus einzelnen Sektoralpolitiken<br />
entwickeln zu lassen, die ihrer<br />
Gesamtgestalt kaum Aufmerksamkeit schenken.<br />
Es ist deshalb an der Zeit, die grossräumliche<br />
Gestaltung von Landschaft aktiv zu<br />
thematisieren. Qualitätsziele <strong>und</strong> gestalterische<br />
Kriterien müssen bewusste, integrale<br />
Bestandteile aller landschaftsverändernden<br />
Prozesse werden. Eine wichtige Rolle kommt<br />
hierbei dem Natur- <strong>und</strong> Landschaftsschutz<br />
zu, der seit seinen Anfängen auch einen<br />
gestalterischen Auftrag hat. Natur <strong>und</strong><br />
Landschaft zu schützen, bedeutet heute, sich<br />
auch Gedanken zu machen, was jenseits der<br />
Schutzgebiete passiert. Es bedeutet, den „sicheren<br />
Hort“ der <strong>natur</strong>wissenschaftlichen<br />
Betrachtungen zu verlassen <strong>und</strong> sich gestalterischen<br />
Fragen zu stellen.<br />
Was heisst hier<br />
„Landschaftsqualität“?<br />
Die Forderung nach mehr Land schaftsqualität<br />
beinhaltet auch die Frage nach<br />
Beurteilungskriterien. Diese Frage wird sich<br />
nur dann beantworten lassen, wenn wir bereit<br />
sind, unser ererbtes Bild von Landschaft<br />
zu hinterfragen. Wir sollten uns die kritische<br />
Frage stellen, wie sich der pittoreske Reiz<br />
vorindustrieller Kulturlandschaften mit der<br />
realen Gegenwart vereinbaren lässt <strong>und</strong> wo<br />
die Chancen liegen, an dieses Erbe neu anzuknüpfen.<br />
Weder Nostalgie noch Tabula<br />
Rasa können hier weiterhelfen.<br />
Die qualitätsvolle Gestaltung von Landschaft<br />
ist nicht Geschmackssache, sondern auch<br />
eine Frage des Verständnisses. Nur wer Landschaft<br />
begreift, kann Sie auch sinnvoll weiterentwickeln.<br />
Gestaltung von Landschaft ist<br />
deshalb nicht allein eine Aufgabe von Praxis<br />
<strong>und</strong> Verwaltung. Sie ist auch Gegenstand<br />
empirischer For schung. Gegenwärtig etabliert<br />
sich die Landschaftstheorie als wichtiges<br />
Thema an europäischen Hochschulen.<br />
Dabei wird versucht, die unterschiedlichen<br />
Aspekte von Landschaft zusammenzudenken<br />
<strong>und</strong> die gewonnenen Erkenntnisse<br />
den verschiedenen Praxisfeldern zur Verfügung<br />
zu stellen. Auch das Nationale Forschungsprogramm<br />
48 untersucht die Gesamt<br />
heit von Landschaft, seine körperlichsensorische,<br />
ästhetische, identifikatorische,<br />
soziopolitische, ökonomische <strong>und</strong> ökologische<br />
Dimension.<br />
Mut zur Zusammenarbeit<br />
Die gesamträumliche Gestaltung der Landschaft<br />
bedarf einer inter- <strong>und</strong> transdiszip-<br />
Die qualitätsvolle Gestaltung<br />
von Landschaft<br />
ist nicht Geschmackssache,<br />
sondern auch eine Frage<br />
des Verständnisses.<br />
Nur wer Landschaft begreift,<br />
kann Sie auch sinnvoll<br />
weiterentwickeln.<br />
Foto: photocase<br />
Seite 6 <strong>natur</strong> <strong>und</strong> <strong>mensch</strong> 2 / 2007
Unsere Kulturlandschaft<br />
ist das Produkt <strong>mensch</strong>licher<br />
Entscheidungen im<br />
Umgang mit der Natur.<br />
Foto: photocase<br />
linären Zusammenarbeit, um weitere Ansätze,<br />
Methoden <strong>und</strong> Instrumente zu entwickeln.<br />
Gleichzeitig ist Landschaftsgestaltung<br />
eine Aufgabe der interkommunalen,<br />
interkantonalen <strong>und</strong> – gegebenenfalls –<br />
die Landesgrenzen überschreitenden Zu -<br />
sam menarbeit. Dies bedeutet auch, über<br />
Revierdenken <strong>und</strong> berufsständische Schranken<br />
hinwegzukommen, den fachlichen<br />
Horizont zu erweitern <strong>und</strong> den Austausch<br />
zu suchen. Hierin liegt eine Chance für<br />
den Natur- <strong>und</strong> Landschaftsschutz, für<br />
seine Ziele neue Partner zu finden, <strong>und</strong><br />
Landschaftsentwicklung <strong>und</strong> -gestaltung<br />
verstärkt in den Blick zu nehmen. Nur mit<br />
einer breiten Lobby für die Landschaft kann<br />
effektiv Einfluss auf politische Prozesse<br />
<strong>und</strong> auf konkrete landschaftsrelevante Entscheidungen<br />
genommen werden.<br />
Die derzeitige Überarbeitung der Gr<strong>und</strong>züge<br />
der Raumordnung Schweiz von 1996 durch<br />
das B<strong>und</strong>esamt für Raumentwicklung (ARE)<br />
bietet einen wichtigen Anlass, das Thema<br />
der Landschaftsgestaltung in dem zukünftigen<br />
Raumkonzept Schweiz differenzierter<br />
zu behandeln. Das Raumkonzept soll eine<br />
einheitliche Vorstellung als Gr<strong>und</strong>lage für<br />
eine koordinierte Raumentwicklungspolitik<br />
zwischen allen staatlichen Ebenen darstellen.<br />
Ein „Landschaftskonzept Schweiz“<br />
wird aber nur eine Chance haben, wenn es<br />
gelingt, das Thema in seiner vollen Breite<br />
öffentlich anzusprechen <strong>und</strong> auch fachfremde<br />
Akteure <strong>und</strong> Betroffene dafür zu<br />
sensibilisieren.<br />
Das Forum Landschaft<br />
Das Forum Landschaft wurde am 13. Januar<br />
2006 in Bern gegründet <strong>und</strong> befindet<br />
sich seitdem im Aufbau. Gründungsmit<br />
glieder des Vereins sind Fachleute aus<br />
Praxis <strong>und</strong> Verwaltung sowie Forschende<br />
verschiedener Schweizer Hochschulen<br />
<strong>und</strong> Forschungsinstitutionen. Ziel des<br />
Forums ist die Thematisierung der Landschaft<br />
im umfassenden Sinne der europäischen<br />
Landschaftskonvention, insbesondere<br />
die Förderung bewusster Landschaftsgestal<br />
tung, wissenschaftlicher Forschungspro<br />
jekte zum Thema Landschaft, des<br />
Diskurses Forschung – Praxis sowie die<br />
Anregung einer öffentlichen Diskussion<br />
über Landschaft.<br />
Zur Umsetzung dieser Ziele wird derzeit<br />
ein Netzwerk Landschaft aufgebaut <strong>und</strong><br />
gepflegt, zu dem alle wichtigen Akteure,<br />
Forschende <strong>und</strong> Lehrende im Bereich Landschaft<br />
eingeladen sind. Informationen zum<br />
Bereich Landschaft werden gesammelt <strong>und</strong><br />
verbreitet, in Institutionen <strong>und</strong> Gremien<br />
mitgewirkt <strong>und</strong> Beziehungen zu verwandten<br />
Organisationen gepflegt.<br />
Das Forum verbindet breite institutionelle<br />
Verankerung mit Fachkompetenz. Dem Vorstand<br />
des Forums gehören Personen aus unterschiedlichen,<br />
landschaftsrelevanten Bereichen<br />
an. Ein wissenschaftlicher Beirat von<br />
ausgewiesenen Experten gewährleistet die<br />
fachliche Qualitätssicherung der Arbeit.<br />
Der Aufbau des Forums Landschaft erfolgt<br />
im Rahmen einer zweijährigen Pilotphase.<br />
Diese dient dazu, Zielsetzung, Strategie<br />
<strong>und</strong> Umsetzung zu testen <strong>und</strong> festzulegen.<br />
Finanziert wird diese Phase von der Schweizer<br />
Akademie der Naturwissenschaften,<br />
dem B<strong>und</strong>esamt für Umwelt, dem B<strong>und</strong><br />
Schweizer Landschaftsarchitekten, der Stif-<br />
tung Landschaftsschutz Schweiz <strong>und</strong> Mitgliederbeiträgen.<br />
Ein wichtiger Bestandteil der Arbeit des<br />
Forums besteht in Beiträgen zu Tagungen<br />
<strong>und</strong> Workshops. So moderierte das Forum<br />
Landschaft die Dimension „Stadt <strong>und</strong><br />
Land“ der SAGW-Tagung „Wohnen in der<br />
Metropole Schweiz“ im November 2006<br />
<strong>und</strong> gestaltete den Workshop „Entwick -<br />
lungs perspektiven zwischen Schönheitsideal<br />
<strong>und</strong> Wirtschaftsfaktor“ am NATUR<br />
Kongress Basel im März 2007.<br />
Die kommende Jahrestagung des Forums<br />
Landschaft am 12. Juni in Bern wird sich mit<br />
dem Begriff der Landschaftsqualität auseinandersetzen.<br />
Vor dem Hintergr<strong>und</strong> des<br />
Raumkonzeptes Schweiz wird Landschaft<br />
im Spannungsfeld von Ästhetik, Identität<br />
<strong>und</strong> Ökonomie diskutiert werden. Den einleitenden<br />
Referaten werden am Nachmittag<br />
Arbeitsateliers zu den Einzelaspekten folgen.<br />
Und natürlich wird die Tagung genügend<br />
Raum für informelle Gespräche bieten. Zu<br />
diesem Treffen lädt das Forum Landschaft<br />
alle interessierten Fachleute ein.<br />
Weitere Informationen unter www.forumlandschaft.ch<br />
oder www.forumpaysage.ch<br />
Maya Kohte<br />
Präsidentin Forum Landschaft<br />
Johannes Stoffler<br />
Geschäftsführer Forum<br />
Landschaft<br />
Schwarztorstrasse 9<br />
3007 Bern<br />
Tel. 031 318 70 17<br />
Fax 031 312 16 78<br />
<strong>natur</strong> <strong>und</strong> <strong>mensch</strong> 2 / 2007<br />
Seite 7
Rheinaub<strong>und</strong><br />
2006 – ein wegweisendes Jahr<br />
für den Rheinaub<strong>und</strong><br />
Ab 2007 stellt sich der Rheinaub<strong>und</strong> in einem neuen, frischen<br />
Image dar. Es symbolisiert unsere Dynamik, die trotz<br />
finanzieller Schwierigkeiten ungebrochen ist <strong>und</strong> durch<br />
den Jahresbericht in diesem Heft dokumentiert wird. Das<br />
Hinterfragen der allgemeinen Wachstumseuphorie <strong>und</strong><br />
die bedenkliche Entwicklung in der Raumplanung sind<br />
nur zwei Beispiele dafür, dass wir einen neuen Akzent in<br />
der politischen Landschaft setzen müssen, wenn wir die<br />
Schweiz nicht total verbaut sehen wollen. Jürg Bloesch<br />
Immer mehr, immer mehr,<br />
immer mehr?<br />
Seit kurzem hat der Rheinaub<strong>und</strong> ein neues<br />
Erscheinungsbild, ein neues Logo <strong>und</strong> ein<br />
neues Layout für „<strong>natur</strong> <strong>und</strong> <strong>mensch</strong>“. Ein<br />
herzliches Dankeschön unseren Graphikern<br />
Markus Capirone, Beatrice Nünlist <strong>und</strong> Christoph<br />
Frauenlob! Überarbeitet wurden auch<br />
die Internet-Homepage, die Briefschaften<br />
<strong>und</strong> Couverts. Zwei Flyer werden folgen.<br />
Die Mühsal des schwierigen gestalterischen<br />
Prozesses ist vorüber, freuen wir uns jetzt<br />
am Neuen <strong>und</strong> am schönen Design.<br />
Das Logo ist unsere Identität<br />
Allerdings geht es meines Erachtens um<br />
mehr als nur ein dynamisches Logo oder ein<br />
VivaRiva, das<br />
Umweltbildungsprojekt<br />
des Rheinaub<strong>und</strong>es, ist<br />
gesichert.<br />
Foto: K. Jaag<br />
attraktives modernes Heft. Entscheidend<br />
ist die Identität (Corporate Identity) des<br />
Rheinaub<strong>und</strong>es, welcher die Strategie des<br />
Vereins zugr<strong>und</strong>e liegt, die an der Klausur<br />
2005 diskutiert <strong>und</strong> vom Vorstand abgesegnet<br />
worden ist. Im Mittelpunkt stehen<br />
unsere Kerngeschäfte: Der Gewässer<strong>und</strong><br />
Landschaftsschutz, das Auftreten als<br />
“ehrlicher Makler” in eigenen, pro-aktiven<br />
Projekten <strong>und</strong> als gewissenhafter Anwalt der<br />
Natur bei Einsprachen <strong>und</strong> Verhandlungen.<br />
„<strong>natur</strong> <strong>und</strong> <strong>mensch</strong>“ als Produkt des Rheinau<br />
b<strong>und</strong>es ist weit mehr als eine Vereinszeitschrift.<br />
Unser Heft wie auch unsere<br />
Projekte strahlen unsere Philosophie aus,<br />
sich konsequent <strong>und</strong> uneigennützig für die<br />
Natur, für Gewässer- <strong>und</strong> Landschaftsschutz<br />
einzusetzen. Das geht uns alle an, wollen<br />
wir unsere gesellschaftliche Verantwortung<br />
wahrnehmen! Der Jahresbericht in diesem<br />
Heft legt eindrucksvoll davon Zeugnis<br />
ab, wie wir unseren Einsatz gestalten <strong>und</strong><br />
was für Arbeit wir konkret leisten. Das<br />
F<strong>und</strong>ament von “<strong>natur</strong> <strong>und</strong> <strong>mensch</strong>” <strong>und</strong><br />
der Projektarbeit ist die fachliche <strong>und</strong> soziale<br />
Kompetenz. Ich hoffe, dass diese leuchtenden<br />
Beispiele vermehrt Gleichgesinnte<br />
anlocken, überzeugen <strong>und</strong> begeistern. Es<br />
wäre schön, wenn nicht nur die Wirtschaft,<br />
sondern auch der Rheinaub<strong>und</strong> nachhaltig<br />
wachsen würden.<br />
Gedanken zu Wohlstand<br />
<strong>und</strong> Wachstum<br />
A propos Wachstum. Es erstaunt mich<br />
immer wieder, wie rasch Meadow’s “Grenzen<br />
des Wachstums” der 1970er Jahre in<br />
Vergessenheit geraten ist. Dabei basiert<br />
diese Theorie auf dem f<strong>und</strong>amentalsten<br />
Naturprinzip, der Wachstumskurve – mit<br />
Wachstum, Plateau <strong>und</strong> Zerfall – <strong>und</strong> der<br />
Endlichkeit der Ressourcen. Heute propagieren<br />
alle Politiker möglichst grosses <strong>und</strong><br />
unbegrenztes Wachstum, ohne welches es<br />
keine Zukunft gebe. Technologie <strong>und</strong> Geld<br />
als Heilsbringer der Menschheit? Ich frage<br />
mich, auf welchem F<strong>und</strong>ament solche<br />
Theorien basieren, wenn nicht auf kurzfristiger<br />
<strong>und</strong> eigennütziger Gewinnmaximierung<br />
<strong>und</strong> Machtstrategie. Wo bleibt da die oft genannte<br />
Nachhaltigkeit? Der Blick für grössere<br />
Zusammenhänge? Meiner Meinung<br />
nach lohnt es sich, über diese Dinge nachzudenken<br />
<strong>und</strong> sich allenfalls darauf einzustellen.<br />
Auf wessen Kosten leben wir hierzulande<br />
eigentlich? Wenn wir über Energiepolitik<br />
<strong>und</strong> Lösungsansätze zur Reduktion der<br />
Treibhausgase diskutieren, ist es wichtig zu<br />
wissen, dass auch die sogenannten Kleinen<br />
etwas tun können. Flächig angewendete<br />
Solarzellen auf H<strong>und</strong>erttausenden von<br />
Schweizer Dächern können locker ein ganzes<br />
Kernkraftwerk ersetzen. Ebenso kann<br />
die Schweiz als Kleinstaat eine Vorreiterrolle<br />
spielen, <strong>und</strong> es ist kurzsichtig zu argumentieren,<br />
unser Beitrag sei global gesehen vernachlässigbar.<br />
Alles in allem, jede <strong>und</strong> jeder<br />
kann etwas beitragen, <strong>und</strong> sei es nur sich<br />
zu überlegen, ob das Glück des Lebens in<br />
Seite 8 <strong>natur</strong> <strong>und</strong> <strong>mensch</strong> 2 / 2007
Aufmerksam sein.<br />
Entwicklungen verfolgen.<br />
Dahin plätschern lassen?<br />
Eingreifen. Lenken.<br />
Nicht frankieren<br />
Ne pas affranchir<br />
Non affrancare<br />
Geschäftsantwortsendung Invio commerciale-risposta<br />
Correspondance commerciale-résponse<br />
Foto: photocase.de<br />
Rheinaub<strong>und</strong><br />
c/o <strong>natur</strong> <strong>und</strong> <strong>mensch</strong><br />
Postfach 1157<br />
CH-8200 Schaffhausen<br />
Abonnementsbestellung / Anmeldung der Mitgliedschaft<br />
Ja, ich möchte<br />
Ein Jahresabonnement der Zeitschrift „<strong>natur</strong> <strong>und</strong> <strong>mensch</strong>“ (Fr. 45.00)<br />
ein Geschenkabonnement<br />
Mitglied werden beim Rheinaub<strong>und</strong> (Fr. 65.00 inkl. Heft)<br />
ein Gratis-Probeheft / Unterlagen über den Rheinaub<strong>und</strong><br />
Ich bin bereit, aktiv beim Rheinaub<strong>und</strong> mitzumachen.<br />
Nehmen Sie mit mir Kontakt auf.<br />
Eigene Adresse:<br />
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Geschenkabonnement für:<br />
Name/Vorname:<br />
Adresse:<br />
Geburtsdatum:<br />
PLZ/Ort:<br />
Datum, Unterschrift:<br />
Ihr Engagement<br />
im Rheinaub<strong>und</strong><br />
bedeutet sehr viel,<br />
vielleicht mehr als<br />
Sie erwarten.<br />
<strong>natur</strong> <strong>und</strong> <strong>mensch</strong> 2 / 2007<br />
Seite 9
Rheinaub<strong>und</strong><br />
materiellem Wohlstand <strong>und</strong> unbegrenzten<br />
qualitativen Ansprüchen liegt, oder ob es<br />
vielleicht auch noch so etwas wie nicht monetäre<br />
Werte auf dieser Erde gibt, die uns zu<br />
seelischem Gleichgewicht verhelfen.<br />
Der Rheinaub<strong>und</strong><br />
macht Schule<br />
Doch kehren wir zurück in den Alltag des<br />
Rheinaub<strong>und</strong>es. Trotz ökonomischem <strong>und</strong><br />
prioritästgerechtem Einsatz der Mittel blieb<br />
es auch im Jahr 2006 beim altbekannten<br />
strukturellen Defizit. Finanzstrategie <strong>und</strong><br />
Öffentlichkeitsarbeit sind nach wie vor eine<br />
Baustelle, <strong>und</strong> Defizite gibt es insbesondere<br />
in der Pressearbeit <strong>und</strong> im Networking. Das alles<br />
ist auch eine Frage der Kapazität. Daneben<br />
können wir sehr wohl viel Erfreuliches berichten.<br />
Noch nie in der bald 50-jährigen<br />
Geschichte des Rheinaub<strong>und</strong>es konnten so<br />
viele Sponsorengelder aufgetrieben werden<br />
wie für das Projekt “VivaRiva”. Da liegt<br />
nicht nur ein grosses Potenzial für die Schule<br />
<strong>und</strong> die Umwelterziehung vor uns, sondern<br />
auch für den Rheinaub<strong>und</strong> selbst. Weitere<br />
Arbeitsschwerpunkte sind nach wie vor die<br />
Laufkraftwerke am Hochrhein, mit der am<br />
30. April 2007 zu gründenden Arbeitsgruppe<br />
“Geschiebehaushalt”, sowie die Raumplanung,<br />
mit der im Frühling gestarteten Landschafts-<br />
Initiative. Dazu tragen auch die von<br />
Vorstandsmitglied Jean-Pierre Jaccard verfasste<br />
Vernehmlassung zur Pärkeverordnung<br />
<strong>und</strong> die damit verb<strong>und</strong>ene Strategie des<br />
Leistungsauftrags mit Globalbudget bei.<br />
Zum Dank politische<br />
Zeichen setzen<br />
Zum Jahresrückblick 2006 bleibt mir als<br />
Ko-Präsident all den motivierten Mitarbeitenden<br />
<strong>und</strong> spendablen Gönnern herzlich<br />
zu danken. Es ist beeindruckend <strong>und</strong><br />
erfreulich zugleich zu sehen, wie ansteckend<br />
diese Motivation sein kann, wenn es<br />
darum geht, gesellschaftliche Werte <strong>und</strong><br />
Naturschönheiten hoch zu halten <strong>und</strong> gegenüber<br />
wirtschaftlichen Eigeninteressen<br />
anderer zu verteidigen. Solcher Einsatz ist<br />
auch in Zukunft dringend nötig, da der<br />
Umweltschutz politisch immer noch stark<br />
im Gegenwind steht.<br />
Wie wir mit unserer Raumplanung umgehen,<br />
ist skandalös. Die Restwasserbestimmungen<br />
im Gewässerschutzgesetz sind unter starkem<br />
Druck. Die Gewässerschutz-Initiative<br />
verdient unsere Unterstützung. Das Verbandsbeschwerderecht<br />
werden wir zu sichern<br />
wissen. Lassen wir uns also nicht entmutigen<br />
<strong>und</strong> setzen wir bei den Wahlen<br />
2007 ein klares Zeichen <strong>und</strong> gründen ein<br />
neues politisches F<strong>und</strong>ament.<br />
Mit den besten Wünschen, Ihr Jürg Bloesch<br />
Der Rheinaub<strong>und</strong> bleibt auch<br />
in Zukunft den Gewässern<br />
<strong>und</strong> Gewässerlandschaften<br />
verpflichtet.<br />
Foto: Urkraft Wasser<br />
Jürg Bloesch<br />
Ko-Präsident Rheinaub<strong>und</strong><br />
Weinsteig 192<br />
8201 Schaffhausen<br />
Tel. 052 / 625 26 58<br />
Seite 10 <strong>natur</strong> <strong>und</strong> <strong>mensch</strong> 2 / 2007
Albbruck-Dogern <strong>und</strong> der Fischaufstieg –<br />
eine endliche Geschichte?<br />
