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3. Die überlange Dauer von Strafverfahren - Materiellrechtliche und

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Schriften zum Strafrecht<br />

Heft 89<br />

<strong>Die</strong> <strong>überlange</strong> <strong>Dauer</strong> <strong>von</strong><br />

<strong>Strafverfahren</strong><br />

<strong>Materiellrechtliche</strong> <strong>und</strong> prozessuale Rechtsfolgen<br />

Von<br />

Dr. inr. Dr. phil. Uwe Scheffler<br />

Privatdozent an der Freien Universität Berlin<br />

Duncker & Humblot . Berlin


<strong>Die</strong> Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme<br />

Schemer, Uwe:<br />

<strong>Die</strong> <strong>überlange</strong> <strong>Dauer</strong> <strong>von</strong> <strong>Strafverfahren</strong> : materiellrechtliche<br />

<strong>und</strong> prozessuale Rechtsfolgen / <strong>von</strong> Uwe Scheffler. - Berlin :<br />

Duncker <strong>und</strong> Humblot, 1991<br />

(Schriften zum Strafrecht ; H. 89)<br />

Zugl.: Berlin, Freie Univ., Habil.-Schr., 1990/91<br />

ISBN 3-428-07244-8<br />

NE:GT<br />

Meinen Eltern<br />

Alle Rechte vorbehalten<br />

© 1991 Duncker & Humblot GmbH, Berlin 41<br />

Fremddatenübemahme: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin 61<br />

Druck: Druckerei Gerike GmbH, Berlin 36<br />

Printed in Germany<br />

ISSN 0558-9126<br />

ISBN 3-428-07244-8


Vorwort<br />

<strong>Die</strong>se Arbeit hat dem Fachbereich Rechtswissenschaft der Freien Universität<br />

Berlin im Wintersemester 1990/91 als Habilitationsschrift vorgelegen.<br />

Literatur <strong>und</strong> Rechtsprechung sind bis November 1990 berücksichtigt; auf<br />

Neueres, insbesondere das Einstellungsurteil des LG Berlin im sog. "Schmücker­<br />

Verfahren" 1, habe ich gelegentlich noch in den Fußnoten hingewiesen.<br />

Ich habe vielfältigen Dank abzustatten. <strong>Die</strong>s gilt zuallererst für Herrn Prof.<br />

Dr. Axel Montenbruck, der mir in den Jahren, die ich an seinem Lehrstuhl tätig<br />

war, wohlwollendste Förderung zuteil werden ließ. Ohne seine ständige Anteilnahme<br />

unter Gewährung wissenschaftlichen <strong>und</strong> zeitlichen Freiraums wäre die<br />

Entstehung dieser Arbeit kaum möglich gewesen. Ihm fühle ich mich zutiefst<br />

verpflichtet. Zu danken habe ich auch Herrn Prof. Dr. Klaus Geppert für zahlreiche<br />

Anregungen <strong>und</strong> die schnelle Erstellung des Zweitgutachtens. Ferner gilt mein<br />

Dank meinen Assistentenkollegen, den Herren Gero Meinen <strong>und</strong> Thomas Babel,<br />

die in fre<strong>und</strong>schaftlicher Solidarität so manche durch meine Habilitation bedingte<br />

Mehrlast getragen haben. Herr Assessor Günter Räcke hat durch einige scharfsinnige<br />

Gedanken meine Überlegungen gefördert. Es ist mir insbesondere auch ein<br />

großes Bedürfnis, Frau Sabine Rabbel meine Dankbarkeit dafür auszusprechen,<br />

daß sie die ganzen Jahre über das sich ständig verändernde Manuskript mit<br />

größter Sorgfalt <strong>und</strong> Zuverlässigkeit erstellt hat. Herrn Professor Norbert Simon<br />

<strong>und</strong> seinen Mitarbeitern danke ich für die verlegerische Betreuung.<br />

Meine Eltern haben meinen wissenschaftlichen Werdegang in jeder nur denkbaren<br />

Hinsicht beständig gefördert. Ihnen widme ich dieses Buch.<br />

Berlin, im September 1991<br />

Uwe Scheffler<br />

1 Nunmehr als Dokumentation abgedruckt in StV 1991, S. 371 - 397; ich habe das<br />

Urteil in einem Aufsatz für die JZ ausführlicher besprochen.


,11<br />

Inhaltsübersicht<br />

Einleitung 19<br />

Erster Teil<br />

Gr<strong>und</strong>lagen der Rechtsfolgenbestimmung <strong>überlange</strong>r Verfahrensdauer _<br />

Forschungsstand, Beschl~.unigungsproblematik,<br />

Begriff der Uberlänge 21<br />

1. Kap.: Überblick über den Forschungsstand. Zur Notwendigkeit weiterer Erörterung<br />

der Rechtsfolgen 21<br />

2. Kap.: Schwierigkeiten der Beschleunigung <strong>von</strong> <strong>Strafverfahren</strong>. Zur Relevanz<br />

eines umfassenden Rechtsfolgensystems 49<br />

<strong>3.</strong> Kap.: Aufgliederung des Begriffs der <strong>überlange</strong>n Verfahrensdauer. Zur Ermöglichung<br />

neuer Rechtsfolgenbestimmung 105<br />

Zweiter Teil<br />

<strong>Die</strong> einzelnen Rechtsfolgen ­<br />

Freispruch, Einstellung, Beweiserleichterung,<br />

Strafmilderung, Entschädigung 131<br />

4. Kap.: Freispruch wegen Verwirkung des Strafanspruchs 134<br />

5. Kap.: Einstellung wegen Verletzung <strong>von</strong> Verfahrensrecht 155<br />

6. Kap.: Beweiserleichterung wegen Unterganges <strong>von</strong> Beweismitteln........... 184<br />

7. Kap.: Strafmilderung wegen Strafzumessungsrelevanz 201<br />

8. Kap.: Entschädigung wegen Schadenszufügung 262<br />

Schlußbetrachtung 271<br />

Anhang: Auszüge aus nicht (vollständig) veröffentlichten höchstrichterlichen<br />

Entscheidungen zu den Rechtsfolgen <strong>überlange</strong>r Verfahrensdauer .... 276<br />

Schrifttumsverzeichnis 283


Inhaltsverzeichnis<br />

Einleitung<br />

19<br />

Erster Teil<br />

Gr<strong>und</strong>lagen der Rechtsfolgenbestimmung <strong>überlange</strong>r Verfahrensdauer ­<br />

Forschungsstand, Beschleunigungsproblematik,<br />

Begriff der Überlänge 21<br />

Erstes Kapitel<br />

Überblick über den Forschungsstand<br />

Zur Notwendigkeit weiterer Erörterung der Rechtsfolgen 21<br />

A. Entwicklung zur heute herrschenden Meinung 23<br />

I. Der Weg der Rechtsprechung.............................................. 23<br />

1. BGHSt 21, 81 24<br />

2. BGHSt 24, 239 27<br />

<strong>3.</strong> BVerfG (Vorprüfungsausschuß), NJW 1984,967 30<br />

4. BGHSt 35, 137 33<br />

II. Der Diskussionsstand in der Literatur 36<br />

1. Zur Verfahrensdauer allgemein 36<br />

2. Zu den Rechtsfolgen <strong>überlange</strong>r Verfahrensdauer 39<br />

B. Kritik der heute herrschenden Meinung 42<br />

I. Zum qualitativen Umschlagen in den Extremfall <strong>überlange</strong>r Verfahrensdauer<br />

42<br />

11. Zum Vorliegen <strong>von</strong> Verzögerungen....................................... 43<br />

III. Zur dogmatischen Begründung 45<br />

Zweites Kapitel<br />

Schwierigkeiten der Beschleunigung <strong>von</strong> <strong>Strafverfahren</strong><br />

Zur Relevanz eines umfassenden Rechtsfolgensystems 49<br />

A. Verfahrensbeschleunigung durch den Gesetzgeber............................. 49<br />

I. Verhinderung <strong>von</strong> Verzögerungen......................................... 51<br />

I. Fristsetzungen 51<br />

2. Personelle <strong>und</strong> organisatorische Maßnahmen 54<br />

II. Vereinfachungen der Verfahrensstruktur 56<br />

I. Strafprozeßreforrn - Einige Beispiele 56<br />

a) <strong>Die</strong> Argumentation des Gesetzgebers 58<br />

b) Zur empirischen Absicherung 59<br />

c) Zur Problematik <strong>von</strong> Strukturänderungen 61<br />

aa) <strong>Die</strong> Rügepräklusion gemäß § 222 b StPO 62<br />

bb) Das Selbstleseverfahren gemäß § 249 II StPO 63


8 Inhaltsverzeichnis Inhaltsverzeichnis 9<br />

d) Das Problem <strong>von</strong> Fristverlängerungen 66<br />

e) <strong>Die</strong> Nichtverfolgung gemäß § 154 I Nr. 2 StPO 68<br />

2. Reformvorschläge - Einige Beispiele 70<br />

a) Neuerungen für das Strafprozeßrecht 70<br />

b) Übertragungen aus dem Ordnungswidrigkeitenrecht 71<br />

aa) Der Umfang der Beweisaufnahme gemäß § 77 OWiG 72<br />

bb) <strong>Die</strong> Zulassung der Rechtsbeschwerde gemäß § 80 OWiG 74<br />

B. Verfahrensbeschleunigung durch den Beschuldigten........................... 75<br />

I. Obliegenheit des Beschuldigten? 76<br />

11. Befugnis des Beschuldigten 77<br />

I. Anträge (i.w. S.) an das verzögernde Organ........................... 77<br />

a) Antrag <strong>und</strong> Gegenvorstellung 77<br />

b) Ablehnungsgesuch wegen Befangenheit 78<br />

aa) Verfahrensverzögerung 78<br />

bb) Nicht- oder Falschbescheidung 80<br />

2. Rechtsbehelfe (i. w. S.) 82<br />

a) Beschwerde, § 304 StPO 82<br />

b) Antrag auf gerichtliche Entscheidung, §§ 23 ff. EGGVG 85<br />

c) <strong>Die</strong>nstaufsichtsbeschwerde 87<br />

d) Strafanzeige 89<br />

aa) Zur Strafbarkeit des Amtsträgers bei grammatikalischer Auslegung<br />

der §§ 336,258 a StGB 91<br />

bb) Zur Straflosigkeit des Amtsträgers bei restriktiver Interpretation<br />

der §§ 336, 258 a StGB 93<br />

e) Wiederaufnahme des Verfahrens, § 359 StPO 97<br />

f) Verfassungs- <strong>und</strong> Menschenrechtsbeschwerde 98<br />

aa) Verfassungsbeschwerde 99<br />

bb) Menschenrechtsbeschwerde 103<br />

Drittes Kapitel<br />

Aufgliederung des Begriffs der <strong>überlange</strong>n Verfahrensdauer<br />

Zur Ermöglichung neuer Rechtsfolgenbestimmung 105<br />

A. Zur Unterscheidung <strong>von</strong> Verfahrenslänge <strong>und</strong> -verzögerungen 107<br />

I. Untersuchungshaftdauer 108<br />

11. Verfahrensdauer 109<br />

B. Zur Einordnung mit Hilfe des Verhältnismäßigkeitsgr<strong>und</strong>satzes 111<br />

I. Geeignetheit <strong>und</strong> überflüssiges Tun 112<br />

11. Erforderlichkeit <strong>und</strong> Verzögerungen 113<br />

III. Proportionalität <strong>und</strong> <strong>Dauer</strong> 117<br />

I. Verjährung als abschließende Regelung.. 117<br />

2. Aufhebung des Haftbefehls als Hilfserwägung 118<br />

<strong>3.</strong> Entkriminalisierung <strong>von</strong> Bagatellsachen als Konsequenz 119<br />

a) <strong>Die</strong> vereinfachten Kriminalstrafverfahren 120<br />

b) <strong>Die</strong> entkriminalisierten Verfahren 122<br />

IV. Zumutbarkeit <strong>und</strong> Belastungen 124<br />

V. "Vernünftigkeit" <strong>und</strong> Gesamtwürdigung 126<br />

Zweiter Teil<br />

<strong>Die</strong> einzelnen Rechtsfolgen ­<br />

Freispruch, Einstellung, Beweiserleichterung,<br />

Strafmilderung, Entschädigung 131<br />

Viertes Kapitel<br />

Freispruch wegen Verwirkung des Strafanspruchs 134<br />

A. Zur Verwirkbarkeit des Strafanspruchs 138<br />

I. Verwirkung durch Arglist 141<br />

I. Rügeverwirkung zu Lasten des Beschuldigten 141<br />

2. Verzögerung zwecks Verurteilung 143<br />

11. Verwirkung durch Zeitablauf 145<br />

I. Rechtsbehelfsverwirkung zu Lasten des Beschuldigten............... 146<br />

2. Enttäuschung berechtigten Vertrauens 147<br />

B. Zum Freispruch infolge Srafaufhebungsgr<strong>und</strong>es 151<br />

Fünftes Kapitel<br />

Einstellung wegen Verletzung <strong>von</strong> Verfahrensrecht 155<br />

A. Überlange Verfahrensdauer als Verfahrenshindernis 155<br />

I. Verfahrensdauer <strong>und</strong> Verjährung 156<br />

11. Verfahrensbelastungen <strong>und</strong> Verhandlungsunfähigkeit 160<br />

III. Verfahrensverzögerungen <strong>und</strong> Verfahrenshindernis praeter legern 162<br />

I. Menschenrechtskonvention <strong>und</strong> Einstellung 163<br />

2. Strafprozeßordnung <strong>und</strong> Einstellung 164<br />

B. Schwerwiegende Rechtsstaatswidrigkeit als Verfolgungsverbot 165<br />

I. Der Meinungswandel zum Verfolgungsverbot 165<br />

1. "Ein" Vorprüfungsausschuß des B<strong>und</strong>esverfassungsgerichts 166<br />

2. Der <strong>3.</strong> Strafsenat des B<strong>und</strong>esgerichtshofs.............................. 168<br />

11. Der qualitative Sprung zum Verfolgungsverbot 169<br />

1. Rechtsverweigerung 171<br />

2. Verfahrensstillstand 173<br />

<strong>3.</strong> Willkür 174<br />

4. Irreparabilität 176<br />

a) Beweismittelverlust durch Verzögerungen 177<br />

b) Rechtsverluste durch sonstige Rechtsstaatswidrigkeiten . .. . 179<br />

Sechstes Kapitel<br />

Beweiserleichterung wegen Unterganges <strong>von</strong> Beweismitteln 184<br />

A. Beweisverlust - <strong>Die</strong> Ausgangslage 184<br />

B. Beweisvereitelung - Das Extrem 186<br />

I. <strong>Die</strong> gesetzlichen Anknüpfungspunkte 187<br />

1. Beeinträchtigung des Erinnerungsvermögens, § 136 all StPO 187<br />

2. Beseitigung einer Urk<strong>und</strong>e, § 444 ZPO 188


----~-----~----<br />

10 Inhaltsverzeichnis Inhaltsverzeichnis<br />

II<br />

11. <strong>Die</strong> rechtlichen Parallelen 188<br />

1. Indizbeweis <strong>und</strong> Alibi 190<br />

2. Indizbeweis <strong>und</strong> Blutalkoholkonzentration 191<br />

III. <strong>Die</strong> praktische Umsetzung 193<br />

C. Unterlasselle Beweissicherung - Der Hauptfall 194<br />

I. Freie Beweiswürdigung - <strong>Die</strong> faktische Gleichstellung mit dem Beweisverlust<br />

194<br />

11. Beweiserleichterung - <strong>Die</strong> normative Gleichstellung mit der Beweisvereitelung<br />

197<br />

1. Verspätete Beweiserhebung - <strong>Die</strong> erste Sorgfaltspflichtverletzung 197<br />

2. Verkennung der Sicherungsbedürftigkeit - <strong>Die</strong> zweite Sorgfaltspflichtverletzung<br />

198<br />

Siebtes Kapitel<br />

Strafmilderung wegen Strafzumessungsrelevanz 201<br />

A. Verzögerungen als Strafzumessungsgr<strong>und</strong> 201<br />

I. Flexibilität - Das pragmatische Argument 202<br />

1. Erste Probleme mit der Strafzumessungslösung 202<br />

2. Das Versagen der Strafzumessungslösung 205<br />

11. Strafzumessungsirrelevanz - Der dogmatische Einwand 206<br />

1. Zum schuldabhängigen Milderungsgr<strong>und</strong> 207<br />

2. Zum schuldunterschreitenden Milderungsgr<strong>und</strong> 208<br />

B. Tatfeme als Strafzumessungsgr<strong>und</strong> 211<br />

I. Verringertes Strafbedürfnis <strong>und</strong> Stratböhenbemessung 212<br />

1. Sprunghafter Wegfall? - Das Verhältnis zur Verfolgungsverjährung 214<br />

2. Kontinuierliche Abschwächung? - Das Verhältnis zur Integrationsprävention<br />

217<br />

11. Verbesserte Sozialprognose <strong>und</strong> Strafaussetzung zur Bewährung 218<br />

C. Belastungen als Strafzumessungsgr<strong>und</strong> 219<br />

I. Verzögerungen <strong>und</strong> Belastungen........................................... 220<br />

1. Belastungen als abgeleiteter Strafzumessungsfakor 220<br />

2. Belastungen als selbständiger Strafzumessungsfaktor 223<br />

11. Verfahrensdauer <strong>und</strong> Belastungen 224<br />

1. Anrechnung - Der objektive Maßstab 224<br />

a) Zur Anrechenbarkeit <strong>von</strong> Untersuchungshaft 227<br />

b) Zur Anrechenbarkeit <strong>von</strong> Verfahrensbelastungen 228<br />

2. Schon-bestraft-Sein - Der gemischte Maßstab 230<br />

a) Anwendungsbereich 230<br />

aa) Absehen <strong>von</strong> Strafe 230<br />

bb) Strafmilderung 234<br />

cc) Strafaussetzung zur Bewährung................................ 235<br />

dd) Strafvollstreckungs- <strong>und</strong> -vollzugserleichterungen (Strafmilderung<br />

i. w. S.) 237<br />

b) Rechtsfortbildung 238<br />

III. Verschleppung <strong>und</strong> Belastungen 241<br />

1. Konfrontationsstrategie des Beschuldigten............................. 241<br />

a) Erschleichen <strong>von</strong> Strafmilderung 244<br />

b) Selbstbegünstigung 245<br />

c) Rechtsmißbrauch 247<br />

2. Kooperationsstrategie des Beschuldigten 250<br />

IV. Verfahrensbeendigung <strong>und</strong> Belastungen................................... 254<br />

1. Vor der Hauptverhandlung 255<br />

2. Während der Hauptverhandlung 256<br />

<strong>3.</strong> Nach der Hauptverhandlung............................................ 257<br />

a) Eigene Sachentscheidung des Revisionsgerichts bei Rechtsverletzung,<br />

§ 354 StPO 258<br />

b) Eigene Sachentscheidung des Revisionsgerichts bei Änderung der<br />

Rechtslage, § 354 a StPO 260<br />

Achtes Kapitel<br />

Entschädigung wegen Schadenszufügung 262<br />

A. Allgemeines Staatshaftungsrecht - Überblick über den Anwendungsbereich<br />

bei <strong>überlange</strong>r Verfahrensdauer 263<br />

I. Amtshaftung 263<br />

11. Aufopferung 265<br />

B. Strafrechtsentschädigungsrecht - Ausblick auf Erweiterungsmöglichkeiten<br />

hinsichtlich <strong>überlange</strong>r Verfahrensdauer 267<br />

I. Analoge Anwendung der Anspruchsgr<strong>und</strong>lagen, §§ 1, 2 StrEG 267<br />

II. Analoge Anwendung der Zuständigkeitsregeln, §§ 8, 9 StrEG 268<br />

Schlußbetrachtung 271<br />

Anhang: Auszüge aus nicht (vollständig) veröffentlichten höchstrichterlichen<br />

Entscheidungen zu den Rechtsfolgen <strong>überlange</strong>r Verfahrensdauer .... 276<br />

Schrifttumsverzeichnis 283


a. A.<br />

a. a. O.<br />

Abs.<br />

Abschn.<br />

AcP<br />

AE<br />

ÄndG<br />

a. F.<br />

AG<br />

AG Strafrecht<br />

AK<br />

AlsbE<br />

Alt.<br />

Anh.<br />

Anm.<br />

AnwBI.<br />

AO<br />

AöR<br />

ArbGG<br />

Art.<br />

AT<br />

Aufl.<br />

AuR<br />

BA<br />

Bad.-württ. AGGVG<br />

BAG<br />

BAGE<br />

BAK<br />

BayObLG<br />

BayObLGSt<br />

Bay. StGB<br />

BayVerfGHE<br />

BB<br />

Bd.<br />

BDO<br />

Abkürzungsverzeichnis<br />

anderer Ansicht<br />

am angegebenen Ort<br />

Absatz<br />

Abschnitt<br />

Archiv für die civilistische Praxis<br />

Alternativentwurf<br />

Änderungsgesetz<br />

alte Fassung<br />

Amtsgericht<br />

Arbeitsgemeinschaft Strafrecht<br />

Alternativkommentar<br />

<strong>Die</strong> strafprozessualen Entscheidungen der Oberlandesgerichte,<br />

herausgegeben <strong>von</strong> Alsberg <strong>und</strong> Friedrich<br />

Alternative<br />

Anhang<br />

Anmerkung<br />

Anwaltsblatt<br />

Abgabenordnung<br />

Archiv des öffentlichen Rechts<br />

Arbeitsgerichtsgesetz<br />

Artikel<br />

Allgemeiner Teil<br />

Auflage<br />

Arbeit <strong>und</strong> Recht<br />

= Blutalkohol<br />

Baden-württembergisches Gesetz zur Ausführung des Gerichtsverfassungsgesetzes<br />

B<strong>und</strong>esarbeitsgericht<br />

Entscheidungen des B<strong>und</strong>esarbeitsgerichts<br />

Blutalkoholkonzentration<br />

Bayerisches Oberstes Landesgericht<br />

Entscheidungen des Bayerischen Obersten Landesgerichts in<br />

Strafsachen<br />

Bayerisches Strafgesetzbuch<br />

Entscheidungen des Bayerischen Verfassungsgerichtshofes<br />

Der Betriebs-Berater<br />

Band<br />

B<strong>und</strong>esdisziplinarordnung<br />

bearb.<br />

BEG<br />

Begr.<br />

Bf.<br />

BFH<br />

BGB<br />

BGH<br />

BGHR<br />

BGHSt<br />

BGHZ<br />

BonnKomm<br />

BRat<br />

BRatE<br />

BR-DrS<br />

BSG<br />

BT<br />

BT-DrS<br />

BtMG<br />

BVerfG<br />

BVerfGE<br />

BVerfGG<br />

BVerwG<br />

BZRG<br />

bzw.<br />

ca.<br />

CD<br />

Cilip<br />

DAR<br />

DAV<br />

DB<br />

ders.<br />

d. h.<br />

Diss.<br />

DJT<br />

DJZ<br />

DNotZ<br />

DÖV<br />

dpa<br />

DR<br />

DR<br />

DRB<br />

DRiG<br />

DRiZ<br />

Abkürzungsverzeichnis 13<br />

bearbeitet<br />

B<strong>und</strong>esentschädigungsgesetz<br />

Begründung<br />

Beschwerdeführer<br />

B<strong>und</strong>esfinanzhof<br />

Bürgerliches Gesetzbuch<br />

B<strong>und</strong>esgerichtshof<br />

BGH-Rechtsprechung in Strafsachen<br />

Entscheidungen des B<strong>und</strong>esgerichtshofs in Strafsachen<br />

Entscheidungen des B<strong>und</strong>esgerichtshofs in Zivilsachen<br />

Bonner Kommentar zum Gr<strong>und</strong>gesetz<br />

B<strong>und</strong>esrat<br />

Gesetzesentwurf des B<strong>und</strong>esrates<br />

Drucksachen des Deutschen B<strong>und</strong>esrates<br />

B<strong>und</strong>essozialgericht<br />

Besonderer Teil<br />

Drucksachen des Deutschen B<strong>und</strong>estages<br />

Betäubungsmittelgesetz<br />

B<strong>und</strong>esverfassungsgericht<br />

Entscheidungen des B<strong>und</strong>esverfassungsgerichts<br />

Gesetz über das B<strong>und</strong>esverfassungsgericht<br />

B<strong>und</strong>esverwaltungsgericht<br />

B<strong>und</strong>eszentralregistergesetz<br />

beziehungsweise<br />

circa<br />

Collection of Decisions, Sammlung der Entscheidungen der<br />

Europäischen Kommission für Menschenrechte<br />

Bürgerrechte <strong>und</strong> Polizei<br />

Deutsches Autorecht<br />

Deutscher Anwaltverein<br />

Der Betrieb<br />

derselbe<br />

das heißt<br />

Dissertation<br />

Deutscher Juristentag<br />

Deutsche Juristenzeitung<br />

Deutsche Notar-Zeitschrift<br />

<strong>Die</strong> Öffentliche Verwaltung<br />

Deutsche Presse-Agentur<br />

Decisions and Reports, Sammlung der Entscheidungen <strong>und</strong><br />

Berichte der Europäischen Kommission für Menschenrechte<br />

Deutsches Recht<br />

Deutscher Richterb<strong>und</strong><br />

Deutsches Richtergesetz<br />

Deutsche Richterzeitung


14 Abkürzungsverzeichnis Abkürzungsverzeichnis 15<br />

DuR<br />

DVBl.<br />

E 1962<br />

EGGVG<br />

EGH<br />

EGMR<br />

EGMR<br />

EGOWiG<br />

EGStGB<br />

Einl.<br />

EKMR<br />

EMRK<br />

etc.<br />

EuGRZ<br />

evtl.<br />

EZSt<br />

f.<br />

ff.<br />

FamRZ<br />

FG<br />

Fn.<br />

FS<br />

GA<br />

GebGabe<br />

GebColloquium<br />

gern.<br />

GerS<br />

gesetzl.<br />

GG<br />

ggf.<br />

GKG<br />

GS<br />

GVG<br />

Ha1bbd.<br />

HansOLG<br />

HdB<br />

HESt<br />

h. L.<br />

RR<br />

Hrsg.<br />

hrsg.<br />

Demokratie <strong>und</strong> Recht<br />

Deutsches Verwaltungsblatt<br />

Regierungsentwurf eines Strafgesetzbuches (E 1962),<br />

BT-DrS IV/650<br />

Einführungsgesetz zum Gerichtsverfassungsgesetz<br />

Ehrengerichtshof<br />

Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte<br />

(Deutsche Übersetzung)<br />

Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte<br />

Einführungsgesetz zum Gesetz über Ordnungswidrigkeiten<br />

Einführungsgesetz zum Strafgesetzbuch<br />

Einleitung<br />

Europäische Kommission für Menschenrechte<br />

Europäische Menschenrechtskonvention<br />

et cetera<br />

Europäische Gr<strong>und</strong>rechte-Zeitschrift<br />

eventuell<br />

Entscheidungssammlung zum Straf- <strong>und</strong> Ordnungswidrigkeitenrecht<br />

folgende<br />

fortfolgende<br />

Zeitschrift für das gesamte Familienrecht<br />

Festgabe<br />

Fußnote<br />

Festschrift<br />

Goltdammer's Archiv für Strafrecht<br />

Geburtstagsgabe<br />

Geburtstagscolloquium<br />

gemäß<br />

Der Gerichtssaal<br />

gesetzlich<br />

Gr<strong>und</strong>gesetz<br />

gegebenenfalls<br />

Gerichtskostengesetz<br />

Gedächtnisschrift<br />

Gerichtsverfassungsgesetz<br />

Halbband<br />

Hanseatisches Oberlandesgericht<br />

Handbuch<br />

Höchstrichterliche Entscheidungen. Sammlung <strong>von</strong> Entscheidungen<br />

der Oberlandesgerichte <strong>und</strong> der Obersten Gerichte in<br />

Strafsachen<br />

herrschende Lehre<br />

Höchstrichterliche Rechtsprechung<br />

Herausgeber<br />

herausgegeben<br />

HWiStR<br />

i. d. F.<br />

Information<br />

insbes.<br />

IntKomm<br />

IPBR<br />

i. S. d.<br />

i. S. v.<br />

iur.<br />

i. w. S.<br />

JA<br />

JGG<br />

JherJb.<br />

JK<br />

JMBl. NW<br />

JR<br />

Jura<br />

JurBüro<br />

JuS<br />

Justiz<br />

JVA<br />

JVBl.<br />

JW<br />

JZ<br />

Kap.<br />

KB<br />

KG<br />

KK<br />

Kl.<br />

KMR<br />

KO<br />

KpS<br />

Krim<br />

KrimJ<br />

KritJ<br />

KritV<br />

KV<br />

l.<br />

LAG<br />

Lehrkomm.<br />

Lfg.<br />

LG<br />

1it.<br />

LK<br />

Handwörterbuch des Wirtschafts- <strong>und</strong> Steuerstrafrechts<br />

= in der Fassung<br />

Deutscher Richterb<strong>und</strong>. Information<br />

insbesondere<br />

Internationaler Kommentar zur Europäischen Menschenrechtskonvention<br />

Internationaler Pakt über bürgerliche <strong>und</strong> politische Rechte<br />

im Sinne des / der<br />

im Sinne <strong>von</strong><br />

= juristisch<br />

im weiteren Sinne<br />

Juristische Arbeitsblätter<br />

Jugendgerichtsgesetz<br />

Jherings Jahrbücher für die Dogmatik des bürgerlichen<br />

Rechts<br />

Jura-Kartei<br />

= Justizministerialblatt für das Land Nordrhein-Westfa1en<br />

= Juristische R<strong>und</strong>schau<br />

= Juristische Ausbildung<br />

= Juristisches Büro<br />

= Juristische Schulung<br />

= <strong>Die</strong> Justiz<br />

= Justizvollzugsanstalt<br />

= Justizverwaltungsblatt<br />

= Juristische Wochenschrift<br />

= Juristenzeitung<br />

= Kapitel<br />

Kriminalsoziologische Bibliographie<br />

Kammergericht<br />

Kar1sruher Kommentar<br />

Kläger<br />

Kleinknecht / Müller / Reitberger<br />

Konkursordnung<br />

Kriminalpolizeiliche personenbezogene Sammlung<br />

Kriminalistik<br />

Kriminologisches Journal<br />

Kritische Justiz<br />

Kritische Vierteljahresschrift<br />

Kostenverzeichnis<br />

1etzte(r)<br />

Landesarbeitsgericht<br />

Lehrkommentar<br />

Lieferung<br />

Landgericht<br />

litera<br />

= Leipziger Kommentar zum Strafgesetzbuch


16 Abkürzungsverzeichnis Abkürzungsverzeichnis 17<br />

LM<br />

LR<br />

LwVG<br />

MDR<br />

m. E.<br />

MiStra<br />

MRK<br />

MschrKrim<br />

MStGB<br />

MünchKomm<br />

m. w.N.<br />

Nachtr.<br />

Nachw.<br />

Nds. AGGVG<br />

NdsRpfl.<br />

n. F.<br />

NJW<br />

NJW-RR<br />

Nr.<br />

NS<br />

NStE<br />

NStZ<br />

NuR<br />

NZVR<br />

NZWehrr<br />

ÖJZ<br />

OGH<br />

OGHBZ<br />

OGHSt<br />

OGHZ<br />

OLG<br />

OLGSt (alt)<br />

OLGSt (neu)<br />

OLGZ<br />

Olshausen's Komm.<br />

Lindenmaier / Möhring, Entscheidungen des B<strong>und</strong>esgerichtshofs<br />

Löwe / Rosenberg<br />

Gesetz über das gerichtliche Verfahren in Landwirtschaftssachen<br />

Monatsschrift für Deutsches Recht<br />

meines Erachtens<br />

Anordnung über Mitteilungen in Strafsachen<br />

(Europäische) Menschenrechtskonvention<br />

Monatsschrift für Kriminologie <strong>und</strong> Strafrechtsreform<br />

Militärstrafgesetzbuch<br />

Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch<br />

mit weiteren Nachweisen<br />

Nachtrag<br />

Nachweise<br />

Niedersächsisches Gesetz zur Ausführung des Gerichtsverfassungsgesetzes<br />

Niedersächsische Rechtspflege<br />

neue Fassung<br />

Neue Juristische Wochenschrift<br />

Neue Juristische Wochenschrift - Rechtsprechungs-Report<br />

Zivilrecht<br />

Nummer<br />

Nationalsozialismus<br />

Neue Entscheidungssammlung für Strafrecht<br />

Neue Zeitschrift für Strafrecht<br />

Natur <strong>und</strong> Recht<br />

Neue Zeitschrift für Verkehrsrecht<br />

Neue Zeitschrift für Wehrrecht<br />

Österreichische Juristenzeitung<br />

Oberster Gerichtshof (Österreich)<br />

Oberster Gerichtshof für die Britische Zone<br />

Entscheidungen des Obersten Gerichtshofs für die Britische<br />

Zone in Strafsachen<br />

Entscheidungen des Obersten Gerichtshofs für die Britische<br />

Zone in Zivilsachen<br />

Oberlandesgericht<br />

Entscheidungen der Oberlandesgerichte zum Straf- <strong>und</strong><br />

<strong>Strafverfahren</strong>srecht (alte Folge)<br />

Entscheidungen der Oberlandesgerichte in Straf-, Ordnungswidrigkeiten-<br />

<strong>und</strong> Ehrengerichtssachen (neue Folge)<br />

Entscheidungen der Oberlandesgerichte in Zivilsachen<br />

Olshausen's Kommentar zum Strafgesetzbuch<br />

OVG<br />

OVGE<br />

OWi<br />

OWiG<br />

Polizei<br />

RdJB<br />

RegE<br />

RG<br />

RGB!.<br />

RGSt<br />

RGZ<br />

RiStBV<br />

RIGG<br />

RKG<br />

Rn.<br />

RPfleger<br />

RuP<br />

RzW<br />

S.<br />

SchlHA<br />

SchSch<br />

SchwZStR<br />

SK<br />

sog.<br />

Sp.<br />

StA<br />

StGB<br />

StPÄG<br />

StPO<br />

StrÄndG<br />

StrEG<br />

StrRG<br />

StrRK<br />

st. Rspr.<br />

StV<br />

StVÄG<br />

StVG<br />

StVollzG<br />

StVRG<br />

1. StVRGErgG<br />

StVZO<br />

teilw. abw.<br />

u. a.<br />

u. a.<br />

Oberverwaltungsgericht<br />

Entscheidungen des Oberverwaltungsgerichts<br />

Ordungswidrigkeit<br />

Gesetz über Ordungswidrigkeiten<br />

<strong>Die</strong> Polizei<br />

Recht der Jugend <strong>und</strong> des Bildungswesens<br />

Regierungsentwurf<br />

Reichsgericht<br />

Reichsgesetzblatt<br />

Entscheidungen des Reichsgerichts in Strafsachen<br />

Entscheidungen des Reichsgerichts in Zivilsachen<br />

Richtlinien für das <strong>Strafverfahren</strong> <strong>und</strong> das Bußgeldverfahren<br />

Reichsjugendgerichtsgesetz<br />

Reichskammergericht<br />

Randnummer<br />

Der Deutsche Rechtspfleger<br />

Recht <strong>und</strong> Politik<br />

Rechtsprechung zum Wiedergutmachungsrecht<br />

Seite<br />

Schleswig-Holsteinische Anzeigen<br />

Schönke/Schröder<br />

Schweizerische Zeitschrift für Strafrecht<br />

Systematischer Kommentar<br />

sogenannte(r)<br />

Spalte<br />

Staatsanwaltschaft<br />

Strafgesetzbuch<br />

Gesetz zur Änderung der Strafprozeßordnung<br />

Strafprozeßordnung<br />

Strafrechtsänderungsgesetz<br />

Gesetz über die Entschädigung für Strafverfolgungsmaßnahmen<br />

Gesetz zur Reform des Strafrechts<br />

Strafrechtskommission<br />

ständige Rechtsprechung<br />

Strafverteidiger<br />

<strong>Strafverfahren</strong>sänderungsgesetz<br />

Straßenverkehrsgesetz<br />

Strafvollzugsgesetz<br />

Gesetz zur Reform des <strong>Strafverfahren</strong>srechts<br />

Gesetz zur Ergänzung des Ersten Gesetzes zur Reform des<br />

<strong>Strafverfahren</strong>srechts<br />

Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung<br />

teilweise abweichend<br />

unter anderem<br />

<strong>und</strong> anderen<br />

2 Scheffler


18<br />

u. u.<br />

v.<br />

VereinfVO<br />

VereinhG<br />

Verh.<br />

VersR<br />

VfGH<br />

VG<br />

vgI.<br />

VO<br />

vorI.<br />

VRS<br />

VV<br />

VwGO<br />

wistra<br />

WM<br />

WStG<br />

ZAkDR<br />

ZaöRV<br />

z. B.<br />

ZHR<br />

zit. b.<br />

zit. n.<br />

ZPO<br />

ZRP<br />

ZSchwR<br />

ZStW<br />

Zweitbearb.<br />

ZZP<br />

Abkürzungsverzeichnis<br />

unter Umständen<br />

<strong>von</strong>, vom<br />

Vereinfachungsverordnung<br />

Vereinheitlichungsgesetz<br />

Verhandlungen<br />

Versicherungsrecht<br />

Verfassungsgerichtshof (Österreich)<br />

Verwaltungsgericht<br />

vergleiche<br />

Verordnung<br />

vorletzte(r)<br />

Verkehrsrecht-Sammlung<br />

Verwaltungsvorschriften zum Strafvollzugsgesetz<br />

Verwaltungsgerichtsordnung<br />

Zeitschrift für Wirtschaft, Steuer, Strafrecht<br />

Wertpapier-Mitteilungen<br />

Wehrstrafgesetz<br />

Zeitschrift der Akademie für Deutsches Recht<br />

Zeitschrift für ausländisches öffentliches Recht <strong>und</strong> Völkerrecht<br />

zum Beispiel<br />

Zeitschrift für das gesamte Handels- <strong>und</strong> Wirtschaftsrecht<br />

zitiert bei<br />

zitiert nach<br />

Zivilprozeßordnung<br />

Zeitschrift für Rechtspolitik<br />

Zeitschrift für Schweizerisches Recht<br />

Zeitschrift für die gesamte Strafrechtswissenschaft<br />

Zweitbearbeitung<br />

Zeitschrift für Zivilprozeß<br />

Einleitung<br />

Es war Beccaria, der sich schon 1764 vehement gegen die <strong>überlange</strong> <strong>Dauer</strong><br />

<strong>von</strong> <strong>Strafverfahren</strong> wandte: "Der Prozeß selber muß in möglichst kurzer Zeit<br />

abgeschlossen werden" I. Feuerbach betonte ein halbes Jahrh<strong>und</strong>ert später: "Nicht<br />

zögern ist Richterpflicht"2. Obwohl Hommel1778 meinte, man habe "in Deutschland<br />

eher Ursache, sich über Eilfertigkeit, als Verzögerung, zu beklagen"3, dürfte<br />

wohl eher da<strong>von</strong> auszugehen sein, "daß der Prozeßverschlepp jahrh<strong>und</strong>ertelang<br />

ungeheuerlich gewesen sein muß"4.<br />

Nun ist die Strafjustiz heute <strong>von</strong> solchen Zuständen weit entfernt. Überlange<br />

Verfahrensdauer hat sich erst Anfang der siebziger Jahre zu einem ernsteren<br />

Problem entwickelt 5. Gr<strong>und</strong> hierfür dürfte neben der ansteigenden Verfahrensflut<br />

die seitdem intensivere Betreibung <strong>von</strong> Wirtschaftsstrafverfahren 6, die gestiegene<br />

Aufklärungsschwierigkeit in NS-Sachen7 <strong>und</strong> der Beginn der Terroristenprozesse<br />

sein. Seitdem beschäftigen sich verstärkt Gesetzgebung, Rechtsprechung <strong>und</strong><br />

I Beccaria, Über Verbrechen <strong>und</strong> Strafen, S. 9<strong>3.</strong><br />

2 Feuerbach in: Kleine Schriften vennischten Inhalts, S. 132.<br />

3 Hommel, Des Herrn Marquis <strong>von</strong> Beccaria unsterbliches Werk <strong>von</strong> Verbrechen <strong>und</strong><br />

Strafen, S. 95; kritisch dazu auch Hillenkamp, JR 1975, S. 13<strong>3.</strong><br />

4 Kip, Das sogenannte Mündlichkeitsprinzip, S. 25; vgI. auch Vollkommer, ZZP 81<br />

(1968), S. 121 f.; Baur, Justizaufsicht <strong>und</strong> richterliche Unabhängigkeit, S. 9; Döhring,<br />

Geschichte der deutschen Rechtspflege seit 1500, S. 28.<br />

So hatte Friedrich der Große in einem Reskript vom 31. Oktober 1765 Anlaß zu dem<br />

.Befehl, auf die Beschleunigung <strong>von</strong> Strafsachen ein besonderes Augenmerk zu richten,<br />

"daß die Inquisiten durch Verzögerung der Prozesse nicht zu viel leiden mögen" (zit.<br />

n. Kern, MschrKrimPsych 15 , S. 240 - unrichtig wiedergegeben bei Hillenkamp,<br />

JR 1975, S. 133 Fn. 3-; vgI. auch Baur, a. a. 0., S. 8 f.; Eb. Schmidt, Kammergericht<br />

<strong>und</strong> Rechtsstaat, S. 25; 27; Vollkommer, a. a. 0., S. 110 f.). Das Reichskammergericht<br />

(RKG), allerdings weniger in Strafsachen tätig (vgI. etwa Rüping, Gr<strong>und</strong>riß der<br />

Strafrechtsgeschichte, § 6 1 c bb; Weitze1, Der Kampf um die Appellation ans Reichskammergericht,<br />

S. 34 Fn. 38; unklar Schmidt-v. Rhein, NJW 1990, S. 489), hatte regelmäßig<br />

die Territorialgerichte aufgr<strong>und</strong> der gemeinrechtlichen Beschwerde wegen Justizverweigerung<br />

<strong>und</strong> Justizverzögerung (querela denegatae ve1 protractae justitiae) zu rügen<br />

(vgI. Döhring, a. a. 0., S. 28; Weitzel, a. a. 0., S.44; Vollkommer, a. a. 0., S. 121 f.;<br />

Baur, a. a. 0., S. 6; Gritschneder, DRiZ 1988, S. 453). Aber auch am RKG selbst sah<br />

es nicht besser aus (vgI. Rüping, a. a. 0., § 6 1 c aa; Vollkommer, a. a. 0., S. 121 f.;<br />

Gritschneder, a. a. 0., S. 452). So berichtet Goethe, 1772 Praktikant am RKG <strong>von</strong> der<br />

"nach <strong>und</strong> nach aufschwellenden ungeheuren Anzahl <strong>von</strong> verspäteten Prozessen" (Goethe,<br />

Aus meinem Leben - Dichtung <strong>und</strong> Wahrheit, <strong>3.</strong> Teil, 12. Buch, S. 143).<br />

5 VgI. Hammerstein in: Absprache im Strafprozeß, S.95; Wolfslast, NStZ 1990,<br />

S.41O.<br />

6 Schünemann, Verh. 58. DJT, S. B 16.<br />

7 VgI. RückerI, NS-Verbrechen vor Gericht 2 , S. 269 f.; 273 f.<br />

2*


20 Einleitung<br />

Wissenschaft mit der Thematik. <strong>Die</strong>s geschieht in unterschiedlicher Weise: Der<br />

Gesetzgeber hat sich in, wie Kohlmann meint 8 , "bislang wenig erfolgreichen<br />

Bemühungen" für eine Vereinfachung der Verfahrensstruktur eingesetzt. Von<br />

der Literatur ist die Strafprozeßreform - wenngleich auch gelegentlich kritisch<br />

- begleitet worden, wobei vor allem die Suche nach möglichen Ursachen <strong>überlange</strong>r<br />

Verfahrensdauer den Ausgangspunkt darstellte. Seit einigen Jahren beherrscht<br />

nun mehr <strong>und</strong> mehr das Thema "Verständigung im <strong>Strafverfahren</strong>" die<br />

wissenschaftliche Diskussion; sowohl das Aufkommen <strong>von</strong> Verständigungen soll<br />

danach Folge längerer Verfahrensdauer 9 als auch ihr weiterer Ausbau probates<br />

Mittel gegen lange Verfahrensdauer 10 sein. <strong>Die</strong> Rechtsprechung schließlich hat<br />

sich vor allem - bedingt durch ihre Funktion - mit im Einzelfall in Rede<br />

stehender <strong>überlange</strong>r Verfahrensdauer beschäftigen müssen, wobei es regelmäßig<br />

um die Frage der rechtlichen Konsequenzen für das konkrete <strong>Strafverfahren</strong><br />

gegangen ist.<br />

Das Problem der Rechtsfolgen <strong>überlange</strong>r <strong>Dauer</strong> <strong>von</strong> <strong>Strafverfahren</strong> soll Gegenstand<br />

der nachfolgenden Untersuchung sein. Sie ist insofern gerade auch<br />

darauf ausgerichtet, der Rechtsprechung Hilfestellung anzubieten. Demzufolge<br />

legt sie einen Schwerpunkt auf die kritische Überprüfung der Lösungsansätze<br />

der bisherigen Judikatur. Im 1. Kapitel des 1. Teils, der Gr<strong>und</strong>lagen der Rechtsfolgenbestimmung<br />

<strong>überlange</strong>r Verfahrensdauer vorbehalten ist, wird der Meinungsstand<br />

in Rechtsprechung <strong>und</strong> Literatur erörtert. Im 2. Kapitel sind - zunächst<br />

- die Bemühungen <strong>von</strong> Gesetzgebung <strong>und</strong> Wissenschaft um eine Beschleunigung<br />

<strong>von</strong> <strong>Strafverfahren</strong> zu betrachten. Zu prüfen ist, ob <strong>von</strong> weiteren Änderungen<br />

des Strafprozeßrechts erwartet werden könnte, <strong>überlange</strong> Verfahrensdauer rein<br />

tatsächlich zu verhindern. <strong>Die</strong>s hätte zur Folge, daß das Suchen nach Rechtsfolgen<br />

nur das Ansetzen an den Symptomen eines zu beseitigenden Mißstandes wäre.<br />

Danach ist zu erörtern, inwieweit für den Beschuldigten Möglichkeiten bestehen,<br />

drohender <strong>überlange</strong>r Verfahrensdauer entgegenzutreten, so daß insoweit die<br />

Einräumung umfassender Rechtsfolgen unnötig sein könnte. Im <strong>3.</strong> Kapitel soll<br />

dann der Begriff der <strong>überlange</strong>n Verfahrensdauer präzisiert werden. Es ist zu<br />

fragen, nach welchen Kriterien sich entscheidet, ob ein Verfahren "überlang" ist<br />

<strong>und</strong> deshalb Rechtsfolgen auslösen soll. Im 2. Teil schließlich werden in den<br />

Kapiteln 4-8 die einzelnen in Betracht kommenden Rechtsfolgen zu diskutieren<br />

sein, wobei ein weiter Rechtsfolgenbegriff zugr<strong>und</strong>e zu legen ist: "Rechtsfolgen"<br />

sind danach nicht nur solche des <strong>3.</strong> Abschnitts des StGB (§§ 38 ff.), sondern<br />

auch sonstige, insbesondere prozeßrechtliche Konsequenzen innerhalb des <strong>Strafverfahren</strong>s.<br />

Erster Teil<br />

Gr<strong>und</strong>lagen der Rechtsfolgenbestimmung<br />

<strong>überlange</strong>r Verfahrensdauer<br />

Forschungsstand, Beschleunigungsproblematik, Begriff der Überlänge<br />

Erstes Kapitel<br />

Überblick über den Forschungsstand<br />

Zur Notwendigkeit weiterer Erörterung der Rechtsfolgen<br />

<strong>Die</strong> Schwierigkeit der Rechtsfolgenbestimmung zeigt sich schon bei einem<br />

ersten Blick auf einige "Meilensteine" in der Entwicklung der Rechtsprechung<br />

zur <strong>überlange</strong>n Verfahrensdauer:<br />

- 21.12.1962: Der 4. Strafsenat des BGH erklärt, der Länge des <strong>Strafverfahren</strong><br />

komme "gr<strong>und</strong>sätzlich keine rechtliche Bedeutung" zu 1.<br />

- 12.6.1966: Der 1. Strafsenat des BGH führt aus, eine Verletzung des Beschleunigungsgr<strong>und</strong>satzes<br />

habe "jedenfalls nicht ohne weiteres die Unzulässigkeit<br />

des Verfahrens zur Folge"2.<br />

- 1O. 11. 1971: Für den 2. Senat des BGH ist "nicht Verfahrenseinstellung,<br />

sondern Berücksichtigung bei der Strafzumessung das geeignete Mittel",<br />

<strong>überlange</strong>r Verfahrensdauer Rechnung zu tragen <strong>3.</strong><br />