Schon lange beschäftigt sich der Rheinaub<strong>und</strong> mit der Neukonzession für das<br />
Kraftwerk Albbruck-Dogern. Ging es erst um genügende Ausgleichsmassnahmen<br />
im betroffenen Flussraum, erhitzte zum Schluss einmal mehr das Thema Fischaufstieg<br />
die Gemüter. Doch die langen Diskussionen <strong>und</strong> Auseinandersetzun -<br />
gen haben sich gelohnt, denn die neuen Pläne der RADAG scheinen „fischgängig“<br />
zu sein.<br />
Ueli Rippmann<br />
Das Ausleitungskraftwerk Albbruck Dogern<br />
der RADAG nutzt den Hochrhein durch<br />
ein Wehr, welches – bis auf die Restwassermenge<br />
– alles Wasser in den Oberwasserkanal<br />
ableitet <strong>und</strong> es zu den Turbinen<br />
führt. Im Vergleich zum Mutterbett hat<br />
dieser Kanal ein kleineres Gefälle. Unter<br />
Berücksichtigung von Hydrologie, Hydraulik<br />
<strong>und</strong> Gelände (Gefälle) erzielt man so<br />
an den Turbinen eine möglichst grosse<br />
Kraftwerksfallhöhe, ausgelegt auf die maximal<br />
mögliche Stromproduktion.<br />
1933 hatte das Kraftwerk eine Ausbauwassermenge<br />
von 750 m 3 /s, die jedoch in mehreren<br />
Schritten bis auf 1100m 3 /s erhöht<br />
wurde. Heute produziert das Werk mit 1100<br />
m 3 /s Wasser <strong>und</strong> einer Kraftwerksfallhöhe<br />
von 9.4 m im Mittel 575 GWh/a.<br />
Im Jahr 1981, lange vor Ablauf der Konzession,<br />
arbeitete die RADAG wiederum an einer<br />
erneuten Nutzungssteigerung, indem<br />
sie ein Vorprojekt für ein Wehrkraftwerk erstellte.<br />
Unterstützung erhielt die Idee durch<br />
die Studie „Rhein 2000“ des BUWAL über<br />
die ökologischen Verbesserungsmassnahmen<br />
am Hochrhein. Das Aktionsprogramm<br />
„Rhein 2000“ pries das geplante Wehr kraft -<br />
werk, weil es als „Sanierung der Restwasserstrecke“<br />
betrachtet wurde.<br />
Gegenwärtig wird die Ausbauwassermenge<br />
von 1100 m 3 /s im Mittel an 138 Tagen im<br />
Jahr erreicht oder überschritten. Das Wehr<br />
wird also während eines Drittels des Jahres<br />
überspült. Die RADAG wollte deshalb die<br />
Ausbauwassermenge um weitere 300 m 3 /s<br />
steigern <strong>und</strong> dafür ein neues Wehrkraftwerk<br />
bauen. Vor Ablauf der Konzession (2012)<br />
verlangte man eine Neukonzessionierung<br />
mit einer Gesamtausbauwassermenge von<br />
1400 m 3 /s. Durch das neue Wehrkraftwerk<br />
reduziert sich die Überschreitung auf 68<br />
Tage pro Jahr, während die Jahresarbeit um<br />
15 Prozent steigt.<br />
Gleichzeitig sollte das Wehrkraftwerk eine<br />
wesentliche Verbesserung der Wasser -<br />
füh rung in der Restwasserstrecke bewirken,<br />
die aus gewässerökologischer Sicht<br />
seit Jahrzehnten viel zu wenig Wasser führt<br />
(Winterdotation 3 bis 8 m 3 /s, Som mer dotation<br />
40 m 3 /s).<br />
Die Kraftwerksanlage<br />
Albbruck-Dogern.<br />
Foto: RADAG<br />
Die RADAG war deshalb der Meinung, sie<br />
leiste einen ausreichenden Beitrag zur ökologischen<br />
Gesamtsituation des Rheins, weshalb<br />
man keine weiteren ökologischen Ausgleichsmassnahmen<br />
zugestehen wollte.<br />
Ursprüngliche<br />
Flusslandschaft massgebend<br />
Dieser Einstellung widersprachen der Rheinaub<strong>und</strong><br />
<strong>und</strong> seine befre<strong>und</strong>eten Organi -<br />
sationen entschieden. Das neue Wehrkraft-<br />
<strong>natur</strong> <strong>und</strong> <strong>mensch</strong> 2 / 2007<br />
Seite 11
Rheinaub<strong>und</strong><br />
werk entspricht – nach mehrfach erweiter ter<br />
Konzession – vor dem Gesetz einer Neu anlage,<br />
welche die entsprechenden Auflagen<br />
des Gesetzgebers erfüllen muss. Überdies<br />
war der Bau des Kraftwerks im Jahre 1933<br />
ein erheblicher Eingriff in die ursprüngliche<br />
Flusslandschaft. Der Definition des<br />
massgeblichen Ausgangszustandes bezüglich<br />
des möglichen Potenzials des Rheins<br />
ohne Kraftwerk wurde im UVB I (Kap. 1.3.2<br />
Zeitliche Abgrenzung) völlig ungenügend<br />
Rechnung getragen.<br />
Schliesslich gehören nach Art. 31–33 Gewässerschutzgesetz<br />
(GschG) <strong>und</strong> Art. 7–9<br />
Fischereigesetz (FG) die Sanierungen der<br />
Restwasserstrecke <strong>und</strong> die Gewährleistung<br />
der Fischwanderung in beiden Richtungen<br />
nach modernstem Stand von Wissen <strong>und</strong><br />
Technik spätestens seit 1992 zwingend zu<br />
solchen Projekten <strong>und</strong> können daher nicht als<br />
Ausgleichsmassnahmen bezeichnet werden.<br />
Trotz dieser gesetzlichen Bestimmungen<br />
wurde die vorgezogene Neukonzession des<br />
Kraftwerks am 27.Mai 2003 rechtskräftig.<br />
Das Rheinkraftwerk Albbruck-Dogern AG erhielt<br />
damit von den zuständigen Behörden<br />
auf deutscher <strong>und</strong> Schweizer Rheinseite<br />
die Bewilligung zur Wasserkraftnutzung<br />
am Hochrhein inklusive Wehrkraftwerk für<br />
weitere 70 Jahre. Dafür musste die RA-<br />
DAG jedoch weiteren ökologischen Ausgleichsmassnahmen<br />
zustimmen, die nicht<br />
zuletzt durch die aktive <strong>und</strong> konstruktive<br />
Rolle des Rheinaub<strong>und</strong>es <strong>und</strong> seiner befre<strong>und</strong>eten<br />
Organisationen erwirkt wurden.<br />
Neben dem Bau des Wehrkraftwerkes beinhaltet<br />
die Neukonzession folgende ökologischen<br />
Aufwertungsmassnahmen:<br />
• die Verbesserung der gewässermorphologischen<br />
Verhältnisse im Altrhein<br />
• die Kostenbeteiligung für die ökologische<br />
Aufwertung der Wutachmündung<br />
• die Erstellung eines Umgehungsgerinnes<br />
am Ausleitungswehr<br />
• die Erstellung einer fischgängigen<br />
Blockrampe in der Albmündung<br />
• die Aufwertung der Vogelinseln in Dogern<br />
im Oberwasser des Ausleitungswehrs<br />
• die Wiederherstellung der früheren<br />
Kiesinseln bei Full<br />
Im September des gleichen Jahres erfolgte<br />
auch die Baubewilligung, gegen die der<br />
Rheinaub<strong>und</strong> erneut Einsprache erhob.<br />
Was fehlte war der explizite Nachweis der<br />
Gewährleistung der freien Fischwanderung<br />
nach Art. 9 des Fischereigesetzes des B<strong>und</strong>es.<br />
Aufgr<strong>und</strong> der Untersuchungsergebnisse<br />
des Instituts für Wasserwirtschaft <strong>und</strong> Kul turtechnik<br />
der Universität Karlsruhe (IWK), die die<br />
RADAG der ökologischen Begleitkommission<br />
im Oktober 2004 vorlegte, ergaben sich<br />
nämlich im Bereich des Zusammenflusses<br />
von Altrhein <strong>und</strong> Unterwasserkanal so ungünstige<br />
Fliessverhältnisse, dass die freie<br />
Fischwanderung als nicht gesichert betrachtet<br />
werden musste.<br />
Das Institut hatte die Fliessverhältnisse <strong>und</strong><br />
die Fliessgeschwindigkeiten im Prognosezustand<br />
bei QWehrkraftwerk = 300 m 3 /s <strong>und</strong> QGesamt<br />
= 1008 m 3 /s (Qm) dargestellt <strong>und</strong> es zeigte<br />
sich eindeutig, dass ausser der Hauptwassermenge<br />
auch die Fliessgeschwindigkeiten aus<br />
dem Unterwasserkanal (Wasserrückgabe)<br />
wesentlich höher waren (1.0 bis 1.5 m/s) als<br />
jene des Altrheins (Restwasserstrecke) mit<br />
nur 0.5 bis 0.75 m/s.<br />
Es liegt in Wesen <strong>und</strong> Konstruktion der<br />
Ausleitungskraftwerke, dass die Wasserführung<br />
des Unterwasserkanals meistens<br />
wesentlich höher ist als in der Restwasserstrecke,<br />
beispielsweise auch nach der erwähnten<br />
Prognose der IWK (QUnterwasserkanal =<br />
708 m 3 /s <strong>und</strong> QWehr = 300 m 3 /s. Die modellierte<br />
Verteilung der Fliessgeschwindigkeiten<br />
im Mündungsbereich Altarm RADAG –<br />
Mündung, liess auch für die meisten anderen<br />
Wasserführungen im Rhein den<br />
Schluss zu, dass die Hauptwassermenge<br />
<strong>und</strong> die Hauptfliessgeschwindigkeit aus<br />
dem Unterwasserkanal zufliesst <strong>und</strong> jene<br />
im Altrhein somit – auch mit dem neuen<br />
Wehrkraftwerk – deutlich übertreffen.<br />
Für die Abfluss- <strong>und</strong> Fliessverhältnisse ist<br />
dies im Bereich des Zusammenflusses von<br />
Unterwasserkanal <strong>und</strong> Restwasserstrecke<br />
geradezu ein Charakteristikum aller Ausleitungskraftwerke.<br />
Deshalb stellte sich die Frage, ob denn<br />
die wanderwilligen Fische überhaupt bis<br />
zum Wehrkraftwerk wanderten <strong>und</strong> dort<br />
die neue Fischaufstiegshilfe fänden, wenn<br />
doch der entscheidende Orientierungsreiz<br />
Seite 12 <strong>natur</strong> <strong>und</strong> <strong>mensch</strong> 2 / 2007
der grösseren Wassermenge <strong>und</strong> der höheren<br />
Fliessgeschwindigkeit aus dem<br />
Unterwasserkanal kommt.<br />
Da sich alle Arten der Flussfische physiologisch<br />
mit Hilfe ihres Seitenlinienorgans<br />
nach der Hauptströmung <strong>und</strong> den grösseren<br />
Fliessgeschwindigkeiten ausrichten,<br />
kamen berechtigte Zweifel auf, ob der<br />
neue Fischpass am Wehrkraftwerk allein<br />
zur Sicherung der freien Fischwanderung<br />
genüge. Würden die Fische nicht in den<br />
Unterwasserkanal zum alten Maschinenhaus<br />
aufsteigen, wo Hauptströmung <strong>und</strong><br />
Fliessgeschwindigkeiten einen wesentlich<br />
grösseren Orientierungsreiz erzeugen?<br />
Nun richtete sich der Blick auf den alten<br />
Fischpass am Maschinenhaus <strong>und</strong> auf seine<br />
Funktionsfähigkeit, denn würde sie genügen,<br />
wäre die freie Fischwanderung nach<br />
Art. 9 des B<strong>und</strong>esgesetzes über die Fischerei<br />
zusammen mit dem neuen Fischpass am<br />
Wehrkraftwerk gesichert <strong>und</strong> das neue<br />
Kraftwerk hätte gebaut werden können.<br />
Eine nähere Prüfung zeigte jedoch, dass der<br />
alte Fischpass am Maschinenhaus nicht nur<br />
vom Konzept her völlig veraltet war, sondern<br />
dass er den elementarsten Anforderungen<br />
funktionstüchtiger Fischaufstiegshilfen<br />
Durch den neuen Fischpass<br />
am Maschinenhaus sollte<br />
die freie Fischwanderung im<br />
Bereich des KW Albbruck-<br />
Dogern sichergestellt sein.<br />
Foto: Naturenergie<br />
nicht einmal ansatzweise genügte. In seiner<br />
Einsprache ging der Rheinaub<strong>und</strong> Punkt für<br />
Punkt auf diese eklatanten Mängel ein. Nach<br />
einigen Auseinandersetzungen konnte die<br />
RADAG die vorgebrachten Argumente nicht<br />
widerlegen.<br />
Zudem bestätigten die Ergebnisse der<br />
Reusenfänge, dass diese Fischtreppe aus<br />
dem Jahre 1933 schon seit r<strong>und</strong> 50 Jahren<br />
praktisch funktionsuntüchtig war (Staub<br />
<strong>und</strong> Gerster, 1992 <strong>und</strong> Gerster, 1998).<br />
Damit war weder im UVB I noch im UVB II<br />
ein glaubhafter Nachweis der Funktionstüchtigkeit<br />
des alten Fischpasses am<br />
Maschinenhaus enthalten. Die freie Fischwanderung<br />
nach Art.9 FG am Kraftwerk<br />
Albbruck-Dogern war daher nicht gewährleistet.<br />
Die Einsprache des Rheinaub<strong>und</strong>es gegen<br />
die Baubewilligung erfolgte somit zu Recht.<br />
Erst nach zähen Verhandlungen erklärte<br />
sich die RADAG schliesslich zu einer völligen<br />
Neukonstruktion der Fischaufstiegshilfe am<br />
Maschinenhaus bereit <strong>und</strong> präsentierte dafür<br />
an der letzten Einigungsverhandlung vom<br />
27. Oktober 2006 ein völlig neues Konzept<br />
zur Sicherstellung der Fischwanderung am<br />
Maschinenhaus, das sehr erfolgversprechend<br />
aussieht. Die Gestaltungsdetails <strong>und</strong><br />
Funktionstüchtigkeit der Anlage müssen<br />
nun in der Begleitkommission erarbeitet<br />
<strong>und</strong> optimiert werden. Auch hier wird der<br />
Einsatz des Rheinaub<strong>und</strong>es eine wesentliche<br />
Rolle spielen.<br />
Der Autor erinnert sich lebhaft an einen<br />
Ausspruch des Vorsitzenden der RADAG am<br />
Ende der damaligen Einigungsverhandlung.<br />
Sinngemäss meinte er, dass nun – nach elfjähriger<br />
Planung – endlich eine Lösung gef<strong>und</strong>en<br />
sei, die allen gerecht werde. Ein<br />
Ausspruch, der vom Leiter der Sektion<br />
Gewässernutzung des Kantons Aargaus,<br />
Pierre-Yves Christen, mit dem lakonischen<br />
Ausspruch gekontert wurde: „Hätte sich die<br />
RADAG einsichtiger <strong>und</strong> kooperativer verhalten,<br />
hätten wir dieses Ziel wohl schon vor<br />
Jahren erreicht.“<br />
Konzept der neuen Fischaufstiegshilfe<br />
am Maschinenhaus<br />
des Kraftwerks Albbruck-Dogern.<br />
Das Konzept<br />
sieht eine Art Umgehungsgerinne<br />
vor. Der Einstieg<br />
in die Fischaufstiegshilfe<br />
soll ähnlich wie beim KW<br />
Iffezheim in den beruhigten<br />
Bereich über den Saugrohren<br />
der Turbinen im Unterwasser<br />
gebaut werden.<br />
Dr. Ueli Rippmann<br />
Büro für Gewässerökologie<br />
<strong>und</strong> Fischbiologie<br />
Bergstr.4b<br />
CH - 5644 Auw<br />
Tel. 056 668 07 80<br />
ueli.rippmann@swissonline.ch<br />
<strong>natur</strong> <strong>und</strong> <strong>mensch</strong> 2 / 2007<br />
Seite 13
Rheinaub<strong>und</strong><br />
„KWO Plus“ Grimsel –<br />
Mauererhöhung gegen Moorlandschaft<br />
Kürzlich führte die Jungfrau Zeitung eine LeserInnen-Umfrage durch:<br />
59% fanden, der Schutz der Grimsel-Landschaft sei vordringlich, 40%<br />
waren der Meinung, die Staumauererhöhung der KWO sei von nationaler<br />
Bedeutung. Obwohl dieses Ergebnis nicht repräsentativ ist, wagen<br />
wir die Folgerung, dass sich auch die Mehrheit des Volkes für die<br />
Landschaft von nationaler Bedeutung entscheiden würde. Nicht so die<br />
Behörden. Um was geht es im Kontext der politisch <strong>und</strong> wirtschaftlich<br />
aktuellen Klima- <strong>und</strong> Energiedebatte? Die KWO stellen die Förderung<br />
der CO2-freien Wasserkraft in den Vordergr<strong>und</strong>, der Grimselverein <strong>und</strong><br />
die Umweltverbände den verfassungsmässig garantierten Schutz der<br />
einmaligen Gletscher- <strong>und</strong> Moorlandschaft.<br />
Jürg Bloesch<br />
Ein völlig normaler öffentlicher Disput, eine<br />
Interessenabwägung, die nach demokratischen<br />
Spielregeln ablaufen. Wer schliesslich<br />
Recht hat, werden die Gerichte entscheiden<br />
müssen. Wir haben schon im Heft<br />
2/2005 darüber berichtet <strong>und</strong> rufen hier<br />
die lange Leidensgeschichte in Erinnerung<br />
<strong>und</strong> beleuchten die Hintergründe der<br />
Schlagworte.<br />
Von „Grimsel West“ zu „KWO Plus“<br />
Begonnen hat alles im Jahre 1988. Damals<br />
gelangten die KWO mit dem gigantischen<br />
Pumpspeicherprojekt „Grimsel West“ an<br />
die Öffentlichkeit, mit dem Ziel, das Speicher<br />
volumen des in den 1930er Jahren gebauten<br />
Grimsel-Reservoirs mit einer 200<br />
Meter hohen Staumauer zu vervierfachen<br />
<strong>und</strong> die Stromproduktion wesentlich zu<br />
steigern. Damit wären Unteraargletscher<br />
<strong>und</strong> Arvenwald massiv eingestaut worden.<br />
Die Unverträglichkeit mit der Umwelt war so<br />
offensichtlich <strong>und</strong> der Widerstand so gross,<br />
dass die Kraftwerksbetreiber das Projekt sogar<br />
unter dem Beifall der Behörden 1999<br />
definitiv zurückzogen. Jetzt kam das re-<br />
duzierte Projekt „KWO Plus“ auf den Tisch,<br />
über das heute noch gestritten wird. Im<br />
März 2007 hat das Wasserwirtschaftsamt<br />
des Kantons Bern mit dem Segen des Berner<br />
Regierungsrates den Gesamtbauentscheid<br />
veröffentlicht <strong>und</strong> die Einsprachen der<br />
Umweltverbände abgewiesen, ohne sich<br />
damit wirklich auseinander zu setzen. Das<br />
Projekt wird in der Interessenabwägung als<br />
umweltverträglich bewertet <strong>und</strong> bewilligt.<br />
Die Umweltverbände haben die 30-tägige<br />
Frist genutzt <strong>und</strong> beim Verwaltungsgericht<br />
des Kt. Bern Beschwerde eingereicht.<br />
Auf der Umweltschutzseite blättern wir zurück<br />
ins Jahr 1987, als die Rothenthurm-<br />
Initiative vom Volk überraschend angenommen<br />
wurde. Damit hatte es Ja gesagt<br />
zu einem in der B<strong>und</strong>esverfassung verankerten<br />
umfassenden Schutz aller Moore<br />
in der Schweiz, nicht nur des Hochmoors<br />
von Rothenthurm. Das damalige BUWAL<br />
(heute BAFU) hatte die Aufgabe, in Zusammenarbeit<br />
mit den Kantonen die Perimeter<br />
der Moorlandschaften nach <strong>natur</strong>wissenschaftlichen<br />
Kriterien festzulegen <strong>und</strong> wenn<br />
möglich mit einer Pufferzone zu umgeben,<br />
welche den Schutz der Moore gegen die<br />
schädlichen Einflüsse intensiver <strong>mensch</strong>licher<br />
Aktivität unterstützen sollte. Eine<br />
äusserst schwierige <strong>und</strong> anspruchsvolle<br />
Seit 1988 müssen sich die<br />
Umweltverbände mit den<br />
Plänen der Kraftwerke<br />
Oberhasli auseinandersetzen.<br />
Foto: visipix.com / kwo<br />
Seite 14 <strong>natur</strong> <strong>und</strong> <strong>mensch</strong> 2 / 2007
Arbeit, da die verschiedenen Interessen von<br />
Nutzung <strong>und</strong> Schutz aufeinander trafen. So<br />
ist es nicht erstaunlich, dass der Moorschutz<br />
nicht in allen Kantonen gleich gut <strong>und</strong> rasch<br />
umgesetzt wurde. Heute kann man sagen,<br />
dass das Ziel bezüglich Ausscheiden der<br />
Schutzzonen weitgehend erreicht ist, dass<br />
allerdings noch sehr viel in der aktuellen<br />
Umsetzung zu tun ist. Im Bezug auf die alpine<br />
Moorlandschaft Grimsel, die einen<br />
einzigartigen Arvenwald einschliesst, fand<br />
der B<strong>und</strong>esrat allerdings nicht den Mut,<br />
den Moorschutz konsequent anzuwenden.<br />
Nach allzu langem Zögern verschob er im<br />
Februar 2004 die Grenze des Schutzgebiets<br />
um 27 m nach oben <strong>und</strong> veränderte den<br />
Perimeter so, dass das durch den Aufstau des<br />
Reservoirs betroffene Gebiet gerade nicht<br />
mehr in der „offiziellen“ Moorlandschaft ist.<br />
Die Behörden haben nach rein politischen<br />
Gr<strong>und</strong>sätzen einen „Zonenplan“ erstellt <strong>und</strong><br />
damit nicht nur die Natur sondern auch die<br />
Verfassung übergangen.<br />
Durch den Aufstau um wei -<br />
tere 23 Meter gingen wertvolle,<br />
geschützte Landschaften<br />
an der Grimsel unwiderruflich<br />
verloren.<br />
Foto: visipix.com / kwo<br />
war nach aussen zwar jovial <strong>und</strong> offen,<br />
im Wesentlichen aber verwinkelt <strong>und</strong> unklar,<br />
weil die 2004 vorgesehenen fünf Ausbaustufen<br />
laufend durch eine „rollende“<br />
Planung verändert <strong>und</strong> ergänzt wurden. Dies<br />
liess den kritischen Umweltverbänden unter<br />
der Federführung von Pro Natura <strong>und</strong> WWF<br />
<strong>und</strong> der kräftigen Mitarbeit von Rheinaub<strong>und</strong>,<br />
Aqua Viva, Stiftung Landschaftsschutz<br />
Schweiz, Schweizerische Energie-Stiftung,<br />
Greenpeace <strong>und</strong> Schweizerische Greina-Stiftung<br />
keine Möglichkeit, sich bezüglich Umweltverträglichkeit<br />
an einem inte gra len Projekt<br />
zu orientieren. Auch der lokale „Grimselverein“<br />
hat einen schweren Stand, denn<br />
die KWO buhlen mit der Berner Kan tonsregierung<br />
um Arbeitsplätze <strong>und</strong> hebeln so<br />
den konsequenten Umweltschutz aus.<br />
Mauererhöhung <strong>und</strong> Moorschutz<br />
nicht verhandelbar<br />
Wenn die KWO den Umweltverbänden f<strong>und</strong>amentalistische<br />
Haltung vorwerfen, so ist<br />
dieser Vorwurf auch auf die KWO anwendbar.<br />
Das zentrale Streitobjekt ist der Umfang<br />
der Staumauererhöhung bzw. der Schutz<br />
der national einzigartigen Moorlandschaft.<br />
Es stellte sich nämlich nach einer langen<br />
Hinhaltetaktik der KWO heraus, dass die von<br />
ihnen vorgegebene Erhöhung der Staumauer<br />
um 23 Meter nicht verhandelbar sei, da nach<br />
ihrer Meinung die Investitionskosten <strong>und</strong><br />
die Wirtschaftlichkeit bei einer niedrigeren<br />
Staumauer nicht mehr gegeben sei. Damit<br />
waren die Umweltverbände, die eine geringere<br />
Erhöhung unter Umständen hätten<br />
akzeptieren können, gezwungen, auch den<br />
Perimeter der Moorlandschaft als nicht verhandelbar<br />
zu erklären, da er verfassungsmässig<br />
garantiert ist.<br />
Die fünf Kernanliegen<br />
der Umweltverbände<br />
Am 12. März 2007 haben die Umweltorganisationen<br />
mit einer Medieninformation ihren<br />
Standpunkt nochmals klar gemacht.<br />
Wir kämpfen als Anwälte der Natur für<br />
eine intakte Alpenwelt <strong>und</strong> den bestmöglichen<br />
Schutz eines BLN-Gebietes. Es<br />
geht also im Wesentlichen um das Mass<br />
des Kraftwerkausbaus, <strong>und</strong> darum, welche<br />
öffentlichen Interessen stärker gewichtet<br />
werden sollen: Etwas mehr Stromproduktion<br />
oder eine ungeschmälerte Moorland<br />
schaft. Nicht unwesentlich sind dabei die<br />
der Interessenabwägung zugr<strong>und</strong>e liegenden<br />
Berichte <strong>und</strong> die Wahl des Verfahrens.<br />
Kein Kompromiss möglich<br />
Mit dem Projekt „KWO Plus“ wollen die Kraftwerksbetreiber<br />
gemäss eigenen Abgaben „einen<br />
Teil ihrer Anlagen sanieren <strong>und</strong> aufwerten,<br />
das vorhandene Potenzial an Wasserkraft<br />
besser nutzen <strong>und</strong> die Kraftwerksleistung er -<br />
höhen“. Leider war in all den Jahren der<br />
heissen <strong>und</strong> zähen Diskussionen kein annehmbarer<br />
Kompromiss möglich. Die Fron -<br />
ten erstarrten mehr <strong>und</strong> mehr im gegenseitigen<br />
Misstrauen. Die Strategie der KWO<br />
Der Ausbau der regenerativen<br />
Energie ist wichtig,<br />
aber dürfen wir dafür auch<br />
geschützte Landschaften<br />
von nationaler Bedeutung<br />
opfern?<br />
Foto: visipix.com / kwo<br />
<strong>natur</strong> <strong>und</strong> <strong>mensch</strong> 2 / 2007<br />
Seite 15
Rheinaub<strong>und</strong><br />
Die „Rechtsgruppe Grimselschutz“, in der die<br />
Umweltschutzorganisationen vereint sind,<br />
hat ihre ökologischen Anliegen auf fünf<br />
Punkte konzentriert, um dieses immer noch<br />
überrissene, energiepolitisch unnötige wie<br />
ökonomisch fragwürdige (wenn auch im<br />
Moment lukrative) Projekt zu bekämpfen:<br />
(1) „Salamitaktik“ statt sauberes Konzessionsverfahren.<br />
Die Direktion der KWO hat<br />
sich für eine „rollende“ Planung des<br />
Kraftwerkausbaus entschieden. Zur Zeit<br />
sind sieben Teilprojekte bekannt, von denen<br />
einige unbestritten, andere jedoch kaum<br />
umweltverträglich sind. So werden laufend<br />
neue Projektstufen an den bestehenden<br />
Plan angefügt. Das mag vom Technischen<br />
her angebracht sein, bezüglich der<br />
Abschätzungen der Umweltauswirkungen<br />
des ganzen Projekts ist dieses Vorgehen aber<br />
nicht haltbar. Wie können die Eingriffe der<br />
Neuanlagen auf die Umwelt umfassend beurteilt<br />
werden, wenn sich das Gesamtprojekt<br />
dauernd ändert bzw. Teilprojekte bewilligt<br />
werden? Auch haben sich die Behörden<br />
für ein Baubewilligungsverfahren entschieden,<br />
obwohl das kantonale Wassernutzungsgesetz<br />
unmissverständlich festhält,<br />
dass eine Erhöhung des nutzbaren<br />
Gefälles zwingend im Konzessionsverfahren<br />
behandelt werden muss. Damit wird das<br />
Gewässerschutzgesetz unterlaufen, denn<br />
mit der alten Konzession brauchen sich die<br />
KWO bis zu deren Ablauf im Jahre 2042 weder<br />
um Restwassermengen noch um ungedämpfte<br />
Schwallspitzen zu kümmern. Sie<br />
können sich mit einer milden Sanierung<br />
begnügen, die nicht den ökologischen<br />
Auflagen einer Neukonzession entspricht,<br />
die sich am neuen Gewässerschutzgesetz<br />
(1992) orientieren.<br />
(2) Moorschutz, unser wichtigstes Argument:<br />
Unzulässige Naturzerstörungen in einer<br />
Landschaft von nationaler Bedeutung.<br />
Wir bewerten die über 500 Jahre alten<br />
Arven in der „Sunnig Aar“, die betroffene<br />
alpine Moorlandschaft <strong>und</strong> das einzigartige<br />
Gletschervorfeld als Naturwerte, deren<br />
Zerstörung einen nicht wieder gut<br />
zu machenden Schaden darstellen würde.<br />
Die von den KWO vorgeschlagenen<br />
Ersatzmassnahmen können auch nach<br />
Ansicht der ENHK <strong>und</strong> der Fachstellen die<br />
Verluste an Natur- <strong>und</strong> Landschaftswerten<br />
nicht genügend ersetzen. Dabei spielt es<br />
keine Rolle, ob diese Naturkleinode am Rand<br />
des BLN-Gebiets sind oder nicht. Gerade die<br />
Randgebiete von Schutzzonen sind immer<br />
akut gefährdet, weil sich die <strong>mensch</strong>lichen<br />
Aktivitäten Schnitz um Schnitz davon abschneiden,<br />
bis nichts Schützenswertes mehr<br />
übrig bleibt. Es geht um eine einzigartige<br />
Landschaft <strong>und</strong> damit auch um Ästhetik,<br />
Ethik <strong>und</strong> echte Nachhaltigkeit. Diese wahren<br />
Werte stehen mit einem kurzfristigen<br />
Gewinn in Konkurrenz. Es geht also um<br />
weit mehr als die ökologische Funktion von<br />
Pionier-Pflanzengesellschaften. Es geht um<br />
ein Stück Heimat, die durch die knorrigen<br />
uralten Arven an der „Sunnig Aar“ hervorragend<br />
dargestellt wird.<br />
(3) Vergrösserung des Grimselsees hat keine<br />
nationale Bedeutung für die Stromversorgung.<br />
Wie schon oben angedeutet, gewichten<br />
wir den Eingriff in die Landschaft<br />
von nationaler Bedeutung anders als<br />
die KWO <strong>und</strong> die Behörden. Zwar sind<br />
Eingriffe in solche Gebiete gr<strong>und</strong>sätzlich<br />
möglich, wenn ein wichtiges nationales<br />
Interesse damit wahrgenommen werden<br />
soll. In unserer Einsprache zeigen wir auf,<br />
dass der geplante, bescheidene Ausbau<br />
eines Wasserkraftwerks keine nationale<br />
Bedeutung für die Stromversorgung hat. Bei<br />
genauerer Betrachtung erweisen sich die<br />
Argumente der Kraftwerkslobby als nicht zutreffend.<br />
Die Erhöhung der Staumauer ist eine<br />
rein betriebswirtschaftliche Optimierung<br />
im Rahmen des europäischen Stromhandels.<br />
Die Produktionserhöhung von 5–7 GWh<br />
(0.01% der inländischen Stromproduktion)<br />
durch die Staumauererhöhung allein ist<br />
kein wesentlicher Beitrag zur Deckung des<br />
nationalen Stromverbrauchs. Der Rest der<br />
ausgewiesenen 20 GWh Mehrproduktion<br />
kann auch ohne Staumauererhöhung durch<br />
technische Optimierungen erbracht werden.<br />
Die geplante Produktionsverlagerung<br />
von Spitzenstrom ins Winterhalbjahr ist<br />
nicht sinnvoll, weil dann eher Bandenergie<br />
gefragt ist. Mehr Regelenergie für die<br />
Die Salamitaktik der Kraftwerke<br />
Oberhasli (im Bild die<br />
Zentrale Innertkirchen) bereitet<br />
den Umweltverbän den<br />
massive Probleme.<br />
Foto: visipix.com / kwo<br />
Seite 16 <strong>natur</strong> <strong>und</strong> <strong>mensch</strong> 2 / 2007
Netzsicherheit, wie von den KWO verlangt,<br />
braucht es gar nicht, denn die vorhandenen<br />
Kapazitäten genügen vollauf. Der vergrösserte<br />
Grimselsee bietet mehr Möglichkeiten<br />
zum Pumpen <strong>und</strong> Wiederturbinieren.<br />
Der Pumpspeicherbetrieb würde 10–20<br />
mal mehr Strom vernichten als zusätzlich<br />
produzierte erneuerbare Energie.<br />
Zudem werden netto CO2-Treibhausgase<br />
produziert (r<strong>und</strong> 530 g CO2 pro kWh),<br />
weil zur Betreibung der Pumpen fossile<br />
Energie aus dem Euromix benötigt<br />
wird. Von „ökologischer Stromproduktion“<br />
oder Klimaschutzmassnahme kann also<br />
keine Rede sein. Schliesslich hat der<br />
Pumpspeicherbetrieb auch verheerende<br />
Folgen für das hydrologische Regime <strong>und</strong><br />
die aquatische Fauna.<br />
(4) „KWO Plus“-Projekte verschärfen Gewässerschutzprobleme.<br />
Nebst der ungenügenden<br />
Restwassermenge in den gefassten Bächen<br />
(nach heute gültiger Kon zession)<br />
<strong>und</strong> dem Moorschutz am Grimselsee gibt<br />
es noch weitere äusserst gravierende<br />
Umweltschutzprobleme. Die Auswirkungen<br />
des Sunk-Schwall Betriebs sind hinlänglich<br />
bekannt: die zeitlich rasanten Abfluss<strong>und</strong><br />
Pegeländerungen im Rhythmus<br />
des Turbinierens gefährden die Fische<br />
<strong>und</strong> Kleinlebewesen massiv. Entgegen<br />
den Behauptungen der KWO sind die<br />
Pegelamplituden enorm. Am 9. Januar<br />
2006 wurde in der Aare bei Brienzwiler<br />
ein Pegelanstieg von 74 cm in 10 Minuten<br />
gemessen. Am 10. Januar 2006 stieg der<br />
Abfluss von 3 m 3 /s um 6 Uhr auf 54 m 3 /s<br />
um 9 Uhr, was einen Schwallfaktor von 18:1<br />
ergibt. Dieser Faktor würde durch die angekündigte<br />
sechste Turbine im Kraftwerk<br />
Innertkirchen 1 noch wesentlich erhöht. In<br />
Österreich werden Faktoren von 3–5 als ökologisch<br />
vertretbar angesehen. Wieso soll dieser<br />
Standard nicht auch in der Schweiz gelten?<br />
Zwar planen die KWO, dieses Problem<br />
mit Hilfe eines Ausgleichsbeckens zu mildern.<br />
Eine gute Absicht, aber leider schlecht<br />
umgesetzt, denn die Kapazität des geplanten<br />
Beckens ist viel zu klein. Der Sunk-<br />
Schwall Effekt in der Aare muss zum Schutz<br />
der aquatischen Fauna vermindert werden.<br />
Auch das Vorfeld des<br />
Ober aar gletschers wäre<br />
vom Höherstau des<br />
Grimselsees betroffen.<br />
Foto: visipix.com / kwo<br />
Ein zweites, nicht minder brisantes Thema ist<br />
die Trübung des Brienzersees <strong>und</strong> der damit<br />
möglicherweise verb<strong>und</strong>ene Fisch rückgang.<br />
Selbst eine wissenschaftliche Studie konnte<br />
den Beweis nicht einwandfrei erbringen, dass<br />
der Trübung keine ökologische Bedeutung<br />
zukomme. Zwar wird die Wintertrübung vom<br />
Kraftwerksbetrieb unzweifelhaft erhöht, indem<br />
statt wie früher 3’000 Tonnen jetzt jeden<br />
Winter 14’000 Tonnen Schwebstoffe eingetragen<br />
werden. Deren Bedeutung wird aber<br />
von den KWO heruntergespielt, während die<br />
Auswirkungen auf die Frühjahrsproduktion<br />
der Algen wohl unterschätzt wurden. Da<br />
der nährstoffarme Brienzersee sowieso nur<br />
geringe Algenbiomassen erzeugen kann,<br />
werden diese noch zusätzlich verringert,<br />
indem die Frühjahrsproduktion wegen<br />
Lichtmangels geschmälert wird. Darunter leiden<br />
dann das Zooplankton <strong>und</strong> die Felchen<br />
am Ende dieser Nahrungskette: sie haben<br />
nichts zu fressen, wachsen langsamer, <strong>und</strong><br />
die Populationsdichte bzw. der Fischbestand<br />
nimmt ab.<br />
(5) Energie- <strong>und</strong> regionalwirtschaftliche Alternativen.<br />
Der Wert der Wasserkraft als alte<br />
erneuerbare Energiequelle ist uns selbstverständlich<br />
bewusst. Es gibt jedoch auch<br />
Grenzen der Nutzung. Wenn die Politiker<br />
<strong>und</strong> Kraftwerksbetreiber den Vorzug der<br />
CO2-freien Stromproduktion hervorheben<br />
(der bei Pumpspeicherung allerdings<br />
ins Gegenteil kehrt), muss man gleichzeitig<br />
auch den gesellschaftlichen Wert der<br />
aquatischen Ökosysteme im Auge behalten.<br />
Die Energiedebatte muss im Sinne der<br />
Ökonomie <strong>und</strong> Nachhaltigkeit auch dezentrale<br />
Energieformen berücksichtigen,<br />
nebst dem sehr beträchtlichen technischen<br />
Sparpotential, das es auszuschöpfen gilt. Die<br />
Umweltorganisationen empfehlen deshalb<br />
das Know-how der KWO mit einem zu gründenden<br />
Kompetenzzentrum für dezentrale<br />
Energieerzeugung zu nutzen. So würde<br />
zum Beispiel der Ersatz von unsinnigen in<br />
den 1970er Jahren noch geförderten Elektro<br />
heizungen <strong>und</strong> Ölheizungen durch Wärme<br />
kraftkopplungsanlagen in den Häusern<br />
eine viel effektivere Wärmenutzung <strong>und</strong><br />
Stromeinsparungen ermöglichen. Die von<br />
allen propagierte Förderung von Arbeitsplätzen<br />
liesse sich auch so erreichen.<br />
Zusammenfassend halte ich fest, dass die<br />
Umweltverbände die von den Behörden vorgenommene<br />
Interessenabwägung zugunsten<br />
des Kraftwerkausbaus <strong>und</strong> gegen das<br />
BLN-Gebiet nicht akzeptieren <strong>und</strong> dies auch<br />
begründen können. Für den Rheinaub<strong>und</strong><br />
heisst das, dass wir uns auch in diesem Fall<br />
engagiert <strong>und</strong> sachlich f<strong>und</strong>iert für den<br />
Gewässerschutz <strong>und</strong> den Landschaftsschutz<br />
als Anwalt der Natur im nationalen Interesse<br />
einsetzen.<br />
(Weitere Informationen unter<br />
www.wwf-be.ch <strong>und</strong> www.pro<strong>natur</strong>a.ch/be)<br />
Jürg Bloesch<br />
Dr. sc. nat. ETH Limnologe<br />
Kopräsident Rheinaub<strong>und</strong><br />
Stauffacherstrasse 159<br />
8004 Zürich<br />
Tel. 044/241 11 19<br />
<strong>natur</strong> <strong>und</strong> <strong>mensch</strong> 2 / 2007<br />
Seite 17
Rheinaub<strong>und</strong><br />
Auch die kleinen Fliessgewässer benötigen<br />
Aufmerksamkeit<br />
Den letzten grossen Flusslandschaften der Schweiz wurde in den vergangenen<br />
Jahren mehr Aufmerksamkeit geschenkt. Auenschutz- <strong>und</strong> Revitalisierungsprojekte<br />
wurden zur Rettung der letzten übrig gebliebenen Reste ehemals grossflächiger<br />
Auenlandschaften umgesetzt <strong>und</strong> ihre verloren gegangene Dynamik wieder angekurbelt,<br />
doch auch die kleinen Fliessgewässer benötigen Aufmerksamkeit. Lukas Boller<br />
Aufweitungen entlang der Thur, der Birs<br />
oder verschiedene Revitalisierungsmassnahmen<br />
im Rahmen des Auenschutzparkes<br />
Aargau an Aare, Reuss <strong>und</strong> Limmat sind<br />
erfolgreiche Beispiele von Massnahmen<br />
zum Schutz der Fliessgewässer. Ebenso<br />
stehen diese Beispiele auch für einen<br />
Paradigmenwechsel in der Gewässerpolitik.<br />
Ein Umdenken ist seit Jahren im Gange, weg<br />
von harten Regulierungen <strong>und</strong> schnellem<br />
Ableiten in engen Trapezprofilen, hin zu<br />
einem <strong>natur</strong>nahen Wasserbau mit mehr<br />
Platz für Fliessgewässer <strong>und</strong> ihre angrenzenden<br />
Überflutungsflächen.<br />
Bei den erwähnten Unterfangen war die<br />
treibende Kraft ein wachsendes Bewusstsein<br />
für eine nachhaltige Kombination von<br />
Hochwasserschutz <strong>und</strong> Naturschutz.<br />
Kleine Fliessgewässer<br />
bleiben unbeachtet<br />
Neben diesen wichtigen Gewässerschutzmass<br />
nahmen wird das fein verästelte<br />
Fliessgewässernetz von Bächen bis<br />
zwei Meter Breite jedoch meist vergessen.<br />
Ihre Bedeutung wird oftmals unterschätzt<br />
<strong>und</strong> übersehen. R<strong>und</strong> 80 Prozent<br />
aller Fliesskilometer in der Schweiz fallen<br />
in die Kategorie der kleinen Fliessgewässer.<br />
Im allgemeinen befinden sie sich aber in<br />
einem ökologisch stark beeinträchtigten<br />
Zustand oder sind gar eingedolt. Doch gerade<br />
diese vielmals unscheinbaren Bächlein<br />
sind die Antriebskraft der grösseren<br />
Bäche <strong>und</strong> Flüsse, sie führen Wasser <strong>und</strong><br />
Geschiebe zum Fluss, bieten Lebensräume,<br />
Refugien <strong>und</strong> Laichgründe für viele Gewässerbewohner<br />
<strong>und</strong> sind nicht zuletzt als<br />
Vernetzungselemente in der Landschaft von<br />
entscheidender Bedeutung. Der <strong>mensch</strong>liche<br />
Organismus würde auch nur schlecht funktionieren,<br />
wären nur die Hauptschlagadern<br />
einigermassen in Ordnung, die feinen<br />
Blutgefässe zur Versorgung der Organe <strong>und</strong><br />
der Extremitäten aber mehrheitlich verstopft<br />
<strong>und</strong> vom Kreislauf entkoppelt.<br />
Trotz des seit 1994 geltenden Gewässerschutz<br />
gesetzes (GSchG) wurde bisher von<br />
Seiten der kantonalen Behörden zu wenig<br />
unternommen, um diesem Manko wesentlich<br />
entgegen zu wirken <strong>und</strong> den Rückbau<br />
der kleinen Fliessgewässer entscheidend<br />
voranzutreiben. Aus diesem Gr<strong>und</strong> entschloss<br />
sich der Rheinaub<strong>und</strong> schon vor<br />
r<strong>und</strong> sieben Jahren, selbst aktiv zu werden<br />
<strong>und</strong> Projekte an kleinen Fliessgewässern genauer<br />
unter die Lupe zu nehmen.<br />
Die kleinen Fliessgewässer<br />
machen 80 Prozent<br />
aller Fliesskilometer in<br />
der Schweiz aus.<br />
Foto: L. Boller<br />
Im Rahmen des generellen Entwässerungsplanes<br />
(GEP) <strong>und</strong> im Zusammenhang mit<br />
Bauprojekten führen viele Gemeinden<br />
Projekte im Bereich Gewässerschutz durch<br />
wie z. B. Öffnen von verrohrten Bachläufen,<br />
Bachrevitalisierungen usw. Der Rückbau<br />
der Fliessgewässer stellt nicht nur die ökologische<br />
Funktion dieser Systeme wieder<br />
her, sondern ist auch aus Sicht des<br />
Hochwasserschutzes von elementarer Be -<br />
deutung, wie dies die letzten grossen<br />
Überschwemmungen gezeigt haben. Die<br />
projektierenden Ingenieure verfügen oftmals<br />
nicht über genügend biologische<br />
Kenntnisse, sodass die Ökologie ges<strong>und</strong>er<br />
Gewässer viel zu wenig berücksichtigt<br />
wird. Viele Gr<strong>und</strong>eigentümer bekämpfen<br />
zudem aus Eigeninteresse die<br />
Umsetzung von Revitalisierungsprojekten<br />
<strong>und</strong> erschweren damit die Umsetzung des<br />
Gewässerschutzgesetzes.<br />
Rheinaub<strong>und</strong><br />
unterstützt Behörden<br />
Mit seinem breiten Fachwissen unterstützt<br />
der Rheinaub<strong>und</strong> die Fachbehörden<br />
in den Gemeinden <strong>und</strong> die zuständigen<br />
Ingenieurbüros bei der Durchführung der<br />
vielfältigen Aufgaben im Bereich Gewässerrückbau.<br />
Im Rahmen des Projektes<br />
„Kleine Gewässersanierungen“ versucht der<br />
Rheinaub<strong>und</strong> das ökologische Potenzial dieser<br />
Projekte voll auszuschöpfen, damit dem<br />
Schutz der Gewässer mitsamt ihrer vielfältigen<br />
Funktionen genügend Rechnung getragen<br />