- 2.7.1974: Der 5. Strafsenat des BGH stellt ein Verfahren nach § 206a StPO<br />

ein, weil es sich "ungewöhnlich lange hingezogen" habe 4.<br />

- 24.11.1983: Ein Vorprüfungsausschuß des BVerfG befindet, "in extrem gelagerten<br />

Fällen" <strong>von</strong> Verfahrensverzögerung läge es nahe, "<strong>von</strong> Verfassungs<br />

8 Kohlmann, FS Pfeiffer, S. 210.<br />

9 Siehe etwa Schünemann, Verh. 58. DJT, S. B 16.<br />

10 Siehe etwa Schmidt-Hieber, FS Deutsche Richterakademie, S. 193 ff.: "Beschleunigung<br />

des <strong>Strafverfahren</strong>s durch Kooperation".<br />

I BOH, DAR 1963, S. 169.<br />

2 BOHSt 21, S. 81 (84).<br />

3 BOHSt 24, S. 239 (242).<br />

4 BOH, Besch!. v. 2.7.1974 - 5 StR 48/74 (Anhang 3).


22 1. Kap.: Überblick über den Forschungsstand A. Entwicklung zur heute herrschenden Meinung 23<br />

wegen ein Verfahrenshindernis unmittelbar aus dem Rechtsstaatsgebot des<br />

Gr<strong>und</strong>gesetzes abzuleiten" 5.<br />

9.12.1987: Der <strong>3.</strong> Strafsenat des BGH ordnet den Abbruch eines <strong>Strafverfahren</strong>s<br />

wegen "willkürlicher <strong>und</strong> schwerwiegender Verletzung des Beschleunigungsgebots"<br />

an, was sich "nicht notwendig mit der Annahme eines allgemeinen<br />

Verfahrenshindernisses der <strong>überlange</strong>n Verfahrensdauer" decke 6.<br />

Auch ein Blickrichtungswechsel auf drei spätere Urteile in spektakulären Verfahren,<br />

<strong>und</strong> zwar einem NS-Verfahren, einem Terroristenprozeß <strong>und</strong> einer Wirtschaftsstrafsache<br />

(also in Beispielen der drei Hauptgruppen <strong>von</strong> Großverfahren7),<br />

ergibt, daß bislang die Rechtsprechung dogmatisch keinen festen Standpunkt<br />

gef<strong>und</strong>en hat:<br />

1988 hebt der 2. Strafsenat des BGH im sog. Euthanasie-Verfahren gegen<br />

Bunke <strong>und</strong> Ullrich die Verurteilung wegen Beihilfe zum Mord in mindestens<br />

11.000 bzw. 4.500 Fällen zu je vier Jahren Freiheitsstrafe auf: Der Schuldspruch<br />

sei auf 9.200 bzw. 2.340 Mordfälle zu beschränken. Vor allem weil<br />

die Ermittlungsverfahren bereits vor über 28 Jahren eingeleitet wurden, verwies<br />

der BGH zur Rechtsfolgenbestimmung nicht zurück, sondern setzte<br />

selbst (vgl. § 354 I StPO) die Strafe aufdie Mindeststrafe <strong>von</strong> drei Jahren fest 8 •<br />

- Im sog. Schmücker-Verfahren, das als "längster Prozeß der deutschen Justizgeschichte"<br />

bezeichnet wird 9 , erklärte Anfang 1989 der 5. Strafsenat des<br />

BGH nach r<strong>und</strong> dreizehn Jahren Verhandlungsdauer <strong>und</strong> sieben Jahren Untersuchungshaft<br />

für die Hauptangeklagte 10 bei der dritten Urteilsaufhebung, es<br />

lägen keine "besonderen Umstände" vor, die Veranlassung gäben, das Verfahren<br />

durch Einstellung "abzubrechen"; er verwies zur vierten Hauptverhandlung<br />

über den Mordvorwurf zurück 11.<br />

Ende 1989 stellte wiederum der 2. Senat dann im sog. Herstatt-Komplex ein<br />

Verfahren anstatt der an sich gebotenen Zurückverweisung nach § 153 StPO<br />

ein: Zwar habe, sollte sich der Anklagevorwurfbestätigen, der zu zwei Jahren<br />

5 BVerfG (Vorprüfungsausschuß), NJW 1984, S. 967.<br />

6 BGHSt 35, S. 137 (142 f.).<br />

7 Vgl. K. Peters in: Strafprozeß <strong>und</strong> Refonn, S. 82; Rebmann, NStZ 1984, S. 241;<br />

Herrmann, ZStW 85 (1973), S. 256 ff.; Baumann, FS Klug, S. 463 f.<br />

8 BGH, NStZ 1989, S. 238 (239).<br />

9 Vgl. etwa Strate, DuR 1986, S. 363; J. Blau, DuR 1989, S. 251. Das eben erwähnte<br />

Euthanasie-Verfahren dauerte insofern nicht 28 Jahre, als es 16 Jahre wegen Verhandlungsunfähigkeit<br />

der Angeklagten vorläufig eingestellt war (vgl. dazu Renz, Lauter<br />

pflichtbewußte Leute, S. 126). Zuvor kam dieser Titel zunächst dem 1971 beendeten<br />

Contergan-Verfahren zu (LG Aachen, JZ 1971, S. 507 ; Bmns, FS Maurach,<br />

S. 469; Tiedemann in: <strong>Die</strong> Verbrechen in der Wirtschaft', S. 37), dann dem Majdanek­<br />

Prozeß (Renz, a.a.O., S. 144). Im Juni 1991 wurde das Schmücker-Verfahren inzwischen<br />

endgültig beendet.<br />

10 Vgl. Grünwald, StV 1987, S. 457.<br />

11 BGH, StV 1989, S. 187 (188).<br />

<strong>und</strong> sechs Monaten Freiheitsstrafe verurteilte Angeklagte nicht nur geringe<br />

Schuld auf sich geladen. Insbesondere aufgr<strong>und</strong> der langen Verfahrensdauer<br />

<strong>und</strong> des jahrelangen Verfahrensdrucks sei jedoch nunmehr trotzdem § 153<br />

StPO anwendbar 12 •<br />

A. Entwicklung zur heute herrschenden Meinung<br />

I. Der Weg der Rechtsprechung<br />

<strong>Die</strong> Entwicklung in der Dogmatik der höchstrichterlichen Rechtsprechung zur<br />

<strong>überlange</strong>n Verfahrensdauer ist also nicht geradlinig verlaufen. Auch die praktische<br />

Bewältigung spektakulärer <strong>Strafverfahren</strong> erweckt den Eindruck, vor allem<br />

auf Lösungen für den Einzelfall orientiert zu sein. Es scheint so, als ob der<br />

konkrete Entscheidungsdruck 13 den BGH in Fällen <strong>überlange</strong>r Verfahrensdauer<br />

gelegentlich veranlaßt hat, zum Erreichen des für richtig gehaltenen Ergebnisses<br />

mehr oder weniger weitreichende Modifikationen bisheriger Rechtsprechung<br />

vorzunehmen 14. Manchmal wird dies wohl dadurch hervorgerufen, daß in einer<br />

früheren höchstrichterlichen Entscheidung ein Satz aufgestellt wurde, der dort<br />

das gewünschte Ergebnis ermöglichte, hier nun aber im Wege steht. Darüber<br />

hinaus kann die Unsicherheit der Rechtsprechung auch zu vagen <strong>und</strong> vorsichtigen<br />

Formulierungen führen, mit denen eine Festlegung der Rechtsentwicklung offenbar<br />

vermieden <strong>und</strong> jede Entscheidungsmöglichkeit für die Zukunft offengehalten<br />

werden soll. Dann ist aber nicht auszuschließen, daß genau diese Rechtsfrage<br />

bald wieder zu entscheiden ist, weil Verteidiger sie bei nächster Gelegenheit für<br />

ihre praktischen Fälle nutzbar zu machen suchen 15 <strong>und</strong> untere Gerichte dies<br />

gelegentlich aufgreifen <strong>und</strong> die Rechtsunsicherheit vergrößern 16. <strong>Die</strong>ses Problem<br />

könnte sich in Zukunft noch verstärkt stellen, da zu den nun schon seit r<strong>und</strong><br />

einem Jahrzehnt existierenden Spezialzeitschriften (NStZ, StV, wistra) einige<br />

strafrechtliche Entscheidungssammlungen (EZSt, NStE, BGHR) getreten sind,<br />

so daß praktisch "keine Entscheidung der obersten Richter mehr der Veröffentlichung"<br />

entgeht l7 •<br />

12 BGH, wistra 1990, S. 65.<br />

13 Vgl. Schlüter, Das Obiter dictum, S. 32 f.<br />

14 Vgl. dazu Hattenhauer, <strong>Die</strong> Kritik des Zivilurteils, S. 128 ff.; E. Schneider, MDR<br />

1971, S. 184.<br />

15 Vgl. Bmns, NStZ 1985, S. 565; Hillenkamp, NJW 1989, S. 2845 Fn. 54.<br />

16 Vgl. Strate, StV 1990, S. 39<strong>3.</strong><br />

17 E. Blankenburg, KritV 1988, S. 111.


-----------------------_ .._--- ..~~<br />

24 1. Kap.: Überblick über den Forschungsstand A. Entwicklung zur heute herrschenden Meinung 25<br />

1. BGHSt 21, 81<br />

Ein solcher Fall findet sich, vollzieht man die Entwicklung der Rechtsprechung<br />

nach, gleich am Anfang der Historie: Nachdem die erwähnte Entscheidung des<br />

4. Strafsenats des BGH 18, Verfahrensdauer sei für die Rechtsfolgen schlechterdings<br />

unbeachtlich, kaum auf Resonanz stieß 19 <strong>und</strong> auch nur relativ entlegen<br />

veröffentlicht wurde, hat 1966 der 1. Strafsenat seine Entscheidung sogar in die<br />

amtliche Sammlung aufnehmen lassen (BGHSt 21,81): Ihr lag die "nicht alltägliche<br />

Revisionsrüge" eines "einfallsreichen Verteidigers" zugr<strong>und</strong>e 20, wonach<br />

das Recht des Beschuldigten "auf alsbaldige <strong>und</strong> schnelle Verhandlung" nach<br />

Art. VII Abs. 91it. ades NATO-Truppenstatuts durch die lange Verfahrensdauer<br />

nicht gewahrt worden sei, was zur Einstellung des Verfahrens zwinge. Das LG<br />

Bad Kreuznach als Instanzengericht hatte dies apodiktisch abgelehnt 21 . Der Senat<br />

führte aus, eine Verletzung des Beschleunigungsgr<strong>und</strong>satzes habe - auch unter<br />

dem Blickwinkel <strong>von</strong> Art. 6 I EMRK, der Gehör innerhalb einer "angemessenen<br />

Frist" garantiert - "jedenfalls nicht ohne weiteres" die Unzulässigkeit des Verfahrens<br />

zur Folge 22 • Zwar möge eine gewisse Verzögerung eingetreten <strong>und</strong> das<br />

staatsanwaltschaftliehe Ermittlungsverfahren etwas unzulänglich gefördert worden<br />

sein; unter Berücksichtigung aller Umstände, insbesondere der Schwere des<br />

Tatvorwurfs (Totschlag), sei es aber zweifelhaft, ob das Recht des Beschuldigten<br />

auf alsbaldige <strong>und</strong> schnelle Verhandlung in nennenswertem Maß verletzt worden<br />

sei 2<strong>3.</strong> Immerhin erging das angefochtene tatrichterliche Urteil auch nur gut eineinhalb<br />

Jahre nach Tat <strong>und</strong> Verhaftung des Beschuldigten 24 •<br />

<strong>Die</strong>se Entscheidung beschäftigte in den nächsten Jahren Literatur <strong>und</strong> Rechtsprechung.<br />

Unklarheiten entstanden nicht zuletzt dadurch, daß der Senat im<br />

Leitsatz der Entscheidung lediglich formulierte: "nicht ohne weiteres", also das<br />

Wort "jedenfalls" wegließ 25. So waren demzufolge zwei Interpretationen möglich<br />

26 : Zum einen die, der 1. Strafsenat habe die Möglichkeit des Verfahrenshindernisses<br />

offen gelassen 27 , aber auch die, er habe prinzipiell, beschränkt auf<br />

besondere Fälle, das Prozeßhindernis der <strong>überlange</strong>n Verfahrensdauer anerkannt.<br />

18 BGH, DAR 1963, S. 169.<br />

19 Zustimmend aber Bruns, Strafzumessungsrechtl, S. 411.<br />

20 Hübner, LM NT. 1 zu NATO-Truppenstatut.<br />

21 Siehe dazu Schwenk, ZStW 79 (1967), S. 721; vgl. auch LG Duisburg, NJW 1965,<br />

S.643 (644), das die Norm überhaupt nicht erwähnt.<br />

22 BGHSt 21, S. 81 (84).<br />

23 BGHSt 21, S. 81 (82).<br />

24 Vgl. Hübner, LM NT. 1 zu NATO-Truppenstatut; Schwenk, ZStW 79 (1967),<br />

S. 721 f.<br />

25 Vgl. dazu Sarstedt / Hamm, <strong>Die</strong> Revision in Strafsachen', Rn. 515; Hattenhauer,<br />

<strong>Die</strong> Kritik des Zivilurteils, S. 145.<br />

26 Ähnlich Schwenk, ZStW 79 (1967), S. 737; JZ 1976, S. 583; Kramer, Menschenrechtskonvention,<br />

S. 59.<br />

So hat etwa kurz daraufdas OLG Stuttgart zwar im konkreten Fall Verzögerungen<br />

verneint, aber in einem obiter dictum aus dieser BGH-Entscheidung gefolgert,<br />

man könne aus einer Verletzung der genannten Bestimmung des NATO-Truppenstatuts<br />

für den Fall ihrer Mißachtung "keineswegs schlechthin" auf die Unzulässigkeit<br />

des folgenden Verfahrens schließen, sondern es müßten irgendwelche<br />

besonderen Umstände vorhanden sein, die ausnahmsweise eine Sperre des weiteren<br />

Verfahrens begründen könnten 28 •<br />

1970 nahm mit dem LG Frankfurt erstmals, soweit ersichtlich, ein Gericht an,<br />

daß aus dem Verbot <strong>überlange</strong>r Verfahrensdauer in Art. 6 I EMRK ein Verfahrenshindernis<br />

gefolgert werden könnte 29. Das LG Frankfurt knüpfte an den 1.<br />

Strafsenat des BGH sowie an eine Bemerkung Tiedemanns bezüglich des Contergan-Verfahrens<br />

an, das dessen Ansicht zufolge wegen Verletzung des Beschleunigungsprinzips<br />

hätte eingestellt werden müssen 30. Noch darüber hinausgehend<br />

äußerte das Landgericht, daß dann, wenn im Einzelfall die <strong>Dauer</strong> eines <strong>Strafverfahren</strong>s<br />

die angemessene Frist in Art. 6 EMRK überschritten hat, die Konsequenz<br />

nur darin bestehen könne, wegen eines Prozeßhindernisses einzustellen. Da Auslegungsrichtlinien<br />

<strong>und</strong> Präzedenzentscheidungen nicht existierten, versuchte das<br />

LG Frankfurt selbst, den Begriff der Angemessenheit i. S. v. Art. 6 I EMRK<br />

auszulegen. Zuvörderst seien sachbezogene Umstände heranzuziehen: Es sei die<br />

für das Verfahren benötigte Zeit in Verhältnis zu setzen zu der Bedeutung des<br />

Verfahrensgegenstands, dem Maß der Schuld des Beschuldigten, der Aussicht<br />

auf zuverlässige <strong>und</strong> vollständige Wahrheitsermittlung, der Straferwartung im<br />

Falle der Verurteilung, dem Umfang der Sache, dem Schwierigkeitsgrad der<br />

Ermittlungen <strong>und</strong> der Führung des Ermittlungsverfahrens 31 • Ergibt nicht schon<br />

diese Prüfung, daß ein <strong>Strafverfahren</strong> unangemessen lang sei, so ist für das LG<br />

Frankfurt weiterhin "personenbezogen" zu untersuchen, ob der Beschuldigte<br />

durch die <strong>Dauer</strong> des Verfahrens ges<strong>und</strong>heitlich <strong>und</strong> wirtschaftlich so sehr betroffen<br />

worden ist, daß dessen Fortsetzung ihm nicht mehr zugemutet werden kann 32.<br />

Ohne Bezug auf diese Entscheidungen stellte kurz darauf das LG Aachen im<br />

"Contergan-Beschluß" etwas mißverständlich fest, ein Verfahrenshindernis bestünde<br />

nicht, weil keine Vorschrift "im vorliegenden Falle" einen Verfahrensabbruch<br />

"gebieten" würde 3<strong>3.</strong><br />

27 So BGHSt 24, S.239 (243); OLG Karlsruhe, NJW 1972, S. 1907 (1909); LG<br />

Frankfurt, JZ 1971, S. 234 (235); LG Krefeld, JZ 1971, S. 733 (735).<br />

28 OLG Stuttgart, NJW 1967, S. 508 (509 f.); vgl. auch OLG Koblenz, NJW 1972,<br />

S. 404 f.; Hillenkamp, JR 1975, S. 137 Fn. 65; Schultz, MDR 1971, S. 191.<br />

29 LG Frankfurt, JZ 1971, S. 234.<br />

30 Tiedemann in: <strong>Die</strong> Verbrechen in der Wirtschaft', S. 37. Vgl. auch Schultz, MDR<br />

1971, S. 191.<br />

31 LG Frankfurt, JZ 1971, S. 234 (236).<br />

32 LG Frankfurt, JZ 1971, S. 234 (236).<br />

33 LG Aachen, JZ 1971, S. 507 (521); siehe auch StA Aachen, DRiZ 1971, S. 45.


26 1. Kap.: Überblick über den Forschungsstand A. Entwicklung zur heute herrschenden Meinung 27<br />

Dem LG Frankfurt widersprach wenige Monate später das LG Krefeld 34: Es<br />

käme nicht auf tat- <strong>und</strong> persönlichkeitsbezogene Umstände an, sondern ausschließlich<br />

darauf, ob die tatsächliche Verfahrensdauer, gemessen an der notwendigen<br />

Verfahrensdauer, unangemessen lang gewesen sei. Ob dies "ohne weiteres"<br />

die Unzulässigkeit des Verfahrens zur Folge hätte, ließ die Kammer mit Hinweis<br />

aufdie Entscheidung des 1. Strafsenats des BGH offen, da dies hier schon deshalb<br />

nicht in Betracht käme, weil der zur Revisionsaufhebung <strong>und</strong> damit zur Verfahrensdauer<br />

führende Verfahrensfehler auch auf das Verhalten der Verteidigung<br />

zurückzuführen sei 35 •<br />

Ende 1971 erwog das LG Lübeck dem Revisionsgericht zufolge, ein Verfahren<br />

wegen Verstoßes gegen Art. 6 I EMRK einzustellen 36 •<br />

Das OLG Koblenz 37 , das den 1. Strafsenat des BGH dahingehend verstand,<br />

daß dieser gr<strong>und</strong>sätzlich schon für bestimmte Fälle das Vorliegen eines Verfahrenshindernisses<br />

bejaht hätte 38, schränkte den Anwendungsspielraum zurgleichen<br />

Zeit gegenüber den genannten Landgerichten dadurch ein, daß ein Prozeßhindernis<br />

erst dann vorliegen sollte, wenn das Beschleunigungsprinzip in so unerträglicher,<br />

in so gravierender <strong>und</strong> unzumutbarer Weise verletzt sei, daß die eingetretene<br />

Verzögerung einer "Rechtsverweigerung" gleichkomme. Das OLG nahm diese<br />

Einschränkung vor, nachdem es das insgesamt über neunjährige Ermittlungs<strong>und</strong><br />

Eröffnungsverfahren als zum Teil verzögert angesehen hatte.<br />

Auch das OLG Karlsruhe knüpfte in seinem Urteil vom 20. 1. 1972 noch an<br />

die Entscheidung des 1. Strafsenats an 39 <strong>und</strong> ließ dahingestellt sein, ob unter<br />

ganz besonderen Umständen eine Verfahrensverzögerung einmal ein Verfahrenshindernis<br />

begründen könnte 40. Das OLG Karlsruhe stand allerdings vor dem<br />

Problem, daß es aufgr<strong>und</strong> jahrelanger Nichtbetreibung des Verfahrens auch bei<br />

dieser Einschränkung Art. 6 I EMRK als an sich verletzt ansah. Es hielt dem<br />

aber entgegen, daß dem Beschuldigten auferlegt sei, wollte er aus einer Verfahrensverzögerung<br />

Rechte herleiten, sein Recht auf Förderung des Verfahrens bei<br />

<strong>von</strong> ihm feststellbaren Verzögerungen mit Entschiedenheit, insbesondere mittels<br />

einer <strong>Die</strong>nstaufsichtsbeschwerde, geltend zu machen.<br />

2. BGHSt 24, 239<br />

<strong>Die</strong> Zurückhaltung der Oberlandesgerichte, auf Verfahrensverzögerungen mit<br />

Einstellungen zu reagieren, wurde durch eine Gr<strong>und</strong>satzentscheidung des 2.<br />

Strafsenats des BGH bestätigt 41 • Auch der 2. Senat stellte fest, "daß die ungewöhnlich<br />

lange <strong>Dauer</strong> des Vorverfahrens zu einem wesentlichen Teil auf unzulängliche<br />

Förderung durch die für seinen Fortgang verantwortlichen Organe<br />

zurückgeführt werden muß", <strong>und</strong> folgerte daraus einen Verstoß gegen Art. 6 I<br />

EMRK. Trotzdem lehnte der BGH jedoch die Möglichkeit des Vorliegens eines<br />

Verfahrenshindernisses gr<strong>und</strong>sätzlich <strong>und</strong> apodiktisch ab. <strong>Die</strong> Berücksichtigung<br />

bei der Strafzumessung sei "das geeignete Mittel", einer Verletzung des Beschleunigungsprinzips<br />

Rechnung zu tragen. <strong>Die</strong> Strafzumessung gewähre einen Spielraum,<br />

der ausreiche, um auf unangemessene Verzögerungen des Verfahrens zu<br />

reagieren. <strong>Die</strong>s könne in den vom Gesetz vorgesehenen Fällen bis zum völligen<br />

Absehen <strong>von</strong> Strafe gehen. Bei Vergehen könne das Verfahren nach § 153 StPO<br />

eingestellt werden, bei Verbrechen sei regelmäßig die Möglichkeit des Zurückgehens<br />

auf die gesetzliche Mindeststrafe ausreichend 42 •<br />

<strong>Die</strong>se überraschende Entscheidung läßt sich vielleicht tatsächlich, wie Kristian<br />

Kühl meint, durch die "Schubkraft" des Art. 6 I EMRK43 <strong>und</strong> durch das Wemhoff­<br />

Urteil des EGMR erklären, in dem dieser 1968 erstmalig - <strong>und</strong> zwar gegen die<br />

B<strong>und</strong>esrepublik Deutschland - über eine Verletzung des Beschleunigungsprinzips<br />

zu befinden hatte 44. Der 1. Strafsenat hätte 1966 in seinermehrfach erwähnten<br />

Entscheidung das Vorliegen <strong>überlange</strong>r Verfahrensdauer, hielte er es für strafzumessungsrelevant,<br />

nicht einfach dahingestellt lassen dürfen 45, sofern der Beschwerdeführer,<br />

wie es regelmäßig geschieht 46 , (auch) die allgemeine Sachriige<br />

erhoben hatte 47.<br />

Der 2. Senat vertrat die Auffassung, daß die Entscheidung des 1. Senats nicht<br />

seinem Ergebnis entgegenstehen würde. Es habe sich dort nur um eine beiläufige<br />

Erörterung der Folgen eines Verstoßes gegen das Beschleunigungsprinzip gehandelt;<br />

die Worte "nicht ohne weiteres" sollten nur die vorgreifliche Beantwortung<br />

einer für die Entscheidung unerheblichen Frage vermeiden, nicht aber die Möglichkeit<br />

der Entstehung eines Verfahrenshindernisses im Gr<strong>und</strong>satz bejahen.<br />

34 LG Krefeld, IZ 1971, S. 73<strong>3.</strong><br />

35 LG Krefeld, IZ 1971, S. 733 (735).<br />

36 Vgl. BGH, Beschl. v. 2.7.1974 - 5 StR 48/74 (Anhang 3).<br />

37 OLG Koblenz, NIW 1972, S. 404.<br />

38 Vgl. auch BGH, Urt. v. 14.6.1972 - 2 StR 3/72 (Anhang 2).<br />

39 <strong>Die</strong> Entscheidung des OLG Karlsruhe erging zwar nach der Gr<strong>und</strong>satzentscheidung<br />

des 2. Senats (BGHSt 24, S. 239 vom 10.11.1971); offenbar war dieses Urteil dem OLG<br />

Karlsruhe jedoch noch nicht bekannt. Allerdings wies das OLG ebenfalls auf die ­<br />

erstmals in dem Urteil des 2. Senats ausgesprochene - Möglichkeit der Strafmilderung<br />

hin.<br />

40 OLG Karlsruhe, NIW 1972, S. 1907.<br />

41 BGHSt 24, S. 239.<br />

42 BGHSt 24, S. 239 (242 f.).<br />

43 K. Kühl, ZStW 100 (1988), S. 642. Kritisch aber Ress in: Europäischer Menschenrechtsschutz,<br />

S. 276.<br />

44 EGMR, IR 1968, S. 46<strong>3.</strong><br />

45 BGHSt 21, S. 81 (82).<br />

46 Vgl. etwa Grethlein, Problematik des Verschlechterungsverbotes im Hinblick auf<br />

die besonderen Maßnahmen des Jugendrechts, S. 29 Fn. 26a; Kodde, Zur Praxis der<br />

Beschlußverwerfung <strong>von</strong> Revisionen (§ 349 Abs. 2 StPO), S. 27. Vgl. aber auch Sarstedt /<br />

Hamm, <strong>Die</strong> Revision in Strafsachen" Rn. 10; Doller, MDR 1977, S. 370.<br />

47 Vgl. BayObLG, StV 1989, S. 394 (395); Ulsamer, FS Zeidler, S. 1804 f.


28 1. Kap.: Überblick über den Forschungsstand A. Entwicklung zur heute herrschenden Meinung 29<br />

So richtig diese Begründung im Ergebnis sein dürfte, so sind im einzelnen<br />

doch erhebliche Zweifel anzumelden. Zunächst spricht gegen die Annahme eines<br />

"unverbindlichen Schlenkers"48 durch den 1. Strafsenat, daß diese Ausführungen<br />

den Inhalt des - noch dazu einzigen - Leitsatzes der Entscheidung darstellen49,<br />

die der 1. Senat zur Veröffentlichung in der amtlichen Sammlung für geeignet<br />

gehalten hat. Zwar sind solche Darlegungen gerade beim 1. Senat nicht unüblich,<br />

wie etwa die Senatsentscheidungen BGHSt 32,345 5 °; 35, 308 51 <strong>und</strong> StV 1986,<br />

374 52 zeigen. Sie dürften aber doch wohlbedacht sein, etwa, um damit ganz<br />

allgemein Hinweise an die Tatrichter zu geben oder um die anderen BGH-Senate<br />

zu beeinflussen5<strong>3.</strong> Zudem mag aus der Formulierung des Leitsatzes - <strong>und</strong> nur<br />

die hat der 2. Senat wiedergegeben - kaum die sprachliche Auslegung möglich<br />

sein, daß hier eine Rechtsfrage offengelassen werden sollte. <strong>Die</strong> Gedankenführung<br />

des 2. Senats dürfte allerdings dann richtig sein, wenn man das beim 1. Senat<br />

in der Begründung auftauchende Wort ,jedenfalls" mit zur Würdigung heranzieht.<br />

Selbst wenn man jedoch eine Unvereinbarkeit zwischen den beiden Entscheidungen<br />

feststellen sollte, wäre auch dann der 2. Strafsenat nicht zu einer Vorlage<br />

an den Großen Strafsenat des BGH gemäß § 136 I GVG genötigt gewesen, da<br />

die Entscheidung des 1. Senats nicht auf dieser Passage beruht 54.<br />

<strong>Die</strong> gegen die Entscheidung des 2. Senats erhobene Verfassungsbeschwerde<br />

verwarf das BVerfG mit der Begründung, die Ablehnung der Verfahrenseinstellung<br />

<strong>und</strong> die Berücksichtigung der langen Verfahrensdauer bei der Strafzumessung<br />

verstoße hier nicht gegen rechtsstaatliche Gr<strong>und</strong>sätze 55 . Allerdings deutet<br />

diese Entscheidung, was in der Literatur regelmäßig übersehen wird 56, schon an,<br />

daß in schwerwiegenderen Fällen anderes gelten könnte. <strong>Die</strong> dagegen eingelegte<br />

Menschenrechtsbeschwerde sah die Kommission als zulässig an 57. Das Verfahren<br />

konnte durch einen fre<strong>und</strong>schaftlichen Ausgleich (vgl. Art. 28 lit. b EMRK)<br />

beendet werden, nachdem dem Beschwerdeführer der Rest der dreijährigen Freiheitsstrafe<br />

nach Verbüßung <strong>von</strong> wenig mehr als einem Drittel im Gnadenwege<br />

bedingt erlassen wurde 58.<br />

48 Kramer, Menschenrechtskonvention, S. 59.<br />

49 Vgl. Bruns, MDR 1987, S. 177; vgl. aber auch Sarstedt/Hamm, <strong>Die</strong> Revision in<br />

Strafsachen 5 , Rn. 8.<br />

50 Vgl. Bruns, StV 1984, S. 389 f.<br />

51 Vgl. G. Blau, BA 1989, S. 4.<br />

52 Vgl. Metzger, GebColloquium Kielwein, S. 97.<br />

53 Vgl. Bruns, StV 1984, S. 389 f.<br />

54 Vgl. BGHSt 9, S. 24 (29); 11, S. 159 (162); 19, S. 7 (9).<br />

55 BVerfG (Vorprüfungsausschuß), Beschl. v. 21.6.1972 -<br />

hang 1).<br />

2 BvR 146/72 (An-<br />

56 Vgl. Vogler, ZStW 89 (1977), S. 781; Peukert, EuGRZ 1979, S. 264 Fn. 20.<br />

57 EKMR, CD 44 (1973), S. 81.<br />

58 Vogler, ZStW 89 (1977), S. 781 f. Siehe auch Peukert, EuGRZ 1979, S. 274.<br />

Nachdem der 2. Senat 1972 in einem Hinweis an den Tatrichter wiederholte,<br />

daß aus Art. 6 I EMRK kein Verfahrenshindernis hergeleitet werden könne,<br />

stellte 1974 der 5. Strafsenat des BGH ein <strong>Strafverfahren</strong> wegen Verstoßes gegen<br />

diese Vorschrift ein, weil die Taten erst abgeurteilt worden seien, "nachdem sich<br />

das Verfahren über die dreifache Verjährungsfrist (§ 67 Abs. 2 StGB) <strong>und</strong> annähernd<br />

2 weitere Jahre hingeschleppt hat" 59. Wenngleich der 5. Senat betonte,<br />

hierin würde sich dieses Verfahren wesentlich <strong>von</strong> demjenigen unterscheiden,<br />

das dem Urteil BGHSt 24, 239 zugr<strong>und</strong>e lag, hätte er gemäß § 136 I GVG die<br />

- für beide Entscheidungen erhebliche - Rechtsfrage, ob aus Art. 6 I EMRK<br />

ein Verfahrenshindernis herleitbar ist, dem Großen Senat vorlegen müssen. Allerdings<br />

hat die Entscheidung des 5. Senats die Rechtsentwicklung nicht beeinflußt.<br />

Selbst nicht veröffentlicht, ist sie, soweit ersichtlich, weder in der Literatur noch<br />

in der (veröffentlichten) Rechtsprechung jemals auch nur erwähnt worden. Lediglich<br />

der 5. Senat selbst zitierte die Entscheidung zwei Jahre später in einem<br />

ebenfalls unveröffentlichten Urteil mit der Bemerkung, er halte an der dort<br />

niedergelegten Auffassung nicht fest 60.<br />

In der Ablehnung der Annahme eines Verfahrenshindernisses <strong>und</strong> der Befürwortung<br />

der Berücksichtigung <strong>von</strong> Verfahrensverzögerungen in der Strafzumessung<br />

schlossen sich in der Folgezeit auch alle anderen Senate des BGH - also<br />

ebenfalls der 1. Senat - dem 2. Strafsenat an 61 . Lediglich der <strong>3.</strong> Strafsenat<br />

akzeptierte in einer Entscheidung, daß die ca. zehnjährige Verfahrensdauer vom<br />

Tatgericht nicht strafmildernd herangezogen wurde 62. Im einzelnen präzisierten<br />

vor allem der 2. <strong>und</strong> der <strong>3.</strong> Senat die "Strafzumessungslösung": Strafmilderung<br />

dürfe es nur im Rahmen der gesetzlichen Voraussetzungen geben63, <strong>überlange</strong><br />

Verfahrensdauer könne aber auch für die Strafaussetzung zur Bewährung Bedeu-<br />

59 BGH, Beschl. v. 2.7.1974 - 5 StR 48/74 (Anhang 3).<br />

60 BGH, Urt. v. 6.7.1976 - 5 StR 184/76 (Anhang 7).<br />

61 1. Senat: GA 1977, S.275; NStZ 1987, S.232; StV 1988, S.487; NStZ 1989,<br />

S.526; wistra 1990, S.20; Urt. v. 24.2.1977 - 1 StR 554/76 (Anhang 8); Urt. v.<br />

5.7.1990 - 1 StR 135/90 (Anhang 16; jetzt auch bei Deuer, NStZ 1991, S. 274).<br />

2. Senat: NStZ 1982, S.291; 1983, S. 135; 1986, S. 162; S.217; 1989, S. 238; NJW<br />

1986, S. 75; StV 1983, S. 502; 1985, S. 322; S. 411; wistra 1990, S. 65; BGHR StPO<br />

§ 154a Abs. 3 Wiedereinbeziehung 1; wohl auch BGHR StGB § 46 Abs. 2 Nachtatverhalten<br />

4 (insoweit nicht in NStZ 1987, S. 171 abgedruckt); Urt. v. 14.6.1972 - 2 StR 3/<br />

72 (Anhang 2); Urt. v. 18.2.1976 - 2 StR 566/75 (Anhang 4); Urt. v. 19.2.1976­<br />

2 StR 585/73 (Anhang 5); Urt. v. 5.1. 1978 - 2 StR 425/77 (Anhang 12).<br />

<strong>3.</strong> Senat: BGHSt 27, S. 274; 35, S. 137; StV 1982, S. 266; wistra 1982, S. 108; 1983,<br />

S. 106; bei Mösl, NStZ 1983, S. 494; Urt. v. 31.<strong>3.</strong>1976 - 3 StR 502/75 (Anhang 6).<br />

4. Senat: Urt. v. 24.11.1977 - 4 StR 459/77 (Anhang 11).<br />

5. Senat: BGH, StV 1989, S. 187 (188); bei Pfeiffer/Miebach, NStZ 1987, S. 19; Urt.<br />

v. 6.7.1976 - 5 StR 184/76 (Anhang 7); Urt. v. 5.7.1977 - 5 StR 771/76 (Anhang<br />

9); Beschl. v. 25.10.1977 - 5 StR 616/77 (Anhang 10); Urt. v. 4.<strong>3.</strong>1980 - 5 StR<br />

14/80 (Anhang 13).<br />

62 BGH, Urt. v. 31.<strong>3.</strong>1976 - 3 StR 502/75 (Anhang 6).<br />

63 BGHSt 27, S. 274.


30 1. Kap.: Überblick über den Forschungsstand A. Entwicklung zur heute herrschenden Meinung 31<br />

tung erlangen 64. Verzögerungen <strong>von</strong> Mitbeschuldigten dürfen dem Beschuldigten<br />

genausowenig entgegengehalten werden 65 wie der durch sein eigenes Leugnen<br />

verursachte Zeitablauf 66 .<br />

Auch <strong>von</strong> den Oberlandesgerichten wurde diese Rechtsprechung nicht in Frage<br />

gestellt. So hat das OLG Koblenz 1978 in Abweichung zu seiner erwähnten<br />

Entscheidung <strong>von</strong> 1971 67 auch die Strafzumessungslösung übemommen 68 . Allerdings<br />

ist gelegentlich eine leichte Distanz spürbar geworden. Das OLG Stuttgart<br />

hat etwa weiterhin nicht ausgeschlossen, daß ein Verfahrenshindernis im Einzelfall<br />

möglich sein könnte 69 . Das OLG Hamm bemerkte, der ihm vorliegende Fall<br />

weise keine Besonderheiten auf, die zu einer vom BGH abweichenden Beurteilung<br />

Anlaß geben könnten 70. Von den Instanzengerichten hat das LG Köln 1975,<br />

wie aus der aufhebenden Entscheidung des 2. Senats des BGH zu entnehmen<br />

ist7 l , ein Verfahren mit der Begründung eingestellt, "das Recht des Angeklagten<br />

auf Durchführung des <strong>Strafverfahren</strong>s innerhalb einer angemessenen Frist sei<br />

seitens der Justiz in unerträglicher Weise verletzt worden" 72.<br />

<strong>3.</strong> BVerfG (Vorprüfungsausschuß), NJW 1984,967<br />

Erst 1983 wurde diese nahezu einhellige Rechtsprechung erstmalig wieder in<br />

Frage gestellt durch ein "Vorbeben" 73: Ein - damals noch so genannter ­<br />

Vorprüfungsausschuß des BVerfG führte nunmehr in einem obiter dictum aus,<br />

daß die Auffassung des BGH, aus einer Verletzung des Beschleunigungsgebots<br />

könne in keinem Falle ein Verfahrenshindernis hergeleitet werden, verfassungsrechtlichen<br />

Bedenken unterliege. Im Einzelfall sei eine so erhebliche Verletzung<br />

des Rechtsstaatsgebots im <strong>Strafverfahren</strong> möglich, daß ein anerkennenswertes<br />

Interesse an weiterer Strafverfolgung, die allgemein dem verfassungsrechtlich<br />

gebotenen Rechtsgüterschutz dient, nicht mehr besteht <strong>und</strong> eine Fortsetzung des<br />

Verfahrens rechtsstaatlich nicht mehr hinnehmbar ist. In solch extrem gelagerten<br />

64 BGR, StV 1983, S. 502; 1985, S. 322; S. 411. Siehe auch schon BGR, Beschl. v.<br />

25.10.1977 - 5 StR 616/77 (Anhang 10).<br />

65 BGR, NStZ 1982, S. 291 (292).<br />

66 BGR, wistra 1983, S. 106.<br />

67 OLG Koblenz, NJW 1972, S. 404.<br />

68 OLG Koblenz, Beschl. v. 2<strong>3.</strong> I. 1978 (zit. n. Krey, <strong>Strafverfahren</strong>srecht I, Rn. 137<br />

Fn.30).<br />

69 OLG Stuttgart, JZ 1974, S. 268.<br />

70 OLG Ramm, NJW 1975, S. 702.<br />

71 BGR, Urt. v. 18.2.1976 - 2 StR 566/75 (Anhang 4).<br />

72 Im Fall Eckle hat das LG Köln 1977 nicht, wie die Ausführungen des EGMR,<br />

EuGRZ 1983, S. 553 (555), zur Entschädigung nach Art. 50 EMRK zu bedeuten scheinen,<br />

wegen <strong>überlange</strong>r Verfahrensdauer das Verfahren eingestellt; vgl. EGMR, EuGRZ 1983,<br />

S. 371 (377; 379).<br />

73 Rillenkamp, NJW 1989, S. 2842; 2843; 2845.<br />

Fällen sei ein Verfahrenshindernis unmittelbar aus dem Rechtsstaatsgebot des<br />

Gr<strong>und</strong>gesetzes abzuleiten74.<br />

<strong>Die</strong>sen Ausführungen kommt gerade deshalb besondere Bedeutung zu, weil<br />

es sich um ein obiter dictum handelt, was für Karlheinz Meyer sogar eine "offensichtliche<br />

Überschreitung" der "Befugnisse nach § 93a Abs. 3 BVerfGG" darstellt7<br />

s . Der Vorprüfungsausschuß sah sich also offensichtlich aufgr<strong>und</strong> der ständigen<br />

Rechtsprechung des BGH genötigt7 6 , sich zu diesem Punkt zu äußern, was<br />

dann auch mit deutlichen Worten geschehen ist 77 •<br />

Allerdings dürfte dieser Beschluß wohl weniger als Reaktion auf das Eckle­<br />

Urteip8 des EGMR <strong>von</strong> 1982 anzusehen sein, durch das die B<strong>und</strong>esrepublik zum<br />

ersten - <strong>und</strong> bisher einzigen - Mal wegen <strong>überlange</strong>r <strong>Dauer</strong> eines <strong>Strafverfahren</strong>s<br />

verurteilt wurde 79. Denn nach den vorsichtigen Ausführungen des erwähnten<br />

Nichtannahmebeschlusses gegen BGHSt 24, 239 80 ließ 1979 ein Vorprüfungsausschuß<br />

des BVerfG zur <strong>überlange</strong>n Verfahrensdauer eines Konkursverfahrens<br />

ausdrücklich offen, ob "über die in §§ 202 ff. KO gesetzlich vorgesehenen Einstellungsmöglichkeiten<br />

hinaus eine Einstellung des Konkursverfahrens in Betracht<br />

kommt oder sogar ... unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten geboten<br />

sein kann" 81. <strong>Die</strong>se Bemerkung könnte eher durch das König-Urteil 82 initiiert<br />

sein 83, das der Dreierausschuß ausdrücklich erwähnt <strong>und</strong> das 1978 die erste<br />

Verurteilung der B<strong>und</strong>esrepublik wegen <strong>überlange</strong>r Verfahrensdauer, nämlich<br />

eines Verwaltungsverfahrens, darstellte.<br />

Der Beschluß des Vorprüfungsausschusses zur <strong>überlange</strong>n <strong>Strafverfahren</strong>sdauer<br />

<strong>von</strong> 1983 wurde durch zwei weitere Nichtannahmebeschlüsse, die zu dem<br />

Problemkreis der völkerrechtswidrigen Verschleppung ergingen, bekräftigt 84 . In<br />

beiden Entscheidungen, die der Dreierausschuß, seit 1986 Kammer genannt, in<br />

jeweils völlig anderer Besetzung traf, tauchte der Satz auf, daß auch in der<br />

Rechtsprechung das Eingreifen eines Verfahrenshindernisses <strong>von</strong> Verfassungs<br />

wegen in Fällen <strong>überlange</strong>r Verfahrensdauer "als möglich erachtet" würde. <strong>Die</strong>s<br />

muß überraschen, weil jedenfalls vor Fassung des ersten der beiden Beschlüsse<br />

seit über zehn Jahren keine Entscheidung mehr - außer eben der des Vorprü-<br />

74 BVerfG (Vorprüfungsausschuß), NJW 1984, S. 967.<br />

75 K. Meyer, FS Kleinknecht, S. 272. Vgl. auch Bruns, StV 1984, S. 389.<br />

76 So auch K. Meyer, FS Kleinknecht, S. 272.<br />

77 Kritisch zu dieser Praxis des BVerfG Sarstedt / Ramm, <strong>Die</strong> Revision in Strafsachen',<br />

Rn. 8 Fn. 21.<br />

78 EGMR, EuGRZ 1983, S. 371.<br />

79 Vgl. dazu K. Kühl, ZStW 100 (1988), S. 605.<br />

80 Siehe oben, 2.<br />

81 BVerfG (Vorprüfungsausschuß), EuGRZ 1979, S. 363 (364).<br />

82 EGMR, EuGRZ 1978, S. 406.<br />

83 Vgl. dazu Ress in: Europäischer Menschenrechtsschutz, S. 276.<br />

84 BVerfG (Vorprüfungsausschuß), NStZ 1986, S. 178 (179); (Kammer), NStZ 1986,<br />

S. 468; vgl. auch NJW 1987, S. 1874.


32 1. Kap.: Überblick über den Forschungsstand A. Entwicklung zur heute herrschenden Meinung 33<br />

fungsausschusses - veröffentlicht worden war85, in der ein Verfahrenshindernis<br />

auch nur für denkbar gehalten wurde.<br />

Wenngleich Entscheidungen des Dreierausschusses gern. § 31 I BVerfGG<br />

keine Bindungswirkung haben, weil in einem summarischen Verfahren lediglich<br />

die Annahme der Verfassungsbeschwerde zur Entscheidung abgelehnt wird 86 ,<br />

haben diese Entscheidungen die gefestigte Rechtsprechung ins Wanken gebracht<br />

<strong>und</strong>, wie auch sonst häufig 87 , die Rechtsentwicklung mitbestimmt.<br />

Unter Berufung auf den Beschluß des Vorprüfungsausschusses des BVerfG<br />

zur <strong>überlange</strong>n Verfahrensdauer stellte 1987 das LG Düsseldorf ein <strong>Strafverfahren</strong><br />

ein 88 , nachdem zuvor (in anderer Sache) schon das OLG Düsseldorf hatte<br />

dahinstehen lassen, ob aufgr<strong>und</strong> des obiter dictum des Vorprüfungsausschusses<br />

ein Verfahrenshindernis denkbar sei 89. Überlange Verfahrensdauer könne ein<br />

unmittelbar aus dem Rechtsstaatsgebot des Gr<strong>und</strong>gesetzes abzuleitendes Verfahrenshindernis<br />

sein, wenn eine extreme, vom Beschuldigten nicht zu vertretende<br />

Verfahrensverzögerung vorliegt. Aus dieser sei zu folgern, daß ein anerkennenswertes<br />

Interesse an weiterer Strafverfolgung nicht mehr besteht. Auch das OLG<br />

Karlsruhe 90 <strong>und</strong> das OLG Koblenz 91 folgten nunmehr der Argumentation des<br />

Vorprüfungsausschusses.<br />

Aber auch in die Rechtsprechung des BGH kam Bewegung, wenngleich sich<br />

die Vermutung <strong>von</strong> Miehsler / Vogler, durch die Entscheidung des Vorprüfungsausschusses<br />

sei die bisherige Ansicht des BGH überholt, zunächst nicht als richtig<br />

erwies 92. Insbesondere der 2. Strafsenat erwähnte den Nichtannahmebeschluß<br />

allenfalls, um darauf hinzuweisen, der Vorprüfungsausschuß habe die Strafzumessungslösung<br />

des BGH gebilligt 93 .<br />

85 Zuletzt OLG Hamm, NJW 1975, S. 702. K. Schäfer in LR24, Ein!. Kap. 12 Rn. 91<br />

Fn. 184, führt hier zu Unrecht das LG Flensburg, MDR 1979, S. 76, an.<br />

86 BVerfGE 23, S. 191 (207); 33, 1 (11); 53, S.336 (348); Schmidt-Bleibtreu in<br />

Maunz / Schmidt-Bleibtreu / Klein / Ulsamer, BVerfGG, § 93b Rn. 14; Pestalozza, VerfassungsprozeBrecht<br />

2 , § 14 vor 1. Soweit die fehlende Bindun~swirkun~ damit be,gründet<br />

wird, die Entscheidung des Vorprüfungsausschusses beruhe mcht auf diesen Erwagun~en<br />

(BGHSt 32, S. 345 ; Pfeiffer in KK StP02, Ein!. Rn. 131) bzw. es handele sich<br />

um ein obiter dictum (RieB in LR24, § 206a Rn. 56), ist dies deshalb nur vom Ergebnis<br />

her richtig.<br />

87 Vg!. dazu Gilles, JuS 1981, S.405; Jekewitz, StV 1982, S. 124; K. Meyer, FS<br />

Kleinknecht, S. 272; Hillenkamp, NJW 1989, S. 2842; Zuck, NJW 1990, S. 2450; dagegen<br />

Schlaich, Das B<strong>und</strong>esverfassungsgericht, S. 125 f.<br />

88 LG Düsseldorf, NStZ 1988, S. 427.<br />

89 OLG Düsseldorf, NJW 1986, S. 2204 (2205); vg!. aber auch NStE Nr. 56 zu § 46<br />

StGB.<br />

90 OLG Karlsruhe, StV 1986, S. 10 (11).<br />

91 OLG Koblenz, GA 1987, S. 367 (368).<br />

92 Miehsler / Vogler in IntKomm, Art. 6 Rn. 329 Fn.1. Richtiger die Einschätzung<br />

<strong>von</strong> Bruns, StV 1984, S. 393: Es sei "Hoffnung auf eine Anderung der Rechtsprechung<br />

zwar gegeben", diese dürfe aber "nicht überschätzt werden"; zurückhaltend auch RieB,<br />

JR 1985, S. 46.<br />

Auch der 1. Senat zeigte sich <strong>von</strong> der Entscheidung offenbar "unbeeindruckt"94,<br />

wenn er ausführt, sie beruhe nicht auf dieser Erwägung <strong>und</strong> der zuständige<br />

Senat des BVerfG habe sich zu dieser Frage noch nicht geäußert 95 . Wie<br />

der 1. zitierte auch der <strong>3.</strong> Senat des BGH die "Auffassung", die "ein" Vorprüfungsausschuß<br />

vertreten hat, um sich <strong>von</strong> dieser sogleich zu distanzieren 96. <strong>Die</strong>ser<br />

womöglich mit abwertender Tendenz gemeinte Hinweis 97 ist insofern nicht präzise,<br />

als durch anders besetzte Dreierausschüsse der Entscheidung zugestimmt<br />

worden ist. Da hierbei nicht nur die Entscheidung einstimmig getroffen werden<br />

muß (vgl. §§ 92a II a. F., 93b I n. F. BVerfGG), sondern auch Einstimmigkeit in<br />

der rechtlichen Begründung gefordert wird 98 , haben somit sieben Richter des<br />

2. Senats des BVerfG dieser Auffassung beigepflichtet: Zeidler, Wand, Träger,<br />

Steinberger, Böckenförde, NiebIer <strong>und</strong>Klein 99. <strong>Die</strong> Vermutung Karlheinz Meyers,<br />

die drei Richter des Vorprüfungsausschusses würden bei einer späteren Senatsentscheidung<br />

zur <strong>überlange</strong>n <strong>Dauer</strong> <strong>von</strong> <strong>Strafverfahren</strong> ein Sondervotum abgeben<br />

müssen 100, dürfte sich als nicht zutreffend erwiesen haben.<br />

Der 5. Senat schließlich stellte 1986 fest, <strong>überlange</strong> Verfahrensdauer begründe<br />

nach der Rechtsprechung des BGH kein Verfahrenshindernis; er halte an dieser<br />

Auffassung trotz des Beschlusses des Vorprüfungsausschusses "jedenfalls für<br />

die Fälle" fest, in denen der Tatrichter dem Zeitablauf bei der Strafzumessung<br />

(i. w. S.) in angemessener Weise Rechnung tragen könne 101. Der 5. Senat sah<br />

sich interessanterweise zu dieser Entscheidung deshalb genötigt, weil 1985 das<br />

LG Frankfurt - wiederum - ein Verfahren wegen <strong>überlange</strong>r Verfahrensdauer<br />

eingestellt hatte. Auch in einer späteren Entscheidung folgte der 5. Senat nicht<br />

dem Vorprüfungsausschuß "angesichts der Schwere des Tatvorwurfs <strong>und</strong> der<br />

Schwierigkeit der Beweislage" 102.<br />

4. BGHSt 35,137<br />

Ende 1987 kam es dann zu einem heftigen Beben: Der <strong>3.</strong> Strafsenat des BGH<br />

stellte ein Verfahren wegen <strong>überlange</strong>r Verfahrensdauer einlOJ, dem "unvorstell-<br />

93 BGH, NJW 1986, S. 75 (76); ähnlich NStZ 1986, S. 162.<br />

94 Krey, <strong>Strafverfahren</strong>srecht I, Rn. 126 Fn. 7a.<br />

95 BGHSt 32, S. 345 (351).<br />

96 BGHSt 35, S. 137 (140); allerdings kommt der <strong>3.</strong> Senat doch zur Verfahrenseinstellung,<br />

siehe dazu unten, 4.<br />

97 Vg!. Bruns, StV 1984, S. 391; Becker, StV 1985, S. 400.<br />

98 Schmidt-Bleibtreu in Maunz / Schmidt-Bleibtreu / Klein / Ulsamer,<br />

§ 93b Rn. 10; Rupprecht, JZ 1970, S. 209 f.<br />

BVerfGG,<br />

99 Vg!. EuGRZ 1984, S. 95; 1986, S. 21; 1987, S. 9<strong>3.</strong><br />

100 K. Meyer, FS Kleinknecht, S. 272 Fn. 30.<br />

101 BGH bei Pfeiffer/Miebach, NStZ 1987, S. 19.<br />

102 BGH, StV 1989, S. 187 (188).<br />

103 BGHSt 35, S. 137.<br />

3 Scheffler


34 1. Kap.: Überblick über den Forschungsstand A. Entwicklung zur heute herrschenden Meinung 35<br />

bare Geschehnisse" 104 zugr<strong>und</strong>e lagen: Entgegen § 347 StPO waren die Akten<br />

vom LG Frankfurt fast fünf Jahre lang nicht an den BGH weitergeleitet worden 105.<br />

Der BGH meinte nun an sich, die Sache (auch) aus sonstigen sachlich-rechtlichen<br />

Gründen zurückverweisen zu müssen. Er sah das Dilemma, daß durch die dann<br />

folgende Hauptverhandlung, die - es lag ein Fall <strong>von</strong> Wirtschaftskriminalität<br />

vor - wiederum erhebliche Zeit in Anspruch nehmen dürfte, das Verfahren<br />

weitere Jahre dauerte. Zudem bestand für den Senat eine gewisse Wahrscheinlichkeit,<br />

daß die erneute Hauptverhandlung mit einem Freispruch enden würde, so<br />

daß er den Weg, das Problem der <strong>überlange</strong>n Verfahrensdauer über die Strafzumessung<br />

zu lösen, verbaut sah. Da dem BGH selbst für eine Einstellung gemäß<br />

§ 153a StPO die Freispruchswahrscheinlichkeit zu groß war <strong>und</strong> die Staatsanwaltschaft<br />

bei dem Landgericht sich gegen eine Einstellung nach § 153 StPO sperrte,<br />

stellte er schlichtweg ohne Angabe einer Rechtsgr<strong>und</strong>lage ein 106.<br />

Aufgr<strong>und</strong> des Geschäftsverteilungsplans des BGH 107 <strong>und</strong> der gesonderten Verfolgung<br />

eines Mitbeschuldigten hatte wenige Wochen nach der Entscheidung<br />

des <strong>3.</strong> Strafsenats der 2. Strafsenat einen letztlich sehr ähnlichen Sachverhalt 108<br />

zu entscheiden 109. Ohne die Entscheidung des <strong>3.</strong> Senats, die dem 2. Senat bekannt<br />

gewesen sein dürfte, auch nur zu erwähnen, traf hier der 2. Senat eine eigene<br />

Sachentscheidung <strong>und</strong> sprach frei. <strong>Die</strong>s mag zwar aufgr<strong>und</strong> im einzelnen nuancierender<br />

tatsächlicher Feststellungen in den beiden tatrichterlichen Urteilen gerechtfertigt<br />

sein, deutet aber doch an, daß der 2. Strafsenat nicht den Weg des <strong>3.</strong> Senats<br />

gehen wollte. Ferner mußte der 2. Senat, um zu dem Ergebnis der Verfahrensbeendigung<br />

zu kommen, in Erweiterung der umstrittenen Rechtsprechung zur Wiedereinbeziehung<br />

ausgeschiedener Tatteile in der Revisionsinstanz 110 unter Hinweis<br />

auf das Beschleunigungsprinzip es ablehnen, die Sache zur Verhandlung über<br />

den ausgeschiedenen Tatteil zurückzuverweisen 111. Auch in einer weiteren Ent-<br />

104 Kühne, EuGRZ 1988, S. 306.<br />

105 Zum Hintergr<strong>und</strong> teilt Leppert, Frankfurter R<strong>und</strong>schau v. 25.8.1988, S. 12, mit:<br />

"... über Jahre nicht verfügbar waren die Akten eines ... Frankfurter Richters, der sich<br />

vorzeitig pensionieren ließ. Immer hatte er an seiner Akte noch etwas verändern oder<br />

verbessern wollen - bis es dem B<strong>und</strong>esgerichtshof in einem Fall zu viel wurde ..."<br />

106 <strong>Die</strong>s mißversteht Hasserner, JuS 1989, S. 146 f., dem zufolge der BGH der Einstellung<br />

§ 153 StPO zugr<strong>und</strong>e gelegt hat.<br />

107 Sämtlichen vor dem LG Frankfurt Angeklagten - die Verantwortlichen der zusammengebrochenen<br />

Selmi-Bank AG, Frankfurt - war u. a. eine Zuwiderhandlung gegen<br />

§ 129 StGB vorgeworfen worden. Daher war die Staatsschutzkammer gern. § 74a I Nr. 4<br />

GVG zuständig mit der Folge, daß nach dem Geschäftsverteilungsplan des BGH der<br />

<strong>3.</strong> Strafsenat zuständig gewesen ist. Zur Zuständigkeit des 2. Strafsenats bezüglich des<br />

einen gesonderten verfolgten Angeklagten kam es dadurch, daß dieser <strong>von</strong> der Schweiz<br />

ausgeliefert werden mußte <strong>und</strong> das schweizerische B<strong>und</strong>esgericht die Auslieferung allein<br />

wegen des Vorwurfs der Untreue bewilligte, so daß es bei der Zuständigkeit des 2. Strafsenats<br />

für die Revisionen des Bezirks des OLG Frankfurt blieb.<br />

108 Vgl. den redaktionellen Hinweis in wistra 1988, S. 230.<br />

109 BGH, wistra 1988, S. 227.<br />

110 BGHSt 21, S. 326 (328 f.).<br />

scheidung vermied der 2. Senat die Erwähnung des Urteils des <strong>3.</strong> Senats 112, traf<br />

aber selbst eine abschließende Sachentscheidung unter äußerst extensiver Interpretation<br />

<strong>von</strong> § 354 I StPO 11<strong>3.</strong> Ob sich etwas anderes aus einem neueren Beschluß<br />

des 2. Strafsenats ergibt, in dem dieser ein Verfahren nach § 153 StPO einstellte<br />

<strong>und</strong> erwähnte, der BGH habe ein Verfahrenshindernis "bisher" verneint, bleibt<br />

abzuwarten 114. Immerhin wird hier das verfahrensbeendende Urteil des <strong>3.</strong> Strafsenats<br />

wenigstens zitiert, der inzwischen Gemeinsamkeiten zwischen beiden Entscheidungen<br />

hervorgehoben hat 115.<br />

Der 1. Strafsenat des BGH erwähnte die Entscheidung BGHSt 35, 137 in<br />

einem Beschluß zwar, jedoch ausschließlich als Beleg dafür, daß nach der ständigen<br />

Rechtsprechung des BGH eine der Vorschrift des Art. 6 I EMRK zuwiderlaufende<br />

Verfahrensverzögerung zugunsten des Angeklagten strafmildernd berücksichtigt<br />

werden müsse, ging jedoch aufdie sonstige dort angesprochene Problematik<br />

mit keinem Wort ein, sondern wies die Sache unter Aufhebung des Strafausspruchs<br />

an das Landgericht zurück 116. In anderen Entscheidungen zur <strong>überlange</strong>n<br />

Verfahrensdauer wurde das Urteil des <strong>3.</strong> Strafsenats überhaupt nicht erwähnt l17 •<br />

Vor allem dieser Senat scheint mit Krey übereinzustimmen, der davor warnt, die<br />

Entscheidung des <strong>3.</strong> Senats überzubewerten: "hard cases make bad law" 118.<br />

Der 5. Senat bekräftigte u. a. unter Berufung auf BGHSt 35, 137 nochmals,<br />

daß ungewöhnlich lange Verfahrensdauer "gr<strong>und</strong>sätzlich" kein Verfahrenshindernis<br />

begründe; er lehnte einzelfallorientiert <strong>und</strong> ohne nähere Begründung ab, das<br />

Verfahren durch Einstellung "abzubrechen", weil die besonderen Umstände, die<br />

den <strong>3.</strong> Senat dazu veranlaßt hätten, im konkreten Fall nicht vorlägen 119.<br />

Das OLG Zweibrücken nahm unter Bezug sowohl auf die Entscheidung des<br />

Vorprüfungsausschusses des B<strong>und</strong>esverfassungsgerichts als auch die des <strong>3.</strong> Senats<br />

des BGH in einem Fall "schwerwiegender Verfahrensverzögerung" ein<br />

Verfahrenshindernis an 120. In dem Verfahren war wegen Fahrens ohne Führerschein<br />

eine Geldstrafe verhängt worden. Im Rechtsmittelverfahren waren, wie<br />

das OLG Zweibrücken berichtet, zahlreiche Verfahrensfehler unterlaufen, so u. a.<br />

die beantragte Wiedereinsetzung in die versäumte Berufungsfrist nicht gewährt<br />

111 BGHR StPO § 154a Abs. 3 Wiedereinbeziehung 1 (insoweit nicht in wistra 1988,<br />

S. 227 abgedruckt).<br />

112 BGH, NStZ 1989, S. 238.<br />

113 Vgl. Daub, KritJ 22 (1989), S. 330.<br />

114 BGH, wistra 1990, S. 65.<br />

115 BGHSt 36, S. 363 (372).<br />

116 BGH, StV 1988, S. 487.<br />

117 BGH, NStZ 1989, S. 526; wistra 1990, S. 20; Urt. v. 5.7.1990 -<br />

(Anhang 16; jetzt auch bei Detter, NStZ 1991, S. 274).<br />

I StR 135/90<br />

118 Krey, <strong>Strafverfahren</strong>srecht II, Rn. 587.<br />

119 BGH, StV 1989, S. 187 (188).<br />

120 OLG Zweibrücken, StV 1989, S. 51.<br />

3*


36 1. Kap.: Überblick über den Forschungsstand A. Entwicklung zur heute herrschenden Meinung 37<br />

<strong>und</strong> Ersatzfreiheitsstrafe vollstreckt worden. Ein Ausgleich über die Strafzumessung<br />

schied insofern <strong>von</strong> vornherein aus. Mit Rücksicht aufdas außergewöhnliche<br />

Ausmaß der durch Justizorgane verursachten Verzögerung <strong>und</strong> der dadurch bedingten<br />

Gesamtdauer des <strong>Strafverfahren</strong>s, das nicht besonders erhebliche Gewicht<br />

des Tatvorwurfs <strong>und</strong> Verfahrensgegenstandes einerseits <strong>und</strong> die beträchtlichen<br />

tatsächlichen, auf den Zeitablauf zurückzuführenden Beweisschwierigkeiten andererseits<br />

sowie aufgr<strong>und</strong> der Prozeßmängel in der ersten Instanz <strong>und</strong> der ­<br />

durch die Strafvollstreckung <strong>und</strong> sie begleitende Zwangsmaßnahmen verstärkten<br />

- Belastung des Angeklagten durch das Verfahren sah es das OLG als geboten<br />

an, das Verfahren einzustellen.<br />

Andere Gerichte haben in der darauffolgenden Zeit ihnen vorliegende Sachverhalte<br />

immer wieder an den Kriterien des <strong>3.</strong> Senats des BGH geprüft, jedoch<br />

jeweils die Auffassung vertreten, daß die "besonderen Umstände" des dortigen<br />

Falles nicht vorlägen 121.<br />

11. Der Diskussionsstand in der Literatur<br />

1. Zur Verfahrensdauer allgemein<br />

In der Literatur wird die Diskussion um die <strong>überlange</strong> Verfahrensdauer vor<br />

allem <strong>von</strong> der Rechtstatsachenforschung bestimmt.<br />

Nachdem der Gesetzgeber in der Begründung zum 1. StVRG 1974 122 <strong>und</strong> vor<br />

allem zum StVÄG 1979 123 statistisches Material zur <strong>Dauer</strong> <strong>von</strong> <strong>Strafverfahren</strong><br />

vorgelegt hatte, präsentierte 1981 RießI24 umfangreiche, neuere Daten. Einige<br />

aktuelle Zahlen veröffentlichte vor kurzem Caesar l25 . Älteres Datenmaterial<br />

findet sich bei Ritter 126 <strong>und</strong> bei Stein / Schumann / Winter 127. Bei diesen Statistiken<br />

ist zu beachten, daß sie nicht einmal Aussagen über korrelative Zusammenhänge<br />

zwischen Verfahrensdauer <strong>und</strong> bestimmten Verfahrensereignissen zulassen<br />

128. Rechtstatsächliche Untersuchungen, die solche Aussagen erlauben, haben<br />

121 OLG Düsseldorf, MDR 1989, S.935; BayObLG, StV 1989, S.394; LG Köln,<br />

NStZ 1989, S. 442. So auch der <strong>3.</strong> Strafsenat des BGH selbst (BGHSt 36, S. 363


38 1. Kap.: Überblick über den Forschungsstand A. Entwicklung zur heute herrschenden Meinung 39<br />

pflege Tätige vor allem auf Strukturen in StPO <strong>und</strong> GVG hinweisen 143, legen<br />

vornehmlich Strafrechtsdogmatiker zusätzliches Augenmerk auf Verkomplizierungen<br />

im materiellen Strafrecht (Wandel in Richtung Täterstrafrecht, Hinwendung<br />

zu subjektiven Tatbestandsmerkmalen) 144. Unter kriminologischen Gesichtspunkten<br />

wird auch auf einen Wandel in der Kriminalität (Professionalisierung)<br />

<strong>und</strong> in den gesellschaftlichen Auffassungen (Strafrechtsmüdigkeit) 145, in<br />

der Verteidigermentalität 146 sowie in der Belastung <strong>und</strong> Belastbarkeit der Strafverfolgungsbehörden<br />

147 aufmerksam gemacht.<br />

Neben diesen Aussagen zu Phänomenologie <strong>und</strong> Ätiologie ist das Thema der<br />

<strong>überlange</strong>n <strong>Dauer</strong> <strong>von</strong> <strong>Strafverfahren</strong> gelegentlich rechtsvergleichend betrachtet<br />

worden: Erwähnt sei die Freiburger Dissertation <strong>von</strong> Prochnow, der 1971 die<br />

deutschen Reformvorschläge mit dem österreichischen, schweizerischen <strong>und</strong><br />

französischen Recht verglich 148. Daneben findet sich rechtsvergleichendes Material<br />

etwa bei Schwenk, der über das Recht aufalsbaldige <strong>und</strong> schnelle Verhandlung<br />

in den USA <strong>und</strong> Großbritannien berichtet 149. Kohlmann analysiert den Anspruch<br />

des Beschuldigten auf schnelle Durchführung des Ermittlungsverfahrens nach<br />

dem Recht der (ehemaligen) DDR ISO. Einen japanischen Fall <strong>überlange</strong>r Verfahrensdauer<br />

beschreibt Nose 151; ein holländisches <strong>Strafverfahren</strong> erwähnt Peukert<br />

l52 • Umgekehrt haben 1984 Driendl 153 für das österreichische <strong>und</strong> Küng-<br />

143 Vgl. etwa K. Peters in: Strafprozeß <strong>und</strong> Reform, S. 83 ff.; Michaelsen, Krim 1982,<br />

S. 498 ff.; Kohlhaas, ZRP 1972, S. 7 ff.; Bode, DRiZ 1982, S. 454 ff.; Gössel, GA 1979,<br />

S. 241 ff.; G. Schmidt, DRiZ 1971, S. 77 ff.; Sack, NJW 1976, S. 604 ff.; Keller / Schmid,<br />

wistra 1984, S. 201 ff.; Dästner, RuP 1978, S. 219 ff.; v. Glasenapp, NJW 1982,<br />

S. 1057 f.; Dahs, NJW 1974, S. 1542 f.<br />

144 K. Peters in: Strafprozeß <strong>und</strong> Reform, S. 84 f.; Küng-Hofer, Beschleunigung,<br />

S. 6 ff.; Rönnau, <strong>Die</strong> Absprache im Strafprozeß, S. 45; vgl. auch Kohlmann, FS Pfeiffer,<br />

S. 206 ff.; Nestler-Tremel, DRiZ 1988, S.289; Schünemann, FS Pfeiffer, S. 173 f.;<br />

Schroeder, NJW 1983, S. 137.<br />

145 K. Peters in: Strafprozeß <strong>und</strong> Reform, S. 86 f.; Küng-Hofer, Beschleunigung,<br />

S. 10 ff.<br />

146 Vgl. dazu etwa Gatzweiler, FG L. Koch, S. 93 ff.; Franzheim, GA 1990, S. 331 f.;<br />

Hanack, StV 1987, S. 500 ff.; Terhorst, DRiZ 1988, S. 298; Nestler-Tremel, DRiZ 1988,<br />

S.289; Kintzi, JR 1990, S. 313; Römer, FS Schmidt-Leichner, S. 143 ff.; Wolfslast,<br />

NStZ 1990, S. 410; Caesar, RuP 1990, S. 46.<br />

147 Vgl. etwa Rönnau, <strong>Die</strong> Absprache im Strafprozeß, S. 42 ff.; K. Peters in: Strafprozeß<br />

<strong>und</strong> Reform, S. 88 f.<br />

148 Prochnow, <strong>Die</strong> Beschleunigung des <strong>Strafverfahren</strong>s in rechtsvergleichender Betrachtung.<br />

149 Schwenk, ZStW 79 (1967), S. 726 ff.; vgl. auch Küng-Hofer, Beschleunigung,<br />

S. 97 ff.; Nose, ZStW 82 (1970), S. 792 Fn. 28; Vollkommer, ZZP 81 (1968), S. 106;<br />

Adam, DRiZ 1974, S. 261 f.<br />

ISO Kohlmann, FS Maurach, S. 512 ff.; ZRP 1972, S. 212 f.<br />

151 Nose, ZStW 82 (1970), S. 790 f. In einem anderen asiatischen Staat, Indien, soll<br />

1990 das längste <strong>Strafverfahren</strong> nach 33 Jahren eingestellt worden sein (Weser-Kurier<br />

v. 21.12.1990, S. 16).<br />

152 Peukert, EuGRZ 1979, S. 264 Fn. 19.<br />

153 Driendl, Verfahrensökonomie <strong>und</strong> Strafprozeßreform.<br />

Hofer 154 für das schweizerische Recht Untersuchungen vorgelegt, die rechtsvergleichend<br />

die deutsche Rechtslage mit herangezogen haben.<br />

Alle diese Untersuchungen stehen mit der Frage der Rechtsfolgen <strong>überlange</strong>r<br />

Verfahrensdauer nur in indirektem Zusammenhang, da man aus ihnen am ehesten<br />

etwas zur Verfahrensbeschleunigung de lege ferenda, weniger zur rechtlichen<br />

Reaktion de lege lata ableiten kann, zu der sich die meisten Autoren allenfalls<br />

am Rande geäußert haben.<br />

2. Zu den Rechtsfolgen <strong>überlange</strong>r Verfahrensdauer<br />

In der Literatur zu den Rechtsfolgen <strong>überlange</strong>r Verfahrensdauer hat sich,<br />

jedenfalls im Anschluß an den Beschluß des Vorprüfungsausschusses des BVerfG<br />

<strong>von</strong> 1983, die Auffassung durchgesetzt 155, daß in Fällen krassester Verzögerung<br />

Verfahrensbeendigung eintreten müßte 156. So hat etwa Claus Roxin <strong>von</strong> "extrem<br />

gelagerten Fällen, bei denen eine <strong>überlange</strong> Verfahrensdauer hauptsächlich auf<br />

justizinternen Unzulänglichkeiten beruht", gesprochen 157. Für Karl Peters ist ein<br />

Verfahrenshindernis notwendig bei übermäßiger Verfahrensdauer, die zu einem<br />

unmenschlichen Verfahren führen kann, "namentlich wenn sie <strong>von</strong> Justizbehörden<br />

zu vertreten ist" 158. Rogall nennt erhebliche Verfahrensverzögerungen "durch<br />

gravierende Versäumnisse der Strafverfolgungsbehörden" 159. Auch für Kühne,<br />

Hillenkamp <strong>und</strong>Imme Roxin ist die Einstellung in "Extremfällen" <strong>von</strong> Verfahrensverzögerungen<br />

geboten 160.<br />

In den Jahren davor hat die Strafrechtswissenschaft ähnliches nur gelegentlich<br />

anklingen lassen: Bruns etwa sprach <strong>von</strong> "extrem krassen Fällen" 161, Kramer<br />

<strong>von</strong> "seltensten Ausnahmen", <strong>von</strong> "ganz besonderen, geradezu einmaligen Umständen"<br />

162, unter denen ein Verfahrenshindernis einmal in Betracht kommt.<br />

Ansonsten war in der Literatur zunehmend die Tendenz zu beobachten, <strong>von</strong> der<br />

Einstellungslösung weg zur Strafzumessungslösung des BGH zu wechseln. Entgegen<br />

Michael 163 war das Problem zu dieser Zeit nicht in Richtung Einstellung<br />

"in Fluß".<br />

154 Küng-Hofer, Beschleunigung; siehe dazu Scheffler, MschrKrim 68 (1985), S. 67 f.<br />

155 Dagegen aber noch Kleinknecht/Meyer, StP039, Art. 6 MRK Rn. 9; wohl auch<br />

Krey, <strong>Strafverfahren</strong>srecht I, Rn. 126; II, Rn. 587. Vgl. auch Kohlmann, FS Pfeiffer,<br />

S. 211; G. Schäfer, <strong>Die</strong> Praxis des <strong>Strafverfahren</strong>s', § 11 III <strong>3.</strong><br />

156 So auch Neumann, ZStW 101 (1989), S. 74.<br />

157 C. Roxin, <strong>Strafverfahren</strong>srecht 20 , § 16 C.<br />

158 K. Peters, Strafprozeß" § 28 IV 6.<br />

159 Rogall in SK StPO, vor § 133 Rn. 120.<br />

160 Kühne, Strafprozeßlehre 3 , Rn. 128.1; Hillenkamp, NJW 1989, S.2845; 2848; 1.<br />

Roxin, Rechtsfolgen, S. 268.<br />

161 Bmns, FS Maurach, S. 472; wohl auch Leitfaden des StrafzumessungsrechtsI,<br />

S. 154; ähnlich Priebe, FS v. Simson, S. 309.<br />

162 Kramer, Menschenrechtskonvention, S. 198.


40 1. Kap.: Überblick über den Forschungsstand A. Entwicklung zur heute herrschenden Meinung 41<br />

<strong>Die</strong> frühesten Erörterungen des Themas in der Literatur in den sechziger Jahren<br />

durch Baumann 164 <strong>und</strong> Schwenk 165 gingen dagegen sogar noch da<strong>von</strong> aus, daß<br />

jede <strong>überlange</strong> Verfahrensdauer verfahrensbeendende Wirkung haben könnte.<br />

Dem trat Hanack 1971 - praktisch zeitgleich mit der Gr<strong>und</strong>satzentscheidung<br />

des 2. Senats des BGH, mit der dieser die Strafzumessungslösung konstituierte<br />

- entgegen 166: In ausführlicher Auseinandersetzung mit den Urteilen der Landgerichte<br />

Frankfurt <strong>und</strong> Krefeld verneinte er die Möglichkeit eines Prozeßhindernisses<br />

des <strong>überlange</strong>n <strong>Strafverfahren</strong>s. Nunmehr war auch in der Literatur die<br />

Einstellungslösung auf dem Rückzug l67 . Lediglich v. Stackelberg war 1979 in<br />

einigen kurzen, wenig auf Differenzierung angelegten Bemerkungen noch so zu<br />

verstehen, als schriebe er der Verletzung des Beschleunigungsprinzips gr<strong>und</strong>sätzlich<br />

verfahrensbeendende Wirkung zu 168. Eine Mittelposition nahmen Hillenkamp<br />

<strong>und</strong> Ulsenheimer ein, die ein Verfahrenshindernis bei "gravierenden Verstößen"<br />

bejahten 169.<br />

Ansonsten wurde die Einstellungslösung - weder allgemein noch bezogen<br />

auf schwere, noch auf schwerste Fälle - im Spezialschrifttum praktisch nicht<br />

mehr vertreten 170. <strong>Die</strong> Kommentar- <strong>und</strong> Lehrbuchliteratur schloß sich dem BGH<br />

sogar nahezu geschlossen an 171. Symptomatisch war etwa der Wandel <strong>von</strong> Karl<br />

Peters <strong>und</strong> Kleinknecht. Während Karl Peters noch Ende der siebziger Jahre die<br />

Annahme eines Prozeßhindernisses für "richtig" bei einer "eindeutigen" Verfahrensverzögerung<br />

hielt <strong>und</strong> die Entscheidung des 2. Strafsenats des BGH kritisierte<br />

172, hielt er 1981 dessen Weg nur in Ausnahmefällen nicht für hinreichend 17<strong>3.</strong><br />

Auch Kleinknecht formulierte 1971 in der 30. Aufl. seines Kommentars noch<br />

unter Hinweis auf das LG Frankfurt, bei insgesamt unerträglicher Verletzung<br />

des Beschleunigungsgebots käme die Unzulässigkeit des Verfahrens in Betracht<br />

174, während er dann in der 31. Aufl. <strong>von</strong> 1974 nur noch ausführte, daß<br />

auch die starke Verletzung des Beschleunigungsgebots keine verfahrensbeendende<br />

Wirkung habe 175.<br />

163 Michael, Der Gr<strong>und</strong>satz in dubio pro reo im <strong>Strafverfahren</strong>srecht, S. 172.<br />

164 Baumann, FS Eb. Schmidt, S. 540 f.<br />

165 Schwenk, ZStW 79 (1967), S. 721 ff.<br />

166 Hanack, JZ 1971, S. 705 ff.<br />

167 Vgl. D. Meyer, JurBüro 1983, Sp. 32; ähnlich Fezer, Strafprozeßrecht I, S. 185.<br />

A. A. Geppert, JK 1983, MRK Art. 6/1; teilweise abweichend Ulsenheirner, wistra<br />

1983, S. 12 Fn. 4: "Von einer ,h. L.' bzw. ,Mindermeinung' kann man kaum sprechen".<br />

168 v. Stackelberg, FS Bockelmann, S. 768 f. Siehe auch Bruns, Leitfaden des Strafzumessungsrechtsi,<br />

S. 154 f.<br />

169 Hillenkamp, JR 1975, S. 140; Uisenheimer, wistra 1983, S. 14.<br />

170 Vgl. Volk, Prozeßvoraussetzungen, S. 227 ff.; Vogler, ZStW 89 (1977), S. 783;<br />

Kloepfer, JZ 1979, S. 215 Fn. 53; Müller-<strong>Die</strong>tz, ZStW 93 (1981), S. 1245; Herrmann,<br />

ZStW 95 (1983), S. 131; Uisamer, FS Faller, S. 382 ff.<br />

171 Vgl. die Nachweise bei Uisenheimer, wistra 1983, S. 12 Fn. 4.<br />

172 K. Peters, JR 1978, S. 247 f.; in: Strafprozeß <strong>und</strong> Reform, S. 9<strong>3.</strong><br />

173 K. Peters, Strafprozeß3, § 28 IV 6.<br />

174 Kleinknecht, StP030, Art. 6 MRK Anm. 6.<br />

Ohnehin fällt das Fehlen monographischen Schrifttums zu den Rechtsfolgen<br />

<strong>überlange</strong>r Verfahrensdauer auf. Abgesehen <strong>von</strong> der Dissertation Kramers, der<br />

1973 sich mit Art. 5 III <strong>und</strong> 6 I EMRK <strong>und</strong> deren Rechtsfolgen beschäftigte 176,<br />

tat sich bis Ende der achtziger Jahre nichts. Erst dann fragte Imme Roxin nach<br />

den "Rechtsfolgen schwerwiegender Rechtsstaatsverstöße", zu denen sie auch<br />

<strong>überlange</strong> Verfahrensdauer gerechnet hat 177. Katzorke diskutierte umfassend die<br />

Rechtsfolgen der Strafanspruchsverwirkung auch für den Bereich <strong>überlange</strong>r<br />

Verfahrensdauer 178.<br />

Beide Untersuchungen stellen jedenfalls die bisher umfassendsten Überlegungen<br />

zu einer theoretischen Einordnung des Problems <strong>überlange</strong>r Verfahrensdauer<br />

dar, die den relevantesten Beitrag der Literatur zu der Rechtsfolgenproblematik<br />

in den letzten Jahren verkörpert: Nachdem Ulsenheimer 1983 als erster 179 Parallelen<br />

zum rechtswidrigen V-Mann-Einsatz aufzeigte l80 , die die Rechtsprechung<br />

inzwischen aufgegriffen hat 181, wird nunmehr immer häufiger die <strong>überlange</strong><br />

Verfahrensdauer mit Fallgruppen (vermeintlich) "schwerster Rechtsstaatswidrigkeit"<br />

verglichen <strong>und</strong> verb<strong>und</strong>en 182. Erwähnt seien hier vor allem die völkerrechtswidrige<br />

Ergreifung, die rechtswidrige Kenntniserlangung der Strafverfolgungsbehörden<br />

vom Verteidigungskonzept, Beweismanipulationen durch die Strafverfolgungsbehörden,<br />

die öffentliche Vorverurteilung in Massenmedien, die Einflußnahme<br />

seitens der Justizverwaltung, die staatliche Duldung rechtswidrigen<br />

Verhaltens <strong>und</strong> schließlich die Verletzung des Gleichheitsgr<strong>und</strong>satzes bei der<br />

Einleitung der Strafverfolgung 18<strong>3.</strong> Als nächste Fallgruppe dürfte der Bruch einer<br />

"Zusage" durch die Strafverfolgungsbehörden diskutiert werden 184.<br />

175 Kleinknecht, StP031, Art. 6 MRK Anm. 6.<br />

176 Vgl. Kramer, Menschenrechtskonvention, S. 183 ff.; 235 ff.<br />

177 Vgl. I. Roxin, Rechtsfolgen, S. 246 ff.<br />

178 Vgl. Katzorke, Verwirkung, S. 64 ff.; 83 ff.; 196 ff.<br />

179 I. Roxin, Rechtsfolgen, S. 90; Geppert, JK 1983, MRK Art. 6/1.<br />

180 Uisenheimer, wistra 1983, S. 1<strong>3.</strong><br />

181 Vgl. BVerfG (Vorprüfungsausschuß), NStZ 1986, S. 178 (179); (Kammer), NStZ<br />

1986, S. 468; BGH, NJW 1986, S. 75 (76); NStZ 1986, S. 16<strong>3.</strong><br />

182 Rieß, JR 1985, S. 45 ff.; Hassemer, NJW 1985, S. 1928; Arloth, NJW 1985,<br />

S. 417 f.; Becker, StV 1985, S. 399 ff.; Bruns, NStZ 1985, S. 565; Geppert, JK 1985,<br />

StPO § 260 III/1; Volk, StV 1986, S. 34 ff.; Creutz, ZRP 1988, S. 417; Hillenkamp,<br />

NJW 1989, S. 2842 ff.; Seelmann, GebColloquium Kielwein, S. 25 ff.; Neumann, ZStW<br />

101 (1989), S. 74.<br />

183 <strong>Die</strong> Einordnung der Verletzung des Gleichheitsgr<strong>und</strong>satzes in diesen Zusammenhang<br />

durch Hillenkarnp (NJW 1989, S. 2845) erstaunt insofern, als daß trotz der Einstellungsbegehren<br />

in einigen Entscheidungen (BVerfG , NStZ 1982,<br />

S.430; HansOLG Hamburg, NStZ 1988, S. 467; OLG Düsseldorf, NJW 1989, S. 466;<br />

vgl. auch OLG Celle, MDR 1978, S. 954


42 1. Kap.: Überblick über den Forschungsstand B. Kritik der heute herrschenden Meinung 43<br />

In diesem Zusammenhang ist das Thema zu erwähnen, das die Strafrechtswissenschaft<br />

zur Zeit wohl am meisten beschäftigt: die "Verständigung im <strong>Strafverfahren</strong>",<br />

die sich wohl seit Mitte der siebziger Jahre nicht zuletzt als Folge<br />

<strong>überlange</strong>r Verfahrensdauer in der Rechtswirklichkeit ausgebreitet hat 185. <strong>Die</strong><br />

Stellungnahmen hierzu sind nahezu unüberschaubar 186. Einigkeit herrscht jedoch<br />

in einem Punkt: Man kann "Verständigung" nicht als eine Art Rechtsfolge <strong>überlange</strong>r<br />

Verfahrensdauer begreifen. Selbst wenn man - was äußerst zweifelhaft<br />

wäre - die Bereitschaft der Strafverfolgungsorgane zur Verständigung bei (drohender)<br />

<strong>überlange</strong>r Verfahrensdauer forderte 187, kann weder vom Beschuldigten<br />

ein entsprechendes Vorgehen verlangt noch das Gelingen der "Verständigung"<br />

den Beteiligten "befohlen" werden.<br />

B. Kritik der heute herrschenden Meinung<br />

I. Zum qualitativen Umschlagen<br />

in den Extremfall <strong>überlange</strong>r Verfahrensdauer<br />

Hat es somit den Anschein, als habe sich in Rechtsprechung <strong>und</strong> Literatur<br />

eine herrschende Meinung gebildet, die das "Entweder-Oder" zwischen Strafzumessungs-<br />

<strong>und</strong> Einstellungslösung zu einem "Sowohl-als-Auch" verbindet, so<br />

bleiben doch einige Fragen offen - Fragen, aufgr<strong>und</strong> derer diese kompromißbehaftete<br />

These in Zweifel zu ziehen ist.<br />

<strong>Die</strong> erste Frage ist: Wann liegt denn eigentlich ein solcher Extremfall vor, der<br />

zur Einstellung führen soll? <strong>Die</strong> Festlegung der Grenze für einen qualitativen<br />

Sprung zwischen "etwas rechtswidrig" <strong>und</strong> "sehr rechtswidrig" macht der Strafprozeßrechtwissenschaft<br />

<strong>und</strong> der Rechtsprechung nun bekanntlich größte Probleme.<br />

Bisher bleiben die Konturen des Extremfalles "im Ideenhimmel angesiedelt"<br />

188. Selbst der BGH hat anerkannt, daß es nicht möglich sei, "zwischen<br />

schwereren <strong>und</strong> leichteren Gesetzesverletzungen eine scharfe Grenze zu ziehen"<br />

189. Beispielhaft sei hingewiesen etwa auf die "unrichtige Sachbehandlung"<br />

185 Schünemann, Verh. 58. DJT, S. B 16.<br />

186 Vgl. die Bibliographie bei Niemöller, StV 1990, S. 38 sowie Rönnau, <strong>Die</strong> Absprache<br />

im Strafprozeß; Wagner / Rönnau, GA 1990, S. 387 ff.; RuP 1990, S. 161 ff.; Schünemann,<br />

Verh. 58. DJT, S. B 1 ff.; Niemöller, StV 1990, S. 34 ff.; Lüderssen, StV 1990,<br />

S. 415 ff.; Wolfslast, NStZ 1990, S. 409 ff.; Caesar, RuP 1990, S. 45 ff.; K.-H. Koch,<br />

ZRP 1990, S. 249 ff.; Hamm, ZRP 1990, S. 337 ff.; Schmidt-Hieber, DRiZ 1990,<br />

S. 321 ff.; NJW 1990, S. 1884 ff.; Möh1mann, DRiZ 1990, S. 201 ff.; Kintzi, JR 1990,<br />

S. 309 ff.; Weigend, JZ 1990, S. 774 ff.<br />

187 Vgl. Siolek, DRiZ 1989, S. 32<strong>3.</strong> Siehe jetzt auch BGH, NStZ 1991, S. 346 (347 0.<br />

188 Hillenkamp, NJW 1989, S. 2845; ähnlich Kohlmann, FS Pfeiffer, S. 211.<br />

189 BGH, LM Nr. 25 zu § 24 LwVG; NJW-RR 1986, S. 1263 (1264); ebenso<br />

BayObLGSt 1988, S. 120 (123); vgl. dazu Bohnert, Beschränkungen der strafprozessualen<br />

Revision durch Zwischenverfahren, S. 5<strong>3.</strong><br />

bei § 8 GKG 190, die "unvertretbare" Rechtsauslegung bei § 338 Nr. 1 StPO 191,<br />

den "groben Rechtsfehler" bei § 24 Abs. 2 StPO 192, die "Beugung des Rechts"<br />

bei § 336 StGB 193 oder die "greifbare Gesetzeswidrigkeit" etwa bei § 55 JGG 194.<br />

So finden sich selbst in der Rechtsprechung die unterschiedlichsten Versuche,<br />

über Kategorien wie Rechtsverweigerung 195, Verfahrensstillstand 196, Willkür 197<br />

<strong>und</strong> Irreparabilität 198 die qualitative Abgrenzung bei Verfahrensverzögerungen<br />

zu leisten.<br />

Einen interessanten Weg, dieses Umschlagen inhaltlich festzulegen, ist neuerdings<br />

Imme Roxin gegangen 199. Für sie ist ein Verfahren dann einzustellen, wenn<br />

der Zeitraum der Verfahrensverzögerungen den Regelstrafrahmen des begangenen<br />

- besser wohl: vorgeworfenen - Delikts bereits ausschöpft. <strong>Die</strong>se Lösung<br />

wirkt allerdings - andere Bedenken zunächst zurückgestellt - nur so lange,<br />

wie Hillenkamp meint 200, "bestechend klar", wie die Feststellung <strong>von</strong> Verfahrensverzögerungen<br />

ein "simples Rechenexempel"201 sein sollte.<br />

11. Zum Vorliegen <strong>von</strong> Verzögerungen<br />

Genau hier liegt aber ein entscheidendes Problem. Ungeklärt ist zunächst<br />

einmal, wann überhaupt Verzögerungen vorliegen. Es fällt schon die negative<br />

Abgrenzung schwer, daß Verfahrensverzögerungen, die der Beschuldigte selbst<br />

verursacht hat, nicht geeignet seien, die Feststellung einer seine Rechte verletzenden<br />

<strong>überlange</strong>n Verfahrensdauer zu begründen. Gilt dies nur dann, so ist zu<br />

190 Siehe dazu unten, 8. Kap. A 11.<br />

191 Siehe dazu unten, 5. Kap. B 11 <strong>3.</strong><br />

192 Siehe dazu unten, 2. Kap. Bill b aa.<br />

193 Siehe dazu unten, 2. Kap. B 11 2 d aa.<br />

194 Vgl. BayObLG, NStZ 1989, S. 194 (195); vgl. auch BGH, NJW 1990, S.838<br />

(840) m. w.N.<br />

195 Vgl. BGHSt 21, S. 81 (83); OLG Kob1enz, NJW 1972, S. 404 (405); OLG Zweibrücken,<br />

StV 1989, S. 51 (52).<br />

196 Vgl. OLG Zweibrücken, StV 1989, S. 51 (52); LG Köln, NStZ 1989, S. 442 (443).<br />

197 Vgl. BGHSt 35, S. 137 (138; 140; 141); OLG Celle, NJW 1963, S. 1320 (1321);<br />

OLG Düsseldorf, NJW 1986, S. 2204 (2205); MDR 1989, S. 935; BayObLG, StV 1989,<br />

S.394.<br />

198 Vgl. BGHSt 35, S. 137 (142).<br />

199 1. Roxin, Rechtsfolgen, S. 255 ff.; zustimmend Schroth, NJW 1990, S. 31; wohl<br />

auch C. Roxin, <strong>Strafverfahren</strong>srecht 21 , § 16 C. Siehe auch Wolter in SK StGB, vor<br />

§ 151 Rn. 210.<br />

200 Hillenkamp, NJW 1989, S. 2847 Fn. 71.<br />

201 I. Roxin, Rechtsfolgen, S. 262; ähnlich Uisamer, FS Faller, S. 384; dagegen BoUke,<br />

StV 1986, S. 121 Fn. 11: Im Einzelfall unauslotbare Verantwortlichkeit für eine lange<br />

Verfahrensdauer. Gegen eine "strenge Mathematisierbarkeit" auch Kühne, EuGRZ 1983,<br />

S.38<strong>3.</strong>


44 1. Kap.: Überblick über den Forschungsstand B. Kritik der heute herrschenden Meinung 45<br />

fragen, wenn dem Beschuldigten Prozeßverschleppung (vgI. §§ 26a I Nr. 3,<br />

244 III Satz 2 vorI. Alt., 245 11 1. Alt. StPO) vorgeworfen werden kann? Oder<br />

auch dann, wenn der Beschuldigte die Verzögerungen etwa durch Flucht, durch<br />

Verwischen seiner Spuren oder durch Vortäuschen <strong>von</strong> Verhandlungsunfähigkeit<br />

herbeigeführt hat202? Oder darfdem Beschuldigten auch jedes prozessual unzulässige<br />

Handeln angelastet werden, aber nicht anderes, wenn auch objektiv verzögerndes<br />

<strong>und</strong> aussichtsloses Verhalten (z. B. Schweigen, Leugnen, Stellen <strong>von</strong><br />

Beweisanträgen USW.)203? Oder ist letzteres ihm dann zuzuordnen, wenn er keine<br />

"hinreichende Veranlassung" hatte 204 ? Oder gilt dies gar für alle im Ergebnis<br />

unbegründeten Prozeßhandlungen 20S? Oder sogar auch für zulässiges <strong>und</strong> begründetes<br />

Prozeßverhalten des Beschuldigten 206 ? Oder sind Verzögerungen nur dann<br />

relevant, wenn der Beschuldigte ihnen nicht mit Entschiedenheit entgegengetreten<br />

ist 207 ?<br />

Aber selbst dies außer acht gelassen, ist der zeitliche Umfang der Verzögerungen<br />

nicht einfach zu bestimmen: Es kann nicht darauf ankommen, wie schnell<br />

ein <strong>Strafverfahren</strong> theoretisch <strong>und</strong> isoliert betrachtet hätte stattfinden können 208<br />

- was ohnehin hinsichtlich des Entschließungszeitraums der Strafverfolgungsbehörden<br />

nicht quantifizierbar ist 209 . Strafsachen sind nicht nach dem Prinzip: "Wer<br />

zuerst kommt, mahlt zuerst!" zu bearbeiten 210. <strong>Die</strong>s verbietet sich sogar; so sind<br />

beispielsweise nach Nr. 5 IV RiStBV Haftsachen, Strafsachen, die besonderes<br />

Aufsehen erregt haben, <strong>und</strong> Strafsachen mit kurzer Verjährungsfrist "besonders<br />

zu beschleunigen". Rechtsmittelsachen sind stets als Eilsachen zu behandeln<br />

(Nr. 153 RiStBV).<br />

Betrachtet man Einzelfragen, entsteht endgültig Konfusion: Wie sind Personalmangel<br />

oder Überlastung <strong>von</strong> Gericht bzw. Justizverwaltung zu würdigen 211 ?<br />

Muß etwa die durchschnittliche Arbeitsbelastung empirisch ermittelt werden,<br />

wie Kohlmann meint 212 ? Können Verzögerungen im Verlaufdes weiteren Verfah-<br />

202 LG Frankfurt, JZ 1971, S. 234 (236); Geppert, JK 1983, MRKArt. 6/1; vgl. auch<br />

BGH, GA 1977, S. 275 (276).<br />

203 Vgl. BGH, wistra 1983, S. 106; Geppert, JK 1983, MRK Art. 6/1.<br />

204 Priebe, FS v. Simson, S. 304.<br />

205 So offenbar Molketin, BA 1982, S. 184.<br />

206 BVerfG (VorpTÜfungsausschuß), NJW 1984, S.967; OLG Koblenz, VRS 59,<br />

S. 339 (340).<br />

207 OLG Karlsruhe, NJW 1972, S. 1907 (1908); dagegen ausdrücklich OLG Stuttgart,<br />

JZ 1974, S. 268 (269).<br />

208 Vgl. BVerfG (Vorprüfungsausschuß), EuGRZ 1982, S. 75 (76).<br />

209 Vgl. BGH, StV 1988, S. 441; Schairer, Der befangene Staatsanwalt, S. 133; Thiel,<br />

<strong>Die</strong> Verfolgungspflicht im Rahmen verdeckter Ermittlungen, S. 58.<br />