wird. Im Zentrum der Bemühungen<br />
stehen die Wiederherstellung des Längskontinuums<br />
für die freie Wanderung von<br />
aquatischen Organismen, die Strukturverbesserung<br />
im Gewässer <strong>und</strong> die Aufwertung<br />
der angrenzenden Uferpartien.<br />
Seite 18 <strong>natur</strong> <strong>und</strong> <strong>mensch</strong> 2 / 2007
sen, bereits fertige Projekte anzupassen.<br />
Würde der Rheinaub<strong>und</strong> frühzeitig in die<br />
Projektierung mit einbezogen, brächte dies<br />
auch Vorteile für die jeweilige Gemeinde<br />
mit sich, sie kann von einer erhöhten<br />
Lebens- <strong>und</strong> Wohnqualität profitieren <strong>und</strong><br />
von einem reduzierten Einspracherisiko.<br />
Einige Gemeinden, z.B. Wald, Wädenswil,<br />
Horgen oder Lufingen sind an einer<br />
Zusammenarbeit mit dem Rheinaub<strong>und</strong><br />
bei zukünftigen Gewässerprojekten interessiert;<br />
dies stimmt zuversichtlich. Wir werden<br />
auch weiterhin den kleinen Fliessgewässer<br />
zu einer grösseren Aufmerksamkeit verhelfen<br />
<strong>und</strong> aktiv versuchen ihren ökologischen<br />
Zustand zu verbessern.<br />
Kleine Fliessgewässer sind<br />
für Ökologie <strong>und</strong> Vernetzung<br />
von grosser Bedeutung.<br />
Foto: G. Frauenlob<br />
Verschiedene Projekte im Kanton Zürich<br />
konnten durch unser Zutun im Verlaufe des<br />
letzten Jahres optimiert werden:<br />
• die Verbesserung der gewässermorphologischen<br />
Verhältnisse im Altrhein<br />
• Für den Maneggbach in Zürich-Leimbach<br />
konnte eine fischgängige Anschliessung<br />
an die Sihl gef<strong>und</strong>en werden.<br />
• Unsere Empfehlungen zur Ausgestaltung<br />
von Schwellen <strong>und</strong> Querverbauungen<br />
am Lochbach in Wald <strong>und</strong> am Müslibach<br />
in Wädenswil ermöglichten eine ökologische<br />
Optimierung dieser Projekte.<br />
• In Zusammenarbeit mit dem projektierenden<br />
Ingenieurbüro konnten Verbesserungen<br />
in der Sohlgestaltung <strong>und</strong> der<br />
Uferbestockung am Riedgraben <strong>und</strong> am<br />
ausgedolten Kanal Andreasstrasse in<br />
Zürich angeregt werden.<br />
• Eine ökologische Baubegleitung am Mülibach<br />
in der Gemeinde Winkel ermöglichte,<br />
dessen partielle Ausdolung nach<br />
ökologischen Gesichtspunkten zu verbessern.<br />
• Die nächste anstehende Revitalisierungsetappe<br />
an der Reppisch beinhaltet u.a.<br />
einen 500 m langen Revitalisierungsabschnitt,<br />
die Aufhebung zweier hoher<br />
künstlicher Abstürze <strong>und</strong> einen rauen<br />
Beckenpass zur Umgehung eines Wehres.<br />
Durch unsere Auseinandersetzung mit<br />
dem Projekt liess sich der Beckenpass<br />
nach neuesten Literaturkenntnissen optimieren.<br />
Im Hinblick auf die in der Reppisch<br />
vorkommenden <strong>und</strong> vom Aussterben bedrohten<br />
Bachneunaugen ist das uneingeschränkte<br />
Längskontinuum von entscheidender<br />
Bedeutung zum Schutz <strong>und</strong> zur<br />
Förderung dieser Art.<br />
• Im Falle des Aarbaches in Herrliberg<br />
wurde ein Rekurs gegen den behördlichen<br />
Entscheid der Wiedereindolung<br />
eingereicht. Der Rheinaub<strong>und</strong> vertritt<br />
die Meinung, dass eine Ausdolung <strong>und</strong><br />
Revitalisierung in diesem Fall gesetzlich<br />
zwingend ist, zumal eine Studie des<br />
Ingenieurbüros Schälchli, Abegg + Hunziger<br />
den Beweis einer offenen Bachlaufführung<br />
erbracht hat. Eine Antwort<br />
des Regierungsrates steht noch aus.<br />
In vielen anderen Fällen waren die Sachzwänge<br />
leider unumgänglich <strong>und</strong> Verbesserungsmöglichkeiten<br />
für die Ökologie nur<br />
marginal.<br />
Frühe Information wichtig<br />
Eine wesentliche Schwierigkeit, mit der wir<br />
häufig konfrontiert sind, ist der Umstand,<br />
dass wir immer erst sehr spät auf ein Projekt<br />
aufmerksam werden <strong>und</strong> versuchen müs-<br />
Das Beispiel Maneggbach<br />
zeigt, dass auch bei begrenzten<br />
Raumangebot ökologische<br />
Verbesserungsmöglichkeiten<br />
gegeben sind.<br />
Foto: L. Boller<br />
Wenn Sie Kenntnis von einem Projekt in<br />
ihrer Gemeinde haben oder falls Sie eine<br />
Möglichkeit sehen, einen Bach in Ihrer Nähe<br />
zu re<strong>natur</strong>ieren, nehmen Sie doch Kontakt<br />
mit uns auf. Wir werden Ihnen <strong>und</strong> Ihrer<br />
Gemeinde gerne helfen, ein ökologisch optimiertes<br />
Projekt umzusetzen <strong>und</strong> ein Stück<br />
Natur zurückzugewinnen.<br />
Lukas Boller<br />
Bachstrasse 24<br />
8200 Schaffhausen<br />
<strong>natur</strong> <strong>und</strong> <strong>mensch</strong> 2 / 2007<br />
Seite 19
Rheinaub<strong>und</strong><br />
VivaRiva – Wasser macht Schule<br />
VivaRiva zieht Bilanz: das erste Jahr war geprägt von Programmgestaltung<br />
<strong>und</strong> Öffentlichkeitsarbeit, vom Nervenkitzel der Suche nach<br />
Spendern <strong>und</strong> Sponsoren, von motivierender Zusammenarbeit mit diversen<br />
Akteuren aus Bildung <strong>und</strong> Umweltschutz <strong>und</strong> von leuchtenden<br />
Kinderaugen an erfolgreichen Bacherlebnistagen.<br />
Kathrin Jaag<br />
Entzücken <strong>und</strong> Entsetzen, Ekel <strong>und</strong> Freude<br />
spiegeln sich im Gesicht der 2. Klässlerin. In<br />
Gummistiefeln steht sie im Dorfbach, den<br />
Kescher fest in der Hand, darin bewegt sich<br />
offensichtlich was. Was Kleines. Vorsichtig<br />
guckt sie über den Netzrand. „Ich hab was,<br />
ich hab was gefangen!“ Nun ist es definitiv<br />
Stolz, der mitschwingt in der Stimme. „Und<br />
wenn es mich beisst?“ Es braucht keine<br />
grosse Überzeugungsarbeit <strong>und</strong> vorsichtig<br />
gibt die kleine Forscherin ihren Fang in den<br />
bereitgestellten Plastikteller. Zu zweit <strong>und</strong><br />
mit Lupe wird das Tier nun genauer betrachtet<br />
<strong>und</strong> nach Konsultation der Tierbilder ist<br />
klar: eine Steinfliegenlarve.<br />
Einen Tag lang haben die Schulkinder<br />
aus Wolfikon TG ihren Dorfbach unter die<br />
Lupe genommen. Fliessgeschwindigkeiten<br />
<strong>und</strong> Strömungsmuster wurden protokolliert,<br />
Uferlinie <strong>und</strong> Bachsohle untersucht,<br />
Bachlebewesen <strong>und</strong> -begleitflora erforscht<br />
<strong>und</strong> der Bach bewertet. Sie haben<br />
Dank VivaRiva erleben die<br />
Kinder ihren Bach mit ganz<br />
neuen Augen.<br />
Foto: K. Jaag<br />
Insektenlarven gefangen <strong>und</strong> bestimmt,<br />
Geräuschelandkarten erstellt, Erlen <strong>und</strong><br />
Pfaffenhütchen kennengelernt <strong>und</strong> sogar<br />
Krebse entdeckt.<br />
Eine typische VivaRiva-Szene, wie sie sich<br />
an irgendeinem VivaRiva-Bachtag abspielen<br />
könnte. An wechselnden Orten mit ändernden<br />
Protagonisten aber immer ähnlichem<br />
Inhalt. Eines bleibt: Kinder <strong>und</strong> Jugend<br />
liche erforschen den Bach, entdecken<br />
Tiere <strong>und</strong> Pflanzen, die sie zum Teil noch nie<br />
wahrgenommen haben <strong>und</strong> sind fasziniert<br />
<strong>und</strong> begeistert von ihren Entdeckungen. Die<br />
Faszination <strong>und</strong> Begeisterung sollen Keimbeet<br />
sein für eine emotionale Bindung an den<br />
Lebensraum Fliessgewässer. Eine Bindung, die<br />
im Optimalfall zu einem persönlichen Einsatz<br />
<strong>und</strong> zur Übernahme von Verantwortung für<br />
die Fliessgewässer führen kann.<br />
Ein Blick zurück:<br />
Erste Hürde geschafft<br />
Hehre Ziele <strong>und</strong> gute Ideen; dennoch hat<br />
die Weiterführung von VivaRiva gegen Ende<br />
des Jahres 2006 auf der Kippe gestanden.<br />
Die Gr<strong>und</strong>finanzierung des Projekts hat lange<br />
Zeit Kopfzerbrechen bereitet. Dutzende<br />
von Unterstützungsanträgen an Firmen <strong>und</strong><br />
Stiftungen wurden gestellt. Absagen trudelten<br />
ein: „Ihr Projekt tönt sehr spannend, aber<br />
leider ist es uns in Anbetracht der momentanen<br />
Geschäftssituation nicht möglich…“ ;<br />
„VivaRiva scheint uns durchaus unterstützenswert,<br />
doch leider entspricht das Projekt<br />
nicht genau unserem Stiftungszweck...“ Die<br />
anfängliche Gelassenheit ging in Frustration<br />
über <strong>und</strong> irgendwann im Spätherbst war eine<br />
gewisse Nervosität nicht mehr zu überspielen.<br />
Zumal die vereinzelten Zusagen auf<br />
einem Nachweis der Gesamtfinanzierbarkeit<br />
basierten. Der einzige, der hoffnungsvoller<br />
Optimist war <strong>und</strong> immer ans Projekt <strong>und</strong> seine<br />
Finanzierungsmöglichkeit geglaubt hat, ist<br />
der Geschäftsführer Ruedi Schneider. Und er<br />
hat Recht bekommen! Mitte Dezember kam<br />
die erlösende Nachricht: „Gesamtfinanzierung<br />
VivaRiva gesichert“! Die Folge: Ein<br />
grosses Aufatmen, knallende Korken (zumindest<br />
mental) <strong>und</strong> neuer Schub.<br />
Das Angebot<br />
Nun konnte VivaRiva wieder voll durchstarten.<br />
Das Angebot wurde überarbeitet, die<br />
Unterlagen erweitert <strong>und</strong> ergänzt. Was bietet<br />
VivaRiva denn genau?<br />
Momentan besteht die Wahl zwischen zwei<br />
Modulen:<br />
Modul 1, der Klassenbachtag <strong>und</strong><br />
Modul 2, die Lehrerweiterbildung.<br />
Seite 20 <strong>natur</strong> <strong>und</strong> <strong>mensch</strong> 2 / 2007
Modul 1: Der Klassenbachtag<br />
Bei Modul 1 wird in verschiedenen Forschungsteams<br />
der Lebensraum Bach unter -<br />
sucht. Die Gruppenchefin unterbreitet<br />
Vorschläge <strong>und</strong> delegiert, der Materialverantwortliche<br />
verteilt Lupen <strong>und</strong> Kescher,<br />
die Forschungscrew steigt in die Stiefel <strong>und</strong><br />
den Bach <strong>und</strong> nimmt Köcherfliegenlarven<br />
<strong>und</strong> Strudelwürmer unter die Lupe, während<br />
die Aussen ministerin für die Kommunikation<br />
Folgenden Stiftungen, Ämter <strong>und</strong><br />
Firmen sei an dieser Stelle nochmals<br />
herzlich gedankt für Ihre zum Teil<br />
sehr grosszügige Unterstützung:<br />
• Vontobel Stiftung<br />
• Cilag AG<br />
• Paul Schiller Stiftung<br />
• Georg Fischer AG<br />
• Stiftung Werner Amsler<br />
• Emch + Berger AG<br />
• Stiftung Mercator Schweiz<br />
• Zurich Versicherungen<br />
• Anna Maria <strong>und</strong> Karl Kramer-Stiftung<br />
• CleanSolution Ökofonds<br />
• The Ramsay Fo<strong>und</strong>ation<br />
• Städt. Werke Schaffhausen <strong>und</strong><br />
Neuhausen am Rheinfall<br />
• Stiftung Umweltbildung Schweiz SUB<br />
• Ernst Basler + Partner AG<br />
• Lotteriefonds Thurgau<br />
• Canon Schweiz AG<br />
• B<strong>und</strong>esamt für Umwelt<br />
• Amt für Umwelt Thurgau<br />
zwischen den Gruppen <strong>und</strong> die optimale<br />
Nutzung von Synergien sorgt. Durch spielerisches<br />
Erforschen des Lebensraums Bach<br />
erfahren die Kinder <strong>und</strong> Jugendlichen einen<br />
positiven emotionalen Zugang zu „ihrem“<br />
Dorfbach. Sie lernen ein fragiles <strong>und</strong> wertvolles<br />
Ökosystem schätzen <strong>und</strong> schützen.<br />
Was sagt das Vorhandensein von Steinfliegenlarven<br />
im Bach über die Wasserqualität<br />
aus? Wie steht die Uferlinienlänge mit der<br />
Natürlichkeit eines Fliessgewässers in Beziehung<br />
<strong>und</strong> wie stehen Ökologie <strong>und</strong> Hochwasserschutz<br />
zueinander? Eine Fachperson<br />
begleitet die Klasse während einem Tag am<br />
Wasser <strong>und</strong> übernimmt die Organisation des<br />
Tages. Stufengerechte Fragestellungen werden<br />
gemeinsam bearbeitet. Ob Nahrungs-<br />
Stafetten mit Kinder gärtnern oder Überlegungen<br />
zu Strömungsanpassungen <strong>und</strong><br />
pH-Untersu chungen mit Oberstufenschülern:<br />
der Bach bietet spannenden Stoff für<br />
alle. Wenn im Nachhinein Fragen auftauchen,<br />
stehen verschiedene Experten zur<br />
Verfügung. Das Programm kann indivi -<br />
duell auf die Schwerpunkte der Schulen<br />
angepasst <strong>und</strong> nach Bedarf auch auf mehrtägige<br />
Projekte ausgeweitet werden.<br />
Modul 2: Die Lehrerweiterbildung<br />
In Modul 2 bleibt das Thema dasselbe, doch<br />
richtet es sich an die Lehrkräfte. Es eignet<br />
sich besonders da, wo sich gerade mehrere<br />
Lehrpersonen (ev. aus aktuellem Anlass<br />
einer Dorfbachsanierung) für das Thema<br />
interessieren. In einem eintägigen Workshop<br />
werden die LehrerInnen befähigt, selbständig<br />
Gewässergüteuntersuchungen mit ihren<br />
Schulklassen durchzuführen. Sie lernen die<br />
wichtigsten Tiere <strong>und</strong> Pflanzen im <strong>und</strong> am<br />
Bach kennen <strong>und</strong> erhalten eine Übersicht<br />
über hilfreiche unterstützende Lehrmittel<br />
sowie Zugang zu einem Experten-Kontaktnetz,<br />
welches bei der Klärung weiterer Fragen<br />
jederzeit benutzt werden kann. Ausser -<br />
dem werden verschiedene Sozialkompetenzen<br />
thematisiert <strong>und</strong> besprochen <strong>und</strong><br />
eine Diskussion angeregt, die im Lehrer- <strong>und</strong><br />
Klassenzimmer weitergeführt werden soll.<br />
Auch hier kann natürlich individuell auf die<br />
lokalen Bedürfnisse eingegangen werden<br />
<strong>und</strong> das Programm auf die Schwerpunkte der<br />
Schulen angepasst werden.<br />
Umweltbildung<br />
<strong>und</strong> Sozialkompetenzen<br />
Sozialkompetenzen sind gefragt; je länger<br />
je mehr. Von den Lehrpersonen wird erwartet,<br />
dass sie diese in den Unterricht integrieren;<br />
immer mehr Themen sollen in<br />
immer weniger Schulst<strong>und</strong>en vermittelt<br />
werden. Ein Bacherlebnistag eignet sich<br />
hervorragend, aus einer Metaebene einen<br />
Blick auf Teamwork <strong>und</strong> Verantwortung,<br />
auf Gruppenbeziehungen <strong>und</strong> Kommunikations<br />
formen der Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler<br />
zu werfen. Eine Sensibilisierung auf den<br />
Umgang untereinander <strong>und</strong> ein kritischer<br />
Blick auf bestehende Hierarchien sollen den<br />
Schülern auch die Augen auf ihre <strong>mensch</strong>liche<br />
Mitwelt öffnen.<br />
VivaRiva-Klassenbachtage<br />
wurden im Jahr 2006 er folgreich<br />
an verschiedenen<br />
Orten der Schweiz durchgeführt.<br />
Interessierte<br />
SchülerInnen verschiedener<br />
Stufen untersuchten ihre<br />
Dorfgewässer <strong>und</strong> machten<br />
sich auf die Suche nach<br />
Insektenlarven <strong>und</strong> anderen<br />
Bachbewohnern.<br />
Foto: K. Jaag<br />
<strong>natur</strong> <strong>und</strong> <strong>mensch</strong> 2 / 2007<br />
Seite 21
Wo kann VivaRiva<br />
durchgeführt werden?<br />
Kurz <strong>und</strong> einfach: (fast) überall. Gebraucht<br />
wird ein Fliessgewässer, das zugänglich ist<br />
<strong>und</strong> keine allzu grosse Strömung aufweist,<br />
so dass man gefahrlos mit der jeweiligen<br />
Klassenstufe an <strong>und</strong> in das Gewässer gelangen<br />
kann. Doch bereits ein kleiner Waldoder<br />
Wiesenbach bietet genügend spannendes<br />
Leben, um den Tag zum Ereignis zu<br />
machen. In der wasserreichen Schweiz findet<br />
sich glücklicherweise in fast jeder Gemeinde<br />
ein entsprechendes Gewässer. Grössere<br />
Flüsse, die ev. selber zu gefährlich sind als<br />
Untersuchungsobjekt, bieten meist kleinere<br />
Zuflüsse, welche sich optimal eignen. Und erfreulicherweise<br />
besteht ein Trend dahin, eingedolte<br />
Gewässer wieder an die Oberfläche<br />
zu holen, ihnen wieder mehr Platz <strong>und</strong><br />
Berechtigung einzuräumen. So gibt es immer<br />
mehr spannende Untersuchungsobjekte.<br />
Gerade an solchen „Baustellen“ kann sich<br />
die Durchführung eines Lehrkurses besonders<br />
eignen. Es ist offensichtlich, dass<br />
etwas geschieht, vielleicht führt sogar<br />
der Schulweg am Bachgelände vorbei.<br />
Da lohnt es sich, die Aktualität zu nutzen<br />
<strong>und</strong> die Dorfbachsanierung als umweltpädagogische<br />
Chance wahrzunehmen.<br />
Von Sanierungsarbeiten profitiert heute<br />
meist auch die Natur. Veränderungen<br />
der Lebensräume <strong>und</strong> damit der Tiere<br />
Interesse an VivaRiva?<br />
Bitte melden <strong>und</strong> weitererzählen!<br />
Sind Sie selber Lehrperson <strong>und</strong> haben<br />
Interesse an einer Weiterbildung oder<br />
einem Bacherlebnistag? Möchten Sie<br />
im Rahmen eines Privat- oder Firmenanlasses<br />
einen spannenden Projekttag<br />
am Wasser durchführen? Kennen Sie<br />
jemanden, der ev. einen VivaRiva-Tag<br />
erleben möchte? Würden Sie sich freuen,<br />
wenn Ihre eigenen schul pflich tigen<br />
Kinder an einem Bach tag teilnehmen<br />
könnten?<br />
<strong>und</strong> Pflanzen sind zu erwarten. Und diese<br />
Veränderungen können live miterlebt werden!<br />
Es bietet sich geradezu an, jetzt den<br />
Dorfbach zum Thema zu machen <strong>und</strong> im<br />
wahrsten Sinne unter die Lupe zu nehmen.<br />
Forschungsreisen an den Dorfbach können<br />
unternommen werden, Merkmale wie<br />
Bachstrukturen <strong>und</strong> Bachrandbepflanzung<br />
oder die Wasserqualität <strong>und</strong> Bachtiere<br />
können untersucht <strong>und</strong> festgehalten<br />
<strong>und</strong> mit späteren Untersuchungen verglichen<br />
werden. Wie sehen Bachflora, -fauna<br />
<strong>und</strong> morphologische Parameter jetzt<br />
aus? Wie in einem Jahr? Wie in fünf oder<br />
zehn Jahren? Das kann zum spannenden<br />
Forschungsprojekt für die ganze Schule<br />
werden!<br />
Erzählen Sie weiter von VivaRiva <strong>und</strong> nehmen<br />
Sie bei Interesse, für Fragen <strong>und</strong><br />
Anregungen Kontakt auf mit der Projektleiterin:<br />
Dipl. Umweltnatw. Kathrin Jaag<br />
TEL. 052 625 26 58<br />
info@vivariva.ch, www.vivariva.ch<br />
Kosten <strong>und</strong> Ermässigungen<br />
Nun zur alles entscheidenden Frage: Wie<br />
teuer kommt denn ein solcher Tag zu stehen?<br />
VivaRiva soll den Rheinaub<strong>und</strong> nicht<br />
finanziell belasten. Dank der grosszügigen<br />
Unterstützungen diverser Institutionen (siehe<br />
S. 21) ist die Startphase von VivaRiva gesichert.<br />
Damit ist gewährleistet, dass Werbung<br />
<strong>und</strong> Akquisition betrieben werden können,<br />
dass das Programm ständig optimiert <strong>und</strong><br />
ausgebaut werden kann. Um das langfristige<br />
Bestehen von VivaRiva jedoch zu sichern,<br />
müssen die Anlässe bezahlt werden. Die<br />
Tageskosten belaufen sich auf 800 Franken.<br />
Ein horrender Betrag für jede Klassenkasse.<br />
Welche Schulgemeinde klagt nicht unter<br />
Budgetkürzungen <strong>und</strong> Finanzierungsschwierigkeiten?<br />
Glücklicherweise gibt es<br />
jedoch verschiedene Möglichkeiten, Viva-<br />
Riva erschwinglich zu machen. Die Stiftung<br />
Umweltbildung Schweiz (SUB) unterstützt<br />