210 Vgl. Frowein / Peukert, EMRK, Art. 6 Rn. 108; selbst Zivilsachen nicht, vgl. J.<br />

Blomeyer, NJW 1977, S. 558; Kloepfer, JZ 1979, S. 215. Vgl. auch Weber-Grellet, NJW<br />

1990, S. 1777.<br />

211 Siehe dazu unten, <strong>3.</strong> Kap. B H.<br />

212 Kohlmann, FS Maurach, S. 511.<br />

rens durch besonders zügige Verfahrensabwicklung wieder ausgeglichen werden2l3?<br />

Liegen überhaupt Verzögerungen vor, wenn etwa eine Hauptverhandlung<br />

überdurchschnittlich lange vorbereitet wird mit dem Ziel, das Verfahren in dieser<br />

Instanz zum Abschluß zu bringen, also Verzögerungen durch Rechtsmittel zu<br />

vermeiden 214 ? Was ist, wenn ein Gesamtkomplex in "aufgelöster Verfahrensweise"<br />

erledigt wird, so daß jedes Verfahren, isoliert betrachtet, nicht verzögert<br />

wird, die Zergliederung aber die Erledigung des Gesamtkomplexes verzögert 21S ?<br />

Liegt auch zu berücksichtigende Überlänge vor, wenn bei auf Verschleppungsabsicht<br />

beruhenden Anträgen eine verzögerte Bearbeitung durch die Strafverfolgungsbehörden<br />

auftritt 216 ?<br />

Hat demzufolge optimale Strafmaßverteidigung dahin zu führen, daß letztendlich<br />

sich Gericht <strong>und</strong> Staatsanwaltschaft zu verteidigen haben, was die Notwendigkeit<br />

oder Schnelligkeit bestimmter Verfolgungshandlungen angeht? Sind verbleibende<br />

Zweifel an der ordnungsgemäßen Ermittlungs- <strong>und</strong> Prozeßtätigkeit<br />

dann zugunsten des Beschuldigten zu berücksichtigen 217 ? Kann es vom Beschuldigten<br />

<strong>und</strong> seinem Verteidiger erwartet werden, in der Hauptverhandlung oder<br />

im Revisionsverfahren ihre Verteidigungsstrategie zu offenbaren, um darzulegen,<br />

daß der Zeitraum, der aufgr<strong>und</strong> bestimmter Verteidigungshandlungen verflossen<br />

ist, nicht dem Beschuldigten angelastet werden darf? Kann es dazu kommen,<br />

daß die im Strafprozeß nur bedingt bekannte Verspätung <strong>von</strong> Prozeßhandlungen<br />

de facto über die Strafzumessung eingeführt wird?<br />

IH. Zur dogmatischen Begründung<br />

Schließlich schafft es die Kompromißlösung aber auch nicht, in dem Argumentationspatt<br />

zwischen Strafzumessungs- <strong>und</strong> Einstellungslösung die Vorzüge der<br />

beiden unter Vermeidung ihrer Nachteile zu verbinden:<br />

Was zunächst die dogmatische Zulässigkeit angeht, so hat schon der 2. Senat<br />

des BGH in seiner Gr<strong>und</strong>satzentscheidung gefolgert, daß das Mittel des Verfahrenshindernisses<br />

seiner Natur nach gänzlich ungeeignet sei, auf<strong>überlange</strong> Verfahrensdauer<br />

zu reagieren. Es könne immer nur dort eingreifen, wo in sinnvoller<br />

Weise an eine bestimmte, für das Verfahren im ganzen uneingeschränkt rechtserhebliche<br />

Tatsache angeknüpft werden könne, wie es etwa beim Ablauf einer<br />

Frist der Fall sei. Eine Vernachlässigung des Beschleunigungsgebots sei jedoch<br />

für sich keine Tatsache, welche in diesem Sinne der Eigenart des Prozeßhindernis-<br />

213 Siehe dazu unten, 5. Kap. B H 4.<br />

214 Vgl. W. Gollwitzer, FS Kleinknecht, S. 153; Bender / Heissler, ZRP 1978, S. 30;<br />

Helmken, ZRP 1978, S. 134.<br />

215 Vgl. K. Peters in: Strafprozeß <strong>und</strong> Reform, S. 8<strong>3.</strong><br />

216 Vgl. Peukert, EuGRZ 1979, S. 272; Ulsamer, FS Faller, S. 378 f.<br />

217 Vgl. Michael, Der Gr<strong>und</strong>satz In dubio pro reo im <strong>Strafverfahren</strong>srecht, S. 172.


46 1. Kap.: Überblick über den Forschungsstand B. Kritik der heute herrschenden Meinung 47<br />

ses gemäß sein könnte. Es könne für eine so weitgehende Rechtsfolge nicht auf<br />

die Verfahrensverzögerung schlechthin, sondern nur auf die Unangemessenheit<br />

der Verzögerung ankommen, also auf ein Werturteil 2IR • In der Literatur ist diese<br />

Ansicht gelegentlich als methodisch naiv, vordergründig <strong>und</strong> trivial abgelehnt<br />

worden 219. Vielmehr sei umgekehrt die Strafzumessungslösung unhaltbar, da<br />

<strong>überlange</strong> Verfahrensdauer nicht das Unrecht der Tat des Beschuldigten berühre<br />

220 . Dementsprechend sprach Hillenkamp <strong>von</strong> der Abschiebung des Problems<br />

in die Strafzumessung 221 , die einen "zweifelhaften Komprorniß" darstelle 222 <strong>und</strong><br />

dogmatisch wenig zutreffend seim. Dahs nannte die Strafzumessungslösung eine<br />

"Krücke", die eines Rechtsstaats unwürdig sei 224, Schwenk die Strafmilderung<br />

eine "willkürlich gewählte Folgerung" 225.<br />

<strong>Die</strong>ses Argumentationspatt wird noch dadurch bestätigt, daß neuerdings beide<br />

Lösungen Befürworter finden unter Aufweichung ihrer dogmatischen Gestalt:<br />

Während Rieß für die Einstellungslösung ins Gespräch bringt, ob nicht "außerhalb<br />

des Begriffs des Verfahrenshindernisses" das Rechtsinstitut des"Verfolgungsverbotes"<br />

selbständig entwickelt werden könnte 226, verteidigt etwa der 2. Strafsenat<br />

die Strafzumessungslösung damit, schuldunabhängige Gesichtspunkte könnten<br />

hier selbst zur Schuldunterschreitung der Strafe führen 227; der 1. Senat wiederum<br />

formulierte, die Berücksichtigung verfahrensrechtlicher Vorgänge sei "geboten",<br />

um "Verletzungen der Menschenrechtskonvention durch Strafmilderung auszugleichen"<br />

228.<br />

Ein weiterer dogmatischer Einwand betrifft die Strafzumessungslösung insofern,<br />

als sie dem Freigesprochenen keine Kompensation für eine Verletzung des<br />

Beschleunigungsprinzips gewährt 229 . Dem hält der BGH entgegen, daß dem<br />

218 BGHSt 24, S. 239 (240); ähnlich 32, S. 345 (351 f.); NStZ 1983, S. 135; Urt. v.<br />

18.2.1976 - 2 StR 566/75 (Anhang 4); LG Köln, NStZ 1989, S. 442 (443); K. Schäfer<br />

in LR24, Ein!. Kap. 11 Rn. 9; Heubel, Der "fair trial", S. 121; Reinecke, <strong>Die</strong> Fernwirkung<br />

<strong>von</strong> Beweisverwertungsverboten, S. 199; Hillenkamp, NJW 1989, S.2846. Dagegen<br />

aber Paulus in KMR, § 206a Rn. 36.<br />

219 Volk, ProzeBvoraussetzungen, S.215; Schünemann, StV 1985, S.427; ähnlich<br />

Geppert, JK 1983, MRK Art. 6/1.<br />

220 Horn in SK StGB, § 46 Rn. 136; 146; Frisch, ZStW 99 (1987), S. 379 f.; Bruns,<br />

MDR 1987, S. 181; Kühne, EuGRZ 1983, S. 384; I. Roxin, Rechtsfolgen, S. 18<strong>3.</strong><br />

221 Hillenkamp, JR 1975, S. 139; zustimmend Ulsenheimer, wistra 1983, S. 14; ähnlich<br />

Bruns, StV 1984, S. 39<strong>3.</strong><br />

222 Hillenkamp, JR 1975, S. 134.<br />

213 Hillenkamp, JR 1975, S. 138; ähnlich I. Roxin, Rechtsfolgen, S. 182 f.<br />

224 Dahs, NJW 1974, S. 154<strong>3.</strong><br />

225 Schwenk, JZ 1976, S. 58<strong>3.</strong><br />

226 RieB, JR 1985, S. 48; vg!. auch BGHSt 35, S. 137 (143).<br />

227 BGH, NStZ 1986, S. 162; StV 1988, S. 296; vg!. auch NJW 1986, S. 75 (76); StV<br />

1988, S. 295.<br />

228 BGH, NStZ 1989, S. 526; ähnlich StV 1989, S. 487 (488); wistra 1990, S. 20.<br />

229 Hillenka.np, JR 1975, S. 139; NJW 1989, S. 2846 f. Fn. 67.<br />

Unschuldigen bei Verfahrenseinstellung die "Genugtuung des Freispruchs" versagt<br />

bliebe 230. Geppert kontert dieses Argument damit, daß eben dies bei der<br />

Verfahrenseinstellung wegen Verfolgungsverjährung ebenso der Fall wäre 231 .<br />

Vielmehr würden die Strafverfolgungsbehörden, wie das LG Frankfurt formulierte,<br />

im Fall des Weiterprozessierens "mit jeder weiteren Prozeßhandlung ein<br />

ausdrücklich normiertes Menschenrecht des Angeklagten verletzen, obwohl ihnen<br />

dies bewußt wäre; sie müßten mit anderen Worten wissentlich <strong>und</strong> willentlich<br />

Recht verletzen" 232. Darüber hinaus wird darauf hingewiesen, daß dieses Problem<br />

schon rein rechtstatsächlich gering sei: Zunächst stelle sich die Unschuld nur<br />

äußerst selten erst nach <strong>überlange</strong>r Verfahrensdauer heraus 233; insbesondere würde<br />

bei dem nur nicht überführten Betroffenen kaum einmal der Wunsch nach<br />

Rehabilitierung stärker sein als der nach Beendigung des Verfahrens 234 . Zudem<br />

sei die einhellige Rechtsprechung, daß der Freispruch vor der Einstellung Vorrang<br />

hat 235, dahingehend zu erweitern, daß das Verfahren auch dann fortgeführt werden<br />

kann, wenn die Möglichkeit eines Freispruchs naheliegt <strong>und</strong> die noch erforderliche<br />

Sachaufklärung mit präsenten Beweismitteln <strong>und</strong> ohne nennenswerte Verzögerung<br />

erreichbar ist 236 . Noch weitergehend sei daran zu denken, daß diese als<br />

nobile officium bezeichnete Möglichkeit gerade bei Verstößen gegen das Beschleunigungsprinzip,<br />

also Verstößen gegen gerade die Pflicht, die hier die Verfahrensfortführung<br />

verbieten soll, zu einem Recht des Beschuldigten erstarken<br />

könnte 237. Schließlich beschloß der 50. Deutsche Juristentag 238 auf Vorschlag<br />

<strong>von</strong> Bruns 239 , die zukünftige Gewährung einer "prozeßhindernden Einrede der<br />

<strong>überlange</strong>n Verfahrensdauer" zu prüfen, also faktisch dem Beschuldigten eine<br />

Art Wahlrecht zuzubilligen 240.<br />

Doch das entscheidende Argument der Befürworter der Strafzumessungslösung<br />

stellt sich als ein pragmatisches dar: Das "Alles oder Nichts" der Einstellungslö-<br />

230 BGHSt 24, S.239 (241); ähnlich OLG Karlsruhe, NJW 1972, S. 1907 (1908);<br />

Hanack, JZ 1971, S. 714; Rüping, Das <strong>Strafverfahren</strong>2, S. 110.<br />

231 Geppert, JK 1983, MRK Art. 6/1.<br />

232 LG Frankfurt, JZ 1971, S. 234 (235); ähnlich Hillenkamp, JR 1975, S. 139; Schroth,<br />

NJW 1990, S. 31.<br />

233 I. Roxin, Rechtsfolgen, S. 265.<br />

234 Hillenkamp, JR 1975, S. 140; Ulsenheimer, wistra 1983, S. 14.<br />

235 RGSt 70, S. 193 (196); BGHSt 13, S. 75 (80); S. 268 (273); 20, S. 333 (335);<br />

OLG Düsseldorf, NJW 1950, S. 360; 1982, S. 2614 (2615); 1989, S. 51; BayObLGSt<br />

1963, S. 44 (47); NJW 1989, S. 1621 (1622); OLG Celle, NJW 1968, S. 2119 (2120);<br />

OLG Oldenburg, NJW 1982, S. 1166; KG, NStZ 1983, S. 561; JR 1990, S. 124. Ausführlich<br />

dazu K. Kühl, Unschuldsvermutung, Freispruch <strong>und</strong> Einstellung, S. 87 f.<br />

236 K. Schäfer in LR24, Ein!. Kap. 11 Rn. 56; W. Gollwitzer in LR24, § 245 Rn. 86;<br />

§ 260 Rn. 100; Sax in KMR, Ein!. IX Rn. 19; Kleinknecht 1Meyer, StP039, § 244 Rn. 1<strong>3.</strong><br />

237 Hillenkamp, JR 1975, S. 140; ähnlich I. Roxin, Rechtsfolgen, S.266; Schroth,<br />

NJW 1990, S. 31; wohl auch Kleinknecht/Meyer, StP039, § 244 Rn. 1<strong>3.</strong><br />

238 Verh. 50. DJT, S. K 271.<br />

239 Bruns, Verh. 50. DJT, S. K 83; K 87.<br />

240 Ähnlich auch Kramer, Menschenrechtskonvention, S. 195: Widerspruchsrecht.


48 I. Kap.: Überblick über den Forschungsstand<br />

sung, wie es der 2. BGH-Senat genannt hat 241 , erscheint unbillig. <strong>Die</strong> Strafzumessungslösung<br />

stelle, wie Zipf es ausdrückt, "wegen ihrer flexiblen Lösungsmöglichkeit<br />

eine angemessene Bewältigung des Problems" der Verfahrensverzögerungen<br />

dar 242 ; sie sei, so die bezeichnende Formulierung Kloepfers, "zu bevorzugen"<br />

24<strong>3.</strong> Zwar läßt sich gegen diese Argumentation einwenden, daß der<br />

Strafzumessungslösung die Gefahr innewohnt, nicht statt des "Alles oder Nichts"<br />

dem Beschuldigten "Etwas" zu bieten, sondern "Strafrabatt" lediglich "verbal"<br />

zu gewähren244; hierbei handelt es sich allerdings um ein prinzipielles Problem<br />

der Strafzumessung 245. Es bleibt aber doch das Ergebnis, daß die neue, kombinierte<br />

Lösung nicht die dogmatischen Probleme löst, sondern sie eher vertieft als<br />

Preis dafür, das "Etwas oder Alles" der Strafzumessungsvariante mit dem<br />

"Nichts" der Einstellungsvariante pragmatisch zu verbinden - <strong>und</strong> damit den<br />

Weg über die Strafzumessung um die dort vermißte "Nullösung" 246 zu erweitern.<br />

Zweites Kapitel<br />

Schwierigkeiten der Beschleunigung <strong>von</strong> <strong>Strafverfahren</strong><br />

Zur Relevanz eines umfassenden Rechtsfolgensystems<br />

Das Problem der Rechtsfolgen <strong>überlange</strong>r <strong>Dauer</strong> <strong>von</strong> <strong>Strafverfahren</strong> ist also<br />

nach wie vor existent. Auf seine Lösung ist diese Untersuchung ausgerichtet.<br />

In diesem Kapitel sind zunächst einige Überlegungen anzustellen, ob durch<br />

Rechtsänderungen de lege ferenda das <strong>Strafverfahren</strong> an sich beschleunigt werden<br />

könnte. Hier ließe sich - allerdings nur rein theoretisch - das Übel an der<br />

Wurzel packen, gelänge es, <strong>überlange</strong> Verfahrensdauer gr<strong>und</strong>sätzlich unmöglich<br />

zu machen. Weiterhin ist zu erörtern, inwieweit prozessuale Möglichkeiten des<br />

Beschuldigten, Verzögerungen seines Verfahrens entgegenzuwirken, bestehen.<br />

<strong>Die</strong> Relevanz der Rechtsfolgenbestimmung <strong>überlange</strong>r Verfahrensdauer ergibt<br />

sich gerade dann, wenn eine Verfahrensbeschleunigung durch Initiative des Gesetzgebers<br />

mittels Rechtsänderungen oder durch Initiative des Beschuldigten<br />

mittels Rechtswahrnehmung nur unbefriedigend möglich ist. Es besteht dann zur<br />

Einräumung weitgehender Rechtsfolgen <strong>überlange</strong>r Verfahrensdauer weder die<br />

Alternative "Einschreiten des Gesetzgebers" 1 noch die der Wahrnehmung <strong>von</strong><br />

prozessualen Möglichkeiten durch den Beschuldigten 2.<br />

A. Verfahrensbeschleunigung durch den Gesetzgeber<br />

241 BGHSt 24, S. 239 (241).<br />

242 Zipf, Strafprozeßrecht 2 , S. 89.<br />

243 Kloepfer, JZ 1979, S. 215 Rn. 5<strong>3.</strong><br />

244 Ulsenheimer, wistra 1983, S. 14; HWiStR, S. 4; ähnlich Kohlmann, FS Pfeiffer,<br />

S. 211 f.; Schroth, NJW 1990, S. 31; Peukert, EuGRZ 1979, S. 263; Ress in: Europäischer<br />

Menschenrechtsschutz, S.283; vgl. auch Hillenkamp, JR 1975, S. 139; Schünemann,<br />

StV 1985, S. 426.<br />

245 Vgl. etwa Bruns, Das Recht der Strafzumessung 2 , S. 263 f.; Montenbruck, Abwägung<br />

<strong>und</strong> Umwertung, S. 46; We. Schmid, <strong>Die</strong> Verwirkung <strong>von</strong> Verfahrensrügen, S. 320;<br />

H. Weber, NJW 1961, S. 1388 f.<br />

246 Hillenkamp, NJW 1989, S. 2846 Fn. 67.<br />

Das Beschleunigungsprinzip ist in der Strafprozeßordnung - anders als etwa<br />

in § 9 I Satz 1 ArbGG3 - nicht ausdrücklich ausgesprochen. <strong>Die</strong> Einfügung<br />

einer entsprechenden Vorschrift lehnte der Gesetzgeber 1974 mit der Begründung<br />

ab, "die Tragweite <strong>und</strong> Bedeutung einer solchen Vorschrift" sei nur aus den<br />

Einzelvorschriften zu erschließen, was Wissenschaft <strong>und</strong> Rechtsprechung zu<br />

überlassen sei 4 . Nach allgemeiner Ansicht ist der Beschleunigungsgr<strong>und</strong>satz<br />

I So aber Kohlmann, FS Pfeiffer, S. 208 ff.; Hillenkamp, JR 1975, S. 13<strong>3.</strong><br />

2 Vgl. etwa C. Roxin, <strong>Strafverfahren</strong>srecht 21 , § 16 C; Müller-<strong>Die</strong>tz, ZStW 93 (1981),<br />

S. 1246; Priebe, FS v. Simson, S. 288.<br />

3 § 9 I Satz I ArbGG: "Das Verfahren ist in allen Rechtszügen zu beschleunigen".<br />

4 Begr. RegE 1. StVRG, BT-DrS 7/551, S. 37. Für eine solche Vorschrift Kohlmann,<br />

FS Maurach, S. 511 f.; Asbrock, Gr<strong>und</strong>züge <strong>und</strong> Besonderheiten eines <strong>Strafverfahren</strong>s<br />

<strong>und</strong> einer Gerichtsverfassung für Jungerwachsene, S. 165 ff.<br />

4 Scheffler


52 2. Kap.: Schwierigkeiten der Beschleunigung <strong>von</strong> <strong>Strafverfahren</strong> A. Verfahrensbeschleunigung durch den Gesetzgeber 53<br />

Wichtigstes gesetzgeberisches Beispiel für eine solche Fristsetzung im Rahmen<br />

der Strafprozeßreform bildet der durch das StPÄG <strong>von</strong> 1964 eingefügte § 121<br />

StPO, der Art. 5 III EMRK jedenfalls partiell realisieren soll 27. Gemäß § 121<br />

StPO ist bis zu einem auf Freiheitsentziehung lautenden Urteil der Vollzug der<br />

Untersuchungshaft über sechs Monate hinaus <strong>von</strong> der Anordnung des Oberlandesgerichts<br />

auf Vorlage <strong>von</strong> Amts wegen abhängig <strong>und</strong> nur aus "wichtigem Gr<strong>und</strong>"<br />

zulässig.<br />

Im Anschluß daran könnte erwogen werden, Vorschriften zu schaffen, nach<br />

denen für einzelne Abschnitte des Verfahrens, insbesondere für das Ermittlungsverfahren,<br />

gesetzliche Fristen gesetzt werden, nach deren Ablauf die Akten etwa<br />

dem Oberlandesgericht vorzulegen wären, das ausnahmsweise eine Fristverlängerung<br />

genehmigen könnte 28 • <strong>Die</strong> Einführung solcher Vorschriften ist gelegentlich<br />

schon in Betracht gezogen worden 29 • Eine Variante findet sich im Beamtendisziplinarrecht<br />

(§ 66 BDO), wo nach Ablauf einer Sechsmonatsfrist seit Verfahrenseinleitung<br />

der Beamte die Entscheidung des B<strong>und</strong>esdiszplinargerichts beantragen<br />

kann, das bei Feststellung einer "unangemessenen Verzögerung" eine Frist zu<br />

bestimmen hat. In diesem Kontext ist auch auf § 138a III Nr. 3 StPO hinzuweisen,<br />

wonach - im Zusammenhang mit dem Verteidigerausschluß - innerhalb eines<br />

Jahres das Hauptverfahren zu eröffnen ist <strong>und</strong> wegen der besonderen Schwierigkeit<br />

oder des besonderen Umfanges der Sache oder eines anderen wichtigen<br />

Gr<strong>und</strong>es diese Frist um maximal ein Jahr verlängert werden kann 30 •<br />

Bei näherem Hinsehen zeigt sich jedoch, daß eine solche rechtliche Regelung<br />

ein "nicht ungefährliches gesetzestechnisches Instrument" darstellt 3l . <strong>Die</strong> erste<br />

Schwierigkeit besteht schon darin, daß eine solche Regelung nur dann sinnvoll<br />

ist, wenn eine wirksame Sanktionierung bei Verletzung gesichert wird 32. Eine<br />

26 Sarstedt in: Rechtsstaat als Aufgabe, S. 224 f. Vgl. auch Sendler, DVBI. 1982,<br />

S. 923 ff.<br />

27 Begr. RegE StPÄG 1964, BT-DrS IV/178, S. 25. Vgl. dazu K. Kühl, ZStW 100<br />

(1988), S. 611.<br />

28 Kritisch zur Möglichkeit der Fristverlängerung Vollkommer, ZZP 81 (1968), S. 111.<br />

29 Kohlmann, FS Maurach, S. 512 ff.; G. Schmidt, DRiZ 1971, S. 79; I. Roxin, Rechtsfolgen,<br />

S. 169; Kühne, Strafprozeßlehre3, Rn. 128; vgl. auch Küng-Hofer, Beschleunigung,<br />

S. 205.<br />

Eine entsprechende Vorschrift enthielt § 103 StPO-DDR:<br />

,,(1) Alle Ermittlungsverfahren sind innerhalb einer Frist <strong>von</strong> höchstens drei Monaten<br />

abzuschließen.<br />

(2) Der Generalstaatsanwalt setzt für die einzelnen Arten der Ermittlungsverfahren<br />

Fristen fest. Kann ausnahmsweise wegen des Umfanges der Sache oder wegen der<br />

Schwierigkeit der Ermittlungen die Frist nicht eingehalten werden, ist die Genehmigung<br />

des zuständigen Staatsanwalts zur Überschreitung der Frist einzuholen. Eine Überschreitung<br />

der Höchstfrist <strong>von</strong> drei Monaten ist nur mit Zustimmung des Staatsanwalts des<br />

Bezirkes zulässig."<br />

30 Vgl. Begr. RegE StVÄG 1979, BT-DrS 8/976, S. 38.<br />

31 Driendl, Verfahrensökonomie <strong>und</strong> Strafprozeßreform, S. 304.<br />

32 Driendl, Verfahrensökonomie <strong>und</strong> Strafprozeßreform, S. 304.<br />

solche Sanktionierung, etwa die Einräumung eines Verfahrenshindemisses oder<br />

eines Revisionsgr<strong>und</strong>es, dürfte jedoch zumindest den Beschuldigten beflügeln<br />

können, zur Verfahrensverlängerung beizutragen 33 • Das nächste Problem wäre,<br />

bei der Fristsetzung dem Rechnung zu tragen, daß Verfahren infolge der jeweiligen<br />

Deliktsstruktur unterschiedlichen Zeitraum benötigen 34. Da dies mit der<br />

Schwere des Vorwurfs zusammenhängen dürfte, ließe sich zwar entsprechend<br />

§ 78 III StGB ein abgestufter Zeitrahmen vorstellen; allerdings mag hier auch<br />

der Einwand Kohlmanns Beachtung finden, daß dies zu einer "kaum zu bewältigenden<br />

Unübersichtlichkeit" führen könnte 35 •<br />

Entscheidend aber dürfte sein, daß eine solche Regelung dem Anspruch auf<br />

unverzögertes Verfahren nur bedingt gerecht werden kann, weil selbst Fristen<br />

primär auf die absolute Verfahrensdauer, kaum aber auf Verzögerungen ausgerichtet<br />

sind: Sofern der zeitliche Rahmen, was wohl erforderlich wäre, relativ<br />

großzügig gesetzt wird, können Verfahrensverzögerungen im Sinne des unnötigen<br />

vollständigen Ausschöpfens des Zeitrahmens überhaupt nicht verhindert werden<br />

36. Umgekehrt stünde dann zu befürchten, wenn der zeitliche Rahmen sich<br />

als eng erweist - sei es, daß die Sache außerordentlich kompliziert ist, sei es,<br />

daß ein Teil der Frist durch Verzögerungen fruchtlos verstrichen ist-, daß der<br />

nun entstandene Zeitdruck sich zu Lasten der Rechtsfindung auswirkt 37 • Einedurch<br />

wen auch immer - "individuell" bemessene Frist, wie Küng-Hofer sie<br />

anspricht, ist mit diesem aus rechtsstaatlichen Gründen abzulehnen38.<br />

Nicht weniger problematisch würde sich die Vorlage darstellen. Hier stünde<br />

zu befürchten, daß selbst bei unverzögerter Vorlage - also insoweit dann strukturbedingt<br />

- aufgr<strong>und</strong> der notwendigen Einarbeitung des Vorlagegerichts <strong>und</strong><br />

des erforderlichen Einholens <strong>von</strong> Stellungnahmen nicht unerheblich Zeit verstreicht,<br />

wie dies schon hinsichtlich § 121 StPO vorgetragen wurde 39 •<br />

33 Driendl, Verfahrensökonomie <strong>und</strong> Strafprozeßreform, S. 304.<br />

34 Kohlmann, FS Maurach, S. 512; Eb. Schmidt, NJW 1968, S. 2209; Driendl, Verfahrensökonomie<br />

<strong>und</strong> Strafprozeßreform, S. 303 f.<br />

35 Kohlmann, FS Maurach, S. 512. Vgl. auch Asbrock, Gr<strong>und</strong>züge <strong>und</strong> Besonderheiten<br />

eines <strong>Strafverfahren</strong>s <strong>und</strong> einer Gerichtsverfassung für Jungerwachsene, S. 169 f.<br />

36 Vgl. Driendl, Verfahrensökonomie <strong>und</strong> Strafprozeßreform, S.304; Küng-Hofer,<br />

Beschleunigung, S. 126; Prochnow, <strong>Die</strong> Beschleunigung des <strong>Strafverfahren</strong>s in rechtsvergleichender<br />

Betrachtung, S. 259; Kern, MschrKrimPsych 15 (1924), S. 240 f.; VolIkommer,<br />

ZZP 81 (1968), S. 111.<br />

37 Kern, MschrKrimPsych 15 (1924), S. 240 f.; Küng-Hofer, Beschleunigung, S. 184.<br />

38 Küng-Hofer, Beschleunigung, S. 126.<br />

39 Vgl. Sarstedt, Justiz 1963, S. 187 f.; in: Rechtsstaat als Aufgabe, S.227; Eb.<br />

Schmidt, NJW 1968, S. 2209; K. Peters in: Strafprozeß <strong>und</strong> Reform, S. 92; G. Schmidt,<br />

DRiZ 1971, S. 79; Heinitz, FG v. Lübtow, S. 838.


54 2. Kap.: Schwierigkeiten der Beschleunigung <strong>von</strong> <strong>Strafverfahren</strong> A. Verfahrensbeschleunigung durch den Gesetzgeber 55<br />

2. Personelle <strong>und</strong> organisatorische Maßnahmen<br />

Gelegentlich wird vorgeschlagen, die Staatsanwaltschaft etwa durch Listen<br />

über die Bearbeitungsdauer oder Aktenkontrollen zu unverzögerter Arbeit anzuhalten<br />

40. Mag eine solche Kontrolle, soweit sie über Selbstverständlichkeiten<br />

hinausgeht, schon zweifelhaft sein, so ist sie wegen Art. 97 I GG noch fraglicher<br />

bezüglich der richterlichen Tätigkeit 4 \, für die sie Küng-Hofer anregt 42 . Soweit<br />

darüber hinaus sogar vorgeschlagen wird, jedenfalls die Ermittlungsbehörde habe<br />

innerhalb bestimmter Fristen Berichte über die anhängigen <strong>Strafverfahren</strong> an die<br />

Aufsichtsbehörde einzureichen43, so erscheint es möglich, daß hierdurch das<br />

Verfahren gerade aufgehalten statt gefördert wird 44 . Zudem könnte die Gefahr<br />

bestehen, daß der "leichte" Fall vorgezogen oder der "schwere" Fall verfrüht<br />

erledigt wird, um einen "Punkt" in der Statistik zu gewinnen, während andere<br />

(weiter) verzögert werden, was sich in umfangreichen, komplizierten Sachen<br />

zudem eher kaschieren lassen dürfte 45 .<br />

<strong>Die</strong>se Kontrollen gehören zum Bereich der Justizverwaltungsmaßnahmen zur<br />

Vermeidung <strong>von</strong> Verfahrensverzögerungen, unterscheiden sich aber <strong>von</strong> den im<br />

folgenden angedeuteten dadurch, daß ihre Ergreifung zur Förderung des konkreten<br />

Falles vorgetragen wird <strong>und</strong> nicht nur allgemein zur weniger verzögerten<br />

Verfahrenserledigung. Hier ist der Übergang fließend zwischen Maßnahmen, die<br />

des Gesetzgebers direkt (Gerichtsverfassungsrecht) oder indirekt (Haushaltsrecht)<br />

bedürfen oder bloß administrativen Charakter haben.<br />

Gelegentlich wird angeregt, etwa durch MehreinsteIlungen im Bereich der<br />

Gerichte, Staatsanwaltschaften <strong>und</strong> Justizverwaltungen Überlastungen entgegenzuwirken<br />

<strong>und</strong> diesbezügliche Verzögerungen zu vermeiden 46 . Dem stehen allerdings<br />

häufiger geäußerte Zweifel gegenüber, inwieweit tatsächlich generell Überlastungen<br />

der Strafverfolgungsbehörden über Einzelfälle hinaus vorliegen 47. Dem<br />

40 K. Peters in: Strafprozeß <strong>und</strong> Reform, S. 107 f.; Küng-Hofer, Beschleunigung,<br />

S. 204 f.; 29<strong>3.</strong><br />

41 Vgl. K. Peters in: Strafprozeß <strong>und</strong> Reform, S. 107, sowie Scheffler, MschrKrim<br />

68 (1985), S. 68, einerseits <strong>und</strong> BGH, DRiZ 1978, S. 185 f. (<strong>und</strong> neuerdings DRiZ 1991,<br />

S. 20 ff.), andererseits.<br />

42 Küng-Hofer, Beschleunigung, S. 29<strong>3.</strong><br />

43 Küng-Hofer, Beschleunigung, S. 204 f.<br />

44 Vgl. Scheffler, MschrKrim 68 (1985), S. 68.<br />

45 Vgl. J. Blomeyer, NJW 1977, S. 557; Stötter, NJW 1968, S. 523; Hohendorf, NJW<br />

1984, S. 958; Eisenberg, Kriminologie3, § 40 Rn. 4; vgl. auch BGH. DRiZ 1978, S. 185.<br />

46 Küng-Hofer, Beschleunigung, S. 290; Berz, NJW 1982, S. 735; Böttcher, DRiZ<br />

1983, S. 132; Caesar, RuP 1990, S. 46.<br />

47 Vgl. Sarstedt in: Rechtsstaat als Aufgabe, S. 218; Stein / Schumann / Winter in:<br />

Der Prozeß der Kriminalisierung, S. 120; Voss, DRiZ 1988, S. 466; E. Schneider, MDR<br />

1989, S. 871; Maeffert, Strafjustiz, S. 9 ff.; Ehrig, StV 1990, S. 139; Lindemann, AnwBI.<br />

1983, S. 389 ff.; Sendler, DVBI. 1982, S. 923 ff.; Hieronimi, NJW 1984, S. 108 f. Vgl.<br />

aber Hamm, ZRP 1990, S. 340: "Daß die Strafjustiz überlastet ist, bestreitet niemand".<br />

verwandt sind Vorstellungen, eine höhere Leistungsfähigkeit der Strafverfolgungsbehörden<br />

- also vor allem die Vermeidung unnötiger Maßnahmen, aber<br />

auch die schnelle, weil kompetentere Verfahrensführung - dadurch zu erreichen,<br />

daß die Juristenausbildung verbessert wird 48 . Es wird ferner vorgeschlagen, vermehrt<br />

Spezialkammern zu schaffen 49, Richter <strong>und</strong> Staatsanwälte über die Geschäftsverteilung<br />

mehr ihren Fähigkeiten entsprechend einzusetzen 50 <strong>und</strong> unnötige<br />

Versetzungen mit der Notwendigkeit der Neueinarbeitung zu vermeiden51.<br />

Nun mag gegen solche Vorschläge gr<strong>und</strong>sätzlich nichts einzuwenden sein, jedenfalls<br />

so lange nicht, wie nicht mit dem Ziel der Beschleunigung das Kind mit<br />

dem Bade ausgeschüttet <strong>und</strong> die gesamte Gerichtsverfassung zur Disposition<br />

gestellt wird 52.<br />

Sämtlichen dieser Vorschläge kommt jedoch nur geringe Bedeutung deshalb<br />

zu, weil sie das Problem <strong>überlange</strong>r Verfahrensdauer nicht lösen können. Sie<br />

können nur Konstellationen schaffen, in denen seltener verzögert wird, Verzögerungen<br />

an sich jedoch nicht unterbinden.<br />

<strong>Die</strong>ser Einwand hat allerdings kaum Bedeutung für rein organisatorische <strong>und</strong><br />

technische Verbesserungen: Daß Aktenbewegungen im Bereich der Justiz einfach<br />

zu lange dauern (<strong>und</strong> durch den Einsatz <strong>von</strong> EDV zumindest eingeschränkt oder<br />

durch das Anlegen <strong>von</strong> Aktendoppeln vermieden werden könnten53), ist ein<br />

Gr<strong>und</strong> für lange Verfahrensdauer 54 . Das Anlegen <strong>von</strong> Doppelakten wird übrigens<br />

schon in Nr. 1211,54 III, 56 III RiStBV genannt. Das bedeutet nun aber: Gegen<br />

Verfahrensverzögerungen bleibt der Praxis nicht viel mehr zu raten als - in<br />

leichter Abwandlung einer sarkastischen Formulierung Tiedemanns - "sie solle<br />

sich noch ein paar Fotokopierer kaufen"55.<br />

48 Küng-Hofer, Beschleunigung, S. 18; K. Peters in: Strafprozeß <strong>und</strong> Reform, S. 89 f.;<br />

108.<br />

49 Küng-Hofer, Beschleunigung, S. 291; K. Peters in: Strafprozeß <strong>und</strong> Reform, S. 103;<br />

Gössel, GA 1979, S. 248.<br />

50 K. Peters in: Strafprozeß <strong>und</strong> Reform, S. 107.<br />

5\ K. Peters in: Strafprozeß <strong>und</strong> Reform, S. 107; Michaelsen, Krim 1982, S. 499; vgl.<br />

auch Böttcher, DRiZ 1983, S. 129.<br />

52 So aber Michaelsen, Krim 1982, S. 499; vgl. auch Gössel, GA 1979, S. 250, sowie<br />

für die Zivilgerichtsbarkeit Stiefel, ZRP 1989, S. 324 f.; Stötter, NJW 1968, S.523;<br />

Lüke, FS Baumgärtel, S. 352 ff.<br />

53 Küng-Hofer, Beschleunigung, S. 13; 198 f.; 290; Prochnow, <strong>Die</strong> Beschleunigung<br />

des <strong>Strafverfahren</strong>s in rechtsvergleichender Betrachtung, S. 144 ff.; Gössel, GA 1979,<br />

S. 241 f.; Dahs, NJW 1974, S. 1542; Jescheck, JZ 1970, S. 204; Böttcher, DRiZ 1983,<br />

S.129.<br />

54 Vgl. etwa OLG Karlsruhe, NJW 1973, S. 380 (381); OLG Köln, NJW 1973, S. 1009<br />

(1010); OLG Frankfurt, MDR 1973, S. 780; StV 1983, S. 380; OLG Stuttgart, StV 1983,<br />

S. 70; HansOLG Hamburg, StV 1983, S. 289 (290).<br />

55 Tiedemann, zit. n. Hünerfeld, ZStW 85 (1973), S. 444 ("<strong>Die</strong> Praxis solle sich noch<br />

ein paar Tonbänder kaufen").


56 2. Kap.: Schwierigkeiten der Beschleunigung <strong>von</strong> <strong>Strafverfahren</strong><br />

11. Vereinfachungen der Verfahrensstruktur<br />

Regelmäßig werden in der Literatur allerdings solche Überlegungen mit Vorschlägen<br />

zu Gesetzesänderungen vermengt, die nicht darauf zielen, Verzögerungen<br />

durch die Strafverfolgungsbehörden zu verhindern, sondern darauf, die Verfahrensstruktur<br />

zu vereinfachen, um die Verfahrensdauer allgemein zu verkürzen.<br />

Sie können Verzögerungen höchstens kaschieren, sofern sie es ermöglichen,<br />

Verfahren trotz Verzögerungen noch in einem relativ kurzen Zeitraum abzuschließen.<br />

Insofern hat sich der Gesetzgeber gelegentlich zu Unrecht zur Legitimation<br />

<strong>von</strong> Verfahrensvereinfachungen auf die Rechtsprechung zu Verfahrensverzögerungen<br />

berufen 56. Auch die Vermutung, Verfahrensvereinfachungen würden<br />

<strong>überlange</strong> Verfahrensdauer deshalb nicht beseitigen, weil die Strafverfolgungsbehörden<br />

zu wenig Gebrauch <strong>von</strong> dem neu angebotenen Instrumentarium machen<br />

würden5 7, berücksichtigt nicht ihre Wirkungslosigkeit in bezug auf Verzögerungen.<br />

Innerhalb dieser Vereinfachungen sind theoretisch zwei Möglichkeiten zu<br />

unterscheiden: Es geht häufig nicht nur darum, durch mehr oder weniger große<br />

Eingriffe in die Struktur des Strafprozesses diesen zu straffen, sondern es wird<br />

auch beabsichtigt, eine Beschleunigung durch Einschränkung <strong>von</strong> Aktivitäten<br />

des Beschuldigten zu erreichen. Auch hier ist der Übergang zwischen der Eindämmung<br />

<strong>von</strong> (rechtsmißbräuchlichen) Verschleppungen <strong>und</strong> der Beschneidung <strong>von</strong><br />

Beschuldigtenrechten fließend. Praktisch lassen sich diese Varianten aber, wie<br />

Strafprozeßreform <strong>und</strong> Reformvorschläge zeigen, kaum auseinanderhalten.<br />

Ein frühes Beispiel einer solchen vereinfachenden Gesetzesänderung war die<br />

va zur Sicherung <strong>von</strong> Wirtschaft <strong>und</strong> Finanzen vom 6. 10.1931 58 , die für Strafsachen,<br />

bei denen mit einer Verhandlungsdauer <strong>von</strong> mehr als sechs Tagen zu<br />

rechnen war, die durch die Emminger-Reform abgeschaffte erstinstanzliche Zuständigkeit<br />

der Strafkammer wieder begründete mit der Folge des erneuten Wegfalls<br />

der zweiten Tatsacheninstanz 59 .<br />

A. Verfahrensbeschleunigung durch den Gesetzgeber 57<br />

fung, "das Verfahren zu beschleunigen <strong>und</strong> zu straffen <strong>und</strong> damit dem<br />

Anspruch des Beschuldigten auf Durchführung des Verfahrens in einer angemessenen<br />

Zeit gerecht zu werden" 60. <strong>Die</strong>se Linie setzte sich im StVÄG 1979 fort.<br />

Gesetzgeberische Absicht beim StVÄG 1979 war es vor allem, den Verfahrensablauf<br />

zu vereinfachen, so daß eine Beschleunigung des Strafprozesses erreicht<br />

werden könne 6 \. Schließlich wurde mit dem StVÄG <strong>von</strong> 1987 das primäre Ziel<br />

verfolgt, die Strafgerichtsbarkeit <strong>und</strong> die Staatsanwaltschaft durch Verfahrensvereinfachung<br />

zu entlasten, da der Geschäftsanteil weiter gestiegen sei <strong>und</strong> die<br />

Kompliziertheit vieler Verfahren zugenommen habe 62 .<br />

Durch dieses Gesetz sollte nun ein gewisser Abschluß der Gesetzesänderungen<br />

zwecks Vereinfachung erreicht sein 63 . Der Gesetzgeber meinte, vielfach sei nun<br />

dergesetzgeberische Spielraum für zugleich effiziente <strong>und</strong> die Gr<strong>und</strong>bedingungen<br />

eines rechtsstaatlichen Verfahrens wahrende Rechtsänderungen ausgeschöpft 64 •<br />

<strong>Die</strong>se Auffassung hatte freilich Berz schon nach Inkrafttreten des StVÄG <strong>von</strong><br />

1979 vertreten 6 5, während anderen sogar schon das 1. StVRG zu weit ging 66 ­<br />

ein Beleg dafür, daß sich (bloße) Änderungen der Prozeßstruktur <strong>und</strong> Einschränkungen<br />

der Rechtsstellung des BeSChuldigten nur theoretisch trennen lassen.<br />

Unter empirischen Gesichtspunkten ist jedenfalls aufschlußreich, inwieweit<br />

der Gesetzgeber schon in diesen drei Beschleunigungsgesetzen den Beweis der<br />

Möglichkeit des Gelingens der "Quadratur des Zirkels"67 - Prozeßbeschleunigung<br />

unter Aufrechterhaltung aller rechtsstaatlichen Garantien - schuldig geblieben<br />

ist. Gegen einen nicht unerheblichen Teil der Reformen könnten aus verschiedenen<br />

Gesichtspunkten erhebliche Bedenken anzumelden sein. <strong>Die</strong>s soll im folgenden<br />

(nur) an einigen ausgewählten Beispielen überprüft werden: Erweist sich,<br />

daß schon die durchgeführte Strafprozeßreform das erklärte Ziel der Verfahrensbeschleunigung<br />

unter Wahrung der Beschuldigtenrechte in verschiedenen Punkten<br />

verfehlt hat, ist ein gewichtiges Indiz dafür gegeben, daß weitere Änderungen<br />

der Verfahrensstruktur keinen sinnvollen Weg darstellen können, wenigstens die<br />

Verfahrensdauer allgemein zu verkürzen. <strong>Die</strong> Frage nach den Rechtsfolgen <strong>überlange</strong>r<br />

Verfahrensdauer erhielte gesteigerte praktische Relevanz.<br />

1. Strafprozeßreform - Einige Beispiele<br />

Vereinfachungsbestrebungen beherrschen die Strafprozeßreform seit 1974, in<br />

der zahlreiche, (auch) in der Wissenschaft diskutierte Beschleunigungsvorschläge<br />

realisiert wurden. Beispiele finden sich insbesondere im 1. StVRG <strong>von</strong> 1974 <strong>und</strong><br />

den StVÄGen <strong>von</strong> 1979 <strong>und</strong> 1987: Hauptziel des 1. StVRG war es laut Begründung<br />

des Regierungsentwurfes neben der Verbesserung der Verbrechensbekämp-<br />

56 Vg\. Begr. RegE 1. StVRG, BT-DrS 7/551, S. 37.<br />

57 So aber Kohlmann, FS Pfeiffer, S. 210.<br />

58 RGB\. I, S. 537 (563).<br />

59 Ausführlich dazu Fezer, Reform der Rechtsmittel, S. 35 f.<br />

60 Begr. RegE 1. StVRG, BT-DrS 7/551, S. 31; ähnlich S. 34; 36.<br />

6\ Begr. RegE StVÄG 1979, BT-DrS 8/976, S. 16.<br />

62 Begr. RegE StVÄG 1987, BT-DrS 10/1313, S. 10.<br />

63 Meyer-Goßner, NJW 1987, S. 1169.<br />

64 Begr. RegE StVÄG 1987, BT-DrS 10/1313, S. 11; vg\. auch Begr. BRatE StrÄndG,<br />

BT-DrS 10/272, S. 5. Siehe jetzt aber den Entwurf eines Gesetzes zur Entlastung der<br />

Rechtspflege, BR-DrS 314/91, S. 49; 52; 106; 118.<br />

65 Berz, NJW 1982, S. 735.<br />

66 Siehe etwa I. Müller, Rechtsstaat <strong>und</strong> <strong>Strafverfahren</strong>, S. 110 ff.; Schmidt-Leichner,<br />

NJW 1975, S. 417 ff.; Dästner, RuP 1978, S. 225.<br />

67 VgI. Hünerfeld, ZStW 85 (1973), S.443; ähnlich Kloepfer, JZ 1979, S. 210 f.


58 2. Kap.: Schwierigkeiten der Beschleunigung <strong>von</strong> <strong>Strafverfahren</strong> A. Verfahrensbeschleunigung durch den Gesetzgeber 59<br />

a) <strong>Die</strong> Argumentation des Gesetzgebers<br />

Es fällt schon beim oberflächlichen Lesen der Gesetzesbegründungen auf, daß<br />

der Gesetzgeber in äußerst problematischer Weise Art. 6 I EMRK, der einen<br />

Anspruch des Beschuldigten regelt, zur Legitimation für Maßnahmen heranzieht,<br />

die die Rechtsstellung des Beschuldigten schmälern 68 . Dem Gesetzgeber dürfte<br />

dies auch bewußt gewesen sein: So führt er etwa in der Begründung zum<br />

I. StVRG zunächst aus, die Beschleunigung diene den Interessen des Beschuldigten,<br />

weil die Verpflichtung zur Achtung der Würde des Menschen es gebiete,<br />

ihn nicht länger als unerläßlich der Ungewißheit über den Ausgang des Verfahrens<br />

auszusetzen - um dann fortzufahren, es würde der Abschreckungseffekt erhöht,<br />

wenn sich niemand mehr Chancen errechnen könne, daß durch eine lange Verfahrensdauer<br />

die Wahrheitsfindung erschwert <strong>und</strong> die Vollstreckung des Urteils<br />

hinausgeschoben würde 69 . In der Begründung zum StVÄG 1979 formulierte der<br />

Gesetzgeber dann nur noch, ohne Art. 6 I EMRK zu erwähnen, die Verfahrensbeschleunigung<br />

diene dem "wohlverstandenen" Interesse des Beschuldigten 70.<br />

Durch diese "Objektivierung" des Interesses 71 wird eingestanden, daß die realen<br />