auf Antrag Schulen bei der Durchführung von<br />
Umweltbildungsprojekten im Allgemeinen<br />
<strong>und</strong> von VivaRiva im Besonderen. Hier helfen<br />
wir gerne bei der Gesuchstellung, womit<br />
sich der Aufwand wirklich in Grenzen<br />
hält. Des Weiteren gibt’s zum Teil kanto-<br />
Ein gelungener Anlass in<br />
Romanshorn hat gezeigt,<br />
dass ein Tageskurs für Lehrer<br />
mit viel Praxisteil reicht, um<br />
allfällige Hemmschwellen<br />
für einen Bachtag abzubauen,<br />
damit einer erfolgreichen<br />
Entdeckungsreise mit der<br />
eigenen Klasse nichts mehr<br />
im Weg steht.<br />
Foto: K. Jaag<br />
Seite 22 <strong>natur</strong> <strong>und</strong> <strong>mensch</strong> 2 / 2007
nale Unterstützungen. So hat zum Beispiel<br />
die Stiftung Werner Amsler einen gewissen<br />
Betrag explizit zur Durchführung von<br />
Anlässen mit Schaffhauser Schulklassen gesprochen<br />
<strong>und</strong> das Amt für Umwelt TG finanziert<br />
einen Teil der Kosten der Schulanlässe<br />
im Kanton Thurgau.<br />
Die Bemühungen sind gross, auch in anderen<br />
Kantonen ähnliche Finanzierungshilfen<br />
zu finden, um die Durchführung von<br />
VivaRiva jeder Klasse prinzipiell zu ermöglichen<br />
<strong>und</strong> nicht eine allfällige Durchführung<br />
bereits an den Finanzen scheitern zu lassen.<br />
Der Blick nach vorne:<br />
Der Hürdenlauf geht weiter<br />
Mit der Erhöhung des Projektleitungs pensums<br />
auf 50 Prozent im Jahr 2007 ergeben<br />
sich nun hoffentlich genügend Kapazitäten<br />
zur Erfüllung ehrgeiziger Ziele: Die Etablierung<br />
von VivaRiva in der Umweltbildungsbranche.<br />
Jede Lehrperson in der Nordostschweiz<br />
soll von VivaRiva gehört haben, wissen<br />
dass es dieses Angebot gibt. 20 Anlässe<br />
sollen in diesem Jahr durchgeführt werden.<br />
Kinder <strong>und</strong> Jugendliche sollen so für den<br />
Lebensraum Bach sensibilisiert werden <strong>und</strong><br />
Träger werden für die Botschaft Raum für<br />
unsere Fliessgewässer. Eine „Akquisitionsoffensive“<br />
überrollt momentan die Kantone<br />
Schaffhausen <strong>und</strong> Thurgau; weitere folgen.<br />
Schulen <strong>und</strong> Lehrpersonen werden informiert<br />
über VivaRiva, übers Angebot <strong>und</strong> die<br />
Relevanz des Themas.<br />
Ein Bachtag ist aber nicht nur für den<br />
Unterricht spannend. Kinder <strong>und</strong> Erwachsene<br />
sollen auch ausserhalb der Schule mit<br />
dem attraktiven Ökosystem in Berührung<br />
kommen. So wird das VivaRiva-Angebot<br />
ausgeweitet auf Ferienpass-Aktivitäten,<br />
Kindergeburtstage oder Firmenevents. Bereits<br />
sind erste Gespräche diesbezüglich im<br />
Gang, Schaffhauser Jugendliche können in<br />
den Sommerferien bereits Bachluft schnuppern.<br />
Weitere Anfragen <strong>und</strong> Vorschläge<br />
werden gerne entgegen genommen.<br />
Neuer Auftritt,<br />
gleiches Anliegen<br />
Und zum Schluss noch dies: VivaRiva hat<br />
einen neuen Auftritt. Vielleicht haben Sie<br />
das neue Logo bemerkt. Ein neues Logo<br />
nach so kurzer Zeit?! Im Rahmen der<br />
„Verjüngungskur“ des Rheinaub<strong>und</strong>-Auftritts<br />
hat VivaRiva ein neues, der Corporate<br />
Identity entsprechend zum Rheinaub<strong>und</strong><br />
passendes, Markenzeichen erhalten. Das<br />
Logo ist neu, doch das Ziel bleibt dasselbe.<br />
Mit Schwung, Elan <strong>und</strong> packenden<br />
Momenten möchte VivaRiva vor allem eines<br />
erreichen: Faszination <strong>und</strong> Begeisterung<br />
wecken für ein Ökosystem, für einen<br />
Lebensraum, für die Fliessgewässer. Und damit<br />
nachhaltige Botschafter gewinnen für<br />
die sensiblen Lebensräume. Möge das hoffnungsvolle<br />
Unterfangen gelingen!<br />
Kathrin Jaag<br />
VivaRiva<br />
Rheinaub<strong>und</strong><br />
Weinsteig 192<br />
Postfach 1157<br />
8201 Schaffhausen<br />
Tel. 052 / 625 26 58<br />
info@vivariva.ch<br />
www.vivariva.ch<br />
<strong>natur</strong> <strong>und</strong> <strong>mensch</strong> 2 / 2007<br />
Seite 23
Rheinaub<strong>und</strong><br />
Erfolgreiche ökologische Begleitung<br />
der Eisenbahn-Grossprojekte<br />
Neat <strong>und</strong> Bahn 2000 sind Grossprojekte, die zur umweltgerechten<br />
Bewältigung der Mobilität sinnvoll sind. Trotzdem sind die<br />
Baumassnahmen massive Eingriffe in die Natur, die sorgsam ökologisch<br />
begleitet werden müssen – auch dies eine Aufgabe der<br />
Umweltverbände.<br />
Günther Frauenlob<br />
Gr<strong>und</strong>sätzlich erachten die Umweltschutzorganisationen<br />
den Bau der NEAT <strong>und</strong> der<br />
Bahn 2000 als sinnvolle Projekte zur umweltgerechteren<br />
Bewältigung der Mobilität<br />
von Personen <strong>und</strong> Gütern. In diesem gr<strong>und</strong>legenden<br />
Sinn kann der Beschreibung, wie<br />
Auch Eisenbahngrossprojekte<br />
belasten die<br />
Umwelt.<br />
Foto: SBB<br />
sie von AlpTransit Vertretern angewandt<br />
wird, zugestimmt werden: „Die NEAT ist das<br />
grösste Umweltprojekt der Schweiz“.<br />
Allerdings wissen wir, dass auch dieses<br />
Grossprojekt entsprechend grosse Eingriffe<br />
in die Natur, die Landschaft <strong>und</strong> die<br />
Siedlungen mit sich bringt. Gewässer sind<br />
betroffen, Gr<strong>und</strong>wasser wird tangiert,<br />
Emissionen gelangen in die Luft, Böden<br />
werden hektarweise umgelagert <strong>und</strong><br />
Lebensräume mit Lärm beschallt. Die neuen<br />
Verkehrswege der Bahn durchschnei-<br />
den Wildtierkorridore, oder diese werden<br />
im Zusammenhang mit den Ablagerungen<br />
des Ausbruchmaterials der Tunnels für lange<br />
Jahre unterbrochen.<br />
Umweltaspekte sind Gegenstand<br />
geltender Gesetze<br />
Alle diese Umweltaspekte sind Gegen stand<br />
geltender Gesetze <strong>und</strong> Verordnungen:<br />
Umweltschutzgesetz, Na tur- <strong>und</strong> Hei matschutzgesetz,<br />
Gewässer schutz ge setz, Lärmschutz<br />
ver ord nung, Luftreinhaltungsverordnung,<br />
Verordnung über die Belastung des<br />
Bodens, Waldgesetz …<br />
Es ist eine wichtige Angelegenheit der<br />
Natur-, Umwelt- <strong>und</strong> Heimatschutzorganisa<br />
tionen, der Berücksichtigung der gesetzlichen<br />
Gr<strong>und</strong>lagen zum Schutz der<br />
Umwelt, der Natur <strong>und</strong> der Heimat auch<br />
bei der Realisierung der Grossprojekte der<br />
Bahninfrastruktur Nachachtung zu verschaffen.<br />
Diese Aufgabe leiten die Organisationen<br />
u.a. aus dem ihnen durch die Gesellschaft<br />
verliehenen Beschwerderecht ab. Zur Wahr -<br />
nehmung dieser Aufgabe hat der Rheinaub<strong>und</strong><br />
zusammen mit Pro Natura, SHS, SL,<br />
SVS, VCS <strong>und</strong> WWF Martin Furter das Mandat<br />
zur Begleitung der Eisenbahngrossprojekte<br />
erteilt.<br />
Beispiele aus dem<br />
vergangenen Jahr<br />
Sachgerechte Bewirtschaftung von Trockenwiesen<br />
beim Zwischenangriff Sedrun:<br />
Nach mehreren Interventionen ist es nun<br />
endlich gelungen, eine Bewirtschaf tungsweise<br />
der gut 30 Hektar Trockenwiesen<br />
im Raum Sedrun zu initiieren, die dem<br />
Ziel der Erhaltung, bzw. der Förderung der<br />
Artenvielfalt gerecht werden kann.<br />
Materialbewirtschaftung Sedrun:<br />
Für die Ablagerung von zusätzlichem Ausbruchmaterial<br />
im Fall des erweiterten Tunnelvortriebs<br />
von Sedrun her konnten Lösungen<br />
gef<strong>und</strong>en werden, die auch aus der<br />
Sicht des Umweltschutzes verantwortet<br />
werden können. So bleibt die wertvolle<br />
Die ökologische Begleitung<br />
der Schweizer Eisenbahn-<br />
Grossprojekte findet auch<br />
international Anerkennung.<br />
Foto: photocase<br />
Seite 24 <strong>natur</strong> <strong>und</strong> <strong>mensch</strong> 2 / 2007
Gotthard Südrampe<br />
mit NEAT-Baustelle.<br />
Foto: Alptransit AG<br />
Böschung im Val Bugnei weitestgehend frei<br />
<strong>und</strong> der erforderliche Abtransport erfolgt<br />
per Bahn.<br />
Walenbrunnen im Kanton Uri:<br />
Die Re<strong>natur</strong>ierung des heute kanalisierten<br />
Walenbrunnens, die eigentliche<br />
Ersatzmassnahme für die Eingriffe in der<br />
Urner Reussebene, konnte dank unserem<br />
Einsatz wesentlich <strong>natur</strong>näher geplant <strong>und</strong><br />
genehmigt werden, als dies zu Beginn vorgesehen<br />
war.<br />
Massnahmen beim Lötschberg-<br />
Südportal / Raron:<br />
Der Sicherstellung der Uferbestockung am<br />
Rhoneufer wird Rechnung getragen <strong>und</strong><br />
für die Ersatzmassnahmen im Gebiet Moos<br />
(Feuchtgebiet) wurden aufgr<strong>und</strong> unserer<br />
Einsprache zusätzliche Massnahmen <strong>und</strong><br />
Erfolgskontrollen verfügt.<br />
Hartnäckig <strong>und</strong> konstruktiv<br />
Aufgr<strong>und</strong> des seit Beginn zwar hartnäckigen,<br />
aber immer konstruktiv geführten<br />
Dialogs des Vertreters der Organisationen<br />
ergab sich im Laufe der Jahre trotz mancher<br />
unterschiedlicher Beurteilung in einzelnen<br />
Sachfragen ein positives Verhältnis<br />
zwischen den Erbauern der NEAT <strong>und</strong> den<br />
Umweltorganisationen. Das gegenseitige<br />
Verständnis wird auch dadurch gefördert,<br />
dass die AlpTransit Gotthard AG regelmässige<br />
Informationstage mit den VertreterInnen<br />
der am Mandat beteiligten Organisationen<br />
auf den Baustellen durchführt. So können<br />
wir immer wieder feststellen, dass die leitenden<br />
Verantwortlichen der NEAT unsere<br />
eigentlich „oppositionelle“ Arbeit respektieren<br />
<strong>und</strong> keineswegs als Belästigung empfinden.<br />
Dass unsere Einwände <strong>und</strong> Begehren<br />
im Rahmen der Bauprojekte zum grössten<br />
Teil berechtigt sind, zeigt sich am Erfolg der<br />
Einsprachen <strong>und</strong> Stellungnahmen.<br />
Positive<br />
internationale Beurteilung<br />
Um den steigenden Anforderungen an die<br />
überregionale <strong>und</strong> internationale Mobilität<br />
Rechnung zu tragen, werden in Europa<br />
derzeit zahlreiche Infrastrukturprojekte<br />
wie Eisenbahn-Hochgeschwindigkeitsstrecken,<br />
Eisenbahn-Güterverkehrsstrecken <strong>und</strong><br />
Autobahnen entwickelt. Der Umfang <strong>und</strong><br />
die Komplexität dieser Projekte stellt eine<br />
grosse Herausforderung an die Organisation<br />
<strong>und</strong> das Management dar. Um eine Auswahl<br />
grosser Infrastrukturprojekte miteinander<br />
zu vergleichen <strong>und</strong> Erkenntnisse über das<br />
Management dieser Projekte zu gewinnen,<br />
hat die Unternehmensberatung Berenschot<br />
Osborne (Utrecht, NL) gemeinsam mit dem<br />
Institut für Bauplanung <strong>und</strong> Baubetrieb der<br />
Eidgenössischen Technischen Hochschule<br />
Zürich <strong>und</strong> der Erasmus Universität Rotterdam<br />
eine Studie initiiert: „Management of<br />
Large Infrastructure Projects in Europe“.<br />
Im Rahmen dieser Studie interessierten sich<br />
die Bearbeitenden für die Funktion der gesamtschweizerischen<br />
Umweltschutzorganisationen<br />
bei den Projekten Bahn 2000 <strong>und</strong><br />
insbesondere der NEAT. Das Resultat ihrer<br />
Recherchen wird in der Studie wie folgt wiedergegeben:<br />
„Als vorteilhaft hat sich in der Schweiz auch<br />
die Bestellung eines Stakeholderrepräsentanten<br />
für acht gesamtschweizerische Umweltschutzorganisationen<br />
erwiesen. Dieser<br />
unabhängige Stakeholderrepräsentant<br />
wurde von den Organisationen beauftragt<br />
<strong>und</strong> tritt in deren Namen als alleiniger <strong>und</strong><br />
mit allen Kompetenzen ausgestatteter Verhandlungspartner<br />
gegenüber den Erstellerorganisationen<br />
AlpTransit Gotthard AG <strong>und</strong><br />
BLS AlpTransit AG auf. Dieser Zusam<strong>mensch</strong>luss<br />
erlaubt die effiziente Bearbeitung<br />
der Anliegen dieser Organisationen <strong>und</strong><br />
hat für die Ersteller den Vorteil, jeweils einer<br />
gemeinsamen, koordinierten Meinung der<br />
Verbände gegenüberzustehen.“<br />
Gemäss einer Verfügung des Eidgenössischen<br />
Departments für Umwelt, Verkehr,<br />
Energie <strong>und</strong> Kommunikation (UVEK) im<br />
Rahmen des Plangenehmigungsverfahrens<br />
zum Auflageprojekt Uri 2003, wurde den Umweltschutzorganisationen<br />
in der oben erwähnten<br />
Konstellation attestiert, den Verfahrensbeteiligten<br />
präzise, gut begründete<br />
<strong>und</strong> termingerechte Vorschläge zu unterbreiten.<br />
In Anbetracht dieser Wür digung<br />
kann man auch hier von einer erfolgreichen<br />
Integration der Stakeholder in den<br />
Planungsprozess sprechen.“<br />
Günther Frauenlob<br />
Redaktor <strong>natur</strong> <strong>und</strong> <strong>mensch</strong><br />
Rheinaub<strong>und</strong><br />
Postfach 1157<br />
8201 Schaffhausen<br />
Tel. 052 625 26 67<br />
<strong>natur</strong> <strong>und</strong> <strong>mensch</strong> 2 / 2007<br />
Seite 25
Rheinaub<strong>und</strong><br />
Jahresbericht Rheinaub<strong>und</strong> 2006/2007<br />
Der folgende Tätigkeitsbericht umfasst alle Aktivitäten seit der letzten Mitgliederversammlung.<br />
Der Bericht erlaubt einen Überblick über unser umfangreiches<br />
Engagement für den Natur – <strong>und</strong> Umweltschutz.<br />
Ruedi Schneider<br />
Das Jahr 2006/2007 war für uns mehr als ereignisreich,<br />
wie die Vielzahl der Projekte,<br />
gerade im Bereich Gewässerschutz beweist.<br />
Doch auch im Landschaftsschutz, in<br />
der Umweltbildung <strong>und</strong> im Bereich der Koope<br />
rationen mit anderen Organisationen<br />
hatte dieses Jahr einiges zu bieten.<br />
Gewässerschutz<br />
Kraftwerk Kembs / Oberrhein: Die Electricité<br />
de France SA (EDF) will die am 31.12.07 ablaufende<br />
französische <strong>und</strong> schweizerische<br />
Konzession für das KW Kembs am Oberrhein<br />
erneuern. Es liegt ein umfangreiches<br />
Projektdossier vor. Die EDF nimmt für die<br />
unterliegenden Kraftwerke im Rheinkanal<br />
einen jährlichen Produktionsverlust von 86<br />
Mio. kWh in Kauf <strong>und</strong> installiert am Wehr<br />
zum Altrhein eine Dotierturbine, um die<br />
Leistung des KW Kembs zu erhalten. Obwohl<br />
der EDF eine gute Gr<strong>und</strong>einstellung (integraler<br />
Ansatz) <strong>und</strong> der Wille attestiert werden<br />
kann, ökologische Verbesserungen<br />
zu realisieren <strong>und</strong> zu finanzieren (z.B.<br />
Revitalisierung der Wiese, mehr Restwasser<br />
<strong>und</strong> Auendynamik in der Restwasserstrecke,<br />
neuer Fischpass, etc), scheint es noch einige<br />
Mängel <strong>und</strong> Unklarheiten zu geben.<br />
Dies betrifft im Wesentlichen den ungenügend<br />
abgeklärten Geschiebehaushalt, die<br />
Funktionstüchtigkeit des neuen Fischpasses<br />
(Abstieg der Aale!), die zu geringe Restwasserdotierung,<br />
das Rodungskonzept bei<br />
der KW-Zentrale <strong>und</strong> gewisse biologische<br />
Untersuchungen, sowie die Definition eines<br />
Monitorings (Erfolgskontrolle). Am 16.3.07<br />
fand auf Einladung der EDF eine Aussprache<br />
mit den Umweltschutzorganisationen beim<br />
Kraftwerk statt.<br />
Die Hauptlast der Einsprache liegt bei „Alsace<br />
Nature“, während Deutschland durch den<br />
DNR (Deutscher Naturschutzring) im Namen<br />
zahlreicher Verbände eine Stellungnahme<br />
eingereicht hat. Für die Schweiz hat die Arge<br />
Hochrhein im Namen von Fischereiverband<br />
(Schweiz. <strong>und</strong> Kant. BS <strong>und</strong> BL), Aqua Viva<br />
<strong>und</strong> Pro Natura (Schweiz <strong>und</strong> Basel) beim<br />
BFE eine Sammeleinsprache eingereicht, die<br />
sich vor allem auf die Stellungnahmen der<br />
IKSR beruft. WWF <strong>und</strong> Rheinaub<strong>und</strong> machten<br />
am 20.3.07 eigene Einsprachen, die sich<br />
im Wesentlichen auf die Inhalte der anderen<br />
abstützen.<br />
Kraftwerk Rheinfelden / Hochrhein: Der Neubau<br />
des Wehrs ist deutlich vorangeschritten.<br />
Teile des Gwildes, eines der letzten Laufen<br />
am Hochrhein sind bereits gesprengt worden;<br />
die Flussbaggerung erfolgt schrittweise<br />
in Fliessrichtung mittels temporärer<br />
Schüttdämme <strong>und</strong> ist damit deutlich<br />
umweltverträglicher als ursprünglich geplant.<br />
Teile des Flusskieses werden für das<br />
grosse Umgehungsgerinne verwendet.<br />
Die Ausgleichs- <strong>und</strong> Ersatzmassnahmen<br />
der Bauphase 2 werden jetzt in Angriff genommen<br />
(Oberwasser). Bis 2010 sollen die<br />
Turbinen in Betrieb genommen werden, bis<br />
2011 soll das Umgehungsgerinne in Funktion<br />
sein, womit man insgesamt ein Jahr gewonnen<br />
haben wird. Der Rheinaub<strong>und</strong> ist in der<br />
ökologischen Begleitgruppe vertreten.<br />
Kraftwerk Rhyburg-Schwörstadt (KRS) /Hochrhein:<br />
Dieses Kraftwerk soll im Jahr 2010<br />
eine neue Konzession erhalten. Dabei sollen<br />
gravierende ökologische Beeinträchtigungen<br />
gemildert werden. Die Verbände wur den<br />
frühzeitig eingeladen <strong>und</strong> informiert. Ein Teil<br />
Am 2. April hat die Energiedienst<br />
AG nach r<strong>und</strong> vier<br />
Jahren Bauzeit das neue<br />
Stauwehr beim Wasserkraftwerk<br />
Rheinfelden in Betrieb<br />
genommen<br />
Foto: Energiedienst AG<br />
Seite 26 <strong>natur</strong> <strong>und</strong> <strong>mensch</strong> 2 / 2007
Das Kraftwerk Eglisau<br />
am Hochrhein –<br />
seit Jahren ein Streitfall.<br />
Foto: EKZ<br />
unsere Vorschläge wurde ins Pflichtenheft<br />
übernommen. Die Auftragsvergabe für die<br />
Hauptuntersuchung (UVB) ist Mitte 2005 erfolgt.<br />
Am 28. Februar 2007 hat die Kraftwerk<br />
Ryburg-Schwörstadt AG die Konzessionsge<br />
suchsunterlagen bei den Amtsstellen in der<br />
Schweiz <strong>und</strong> in Deutschland eingereicht.<br />
Sie-<br />
Kraftwerk Albbruck-Dogern / Hochrhein:<br />
he Artikel Seite 11<br />
Kraftwerk Eglisau / Hochrhein: Der Rheinaub<strong>und</strong><br />
<strong>und</strong> Mitstreiter mussten vom Beginn<br />
des Verfahrens an um elementare Anforderungen<br />
streiten, insbesondere um den<br />
Miteinbezug der Staustrecke in die Untersuchungen<br />
der Umweltverträglichkeit. Auch<br />
die zweimalige bedingungslose Verlängerung<br />
der alten Konzession war Inhalt des<br />
Rechtsstreites.<br />
Im August 2005 erfolgte die Planauflage<br />
für das Baugesuch. Obwohl der konstruktive<br />
Dialog zur merklichen Verbesserung<br />
des Projektes beigetragen hat, mussten<br />
wir auf Gr<strong>und</strong> fachlich begründeter<br />
Motive auch hier eine Einsprache einreichen.<br />
Unsere Anträge betrafen den<br />
Geschiebehaushalt, die Fischwanderung<br />
<strong>und</strong> verschiedene Ausgleichs- <strong>und</strong> Ersatzmassnahmen.<br />
Am 23.8.2006 kam es zu<br />
den Einigungsverhandlungen. Obwohl<br />
Verbesserungen erzielt wurden, sind längst<br />
nicht alle ökologischen Anliegen erfüllt. So<br />
z.B. die Staukotenabsenkung, welche wegen<br />
der befürchteten Uferrutschungen politisch<br />
nicht machbar ist, oder die Dynamisierung<br />
des Alten Rheins bei Rüdlingen, welche am<br />
Widerstand des Kt. Schaffhausen gescheitert<br />
ist. Auch das geforderte Umgehungsgerinne<br />
auf deutscher Seite wurde aus Kosten-Nutzen-<br />
Überlegungen durch eine kombinierte<br />
Lösung mit Schiffsschleuse/Fischlift ersetzt.<br />
Aus verfahrenstechnischen Gründen müssen<br />
die meisten Anträge unserer Einsprache<br />
aufrechterhalten bleiben, auch wenn sich an<br />
der Verhandlung ein allgemeiner Konsens<br />
abgezeichnet hat. Letzter Prüfstein für<br />
den Entscheid bezüglich eines allfälligen<br />
Weiterzuges werden die Bestimmungen des<br />
Bauentscheides sein. Wir hoffen, dass unsere<br />
Anträge darin berücksichtigt werden.<br />
Kraftwerk Rheinau / Hochrhein Unter su chung<br />
Restwasserstrecke: Unsere wissenschaftliche<br />
Untersuchung der Restwasser strecke<br />
Rheinau fand in der Öffentlichkeit, bei den<br />
Behörden <strong>und</strong> bei den Projektanten bekanntlich<br />
grosse Beachtung. Das Bun -<br />
des amt für Energie (BFE), zuständig für die<br />
Grenzkraftwerke nutzt unsere Untersu -<br />
chungsergebnisse <strong>und</strong> hat uns einen Teil unserer<br />
finanziellen Aufwen dun gen erstattet. In<br />
Ergänzung zu unseren Berechnungen hat das<br />
BFE zusätzliche Szenarien für Dotierung der<br />
Restwasserstrecke <strong>und</strong> von Absenkungen<br />
der Hilfswehre berechnen lassen. Die Berechnungen<br />
wurden im März 2006 mit 1:1<br />
Dotierversuchen verifiziert. Die spektakulären<br />
Versuche fanden hohe Beachtung in<br />
den Medien. Leider wurden die für uns wichtigen<br />
Szenarien bei Vollabsenkung auch des<br />
Mitgliederversammlung 2007<br />
Die diesjährige Mitgliederversammlung<br />
findet am Samstag, den 23. Juni statt. Die<br />
Einladung mit Ort <strong>und</strong> Informationen<br />
über die Rahmenveranstaltung werden<br />
wir Ihnen rechtzeitig zusenden. Wie üblich<br />
werden wir uns im formellen Teil<br />
kurz fassen. Das Hauptgewicht liegt auf<br />
der Rahmenveranstaltung, welche einmal<br />
mehr sehr attraktiv werden wird.<br />
Bitte, reservieren Sie sich dieses Datum<br />
für den ganztägigen Anlass!<br />
oberen Hilfswehrs nicht geprüft. Inzwischen<br />
hat das BFE die Elektrizitätswerke Rheinau AG<br />
(ERAG) aufgefordert, die Auswirkungen im<br />
Hinblick auf die wirtschaftliche Tragbarkeit<br />
mit Do tierungen von 20–40m3/s; 40–60m 3 /s<br />
<strong>und</strong> 50–70m 3 /s bei abgesenkten Hilfswehren<br />
zu verifizieren. Die Frist war auf den 7.2.2007<br />
festgelegt worden.<br />
Die ERAG beabsichtigt, im Jahre 2007<br />
ein Segment des oberen Hilfswehres einer<br />
mechanischen Revision zu unterziehen.<br />
Die anderen Segmente sollen später<br />
folgen. Rechtlich ist die Sanierung<br />
Teil des ordentlichen Unterhaltes ohne<br />
Einsprachemöglichkeit. In einem Schreiben<br />
an die ERAG mit Kopie an das AWEL <strong>und</strong> das<br />
BFE stellen wir folgendes fest <strong>und</strong> werden dabei<br />
vom AWEL bestätigt: Das Bauvorhaben<br />
darf die materiellen Fragen hinsichtlich der<br />
Sanierung der Restwasserstrecke in keiner<br />
Weise präjudizieren. Überdies hat die ERAG<br />
alle Risiken der vorschnellen Revision selber<br />
zu tragen; deren Kosten dürfen in keiner<br />
Weise bei Wirtschaftlichkeitsberechnungen<br />
für die gewässerschutzrechtliche Sanierung<br />
berücksichtigt werden.<br />
„KWO Plus“ Grimsel – Mauererhöhung gegen<br />
Moorlandschaft: siehe Seite 14<br />
Kraftwerk Wettingen (Limmat): Die Stadt<br />
Zürich will ihr Kraftwerk in Wettingen für<br />
weitere 80 Jahre betreiben <strong>und</strong> das Werk<br />
erweitern. Mit dem Einbau einer Rohrturbinenanlage<br />
in das Wehr soll der neuen<br />
Gesetzgebung, insbesondere dem Gewässerschutzgesetz<br />
Nachachtung ver schafft<br />
werden. Mit der geplanten Anlage lässt sich<br />
die Limmatschlaufe, welche bisher lediglich<br />
mit einer kläglichen Restwassermenge dotiert<br />
war, ökologisch aufwerten. Trotzdem<br />
waren Verhandlungen nötig wobei ein von<br />
allen Seiten akzeptierter Konsens gef<strong>und</strong>en<br />
<strong>natur</strong> <strong>und</strong> <strong>mensch</strong> 2 / 2007<br />
Seite 27
Rheinaub<strong>und</strong><br />
<strong>und</strong> auf Anweisung der Behörden wurde<br />
das Konzessionsgesuch überarbeitet. Das<br />
den Verbänden am 27.9.2006 vorgestellte<br />
überarbeitete Projekt lässt aber besonders in<br />
puncto Umgehungsgerinne noch einiges zu<br />
wünschen übrig. Wir haben deshalb in einer<br />
Stellungnahme konkrete Verbesserungen<br />
vorgeschlagen, welche den Fachstellen <strong>und</strong><br />
dem Projektanten zur Vernehmlassung vorgelegt<br />
wurden.<br />
Fast ein W<strong>und</strong>er der Technik:<br />
Die Kombination aus<br />
technischem Fischpass <strong>und</strong><br />
<strong>natur</strong>nahem Umgehungs<br />
gerinne am KW Wettingen.<br />
Foto: G. Frauenlob<br />
wurde. Der Rheinaub<strong>und</strong> ist mit Edda Rohe<br />
in der ökologischen Begleitgruppe vertreten.<br />
Der Kraftwerksumbau ist im vollem Gange.<br />
Nach dem bereits erstellten Fischaufstieg<br />
Schanzengraben <strong>und</strong> der ca. 7 ha grossen<br />
Flussaufweitung bei Geroldswil wird derzeit<br />
das technisch sehr anspruchsvolle<br />
Umgehungsgerinne am Wehr gebaut.<br />
Kleinkraftwerk am Ambauenwehr / Engelbergeraa:<br />
Das Ambauenwehr an der Engelberger<br />
Aa unterbricht das Flusskontinuum radikal<br />
<strong>und</strong> verhindert damit den Aufstieg<br />
der Seeforelle aus dem Vierwaldstättersee<br />
zu ihren Laichgründen im Fluss. Die seinerzeit<br />
zum Betrieb einer Säge erstellte Anlage<br />
soll nun neu Strom produzieren, der ins Netz<br />
eingespeist werden soll. Der Rheinaub<strong>und</strong><br />
erhob Einsprache gegen diese Umnutzung<br />
<strong>und</strong> forderte den Rückbau der Anlage. Der<br />
Regierungsrat des Kt. Nidwalden hiess unsere<br />
Einsprache in allen Punkten gut, worauf<br />
der Antragsteller eine Verwaltungsgerichtsbeschwerde<br />
einreichte. Das Verwaltungsgericht<br />
des Kt. Nidwalden hat den für uns positiven<br />
Entscheid des Regierungsrates wieder<br />
aufgehoben <strong>und</strong> zur Neubeurteilung zurückgewiesen.<br />
Nach der Analyse durch unseren<br />
Rechtsanwalt beschlossen wir, den<br />
Entscheid des Verwaltungsgerichtes vor dem<br />
B<strong>und</strong>esgericht anzufechten.<br />
Leider hat das B<strong>und</strong>esgericht unsere Beschwerde<br />
abgewiesen. Im Wesentlichen aus<br />
formellen Gründen: Der Rheinaub<strong>und</strong> hätte<br />
alle neuen Sachverhalte bereits in der<br />
Verwaltungsgerichtsbeschwerde vorbringen<br />
müssen, weshalb diese unbeachtet<br />
blieben. Für uns bedeutet das, in Zukunft<br />
kaum mehr ein Verfahren vor einem kantonalen<br />
Verwaltungsgericht ohne anwaltliche<br />
Unterstützung zu führen, da mit erhöhter<br />
Sorgfalt prozessiert werden muss.<br />
Kraftwerk Kradolf-Schönenberg / Thur (TG):<br />
Durch den Ersatz des alten Ausleitkraftwerks<br />
durch ein Laufkraftwerk wird die bisherige<br />
Restwasserstrecke aufgehoben. Gr<strong>und</strong> -<br />
sätzlich begrüssen wir die Wieder herstellung<br />
des natürlichen Abflusses, da dies<br />
die Lebensbedingungen der aquatischen<br />
Fauna entscheidend verbessert. Unsere<br />
Einsprache aus dem Jahre 2002 beinhaltet<br />
demgemäss lediglich Forderungen bezüglich<br />
Umgehungsgerinne <strong>und</strong> Ausgleichsmassnahmen.<br />
Auf Gr<strong>und</strong> der Einsprachen<br />
Auenprojekt im Thur-Mündungsbereich / Thur<br />
+ Hochrhein: Durch die Realisierung dieses<br />
umfangreichsten Re<strong>natur</strong>ierungsprojekts an<br />
der Thur wird hier schweizweit die grösste<br />
Auenlandschaft entstehen. Nach Jahren der<br />
Planung <strong>und</strong> nach zähen Verhandlungen mit<br />
den angrenzenden Gemeinden <strong>und</strong> betroffenen<br />
Landwirten war es Ende letzten Jahres<br />
endlich soweit: Der Kantonsrat bewilligte<br />
den Kredit in Höhe von 42‘482‘000 Franken<br />
zur Umsetzung des Projektes in seltener<br />
Einmütigkeit. Tatsächlich werden bei diesem<br />
Projekt Anliegen des Hochwasserschutzes,<br />
der Ökologie, des Auenschutzes, der Gewässervitalisierung,<br />
der Landwirtschaft <strong>und</strong><br />
der Erholung so gebündelt, dass alle Betroffenen<br />
zufrieden sind.<br />
Kiesbaggerungen an der Thurmündung /<br />
Hochrhein: Infolge des Einstaus der Thurmündung<br />
durch das Kraftwerk Eglisau bleibt<br />
das Geschiebe der Thur im Mündungsbereich<br />
liegen. Die Geschiebeablagerungen müssen<br />
daher aus Hochwasserschutzgründen<br />
regelmässig ausgebaggert werden. Der<br />
Rheinaub<strong>und</strong> begrüsst die nun von der<br />
Baudirektion des Kt. Zürich verfügte teilweise<br />
Kiesrückgabe in den Rhein im Rahmen<br />
der anstehenden Geschiebebaggerungen<br />
im Umfang von ca. 70’000m 3 . Durch die<br />
Schüttung von Kiesbänken wird immerhin<br />
die noch frei fliessende Strecke zwischen<br />
Rheinau <strong>und</strong> Ellikon ökologisch aufgewertet.<br />
Thurkorrektion Weinfelden-Bürglen / Thur: Der<br />
Raum der Thur zwischen Weinfelden <strong>und</strong><br />
Bürglen im Kanton Thurgau wird für Hochwasserschutz<br />
<strong>und</strong> Re<strong>natur</strong>ierung vollständig<br />
neu gestaltet. Die im Rahmen der sogenannten<br />
2. Thurkorrektion vorgesehenen<br />
Massnahmen sind noch immer in der<br />
Projektierungsphase. Das Planungsverfahren<br />
Seite 28 <strong>natur</strong> <strong>und</strong> <strong>mensch</strong> 2 / 2007
wird von der Regionalen Arbeitsgruppe<br />
(RA) begleitet, in der alle am Vorhaben interessierten<br />
Kreise vertreten sind. Auch der<br />
Rheinaub<strong>und</strong> ist in diesem Gremium <strong>und</strong><br />
wird durch das Vorstandsmitglied , Dipl.-Ing.<br />
Landschaftsplanerin Anna Belser vertreten.<br />
Aus einer Machbarkeitsstudie mit vier<br />
Varianten hat sich die RA auf zwei Varianten<br />
festgelegt. Eine Variante ist eine Hochwasserschutzlösung<br />
mit fliessender Re tention,<br />
d.h. mit einem aufgeweiteten Fluss -<br />
profil <strong>und</strong> überschwemmbarer Aue – das sogenannte<br />
Pendelband. Die andere Variante<br />
beinhaltet eine stehende Retention in Gestalt<br />
eines Hochwasserrückhaltebeckens, genannt<br />
„Grubenau“. Im Juli 2007 werden die<br />
Vorprojekte dazu vorliegen.<br />
Einsprache gegen Seerestaurant in Uster /<br />
Greifensee: Der „Verein Pavillon Nouvel“ hat<br />
aus Beständen der EXPO ein für die Arteplage<br />
in Murten konzipiertes Restaurantgebäude erstanden<br />
<strong>und</strong> will dieses bei der Niederustemer<br />
Schifflände am Greifensee wieder aufbauen.<br />
Das Ge bäude beansprucht eine bisher offen<br />
gehaltene Wiese <strong>und</strong> überstellt mit der<br />
Terrasse sogar die Uferlinie. Im Oktober 2003<br />
verweigerten sowohl die Volkswirtschaftsdirektion<br />
wie auch die Baudirektion die nötigen<br />
Bewilligungen, bejahten aber gr<strong>und</strong>sätzlich<br />
die Bewilligungsfähigkeit hinsichtlich<br />
Gr<strong>und</strong>wasserschutz. Gegen den ablehnenden<br />
Entscheid rekurrierten sowohl der Verein<br />
wie auch die Stadt Uster beim Regierungsrat.<br />
Dieser hob zur allgemeinen Verblüffung alle<br />
Verfügungen der eigenen Direktionen<br />
auf. Gegen diesen Entscheid erhob der<br />
Rheinaub<strong>und</strong> Beschwerde beim Zürcher<br />
Verwaltungsgericht, welches die Beschwerde<br />
am 7.2.2006 teilweise guthiess <strong>und</strong> an die mitbeteiligten<br />
Direktionen zur erneuten Prüfung<br />
„im Sinne der Erwägungen“ zurückwies. Wir<br />
haben uns im Berichtsjahr bemüht, mit der<br />
Stadt <strong>und</strong> dem „Verein Pavillon Nouvel in<br />
Kontakt zu treten. Es kamen denn auch zwei<br />
Informations- <strong>und</strong> Verhandlungsr<strong>und</strong>en zustande.<br />
Leider konnte kein Konsens bezüglich<br />
eines alternativen Standorts gef<strong>und</strong>en<br />
werden, die Projektanten beharren auf dem<br />
ursprünglichen Standort. Man darf gespannt<br />
sein, wie die Behörden entscheiden.<br />
Kleine Gewässersanierungen – Beratungstätigkeit:<br />
siehe Seite 18<br />
Garwidenbach Stellungnahme: Das amtliche<br />
Sanierungsprojekt Garwidenbach sieht<br />
die Wiedereindolung von zwei durch die<br />
Kantonsstrasse getrennten Teilstücken vor.<br />
Das eine Teilstück wurde aus Hoch wasserschutzgründen<br />
schon vor Inkraft treten der<br />
Verfügung saniert, wodurch vollendete Tat -<br />
sachen geschaffen wurden. Eine offene Wasserführung<br />
wäre unserer Ansicht nach gr<strong>und</strong>sätzlich<br />
durch einen neuen sorgfältig gewählten<br />
Bachlauf ohne erhebliche Nachteile<br />
für die Landwirtschaft möglich gewesen. Auf<br />
einen Rekurs gegen die Verfügung wurde<br />
aber zur Wahrung des Verhältnismässigkeitsprinzips<br />
verzichtet. Mit der Stellungnahme<br />
drückt der Rheinaub<strong>und</strong> jedoch sein Be -<br />
dauern über den unsachgemässen Verfahrensablauf<br />
aus.<br />
Einsprache gegen Bau eines Verbindungsstegs<br />
in Winterthur / Töss: Gestützt auf das<br />
Natur- <strong>und</strong> Heimatschutzgesetz sowie das<br />
Gewässerschutzgesetz verlangten wir den<br />
Verzicht auf den Bau eines Steges über einen<br />
Entlastungskanal des Rieter-Kanals in<br />
Winterthur-Töss, da wir die Erschliessung<br />
des bisher relativ <strong>natur</strong>nahen Ufers entlang<br />
der Töss durch einen Spazierweg <strong>und</strong> den<br />
damit verb<strong>und</strong>enen Verlust des hohen Revitalisierungspotenzials<br />
befürchteten. Da die<br />
spätere Verfügung der Zürcher Baudirektion<br />
klar festhält, dass damit kein Wegbau bewilligt<br />
wird <strong>und</strong> es damit lediglich <strong>und</strong> maximal<br />
bei einem Trampelpfad entlang des rechten<br />
Tössufers bleibt, haben wir von einem<br />
Weiterzug abgesehen. Zudem begrüssen<br />
wir, dass der Kanton Zürich einen ersatzlosen<br />
Abbruch des Stegs verlangen kann, sollte eine<br />
spätere Revitalisierung der Töss oder damit<br />
kombinierte Hochwasserschutzmassnah<br />
men dies nötig machen.<br />
VivaRiva – Wasser macht Schule: siehe Seite<br />
20<br />
Landschaftsschutz<br />
Initiative „Raum für Mensch <strong>und</strong> Natur“: Am<br />
31. Januar 2007 wurde der Verein „ Ja zur<br />
Lebensraum-Initiative“ gegründet. Der Ver -<br />
ein, zu dessen Gründungsmitgliedern auch<br />
der Rheinaub<strong>und</strong> gehört, bereitet die<br />
Unterschriftensammlung zur Eidgenössischen<br />
Volksinitiative „Raum für Mensch<br />
<strong>und</strong> Natur“ vor. Als Kernpunkt verlangt die<br />
Initiative, dass die Gesamtfläche der Bauzonen<br />
während 20 Jahren nicht vergrössert werden<br />
darf, wobei Erweiterungen von Bauzonen mit<br />
Rückzonungen an anderen Orten kompensiert<br />
werden können. Ausnahmen von dieser<br />
Bauzonenbegrenzung soll der B<strong>und</strong>esrat<br />
nur in begründeten Fällen gewähren. Die<br />
Initiative schlägt weiter eine Neuformulierung<br />
<strong>und</strong> Konkretisierung des Verfassungsartikels<br />
über die Raumplanung (Art. 75 BV) vor.<br />
An der Mündung der Thur<br />
in den Rhein soll die grösste<br />
Auenlandschaft der Schweiz<br />
entstehen.<br />
Foto: Baudirektion Kt. ZH<br />
<strong>natur</strong> <strong>und</strong> <strong>mensch</strong> 2 / 2007<br />
Seite 29
Rheinaub<strong>und</strong><br />
Projektbegleitung Eisenbahn-Grossprojekte:<br />
siehe Seite 24<br />
Rheinfall: Landkauf <strong>und</strong> Umnutzung: In Zusam<br />
menhang mit dem Kauf einer grossen<br />
Landparzelle direkt im Rheinfallbecken<br />
durch die Gemeinde Neuhausen wurde in<br />
Zusammenarbeit mit verschiedenen Interessengruppen,<br />
so auch des Rheinaub<strong>und</strong>es<br />
<strong>und</strong> des WWF ein Master plan entwickelt.<br />
Die Attraktivität eines Besuchs des Rheinfalls<br />
soll gesteigert <strong>und</strong> die Verweildauer verlängert<br />
werden. Überdies soll die Landschaft<br />
am Rheinfall durch ein verbessertes Pflege -<br />
konzept aufgewertet <strong>und</strong> einzelne Landschaftselemente<br />
wiederhergestellt werden.<br />
Neue Wege <strong>und</strong> Aussichtspunkte sollen<br />
bequeme <strong>und</strong> attraktive R<strong>und</strong>gänge<br />
ermöglichen. Für den Rheinfall gelten besondere<br />
Schutz bestimmungen <strong>und</strong> planerische<br />
Gr<strong>und</strong> lagen, insbesondere handelt<br />
es sich um ein BLN-Gebiet. Die Planung hat<br />
diese Gegebenheiten zu berücksichtigen.<br />
Der Rheinaub<strong>und</strong> ist mit Erika Maier in der<br />
Begleitgruppe vertreten.<br />
Stellungnahme zur Verordnung über die Pärke<br />
von nationaler Bedeutung: Der Rheinaub<strong>und</strong><br />
Neue Natur-Pärke von<br />
nationaler Bedeutung<br />
könnten helfen, grosse,<br />
zusammenhängende<br />
Naturschutzzonen zu<br />
sichern.<br />
Foto: photocase<br />
Immer mehr Gewerbegebiete<br />
entstehen unter<br />
grossen Flächenbedarf<br />
auf der „grünen“ Wiese.<br />
Foto: St. Pölten GV<br />
wurde eingeladen, sich zum Entwurf der<br />
Pärkeverordnung zu äussern. Nachfolgend<br />
eine vorläufige Einschätzung.<br />
Die Änderungen zum „B<strong>und</strong>esgesetz über<br />
Natur- <strong>und</strong> Heimatschutz“ (NHG) vom 6.<br />
Oktober 2006 ermöglicht die Errichtung neuer<br />
Natur-Pärke von nationaler Bedeutung in<br />
der Schweiz. Der ausgezeichnete Gesetzestext<br />
wurde von den Umweltschutzorganisationen<br />
als Durchbruch in Richtung grosser,<br />
zusammenhängender Naturschutzzonen begrüsst,<br />
ja als Erfolg gefeiert.<br />
Umso enttäuschender fällt der Entwurf der<br />
Pärkeverordnung im Bereich der regionalen<br />
Naturpärke aus. Denn es macht nicht den<br />
Anschein, als wollten die Verfasser Sinn <strong>und</strong><br />
Zweck des Gesetzes umsetzen. Im Gegenteil<br />
wird man den Eindruck nicht los, die<br />
Verordnung versuche, den Begriff des „nachhaltigen<br />
Wachstums“ so zu definieren, bis davon<br />
nichts mehr übrig bleibt. Erhärtet wird<br />
dieser Verdacht durch die erste Klausel der<br />
Charta des geplanten „parc ela“: „Stärkung<br />
der Wirtschaft <strong>und</strong> Erhaltung bzw. Schaffung<br />
neuer Arbeitsplätze“.<br />
Diverse Projekte<br />
Flughafen Zürich, Beschwerde gegen Betriebsreglement:<br />
Unsere gemeinsam mit den Ärztinnen<br />
<strong>und</strong> Ärzten für Umweltschutz erhobene<br />
Beschwerde vom 30. 4. 2005 ist immer<br />