Interessen des Beschuldigten häufig anders liegen können 72. <strong>Die</strong>s zeigt sich auch<br />

dann, wenn in der Begründung wenige Sätze später als (Mit-)Ursache langer<br />

Verfahrensdauer die exzessive Ausnutzung prozessualer Möglichkeiten durch<br />

den Beschuldigten <strong>und</strong> seinen Verteidiger angedeutet7 3 <strong>und</strong> <strong>von</strong> der erstrebten<br />

"störungsfreien Durchführung" geredet wird 74 .<br />

Beispielhaft kann auf die Verfahrensumstrukturierung durch das 1. StVRG<br />

<strong>von</strong> 1974 hingewiesen werden. Durch den Wegfall der gerichtlichen Voruntersuchung,<br />

der staatsanwaltschaftlichen Schlußanhörung <strong>und</strong> des Schlußgehörs sowie<br />

die Einführung der Verpflichtung <strong>von</strong> Beschuldigten, Zeugen <strong>und</strong> Sachverständigen,<br />

auch den Ladungen der Staatsanwaltschaft Folge zu leisten, entstand wohl<br />

68 So auch Rüping, ZStW 91 (1979), S. 361; Heinicke, Der Beschuldigte <strong>und</strong> s.ein<br />

Verteidiger, S. 437; vgl. auch K. Kühl, ZStW 100 (1988), S. 622; RÖI?~r, FS Schrmdt­<br />

Leichner, S. 141. Siehe auch Blumers / Göggerle, Handbuch des Verteidigers <strong>und</strong> Beraters<br />

im Steuerstrafverfahren2, Rn. 171: Es gebe zwei Beschleunigungsgebote, nämlich<br />

den Anspruch des einzelnen Beschuldigten auf schnelle Verfahrensdurchführung<br />

(Art. 6 I EMRK) <strong>und</strong> das Gebot der schnellen Realisierung des staatlichen Bestrafungsanspruchs.<br />

Ähnlich auch Hiegert, <strong>Die</strong> Sphäre der Offenk<strong>und</strong>igkeit in der Strafprozeßordnung,<br />

S. 262. Im Entwurf eines Gesetzes zur Entlastung der Rechtspflege, BR-DrS 314/<br />

91, S. 46, findet sich dennoch wieder die Berufung auf Art. 6 I EMRK.<br />

69 Begr. RegE 1. StVRG, BT-DrS 7/551, S. 34 f.<br />

70 Begr. RegE StVÄG 1979, BT-DrS 8/976, S. 16.<br />

71 Ostendorf, AK JGG, § 56 Rn. 8; ähnlich Eisenberg, JGG3, § 56 Rn. 10; siehe auch<br />

zum Begriff BGHSt 7, S. 17 (20 f.) (zu § 356 StGB); Schünemann, Verh. 58. DJT,<br />

S. B 46.<br />

72 Vgl. K. Kühl, ZStW 100 (1988), S. 622.<br />

73 Begr. RegE StVÄG 1979, BT-DrS 8/976, S. 16 f.<br />

74 Begr. RegE StVÄG 1979, BT-DrS 8/976, S. 17.<br />

unbestritten ein staatsanwaltschaftlicher Machtzuwachs, der Kritiker sogar auf<br />

die Barrikaden trieb: Dahs etwa sprach <strong>von</strong> der "Aufgabe bewährter Kontrollmechanismen<br />

<strong>und</strong> Rechtsgarantien"7S, <strong>und</strong> lngo Müller äußerte sogar, die Staatsanwaltschaft<br />

erhalte hiermit eine "Machtfülle, die man 1950 noch als typisch<br />

nationalsozialistische gebrandmarkt hatte"76. Der Gesetzgeber dagegen formulierte,<br />

diese Umgewichtung diene "auch dem Beschuldigten", da nunmehr "noch<br />

besser als bisher ungerechtfertigte Anklageerhebungen vermieden werden" könnten<br />

77.<br />

Ein weiteres Beispiel stellt die Aufhebung <strong>von</strong> § 328 11 a. F. StPO durch das<br />

StVÄG <strong>von</strong> 1987 dar, der dem Berufungsgericht die Zurückverweisung der Sache<br />

bei Verfahrensfehlern erlaubte. Hier formuliert der Gesetzgeber lapidar, eine<br />

Einbuße an Rechtsschutz für den Beschuldigten sei nicht gegeben 78. Kein Wort<br />

findet sich dazu, daß § 328 11 a. F. StPO sehr wohl dem Rechtsschutz des<br />

Beschuldigten diente: <strong>Die</strong>se Norm sollte eine ordnungsgemäße Justizgewährung<br />

in der ersten Instanz absichern <strong>und</strong> verhindern, daß der Beschuldigte eine mit<br />

einem schweren Verfahrensmangel behaftete Entscheidung hinnehmen <strong>und</strong> dadurch<br />

eine Instanz verlieren muß. Nur in diesen seltenen Fällen sollte ausnahmsweise<br />

zurückverwiesen werden 79.<br />

b) Zur empirischen Absicherung<br />

<strong>Die</strong> Beschränkung der Zurückverweisung auf Ausnahmefälle deutet an, daß<br />

sich die Bedenken gegen die Aufhebung <strong>von</strong> § 328 11 a. F. StPO noch aus einem<br />

anderen Gesichtspunkt heraus verstärken: Wie der Gesetzgeber selbst feststellt,<br />

ist eine Zurückverweisung gemäß dieser Vorschrift nur in lediglich 0,4 % aller<br />

Berufungsurteile vorgekommen 8o . Bedenkt man nun, daß nur 12 % der amtsgerichtlichen<br />

<strong>Strafverfahren</strong> in die Berufungsinstanz gegangen sind, kann man sich<br />

des Eindrucks nicht erwehren, daß hier mit Kanonen auf Spatzen geschossen<br />

worden ist 81, zumal der geringe Beschleunigungseffekt noch dadurch aufgehoben<br />

sein könnte, daß § 328 11 a. F. StPO ein Disziplinierungsmittel des Amtsrichters<br />

dahingehend darstellte, auch in Sachen, bei denen er annahm, daß sie in die<br />

75 Dahs, NJW 1974, S. 1539.<br />

76 I. Müller, KritJ 10 (1977), S. 20; noch weitergehend Schumacher, Kontinuität <strong>und</strong><br />

Diskontinuität im <strong>Strafverfahren</strong>srecht, S.44: "Der Staatsanwaltschaft wurden damit<br />

Kompetenzen eingeräumt, die sie nicht einmal im Dritten Reich hatte".<br />

77 Begr. RegE 1. StVRG, BT-DrS 7/551, S. 37.<br />

78 Begr. RegE StVÄG 1987, BT-DrS 10/1313, S. 30 f. Kritisch dazu auch BGH,<br />

wistra 1989, S. 353 f.<br />

79 Werle, ZRP 1983, S. 199; W. Gollwitzer in LR23, § 328 Rn. 23; 25. Vgl. auch<br />

BayObLGSt 1957, S. 11 (13).<br />

80 Begr. RegE StVÄG 1987, BT-DrS 10/1313, S. 31.<br />

81 Ähnlich Kempf, StV 1987, S. 222; Werle, ZRP 1983, S. 20<strong>3.</strong>


60 2. Kap.: Schwierigkeiten der Beschleunigung <strong>von</strong> <strong>Strafverfahren</strong> A. Verfahrensbeschleunigung durch den Gesetzgeber 61<br />

Berufungsinstanz gehen würden, eine ordnungsgemäße Hauptverhandlung durchzuführen82.<br />

Folge der Gesetzesänderung kann somit auch die Erhöhung der<br />

Berufungsquote sein8<strong>3.</strong><br />

Nun hat zwar der Gesetzgeber selbst betont, die Entlastungsmaßnahmen des<br />

StVÄG 1987 hätten für sich allein betrachtet nur eine geringe Entlastungswirkung<br />

84. <strong>Die</strong>sem ist auch etwa für die Vorverlegung des Präklusionszeitpunktes<br />

für Befangenheitsgesuche in § 25 I StPO zuzustimmen85. Aber diese Tendenz<br />

ist auch schon in den früheren Gesetzen zu erkennen: Grünwald weist etwa zu<br />

Recht darauf hin, daß die Begründung für die im 1. StVRG vorgesehene Zeugnispflicht<br />

vor der Staatsanwaltschaft, sie diene der ökonomischen <strong>und</strong> schnellen<br />

Verfahrensdurchführung, schon deshalb wenig überzeugend ist, weil nicht ermittelt<br />

worden ist, wie häufig denn Zeugen überhaupt die Aussage vor der Staatsanwaltschaft<br />

ablehnen 86. Denn die bloße Argumentation, es sei immerhin auch <strong>von</strong><br />

Vorteil, auch nur bisweilen auftretende Zeitverluste auszuschließen, ist fragwürdig,<br />

weil regelmäßig dieser Vorteil durch die Beeinträchtigung anderer Interessen<br />

erkauft wird 87.<br />

So wird, um ein weiteres Beispiel zu nennen, durch das 1. StVRGErgG <strong>von</strong><br />

1974 in § 137 I StPO die Zahl der <strong>von</strong> einem Beschuldigten zu wählenden<br />

Verteidiger auf drei herabgesetzt, um Prozeßverschleppung <strong>und</strong> Prozeßvereitelung<br />

zu verhindern 88. Der Gedanke der Beschränkung der Verteidigeranzahl<br />

tauchte im Gesetzgebungsverfahren erst spät auf89 <strong>und</strong> stellte eine Reaktion auf<br />

die Terroristenverfahren dar 90 (so waren im sog. Baader-Meinhof-Verfahren zu<br />

einem Zeitpunkt für den Beschuldigten Baader 22 Anwälte, für Ensslin <strong>und</strong><br />

Meinhof je 16, für Meins 14 <strong>und</strong> für Raspe 17 Anwälte als Verteidiger bevollmächtigt,<br />

infolge der seinerzeit zulässigen Mehrfachverteidigung insgesamt 32<br />

Anwälte91). Auch hier wurde ohne empirische Absicherung dahingehend, wie<br />

häufig eine größere Anzahl <strong>von</strong> Verteidigern für einen Beschuldigten auftritt 92<br />

82 Vgl. Steindorf in KK OWiG, § 79 Rn. 153 (zu § 79 VI 2. Alt. OWiG).<br />

83 Vgl. Werle, ZRP 1983, S. 202 f.<br />

84 Begr. RegE StVÄG 1987, BT-DrS 10/1313, S. 12.<br />

85 Vgl. weitergehend Kempf, StV 1987, S. 220: "keinerlei Beschleunigungseffekt";<br />

Brüssow, FG L. Koch, S. 00: "allenfalls ... Verzögerung des Verfahrens".<br />

86 Grünwald, Verh. 50. DJT, S. C 1<strong>3.</strong><br />

87 Grünwald, Verh. 50. DJT, S. C 1<strong>3.</strong><br />

88 Rechtsausschußbericht zum RegE 2. StVRG, BT-DrS 7/2989, S. <strong>3.</strong><br />

89 Siehe Stellungsnahme BRat zum RegE 2. StVRG, BR-DrS 348/74, S. 4.<br />

90 Laufhütte in KK2, § 137 Rn. 2; H. W. Schmidt, MDR 1977, S. 529; Herrmann,<br />

JuS 1976, S. 417; Schmidt-Leichner, NJW 1975, S. 419; vgl. auch Witte, DRiZ 1978,<br />

S. 291; Rebmann, DRiZ 1979, S. 366.<br />

91 Löchner, FS Rebmann, S. 311. In drei weiteren Verfahren dieses Komplexes waren<br />

13,15 <strong>und</strong> 16 Verteidiger für jeweils einen Beschuldigten tätig (vgl. BVerfGE 39, S. 156<br />

(159 f.); Vogel, NJW 1978, S. 1224; Küng-Hofer, Beschleunigung, S. 163 f.; Witte,<br />

DRiZ 1978, S. 291).<br />

<strong>und</strong> inwieweit dadurch Verfahren verzögert werden, Eingriffe in die Verfahrensstruktur<br />

vorgenommen, die unter den Gesichtspunkten der Waffengleichheit93<br />

<strong>und</strong> der anwaltlichen Berufsfreiheit 94 angegriffen worden sind <strong>und</strong> jedenfalls in<br />

Großverfahren berechtigte Interessen des Beschuldigten beeinträchtigen dürften<br />

95. Besonders auffällig ist der Widerspruch zu der gleichzeitigen, aber länger<br />

geplanten 96 Änderung des § 146 StPO. Hierdurch wurde, obwohl es in der Vergangenheit<br />

wohl nicht zu Schwierigkeiten gekommen war 97 , die Mehrfachverteidigung<br />

umfassend verboten mit der Folge, daß für den praktisch häufigen Fall<br />

fehlender konkreter Interessenkollision die verzögernde Konstellation dort erst<br />

geschaffen wurde 98 , zu deren Vermeidung in § 137 I StPO die Verteidigerzahl<br />

beschränkt worden ist: vielfache Ausübung <strong>von</strong> Akteneinsichts-, Frage-, Antrags-,<br />

Erklärungs- <strong>und</strong> Schlußvortragsrecht 99 . Das BVerfG hat beide Normen<br />

für verfassungsgemäß erklärt 100, die EKMR eine gegen § 137 I StPO gerichtete<br />

Menschenrechtsbeschwerde als unbegründet zurückgewiesen 101.<br />

c) Zur Problematik <strong>von</strong> Strukturänderungen<br />

Exemplarisch für eine weitere Variante der Gesetzgebung sind die Rügepräklusion<br />

gemäß § 222b StPO <strong>und</strong> das Selbstleseverfahren gemäß § 249 11 StPO zu<br />

nennen. Beiden Normen ist gemein, daß sie tief in die Struktur des Strafprozesses<br />

eingreifen <strong>und</strong> damit Probleme aufwerfen, die jede mögliche Beschleunigungswirkung<br />

in Frage stellen 102. Denn Änderungen des Verfahrensrechts schlagen<br />

92 Nach Löchner, FS Rebmann, S. 316, bildete die Vertretung eines Beschuldigten<br />

durch (nur) drei Verteidiger "in der langjährigen Geschichte des Strafprozesses die<br />

Ausnahme". Selbst im Contergan-Verfahren traten für 7 Beschuldigte lediglich 18 Verteidiger<br />

auf (Herrmann, ZStW 85 , S. 258; JuS 1976, S. 417 Fn. 65). Im Fall Eckle<br />

waren vorübergehend vier Wahlverteidiger gemeldet (vgl. EGMR, EuGRZ 1983, S. 371<br />

:c372». Vgl. aber auch C.-F. Rahn, DuR 1988, S. 268, wonach in einem <strong>Strafverfahren</strong><br />

10 der Türkei 16 Beschuldigte zunächst <strong>von</strong> 180, später sogar <strong>von</strong> "fast 450" Rechtsanwälten<br />

verteidigt wurden.<br />

93 Krekeler, AnwBI. 1979, S. 214; Herrmann, JuS 1976, S. 417.<br />

94 Quack, NJW 1975, S. 1339.<br />

95 Lüderssen in LR24, § 137 Rn. 77; Schmidt-Leichner, NJW 1975, S. 419 f.; wohl<br />

auch u. ~eber, GA 1975, S. 297 f. A. A. G. Schmidt, JR 1974, S. 325; Küng-Hofer,<br />

Beschleumgung, S. 164: Auch hier genügten zwei Verteidiger höchstens.<br />

96 Vgl. RegE 2. StVRG, BT-DrS 7/2526, S. 6. Vgl. aber auch Dünnebier, FS Pfeiffer,<br />

S. 272 f.; 283 f.; Lüderssen in LR24, § 146 Rn. 4 f.<br />

97 Zuck, NJW 1975, S.435; Herrmann, JuS 1976, S. 418; Dünnebier, FS Pfeiffer,<br />

S. 271 f.; 283 f.<br />

98 Vgl. Zuck, NJW 1975, S. 434 f.; I. Müller, Rechtsstaat <strong>und</strong> <strong>Strafverfahren</strong> S. 104·<br />

Küng- Hofer, Beschleunigung, S. 165; K. Peters in: Strafprozeß <strong>und</strong> Reform, S. 91 f. '<br />

99 Vgl. G. Schmidt, JR 1974, S. 325 Fn. 29; Zuck, NJW 1975, S. 435; K. Peters in:<br />

Strafprozeß <strong>und</strong> Reform, S. 91 f.<br />

100 BVerfGE 39, S. 156.<br />

101 Witte, DRiZ 1978, S. 291.<br />

102 Vgl. W. Gollwitzer, FS Kleinknecht, S. 171.


62 2. Kap.: Schwierigkeiten der Beschleunigung <strong>von</strong> <strong>Strafverfahren</strong> A. Verfahrensbeschleunigung durch den Gesetzgeber 63<br />

notwendig auch auf das Verhalten der Prozeßbeteiligten durch. So wird der<br />

Beschuldigte, dessen Rechtsstellung beeinträchtigt wird, Wege suchen, dies auszugleichen<br />

mit der Folge, daß der bezweckte Beschleunigungseffekt in das Gegenteil<br />

verkehrt werden kann 10<strong>3.</strong><br />

aa) <strong>Die</strong> Rügepräklusion gemäß § 222b StPO<br />

Auf die verfassungsrechtliche Problematik der Rügepräklusion gemäß § 222b<br />

StPO soll hier, nachdem ein Vorprüfungsausschuß des BVerfG sie für gr<strong>und</strong>gesetzmäßig<br />

gehalten hat 104, nicht näher eingegangen werden. Es genügt in diesem<br />

Zusammenhang, mitRamm <strong>und</strong> Krekeler 105 daraufhinzuweisen, daß die Rügepräklusion<br />

mit dem ansonsten unbestrittenen Gr<strong>und</strong>satz kollidiert, daß der Beschuldigte<br />

sein Rügerecht bei Vorschriften, deren Verletzung als absoluter Revisionsgr<strong>und</strong><br />

ausgestaltet ist, nicht verlieren kann 106. <strong>Die</strong> Tatsache, daß bei Eintritt der<br />

Rügepräklusion der Beschuldigte nicht <strong>von</strong> seinem gesetzlichen Richter abgeurteilt<br />

wird, kann auch nicht durch Fiktionen wie die Ulrich Webers überdeckt<br />

werden, daß bei nicht rechtzeitiger Rüge eben die ursprünglich fehlerhaft besetzte<br />

Richterbank zum gesetzlichen Richter würde 107. <strong>Die</strong> Problematik der Vorschrift<br />

liegt gerade darin, daß sie der Beschleunigung dienen soll, indem sie die Zahl<br />

der Besetzungsrügen einschränkt. Sie ist also, wie Sarstedt / Ramm zu Recht<br />

feststellen, geradezu darauf angelegt, den Beschuldigten in einer Reihe <strong>von</strong> Fällen<br />

seinem gesetzlichen Richter zu entziehen 108. <strong>Die</strong> Begründung des StVÄG 1979<br />

verklärt dies, indem formuliert wird, die Präklusionsvorschriften würden dem<br />

Recht des Beschuldigten, sich nur vor seinem gesetzlichen Richter verantworten<br />

zu müssen, "besser Rechnung tragen". Wenige Sätze später wird jedoch zugestanden,<br />

daß die Präklusion für den Beschuldigten Erschwernisse, wenngleich "keine<br />

unzumutbaren", hervorrufen würde 109.<br />

Was allerdings die tatsächliche Beschleunigungswirkung der Besetzungsrügepräklusion<br />

angeht, so dürfte sie jedenfalls in größeren Strafsachen eher zu erheblichen<br />

Verfahrensverzögerungen führen, weil die Rüge nunmehr prophylaktisch<br />

im Hinblick auf eine etwaige Revision erhoben werden muß 110. Hierdurch kann<br />

nicht ausbleiben, daß die Hauptverhandlungen weiter belastet werden 111: Verteidiger<br />

werden auch dann Besetzungsrügen erheben, wenn sie da<strong>von</strong> ausgehen, daß<br />

die Revisionsgerichte ihnen nicht folgen würden: Es ist möglich, daß der Tatrichter,<br />

dem die gerichtsverfassungsrechtliche Materie nicht so vertraut ist, der Rüge<br />

stattgibt. Oder aber er lehnt sie ab <strong>und</strong> ist nun eher geneigt, auf Vorstellungen<br />

der Verteidigung hinsichtlich des Verfahrensergebnisses einzugehen, um die<br />

Besetzung revisionsrechtlicher Überprüfung zu entziehen, da die revisionsgerichtliche<br />

Urteilsaufhebung als Beeinträchtigung für Karriere <strong>und</strong> Prestige des Richters<br />

gilt 112. Konsequenz ist die "Renaissance der Besetzungsrüge" 11<strong>3.</strong><br />

bb) Das Selbstleseverfahren gemäß § 249 11 StPO<br />

Ein weiteres Lehrstück für diese Problematik stellt das Selbstleseverfahren<br />

gemäß § 24911 StPO i. d. F. des StVÄG 1987 dar, in dessen Beschleunigungswirkung<br />

große Hoffnungen gesetzt worden sind 114. Auch diese Norm ist exemplarisch<br />

für zwei gravierende Mängel der Gesetzesänderungen zwecks Vereinfachung:<br />

Zum einen greifen diese Änderungen tiefer in das Gefüge des <strong>Strafverfahren</strong>s,<br />

in Mündlichkeits- <strong>und</strong> Unmittelbarkeitsprinzip ein, als der Gesetzgeber es wahrhaben<br />

will 115 • Zum anderen sind die geänderten Normen häufig so unklar <strong>und</strong><br />

ungeschlossen konzipiert <strong>und</strong> formuliert, daß sie Probleme aufwerfen, die entweder<br />

ihrer Anwendung entgegenstehen 116 oder aber selbst zum Gegenstand <strong>von</strong><br />

Erörterungen im Prozeß werden, so daß der erhoffte Beschleunigungseffekt aufgezehrt<br />

wird 117.<br />

103 Werle, ZRP 1983, S. 201; 203; vgl. auch K. Peters in: StrafprozeB <strong>und</strong> Refonn,<br />

S. 102; Prochnow, <strong>Die</strong> Beschleunigung des <strong>Strafverfahren</strong>s in rechtsvergleichender Betrachtung,<br />

S. 8.<br />

104 BVerfG (VorprüfungsausschuB), NStZ 1984, S. 370 f.<br />

lOS Hamm, NJW 1979, S. 137 f.; Krekeler, AnwBI. 1979, S. 216. A. A. Ho. Müller,<br />

Zum Problem der Verzichtbarkeit, S. 118 ff., unter Berufung auf die richtige, aber sehr<br />

umstrittene Ansicht, das Gericht selbst könne auch noch nach Ablauf der Präklusionsfrist<br />

seine Besetzung prüfen, sei also an den "Verzicht" nicht geb<strong>und</strong>en.<br />

106 Vgl. OLG Frankfurt,JR 1987, S. 81; We. Schmid, <strong>Die</strong> Verwirkung <strong>von</strong> Verfahrensrügen,<br />

S.99; Ho. Müller, Zum Problem der Verzichtbarkeit, S. 116 f.; Kiderlen, <strong>Die</strong><br />

Verwirkung <strong>von</strong> Verfahrensrügen, S. 38; 85; Schlüchter, JR 1987, S. 82; Jescheck, GA<br />

1953, S. 89. A. A. nur K. Peters, StrafprozeB\ § 75 II 7; 8.<br />

107 U. Weber, GA 1975, S. 304; dagegen auch KieBling, DRiZ 1977, S. 330; Ranft,<br />

NJW 1981, S. 1478; Seebode, JR 1986, S. 475.<br />

108 Sarstedt / Hamm, <strong>Die</strong> Revision in Strafsachen', Rn. 195.<br />

109 Begr. RegE StVÄG 1979, BT-DrS 8/976, S. 26.<br />

110 1. Müller, Rechtsstaat <strong>und</strong> <strong>Strafverfahren</strong>, S. 123; Kießling, DRiZ 1977, S. 326 ff.;<br />

Rudolphi, JuS 1978, S. 866 f.; ähnlich Benz, ZRP 1977, S. 251; Weiss, AnwBI. 1981,<br />

S. 326; dagegen aber ausdrücklich RieB, JR 1981, S. 89 ff. (vgl. aber auch JR 1982,<br />

S.256).<br />

111 Vgl. E. Müller, NJW 1981, S. 1805; Schroeder, NJW 1983, S. 142.<br />

112 Schünemann, Verh. 58. DJT, S. B 33; Lautmann, Justiz - die stille Gewalt,<br />

S. 166; H. Weber, NJW 1961, S. 1388 f.<br />

113 Jungfer, StV 1982, S.462; zurückhaltender RieB, JR 1982, S. 256. Dreher, FS<br />

Kleinknecht, S. 100, verkennt die Problematik, wenn er meint, die Besetzungsrüge "lohne"<br />

sich jetzt nicht mehr.<br />

114 Siehe Meyer-GoBner, NJW 1987, S. 116<strong>3.</strong> Vgl. aber auch Günter, DRiZ 1987,<br />

S.66.<br />

115 Siehe Begr. RegE StVÄG 1987, BT-DrS 10/1313, S. 28; dagegen aber Geppert,<br />

Der Gr<strong>und</strong>satz der Unmittelbarkeit im deutschen <strong>Strafverfahren</strong>, S. 191 ff.; Kleinknecht /<br />

Meyer, StP039, § 249 Rn. 17; Mayr in KK StP02, § 249 Rn. 3<strong>3.</strong><br />

116 So die Begr. RegE StVÄG 1987 zu § 249 11 StPO i. d. F. des StVÄG 1979 (BT­<br />

DrS 10/1313, S. 28).


64 2. Kap.: Schwierigkeiten der Beschleunigung <strong>von</strong> <strong>Strafverfahren</strong> A. Verfahrensbeschleunigung durch den Gesetzgeber 65<br />

Schon mit dem StVAG 1979 war durch die Einfügung <strong>von</strong> § 249 II a. F. StPO<br />

beim Urk<strong>und</strong>enbeweis die bis dahin zwingend vorgeschriebene Verlesung aufgelockert<br />

worden, was Kar! Peters als "gesetzliche Fehlleistung" 118 bezeichnete<br />

<strong>und</strong> für Geppert ein durch keinerlei Verfahrensbeschleunigung auszugleichender<br />

,,(partieller) Rückfall in Zeiten <strong>von</strong> Geheimverfahren <strong>und</strong> Geheimjustiz" 119 war.<br />

Durch die Erweiterung der Norm ist es seitdem ausreichend, daß die Richter<br />

<strong>und</strong> Schöffen vom Wortlaut der Urk<strong>und</strong>e "Kenntnis genommen haben". Nach<br />

der nochmaligen Ausdehnung der Vorschrift durch das StVÄG 1987 kann der<br />

Vorsitzende nunmehr sogar ohne Verzichtserklärung der Beteiligten das Selbstleseverfahren<br />

anordnen; erst auf unverzüglichen Widerspruch der Verfahrensbeteiligten<br />

müßte Gerichtsbeschluß ergehen. Nun böte sich die Interpretation der<br />

Vorschrift an, daß diese "Anordnung" innerhalb der Beweisaufnahme zu ergehen<br />

hat <strong>und</strong> daraufhin die Schöffen Kenntnis nehmen müssen. Dann wäre allerdings<br />

zumindest in kurzen Hauptverhandlungen kein Beschleunigungseffekt mehr zu<br />

erwarten: Denn die Schöffen dürfen die Urk<strong>und</strong>en nicht während der Hauptverhandlung<br />

lesen 120, wohl auch nicht in den Sitzungspausen 121, sondern nur zwischen<br />

den Sitzungstagen 122. <strong>Die</strong>ser Interpretation ist der Gesetzgeber jedoch<br />

entgegengetreten: Es sei - entgegen § 249 II Satz 3 Halbsatz 2 StPO i. d. F.<br />

des StVÄG 1979 - nunmehr zulässig, daß auch die Schöffen schon vor Verlesung<br />

des Anklagesatzes Kenntnis <strong>von</strong> der Urk<strong>und</strong>e nehmen 12<strong>3.</strong> Das bedeutet zunächst<br />

einmal, daß die "Anordnung" im Sinne <strong>von</strong> § 249 II StPO sich nicht schon auf<br />

das Lesen beziehen kann, sondern nur noch darauf, daß das schon Gelesene<br />

nunmehr als Inbegriff der Hauptverhandlung anzusehen ist 124. Welchen Sinn hat<br />

dann aber das Widerspruchsrecht der Prozeßbeteiligten? Hat ein solcher Widerspruch<br />

Erfolg - etwa, weil der Vorsitzende ein Verlesungs- oder Verwertungsverbot<br />

nicht beachtet hat -, soll also <strong>von</strong> den Schöffen erwartet werden, daß<br />

sie das Gelesene aus ihrem Kopf streichen. Befangenheitsgesuche gegen die<br />

Schöffen dürften zu erwarten sein: Wenngleich ihnen auch ansonsten häufiger<br />

im Rahmen ihrer Beweiswürdigung die Berücksichtigung normativer Beweisregeln<br />

(in dubio pro reo, Schweigen des Beschuldigten) zugemutet wird, sollen<br />

117 So die Begr. RegE StVÄG 1979 zur Ablehnung der - nunmehr doch Gesetz<br />

gewordenen - Verzichtsmöglichkeit auf die Verlesung gegen den Willen der Verfahrensbeteiligten<br />

(BT-DrS 8/976, S. 54); ähnlich Geppert, Der Gr<strong>und</strong>satz der Unmittelbarkeit<br />

im deutschen Strar'verfahren, S. 192. Vgl. auch Brüssow, AG Strafrecht des DAV<br />

4 (1988), S. 95 f.<br />

118 K. Peters, StrafprozeB4, § 39 III 6.<br />

119 Geppert, Der Gr<strong>und</strong>satz der Unmittelbarkeit im deutschen <strong>Strafverfahren</strong>, S. 19<strong>3.</strong><br />

120 Schroeder, NIW 1979, S. 1530; Paulus in KMR, § 249 Rn. 27; teilw. abweichend<br />

W. Gollwitzer in LR24, Nachtr. § 249 Rn. 24; vgl. BGH, JR 1963, S. 228.<br />

121 Paulus in KMR, § 249 Rn. 27; Kleinknecht/Meyer, StP039, § 249 Rn. 22; a.A.<br />

W. Gollwitzer in LR24, Nachtr. § 249 Rn. 25.<br />

122 Dagegen Henneberg, BB 1979, S. 588 f.<br />

123 Begr. RegE StVÄG 1987, BT-DrS 10/1313, S. 29.<br />

124 So auch RieB, IR 1987, S. 393; a.A. wohl Paulus in KMR, § 249 Rn. 30 f.<br />

sich Befangenheitsgesuche damit begründen lassen, daß der Beschuldigte befürchten<br />

muß, Schöffen - noch eher als Berufsrichter - könnten die gewonnenen,<br />

aber unverwertbaren Eindrücke doch bei der Überzeugungsbildung verwerten<br />

125. Für Grünwald liegt bei einer solchen Konstellation "geradezu ein Musterfall<br />

der Besorgnis der Befangenheit" vor 126.<br />

Noch problematischer ist die angenommene Zulässigkeit der Kenntnisnahme<br />

der Urk<strong>und</strong>en durch die Schöffen vor der Hauptverhandlung, also auch schon<br />

vor der Beweisaufnahme. § 249 II StPO i. d. F. des StVÄG 1979 hatte dies<br />

gerade mit der ausdrücklichen Begründung als "unverzichtbar" verboten, daß<br />

sonst nicht gewährleistet sei, "daß der Schöffe den Inhalt der Urk<strong>und</strong>e verstehen,<br />

in den Zusammenhang einordnen <strong>und</strong> gleichzeitig unbefangen sein Amt wahrnehmen<br />

kann" 127. Das nunmehr zulässige Verfahren verstößt - jedenfalls ohne die<br />

Einwilligung des Beschuldigten - damit gegen §§ 243 IV, 244 I StPOI28, wie<br />

sie die Rechtsprechung verstanden hat 129: Denn schon vor der Einlassung des<br />

Beschuldigten wird durch das Lesen - jedenfalls faktisch - ein Teil der Beweisaufnahme<br />

durchgeführt. Mit den Worten des BGH: "<strong>Die</strong> Vorschrift, daß die<br />

Beweisaufnahme der Vernehmung des Angeklagten nachzufolgen habe, gehört<br />

zu den wesentlichen, dem Schutz des Angeklagten dienenden Verfahrensregeln,<br />

indem sie diesem die Möglichkeit einräumt, seine Verteidigung vorweg zusammenhängend<br />

zu führen <strong>und</strong> das Gericht zu veranlassen, daß bei der nachfolgenden<br />

Beweisaufnahme die <strong>von</strong> ihm geltendgernachten Gesichtspunkte berücksichtigt<br />

werden. <strong>Die</strong> nachträgliche Befragung des Angeklagten gemäß § 257 StPO ist<br />

kein ausreichender Ersatz für die Gelegenheit zur zusammenhängenden Widerlegung<br />

der Verdachtsmomente <strong>und</strong> zur geschlossenen Darstellung der entlastenden<br />

Gesichtspunkte vor der Beweisaufnahme" 130.<br />

Des weiteren ergibt sich ein Spannungsverhältnis zu der Rechtsprechung 13l,<br />

daß es unzulässig sei, wenn ein Schöffe Kenntnis vom einstweiligen Ermittlungsergebnis<br />

(bzw. vom rechtsfehlerhaft Elemente da<strong>von</strong> enthaltenden Anklagesatz)<br />

125 So wohl auch Kempf, StV 1987, S. 222; vgl. BGH, StV 1984, S. 414 f.; Grünwald,<br />

JZ 1966, S. 500 f.; Gössel, NStZ 1984, S. 421. Das Problem sieht auch RieB, JR 1987,<br />

S. 392 f.; vgl. zum Ganzen Arzt, FS K. Peters, S. 231 f.; Schreiber, FS Welzel, S. 943 f.;<br />

953; Kemmer, Befangenheit <strong>von</strong> Schöffen durch Aktenkenntnis?, S. 62 ff.; Häger, GS<br />

K. Meyer, S. 172 ff.<br />

126 Grünwald, JZ 1966, S. 501.<br />

127 Begr. RegE StVAG 1979, BT-DrS 8/976, S. 54.<br />

128 Zweifelnd auch Danckert, StV 1988, S. 282.<br />

129 BGHSt 13, S. 358 (360 f.); 19, S. 93 (96 f.); NJW 1957, S. 1527 f. (insoweit nicht<br />

in BGHSt 10, S. 342 abgedruckt); StV 1982, S. 457 f.; 1990, S. 245; NStZ 1986, S. 370<br />

(371); BayObLGSt 1953, S. 130 f.; W. Gollwitzer in LR24, § 243 Rn. 2; 6.<br />

130 BGHSt 19, S. 93 (97); ähnlich NJW 1957, S. 1527 f. (insoweit nicht in BGHSt<br />

10, S. 342 abgedruckt); StV 1982, S. 457 (458); BayObLGSt 1953, S. 130 f.<br />

131 RGSt 69, S. 120 ff.; BGHSt 13, S. 73 ff.; offengelassen <strong>von</strong> BGH, GA 1976,<br />

S. 368 f.; IR 1987, S. 389.<br />

5 Scheffler


66 2. Kap.: Schwierigkeiten der Beschleunigung <strong>von</strong> <strong>Strafverfahren</strong> A. Verfahrensbeschleunigung durch den Gesetzgeber 67<br />

erhält 132; auch hierdurch soll die unbefangene Überzeugungsbildung aus dem<br />

Inbegriff der Hauptverhandlung gesichert werden 13<strong>3.</strong><br />

d) Das Problem <strong>von</strong> Fristverlängerungen<br />

Ein weiteres Problem in der Gesetzgebung stellt das Paradoxon Beschleunigung<br />

durch Fristverlängerung dar 134. Überspitzt formuliert, bedeuten legislatorische<br />

Erweiterungen der den Strafverfolgungsbehörden gesetzten Fristen regelmäßig<br />

nichts anderes als deren teilweises Freistellen vom Makel des verzögerlichen<br />

Handeins 135. Allerdings ist möglich, daß durch die Verlängerung <strong>von</strong> Fristen des<br />

Beschuldigten sogar Verfahrensbeschleunigung erreicht werden kann 136. So ist<br />

z. B. die durch das StVÄG 1987 auf zwei Wochen ausgedehnte Einspruchsfrist<br />

gegen einen Strafbefehl gemäß § 410 I StPO ein solcher Fall: In der Praxis hatte<br />

die frühere, äußerst knappe Einwochenfrist zu unzähligen Wiedereinsetzungsanträgen<br />

geführt, die nicht nur zu einer Verzögerung geführt haben, wenn ihnen<br />

stattgegeben wurde, sondern auch im Falle der Verwerfung des Einspruchs häufig<br />

kaum geringeren Arbeitsaufwand machten als die Sachentscheidung der zumeist<br />

einfach gelagerten Fälle 137.<br />

Ein Gegenbeispiel stellt jedoch die Verlängerung der Unterbrechungsfrist für<br />

die Hauptverhandlung in Großverfahren (§ 229 StPO) dar. Durch das StVRG<br />

<strong>von</strong> 1974 wurde zunächst die Möglichkeit einer Unterbrechung der Hauptverhandlung<br />

für 30 Tage geschaffen, durch das StVÄG <strong>von</strong> 1987 wurde diese<br />

Möglichkeit noch erweitert <strong>und</strong> für den Fall der Erkrankung des Angeklagten<br />

eine bis zu sechswöchige Fristhemmung eingeführt (§ 229 III StPO). Rein theoretisch,<br />

in der extremen Konstellation, kann nun eine Hauptverhandlung für fast<br />

ein Vierteljahr unterbrochen werden 138, was bezeichnenderweise weder im Gesetzestext<br />

noch in der Gesetzesbegründung klar ausgesprochen wird. Es mag hier<br />

dahingestellt bleiben, ob diese Ausweitung der Unterbrechungsfristen sinnvoll<br />

ist. Vergegenwärtigt man sich jedoch die Kritik, die etwa Robert v. Hippel an<br />

der Erweiterung der Unterbrechungsfrist <strong>von</strong> drei aufzehn Tage durch die Notverordnung<br />

vom 14. Juli 1932 äußerte, so tritt die Problematik der nunmehr erweiterten<br />

Fristverlängerungen deutlich hervor: FürRobert v. Hippel war die Fortsetzung<br />

der Hauptverhandlung erst am elften Tag eine "üble Gefährdung der geistigen<br />

Beherrschung des Stoffes der mündlichen Verhandlung <strong>und</strong> damit der Brauchbarkeit<br />

des Mündlichkeitsprinzips", wodurch eine "Förderung des Krebsschadens<br />

uferloser Monstreprozesse" eintrete 139, ein Anreiz zu verlängerter Prozeßdauer<br />

gegeben sei 140. Für den Gesetzgeber haben die Änderungen <strong>von</strong> § 229 StPO<br />

jedoch eine Maßnahme für die Verfahrensbeschleunigung dargestellt, da sie die<br />

Wiederholung einer vieltägigen Hauptverhandlung verhindern sollen 141. Es mutet<br />

fast grotesk an, wenn der Gesetzgeber formuliert, daß die nicht völlige Aufgabe<br />

der zeitlichen Beschränkung für Unterbrechungen "Ausfluß des Konzentrationsprinzips"<br />

sei <strong>und</strong> "Verfahrensverschleppungen" verhindere 142. Letztendlich gibt<br />

der Gesetzgeber hiermit zu, daß die Neufassung <strong>von</strong> § 229 StPO, wie auch Kempj<br />

ausgeführt hat, gerade unter dem Gesichtspunkt einer Beschleunigung <strong>und</strong> Straffung<br />

<strong>von</strong> Verfahren kontraindiziert ist 14<strong>3.</strong><br />

Ein weiteres Beispiel bildet die Änderung <strong>von</strong> § 275 StPO durch das 1. StVRG.<br />

Durch dieses Gesetz wurde die bis 1921 dreitägige, dann auf eine Woche verlängerte<br />

Urteilsabsetzungsfrist gleich auf mindestens fünf Wochen verlängert. Der<br />

Gesetzgeber sah hierin deshalb eine Maßnahme zur Verfahrensbeschleunigung,<br />

weil die früheren Fristen kaum eingehalten wurden, die Rechtsprechung 144 aber<br />

§ 275 I a. F. StPO als bloße Ordnungsvorschrift ansah 145. Das Beschleunigungsprinzip<br />

mußte nun dafür herhalten, daß die Frist "großzügig bemessen" 146 wurde,<br />

weil durch die Ausgestaltung als absoluter Revisionsgr<strong>und</strong> nunmehr die Wiederholung<br />

der gesamten Hauptverhandlung droht, was nach altem Recht die seltene<br />

Ausnahme war. Ein weiterer Gr<strong>und</strong> für die Ausweitung der Frist auf (mindestens)<br />

fünf Wochen war für den Gesetzgeber die gleichzeitige Erweiterung des § 267 IV<br />

StPO auf Urteile, die durch Fristablauf rechtskräftig geworden sind, was wiederum<br />

der Entlastung der Gerichte dienlich sein soll 147 • Der Gesetzgeber sieht das<br />

Problem, daß in der neugefaßten Vorschrift ein Anreiz bestehen könnte, das<br />

132 <strong>Die</strong>sen Zusammenhang sehen auch Rieß, JR 1987, S. 392 f.; Danckert, StV 1988,<br />

S.282.<br />

l33 Ausführlich zur Möglichkeit eines Befangenheitsgesuches Kemmer, Befangenheit<br />

<strong>von</strong> Schöffen durch Aktenkenntnis?, S. 114 ff., sowie zuletzt Häger, GS K. Meyer,<br />

S. 172 ff.<br />

134 Kritisch auch Schmidt-Leichner, NJW 1975, S. 418 f.; W. Gollwitzer, FS Kleinknecht,<br />

S. 166 ff.; Jung, JuS 1975, S. 263; K. Peters in: Strafprozeß <strong>und</strong> Reform, S. 100;<br />

Tiedemann, Verh. 49. DJT, S. C 103; ausführlich I. Müller, Rechtsstaat <strong>und</strong> <strong>Strafverfahren</strong>,<br />

S. 110 ff.<br />

l35 Vgl. Kühne, <strong>Strafverfahren</strong>srecht als Kommunikationsproblem, S. 73 Fn. 42.<br />

136 Vgl. Rudolph, FS Deutsche Richterakademie, S. 171. Vgl. auch Hohendorf, NJW<br />

1984, S. 958.<br />

137 Vgl. W. Gollwitzer, FS Kleinknecht, S. 164 f.<br />

138 Vgl. Krey, <strong>Strafverfahren</strong>srecht II, Rn. 63<strong>3.</strong><br />

139 Rob. v. Hippe!, Der deutsche Strafprozeß, § 52 VI 3 a.<br />

140 Rob. v. Hippe!, MSchrKrimPsych 26 (1935), S. 246. ..<br />

141 Begr. RegE 1. StVRG, BT-DrS 7/551, S. 47 f.; Begr. RegE StVAG 1987, BT­<br />

DrS 10/1313, S. 24.<br />

142 Begr. RegE StVÄG 1987, BT-DrS 10/1313, S. 24. Gegen eine zeitliche Begrenzung<br />

Bode, DRiZ 1982, S. 455 ff.<br />

143 Kempf, StV 1987, S. 221; ähnlich Brüssow, AG Strafrecht des DAV 4 (198~),<br />

S. 95. Vgl. auch Baur, Wege zu einer Konzentration der mündlichen Verhandlung Im<br />

Prozeß, S. 13 f.<br />

144 Siehe etwa BGHSt 21, S. 4 (5); NJW 1951, S. 970; MDR 1953, S. 309.<br />

145 Begr. RegE 1. StVRG, BT-DrS 7/551, S. 49.<br />

146 Begr. RegE 1. StVRG, BT-DrS 7/551, S. 84.<br />

147 Begr. RegE 1. StVRG, BT-DrS 7/551, S. 48; 81.<br />

5*


68 2. Kap.: Schwierigkeiten der Beschleunigung <strong>von</strong> <strong>Strafverfahren</strong> A. Verfahrensbeschleunigung durch den Gesetzgeber 69<br />

Urteil nicht unmittelbar nach der Hauptverhandlung, sondern erst nach Ablauf<br />

der einwöchigen Rechtsmittelfrist abzusetzen 148: <strong>Die</strong> Fünfwochenfrist soll dem<br />

Rechnung tragen, indem die Zeit bis zum Ablauf der Frist zur Rechtsmitteleinlegung<br />

"außer Betracht bleiben" kann, da sich in vielen Fällen erst danach entscheide,<br />

ob das Urteil aufgr<strong>und</strong> des neuen § 267 IV StPO abgekürzt begründet werden<br />

könne 149. 1m Ergebnis bedeutet das, daß die abgeschaffte einwöchige Urteilsabsetzungsfrist<br />

nunmehr mit Billigung des Gesetzgebers als eine Art Erklärungsfrist<br />

vor der Urteilsabsetzung verstanden werden kann 150.<br />

e) <strong>Die</strong> Nichtverfolgung gemäß § 154 I Nr. 2 StPO<br />

Abschließend ist in diesem Zusammenhang noch ein Blick auf eine Vorschrift<br />

zu werfen, die - jedenfalls auf den ersten Blick - Verfahrensbeschleunigung<br />

in Großverfahren ohne Rechtsverlust des Beschuldigten zu gewährleisten scheint,<br />

wenngleich auch häufiger als ihr sogar "ausschließlicher" Zweck die Entlastung<br />

der Strafverfolgungsorgane genannt wird 151: Durch das StVÄG <strong>von</strong> 1979 wurden<br />

die §§ 154, 154a StPO ausgeweitet. Insbesondere wurde mit § 154 I Nr. 2 StPO<br />

die Möglichkeit des Absehens <strong>von</strong> Verfolgung wegen einer Tat geschaffen, deren<br />

Aburteilung nicht in "angemessener Frist" erwartet werden kann. Hierdurch sollte<br />

der Prozeßstoff vor allem <strong>von</strong> Großverfahren auf die wesentlichen Tatvorwürfe<br />

konzentriert <strong>und</strong> somit die Durchführung dieser Verfahren vereinfacht <strong>und</strong> beschleunigt<br />

werden 152.<br />

Nun mögen zwar die Befürchtungen lebensfremd sein, der Beschleunigungseffekt<br />

könnte deshalb verpuffen, weil nunmehr Täter es geradezu beabsichtigen<br />

könnten, durch geschickte Anlage ihrer Straftat den Verfolgungsverzicht zu erschleichen<br />

153; realistischer könnten jedoch die <strong>von</strong> Dahs geäußerten Bedenken<br />

sein, die Vorschrift sei deshalb zur Beschleunigung ungeeignet, weil sie einen<br />

"Anreiz für den Beschuldigten zu nachhaltiger Obstruktion" im <strong>Strafverfahren</strong><br />

bieten könnte 154. Auch die Staatsanwaltschaft könnte durch die Vorschrift geradezu<br />

dazu veranlaßt werden, zunächst einmal alles irgendwie in Betracht Kommende<br />

anzuklagen, um genügend "Manövriermasse" bei einer eventuellen "Verständigung"<br />

mit dem Beschuldigten zu haben 155. Schließlich ist der Hinweis Karl<br />

Peters', daß die Wiederaufnahme voreilig ausgeschiedener Verfahrensteile zu<br />

Verfahrensverzögerungen führt, zu beachten 156.<br />

Abgesehen da<strong>von</strong> kann selbst diese Vorschrift, die den Beschuldigten nur zu<br />

entlasten scheint, ihn in bestimmten Fällen auch schlechter stellen, was vor allem<br />

damit zusammenhängt, daß die Beschränkung der Strafverfolgung auch gegen<br />

seinen Willen zulässig ist. So ist zunächst einmal zu befürchten, daß § 154 StPO<br />

den Beschuldigten um den (endgültigen) Freispruch hinsichtlich der vorläufig<br />

eingestellten Verfahrensteile mit der Kostenfolge des § 467 IV StPO bringen<br />

kann 157. Des weiteren besteht die Gefahr - auf die vor allem Karl Peters<br />

hinweist 158 -, daß sich die Haltlosigkeit (auch) der weiterverfolgten Vorwürfe<br />

aus den ausgeschiedenen Verfahrensteilen hätte ergeben können, die der Beschuldigte<br />

nur eingeschränkt etwa über das Beweisantragsrecht (wieder) zum Gegenstand<br />

der Hauptverhandlung machen kann. Außerdem dürfen die nach § 154<br />

StPO ausgeschiedenen Verfahrensteile - nach einem rechtlichen Hinweis ­<br />

zur Strafschärfung herangezogen werden 159. Zwar ist erforderlich, daß diese Teile<br />

prozeßordnungsgemäß zur Überzeugung des Gerichts festgestellt worden sind 160.<br />

<strong>Die</strong>s kann jedoch nur, soll § 154 I Nr. 2 StPO nicht leerlaufen, durch Begnügung<br />

mit einfacheren Formen der Überzeugungsbildung geschehen 161. Schließlich ist<br />

denkbar, daß der Beschuldigte im Falle der späteren Wiederaufnahme der ausgeschiedenen<br />

Teile Entlastungsmöglichkeiten eingebüßt hat 162.<br />

148 Begr. RegE 1. StVRG, BT-DrS 7/551, S. 82.<br />

149 Begr. RegE 1. StVRG, BT-DrS 7/551, S. 84.<br />

150 Kritisch auch 1. Müller, Rechtsstaat <strong>und</strong> <strong>Strafverfahren</strong>, S. 112. Allerdings wird<br />

in der Gesetzesbegründung an anderer Stelle ausgeführt, daß sich aus § 275 I Satz I<br />

StPO ergebe, daß die in Satz 2 vorgesehenen Höchstfristen nicht voll ausgeschöpft<br />

werden dürfen (Begr. RegE 1. StVRG, BT-DrS 7/551, S. 37; 84). Jedoch wird § 275 I<br />

Satz I StPO vom absoluten Revisionsgr<strong>und</strong> des § 338 Nr. 7 StPO nicht erfaBt <strong>und</strong> § 337<br />

StPO kann mangels Beruhenkönnens nie der Revision zum Erfolg verhelfen (Rieß, NStZ<br />

1982, S. 442), so daß ein Verstoß gegen Satz I "unschädlich" ist (He. Müller in KMR,<br />

§ 275 Rn. 17).<br />

151 OLG München, NJW 1975, S. 68 (70); Meyer-Goßner in LR23, § 154 Rn. 1; G.<br />

Schäfer, <strong>Die</strong> Praxis des <strong>Strafverfahren</strong>s4, § 18 II 3 c.<br />

152 Begr. RegE StVÄG 1979, BT-DrS 8/976, S. 39.<br />

153 So aber Römer, Verh. 50. DJT, S. K 15 f.; Sack, NJW 1976, S. 606; kritisch dazu<br />

auch Grauhan, GA 1976, S. 238.<br />

154 Dahs, NJW 1974, S. 1540; vgl. auch Schünemann, Verh. 58. DJT, S. B 109.<br />

155 Schünemann, Verh. 58. DJT, S. B 109; ähnlich Schmidt-Hieber, Verständigung<br />

im <strong>Strafverfahren</strong>, Rn. 69 f.<br />

156 K. Peters in: StrafprozeB <strong>und</strong> Reform, S. 96; vgl. auch Schmidt-Hieber, Verständigung<br />

im <strong>Strafverfahren</strong>, Rn. 69.<br />

157 K. Peters, StV 1981, S. 411 f.; vgl. auch RieB in LR24, § 154 Rn. 5; Kapahnke,<br />

Opportunität <strong>und</strong> Legalität im <strong>Strafverfahren</strong>, S. 111 f.<br />

158 K. Peters, StrafprozeB4, § 23 IV 1 c cc; in: Strafprozeß <strong>und</strong> Reform, S. 96; StV<br />

1981, S. 411 f.<br />

159 Siehe etwa BGHSt 30, S. 147; S. 197; 31, S. 302.<br />

160 Vgl. statt vieler RieB in LR24, § 154 Rn. 56 m. W.N.<br />

161 Haberstroh, NStZ 1984, S. 292; vgl. auch Vogler, FS Kleinknecht, S. 438 f.; Sarstedt<br />

/ Hamm, <strong>Die</strong> Revision in Strafsachen', Rn. 465 ff.; Kapahnke, Opportunität <strong>und</strong><br />

Legalität im <strong>Strafverfahren</strong>, S. 150.<br />

162 Vgl. K. Peters in: Strafprozeß <strong>und</strong> Reform, S. 96.


·_------_..----- ----- .._-<br />

70 2. Kap.: Schwierigkeiten der Beschleunigung <strong>von</strong> <strong>Strafverfahren</strong><br />

2. Reformvorschläge - Einige Beispiele<br />

a) Neuerungen für das Strafprozeßrecht<br />

Schon dieser beispielhafte Überblick über verwirklichte Änderungen des <strong>Strafverfahren</strong>srechts<br />

dürfte zu starker Skepsis berechtigen, ob <strong>und</strong> inwieweit die<br />

StPO bedenkenfrei geändert, das Verfahren vereinfacht <strong>und</strong> damit beschleunigt<br />

werden könnte, ohne in rechtsstaatlich bedenklicher Weise in die Verfahrensstruktur<br />

zu Lasten des Beschuldigten einzugreifen. <strong>Die</strong>s wäre wohl überhaupt nur<br />

dann möglich, wenn man "traditionell Überkommenes" <strong>und</strong> "rechtsstaatlich Gebotenes"<br />

im Strafprozeßrecht unterscheiden könnte 16<strong>3.</strong> Ansonsten besteht die<br />

große Gefahr, wie schon Feuerbach betonte, daß der Gesetzgeber, indem er "die<br />

Processe abkürzt, auch das Recht verkürze" 164. Unter diesem Blickwinkel sind<br />

auch die unterschiedlichen in der Literatur angeregten Vereinfachungsvorschläge<br />

zu sehen, die in der Strafprozeßreform nicht näher diskutiert worden sind. Ohne<br />

Anspruch auf Vollzähligkeit sind hier zu nennen:<br />

die Einführung der Vorabanklage 16S,<br />

die Schaffung einer speziellen Verfahrensart für Bagatellkriminalität l66 ,<br />

die Einführung einer Berufungsbegründungspflicht 167,<br />

die Verschärfung der Revisionsbegründungspflicht 168,<br />

die (weitere) Einschränkung der Richterablehnung 169,<br />

die Abschaffung der schriftlichen Absetzung der Urteilsgründe 170.<br />

In diesem Zusammenhang ist auch die in letzter Zeit in den Mittelpunkt des<br />

Interesses im Strafprozeßrecht gerückte "Verständigung im <strong>Strafverfahren</strong>" zu<br />

erwähnen, die zweifellos außerordentlich verfahrensabkürzend wirken kann. Hier<br />

ist die Diskussion im Fluß, so daß eine endgültige Einschätzung verfrüht wäre.<br />

Zweierlei läßt sich aber sagen: Zum einen dürfte es sehr zweifelhaft sein, inwieweit<br />

Verständigungen nicht auch die Tendenz innewohnt, die Rechtsstellung des<br />

Beschuldigten zu beeinträchtigen. Schünemann hat vor kurzem die Bedenken im<br />

Hinblick aufUnschuldsvermutung, Verbot der Verdachtsstrafe, Fair-trial-Gr<strong>und</strong>-<br />

163 Vogel, NJW 1978, S. 1221.<br />

164 Feuerbach, Betrachtungen über die Oeffentlichkeit <strong>und</strong> Mündlichkeit der Gerechtigkeitspflege<br />

11, S. 109; vgl. auch in: Kleine Schriften vermischten Inhalts, S. 132.<br />

165 Dazu Dästner, RuP 1978, S. 221 ff.<br />

166 Gössel, GA 1979, S. 243 f. Vgl. auch Wolter, GA 1989, S. 397 ff.<br />

167 Bender / Heissler, ZRP 1978, S. 31; Helmken, ZRP 1978, S. 134.<br />

168 Gössel, GA 1979, S. 245 ff.<br />

169 Bode, DRiZ 1982, S. 455.<br />

170 K. Peters in: Strafprozeß <strong>und</strong> Reform, S. 101; Herrmann, ZStW 85 (1973), S. 287;<br />

vgl. auch Hünerfeld, ZStW 85 (1973), S. 440; 442; 448; Küng-Hofer, Beschleunigung,<br />

S. 20 f.; 242 f.; Gössel, GA 1979, S. 250 f.<br />

A. Verfahrensbeschleunigung durch den Gesetzgeber 71<br />

satz, Willensentschließungsfreiheit <strong>und</strong> richterliche Unbefangenheit zusammengestellt<br />

171. Zum anderen setzt eine verfahrensabkürzende Verständigung voraus,<br />

daß objektiv Raum für einen "Vergleich" besteht <strong>und</strong> daß subjektiv Vergleichsbereitschaft<br />

bei allen Beteiligten vorhanden ist. Ein "Allheilmittel" kann die "Verständigung"<br />

also mit Sicherheit nicht sein.<br />

Andere, zumeist weniger weitgehende Änderungsvorschläge fehlten schon im<br />

Regierungsentwurf zum StVÄG <strong>von</strong> 1987 mit der Begründung, sie erschienen<br />

teilweise bei genauerer Betrachtung als nicht hinreichend effizient, sie würden<br />

zum Teil die Wahrheitsfindung gefährden oder aber die legitimen Verteidigungsinteressen<br />

des Beschuldigten zu sehr beeinträchtigen 172. Hiermit wird insbesondere<br />

auf die Vorschläge angespielt, die die 52. Konferenz der Iustizminister <strong>und</strong><br />

-senatoren 1981 unterbreitete 173 <strong>und</strong> die in wesentlichen Gr<strong>und</strong>zügen etwa die<br />

Strafrechtskommission des Deutschen Richterb<strong>und</strong>es unterstützte 174. <strong>Die</strong>se Vorschläge<br />

sahen unter anderem Einschränkungen des Antragsbegründungs-, Frage<strong>und</strong><br />

Erklärungsrechts (§§ 238 I, 241, 257 StPO), die Veränderung des amtsgerichtlichen<br />

Verfahrens <strong>und</strong> Einschränkungen im Haftprüfungsrecht vor.<br />

b) Übertragungen aus dem Ordnungswidrigkeitenrecht<br />

Dürften solche Vorschläge in näherer Zukunft auch kaum Umsetzungschancen<br />

haben 175, so lohnt sich doch eine nähere Untersuchung zweier weiterer Vorschläge<br />

der genannten Konferenz, weil diese im Bereich des Ordnungswidrigkeitenrechts<br />

realisiert sind, nämlich Einschränkungen des Beweisantrags- sowie des Rechtsmittelrechts.<br />

Das Ordnungswidrigkeitenrecht könnte hier, wie gelegentlich prognostiziert<br />

wird, zur "Einstiegsdroge" werden 176:<br />

Durch Art. 3 EGOWiG <strong>von</strong> 1968 wurden die kleineren Verkehrsdelikte <strong>von</strong><br />

strafbewehrten Übertretungen in bußgeldpflichtige Ordnungswidrigkeiten umgewandelt;<br />

gleiches passierte durch Art. 13 EGStGB 1974 hinsichtlich weiterer<br />

171 Schünemann, Verh. 58. DJT, S. B 93 ff.; vgl. auch Dencker / Hamm, Der Vergleich<br />

im Strafprozeß, S. 124 ff. Siehe jetzt auch BGH, NStZ 1991, S. 346 (347 f.).<br />

172 Begr. RegE StVÄG 1987, BT-DrS 10/1313, S. 11 f.<br />

173 Beschluß der 52. Konferenz der Justizminister <strong>und</strong> -senatoren, StV 1982, S. 325 ff.<br />

174 StrRK des DRB, Information 1982, S. 47 ff.<br />

. 175 Vgl. dazu Günther, DRiZ 1990, S. 106; Caesar, RuP 1990, S. 46. <strong>Die</strong>se Vorschläge<br />

smd auch fast ausnahmslos nicht im Entwurf eines Gesetzes zur Entlastung der Rechtspflege<br />

wieder aufgetaucht (BR-DrS 314/91).<br />

176 Brüssow, AG Strafrecht des DAV 4 (1988), S.80; FG L. Koch, S.6<strong>3.</strong> <strong>Die</strong>se<br />

Prognose hat sich unerwartet schnell bestätigt: <strong>Die</strong> Sonderkonferenz der Justizminister<br />

<strong>und</strong> -~enatoren beschloß am 24.4.1991 in Berlin (u. a.) entsprechende Änderungen des<br />

Bewelsantrags- <strong>und</strong> Rechtsmittelrechts, die inzwischen Gegenstand eines Gesetzesantrags<br />

der Länder sind (BR-DrS 3145/91, insbes. S. 99 f.; 118). Siehe dazu ZRP 1991,<br />

S. 274 ff.; StV 1991, S. 280 ff.; DRiZ 1991, S. 221 ff.


72 2. Kap.: Schwierigkeiten der Beschleunigung <strong>von</strong> <strong>Strafverfahren</strong> A. Verfahrensbeschleunigung durch den Gesetzgeber 73<br />

kleiner Straftaten 177. Verfahrensrechtliche Folge da<strong>von</strong> ist, daß zwar prinzipiell<br />

(vgl. § 46 I OWiG) bei der Verfolgung dieser Delikte nach wie vor die StPO<br />

gilt, "jedoch mit Abweichungen, die auf eine erhebliche Vereinfachung des<br />

Verfahrens bei OWi abzielen" 178. Der Preis der Entkriminalisierung ist der Abbau<br />

schützender Vorschriften: "Wesentliche Vereinfachungen" wollte der Gesetzgeber<br />

etwa durch Beschränkungen der Beweisaufnahme <strong>und</strong> des Rechtsmittelzuges<br />

erreichen 179. Beide Bereiche erweisen sich bei Übernahme in das Strafprozeßrecht<br />

als höchst brisant: Mag man noch bereit sein, Einschränkungen im Tausch für<br />

die Entkriminalisierung zu akzeptieren, so wird in der gesetzgeberischen Diskussion<br />

dieser Zusammenhang nunmehr umgedreht mit der Argumentation, daß das,<br />

was sich im Ordnungswidrigkeitenrecht bewährt habe, auch für (kleinere) Strafsachen<br />

geeignet wäre 180.<br />

aa) Der Umfang der Beweisaufnahme gemäß § 77 OWiG<br />

Im Bereich des Ordnungswidrigkeitenrechts ist - noch verschärft durch das<br />

OWiGÄndG <strong>von</strong> 1987 - das Beweisantragsrecht gegenüber dem der StPO<br />

eingeschränkt: "Vor allem kann das strenge Beweisrecht nach § 244 Abs. 3 StPO<br />

im Bußgeldverfahren, insbesondere wegen weniger bedeutsamer Ordnungswidrigkeiten,<br />

zu solchen Verfahrensverzögerungen <strong>und</strong> -erschwerungen führen, daß<br />

der dadurch bedingte Aufwand an Personal <strong>und</strong> Sachmitteln nicht mehr in einem<br />

angemessenen Verhältnis zu der Bedeutung der Sache steht."181 Infolgedessen<br />

beschränkt § 77 OWiG sowohl die Aufklärungspflicht als auch das Beweisantragsrecht<br />

gegenüber der StPO; entgegen § 246 StPO ist etwa der Ablehnungsgr<strong>und</strong><br />

der Verspätung eingeführt worden.<br />

<strong>Die</strong> 52. Konferenz der Justizminister <strong>und</strong> -senatoren beschloß nun "zur Entlastung<br />

der Gerichte <strong>und</strong> Staatsanwaltschaften" folgenden, wörtlich mit § 77 a. F.<br />

OWiG übereinstimmenden Änderungsvorschlag unter Verzicht auf das formelle<br />

Beweisantragsrecht bezüglich § 244 StPO für das amtsgerichtliche <strong>Strafverfahren</strong>:<br />

"Das Gericht bestimmt unbeschadet des § 244 Abs. 2 StPO den Umfang<br />

der Beweisaufnahme" 182. Folge der Angleichung wäre, daß ein Beweisantrag<br />

auch dann abgelehnt werden könnte, wenn die Erhebung des Beweises zur Erfor-<br />

177 Siehe dazu die Übersicht bei Lüderssen in: Polizei <strong>und</strong> Strafprozeß, S. 211 f.<br />

178 Göhler, OWiG9, Ein!. Rn. 12.<br />

179 Begr. RegE OWiG 1968, BT-DrS V/1269, S. 36.<br />

180 Vg!. etwa Rieß in: Strafprozeß <strong>und</strong> Reform, S. 118.<br />

181 Begr. RegE OWiGÄndG 1987, BT-DrS 10/2652, S. 11.<br />

182 Beschluß der 52. Konferenz der Justizminister <strong>und</strong> -senatoren, StV 1982, S. 325;<br />

zustimmend StrRK des DRB, Information 1982, S. 47. Vg!. auch Kunz, Das strafrechtliche<br />

Bagatellprinzip, S.342; Rieß, JR 1975, S.228; Rebmann, NStZ 1984, S.245;<br />

v. Glasenapp, NJW 1982, S. 2057 f.; Böttcher, DRiZ 1983, S. 130; Meyer-Goßner, NJW<br />

1987, S. 1169; siehe auch § 384 III StPO.<br />

schung der Wahrheit dem Gericht nicht erforderlich erscheint 18<strong>3.</strong> Auch die Aufhebung<br />

<strong>von</strong> § 246 StPO wurde auf der Konferenz diskutiert 184.<br />

<strong>Die</strong> Befürchtung, solche Vorschläge zeigten die Gefahr eines "Dammbruchs"<br />

infolge der Vereinfachungen des Ordnungswidrigkeitenrechts im Kriminalstrafrecht,<br />

ohne den Preis der Entkriminalisierung zahlen zu wollen, versucht Rieß<br />

mit dem Hinweis auf die Entstehungsgeschichte des Beweisantragsrechts zu<br />

entkräften 185. Genaueres Hinsehen läßt diesen Gedanken jedoch als zweifelhaft<br />

erscheinen: Seit der "Geburtsst<strong>und</strong>e des Beweiserhebungsanspruchs" 186 mit der<br />

Entscheidung RGSt 1,61 187 entwickelte die Rechtsprechung des Reichsgerichts<br />

kontinuierlich den heute in § 244 III StPO kodifizierten numerus clausus der<br />

Ablehnungsgründe 188. Mit Gesetz zur Abänderung der Strafprozeßordnung vom<br />

21. 12. 1925 galt für das gesamte Strafrecht (mit Ausnahme der Übertretungstatbestände)<br />

im großen <strong>und</strong> ganzen das heutige Beweisantragsrecht gemäß § 244 III<br />

StPO 189. Es wurde zunächst durch die AusnahmeVO vom 14.6.1932 190 aufgr<strong>und</strong><br />

der wirtschaftlichen Notlage des Reiches eingeschränkt 191 <strong>und</strong> letztendlich im<br />

Dritten Reich völlig abgeschafft 192. Das Vereinheitlichungsgesetz <strong>von</strong> 1950 kehrte<br />

jedoch dann ausdrücklich zur Rechtslage <strong>von</strong> 1925 zurück 193, <strong>und</strong> zwar nicht<br />

nur, um die Änderungen der NS-Zeit zu beseitigen, sondern auch, um "namentlich<br />

die noch nicht aufgehobenen Teile der Notverordnungen <strong>von</strong> 1931 <strong>und</strong> 1932"<br />

zu bereinigen 194. Deshalb ist Rieß' Anregung <strong>von</strong> der "Wiederbelebung einzelner<br />

Gedanken des früheren Rechts" <strong>und</strong> ihre "Einbettung in ein umfassendes Konzept"<br />

nicht damit begründbar, daß in der Geschichte der StPO die Beschränkung<br />

des Beweisantragsrechts "keinen ganz neuen Gedanken" darstellt, der lediglich<br />

"nie mit der wünschenswerten Klarheit verwirklicht worden" sei 195. Vielmehr<br />

183 Vgl. BGHSt 12, S. 333 (334 f.).<br />

184 Beschluß der 52. Konferenz der Justizminister <strong>und</strong> -senatoren, StV 1982, S. 325;<br />

vg!. auch Rebmann, NStZ 1984, S. 246 f.; Kintzi, JR 1990, S. 316; Strate, StV 1990,<br />

S.392.<br />

185 Rieß, JR 1975, S. 226.<br />

186 Alsberg, Der Beweisantrag im StrafprozeßI, S. 59.<br />

187 Vg!. dazu Alsberg / Nüse / Meyer, Der Beweisantrag im Strafprozeß5, S. 4 Fn. 13;<br />

S.21.<br />

188 Vorübergehende Einschränkungen erfuhr diese Entwicklung durch die "VO über<br />

Sondergerichte gegen Schleichhandel <strong>und</strong> Preistreiberei - Wuchergerichte" <strong>von</strong> 1919­<br />

1924 <strong>und</strong> durch die faktischen Auswirkungen der Zuständigkeitsänderungen durch die<br />

sog. "Emminger-VO" <strong>von</strong> 1924.<br />

189 Ausführlich dazu Hartung, DJZ 1926, Sp. 129 ff.<br />

190 RGB!. I, S. 285.<br />

191 Alsberg / Nüse / Meyer, Der Beweisantrag im Strafprozeß5, S. 5 f.<br />

192 Ausführlich dazu Alsberg / Nüse / Meyer, Der Beweisantrag im Strafprozeß5,<br />

S. 7 ff.<br />

193 Begr. RegE VereinhG, BT-DrS 1/530, S. 47.<br />

194 Begr. RegE VereinhG, BT-DrS 1/530, S. 3<strong>3.</strong><br />

195 Rieß, JR 1975, S. 226.


74 2. Kap.: Schwierigkeiten der Beschleunigung <strong>von</strong> <strong>Strafverfahren</strong> B. Verfahrensbeschleunigung durch den Beschuldigten 75<br />

könnten bei historischer Betrachtung, wie Berz hervorhebt, die "Erfahrungen im<br />

Dritten Reich" Warnung sein 196.<br />

bb) <strong>Die</strong> Zulassung der Rechtsbeschwerde gemäß § 80 OWiG<br />

Eine Übernahme der Regelung des § 77 OWiG für das amtsgerichtliche <strong>Strafverfahren</strong><br />

hätte zudem noch eine problematische Folge: Wird in erster Instanz<br />

beschleunigt, indem der Umfang der Beweisaufnahme gering gehalten wird, so<br />

würde der Beschuldigte die verhinderte Beweiserhebung in der Berufungsinstanz<br />

nachholen wollen. Werte beschreibt anschaulich, wie die durch die Emminger­<br />

VO entstandene vergleichbare Rechtslage zu einem Anstieg der Berufungen<br />

führte 197. Im Ordnungswidrigkeitenrecht wird diese Konsequenz nun dadurch<br />

vermieden, daß zusätzlich zur Beweisaufnahme auch der Rechtsmittelzug drastisch<br />

beschnitten wird: Im Unterschied zu kleinen Strafsachen gibt es keine<br />

Berufung, <strong>und</strong> auch der Zugang zur revisionsähnlichen Rechtsbeschwerde ist<br />

für den Betroffenen nur bei Geldbußen <strong>von</strong> mehr als 200,- DM unbeschränkt<br />

(§ 79 I Nr. 1 OWiG). Darunter ist die Rechtsbeschwerde an die Zulassung wegen<br />

Rechtsfortbildung, Sicherung einheitlicher Rechtsprechung oder Versagung<br />

rechtlichen Gehörs geb<strong>und</strong>en (§ 80 I OWiG). Durch das OWiGÄndG <strong>von</strong> 1987<br />

ist die Zulassung bei Geldbußen unter 80,- DM sogar noch weiter eingeschränkt<br />

worden (§ 80 11 OWiG). <strong>Die</strong> bloße "Wahrung der Rechte des Betroffenen" ist<br />

für die Zulassung der Rechtsbeschwerde bedeutungslos 198.<br />

Auch die Ausweitung dieser Einschränkungen spielte in der Strafprozeßreformdiskussion<br />

eine Rolle: Nicht nur die oben erwähnte Justizminister- <strong>und</strong> -senatorenkonferenz,<br />

sondern auch der B<strong>und</strong>esrat hat vorgeschlagen, die Revision bei<br />

erstinstanzlicher Amtsgerichtszuständigkeit an eine Zulassung zu binden, deren<br />

Ausgestaltung an das OWiG angelehnt werden könnte 199.<br />

Daß die Kombination <strong>von</strong> Beschränkung des Umfangs der Beweisaufnahme<br />

<strong>und</strong> Einschränkung der Revision nicht nur abstrakt zu einer Beschneidung der<br />

196 Berz, NJW 1982, S. 734; dagegen v. Glasenapp, NJW 1982, S. 2058. Vgl. auch<br />

Schünemann, Verh. 58. DJT, S. B 48: "die Aufrichtung ... des aufgeklärten Absolutismus<br />

im <strong>Strafverfahren</strong>"; G. Herdegen, GS K. Meyer, S. 194: "Amputation des Beweisantragsrechts,<br />

die nicht einmal aufrecht erhielte, was die StPO in ihrer Erstfassung (in § 243<br />

Abs. 2) bot".<br />

197 Werle, ZRP 1983, S. 201; ähnlich Kern, MschrKrimPsych 15 (1924), S. 247.<br />

198 Begr. RegE OWiG 1968, BT-DrS V/1269, S. 95; BGHSt 24, S. 15 (21); OLG<br />

Hamm, VRS 62, S. 294 (295); OLG Celle, MDR 1988, S. 521; OLG Koblenz, NJW<br />

1990, S.2398; Steindorf in KK OWiG, § 80 Rn. 1; Michalke 1Hamm, NJW 1990,<br />

S.2369.<br />

199 Beschluß der 52. Konferenz der Justizminister <strong>und</strong> -senatoren, StV 1982, S. 326;<br />

Stellungnahme BRat zum RegE StVÄG 1987, BT-DrS 10/1313, S. 52 f.; zustimmend<br />

StrRK des DRB, DRiZ 1986, S. 394 (anders noch Information 1982, S.48); so auch<br />

schon K. Peters in: Strafprozeß <strong>und</strong> Reform, S. 105.<br />

Verteidigungsmöglichkeiten insgesamt in unvertretbarer Weise führte 200, sondern<br />

sogar konkret zu geänderter amtsgerichtlicher Verfahrenspraxis zu Lasten des<br />

Beschuldigten führen soll 201 , hat die Konferenz der Justizminister <strong>und</strong> - senatoren<br />

in kaum zu überbietender Deutlichkeit ausgesprochen 202: Durch die Verringerung<br />

der Revisibilität <strong>von</strong> Verfahrensverstößen würde der Tatrichter in die Lage<br />

versetzt, "bei aller Gewissenhaftigkeit etwas freier <strong>und</strong> einzelfallangepaßter<br />

zu verhandeln, als es bei ,revisionssicherer' Verfahrensweise möglich ist" ­<br />

v. Jherings Wort 203 <strong>von</strong> der Form als geschworener Feindin der Willkür scheint<br />

vergessen 204; v. Savignys Satz 2 0s, das "einzig zuverlässige Mittel, die Beobachtung<br />

wenigstens der wesentlichen Prozeßvorschriften zu sichern", bestehe darin,<br />

"an die Nichtbefolgung die Nichtigkeit des Verfahrens" (oder jedenfalls die<br />

Aufhebung des Urteils in der Revisionsinstanz 206 ) zu knüpfen, besitzt noch immer<br />

Aktualität 207.<br />

B. Verfahrensbeschleunigung durch den Beschuldigten<br />

<strong>Die</strong> gesetzgeberischen Aktivitäten der siebziger <strong>und</strong> achtziger Jahre zur Verfahrensbeschleunigung<br />

haben das Problem langer Verfahrensdauer fast ausschließlich<br />

nur insoweit berührt, als es um die Verfahrenslänge, nicht aber um Verfahrensverzögerungen<br />

ging. <strong>Die</strong> Reformen sind überdies skeptisch zu beurteilen,<br />

weil sie häufiger kaum zur Verfahrensbeschleunigung geeignet erscheinen oder<br />

einseitig mit der Einschränkung <strong>von</strong> Verfahrensrechten des Beschuldigten einhergehen.<br />

Gesetzesänderungen, um staatliche Verzögerungen zu vermeiden, bieten<br />

sich jedenfalls bei erster Betrachtung kaum an. Es soll bei dem kursorischen<br />

Überblick bleiben, da die Bedeutung <strong>von</strong> Rechtsänderungen für die Rechtsfolgenbestimmung<br />

<strong>überlange</strong>r Verfahrensdauer - zudem - nur indirekter Art ist: Sie<br />

200 Werle, ZRP 1983, S. 200; 20<strong>3.</strong><br />

201 Vgl. Brüssow, FG L. Koch, S. 68 f.<br />

202 Beschluß der 52. Konferenz der Justizminister <strong>und</strong> -senatoren, StV 1982, S. 326.<br />

Ähnlich jetzt auch wieder in dem <strong>von</strong> der gleichen Konferenz 1991 vorbereiteten Entwurf<br />

eines Gesetzes zur Entlastung der Rechtspflege, BR-DrS 314/91, S. 108; 118 f.<br />

203 v. Jhering, Der Geist des Römischen Rechts 11 121, § 45, S. 497.<br />

204 Vgl. aber I. Müller, Rechtsstaat <strong>und</strong> <strong>Strafverfahren</strong>, S. 2; Tönnies, ZRP 1990,<br />

S. 294; Jungfer, AnwBI. 1987, S. 76.<br />

205 v. Savigny, <strong>Die</strong> Prinzipienfrage in Beziehung auf eine neue Strafprocess-Ordnung,<br />

S.99 (zit. n. We. Schmid, <strong>Die</strong> Verwirkung <strong>von</strong> Verfahrensrügen, S. 320).<br />

206 Vgl. Bohnert, NStZ 1982, S. 8; Kindhäuser, NStZ 1987, S. 532.<br />

207 Vgl. auch We. Schmid, <strong>Die</strong> Verwirkung <strong>von</strong> Verfahrensrügen, S. 320; Hillenkamp,<br />

JR 1975, S. 134; NJW 1989, S. 2848 Fn. 81; Seebode, JR 1986, S. 477 f.; Puppe, NStZ<br />

1986, S. 406.<br />

Ein weiteres Beispiel für die Aktualität dieses Gedankens findet sich etwa in dem<br />

(handlungsanleitenden) Beitrag <strong>von</strong> (Staatsanwalt) Füllkrug, Krim 1987, S. 387 ff., in<br />

dem er darauf "hinweist", daß es praktisch keine Konsequenzen hat, wenn bei polizeilichen<br />

Untersuchungen die Gefahr im Verzug zu Unrecht angenommen wird (S. 389 f.).


76 2. Kap.: Schwierigkeiten der Beschleunigung <strong>von</strong> <strong>Strafverfahren</strong> B. Verfahrensbeschleunigung durch den Beschuldigten 77<br />

stellen keine näher in Betracht zu ziehende umfassende Alternative dar, sondern<br />

können höchstens flankieren. <strong>Die</strong> Rechtsfolgenbestimmung bleibt unabdingbar.<br />

Letzteres könnte allerdings dann in Frage zu stellen sein, wenn dem Beschuldigten<br />

Möglichkeiten eingeräumt sind, Verzögerungen seines Verfahrens entgegenzuwirken,<br />

also gewissermaßen seinen "Primäranspruch" auf Beschleunigung<br />

durchzusetzen. Hier geht es nicht (erst) um die Rechtsfolgen <strong>von</strong> Verzögerungen,<br />

sondern (schon) um deren Vermeidung. Sollte es einen praktikablen Rechtsbehelf<br />

geben, um Verzögerungen zu verhindern, so bliebe zwar, daß dieser regelmäßig<br />

erst dann greifen kann, wenn schon - erste - Verzögerungen eingetreten sind;<br />

abgesehen da<strong>von</strong> aber wäre in diesem Fall der Frage nach den Rechtsfolgen<br />

praktische Bedeutung genommen, als der Beschuldigte insoweit <strong>überlange</strong> Verfahrensdauer<br />

weitgehend vermeiden könnte. Sogar die theoretische Relevanz<br />

wäre eingeschränkt, sollte dem Beschuldigten gar auferlegt sein, sofern aus einer<br />

Verfahrensverzögerung Konsequenzen folgen sollen, sein Recht auf Förderung<br />

des Verfahrens bei <strong>von</strong> ihm feststellbaren Verzögerungen zuvor mit Entschiedenheit<br />

geltend zu machen.<br />

I. Obliegenheit des Beschuldigten?<br />

<strong>Die</strong> Auffassung, der Beschuldigte sei zum Ergreifen <strong>von</strong> Rechtsbehelfen verpflichtet,<br />

will er aus den Verzögerungen Rechtsfolgen herleiten, hat in einer<br />

vereinzelten Entscheidung das OLG Karlsruhe vertreten 208. Dem ist nicht nur<br />

schon kurz darauf das OLG Stuttgart entgegengetreten209, sondern auch ansonsten<br />

wird diese Auffassung entschieden abgelehnt 210, sofern nicht sogar mit Selbstverständlichkeit<br />

über sie hinweggegangen wird. <strong>Die</strong> Begründung hierfür liegt auf<br />

der Hand. Mangels Mitwirkungspflicht könne dem Beschuldigten im <strong>Strafverfahren</strong><br />

keine "Beschleunigungsobliegenheit" 211 auferlegt sein.<br />

Das OLG Karlsruhe beruft sich demgegenüber auf die Verfahrensgarantie bei<br />

Konventionsverletzungen des Art. 13 EMRK. Danach habe sich die EMRK als<br />

Rechtsfolge <strong>überlange</strong>r Verfahrensdauer für ein (nationales) Beschwerderecht<br />

entschieden 212. Nun ist diese Auffassung so unhaltbar. Es liegt die Verwechselung<br />

<strong>von</strong> Rechtsbehelf <strong>und</strong> Rechtsfolge vor. Art. 13 EMRK könnte allenfalls so interpretiert<br />

werden, daß er die Durchsetzbarkeit des materiellen Anspruchs aus<br />

Art. 6 I EMRK vor den nationalen Gerichten einschränkt. <strong>Die</strong>s scheitert jedoch<br />

208 OLG Karlsruhe, NJW 1972, S. 1907 (1908).<br />

209 OLG Stuttgart, JZ 1974, S. 268 (269).<br />

210 Vgl. etwa Miehsler / Vogler, IntKomm, Art. 6 Rn. 323; Schaupp-Haag, <strong>Die</strong> Erschöpfung<br />

des innerstaatlichen Rechtsweges, S. 36.<br />

211 Priebe, FS v. Simson, S. 304.<br />

212 OLG Karlsruhe, NJW 1972, S. 1907 (1908). Vgl. auch Schwenk, ZStW 79 (1967),<br />

S. 731 ff.<br />

daran, daß Art. 13 EMRK selbst ein konventionsgeschütztes Gr<strong>und</strong>recht auf<br />

Beschwerdemöglichkeit vor den nationalen Instanzen darstellt 2l3 • <strong>Die</strong> vorherige<br />

Einlegung einer Beschwerde spielt nur insofern eine Rolle, als Art. 26 EMRK<br />

für die Menschenrechtsbeschwerde zu den europäischen Organen zur Rechtswegerschöpfung<br />

die Beschwerdeeinlegung fordert, um dem völkergewohnheitsrechtlichen<br />

Anspruch des Staates, behauptete Menschenrechtsverletzungen selbst zu<br />

beseitigen, Rechnung zu tragen 214.<br />

Schwieriger wird es freilich, wenn man auf das BVerwG hinweist, das im<br />

Disziplinarverfahren gegen einen Beamten auf die - unterlassene - Anrufung<br />

des B<strong>und</strong>esdisziplinargerichts nach § 66 BDO abstellte 215. Auch das BVerfG<br />

erklärte eine wegen <strong>überlange</strong>r Verfahrensdauer angegriffene Disziplinarmaßnahme<br />

für verfassungsgemäß, weil "nicht unberücksichtigt" blieben könne, daß der<br />

Beschuldigte "die ihm im Gesetz eingeräumten Möglichkeiten" ungenutzt ließ216.<br />

Nun ist dem BVerfG schon Martin Hirsch in seinem Sondervotum mit dem<br />

Hinweis auf die mangelnde Mitwirkungspflicht im Amtsermittlungsverfahren<br />

entgegengetreten 217 • Aber selbst wenn man dem nicht folgte, zeigt sich, daß das<br />

deutsche Strafprozeßrecht, anders als das Beamtendisziplinarrecht mit § 66 BDO,<br />

nicht über praktikable Rechtsbehelfe gegen Verzögerungen verfügt.<br />

11. Befugnis des Beschuldigten<br />

1. Anträge (i. w. S.) an das verzögernde Organ<br />

a) Antrag <strong>und</strong> Gegenvorstellung<br />

Der Beschuldigte hat bei Verzögerungen zwar in jedem Verfahrensstadium<br />

die - selbstverständliche - Befugnis, einen Antrag auf Verfahrensbeschleunigung<br />

(genauer gesagt: "Anregung zum gesetzmäßigen Handeln" 218) an das verzögernde<br />

Strafverfolgungsorgan zu stellen 219. Zudem besteht die Möglichkeit der<br />

Gegenvorstellung, also der Aufforderung an die Stelle, die die (verzögernde)<br />

Entscheidung erlassen hat, diese <strong>von</strong> Amts wegen aufzuheben oder abzuändern 220.<br />

213 Matscher, FS Kralik, S. 265.<br />

214 Guradze, EMRK, Art. 26 Anm. 1; Frowein / Peukert, EMRK, Art. 26 Rn. 1; Ulsamer,<br />

FS Zeidler, S. 1813 f.<br />

215 BVerwGE 46, S. 122 (124).<br />

216 BVerfGE 46, S. 17 (30).<br />

217 BVerfGE (Abweichende Meinung) 46, S. 31 (32 f.).<br />

218 Vgl. BVerfGE 16, S. 119 (122).<br />

219 Vgl. BGHSt 35, S. 137 (138).<br />

220 BGH, VersR 1982, S. 598; Frisch in SK StPO, vor § 296 Rn. 32; W. Gollwitzer<br />

in LR24, vor § 296 Rn. 8; Kleinknecht / Meyer, StP039, vor § 296 Rn. 23; Albers in<br />

Baumbach / Lauterbach 48 , vor § 567 Anm. 1 C; Woesner, NJW 1960, S. 2130; Bauer,<br />

<strong>Die</strong> Gegenvorstellung im Zivilprozeß, S. 21; E. Schumann, FS Baumgärtel, S. 492.


78 2. Kap.: Schwierigkeiten der Beschleunigung <strong>von</strong> <strong>Strafverfahren</strong> B. Verfahrensbeschleunigung durch den Beschuldigten 79<br />

Nun sind die Erfolgsaussichten, hierdurch tatsächlich Verzögerungen entgegenzuwirken,<br />

wohl eher skeptisch zu beurteilen. Allerdings könnten sie - was bisher<br />

nicht näher untersucht worden ist - als Instrumentarium zumindest gegen richterliche<br />

Verzögerungen dergestalt nutzbar gemacht werden, daß sie quasi nur als<br />

"Vorverfahren" eingesetzt werden: Da bei Anträgen (vgl. § 34 StPO) <strong>und</strong> nach<br />

herrschender Meinung auch bei Gegenvorstellungen 221 ein Anspruch auf Prüfung<br />

<strong>und</strong> Verbescheidung besteht, kann im Falle der Nichtbescheidung oder rechtsfehlerhaften<br />

Bescheidung der Weg zur Richterablehnung eröffnet sein.<br />

b) Ablehnungsgesuch wegen Befangenheit<br />

aa) Verfahrensverzögerung<br />

Der einzige Ablehnungsgr<strong>und</strong> des § 24 StPO ist - abgesehen vom Ausschluß<br />

nach §§ 22, 23 StPO - das "Mißtrauen gegen die Unparteilichkeit eines Richters",<br />

§ 24 11 StPO. Es geht nicht um den Ablehnungsgr<strong>und</strong> der Verzögerung 222,<br />

sondern darum, ob durch die verzögerte Verfahrensweise ein Indiz für die parteiliche<br />

Einstellung des Richters gegeben ist 223 . Konsequenz dieser nur mittelbaren<br />

Relevanz der Verzögerungen ist eine gewisse Widersprüchlichkeit insofern, als<br />

ein durch sie initiiertes Ablehnungsgesuch (zunächst) weitere Verfahrensverzögerungen<br />

hervorruft 224. Schon dies stellt die Eignung dieses Rechtsinstituts bei<br />

Verzögerungen in Frage.<br />

Rechtsfehler des Richters können an sich kein Ablehnungsrecht auslösen. Sie<br />

sind nicht im Ablehnungsverfahren, sondern im Rechtsmittelverfahren zu überprüfen<br />

225. Allerdings wird betont, daß im Falle "grober Rechtsfehler" 226 oder bei<br />

einem "massiven Verstoß"227 ein Befangenheitsgesuch begründet sein könnte,<br />

wenn die Rechtsauffassung des abgelehnten Richters "nicht mehr hingenommen<br />

werden kann" 228, "rechtlich im Ergebnis völlig unhaltbar" sei 229 oder "den An-<br />

221 Kleinknecht / Meyer, StP039, vor § 296 Rn. 26; Frisch in SK StPO, vor § 296<br />

Rn. 35; W. Gollwitzer in LR24, vor § 296 Rn. 9; Schwentker, Der Ausschluß der Beschwerde<br />

nach § 305 StPO, S. 154; Woesner, NJW 1960, S. 2132; a.A. Ruß in KK<br />

StP02, vor § 296 Rn. 4; Paulus in KMR, vor § 296 Rn. 30.<br />

222 So aber etwa Bay. StGB <strong>von</strong> 1813, Teil II Art. 33 Nr. 5, wonach ein Ablehnungsrecht<br />

besteht, wenn sich der Richter einer "auffallenden Verzögerung ... schuldig oder<br />

verdächtig gemacht hat".<br />

223 BGH, NJW 1952, S. 1425 (1426), Arzt, Der befangene Strafrichter, S. 99; Schairer,<br />

Der befangene Staatsanwalt, S. 130 ff.; Bohnert, Beschränkungen der strafprozessualen<br />

Revision durch Zwischenverfahren, S. 78 f.<br />

224 Vgl. dazu Arzt, Der befangene Strafrichter, S. 6; 98 (mit entstellendem Druckfehler);<br />

Hillenkamp, JR 1975, S. 139.<br />

225 Wassermann in AK StPO, § 24 Rn. 16.<br />

226 Pfeiffer in KK StP02, § 24 Rn. 37.<br />

227 BGH, StV 1985, S. 2 (3).<br />

228 BGH, StV 1984, S. 99 (101).<br />

schein der Willkür erweckt" 230. <strong>Die</strong>se Rechtsprechung durchbricht jedoch nicht<br />

den Gr<strong>und</strong>satz, daß nur der Anschein der Unparteilichkeit die Ablehnung begründen<br />

könnte. Vielmehr wird auch in diesen Fällen konsequent an dem Kriterium<br />

des "Mißtrauens gegen die Unparteilichkeit" festgehalten. Denn bei schwersten<br />

Rechtsverletzungen durch den Richter kann der verständige Beschuldigte die<br />

Befürchtung hegen, der Rechtsverstoß könnte auf der Parteilichkeit ihm gegenüber<br />

fußen, weil ein solch eklatanter Rechtsverstoß einem Richter nicht einfach<br />

bloß unterlaufen dürfte. Als Erklärung <strong>von</strong> groben Fehlern bietet sich für den<br />

verständigen Beschuldigten also neben dem Rechtsirrtum der gegen ihn gerichtete<br />

Rechtsbruch an. <strong>Die</strong>se Indizkonstruktion hat besonders deutlich das BayObLG<br />

zum Ausdruck gebracht, wenn es formuliert, daß schwerste Verfahrensfehler<br />

unabhängig <strong>von</strong> ihren tatsächlichen Gründen den für die Ablehnung hinreichenden<br />

Verdacht erwecken können, ursächlich sei die parteiliche Einstellung des<br />

Richters oder seine Voreingenommenheit in der Sache 231.<br />

<strong>Die</strong>se Interpretation wird auch <strong>von</strong> der ZPO gestützt. § 42 11 ZPO läßt die<br />

Richterablehnung wortgleich mit § 24 11 StPO nur für den Fall des "Mißtrauens<br />

gegen die Unparteilichkeit" des Richters zu. § 1032 I ZPO bestimmt, daß ein<br />

Schiedsrichter "aus denselben Gründen <strong>und</strong> unter denselben Voraussetzungen"<br />

abgelehnt werden kann. Weiter heißt es in § 103211 ZPO: "<strong>Die</strong> Ablehnung kann<br />

außerdem erfolgen, wenn ein ... Schiedsrichter die Erfüllung seiner Pflichten<br />

ungebührlich verzögert." Demzufolge dürfte auf § 1032 11 ZPO - entgegen<br />

Arzt 232 - die Zulässigkeit der Verfahrensverzögerung als Ablehnungsgr<strong>und</strong> im<br />

<strong>Strafverfahren</strong> kaum gestützt werden können. Im Gegenteil scheint der Umkehrschluß<br />

zulässig, daß Verfahrensverzögerungen jedenfalls nach dem Willen des<br />

Gesetzgebers gerade nicht die Befangenheit des Richters begründen können<br />

sollen. Im übrigen dürfte im Verwaltungs- oderZivilprozeß die Sorge des verständigen<br />

Klägers, der Richter könnte aus Parteilichkeit für den Beklagten den Prozeß<br />

verzögern, um dadurch den <strong>von</strong> ihm angefochtenen Status quo aufrechtzuerhalten<br />

233, näher liegen als ein Verdacht des verständigen, durch die Unschuldsvermutung<br />

vor Rechtsfolgen (allerdings nicht vor verfahrenssichernden Maßnahmen<br />

<strong>und</strong> Belastungen) geschützten Beschuldigten, der Richter wolle ihm durch Verzögerung<br />

des gegen ihn gerichteten <strong>Strafverfahren</strong>s schaden.<br />

229 OLG Koblenz, GA 1977, S. 314 (315); ähnlich BGH, NStZ 1984, S. 419 (420).<br />

Siehe jetzt auch OLG Köln, StV 1991, S. 292.<br />

230 BayObLG, DRiZ 1977, S.244 (245); ähnlich BGH, NStZ 1984, S.419 (420);<br />

StV 1990, S. 241.<br />

231 BayObLG, DRiZ 1977, S. 244 (245); ähnlich Tolksdorf, Mitwirkungsverbot für<br />

den befangenen Staatsanwalt, S. 111; Strate, FG L. Koch, S. 274 f. Vgl. auch BGH, StV<br />

1985, S. 2 (3); OLG Zweibrücken, MDR 1982, S. 940.<br />

232 Arzt, Der befangene Strafrichter, S. 97.<br />

233 Vgl. J. Blomeyer, NJW 1977, S. 558. Umgekehrt bei einstweiligem Rechtsschutz,<br />

vgl. Priebe, FS v. Simson, S. 302.