noch hängig. Seit dem 1.1.2007 wird sie vom<br />
neuen B<strong>und</strong>esverwaltungsgericht bearbeitet.<br />
Die Rekurskommission für Infrastruktur <strong>und</strong><br />
Umwelt (REKO INUM) ist aufgehoben worden.<br />
Sie hatte der Beschwerdegegnerin (Unique<br />
Flughafen Zürich AG) <strong>und</strong> dem B<strong>und</strong>esamt<br />
für Zivilluftfahrt (BAZL) einen umfassenden<br />
Katalog mit den in den vielen Beschwerden<br />
vorgebrachten Rügen <strong>und</strong> Anträgen unterbreitet,<br />
in dem unsere Rügen gut repräsentiert<br />
waren. Den richterlichen Bescheid, ob<br />
unsere zentralen Begehren, Nachtruhe von<br />
22.00 - 7.00 Uhr, Begrenzung der Starts <strong>und</strong><br />
Landungen auf insgesamt 250‘000 pro Jahr<br />
sowie Begrenzung der Luftbelastung mit<br />
Stickoxiden, erfüllt werden, erwarten wir mit<br />
grossem Interesse.<br />
Parlamentarische Initiative „Presseförderung<br />
mittels Beteiligung an den Verteilkosten“: Der<br />
Rheinaub<strong>und</strong> wäre als Herausgeber der Zeitschrift<br />
„<strong>natur</strong> <strong>und</strong> <strong>mensch</strong>“ von einer Absetzung<br />
der Presseförderung nebst H<strong>und</strong>erten<br />
anderer Institutionen direkt betroffen. Wir<br />
begrüssen deshalb die Absicht der Staatspolitischen<br />
Kommission des Nationalrats (SPK-N),<br />
dem Parlament eine Vorlage zur Weiterführung<br />
der Presseförderung zu unterbreiten.<br />
Ebenso gehen wir mit dem Vorschlag darin<br />
einig, dass die Mitgliederpresse weiterhin<br />
in das System der Presseförderung einbezogen<br />
werden soll. In der Schweiz gibt<br />
es über 900 sprachregionale <strong>und</strong> nationale<br />
Mitgliederzeitschriften sowie viele regional<br />
ausgerichtete Publikationen. Sie übernehmen<br />
vielfältige Funktionen. Abonnierte Zeitungen<br />
<strong>und</strong> Zeitschriften sollen weiterhin von verbilligten<br />
Posttaxen profitieren. Im März 2007<br />
hat der Nationalrat als erste Kammer mit 145<br />
zu 34 einer Verlängerung der B<strong>und</strong>eshilfe um<br />
längstens sieben Jahre zugestimmt<br />
Seite 30 <strong>natur</strong> <strong>und</strong> <strong>mensch</strong> 2 / 2007
Der Rheinaub<strong>und</strong> in Daten, Zahlen <strong>und</strong> Fakten<br />
Mitglieder <strong>und</strong> Abonnenten<br />
Die im letzten Jahr vorgesehene Werbektion<br />
unter Verwendung eigener Adressen wurde<br />
aufgr<strong>und</strong> des Layoutwechsels auf das<br />
Jahr 2007 verschoben. Aus dem gleichen<br />
Gr<strong>und</strong> wurde auf die Durchführung weiterer<br />
grösser Aktionen zur Mitglieder- <strong>und</strong><br />
Abonnentenwerbung verzichtet. Wie die<br />
Grafik zeigt, haben die unterlassenen Werbeaktionen<br />
einen unmittelbaren Einfluss auf<br />
die Entwicklung der Bestände, indem Abgänge<br />
nicht mehr bzw. kaum mehr kompensiert<br />
werden können. Das neue Erscheinungsbild<br />
des Rheinaub<strong>und</strong>es, vor allem<br />
verkörpert durch das neu gestaltete Heft,<br />
bietet nun mit seinem frischen Auftritt<br />
Gelegenheit für grössere Werbeaktionen.<br />
Die verschobene Aktion mit Mobilisierung<br />
unserer eigenen Leserschaft zur Mitglieder<strong>und</strong><br />
Abonnementswerbung werden wir<br />
demnächst starten. Wir versprechen uns davon<br />
einigen Erfolg.<br />
5701 St<strong>und</strong>en<br />
für den Rheinaub<strong>und</strong><br />
Verteilung nach Arbeitsgebieten<br />
5000<br />
4500<br />
4000<br />
3500<br />
3000<br />
2500<br />
2000<br />
1500<br />
1000<br />
500<br />
0<br />
1991 1992 1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007<br />
Abonnenten 3375 3252 3498 3193 2980 2795 2706 2645 2561 2629 2361 2442 1981 1760 1570 1489 1456<br />
Mitglieder 907 938 946 935 927 921 911 873 865 846 858 823 798 755 923 967 955<br />
Von den Zeitaufwendungen entfallen 30<br />
Pro zent auf den angewandten Gewäs ser<strong>und</strong><br />
Landschaftsschutz. Dies beinhal tet<br />
insbesondere die Prüfung von Projektauflagen,<br />
Ortstermine, Stellung nah men, Baubeglei<br />
tungen <strong>und</strong> wenn nötig die rechtliche<br />
Interventionen. Mit 27 Prozent schlägt der<br />
Aufwand für die Redaktion <strong>und</strong> Verwaltung<br />
der Zeitschrift „<strong>natur</strong> <strong>und</strong> <strong>mensch</strong>“ zu<br />
Buche. Ein doch sehr erheblicher Teil der<br />
Aufwendungen, nämlich 16 Prozent betrifft<br />
die Umweltbildung (VivaRiva). 6<br />
Prozent des St<strong>und</strong>enaufwandes wird für<br />
Die Grafik zeigt den beachtlichen Anteil<br />
von 33 Prozent bzw. 1898 St<strong>und</strong>en ehrenamtlich<br />
geleisteter Arbeit. Diese Leistung<br />
wurde in der Hauptsache von aktiven<br />
Vorstandsmitgliedern erbracht. Dabei handelt<br />
es sich vorwiegend um anspruchsvolle<br />
Facharbeit. Die Kapitalisierung der<br />
geleisteten Arbeit würde eine Summe<br />
von weit über 100‘000 Franken ergeben!<br />
Der Rheinaub<strong>und</strong> verfügt jedoch auch<br />
über engagierte Personen, welche auch<br />
mal für Einpackarbeiten im Rahmen einer<br />
Versandaktion einspringen <strong>und</strong> sich dabei<br />
mit einem Mittagessen zufrieden geben.<br />
Man darf demnach feststellen, dass<br />
jeder Franken Spendengeld durch den hohen<br />
Einsatz ehrenamtlicher Tätigkeit gute<br />
„Zinsen“ trägt.<br />
Gesamtaufwand<br />
in St<strong>und</strong>en<br />
Total 5701 St<strong>und</strong>en<br />
Ehrenamtliche<br />
Arbeitszeit<br />
33%<br />
Bezahlte<br />
Arbeitszeit 67%<br />
Verteilung<br />
nach Arbeitsgebieten<br />
Umweltbildung<br />
15%<br />
<strong>natur</strong> +<br />
<strong>mensch</strong><br />
25%<br />
Werbung 6%<br />
GF <strong>und</strong><br />
Sekretariat<br />
20%<br />
angewandter<br />
Gewässer- <strong>und</strong><br />
Landschaftsschutz<br />
34%<br />
<strong>natur</strong> <strong>und</strong> <strong>mensch</strong> 2 / 2007<br />
Seite 31
Rheinaub<strong>und</strong><br />
Rubrik<br />
Werbung <strong>und</strong> die Spendentätigkeit aufgewendet.<br />
Geschäftsführung <strong>und</strong> Sekretariat<br />
erfordern einen Aufwand von 21 Prozent,<br />
wobei ein grosser Teil in Form von Informations-<br />
<strong>und</strong> Koordinationstätigkeit sowie<br />
die Sitzungsvorbereitung in direktem Zusammenhang<br />
mit den Projekten stehen.<br />
Wie wir uns finanzieren<br />
Nur ein relativ bescheidener Anteil, nämlich<br />
36 Prozent unserer Finanzierung stammt aus<br />
den ordentlichen Beiträgen (<strong>und</strong> Aufr<strong>und</strong>ungen).<br />
32 Prozent sind Spenden auf<br />
Aussendungen oder spontane Spenden von<br />
Grossgönnern <strong>und</strong> Stiftungen.<br />
VivaRiva weist einen sehr hohen Ertrag<br />
aus. Dabei handelt es sich um Starthilfe<br />
von Stiftungen <strong>und</strong> Unternehmen zur Umsetzung<br />
des Projektes. Bei den übrigen<br />
Beiträgen in Höhe von 9 Prozent handelt<br />
es sich vornehmlich um den B<strong>und</strong>esbeitrag<br />
von Fr. 30‘000.00 <strong>und</strong> weitere Beiträge, welche<br />
keinem der anderen Konten zugeordnet<br />
werden können.<br />
CHF<br />
Jahresergebnis im Vergleich<br />
450'000<br />
400'000<br />
350'000<br />
300'000<br />
250'000<br />
200'000<br />
150'000<br />
100'000<br />
50'000<br />
0<br />
-50'000<br />
Erträge<br />
nach<br />
Herkunft<br />
399'576<br />
364'466 366'732 357'770 356'653<br />
331'444<br />
-33'023 -32'844<br />
1'117<br />
2005 2006 Budget 2006<br />
B<strong>und</strong>esbeitrag /<br />
übrige Beiträge<br />
9%<br />
Jahr<br />
Mitglieder<br />
(Beiträge+Spenden)<br />
18%<br />
Ertrag<br />
Aufwand<br />
Ergebnis<br />
VivaRiva /<br />
div. Projekte<br />
23% Jahresbeiträge /<br />
Abos 18%<br />
Spenden<br />
15%<br />
Spenden auf<br />
Aussendungen<br />
17%<br />
Aktive Kooperationen / Mitarbeit in Arbeitsgruppen im Berichtsjahr<br />
• Internationale Bodensee-Stiftung:<br />
Vertretung Rheinaub<strong>und</strong> Philip Taxböck<br />
• Internationale Arbeitsgemeinschaft Re<strong>natur</strong>ierung des Hochrheins:<br />
Vertretung durch Günther Frauenlob<br />
• Projektgruppe „Geschiebehaushalt Hochrhein“:<br />
Die Schweizer NGO-Delegation besteht aus Jürg Bloesch (Rheinaub<strong>und</strong>)<br />
<strong>und</strong> Tobias Winzeler (ARGE Re<strong>natur</strong>ierung Hochrhein).<br />
• CIPRA – Schweiz: Vertretung durch Iris Scholl.<br />
• Pro Thur: Vertretung durch Anna Belser<br />
• Pro Töss: Vertretung durch Andri Bryner <strong>und</strong> Lukas Boller<br />
• Kraftwerk Schaffhausen-Begleitgruppe Ökostrom-Förderbeiträge (BÖF):<br />
Vertretung durch Ruedi Schneider<br />
• Pro Rheinlandschaft Diessenhofen: Mitgliedschaft Rheinaub<strong>und</strong><br />
• Pro Frutt-Engstlenalp: Interessengemeinschaft<br />
• Gen-Au Rheinau: Der Rheinaub<strong>und</strong> ist im Patronatkomitee<br />
durch den Geschäftsführer vertreten.<br />
• Arbeitsgruppe Recht:<br />
Vertretung durch Jean-Pierre Jaccard.<br />
• Verein „Nein zur Initiative des Zürcher Freisinns:<br />
Der Rheinaub<strong>und</strong> gehört zu den 17 Gründerorganisationen der Allianz<br />
gegen diese Initiative.<br />
• Kanton Zürich: Externe Expertengruppe Planungs- <strong>und</strong> Baugesetz:<br />
Von Seiten der Umweltverbände sind nur der Rheinaub<strong>und</strong> <strong>und</strong><br />
Pro Natura vertreten.<br />
Seite 32<br />
<strong>natur</strong> <strong>und</strong> <strong>mensch</strong> 2 / 2007
Betriebsrechnung <strong>und</strong> Bilanz 2006<br />
Kommentar zur<br />
Betriebsrechnung<br />
Die Ertragsseite weist bei den Mitglieds<strong>und</strong><br />
Abonnementsbeiträgen (1) / (2) grosse<br />
Unterschiede zu den Zahlen des Jah res<br />
2005 aus. Der Gr<strong>und</strong> ist die bei den Mitgliedsbeiträgen<br />
aufgehobene Differen zierung<br />
der Anteile Mitgliedsbeitrag <strong>und</strong> Heft.<br />
Das heisst, bis zum Jahre 2005 wurden der<br />
Anteil Abonnement des Mitgliedsbeitrages<br />
jeweils auf das Konto „Abonnenten“ gebucht.<br />
Neu geht der ganze Mitgliedsbeitrag<br />
zugunsten des Kontos „Mitglieder“. Dies<br />
führt zu höheren Mitgliedsbeiträgen <strong>und</strong><br />
geringeren Abonnementsbeiträgen. Die<br />
Summe bleibt ungefähr gleich.<br />
Der gegenüber dem Budget insbesondere<br />
bei den Mitgliedsbeiträgen geringere<br />
Ertrag lässt sich zum Teil dadurch erklären,<br />
dass grössere Aufr<strong>und</strong>ungen jeweils auf das<br />
Konto „Grossspender“ (Spenden allgemein)<br />
gebucht wurden.<br />
Augenfällig ist die positiv zu Buche schlagende<br />
Abweichung beim Ertragskonto<br />
VivaRiva (8). Die Akquise von finanziellen<br />
Mitteln war hier sehr erfolgreich. Einzelne<br />
Stiftungen haben auch bereits die vollen<br />
Beiträge für die gesamte Startphase von drei<br />
Jahren überwiesen. Insgesamt ist der Ertrag<br />
um ca. Fr. 11‘000.00 höher als budgetiert.<br />
Bei den Aufwendungen sind geringere<br />
Personalkosten unter (10) gegenüber der<br />
Rechnung 2005 verbucht. Dies ist darauf<br />
zurückzuführen, dass die Lohnkosten des<br />
Geschäftsführers für VivaRiva auf dieses<br />
Konto verbucht <strong>und</strong> dort als Eigenleistung<br />
ausgewiesen wurden.<br />
Im Bereich Marketing (12) wurden erheblich<br />
weniger Mittel investiert, indem insbesondere<br />
auf kostspielige Mailings mit gekauften<br />
Adressen verzichtet wurde.<br />
Die Projektkosten (13) sind fast Fr. 12‘000.00<br />
höher als budgetiert, was auf die unvorhergesehenen<br />
Rechtsfälle Ambauenwehr <strong>und</strong><br />
Seerestaurant Uster zurückzuführen ist.<br />
Die sehr viel höheren Aufwendungen bei<br />
VivaRiva (14) ergeben sich durch sehr hohe<br />
Erträge 2005 2006 Budget 2006<br />
1 Mitglieder (Beiträge+Spenden) 34‘936 66‘899 76‘441<br />
2 Abo N+M (Abo+Spenden) 92‘831 65‘904 67‘108<br />
3 Spenden auf Aussendungen 84‘354 63‘803 79‘990<br />
4 Spenden allgemein 70‘500 53‘738 52‘931<br />
5 Beiträge der öffentlichen Hand 30‘000 30‘000 30‘000<br />
6 Finanzerträge 2‘741 2‘416 2‘600<br />
7 Projekte allgemein 6‘707 769 2‘000<br />
8 VivaRiva (ex-Dorfbach) 7‘505 82‘300 46‘000<br />
9 Sonstige Erträge 1‘869 903 700<br />
Aufwendungen 2005 2006 Budget 2006<br />
10 Personal <strong>und</strong> Verwaltung* 164‘075 139‘669 132‘115<br />
11 Zeitschrift N+M 97‘684 100‘433 100‘574<br />
12 Marketing / Aussendungen 59‘317 27‘319 40‘320<br />
13 Projekte allgemein 36‘582 33‘166 21‘144<br />
14 VivaRiva (ex-Dorfbach) 6‘808 98‘989 62‘500<br />
* inkl. Miete, Abschr., Aufw. Mitgliedsbeitr., andere Aufwendungen<br />
Zusammenfassung 2005 2006 Budget 2006<br />
15 Ertrag 331‘444 366‘732 357‘770<br />
16 Aufwand 364‘466 399‘576 356‘653<br />
17 Ergebnis -33‘023 -32‘844 1‘117<br />
Bilanz<br />
Aktiven 2005 2006<br />
18 Flüssige Mittel 106‘317 128‘641<br />
19 Transitorische Aktiven 4‘322 7‘872<br />
20 Wertschriften 33‘310 33‘310<br />
22 Mobiliar / EDV 1‘274 0<br />
23 Total Aktiven 145’233 169‘823<br />
Passiven 2005 2006<br />
24 Kurzfristige Verpflichtungen 96 0<br />
25 Transitorische Passiven 17‘441 30‘536<br />
46 Fondsvermögen 28‘202 72‘637<br />
27 Freies Vermögen 135‘922 99‘494<br />
28 Total Passiven 181’661 202’667<br />
Verlust 32‘844<br />
Die Rechnung wurde von den Rechnungsrevisoren Hans Minder <strong>und</strong> Walter Schmid<br />
geprüft <strong>und</strong> für richtig bef<strong>und</strong>en.<br />
Rückstellungen in den Finanzierungsfonds<br />
VivaRiva. Dies kann positiv gewertet werden,<br />
da diese Rückstellungen nur auf Gr<strong>und</strong> des<br />
sehr guten Resultats der Spendenakquise<br />
möglich waren.<br />
Die Rechnung insgesamt schliesst mit einem<br />
Verlust von Fr. 32844.00 gegenüber einem<br />
budgetierten Verlust von Fr. 1117.00.<br />
Während das freie Vermögen (27) auf<br />
Fr. 99’494.00 abgenommen hat, ist das<br />
Ge samtvermögen infolge hoher Rück stel -<br />
lungen in den Finanzierungsfonds VivaRiva<br />
auf Fr. 169’823.00 gestiegen. Die Wertschrif-<br />
ten sind dabei zum Nominalwert eingesetzt,<br />
der Kurswert ist um ca. Fr. 26‘000.00 höher,<br />
dies, um kein Risiko von nichtrealisierbaren<br />
Kursgewinnen einzugehen.<br />
Ruedi Schneider<br />
Rheinaub<strong>und</strong><br />
Rheinstieg 192<br />
Postfach 1157<br />
8201 Schaffhausen<br />
Tel. 052 625 26 58<br />
<strong>natur</strong> <strong>und</strong> <strong>mensch</strong> 2 / 2007<br />
Seite 33
Mitteilungen<br />
Der Rhein: Der grösste<br />
Biotopverb<strong>und</strong> Europas<br />
Auf Begeisterung bei Gewässerschützern<br />
wird sicherlich die kürzlich erschienene<br />
Schrift „Biotopverb<strong>und</strong> am Rhein“ der Internationalen<br />
Rheinschutzkommission (IKSR)<br />
stossen! In ihrem Aktionsprogramm „Rhein<br />
2020“ plant die IKSR entlang des Rheins<br />
vom Bodensee bis Rotterdam den grössten<br />
Biotopverb<strong>und</strong> Europas zu schaffen:<br />
„Der Rhein war <strong>und</strong> ist die Lebensader für<br />
weite Teile Europas. Er verbindet als einziger<br />
Fluss Europas die Alpen mit der Nordsee.<br />
(...) Unsere heutige Landschaft am Rhein<br />
stellt sich häufig als eine Ansammlung<br />
aus Inseln – bewohnt von selten gewordenen<br />
Lebensgemeinschaften – inmitten<br />
eines nahezu unüberwindbaren Meeres<br />
von Siedlungs- <strong>und</strong> landwirtschaftlichen<br />
Intensivnutzflächen dar. (…) Nur mit einem<br />
funktionsfähigen Biotopverb<strong>und</strong> ist für<br />
viele Tier- <strong>und</strong> Pflanzenbestände ein längerfristiges<br />
Überleben <strong>und</strong> eine weitere<br />
Entwicklung möglich.“<br />
Wie die Vernetzung ökologisch wertvoller<br />
Relikte entlang des Rheins im Detail erfolgen<br />
kann, hat die IKSR jetzt in der mit<br />
Farbfotos <strong>und</strong> Abbildungen reichlich ausgestatteten<br />
Broschüre „Biotopverb<strong>und</strong> am<br />
Rhein“ auf 108 Seiten dargelegt. Für jeden<br />
Rheinabschnitt werden ein Ist-Soll-Vergleich<br />
vorgenommen <strong>und</strong> die sich daraus ergebenden<br />
Entwicklungspotenziale dargestellt.<br />
Der sich aus der Defizitanalyse ergebende<br />
Massnahmenplan ist äusserst ehrgeizig –<br />
<strong>und</strong> verdient alle Unterstützung der Umwelt-<br />
NGOs. Und umgekehrt können die Kreis- <strong>und</strong><br />
Ortsgruppen von Naturschutzverbänden vor<br />
Ort am jeweiligen Rheinabschnitt auf die Vorschläge<br />
der IKSR pochen <strong>und</strong> sie nutzen, um<br />
mehr Naturschutz, aber auch mehr Naturerlebnisraum,<br />
am Rhein durchzusetzen. Der<br />
Plan für den Biotopverb<strong>und</strong> am Rhein sollte<br />
demzufolge zur Pflichtlektüre der Umweltgrup<br />
pen <strong>und</strong> anderer interessierter Kreise<br />
im Rheineinzugsgebiet gehören. Und für die<br />
anderen europäischen Stromgebiete beinhaltet<br />
der Plan sicherlich viele Anregungen.<br />
Die Broschüre, die in deutsch, französisch<br />
<strong>und</strong> niederländisch erschienen ist<br />
kann kostenlos bezogen werden von der:<br />
Internationalen Kommission zum Schutz<br />
des Rheins (IKSR), Postfach 20 02 53, D –<br />
56002 Koblenz, Deutschland, Tel.: 0049 261<br />
94252-0, E-Mail: Sekretariat@iksr.de<br />
Quelle: BBU Wasserr<strong>und</strong>brief<br />
Geologie ist unter uns<br />
Gehört das Matterhorn zu Afrika? Wie kommen<br />
Haifischzähne in die Berge? Gibt es<br />
in der Schweiz Tsunamis? Diese <strong>und</strong> weitere<br />
Fragen beantworten Geologinnen<br />
<strong>und</strong> Geologen am 1. <strong>und</strong> 2. Juni 2007<br />
im Rahmen von „Erlebnis Geologie“. An<br />
zahlreichen Standorten in der ganzen<br />
Schweiz lassen sich vertiefte Einsichten in<br />
Gesteine, Gebirge <strong>und</strong> Gebautes gewinnen:<br />
Informative <strong>und</strong> unterhaltsame Geo-Events<br />
gewähren im Feld, im Museum oder auf der<br />
Baustelle Einblicke ins vielseitige <strong>und</strong> spannende<br />
Arbeitsgebiet der Geologie, das sich<br />
von der Erdoberfläche bis zum Erdinnern,<br />
von der Gegenwart bis in tiefste Vorzeiten<br />
erstreckt.<br />
Erlebnis Geologie zeigt, dass hinter vielerlei<br />
Alltäglichem die Arbeit von Geologen<br />
steckt: Nur dank Kenntnis des Untergr<strong>und</strong>es<br />
kann Trinkwasser gewonnen, Erdwärme genutzt,<br />
können Gebäude erstellt oder Warn<strong>und</strong><br />
Schutzsysteme gegen Erdrutsche <strong>und</strong><br />
Hochwasser entwickelt werden.<br />
Erlebnis Geologie findet 2007 erstmals statt<br />
<strong>und</strong> soll alle drei Jahre durchgeführt wer-<br />
den. Der Anlass wird vom gleichnamigen<br />
Verein organisiert <strong>und</strong> bildet den Schweizer<br />
Auftakt zum internationalen UNESCO-Jahr<br />
des Planeten Erde 2008.<br />
Informationen zum Veranstaltungsangebot<br />
gibt es im Internet unter www.erlebnis-geologie.ch<br />