80 2. Kap.: Schwierigkeiten der Beschleunigung <strong>von</strong> <strong>Strafverfahren</strong> B. Verfahrensbeschleunigung durch den Beschuldigten 81<br />

Allerdings hat Arztdie Ansicht vertreten, daß es darüber hinaus auch Rechtsverletzungen<br />

gebe, die ohne weiteres, also ohne daß sie Indizfunktion für die parteiliche<br />

Haltung des Richters haben, zur Ablehnung berechtigen können 234. Hier<br />

würde also nicht nur vennutet, sondern gewissennaßen fingiert, daß die Rechtsverletzung<br />

auf Parteilichkeit beruhe. Eine Erweiterung der Ablehnungsgründe<br />

sei dann erforderlich, wenn es sich um schwerwiegende Rechtsverletzungen<br />

handelt, gegen die der Beschuldigte sich jedoch mit der Revision nicht genügend<br />

zur Wehr setzen kann. Ablehnungsgr<strong>und</strong> sei hier eine (andere) schwere Störung<br />

des Vertrauensverhältnisses zwischen Beschuldigtem <strong>und</strong> Richter.<br />

Selbst wenn man prinzipiell Arzt insoweit folgte, zeigt sich doch, daß jedenfalls<br />

Verfahrensverzögerungen sich in diese Kategorie nicht einordnen lassen. Zwar<br />

ist die Schwierigkeit, Verfahrensverzögerungen revisionsrechtlich zu rügen,<br />

zweifelsohne gegeben 235 ; das Kriterium der schwerwiegenden Rechtsverletzung<br />

haftet Verfahrensverzögerungen - entgegen Arzt 236 - jedoch nicht per se an.<br />

So wäre man auch hier gezwungen, innerhalb <strong>von</strong> Verfahrensverzögerungen<br />

qualitativ zu unterscheiden, wie es im Rahmen der Indizkonstruktion erforderlich<br />

ist. Demzufolge erscheint es zweifelhaft, warum gerade bei dem Rechtsfehler<br />

Verfahrensverzögerung genau für die Fälle ein Systembruch erfolgen soll, bei<br />

denen die Befangenheit indiziert werden kann. Zumindest bei eindeutig unvertretbaren,<br />

erheblichen <strong>und</strong> vorwerfbaren Verfahrensverzögerungen dürfte auch auf<br />

Gr<strong>und</strong>lage der Indizkonstruktion die Befangenheit sehr nahe liegen 237.<br />

Allerdings bleibt als Gegeneinwand aufrechtzuerhalten, daß auf Gr<strong>und</strong>lage<br />

der Indizkonstruktion Nonnverstoß <strong>und</strong> Ablehnungsgr<strong>und</strong> sowohl konstruktiv<br />

verschieden als auch prozessual auseinanderzuhalten sind 238, oder anders ausgedrückt:<br />

Zwar mag bei Verfahrensverzögerungen das Befangenheitsrecht praktikabel<br />

gemacht werden können; ein "gegen" Verzögerungen gerichtetes prozessuales<br />

Mittel stellt es jedoch nicht dar.<br />

bb) Nicht- oder Falschbescheidung<br />

Auf der Gr<strong>und</strong>lage der Indizkonstruktion dürfte Weitergehendes dann gelten,<br />

wenn der Beschuldigte sich mit seinem Ablehnungsgesuch nicht gegen die Verfahrensverzögerungen<br />

an sich wendet, sondern gegen die Untätigkeit des Gerichts,<br />

nachdem er im Hinblick auf das Beschleunigungsprinzip die Verfahrens-<br />

fortführung oder die Unterlassung verzögernder Maßnahmen beantragt (oder<br />

Gegenvorstellung erhoben) hat.<br />

Das OLG Hamm hat sich zu § 42 ZPO mit der Möglichkeit der Ablehnung<br />

wegen Befangenheit in einem Fall beschäftigt, in dem der Vorsitzende an ihn<br />

gerichtete Erinnerungsschreiben einer Partei nicht beantwortet hatte <strong>und</strong> für die<br />

Partei nicht ersichtlich war, worauf die Verzögerung beruhte 239 • Es hat in diesem<br />

Fall das Gesuch für begründet erachtet. <strong>Die</strong>se Entscheidung ist richtig. Sie paßt<br />

nahtlos in das System des Ablehnungsrechts. Anders als bei bloßen Verfahrensverzögerungen,<br />

die auf Nachlässigkeiten beruhen <strong>und</strong> eine bloß abstrakte Pflicht<br />

zum zügigen Handeln, die nicht z. B. durch konkrete Fristen präzisiert wird 240,<br />

verletzen, kann ein verständiger Beschuldigter Sorge um die Unparteilichkeit<br />

des Richters dann haben, wenn er sich ausdrücklich gegen bestimmte Verzögerungen<br />

wendet <strong>und</strong> die schleunige Fortführung des Verfahrens begehrt, insoweit<br />

jedoch nicht einmal beschieden wird. Dem Richter verbleibt die Möglichkeit, in<br />

seiner dienstlichen Äußerung diesen Verdacht zu entkräften 241.<br />

Wird ein entsprechendes Begehren dagegen (ablehnend) beschieden, so kann<br />

Befangenheit dann zu besorgen sein, wenn die Begründung - ggf. im Zusammenhang<br />

mit der dienstlichen Erklärung des abgelehnten Richters - erkennen läßt,<br />

daß die Verfahrensverzögerungen auf einer nicht mehr hinnehmbaren Verkennung<br />

des Beschleunigungsprinzips beruhen. Denn dann liegt ein Rechtsfehler<br />

solcher Qualität vor, daß der verständige Beschuldigte an einem bloßen Irrtum<br />

des Richters zweifeln darf. Gleiches würde natürlich dann gelten, wenn die<br />

Begründung unzutreffende Ausführungen enthielte, um einen Verstoß gegen das<br />

Beschleunigungsprinzip zu kaschieren. Hierbei käme es weniger auf die Erheblichkeit<br />

der Verzögerung als auf den (indizierten) inneren Beweggr<strong>und</strong> des Richters<br />

an.<br />

Bei Ablehnung solcher Befangenheitsgesuche könnte die Revision auf § 338<br />

Nr. 3 StPO gestützt werden mit der Folge, daß die Verfahrensverzögerung zu<br />

einem absoluten Revisionsgr<strong>und</strong> wird, freilich auch mit dem Nachteil, daß in<br />

diesem Fall das verzögerte <strong>und</strong> zudem unnütze Verfahren bis zu der aufzuhebenden<br />

Entscheidung durchgeführt werden müßte 242.<br />

234 Arzt, Der befangene Strafrichter, S. 96 ff.<br />

235 So auch Bruns, NStZ 1985, S. 565; Arzt, der befangene Strafrichter, S. 97.<br />

236 Arzt, Der befangene Strafrichter, S. 14.<br />

237 So Hartmann in Baumbach / Lauterbach 48 , § 42 Anm. 2 B; ähnlich Strate, FG L.<br />

Koch, S.27<strong>3.</strong> Vg!. auch BGH, NJW 1952, S. 1425 (1426); Schairer, Der befangene<br />

Staatsanwalt, S. 13<strong>3.</strong><br />

238 Bohnert, Beschränkungen der strafprozessualen Revision durch Zwischenverfahren,<br />

S. 79; zustimmend Erker, Das Beanstandungsrecht gern. § 23811 StPO, S. 126 Fn. 80.<br />

239 OLG Hamm, JMB!. NW 1976, S. 111; zustimmend Hartmann in Baumbach /<br />

Lauterbach 48 , § 42 Anm. 2 B.<br />

240 Vg!. BGH, NJW 1952, S. 1425 (1426); Schairer, Der befangene Staatsanwalt,<br />

S.13<strong>3.</strong><br />

241 Vg!. Strate, FG L. Koch, S. 275.<br />

242 Vg!. Arzt, Der befangene Strafrichter, S. 1<strong>3.</strong><br />

6 Scheffle,


.._-_..._--~-----------<br />

82 2. Kap.: Schwierigkeiten der Beschleunigung <strong>von</strong> <strong>Strafverfahren</strong> B. Verfahrensbeschleunigung durch den Beschuldigten 83<br />

2. Rechtsbehelfe (i. w. S.)<br />

a) Beschwerde, § 304 StPO<br />

Das prinzipielle Problem <strong>von</strong> Berufung <strong>und</strong> Revision bei Verfahrensverzögerungen,<br />

daß sie eine Entscheidung des Instanzengerichts voraussetzen, um deren<br />

nicht rechtzeitiges Erlassen es gerade geht 24 3, ließe sich durch die Einräumung<br />

einer Beschwerdemöglichkeit vermeiden. Es ist jedoch zweifelhaft, ob die Beschwerde<br />

gemäß § 304 StPO als praktikabler Rechtsbehelf genutzt werden kann.<br />

Zwar ist sie gr<strong>und</strong>sätzlich gegen richterliche Beschlüsse oder Verfügungen des<br />

Vorsitzenden zulässig. Weiterhin ist sie nach herrschender Ansicht auch gegen<br />

unterlassene Entscheidungen statthaft 244; dies setzt allerdings voraus, daß in dem<br />

Unterlassen eine Stellungnahme im Sinne einer stillschweigenden Ablehnung<br />

zum Ausdruck kommt245. <strong>Die</strong>s mag zwar bei beschlußmäßiger Versagung der<br />

Entscheidung der Fall sein 246, ist aber ansonsten schwer vorstellbar. Reine Untätigkeiten<br />

an sich fallen jedenfalls nicht darunter 247 ; auch eine Beschwerde "gegen<br />

die stillschweigende Entscheidung", daß das erkennende Gericht "nicht entscheiden<br />

will", ist unzulässig 248 • Schon gr<strong>und</strong>sätzlich ist damit die Verfahrensbeschwerde<br />

nur bei verzögernden Prozeßhandlungen <strong>und</strong> gegen die Ablehnung <strong>von</strong><br />

auf die Beschleunigung zielenden Anträgen denkbar.<br />

Als weitere Hürde stellt sich § 305 Satz 1 StPO dar, der die Beschwerde gegen<br />

Entscheidungen des erkennenden Gerichts einschränkt 249 : Nach Eröffnung bleibt<br />

eine Beschwerde nur noch dann möglich, wenn etwa eine Aussetzung nicht<br />

ausschließlich dazu bestimmt <strong>und</strong> geeignet ist, die Urteilsfällung vorzubereiten,<br />

diese also das Verfahren unnötig verzögert 250, oder der Vorsitzende den Verhandlungstermin<br />

so weit hinausschiebt, daß es einer Aussetzung des Verfahrens gleich-<br />

243 Vg!. allgemein Papier, HdB Staatsrecht VI, § 153 Rn. 2<strong>3.</strong><br />

244 OLG Nümberg, HESt 2, S. 152; BayObLG, NJW 1958, S. 1693; KG, GA 1978,<br />

S.81 (82); OLG Hamm, JMB!. NW 1981, S.69 (70); W. Gollwitzer in LR24, § 304<br />

Rn. 8; Engelhardt in KK StP02, § 304 Rn. 3; Ellers~~k, <strong>Die</strong> Beschwerde im Strafprozeß,<br />

S. 65. Siehe auch hierzu (<strong>und</strong> zum folgenden) in Ubereinstimmung mit dem Text LG<br />

Stuttgart, NStZ 1991, S. 204.<br />

245 OLG Nürnberg, HESt 2, S. 152; Paulus in KMR, § 304 Rn. 1; Kleinknecht / Meyer,<br />

StP039, § 309 Rn. 5; Ellersiek, <strong>Die</strong> Beschwerde im Strafprozeß, S. 65; Erker, Das Beanstandungsrecht<br />

gern. § 238 II StPO, S. 69.<br />

246 Paulus in KMR, § 304 Rn. 1.<br />

247 OLG Hamm, JMB!. NW 1981, S. 69 (70); vg!. auch RGSt 19, S. 333 (337 f.).<br />

248 Vg!. BFH, JZ 1963, S. 261; Hummer, Justizgewährung <strong>und</strong> Justizverweigerung<br />

in verfassungsrechtlicher Sicht, S. 142.<br />

249 Kritisch dazu Bohnert, GA 1982, S. 169 f.; Paulus, NStZ 1985, S. 520 f.<br />

250 OLG Frankfurt, NJW 1966, S. 992; KG, JR 1966, S. 230; OLG Stuttgart, NJW<br />

1973, S. 2309 (2310); OLG Karlsruhe, GA 1974, S. 285; NStZ 1985, S. 227; W. Gollwitzer<br />

in LR24, § 305 Rn. 17; Engelhardt in KK StP02, § 305 Rn. 9; Paulus in KMR, § 305<br />

Rn. 12; Kleinknecht, JR 1966, S. 231; weitergehend Giesler, Der Ausschluß der Beschwerde,<br />

S. 116 f. Ausführlich Schwentker, Der Ausschluß der Beschwerde nach § 305<br />

StPO, S. 186 ff.<br />

kommt 251 • Möglich ist also die Beschwerde nach Eröffnung nur bei Entscheidungen,<br />

die nicht bloß das Verfahren unzulänglich fördern, sondern die den Erlaß<br />

des Urteils regelrecht hemmen <strong>und</strong> hindern <strong>und</strong> insofern mit der Urteilsfällung<br />

in keinem inneren Zusammenhang stehen: Nur bei überflüssigem Prozeßhandeln<br />

ist die Beschwerde überhaupt denkbar. Freilich würde die allgemeine Anerkennung<br />

der Beschwerdemöglichkeit bei der Behauptung verzögernder Maßnahmen<br />

gegen Sinn <strong>und</strong> Zweck <strong>von</strong> § 305 StPO verstoßen, der gerade Verzögerungen<br />

durch die Unanfechtbarkeit vorbereitender Entscheidungen verhindern will 252.<br />

Demzufolge kann eine Beschwerde nur zulässig sein, wenn die Entscheidung<br />

des Gerichts <strong>von</strong> vornherein ungeeignet ist, die Urteilsfällung vorzubereiten 25<strong>3.</strong><br />

Der Beschuldigte kann also nicht etwa eine Aussetzung zur Heranschaffung eines<br />

Beweismittels mit der Behauptung anfechten, daß die Beweisfragen für das Urteil<br />

unerheblich seien 254.<br />

Noch ungünstiger sieht es für die Beschwerde gegen Entscheidungen im Eröffnungsverfahren<br />

aus. Hier sind die Entscheidungen des Gerichts nach §§ 201,<br />

202 StPO <strong>von</strong> der Beschwerde ausgenommen. Gleiches gilt gemäß § 210 I StPO<br />

für den Eröffnungsbeschluß; gleichzeitige Entscheidungen gelten schon als Entscheidungen<br />

des erkennenden Gerichts 255 • Soweit eine unterbliebene Entscheidung<br />

nicht beschwerdefähig wäre, kann auch deren Nichterlaß nicht mit der<br />

Beschwerde angegangen werden 256.<br />

Nach Urteilsfällung verwehrt § 305 StPO nicht mehr die Beschwerde. <strong>Die</strong>se<br />

wäre also insoweit in Fällen, in denen Verzögerungen durch das erkennende<br />

Gericht nach Verurteilung geschehen, zulässig, sofern man in der Unterlassung<br />

eine stillschweigende Ablehnung sehen kann. Anderes mag dann gelten, wenn<br />

Revision gegen das Urteil eingelegt ist <strong>und</strong> über die Verzögerung ohnehin vom<br />

Rechtsmittelgericht zu entscheiden ist 257, was vor allem bei einer Verletzung der<br />

Urteilsabsetzungsfrist in § 275 I StPO relevant werden kann, aber auch im Bereich<br />

<strong>von</strong> § 347 StPO angenommen werden könnte 258 •<br />

Ob dieses unbefriedigende Zwischenergebnis nun ein gewichtiges Argument<br />

dafür darstellt, die Einführung einer Untätigkeitsbeschwerde gegen den Richter<br />

251 BayObLG, DJZ 1917, Sp. 248; OLG Nürnberg, OLGSt (alt) § 305 StPO, S. 15;<br />

LG Hildesheim, NStZ 1988, S.569; W. Gollwitzer in LR24, § 305 Rn. 16; Engelhardt<br />

in KK StP02, § 305 Rn. 6.<br />

252 Vg!. Eb. Schmidt, Lehrkomm. II, § 305 Rn. 1; Häsemeyer, FS Michaelis, S. 149.<br />

253 OLG Braunschweig, NJW 1955, S. 565; OLG Stuttgart, NJW 1973, S. 2309 (2310);<br />

Engelhardt in KK StP02, § 305 Rn. 9.<br />

254 Vg!. Häsemeyer, FS Michaelis, S. 149; unklar KG, JR 1966, S. 230 (231).<br />

255 BayObLGSt 1955, S. 113 (114); Engelhardt in KK StP02, § 305 Rn. 2; Giesler,<br />

Der Ausschluß der Beschwerde, S. 120.<br />

256 BayObLG, NJW 1958, S. 1693 (1694); OLG Hamm, JMB!. NW 1981, S. 69 (70);<br />

Engelhardt in KK StPO', § 304 Rn. <strong>3.</strong><br />

257 Vg!. W. Gollwitzer in LR'4, § 304 Rn. 3<strong>3.</strong><br />

258 BayObLG, StV 1989, S. 394 (395); vg!. auch BGHSt 35, S. 137.<br />

6*


84 2. Kap.: Schwierigkeiten der Beschleunigung <strong>von</strong> <strong>Strafverfahren</strong> B. Verfahrensbeschleunigung durch den Beschuldigten 85<br />

zu befürworten, ist zurückhaltend zu beurteilen. Zwar kennt das geltende Recht<br />

eine Untätigkeitsklage aufdas dreimonatige Unterlassen <strong>von</strong> Verwaltungshandeln<br />

hin in §§ 27 EGGVG, 75 VwGO, 113 StVollzG, auf das einjährige Unterlassen<br />

hin in § 216 BEG. Im Beamtendisziplinarrecht kann der Beamte gemäß § 66<br />

BDO nach Ablauf <strong>von</strong> sechs Monaten seit Verfahrenseinleitung ohne Vorlage<br />

der Anschuldigungsschrift (bzw. Verfahrenseinstellung) die Entscheidung des<br />

B<strong>und</strong>esdisziplinargerichts beantragen.<br />

<strong>Die</strong> Einführung einer solchen Untätigkeitsbeschwerde ist insbesondere <strong>von</strong><br />

Häsemeyer diskutiert worden 259 • Danach könnte nach Ablauf einer bestimmten,<br />

festgelegten Untätigkeitsfrist das Beschwerdegericht eingeschaltet werden. Bei<br />

begründeter Beschwerde sieht Häsemeyer drei Möglichkeiten: Zunächst wäre an<br />

eine Anweisung an den Erstrichter zu denken 260; hier dürfte fraglich erscheinen,<br />

inwieweit dieses Verfahren tatsächlich Erfolg verspricht. Als zweites sieht Häsemeyer<br />

die Möglichkeit der Überleitung des Verfahrens in die Rechtsmittelinstanz,<br />

was jedoch den Verlust einer Instanz zur Folge hätte. Demzufolge schlägt Häsemeyer<br />

entsprechend dem Befangenheitsrecht die Verweisung an den zur Vertretung<br />

berufenen Richter bzw. die entsprechende Spruchkammer vor.<br />

Eine solche Untätigkeitsbeschwerde wäre unter zwei Gesichtspunkten unbefriedigend:<br />

Zum einen könnte auch hier wegen des Gr<strong>und</strong>gedankens <strong>von</strong> § 305<br />

Satz 1 StPO nur die schlichte Untätigkeit, verzögerndes Handeln lediglich in<br />

den erwähnten Ausnahmefällen gerügt werden 261. Zum anderen wäre die Festlegung<br />

einer bestimmten Frist, etwa der Dreimonatsfrist, nicht geeignet, Verzögerungen<br />

Einhalt zu bieten262: Bei einer kürzeren Frist bestünde die Gefahr, daß<br />

auf den Richter ein unzumutbarer <strong>und</strong> sachwidriger Entscheidungszwang ausgeübt<br />

wird 26<strong>3.</strong> Bei Festlegung einer längeren Frist <strong>von</strong> z. B. drei Monaten aber<br />

könnte sich die Untätigkeitsbeschwerde gerade bei hartnäckiger Verzögerung als<br />

zu stumpfes Schwert erweisen, weil durch jede noch so ungeeignete Tätigkeit,<br />

sofern sie sich nicht nur als bloßer Rechtsrnißbrauch, als Scheinmaßnahme darstellt,<br />

die Frist <strong>von</strong> vorne laufen würde. Legte man aber keine Frist fest, sondern<br />

würde man, wie Kissel es für das FGG-Verfahren vorschlug 264, nur <strong>von</strong> der<br />

Angemessenheit der Frist sprechen, so bedeutete dies die Vermengung mit dienstaufsichtsrechtlichen<br />

Fragen 265, was, wie noch zu zeigen sein wird, besonders im<br />

Bereich richterlicher Tätigkeit nicht angängig ist.<br />

259 Häsemeyer, FS Michaelis, S. 143 ff.; vgl. auch Echterhölter, JZ 1956, S. 146.<br />

260 Vgl. dazu Kleinknecht, StP035, § 309 Rn. 4: Das Beschwerdegericht könne, vgl.<br />

§ 28 II EGGVG, § 115 II StVollzG, die Verpflichtung des zuständigen Richters aussprechen,<br />

den Beschwerdeführer in bestimmter Weise zu bescheiden, wenn die Unterlassung<br />

rechtswidrig war <strong>und</strong> die Sache entscheidungsreif ist; dagegen ausdrücklich OLG Hamm,<br />

JMBl. NW 1981, S. 69 (70 f.). Siehe jetzt auch LG Stuttgart, NStZ 1991, S. 204.<br />

261 Vgl. Häsemeyer, FS Michaelis, S. 149.<br />

262 Vgl. auch oben, AlL<br />

263 So auch Häsemeyer, FS Michaelis, S. 146.<br />

264 Kissel, ZZP 69 (1951), S. 16; vgl. auch Küng-Hofer, Beschleunigung, S. 126.<br />

b) Antrag auf gerichtliche Entscheidung, §§ 23 ff. EGGVG<br />

Kohlmann hat die Ansicht vertreten, bei Verzögerungen der Staatsanwaltschaft<br />

im Vorverfahren sei der Anspruch auf schnelle Durchführung des Ermittlungsverfahrens<br />

aufgr<strong>und</strong> <strong>von</strong> Art. 19 IV GG vor den ordentlichen Gerichten einklagbar,<br />

was gemäß §§ 23 ff. EGGVG zu geschehen habe 266. Zwar sei die Ermittlungstätigkeit<br />

als solche kein Verwaltungshandeln; der Beschuldigte könne jedoch einen<br />

Antrag auf Beendigung des Ermittlungsverfahrens stellen, was ein Justizverwaltungsakt<br />

sei. Der Rechtsweg könne dann beschritten werden, wenn entweder die<br />

Staatsanwaltschaft den Antrag ablehnte - § 23 11 EGGVG - oder ihn binnen<br />

drei Monaten nicht bescheide - § 27 EGGVG. Als dogmatisches Problem sieht<br />

Kohlmann lediglich, daß entgegen dem Wortlaut <strong>von</strong> § 23 11 EGGVG der Beschuldigte<br />

nicht den Erlaß eines bestimmten, sondern eines VOn zwei möglichen<br />

Verwaltungsakten, nämlich entweder die Einstellung (§ 170 11 StPO) oder den<br />

Vermerk des Abschlusses der Ermittlungen nach § 169a I StPO begehren muß.<br />

Im Ergebnis besteht demgegenüber in Literatur <strong>und</strong> Rechtsprechung Einigkeit,<br />

daß der Rechtsweg nach §§ 23 ff. EGGVG nicht gangbar ist. Zum einen wird<br />

<strong>von</strong> der oberlandesgerichtlichen Rechtsprechung <strong>und</strong> einem Teil der Literatur<br />

die Auffassung vertreten, daß die staatsanwaltschaftliche Tätigkeit im Ermittlungsverfahren<br />

nicht Justizverwaltungshandeln sei, sondern Prozeßhandlungen<br />

vorlägen, die nur der richterlichen Kontrolle im <strong>Strafverfahren</strong> selbst unterstellt<br />

seien 267 • Zum anderen hebt eine Ansicht im Schrifttum darauf ab, daß lediglich<br />

unanfechtbare, weil unselbständige Einzelrnaßnahmen vorlägen 268 • Hingewiesen<br />

wird auf § 62 I Satz 2 OWiG, wonach die Anrufung des Strafrichters gegen<br />

Maßnahmen der Verwaltungsbehörden als Verfolgungsbehörde im Bußgeldverfahren<br />

wegen Ordnungswidrigkeiten ausgeschlossen ist bei Maßnahmen, die nur<br />

zur Vorbereitung der Entscheidung getroffen werden, ob ein Bußgeldbescheid<br />

erlassen oder das Verfahren eingestellt wird, <strong>und</strong> die keine selbständige Bedeutung<br />

haben 269.<br />

Rieß sieht es als eine sek<strong>und</strong>äre Frage an, wie man die Nichtanwendbarkeit<br />

der §§ 23 ff. EGGVG auf die Führung des staatsanwaltschaftlichen Ermittlungs-<br />

265 Vgl. Häsemeyer, FS Michaelis, S. 145 f. Siehe jetzt auch LG Stuttgart, NStZ<br />

1991, S. 204.<br />

266 Kohlmann, FS Maurach, S. 514 f.<br />

267 OLG Karlsruhe, NJW 1976, S. 1418; Justiz 1980, S. 94; NStZ 1982, S. 434; OLG<br />

Hamm, NStZ 1983, S. 38; OLG Stuttgart, Justiz 1987, S. 199; Kissel in KK StP0 2 , § 23<br />

EGGVG Rn. 32; Altenhain, DRiZ 1970, S. 106; Bottke, StV 1986, S. 121; 123; dagegen<br />

etwa Schenke, NJW 1976, S. 1817 ff.; Frisch in SK StPO, vor § 296 Rn. 1<strong>3.</strong><br />

268 Vgl. etwa K. Meyer, FS K. Schäfer, S. 121 ff.; Kleinknecht / Meyer, StP039, § 23<br />

EGGVG Rn. 9; K. Schäfer in LR2J, § 23 EGGVG Rn. 38 f.; Katholnigg, Strafgerichtsverfassungsrecht,<br />

§ 23 EGGVG Rn. 14.<br />

269 OLG Karlsruhe, NStZ 1982, S.434 (435); K. Schäfer in LR2J, § 23 EGGVG<br />

Rn. 38; RieB, NStZ 1982, S. 436.


86 2. Kap.: Schwierigkeiten der Beschleunigung <strong>von</strong> <strong>Strafverfahren</strong> B. Verfahrensbeschleunigung durch den Beschuldigten 87<br />

verfahrens insgesamt dogmatisch begründet 270. Es sei entscheidend, daß die<br />

Bejahung der Zulässigkeit des Rechtswegs nach §§ 23 ff. EGGVG bei Verzögerungen<br />

durch die Staatsanwaltschaft im Ermittlungsverfahren die Gr<strong>und</strong>strukturen<br />

des <strong>Strafverfahren</strong>s aus den Angeln heben <strong>und</strong> die gr<strong>und</strong>sätzliche Rollenverteilung<br />

im Strafprozeß in Frage stellen würde 271 : Nicht die Staatsanwaltschaft,<br />

sondern das Gericht trüge die Verantwortung für das strafprozessuale Ermittlungsverfahren.<br />

Dessen gerichtliche Überprüfung sei bei Anklageerhebung im<br />

eigentlichen <strong>Strafverfahren</strong> <strong>und</strong> bei Einstellung nach § 170 11 StPO im Klageerzwingungsverfahren<br />

vorgesehen. Bei strafprozessualen Zwangsmaßnahmen der<br />

Staatsanwaltschaft bestehe ein richterliches Rechtsschutzinstrumentarium (bei<br />

dem freilich bezweifelt werden kann, inwieweit es im Lichte <strong>von</strong> Art. 19 IV GG<br />

genügt 272).<br />

Insoweit schlägt hier auch der Gedanke durch, der bei Prozeßhandlungen des<br />

erkennenden Gerichts zum Ausschluß der Beschwerde führt (§ 305 StPO): Das<br />

Verfahren würde zerrissen <strong>und</strong> der Prozeßverschleppung Tür <strong>und</strong> Tor geöffnet<br />

werden 27 3, wenn jede Handlung - oder jedes Unterlassen - der Staatsanwaltschaft<br />

zum Gegenstand (oberlandes-)gerichtlicher Überprüfung werden könnte.<br />

<strong>Die</strong> Tätigkeit der Staatsanwaltschaft könnte "gelähmt" werden 27 4, wenn ihre<br />

vorbereitenden Handlungen nicht erst mit ihrer Abschlußentscheidung zusammen<br />

angefochten werden dürfen.<br />

Eine Ausnahme soll dann gelten, wenn das Ermittlungsverfahren "offenbar<br />

aus Gründen fortgeführt wird, die unter keinem Gesichtspunkt mehr nachvollziehbar<br />

sind, mithin objektiv willkürliches Handeln der StA zum Nachteil des Beschuldigten<br />

in Rede steht"275. Ob ein solcher Fall nur in der Theorie existieren<br />

kann, mag zweifelhaft sein. Immerhin hatte das VG Berlin sich mit Verzögerungen<br />

in einem disziplinarrechtlichen Vorermittlungsverfahren zu befassen 276, das<br />

Kloepfer Anlaß dazu gab, <strong>von</strong> "formenmißbräuchlich" <strong>und</strong> "schikanös" zu sprechen<br />

277 .<br />

c) <strong>Die</strong>nstaufsichtsbeschwerde<br />

Auch der Ausweg, der Beschuldigte könnte seinem Anspruch auf unverzögerte<br />

Durchführung des <strong>Strafverfahren</strong>s mittels des Ablehnungsrechts Nachdruck verleihen,<br />

versagt bei <strong>von</strong> der Staatsanwaltschaft verursachten Verzögerungen, also<br />

insbesondere im Ermittlungsverfahren. Es kann hier nicht der Ort sein zu diskutieren,<br />

ob etwa der Gr<strong>und</strong>satz des fairen Verfahrens ein solches Ablehnungsrecht<br />

erfordert 278. Das geltende Recht enthält die Ausschließungsmöglichkeit des<br />

Staatsanwalts wegen Befangenheit ausdrücklich nur in § 7 11 Nds. AGGVG279.<br />

Demzufolge hat sich die Rechtsprechung bislang durchweg geweigert, ein Ablehnungsrecht<br />

anzuerkennen.<br />

Einigkeit dürfte aber dahingehend bestehen, daß der Beschuldigte das Recht<br />

hat, die Ablösung eines ihm befangen erscheinenden Staatsanwalts beim vorgesetzten<br />

Beamten der Staatsanwaltschaft zu beantragen <strong>und</strong> daß dessen Verpflichtung<br />

besteht, einen Staatsanwalt abzulösen, wenn ihm gegenüber die Besorgnis<br />

der Befangenheit besteht 280 . <strong>Die</strong>s wird allgemein aus der richtergleichen Bindung<br />

des Staatsanwalts an Wahrheit <strong>und</strong> Gerechtigkeit 28 I , speziell aus der funktionalen<br />

Gleichschaltung mit dem Richter im Vorverfahren 282 abgeleitet.<br />

Damit verschiebt sich das Problem zur Frage der <strong>Die</strong>nstaufsicht 28<strong>3.</strong> Hier dürfte,<br />

unabhängig vom "Umweg" über die Befangenheitsdogmatik, kein Zweifel bestehen,<br />

daß die unverzögerte Durchführung des (Ermittlungs-)Verfahrens <strong>Die</strong>nstpflicht<br />

der Staatsanwaltschaft ist 284 mit der Folge, daß im Rahmen der <strong>Die</strong>nstaufsicht<br />

gemäß § 147 GVG der Staatsanwalt zur beschleunigten Verfahrensdurchführung<br />

angewiesen (vgl. § 146 GVG) oder abgelöst (vgl. § 145 GVG) werden kann.<br />

Einer weitverbreiteten Ansicht zufolge bietet sich die <strong>Die</strong>nstaufsichtsbeschwerde<br />

als Rechtsbehelf gegen Verfahrensverzögerungen durch den Richter an, da<br />

nach § 26 11 DRiG der Richter explizit zur unverzögerten Erledigung seiner<br />

270 Rieß, NStZ 1982, S. 435; vgl. auch Frisch in SK StPO, vor § 296 Rn. 15.<br />

271 Rieß, NStZ 1982, S. 435 f.<br />

272 Dazu Rieß / Thym, GA 1981, S. 189 ff.; K. Amelung, Rechtsschutz gegen strafprozessuale<br />

Gr<strong>und</strong>rechtseingriffe, S. 25 ff.; Frisch in SK StPO, vor § 296 Rn. 15.<br />

273 Vgl. W. Gollwitzer in LR'4, § 305 Rn. 2; Schwentker, Der Ausschluß der Beschwerde<br />

nach § 305 StPO, S.29; siehe auch BVerfG (Vorprüfungsausschuß), NStZ 1984,<br />

S.228.<br />

274 OLG Karlsruhe, NStZ 1982, S. 434; K. Schäfer in LR'3, § 23 EGGVG Rn. 39; K.<br />

Meyer, FS K. Schäfer, S. 120f. Vgl. auch Strubel/Sprenger, NJW 1972, S. 1739, mit<br />

dem zweifelhaften Vorschlag, dann müsse eben "das Verfahren nach § 23 EGGVG<br />

beschleunigt" werden.<br />

275 BVerfG (Vorprüfungsausschuß), NStZ 1984, S. 228 (229); OLG Frankfurt, NStZ<br />

1989, S. 96 (97). Vgl. auch Kloepfer, DVBl. 1977, S. 741 f.<br />

276 VG Berlin, DVBl. 1977, S. 739.<br />

177 Kloepfer, DVBl. 1977, S. 741 f.<br />

278 Vgl. dazu BGH, NJW 1980, S. 845 f.; NStZ 1984, S. 419.<br />

279 Inhaltlich ähnlich, wenngleich auch nicht ganz so weitgehend: § 11 Bad.-württ.<br />

AGGVG; zur verfassungsrechtlichen Problematik der Vorschriften siehe Frisch, FS Bmns,<br />

S. 389 f.<br />

280 Vgl. OLG Hamm, NJW 1969, S. 808 f.; Frisch, FS Bruns, S. 392 f.; C. Roxin, <strong>Strafverfahren</strong>srecht'l,<br />

§ 10 A III 5; Tolksdorf, Mitwirkungsverbot für den befangenen Staatsanwalt,<br />

S. 121 f.; Bruns, GebGabe Grützner, S. 44 f.<br />

281 Vgl. etwac. Roxin, <strong>Strafverfahren</strong>srecht 21 , § 10 A III 5.<br />

282 Vgl. etwa Frisch, FS Bmns, S. 409 f.<br />

283 Tolksdorf, Mitwirkungsverbot für den befangenen Staatsanwalt, S. 121; Bruns, Geb­<br />

Gabe Grützner, S. 45.<br />

284 Vgl. BGH, NStZ 1982, S. 291 (292); OLG Koblenz, NJW 1972, S. 1907 (1908);<br />

BGHZ20,S. 178(181 f.);AnwBI.1958,S. 152;StV 1988,S. 441; Kohlmann,FSMaurach,<br />

S. 505; J. Blomeyer, NJW 1977, S. 558 Fn. 9; K. Peters, Strafprozeß4, § 23 IV I a; vgl. auch<br />

Nr. 7 Abs. 1Satz 1RiStBV 1970: "<strong>Die</strong> Ermittlungen sind schnell <strong>und</strong> zielbewußt durchzuführen".


88 2. Kap.: Schwierigkeiten der Beschleunigung <strong>von</strong> <strong>Strafverfahren</strong> B. Verfahrensbeschleunigung durch den Beschuldigten 89<br />

Amtsgeschäfte ermahnt werden kann 285 • <strong>Die</strong>se Auffassung ist jedoch Zweifeln<br />

ausgesetzt, weil sich das Verhältnis <strong>von</strong> richterlicher Unabhängigkeit <strong>und</strong> <strong>Die</strong>nstaufsicht<br />

komplizierter gestaltet, als es § 26 11 DRiG nahelegt: <strong>Die</strong> <strong>Die</strong>nstaufsicht<br />

besteht nur insoweit, als die richterliche Tätigkeit mit der Rechtsfindung in der<br />

einzelnen Sache in keinem Zusammenhang steht. Nur dann besteht unter dem<br />

Gesichtspunkt richterlicher Unabhängigkeit kein Anlaß, der dienstaufsichtsführenden<br />

Stelle jede Einflußmöglichkeit zu versagen 286. Sie kann jedoch nur gr<strong>und</strong>sätzlich<br />

die zeitliche <strong>Dauer</strong> der richterlichen Amtsausübung überwachen 287. Jeder<br />

Eingriff, sogar jede speziell auf das konkrete Verfahren zielende Ermahnung ist<br />

der <strong>Die</strong>nstaufsicht versagt; sie darf den Richter insbesondere nicht ermahnen,<br />

ein ganz bestimmtes Verfahren umgehend zu bearbeiten288. <strong>Die</strong> <strong>Die</strong>nstaufsicht<br />

ist nur befugt, dem Richter anläßlich eines Einzelfalls die ordnungswidrige Ausübung<br />

seiner Tätigkeit vorzuhalten <strong>und</strong> ihn für die Zukunft durch eine Ermahnung<br />

allgemein dazu anzuhalten, seine Amtsgeschäfte ordnungsgemäß zu erledigen 289.<br />

Folglich versagt die <strong>Die</strong>nstaufsicht völlig, wenn der Richter ansonsten hinsichtlich<br />

der Zahl seiner Erledigungen ständig über dem Durchschnitt liegt 290. Zudem<br />

scheidet die <strong>Die</strong>nstaufsichtsbeschwerde bei prozeßverzögernder fehlerhafter<br />

Sachbehandlung durch überflüssige Maßnahmen aus 291.<br />

Weitergehendes soll in Ausnahmefällen dann gelten, wenn der Richter sich<br />

"offensichtlich" prozeßordnungswidrig oder fehlerhaft verhält 292.<br />

285 Vg!. Schroeder, Strafprozeßrechtl, S. 10; Kramer, Menschenrechtskonventi~n,<br />

S. 193; Dütz, Rechtsstaatlicher Oerichtsschutz im Privatrecht, S. 291; wohl auch C. Roxm,<br />

<strong>Strafverfahren</strong>srecht 21 , § 16 C. Ähnlich Hillenkamp, JR 1975, S. 139, der den Hinweis auf<br />

die <strong>Die</strong>nstaufsichtsbeschwerde für rechtlich unanfechtbar <strong>und</strong> nur psychologisch unrealistisch<br />

hält. Vg!. auch BOHSt 35, S. 137 (138).<br />

286 Vg!. BOHZ 51, S. 280 (287); 85, S. 145 (162); 90, S. 41 (45 f.); DRiZ 1971, S. 317;<br />

1985,S. 181 (182 f.).<br />

287 BOHZ 51, S. 280 (286 f.); 90, S.41 (45); DRiZ 1978, S. 185 f.; 1985, S. 181<br />

(182 f.); NJW 1987, S. 1197 (1198); jetzt auch DRiZ 1991, S.20 (21); OLO Köln,<br />

OLOZ 1970, S. 119; R. Schmidt-Räntsch, <strong>Die</strong>nstaufsicht über Richter, S. 123; Häsemeyer,<br />

FS Michaelis, S. 141 f.; unklar Albers in Baumbach / Lauterbach 48 , § 26 DRiG<br />

Anm.3 B b bb; a.A. offenbar OLO Hamm, JMB!. NW 1981, S. 69 (71); H. Klein, JZ<br />

1963, S. 591. Sehr weitgehend Kleinknecht / Meyer 36 , § 26 DRiO Rn. I, unter u~~utreffender<br />

Berufung auf BGH, DRiZ 1974, S. 163: Einflußnahme bei "vermeintlicher Uberlastung"<br />

zulässig. Sehr kritisch Hieronimi, NJW 1984, S. 108 f.<br />

288 So ausdrücklich BGH, NJW 1987, S. 1197 (1198); Papier, NJW 1990, S. 12. Kritisch<br />

Baur, FS Schwab, S. 56 f.<br />

289 BOHZ 51, S. 280 (286); 90, S. 41 (45); DRiZ 1985, S. 181 (182); Schmidt- Räntsch /<br />

Schmidt-Räntsch, DRi04, § 26 Rn. 28. Ausführliche Kasuistik bei Papier, NJW 1990,<br />

S. 11 f.<br />

290 Joachim,DRiZ 1965,S. 186.<br />

291 OLO Hamm, JMB!. NW 1981, S. 69 (71); Vollkommer, ZZP 81 (1968), S. 132; Papier,<br />

NJW 1990, S. 11.<br />

292 BOHZ46, S. 147 (150); 47, S. 275 (287); 67, S. 184 (187 f.); 70, S. 1 (4); 90, S. 41<br />

(46); 100, S. 271 (276); Schmidt-Räntsch / Schmidt-Räntsch, DRi0 4 , § 26 Rn. 23; Kleinknecht<br />

/ Meyer 36 , § 26 DRiO Rn. 1; Papier, NJW 1990, S. 11; kritisch Eb. Schmidt, Lehrkomm.<br />

I, Rn. 531; JZ 1963, S. 79; Hohendorf, NJW 1984, S. 959 f.<br />

Von einer <strong>Die</strong>nstaufsichtsbeschwerde gegen den Richter kann der Beschuldigte<br />

ansonsten mithin allenfalls mittelbare Wirkung erwarten, die darauf fußt, daß<br />

dem Richter prinzipiell anläßlich der konkreten Verfahrensverzögerung ein Disziplinarverfahren<br />

drohen kann mit Disziplinarstrafen vom Verweis bis zur Amtsenthebung<br />

29<strong>3.</strong> <strong>Die</strong>s wäre dann aber eine Konsequenz der <strong>Die</strong>nstaufsichtsbeschwerde,<br />

die weit über das vom Beschuldigten erstrebte Ziel hinausschießt. Der Beschuldigte,<br />

der damit die Überprüfung der Amtsausführung des Richters allgemein initiiert,<br />

gerät in die psychologisch unzumutbare <strong>und</strong> prozeßtaktisch riskante Situation,<br />

"seinen" Richter außerhalb des eigentlichen Verfahrens in Unannehmlichkeiten<br />

gebracht zu haben 294. Aus dieser Situation kann sich - ohne das Hinzutreten<br />

weiterer Umstände - kein Befangenheitstatbestand ergeben 295 •<br />

Weiterhin ist auch insoweit zu bedenken, daß <strong>Die</strong>nstaufsichtsbeschwerden ­<br />

sowohl gegen Richter als auch gegen Staatsanwalt - schwerlich als Rechtsbehelf<br />

im eigentlichen Sinne verstanden werden können: Wie auch die EKMR ausführt<br />

296 , ist dies darin begründet, daß die <strong>Die</strong>nstaufsichtsbeschwerde dem Antragsteller<br />

keinen persönlichen Anspruch auf Ausübung des Aufsichtsrechts durch<br />

den Staat gibt. Sie ist tatsächlich nur eine Mitteilung an die Aufsichtsbehörde<br />

mit der Anregung, <strong>von</strong> der Aufsichtsgewalt Gebrauch zu machen, sofern sie<br />

Veranlassung dazu sieht. Der Beschwerdeführer ist in dem Verfahren, das genausogut<br />

ohne seine Initiative eingeleitet werden kann, nicht Partei. Er erhält nicht<br />

einmal eine Entscheidung über seine Aufsichtsbeschwerde, sondern nur eine<br />

Mitteilung, auf welche Weise das Aufsichtsorgan seine Aufsichtsbeschwerde<br />

behandelt hat.<br />

Letztendlich bedeutet das vor allem für richterliche Verzögerungen, mit Weber­<br />

Grellet gesprochen: "Das <strong>Die</strong>nstrecht ist kein Instrument zur Beschleunigung<br />

<strong>von</strong> Verfahren." 297<br />

d) Strafanzeige<br />

Eine weitere Überlegung, sich gegen Verzögerungen zu wehren, erscheint auf<br />

den ersten Blick kurios, beim zweiten Hinsehen verführerisch <strong>und</strong> bei genauer<br />

Betrachtung schließlich abwegig: Es wird immer wieder darauf hingewiesen, es<br />

sei möglich, durch eine Strafanzeige, insbesondere wegen Rechtsbeugung 298 , die<br />

Strafverfolgungsbehörden zu unverzögertem Handeln anzuhalten.<br />

293 Häsemeyer, FS Michaelis, S. 142 f.<br />

294 Vg!. EKMR, CD 38 (1972), S. 44 (55); Häsemeyer, FS Michaelis, S. 144 f.; Hillenkamp,JR<br />

1975, S. 139.<br />

295 Vgl. BOH,NJW 1952, S. 1425; Häsemeyer,FS Michaelis, S. 145.<br />

296 EKMR, EuORZ 1979, S. 346 (348).<br />

297 Weber-Orellet,NJW 1990,S. 1778.<br />

298 Häsemeyer, FS Michaelis, S. 138 f.; E. Schumann in Stein / Jonas 20 , Ein!. Rn. 213;<br />

Papier in HdB Staatsrecht VI, § 153 Rn. 23; vgl. auch Dütz, Rechtsstaatlicher Oerichtsschutz<br />

im Privatrecht, S. 291.