Fischereiexperten: Zukunft des<br />
Aals bedroht – EU soll helfen<br />
Die Zukunft des europäischen Aals ist nach<br />
Expertenansicht gefährdet. Glasaalfische rei,<br />
Flussverbauungen, Kraftwerke, Umweltverschmutzung<br />
<strong>und</strong> Kormorane hätten die<br />
Fischart bereits stark reduziert, sagte Klaus<br />
Wysujack von der B<strong>und</strong>esforschungsanstalt<br />
für Fischerei am Montag in Hamburg. Der<br />
Aal sei der einzige Fisch, der in jedem Alter<br />
gefischt werde, betonte der Fischereibiologe<br />
Manfred Klinkhardt. In Deutschland wurden<br />
2006 r<strong>und</strong> 3300 Tonnen Aal verzehrt,<br />
pro Kopf etwa 40 Gramm. Die EU will nach<br />
Angaben des B<strong>und</strong>eslandwirtschaftsministeriums<br />
mit einem Aktionsplan eine Er-<br />
Immer weniger Glasaale<br />
erreichen die europäischen<br />
Küsten.<br />
Seite 34 <strong>natur</strong> <strong>und</strong> <strong>mensch</strong> 2 / 2007
holung der Bestände ermöglichen. Managementpläne<br />
könnten noch in diesem Jahr<br />
in Kraft treten.<br />
Deutschland will beim EU-Plan die besondere<br />
Lebensweise der Aale berücksichtigen. Es<br />
reiche nicht, nur den Fang der erwachsenen<br />
Tiere in den europäischen Flüssen zu reduzieren,<br />
um eine ausreichende Zahl von Aalen<br />
zu erhalten, die den Zug in das Laichgebiet<br />
in der Sargassosee im Westatlantik antreten<br />
können. Verzehr <strong>und</strong> Export von Glasaalen<br />
müsse reduziert werden, um genügend<br />
Nachwuchs für die Fischerei zu haben.<br />
Glasaale sind die wenige Zentimeter langen,<br />
jungen Tiere, die nach einer Reise von mehreren<br />
tausend Kilometern durch den Atlantik<br />
vor den europäischen Küsten auftauchen, um<br />
ihre Wanderung in die Flüsse zu beginnen.<br />
Mitte der 90er Jahre waren noch mehr als<br />
900 Tonnen Glasaale in Europa gefangen<br />
worden. 2006 waren es nur noch r<strong>und</strong> 100<br />
Tonnen, davon wurde knapp die Hälfte als<br />
Besatz für Aquakulturen in Asien verkauft.<br />
Der Preis pro Kilo Glasaal stieg in dieser Zeit<br />
von 80 auf mehr als 1000 Euro.<br />
Quelle: dpa<br />
Es wird heiss in den Alpen<br />
Im kürzlich veröffentlichten zweiten Teil des<br />
Uno-Klimaberichts werden erstmals spezifische<br />
Angaben über die Auswirkungen<br />
des Klimawandels in einzelnen Ländern <strong>und</strong><br />
Regionen gemacht.<br />
Nach Meinung des Intergovernmental Panel<br />
on Climate Change IPCC sind die Alpen eine<br />
der Regionen in Europa, die von Hitzewellen<br />
<strong>und</strong> Dürren am stärksten betroffen werden.<br />
Gemäss den KlimaforscherInnen wird die<br />
heimische Flora in den Alpen durch immergrüne<br />
Pflanzen verdrängt, verschiebt sich<br />
in immer grössere Höhen oder ist gar vom<br />
Aussterben bedroht. Durch die Erwärmung<br />
werden kleine Gletscher ganz verschwinden<br />
<strong>und</strong> grössere bis ins Jahr 2050 um 30 bis 70%<br />
zurückgehen. Dies führt zu Engpässen in der<br />
Wasserversorgung, da die Gletscher als natürliche<br />
Reservoire fehlen. Ausserdem werden<br />
sich durch das Schmelzwasser grossere<br />
Seen bilden, die ein hohes Ausbruchs- <strong>und</strong><br />
Überschwemmungsrisiko bergen. Durch<br />
die Temperaturerhöhung verlängert sich<br />
die schneefreie Zeit. Bei einer Erwärmung<br />
um zwei Grad Celsius <strong>und</strong> gleich bleibender<br />
Niederschlagsmenge rechnet der<br />
Klimawissenschaftsrat mit 50 zusätzlichen<br />
Tagen ohne Schnee.<br />
Quelle <strong>und</strong> Infos:<br />
http://www.ipcc.ch (en/fr/es)<br />
CIPRA legt Memorandum zur<br />
Zukunft in den Alpen vor<br />
Die Internationale Alpenschutzkommission<br />
CIPRA formuliert in einem Memorandum<br />
politische Forderungen für die zukünftige<br />
Entwicklung des Alpenraumes. Die<br />
Forderungen sind ein Resultat aus dem<br />
Projekt „Zukunft in den Alpen“.<br />
Die Zukunft gehört denen, die sie mitgestalten.<br />
In den Alpen arbeiten ungezählte<br />
Initiativen mit abertausenden AktivistInnen<br />
als Zukunftsmacher. Doch wissen viele von<br />
ihnen nicht, dass irgendwo Menschen an<br />
exakt den gleichen Problemen arbeiten wie<br />
sie. An dieser Stelle setzt das CIPRA-Projekt<br />
„Zukunft in den Alpen“ an, indem alpenweit<br />
Erfahrungswissen gesammelt, geordnet <strong>und</strong><br />
jenen zur Verfügung gestellt wird, die dieses<br />
Wissen benötigen.<br />
Um politische Forderungen <strong>und</strong> Schlussfolgerungen<br />
aus dem gesammelten Wissen<br />
von „Zukunft in den Alpen“ zusammenzufassen,<br />
haben sich am 8./9. Dezember 2006<br />
CIPRA-VertreterInnen aus sieben Staaten<br />
in Schaan/FL getroffen <strong>und</strong> das „Schaaner<br />
Wissen verbreiten -<br />
Menschen vernetzen“<br />
lautet das Motto von<br />
„Zukunft in den Alpen“<br />
Memorandum zur Zukunft in den Alpen“<br />
formuliert. Wenn im Rahmen von „Zukunft<br />
in den Alpen“ beispielsweise aufgezeigt<br />
werden konnte, dass gesellschaftliche <strong>und</strong><br />
wirtschaftliche Prosperität nicht allein von<br />
der verkehrstechnischen Erreichbarkeit von<br />
Regionen abhängt, so fordert die CIPRA,<br />
dass Modelle wirtschaftlichen Erfolgs ohne<br />
harte Erschliessungsmassnahmen gefördert<br />
werden <strong>und</strong> dass die Erforschung<br />
der Erfolgsfaktoren solcher Modelle vorangetrieben<br />
wird. An anderer Stelle geht<br />
aus „Zukunft in den Alpen“ hervor, dass bei<br />
TouristInnen angesichts zahlreicher Kategorien<br />
von Schutzgebieten mehr Verwirrung<br />
als Klarheit herrscht. Darum setzt sich die<br />
CIPRA für eine qualitativ hochwertige Schutzgebietsentwicklung,<br />
alpenweit verbindliche<br />
Qualitätskriterien <strong>und</strong> den Verzicht auf<br />
Etikettenschwindel ein.<br />
Das im Rahmen von „Zukunft in den Alpen“<br />
gesammelte Knowhow gibt eine umfassende<br />
Übersicht über Planungen, politische<br />
Handlungsstrategien <strong>und</strong> Projekte in den<br />
Alpen. Für das aktuelle CIPRA Info mit dem<br />
Titel „Wissen verbreiten - Menschen vernetzen“<br />
wurden die wichtigsten vorliegenden<br />
Ergebnisse in kompakter Form zusammengefasst<br />
<strong>und</strong> sind so dem interessierten Publikum<br />
leicht zugänglich. Informationen zu „Zukunft<br />
in den Alpen“ finden sich auf http://www.<br />
cipra.org, wo auch das CIPRA Info gratis bestellt<br />
sowie das Schaaner Memorandum heruntergeladen<br />
werden kann.<br />
<strong>natur</strong> <strong>und</strong> <strong>mensch</strong> 2 / 2007<br />
Seite 35
Buchbesprechungen<br />
Klima – Wandel – Alpen<br />
Cipra Tagungsband 23/2006<br />
Hrsg.: CIPRA<br />
oekom verlag, Gesellschaft für ökologische<br />
Kommunikation mbH, 2006<br />
143 Seiten<br />
ISBN 978-3-86581-069-4<br />
Preis: € 24,90<br />
Die Alpen gelten als Frühwarnsystem für die<br />
Auswirkungen des Klimawandels: Einerseits<br />
stieg die Durchschnittstemperatur in den<br />
Alpen in den letzten 50 Jahren doppelt<br />
so stark wie im globalen Durchschnitt.<br />
Gleichzeitig reagiert der Alpenraum besonders<br />
sensibel auf Klimaveränderungen.<br />
Da das globale Klimasystem sehr träge reagiert,<br />
sind einschneidende Folgen selbst<br />
dann unvermeidlich, wenn internationale<br />
Klimaschutzziele verschärft <strong>und</strong> global<br />
umgesetzt würden. Der Tagungsband<br />
richtet seinen Fokus daher auf die zunehmende<br />
Gefährdung alpiner Regionen durch<br />
Naturgefahren <strong>und</strong> die Folgen des Klimawandels<br />
für den Alpentourismus. Einen<br />
Schwerpunkt bildet auch hier die Vorstellung<br />
lokaler <strong>und</strong> regionaler Good-Practice-Beispie<br />
le, bei denen nachhaltige Strategien<br />
für den Umgang mit zunehmenden Naturgefahren<br />
<strong>und</strong> Anpassungsstrategien der Touris<br />
muswirtschaft umgesetzt worden sind.<br />
Günther Frauenlob, Waldkirch<br />
Gehen<br />
Der glücklichste Mensch auf Erden<br />
Aurel Schmidt<br />
Huber Frauenfeld, 2007<br />
ISBN: 978-3-7193-1446-0<br />
306 Seiten<br />
Preis: Sfr.: 48,- / € 31,90<br />
„Wenn einer eine Reise macht, dann kann<br />
er was schreiben.“ Dass dieser Satz nicht immer<br />
stimmen muss, zeigt auf anstrengende<br />
Weise das eben erschienene Buch „Gehen<br />
– Der glücklichste Mensch auf Erden“ von<br />
Aurel Schmidt. Es ist ein Versuch, bis ins<br />
Detail den mechanischen, philosophischen<br />
<strong>und</strong> kulturgeschichtlichen Fragen r<strong>und</strong><br />
um das Gehen nachzugehen. Eigentlich eine<br />
lobenswerte Sache: in unserer Sitz-geprägten<br />
Zivilisation erscheint uns diese<br />
Fortbewegungsart längst nicht mehr als die<br />
selbstverständlichste. Und darüber hinaus<br />
sind auch die mit dem Gehen verb<strong>und</strong>enen<br />
positiven Wirkungen für die körperliche <strong>und</strong><br />
seelisch-geistige Ges<strong>und</strong>heit des Menschen<br />
bei den meisten in Vergessenheit geraten.<br />
Auf diese schönen Erwartungen folgt dann<br />
allerdings die Ernüchterung auf dem Fusse:<br />
277 Seiten hin zieht sich wie ein endloser<br />
Bandwurm eine mit vielen Wiederholungen<br />
gespickte Aneinanderreihung von Notizzettelartigen<br />
historischen Hinweisen, die sich<br />
strukturlos mit seltsam trockenen <strong>und</strong> faden<br />
Bemerkungen zu einem schwer lesbaren Brei<br />
mischen. Der Autor bewegt sich nur mit kleinen<br />
Trippelschritten in den immer gleichen<br />
kleinen Kreisen <strong>und</strong> der Leser versucht hinterher<br />
zu kommen <strong>und</strong> dabei über die nicht<br />
seltenen sprachlichen Ungenauigkeiten <strong>und</strong><br />
Widersprüchlichkeiten hinweg zu sehen.<br />
Fazit: Die drei bis vier St<strong>und</strong>en, die Sie<br />
bräuchten, um ein überflüssiges Buch mehr<br />
– sitzenderweise! – zu lesen, nutzen Sie stattdessen<br />
gewinnbringend mit einigen persönlichen<br />
Geh-Versuchen!<br />
Uwe Scheibler, Göttingen<br />
AlpenStadt – AlpenLand<br />
CIPRA Tagungsband 2005/22<br />
Hrsg. CIPRA<br />
Oekom verlag, Gesellschaft für ökologische<br />
Kommunikation mbh, 2007<br />
69 Seiten<br />
ISBN: 978-86581-068-7<br />
Preis: € 19,90<br />
Unser Blick auf die Alpen ist durch idyllische<br />
oder gar mystische Vorstellungen geprägt,<br />
<strong>und</strong> wir nehmen die Alpen meist als Region<br />
mit ländlichem Charakter wahr. Doch ist uns<br />
kaum bewusst, dass heute gut zwei Drittel<br />
der Bevölkerung der Alpen in Städten <strong>und</strong><br />
Agglomerationen leben.<br />
Der Tagungsband widmet sich dem Spannungsfeld<br />
AlpenStadt – AlpenLand <strong>und</strong> den<br />
daraus entstehenden Heraus forderungen für<br />
Politik <strong>und</strong> Raumplanung, für Bevölkerung<br />
<strong>und</strong> Tourismus. Die Autorinnen <strong>und</strong> Autoren<br />
greifen Impulse lokaler <strong>und</strong> regionaler<br />
Good-Practice-Beispiele auf <strong>und</strong> entwickeln<br />
Strategien im Sinne einer Nachhaltigen<br />
Entwicklung. So entsteht ein neues Konzept<br />
der Wahrnehmung: Alpenstädte übernehmen<br />
eine Rolle als Motoren der Entwicklung<br />
des Alpenraumes. Die Politik wird aufgefordert,<br />
die nötigen Prioritäten zu setzen, damit<br />
alpine Zentren ihre Verantwortung für<br />
die Alpen aktiv wahrnehmen können.<br />
Günther Frauenlob, Waldkirch<br />
Seite 36<br />
<strong>natur</strong> <strong>und</strong> <strong>mensch</strong> 2 / 2007
Termine / Aktuelles<br />
Zukunft in den Alpen<br />
Die Qualität des Natur- <strong>und</strong> Kulturraums: Wie<br />
der Tourismus einen Mehrwert für die Bergge<br />
meinden schaffen kann<br />
Wissen verbreiten – Menschen vernetzen: Inter<br />
nationale Workshopreihe 2006-2007 von<br />
„Zukunft in den Alpen“ 31.5.2007 – 1.6.2007<br />
Umweltqualität, Landschaftsschutz <strong>und</strong><br />
Erhalt der Biodiversität sind entscheidend<br />
für eine nachhaltige Entwicklung. Sie sind<br />
die wichtigste Gr<strong>und</strong>lage eines Tourismus,<br />
der einen realen Wertzuwachs für den<br />
Alpinen Raum anstrebt. Im Zentrum des<br />
Workshops in Chiavenna steht die Zukunft<br />
des alpinen Tourismus, beeinflusst durch<br />
den Klimawandel <strong>und</strong> die sich ändernden<br />
Ansprüche der AlpentouristInnen: sie erwarten<br />
nicht nur gut erschlossene Skigebiete,<br />
sondern auch eine intakte Naturlandschaft,<br />
alpine Kultur <strong>und</strong> lokale Produkte.<br />
Sprache: de, it<br />
Ort: Chiavenna / IT<br />
Veranstalter:<br />
Cipra Italia, Francesco Pastorelli<br />
Via Pastrenge 13, IT 10128 Torino, Italien<br />
Tel.: 0039 (0)11 548 626<br />
Francesco.pastorelli@cipra.org<br />
Mitgliederversammlung<br />
<strong>und</strong> Jahrestagung des Forums<br />
Landschaft<br />
12. Juni 2007, Bern:<br />
Landschaften vor unserer Haustüre -<br />
Qualitäten für den Alltag?<br />
Gibt es verborgenen Qualitäten unser Alltags<br />
landschaften? Wie lassen sie sich erkennen,<br />
entwickeln, gestalten?<br />
Das Forum Landschaft lädt alle Mitglieder<br />
<strong>und</strong> Interessierte zur Tagung <strong>und</strong> Diskussion<br />
ein.<br />
Das Programm liegt Ende April vor.<br />
Organisiert durch: Forum Landschaft<br />
Räumlichkeit: Universität Bern, Kuppelsaal<br />
weitere Infos: office@forumlandschaft.ch,<br />
www.forumlandschaft.ch<br />
Die Zeit des Mammuts<br />
Ein in der Schweiz einmaliges <strong>und</strong> aussergewöhnliches<br />
Ereignis: Das Naturhistorische<br />
Museum Neuenburg beherbergt die Sonderausstellung<br />
„Au temps des mammouths“<br />
(„Die Zeit des Mammuts“) des Nationalen<br />
Naturhistorischen Museums von Paris. Auf<br />
einer Fläche von 500 m 2 werden die verschiedensten<br />
Aspekte des „Mythos Mammut“<br />
thematisiert: Seine Lebensweise, seine<br />
Beziehung zum Menschen, das Aussterben<br />
der letzten Art, des Wollhaarmammuts, dem<br />
sich die Ausstellung vorwiegend widmet. Der<br />
grosse Pflanzenfresser taucht vor ungefähr<br />
600‘000 Jahren im Osten Sibiriens auf. Das<br />
Tier ist der kalten Umwelt gut angepasst <strong>und</strong><br />
profitiert von der schrittweisen Abkühlung<br />
des Planeten, um sich auf dem gesamten eurasischen<br />
Kontinent auszubreiten.<br />
Zwei verschiedene Menschenarten haben<br />
das Wollhaarmammut gekannt: der Neandertaler<br />
(homo neanderthalensis) <strong>und</strong> der<br />
moderne Mensch (homo sapiens). Der Neandertaler<br />
hat vor 200‘000 bis 30‘000 Jahren<br />
seine Welt mit dem Mammut geteilt, der<br />
moderne Mensch ist vor ungefähr 40‘000<br />
Jahren in Europa aufgetaucht. Ihm haben<br />
wir Felsmalereien sowie die Kreation von<br />
Schmuck <strong>und</strong> Gebrauchsgegenständen aus<br />
Knochen <strong>und</strong> Elfenbein des Mammuts zu<br />
verdanken.<br />
Zu den spektakulärsten Objekten der Ausstellung<br />
gehören ein in Lebensgrösse rekonstruiertes,<br />
ausgewachsenes Mammut,<br />
eine prähistorische, aus Mammutschädeln<br />
<strong>und</strong> Stosszähnen gebaute Hütte mit einem<br />
Durch messer von 5 m, der Abguss eines<br />
volls tändig erhaltenen Mammutbabys, die<br />
Nach bildung des Mammutskeletts von Vollos<br />
sovitch <strong>und</strong> … sogar gefrorenes Kno chenmark.<br />
Das Team des Naturhistorischen Museums<br />
Neuchâtel hat die Ausstellung um einen<br />
au temps des mammouths<br />
18. Februar 2007 – 16. September 2007<br />
Geöffnet Dienstag – Sonntag, 10–18 Uhr<br />
Muséum d’histoire <strong>natur</strong>elle<br />
Rue des Terreaux 14<br />
CH-2000 Neuchâtel<br />
Saal über die Entdeckung der Mammuts in<br />
der Schweiz erweitert. Neulich gemachte<br />
Entdeckungen in der Gemeinde Courtedoux<br />
(Kanton Jura) werden zum ersten Mal ausgestellt.<br />
Alpenforschung – wie weiter?<br />
Bilanz <strong>und</strong> Perspektiven des NFP 48 aus der<br />
Sicht der Geistes- <strong>und</strong> Sozialwissenschaften<br />
Datum: 30.05.2007<br />
Ort: Fachhochschule für Soziale Arbeit<br />
Luzern (HSA) «Lakefront-Center», Luzern<br />
“Landschaften <strong>und</strong> Lebensräume der Alpen“,<br />
unter diesem Titel lancierte der Schweizerische<br />
Nationalfonds (SNF) im Jahr 2000<br />
ein Nationales Forschungsprogramm (NFP<br />
48), das zum Ziel hatte, ein verstärktes<br />
Be wusstsein über die Kollektivgüter Landschaften<br />
<strong>und</strong> Lebensräume in ihrer umfassenden<br />
gesellschaftlichen Bedeutung<br />
zu schaffen <strong>und</strong> eine Übersicht über die<br />
Gestaltungsmöglichkeiten unter den aktuellen<br />
<strong>und</strong> künftigen Rahmenbedingungen<br />
zu erarbeiten. Diesem Gesamtziel implizit<br />
ist der Anspruch, die Thematik ausgesprochen<br />
interdisziplinär sowie geistes- <strong>und</strong> sozialwissenschaftlich<br />
anzugehen. Im Rahmen<br />
der Tagung von Luzern wird den folgenden<br />
Fragen nachgegangen:<br />
Welches sind die Resultate? Welche Forschungslücken<br />
konnten geschlossen werden?<br />
Wurde die Forschung auch tatsächlich<br />
interdisziplinär betrieben, so wie es der<br />
Anspruch gewesen war? Diesen Fragen ist<br />
der erste Teil der Tagung gewidmet.<br />
Im zweiten Teil wird ein Blick in die Zukunft<br />
der Alpenforschung aus einer interdisziplinären<br />
<strong>und</strong> internationalen Perspektive<br />
ver sucht. So legen international renommierte<br />
Alpenforscher aus verschiedenen<br />
Disziplinen (Geschichtswissenschaften, Ökonomie,<br />
Geografie, Raumplanung) dar, welche<br />
Forschungsfragen <strong>und</strong> -themen sie als<br />
nächstes bearbeitet sehen möchten. Das<br />
Publikum ist eingeladen, sich an der anschliessenden<br />
Diskussion aktiv zu beteiligen.<br />
PDF-Download: alpenforschung_def.pdf<br />
<strong>natur</strong> <strong>und</strong> <strong>mensch</strong> 2 / 2007<br />
Seite 37
Rubrik<br />
<strong>natur</strong><br />
<strong>und</strong><br />
<strong>mensch</strong><br />
49. Jahrgang • Heftnummer 2 / 2007<br />
Jährlich 6 Nummern • Erscheinungsdatum 30.4.2007<br />
Herausgeber: Rheinaub<strong>und</strong>, Schweizerische<br />
Arbeitsgemeinschaft für Natur <strong>und</strong> Heimat<br />
Autoren dieser Ausgabe:<br />
Heidi Haag<br />
Maya Kohte<br />
Johannes Stoffler<br />
Jürg Bloesch<br />
Ueli Rippmann<br />
Lukas Boller<br />
Kathrin Jaag<br />
Günther Frauenlob<br />
Ruedi Schneider<br />
Auch 2007 steht der Schutz der Gewässer<strong>und</strong><br />
Gewässerlandschaften im Mittelpunkt<br />
der Aktivitäten des Rheinaub<strong>und</strong>es, eine sehr<br />
wichtige Aufgabe, wie die Beiträge zum Jahresbericht<br />
2006/2007 in diesem Heft zeigen.<br />
Foto: photocase.de<br />
www.rheinaub<strong>und</strong>.ch<br />
Seite 38 <strong>natur</strong> <strong>und</strong> <strong>mensch</strong> 2 / 2007