90 2. Kap.: Schwierigkeiten der Beschleunigung <strong>von</strong> <strong>Strafverfahren</strong> B. Verfahrensbeschleunigung durch den Beschuldigten 91<br />

Nun ist eine Strafanzeige oder schon die Äußerung des Verdachts einer Straftat<br />

gegenüber dem erkennenden Richter oder dem sachbearbeitenden Staatsarnwalt<br />

prozeßtaktisch <strong>und</strong> psychologisch außerordentlich risikobehaftet. Rein tatsäcltlich<br />

stünde zu befürchten, daß hier - mehr noch als bei einer <strong>Die</strong>nstaufsichrtsbeschwerde<br />

- eine nicht unerhebliche Befangenheit des angezeigten Strafv~rfolgungsorgans<br />

gegenüber dem Beschuldigten hervorgerufen werden könnte; ein<br />

diesbezügliches Befangenheitsgesuch fällt jedoch regelmäßig auch gegen. den<br />

Richter aufgr<strong>und</strong> der Strafanzeige aus: Mit der Begründung, der Angeklagte<br />

hätte es sonst in seiner eigenen Hand, sich nach Belieben jedem Richter zu<br />

entziehen, wird bei Erstattung einer Strafanzeige gegen den Richter <strong>von</strong> der ganz<br />

herrschenden Meinung die Möglichkeit eines Befangenheitsgesuches verneiflt 299 ,<br />

solange dieser nicht mit seiner Reaktion zeigt, daß er tatsächlich befangen ist 3 °O.<br />

Rechtfertigen läßt sich dies nicht damit, daß keine Befangenheit zu besorge:n ist,<br />

sondern nur dadurch, daß die Rechtsordnung vernünftigerweise einer so vom<br />

Beschuldigten provozierten Besorgnis der Befangenheit des Richters keine Bedeutung<br />

beimessen wolle 301 .<br />

Insofern gilt für die Strafanzeige das gleiche, was auch ansonsten zu Skoepsis<br />

veranlaßt, wenn etwa diskutiert wird, ob das Ankündigen einer Entschädigongsklage<br />

302, eines Antrags auf Nichterhebung <strong>von</strong> Verfahrenskosten gemäß § 8<br />

GKG303 oder einer <strong>Die</strong>nstaufsichtsbeschwerde 304 als "stimulans" 305 für beschleunigte<br />

Verfahrensführung angeraten werden kann, zumal das drohende Risik 0 die<br />

Initiative des Amtsträgers genausogut auch lähmen könnte 306.<br />

Soweit die Verzögerungen den Verdacht einer Straftat im Amt rechtfertigen,<br />

wäre natürlich auch ohne Strafanzeige ein Ermittlungsverfahren <strong>von</strong> Amts wegen<br />

einzuleiten. Allerdings mag fraglich sein, ab welchem Punkt die Strafverfolgongsbehörden<br />

bereit sind, das strafrechtliche Instrumentarium "gegen das eigene<br />

Personal" in Gang zu setzen307.<br />

299 BGH, NJW 1962, S. 748 (749); KG, JR 1962, S. 113; ähnlich BGH, NJW 1952,<br />

S. 1425 (<strong>Die</strong>nstaufsichtsbeschwerde); differenzierend Wendisch in LR24, § 24 Rn. 23 f.<br />

300 Vgl. OLG Oldenburg, HESt 3, S. I (2); AG Oldenburg, StV 1990, S. 259; Arzt, Der<br />

befangene Strafrichter, S. 53 f.; Baur, FS Schwab, S. 58.<br />

301 Rudolphi in SK StPO, § 24 Rn. 13; Arzt, Der befangene Strafrichter, S. 53 f.; Baur,<br />

FS Schwab, S. 58 f.<br />

302 Vgl. Häsemeyer, FS Michaelis, S. 139; Peukert, EuGRZ 1979, S. 264.<br />

303 Vgl.J. Blomeyer,NJW 1977, S. 557.<br />

304 VgI.EKMR,CD38 (1972),S. 38 (55); EuGRZ 1979,S. 346(347 f.);Hillenkamp,JR<br />

1975, S. 139; Häsemeyer, FS Michaelis, S. 144 f.; Peukert, EuGRZ 1979, S. 264.<br />

305 J. Blomeyer, NJW 1977, S. 557.<br />

306 Häsemeyer,FS Michaelis, S. 139. Vgl. auchPeukert, EuGRZ 1979, S. 26<strong>3.</strong><br />

307 Vgl. K. Amelung, Informationsbeherrschungsrechte im Strafprozeß, S. 18.<br />

aa) Zur Strafbarkeit des Amtsträgers bei grammatikalischer<br />

Auslegung der §§ 336, 258a StGB<br />

Dagegen erstaunt es, wie leichthin in der Literatur zu § 336 StGB gelegentlich<br />

die kurze Bemerkung fallengelassen wird, daß bei Verzögerungen durch den<br />

Amtsträger das Verbrechen der Rechtsbeugung vorliegen kann 308. Zwar bereitet<br />

die Vorschrift in der Tat, jedenfalls aufden ersten Blick, insofern wenig Probleme:<br />

Der Tatbestand kann nach herrschender Ansicht auch vom Staatsanwalt als Herr<br />

des Ermittlungsverfahrens verwirklicht werden 309. Tathandlung ist sowohl nach<br />

der herrschenden objektiven Theorie 310 als auch nach der im Vordringen befindlichen<br />

Pflichtverletzungslehre 311 - die subjektive Theorie 312 dürfte obsolet sein 313<br />

- bei eindeutigen Normen 314 (wie etwa Fristbestimmungen) das Abweichen <strong>von</strong><br />

deren Aussagegehalt. Bei mehrdeutigen Normen besteht insoweit Einigkeit, daß<br />

Rechtsbeugungjedenfalls dann objektiv vorliegt, wenn sich die Rechtsanwendung<br />

nicht mehr im Rahmen des "noch Vertretbaren" hält. Da nach allgemeiner Ansicht<br />

auch die "Beugung" <strong>von</strong> Normen des Verfahrensrechts tatbestandsmäßig ist315,<br />

könnten prinzipiell alle "unvertretbaren" Verzögerungen unter § 336 StGB fallen.<br />

<strong>Die</strong> "Ausscheidung <strong>von</strong> Bagatellfällen" 316 aus dem objektiven Tatbestand bewirkt<br />

die Voraussetzung der Zufügung eines Vor- oder Nachteils einer Partei: Will<br />

man hier nicht die "abstrakte" Verletzung des Beschleunigungsprinzips ausreichen<br />

lassen, das im rechtlichen Interesse sowohl des Beschuldigten als auch des<br />

Staates liegen soll 317 , wäre hier erforderlich, daß sich die prozessuale Situation<br />

308 Spendel in LKIO, § 336 Rn. 54; Wacker, <strong>Die</strong> Rechtsbeugung, S. 22; Binding, Lehrbuch<br />

des Gemeinen Deutschen Strafrechts BT II / 2, § 227 VII 5. Vgl. auch Wemer in LK8,<br />

§ 336 Anm. IV; Frank, StGB 18, § 336 Anm. II; Freiesleben in Olshausen's Komm.ll § 336<br />

Anm. 2 c, die nur die Justizverweigerung erwähnen.<br />

'<br />

309 A. A. vor allem Vormbaum, Der strafrechtliche Schutz des Strafurteils, S. 339 ff.<br />

310 Spendel in LKIO, § 336 Rn. 41; Dreher / Tröndle, StGB44, § 336 Rn. 5; Cramer in<br />

SchSch 23 , § 336 Rn. 5a; Maurach / Schroeder, Strafrecht BT /2 6 , § 74 II 3; Seebode, Das<br />

Verbrechen der Rechtsbeugung, S. 20 ff.; Heinitz, Probleme der Rechtsbeugung, S. 16 f.;<br />

Vormbaum, Der strafrechtliche Schutz des Strafurteils, S. 362 f.; Bemmann GA 1969<br />

S. 65 ff. ' ,<br />

311 Rudolphi,ZStW82 (l970),S. 610 ff.;inSKStGB,§ 336Rn. 13;G.HerdegeninLK9,<br />

§ 336 Rn. 4 ff.;. Otto, C!r<strong>und</strong>kurs Strafrecht BT2, § 98 I 3; H. Wagner, Amtsverbrechen,<br />

S. 202 f.; Schmldt-Spelcher, Hauptprobleme der Rechtsbeugung, S. 63; 80; Geppert, JA<br />

1981,S. 80; Behrendt,JuS 1989,S. 948 f.<br />

312 H. v. Weber,NJW 1950, S. 272 ff.; Mohrbotter,JZ 1969, S. 491 f.; Sarstedt,FS Heinitz,<br />

S. 428 ff.; Musielak, <strong>Die</strong> Rechtsbeugung, S. 23 ff.<br />

31<strong>3.</strong> Vgl. Schünemann, Verh. 58. DJT, S. B 132. Dem Streitkommtohnehinrelativgeringe<br />

praktIsche Bedeutung zu, vgl. Blei, Strafrecht BTI2, § 112 II 3; Schreiber, GA 1972, S. 207;<br />

dagegen aber Spendel in LKW, § 336 Rn. 37.<br />

314 Kritisch zu diesem Begriff Sarstedt, FS Heinitz, S. 428; dagegen Spendel in LKW,<br />

§ 336 Rn. 43; Vormbaum, Der strafrechtliche Schutz des Strafurteils, S. 362 Fn. 109.<br />

315 Vgl.stattvielerSchünemann, Verh. 58. DJT,S. B 132m.w.N.<br />

316 Vormbaum, Derstrafrechtliche Schutz des Strafurteils, S. 366; ähnlich Schünemann,<br />

Verh. 58. DJT, S. B 13<strong>3.</strong><br />

317 BGHSt26, S. 228 (232). Vgl. auch BVerfGE 63, S. 45 (69); 66, S. 313 (321).


92 2. Kap.: Schwierigkeiten der Beschleunigung <strong>von</strong> <strong>Strafverfahren</strong> B. Verfahrensbeschleunigung durch den Beschuldigten 93<br />

einer Partei verändert, was bei Verzögerungen insbesondere durch Veränderung<br />

der Beweislage der Fall sein könnte 318 • Darüber hinaus dürften auch Verfahrensbelastungen,<br />

die aus der Verzögerung erwachsen, einen Nachteil des Beschuldigten<br />

i. S. v. § 336 StGB darstellen können 319 . Da nunmehr entgegen der früher<br />

herrschenden Ansicht da<strong>von</strong> ausgegangen wird, daß § 336 StGB auch bedingt<br />

vorsätzlich verwirklicht werden kann 320, dürfte bezüglich des subjektiven Tatbestands<br />

noch am ehesten fraglich sein können, ob der dolus eventualis bezüglich<br />

des Taterfolges, nämlich des Vor- oder Nachteils für eine Partei, vorhanden ist.<br />

Ob, wie gelegentlich gemeint wird, eine Verurteilung wegen Rechtsbeugung in<br />

praxi an der Beweisbarkeit des Vorsatzes regelmäßig scheitern würde 321, erscheint<br />

zumindest fraglich.<br />

Noch Verblüffenderes ergibt ein Blick auf die Strafvereitelung im Amt, § 258a<br />

StGB. Erkennt man mit der herrschenden Meinung an, daß auch eine Strafvereitelung<br />

auf Zeit möglich ist, führt das zu dem Ergebnis, daß jegliches verzögernde<br />

Verhalten der Strafverfolgungsorgane tatbestandsmäßig wäre: <strong>Die</strong> Strafvereitelung<br />

im Amt würde "zur Strafbewehrung des sonst prozessual diskutierten Beschleunigungsgebotes"<br />

322. Konsequenz hier<strong>von</strong> wäre, daß etwa jeder Richter<br />

gegen § 258a StGB verstoßen würde, der ohne zwingenden Gr<strong>und</strong> einen Hauptverhandlungstermin<br />

später als eigentlich möglich ansetzt, jeder Staatsanwalt, der<br />

unzweckmäßige <strong>und</strong> überflüssige Ermittlungshandlungen vornimmt oder jeder<br />

Polizist, der nicht unverzüglich den Tatortbericht abfaßt 32<strong>3.</strong><br />

Nun ist es allerdings grotesk, wenn man ernsthaft erwägt, der Beschuldigte<br />

solle Strafanzeige wegen Strafvereitelung zu seinen Gunsten - der Nichtgeständige<br />

kann konsequenterweise ohnehin nur den Vorwurf versuchter Strafvereitelung<br />

erheben - stellen. Jedoch besteht auch die Pflicht des Staatsanwalts, ein<br />

Ermittlungsverfahren bei Wegfall des Tatverdachts unverzüglich gemäß § 17011<br />

StPO einzustellen, sowie die richterliche Pflicht, die Ablehnung der Eröffnung<br />

des Hauptverfahrens oder die Einstellung nach § 206a StPO nicht hinauszuzögern<br />

<strong>und</strong> die Hauptverhandlung zwecks Freisprechung unverzögert anzuberaumen. In<br />

einem solchen Verhalten kann gr<strong>und</strong>sätzlich die Verfolgung Unschuldiger gemäß<br />

318 Rudolphi in SK StGB, § 336 Rn. 18; Seebode, Das Verbrechen der Rechtsbeugung,<br />

S. 96; Vorrnbaum, Der strafrechtliche Schutz des Strafurteils, S. 366.<br />

319 Vgl. BGHSt32, S. 357 (359 f.); Rudolphiin SKStGB, § 336Rn. 18.<br />

320 Vgl. statt vieler ausführlich Behrendt, JuS 1989, S. 949 f.; a.A. Krause, NJW<br />

1977, S. 285 f.; 1. Müller, NJW 1980, S. 2390 ff.; kritisch Rudolphi in SK StGB, § 336<br />

Rn. 20; offengelassen <strong>von</strong> OLG Düsseldorf, JZ 1990, S. 396; BGH bei Holtz, MDR<br />

1978, S. 626. Unklar Hassemer, JuS 1990, S. 766.<br />

321 Häsemeyer, FS Michaelis, S. 138; E. Schumann in Stein IJonas 2o , Einl. Rn. 21<strong>3.</strong><br />

322 Samson, JA 1982, S. 183; ähnlich in SK StGB, § 258 Rn. 29; Vorrnbaum, Der<br />

strafrechtliche Schutz des Strafurteils, S. 435.<br />

323 Samson in SK StGB, § 258a Rn. 7; Vorrnbaum, Der strafrechtliche Schutz des<br />

Strafurteils, S. 435.<br />

§ 344 StGB liegen 324. Insbesondere Fälle, in denen der Richter <strong>von</strong> der Nichtverfolgbarkeit<br />

weiß oder die Verfolgung eines Unschuldigen beabsichtigt, sind jedoch<br />

seltene, zudem kaum nachweisbare Ausnahmen.<br />

bb) Zur Straflosigkeit des Amtsträgers bei restriktiver<br />

Interpretation der §§ 336, 258a StGB<br />

Das bisherige Zwischenergebnis, daß der Amtsträger sich durch jede Verzögerung<br />

wegen Strafvereitelung strafbar macht <strong>und</strong> bei jeder "eindeutig" gegen das<br />

Recht verstoßenden Verzögerung sogar den Verbrechenstatbestand des § 336<br />

StGB erfüllt, ist natürlich nicht ernsthaft vertretbar. Eine solche Auslegung stünde<br />

übrigens auch im Widerspruch zu § 83911 BGB, der zwischen Pflichtverletzung<br />

durch Straftat <strong>und</strong> pflichtwidriger Verzögerung unterscheidet.<br />

So wird auch im Bereich der Tatbestände <strong>von</strong> §§ 258, 258a StGB allgemein 32 5,<br />

wenn auch in unterschiedlicher Weise versucht, die "eklatanten Unzuträglichkeiten"<br />

326 einzugrenzen <strong>und</strong> die Strafbarkeit <strong>von</strong> Verzögerungen zu reduzieren:<br />

Zunächst einmal ist es überwiegende Auffassung, daß Strafvereitelung nicht<br />

schon dann gegeben ist, wenn einzelne Verfahrenshandlungen später erfolgen,<br />

sondern erst dann, wenn es zu einer Verzögerung der Bestrafung kommt 327 . Das<br />

entgegengesetzte Ergebnis kollidierte zum einen mit dem Wortlaut <strong>von</strong> § 258 I<br />

StGB ("bestraft")328 <strong>und</strong> zum anderen auch mit der Entstehungsgeschichte, wonach<br />

die sog. "Strafjustizvereitelung" gerade nicht unter Strafe gestellt werden<br />

sollte 329 • Zweifelhafte Folge dieser Auslegung wäre im übrigen, daß nahezu jeder<br />

Zeuge, der in der Hauptverhandlung unentschuldigt ausbleibt, <strong>und</strong> der Sachverständige,<br />

der die Frist zur Erstellung des Gutachtens nach § 77 StPO versäumt,<br />

Strafvereitelung beginge 330. Andererseits bedeutet die restriktive Auslegung aber<br />

eine verringerte Praktikabilität der Strafvereitelungstatbestände 331 : Es ist nunmehr,<br />

gerade bei Verzögerungen im frühen Stadium des <strong>Strafverfahren</strong>s, etwa<br />

324 Vgl. BVerfG (Vorprüfungsausschuß), NStZ 1984, S. 228 (229); OLG Frankfurt,<br />

StV 1989, S. 96 (97); Jescheck in LKlO, § 344 Rn. 7; eramer in SchSch 23 , § 344 Rn. 14;<br />

Schmidhäuser, Strafrecht BT, Kap. 23 Rn. 48; Bockelmann, Strafrecht BT 13, § 11 I 1<br />

b bb; Rieß, NStZ 1982, S. 436.<br />

325 Anders wohl nur Beulke, <strong>Die</strong> Strafbarkeit des Verteidigers, Rn. 132. Vgl. dazu<br />

Tondorf, StV 1990, S. 285 f.<br />

326 Vorrnbaum, Der strafrechtliche Schutz des Strafurteils, S. 435.<br />

327 KG, JR 1985, S. 25; Stree in SchSch 23 , § 258 Rn. 16; Vorrnbaum, Der strafrechtliche<br />

Schutz des Strafurteils, S. 404 f.; Geppert, JK 1981, StGB § 258/2; a.A. aber Ruß<br />

in LKlO, § 258 Rn. 10; Beulke, <strong>Die</strong> Strafbarkeit des Verteidigers, Rn. 132. Unklar häufig<br />

die Rechtsprechung; vgl. Vorrnbaum, a.a.O., S. 405.<br />

328 Schroeder, NJW 1976, S. 980; Samson, JA 1982, S. 181 f.<br />

329 Dazu Samson, JA 1982, S. 181 f.<br />

330 So Samson in SK StGB, § 258 Rn. 29; JA 1982, S. 18<strong>3.</strong><br />

331 Vgl. Samson, JA 1982, S. 181.


94 2. Kap.: Schwierigkeiten der Beschleunigung <strong>von</strong> <strong>Strafverfahren</strong> B. Verfahrensbeschleunigung durch den Beschuldigten 95<br />

dem Ermittlungsverfahren, kaum im konkreten Fall die hypothetische Kausalität<br />

nachweisbar - Blei weist darauf hin, daß die auf Vereitelung zielende Intervention<br />

das Verfahren sogar beschleunigen kann 332 -, so daß regelmäßig keine<br />

vollendete Strafvereitelung feststellbar ist 33<strong>3.</strong> Auch die Strafbarkeit des Amtsträgers<br />

wegen Versuchs entfiele, sofern ihm nicht zu widerlegen ist, daß er bei<br />

seiner Verzögerung auf die zeitgleiche Bestrafung vertraute.<br />

Insbesondere die Rechtsprechung versucht die Strafbarkeit im Rahmen <strong>von</strong><br />

§ 258 StGB einzudämmen, indem sie vollendete Strafvereitelung nur dann annimmt,<br />

wenn für "geraume Zeit" verzögert wird 334: So soll nach Ansicht des<br />

BGH eine Verzögerung <strong>von</strong> sechs Tagen nicht genügen 335; das Kammergericht<br />

stimmte dem für die <strong>Dauer</strong> <strong>von</strong> sieben bzw. acht Tagen zu 336. Das OLG Stuttgart<br />

nahm dagegen vollendete Strafvereitelung bei einer Verzögerung <strong>von</strong> zehn Tagen<br />

an 337, das LG Hannover beim Verstecken für "mehrere Nächte" 338. Kleinere<br />

Verzögerungen bei der Strafverfolgung wären demnach also irrelevant. Nun ist<br />

dieses Merkmal der "geraumen Zeit" unter Hinweis auf Art. 103 11 GG Kritik<br />

ausgesetzt, <strong>und</strong> zwar in zwei entgegengesetzte Richtungen:<br />

Im Anschluß an Lenckner wird die Auffassung vertreten, daß zwarjede Verzögerung,<br />

die nicht nur ganz unerheblich ist, dem Strafvereitelungstatbestand unterfieie,<br />

jedoch sei der subjektive Tatbestand dahingehend zu interpretieren, daß<br />

wissentliche Strafvereitelung nur dann vorliegen kann, wenn es zu einer "Solidarisierung"<br />

mit dem Vortäter kommt, wenn also der Täter die Strafvereitelung, <strong>und</strong><br />

sei es nur als Nebenfolge, will 339. Hiernach wäre Strafvereitelung auf Zeit im<br />

Amt durch bloße Nachlässigkeiten praktisch kaum denkbar.<br />

Von der Gegenposition, deren Wortführer Samson ist, wird dieser Lösung<br />

entgegengehalten, sie würde die Strafvereitelung entgegen dem Willen des Gesetzgebers<br />

<strong>von</strong> einem Erfolgs- in ein Absichtsdelikt verwandeln 340. Vielmehr sei<br />

332 Blei, Strafrecht II12, § 109 IV 2.<br />

333 KG, JR 1985, S. 24 (25); Samson in SK StGB, § 258 Rn. 28; JA 1982, S. 182;<br />

Vormbaum, Der strafrechtliche Schutz des Strafurteils, S. 410 f.; Lenckner, GS Schröder,<br />

S.348; Schroeder, NJW 1976, S. 980; Frisch, NJW 1983 S.2474· Geppert JK 1981<br />

StGB § 258/2. ' , , ,<br />

334 Vgl. etwa RGSt 70, S. 251 (254); BGH, NJW 1984, S. 135' bei Holtz MDR 1981<br />

S. 631. <strong>Die</strong>se Re~tt:iktion befÜhrt)edoch nicht die Strafbarkeit in Faligest~ltungen wi~<br />

der ,:,o? der V~~emigung der Berhner Staatsanwälte vorgetragenen, infolge der Wiederve.reImg~ng<br />

wurden aufgr<strong>und</strong> Personalmangels zahlreiche Verfahren "stillgelegt", also<br />

(bIS zu emem Jahr) "verfristet"; siehe Spandauer Volksblatt v. 21. 7.1991, S. <strong>3.</strong><br />

335 BGH, NJW 1959, S. 494 (495); kritisch dazu Ruß in LKIO, § 258 Rn. 10.<br />

336 KG, JR 1985, S. 24 (25); NStZ 1988, S. 178.<br />

337 OLG Stuttgart, NJW 1976, S. 2084.<br />

338 LG Hannover, NJW 1976, S. 979.<br />

339 Lenckner, GS Schr?der, S. 343 ff.; Rudolphi, JuS 1979, S. 859 ff.; Geppert, JK<br />

1981, StGB § 258/2; zustimmend auch OLG Koblenz, NJW 1982, S. 2785 (2786); vgl.<br />

auch Stree, JuS 1976, S. 140; Müller-<strong>Die</strong>tz Jura 1979 S 246' Ku"pper GA 1987<br />

S. 399 ff. "" , '<br />

die Figur der "Strafvereitelung auf Zeit" völlig abzulehnen 34\. Für diese Lösung<br />

ließe sich vor allem anführen, daß nach dem allgemeinen Sprachgebrauch "Vereiteln"<br />

das endgültige Verhindern bedeutet342. Zwar ergibt sich aus der Entstehungsgeschichte,<br />

daß der Gesetzgeber auch die zeitige Strafvereitelung unter §§ 258,<br />

258a StGB fassen wollte 343; jedoch ist selbst dann, wenn man insoweit <strong>von</strong> einem<br />

offensichtlichen Redaktionsversehen ausgeht, fraglich, inwieweit hier nicht<br />

Art. 103 11 GG sperrt 344 • Kriminalpolitisch würden Strafbarkeitslücken aufgr<strong>und</strong><br />

der Versuchsstrafbarkeit ausbleiben 345, jedoch wäre Straflosigkeit dort gegeben,<br />

wo nicht die Entziehung auf <strong>Dauer</strong> gewollt ist, also insbesondere bei verzögerndem<br />

Verhalten der Strafverfolgungsorgane. Hier läge Strafvereitelung vor allem<br />

vor bei bedingt vorsätzlichem Erreichen der Grenze der Verfolgungsverjährung<br />

346 , wenn also, wie einem Pressebericht zufolge 347 das LG Düsseldorf 348 ,<br />

ein Gericht eine Sache "der Verjährung zuführen" will. Im Vorfeld dazu könnte<br />

für die Auslegung des Merkmals "auf <strong>Dauer</strong>" die zu § 224 StGB vorhandene<br />

Kasuistik herangezogen werden 349, so daß "unbestimmt langwierige" Verzögerungen<br />

tatbestandsmäßig sein könnten 350.<br />

<strong>Die</strong> Rechtsprechung hat zur Frage der Strafvereitelung durch Verzögerungen<br />

des Amtsträgers, also im Rahmen <strong>von</strong> § 258a StGB, bisher nur einzelfallorientiert<br />

entschieden. Sie hat in Fällen bloßer Verzögerung entweder an den subjektiven<br />

Tatbestand sehr hohe Anforderungen gestellt351 oder aber die Rechtswidrigkeit<br />

verneint, weil der Amtsträger seiner Rechtspflicht zum Handeln nicht in vorwerfbarer<br />

Weise zuwidergehandelt habe, wenn er bis an die Grenzen seiner Leistungsfähigkeit<br />

heran gearbeitet habe <strong>und</strong> einen Vorgesetzten auf die Rückstände aufmerksam<br />

gemacht habe 352. Letzteres läßt freilich den bedenklichen Umkehrschluß<br />

340 Samson in SK StGB, § 258 Rn. 29b; JA 1982, S. 183; Frisch, JuS 1983, S. 917.<br />

34\ Samson in SK StGB, § 258 Rn. 25 ff.; § 258a Rn. 10; JA 1982, S. 181 ff.; Vormbaum,<br />

Der strafrechtliche Schutz des Strafurteils, S. 404 ff.; Wassmann, Strafverteidigung<br />

<strong>und</strong> Strafvereitelung, S. 245.<br />

342 VgI: dazu Maurach 1Schroeder, Strafrecht BT/2 6 , § 98 II 3; Vormbaum, Der<br />

strafrechthche Schutz des Strafurteils, S. 403; Samson, JA 1982, S. 181. A. A. Beulke,<br />

<strong>Die</strong> Strafbarkeit des Verteidigers, Rn. 132.<br />

343 Vgl. Begr. RegE EGStGB, BT-DrS 7/550, S. 249.<br />

344 So Vormbaum, Der strafrechtliche Schutz des Strafurteils, S. 404 Fn. 70; anders<br />

Maurach 1Schroeder, Strafrecht BT 12 6 , § 98 II <strong>3.</strong><br />

345 A. A. Maurach 1Schroeder, Strafrecht BT 12 6 , § 98 II <strong>3.</strong><br />

346 Samson, JA 1982, S. 181.<br />

347 Elendt, Stern 50/1988 vom 8.12.1988, S. 134; vgl. auch Papier, NJW 1990, S. 8;<br />

Schmalz, JuraTelegramm 1990, S. 32.<br />

348 LG Düsseldorf, NJW 1988, S. 427.<br />

349 Vormbaum, Der strafrechtliche Schutz des Strafurteils, S. 407.<br />

350 Vgl. BGHSt 24, S. 315 (317).<br />

351 BGHSt 19, S. 79.<br />

352 BGHSt 15, S. 18 (22); DRiZ 1977, S. 87 (88) (a.A. die Vorinstanz LG Kiel DRiZ<br />

1976, S. 217). '


96 2. Kap.: Schwierigkeiten der Beschleunigung <strong>von</strong> <strong>Strafverfahren</strong> B. Verfahrensbeschleunigung durch den Beschuldigten 97<br />

zu, daß der BGH Verzögerungen aufgr<strong>und</strong> bloßer Arbeitsüberlastung pönalisieren<br />

wollte 35<strong>3.</strong> Da der BGH jedoch (in einem Amtshaftungsprozeß) betonte, dem<br />

Amtsträger müsse eine gewisse Zeitspanne für seine Entschließung zugebilligt<br />

werden 354, läßt sich vermuten, daß die höchstrichterliche Rechtsprechung weiterhin<br />

bei Verzögerungen durch den Amtswalter nicht wegen Strafvereitelung im<br />

Amt bestrafen wird.<br />

Letzteres dürfte im Ergebnis auch bezüglich der Strafbarkeit wegen Rechtsbeugung<br />

gelten, wenngleich die Einschränkungen bei dieser "Vorschrift mit Haken<br />

<strong>und</strong> Ösen"355 noch schwerer fallen. So hat der BGH356 wiederholt unter Berufung<br />

auf die Gesetzgebungsgeschichte eine, wie Rudolphi 357 formuliert, "normative<br />

Einschränkung, deren Gehalt völlig im Dunkeln bleibt", angedeutet: § 336 StGB<br />

erfasse "nicht schlechthin jede unrichtige Rechtsanwendung, sondern nur die<br />

Beugung des Rechts ... In dem Begriffder Rechtsbeugung wird man ein normatives<br />

Element erblicken können, das bereits als ein wesentliches Regulativ zu<br />

wirken vermag". Klarer hat der BGH in einer neueren Entscheidung zur Rechtsbeugung<br />

in einem obiter dictum einschränkend ausgeführt, die Unabhängigkeit<br />

richterlichen Entscheidens würde Schaden leiden, wenn ein Richter aufgr<strong>und</strong><br />

einer Ermessensüberschreitung in einem Verfahren, an dem er keinerlei persönliches,<br />

die Objektivität seines Urteils möglicherweise trübendes Interesse nimmt,<br />

wegen des Verbrechens der Rechtsbeugung - mit der möglichen Folge der<br />

Beendigung des <strong>Die</strong>nstverhältnisses, § 24 DRiG - verfolgt würde 358 . Bezogen<br />

auf Verzögerungen durch Strafverfolgungsorgane ließe sich ein ähnlicher Wertungswiderspruch<br />

zwischen Strafandrohung einerseits <strong>und</strong> Rechtsverletzung andererseits<br />

herleiten: Auch hier wird der verzögernde Amtswalter normalerweise<br />

keinerlei persönliches Interesse an dem Fall haben, wobei noch hinzukommt,<br />

daß sich in aller Regel kaum absehen läßt, ob sich die Verzögerung zugunsten<br />

oder zu Lasten der Verteidigung des Beschuldigten auswirkt 359 . Des weiteren ist<br />

eine gewisse Rechtsähnlichkeit zur Ermessensüberschreitung gegeben: <strong>Die</strong> Strafverfolgungsbehörden<br />

sind bis aufwenige Ausnahmen nicht durch Fristen, sondern<br />

nur durch das allgemeine "Beschleunigungsgebot" angehalten. Insofern existiert<br />

ein gewisser Freiraum für die Entscheidung, wann welche Maßnahme im jeweiligen<br />

Verfahren vorzunehmen ist <strong>und</strong> in welcher Reihenfolge verschiedene Verfah-<br />

353 Vgl. Weber-Grellet, NJW 1990, S. 1778. Siehe aber auch BVerfGE 81, S.264<br />

(272).<br />

354 BGH, StV 1988, S. 441 (444); vgl. auch BGHSt 19, S. 79 (80 f.). Siehe jetzt auch<br />

OLG Düsseldorf, StV 1990, S. 504 (505).<br />

355 Hassemer, JuS 1990, S. 766. Vgl. auch OLG Celle, NJW 1990, S. 2570 (2571).<br />

356 BGHSt 32, S. 357 (363 f.); 34, S. 146 (149); vgl. auch KG, NStZ 1988, S. 557.<br />

357 Rudolphi in SK StGB, § 336 Rn. 11; ähnlich Behrendt, JuS 1989, S. 946 Fn. 19.<br />

358 BGH, NStZ 1988, S. 218 (219); zustimmend Doller, NStZ 1988, S. 220.<br />

359 <strong>Die</strong> sich hieraus ergebenden Vorsatzprobleme dürften noch weitgehend unklar<br />

sein; vgl. BGHSt 32, S.357 (361); Spendei, JR 1985, S. 489 f.; Fezer, NStZ 1986,<br />

S. 29 f. Siehe auch Schünemann, Verh. 58. DJT, S. B 135.<br />

ren bearbeitet werden sollen 360. Insofern ist der Hinweis Schünemanns beachtenswert,<br />

daß eine Art "Saldotheorie" die Einzelbetrachtung der zeitlichen Bearbeitung<br />

verschiedener Verfahren beim Rechtsbeugungstatbestand ersetzen könnte,<br />

deren "methodengerechte Umsetzung" allerdings "kaum überwindliche Schwierigkeiten"<br />

machen würde 361.<br />

Soweit die unklaren Grenzen der Rechtsbeugung durch Verzögerungen enger<br />

sein sollten als die der Strafvereitelung im Amt, würde die Bestrafung aus § 258a<br />

StGB insoweit an der Sperrwirkung des § 336 StGB 362 scheitern, die auch in<br />

bezug auf andere Rechtspflegedelikte gilt 363 .<br />

e) Wiederaufnahme des Verfahrens, § 359 StPO<br />

Daß kein anderes Ergebnis mit der StPO vereinbar ist, als die Strafbarkeit <strong>von</strong><br />

Amtsträgern wegen Verfahrensverzögerungen auf Extremfälle zu beschränken,<br />

ergibt sich auch aus §§ 359 Nr. 3,362 NI. 3 StPO: Nach rechtskräftiger Verurteilung<br />

(vgl. § 364 StPO) wegen strafbarer Amtspflichtverletzung des Richters, also<br />

etwa wegen §§ 258a, 336, 344 StGB364, ist die Wiederaufnahme des Verfahrens<br />

unabhängig da<strong>von</strong> möglich, ob die Pflichtverletzung Einfluß aufdie Entscheidung<br />

gehabt hat; es liegt also ein absoluter Wiederaufnahmegr<strong>und</strong> vor 365 . Allerdings<br />

wäre der theoretische Anwendungsbereich <strong>von</strong> § 359 NI. 3 StPO, der bisher so<br />

gut wie keine praktische Bedeutung erlangt hat 366 , für den Beschuldigten weniger<br />

groß, als es auf den ersten Blick erscheinen mag: Zum einen findet § 359 Nr. 3<br />

StPO nur auf richterliche Pflichtverletzungen Anwendung 367 <strong>und</strong> zum anderen<br />

nur dann, wenn das Urteil nicht in der Rechtsmittelinstanz in tatsächlicher Hinsicht<br />

vollumfänglich überprüft wurde 368. Praktisch bedeutet dies, daß bei Fortset-<br />

360 Vgl. LG Köln, NStZ 1989, S.442 (443); Schairer, Der befangene Staatsanwalt,<br />

S. 133; Thiel, <strong>Die</strong> polizeiliche Verfolgungspflicht im Rahmen verdeckter Ermittlungen,<br />

S. 58; Kloepfer, JZ 1979, S. 213; Weber-Grellet, NJW 1990, S. 1777.<br />

361 Schünemann, Verh. 58. DJT, S. B 134. Insbesondere erscheint zweifelhaft, inwieweit<br />

eine solche Konstruktion über die Lösungsmöglichkeiten der nicht vollständig<br />

geklärten <strong>und</strong> umstrittenen Rechtsfigur der (rechtfertigenden) Pflichtenkollision hinausgehen<br />

könnte (vgl. statt vieler Otto, Pflichtenkollision <strong>und</strong> RechtswidrigkeitsurteiJ3;<br />

Küper, Gr<strong>und</strong>- <strong>und</strong> Grenzfragen der rechtfertigenden Pflichtenkollision im Strafrecht).<br />

362 A. A. Cramer in SchSch23, § 336 Rn. 7.<br />

363 OLG Düsseldorf, JZ 1990, S. 396; Hassemer, JuS 1990, S. 766 f.<br />

364 Gössel in LR24, § 359 Rn. 38; K. Peters, Fehlerquellen im Strafprozeß III,<br />

§ 13 I 1.<br />

365 BGHSt31, S. 365 (372); Gössel in LR24, § 359Rn. 34; Wasserburg, <strong>Die</strong> Wiederaufnahme<br />

des <strong>Strafverfahren</strong>s, S. 270; 281.<br />

366 Gösse! in LR24, § 359 Rn. 34; Paulus in KMR, § 359 Rn. 31; Wasserburg, <strong>Die</strong><br />

Wiederaufnahme des <strong>Strafverfahren</strong>s, S. 282; K. Peters, Fehlerquellen im Strafprozeß<br />

III, § 13 I 1.<br />

367 Kritisch hierzu Wasserburg, <strong>Die</strong> Wiederaufnahme des <strong>Strafverfahren</strong>s, S. 281.<br />

368 Vgl. (mit unterschiedlicher Begründung) BGHSt 31, S. 365 (372 f.); Gössel in<br />

LR24, § 359 Rn. 42.<br />

7 Scheffler


98 2. Kap.: Schwierigkeiten der Beschleunigung <strong>von</strong> <strong>Strafverfahren</strong> B. Verfahrensbeschleunigung durch den Beschuldigten 99<br />

zung der Sache auf (vollumfängliche) Zurückverweisung (§ 354 11 StPO) oder<br />

Berufung, aber nicht durch abschließende Entscheidungen des Revisionsgerichts<br />

die Wiederaufnahme ausgeschlossen wird 369 - die zur Beschleunigung eines<br />

(rechtskräftig abgeschlossenen) Verfahrens vollständig ungeeignet ist.<br />

Ansonsten ist im Anschluß an Ekkehard Schumann 370 diskutiert worden, ob<br />

die <strong>von</strong> dem EGMR festgestellte Verletzung der Menschenrechtskonvention<br />

einen Wiederaufnahmegr<strong>und</strong> analog § 359 Nr. 5 StPO darstellen könnte. Selbst<br />

wenn man dies - entgegen der herrschenden Ansicht3 71 - gr<strong>und</strong>sätzlich bejahte,<br />

bliebe doch zu fragen, wie denn gerade bei <strong>überlange</strong>r Verfahrensdauer Wiedergutmachung<br />

(vgl. Art. 50 EMRK) durch Verfahrenswiederholung zu leisten sein<br />

sollte 372 • Demzufolge ist dem OLG Koblenz zuzustimmen, das im Fall Eckleder<br />

bislang einzigen Verurteilung der B<strong>und</strong>esrepublik wegen <strong>überlange</strong>r <strong>Strafverfahren</strong>sdauer<br />

durch den EGMR373 - die Wiederaufnahme ablehnte 374. Eine<br />

hiergegen gerichtete Verfassungsbeschwerde hat das BVerfG nicht zur Entscheidung<br />

angenommen, da weder das Willkürverbot des Art. 3 I GG noch sonstiges<br />

Verfassungsrecht durch die unterlassene "ausdehnende Auslegung" <strong>von</strong> § 359<br />

Nr. 5 StPO verletzt sei 375.<br />

f) Verfassungs- <strong>und</strong> Menschenrechtsbeschwerde<br />

Damit sind die denkbaren Möglichkeiten des Beschuldigten, sich gegen Verfahrensverzögerungen<br />

zu wehren, praktisch schon erschöpft. Ergänzungen könnten<br />

sich nur noch durch die Verfassungs- <strong>und</strong> Menschenrechtsbeschwerde, auf die<br />

gelegentlich hingewiesen wird, ergeben.<br />

<strong>Die</strong> Richteranklage gemäß Art. 98 11, V GG kommt entgegen Häsemeyer 376<br />

nicht in Betracht. Zunächst einmal hat der Beschuldigte hierzu überhaupt kein<br />

Antragsrecht. Darüber hinaus setzt die Richteranklage einen Verstoß "gegen die<br />

Gr<strong>und</strong>sätze des Gr<strong>und</strong>gesetzes oder gegen die verfassungsmäßige Ordnung eines<br />

Landes" voraus. Hierunter wird nichts anderes verstanden als ein Verstoß gegen<br />

die freiheitlich-demokratische Gr<strong>und</strong>ordnung 377 • Der Verstoß gegen eine Amts-<br />

369 Vgl. Paulus in KMR, § 359 Rn. 32; Kleinknecht/Meyer, StP039, § 359 Rn. 14;<br />

Wasserburg, <strong>Die</strong> Wiederaufnahme des <strong>Strafverfahren</strong>s, S. 282.<br />

370 E. Schumann, NJW 1964, S. 753 ff.<br />

371 BVerfG (Vorprüfungsausschuß), EuGRZ 1985, S. 654; OLG Stuttgart, VRS 68,<br />

S. 367; OLG Kob1enz, GA 1987, S. 367; Gössel in LR24, vor § 359 Rn. 132; Vogler in:<br />

<strong>Die</strong> Wiederaufnahme des <strong>Strafverfahren</strong>s im deutschen <strong>und</strong> ausländischen Recht,<br />

S.713ff.<br />

372 So wohl auch Krey, <strong>Strafverfahren</strong>srecht I, Rn. 155.<br />

373 EGMR, EuGRZ 1983, S. 371.<br />

374 OLG Koblenz, GA 1987, S. 367.<br />

375 BVerfG (Kammer), Beschl. v. 24.9.1986 - 2 BvR 1021/86 (unveröffentlicht).<br />

376 Häsemeyer, FS Michaelis, S. 137 f., der lediglich ihre "zurückhaltende Anwendung"<br />

empfiehlt. VgJ. auch Dütz, Rechtsstaatlicher Gerichtsschutz im Privatrecht, S. 291.<br />

pflicht, mag es sich auch um eine verfassungsrechtlich garantierte Pflicht handeln,<br />

kann somit nicht die Verantwortlichkeit des Richters nach Art. 98 11, V GG<br />

begründen 378. Etwas anderes könnte nur - rein theoretisch - dann gelten, wenn<br />

- etwa in einem "politischen Prozeß" - die Verzögerung durch den Richter<br />

Ausdruck seiner aggressiv-kämpferischen Haltung gegen die freiheitlich- demokratische<br />

Gr<strong>und</strong>ordnung darstellte 379 .<br />

aa) Verfassungsbeschwerde<br />

Bei der Verfassungsbeschwerde ist schon die Zulässigkeit äußerst umstritten:<br />

Häufig wird schon die erforderliche Gr<strong>und</strong>rechtsverletzung verneint <strong>und</strong> das<br />

Beschleunigungsprinzip nur objektiv-rechtlich aus Art. 20 GG abgeleitet 38o . Verschiedene<br />

Versuche, das Beschleunigungsprinzip aus den Justizgr<strong>und</strong>rechten abzuleiten,<br />

erscheinen problematisch:<br />

<strong>Die</strong> einmal vom BVerfG geäußerte Auffassung, Justizverweigerung könnte<br />

einen durch Art. 101 I Satz 2 GG (Gebot des gesetzlichen Richters) verbotenen<br />

Fall darstellen 381, beruht - begründungslos 382 - nur auf einem Hinweis auf<br />

Kern, der zwar auch ausdrücklich <strong>von</strong> Justizverzögerung spricht 38 3, aber vom<br />

BVerfG mißverstanden wird384. Nun wäre dies an sich "kein Argument" 385.<br />

Richtig dürfte jedoch sein, daß Art. 101 I Satz 2 GG keinen Anspruch auf<br />

Justizgewährung gibt 386 . <strong>Die</strong> gesetzlichen Zuständigkeiten bleiben unangetastet;<br />

die Sache liegt niemandem anders als ihrem gesetzlichen Richter vor, <strong>und</strong> niemand<br />

hindert diesen an der Entscheidung der Sache 387 .<br />

<strong>Die</strong> gelegentlich geäußerte Ansicht 388, eine Verletzung des Beschleunigungsprinzips<br />

würde gleichzeitig eine Verletzung des Gr<strong>und</strong>satzes des rechtlichen<br />

377 Herzog in Maunz I Dürig, Art. 98 Rn. 24 ff.; H. Klein, JZ 1963, S. 591.<br />

378 H. Klein, JZ 1963, S. 591; zustimmend Joachim, DRiZ 1965, S. 186. Vgl. auch<br />

Bettermann in: <strong>Die</strong> Gr<strong>und</strong>rechte III12, S. 583 ff.<br />

379 Häsemeyer, FS Michaelis, S. 138; vgJ. auch Herzog in Maunz I Dürig, Art. 98<br />

Rn. 26.<br />

380 Bettermann in: <strong>Die</strong> Gr<strong>und</strong>rechte I1I/2, S. 559; Häsemeyer, FS Michaelis, S. 138<br />

Fn.18.<br />

381 BVerfGE 3, S. 359 (364); zustimmend J. Blomeyer, NJW 1977, S. 559; wohl auch<br />

K10epfer, JZ 1979, S. 21<strong>3.</strong><br />

382 Vgl. Marx, Der gesetzliche Richter, S. 71 Fn. 334.<br />

383 Kern, Der gesetzliche Richter, S. 203 f.<br />

384 Bettermann in: <strong>Die</strong> Gr<strong>und</strong>rechte III/2, S. 559; Marx, Der gesetzliche Richter,<br />

S.71 Fn. 334; Häsemeyer, FS Michaelis, S. 138 Fn. 18; H. Klein, JZ 1963, S. 592.<br />

385 Joachim, DRiZ 1965, S. 186.<br />

386 Bettermann in: <strong>Die</strong> Gr<strong>und</strong>rechte I1I/2, S. 559.<br />

387 Marx, Der gesetzliche Richter, S. 71.<br />

388 Baur, AcP 153 (1954), S. 398 ff.; Habscheid, ZZP 67 (1954), S. 197; Dahs, Das<br />

rechtliche Gehör im Strafprozeß, S. 8 ff.; Eb. Schmidt, Lehrkomm. I, Rn. 17.<br />

7*


100 2. Kap.: Schwierigkeiten der Beschleunigung <strong>von</strong> <strong>Strafverfahren</strong> B. Verfahrensbeschleunigung durch den Beschuldigten 101<br />

Gehörs bedeuten, so daß die Verfassungsbeschwerde auf Art. 103 I GG gestützt<br />

werden könnte, erscheint so ebenfalls nicht richtig. Beide Prinzipien haben selbständige<br />

Bedeutung. Sie können sich zwar berühren 389; regelmäßig wird <strong>überlange</strong><br />

Verfahrensdauer jedoch ohne gleichzeitige Verletzung des rechtlichen Gehörs<br />

vorliegen. Im Einzelfall kann sogar das Gr<strong>und</strong>recht auf rechtliches Gehör dem<br />

Beschleunigungsgebot entgegenstehen 390.<br />

In der verfassungsrechtlichen Literatur wird weiterhin häufig die Auffassung<br />

vertreten, für die rechtsprechende Gewalt folge aus Art. 19 IV GG ein mit der<br />

Verfassungsbeschwerde einklagbares Gebot zur Verfahrensbeschleunigung 391 .<br />

Auch das BVerfG hat betont, Art. 19 IV GG garantiere Rechtsschutz innerhalb<br />

angemessener Zeit 392 . Schließlich hat eine Kammer des BVerfG bei <strong>überlange</strong>r<br />

<strong>Dauer</strong> eines Finanzgerichtsverfahrens eine Verfassungsbeschwerde "unter dem<br />

Gesichtspunkt effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. IV GG)" gr<strong>und</strong>sätzlich<br />

für möglich gehalten 39<strong>3.</strong> Erste Bedenken gegen die Übertragung dieser Überlegungen<br />

auf das <strong>Strafverfahren</strong> fußen darauf, daß hier dem Bürger nicht Rechtsschutz<br />

gewährt, sondern ein Eingriff angedroht wird 394. Deshalb ist im <strong>Strafverfahren</strong><br />

"der Zugang zum Gericht normalerweise unproblematisch" 395. Denkfehlerhaft<br />

wäre es allerdings, Art. 19 IV GG deshalb für nicht anwendbar zu halten, weil<br />

nach ständiger Rechtsprechung des BVerfG Art. 19 IV GG Schutz durch den<br />

Richter, nicht gegen ihn gewährt 396 . Denn es kommt nicht daraufan, ob Art. 19 IV<br />

GG einen Rechtsweg gegen Beeinträchtigungen durch die rechtsprechende Gewalt<br />

eröffnet, sondern darauf, ob die Gerichtsbarkeit das in Art. 19 IV GG<br />

garantierte Recht aufJustizgewährung verletzen kann 397. Umgekehrt kommt vielmehr<br />

dem Bedeutung zu, daß - wie auch die eben schon aus anderen Gründen<br />

abgelehnten Art. 101 I Satz 2, 103 I GG - Art. 19 IV GG gerade nur <strong>von</strong><br />

richterlichen Handlungen, nicht aber etwa <strong>von</strong> der Staatsanwaltschaft tangiert<br />

werden kann. Zudem ist zu bedenken, daß es im Rahmen <strong>von</strong> Art. 19 IV GG<br />

nur um Justizverweigerung gehen kann, also Art. 19 IV GG durch Verzögerungen<br />

überhaupt erst verletzt werden könnte, wenn man annimmt, daß Verzögerungen<br />

qualitativ in Verweigerung umschlagen können, also lediglich, wie Schmidt­<br />

Aßmann formuliert, "in besonders krassen Fällen"398.<br />

389 BayVerfGHE 16, S. 10; Mendler, NJW 1961, S. 2104; Röhl, NJW 1964, S. 278.<br />

390 Gössel, OLGSt (neu) NI. 2 zu § 453 StPO, S. 5; Priebe, FS v. Simson, S. 305.<br />

391 Bötticher, ZZP 74 (1961), S. 317; H. Klein, JZ 1963, S. 592; Kloepfer, JZ 1979,<br />

S. 215; Schmidt-Aßmann in Maunz / Dürig, Art. 19 Abs. IV Rn. 263; Papier, HdB Staatsrecht<br />

VI, § 154 Rn. 78.<br />

392 BVerfGE 55, S. 349 (369); 60, S. 253 (269).<br />

393 BVerfG (Kammer), DB 1987, S. 1722.<br />

394 Vgl. Kirchhof, FS Doehring, S. 450 f.<br />

395 Frowein, Der europäische Gr<strong>und</strong>rechtsschutz <strong>und</strong> die nationale Gerichtsbarkeit,<br />

S.2<strong>3.</strong><br />

396 BVerfGE 4, S. 74 (96); 11, S. 263 (265); 15, S. 275 (280); 22, S. 106 (110); 25,<br />

S. 352 (375); 49, S. 329 (340); 73, S. 339 (372 f.); 77, S. 1 (51 f.).<br />

397 Vgl. H. Klein, JZ 1963, S. 592.<br />

Allerdings bleibt zu prüfen, ob nicht die Möglichkeit einer Verfassungsbeschwerde<br />

auch anders als durch extensive Interpretation <strong>von</strong> Justizgr<strong>und</strong>rechten<br />

eröffnet sein kann. <strong>Die</strong> nächstliegende Möglichkeit scheidet allerdings nach ganz<br />

herrschender Ansicht aus: Entgegen Guradze 399 läßt sich eine Verfassungsbeschwerde<br />

nicht aufArt. 6 I EMRK stützen, da nach der ständigen Rechtsprechung<br />

des BVerfG die Menschenrechtskonvention nicht Verfassungsrang hat400. Man<br />

wird auch kaum mit Klug sagen können, Art. 6 I EMRK enthielte "ungeschriebene<br />

GG-Normen"401.<br />

Eine "Wendung"402 hat sich allerdings in den letzten Jahren vollzogen: Hatte<br />

das BVerfG bisher Normen der EMRK lediglich zur Auffüllung <strong>von</strong> Begriffen<br />

des Gr<strong>und</strong>gesetzes herangezogen, also Gr<strong>und</strong>rechte unter Berücksichtigung der<br />

EMRK interpretiert 40 \ so deutet es nunmehr an, daß es die Auslegung der<br />

Vorschriften der EMRK am Willkürverbot prüfen würde 404 • Bezogen auf<strong>überlange</strong><br />

Verfahrensdauer bedeutet dies, daß das BVerfG nunmehr im Rahmen <strong>von</strong><br />

Art. 3 GG messen könnte, inwieweit Art. 6 I EMRK verletzt ist. <strong>Die</strong>ser "neue<br />

Standard"405 weist nun eine überraschende Parallele zu der älteren Auffassung<br />

Habscheids <strong>und</strong> Lindachers auf406, bei Verletzung des Beschleunigungsprinzips<br />

könne das Willkürverbot <strong>von</strong> Art. 3 I GG verletzt sein. <strong>Die</strong>se Aussage ist kaum<br />

einmal näher betrachtet worden. Häsemeyer 407 hat ihr entgegengehalten, Verfahrensverzögerungen<br />

würden nicht immer auf Absicht beruhen- <strong>und</strong> dabei übersehen,<br />

daß es im Rahmen <strong>von</strong> Art. 3 I GG nur auf Willkür im objektiven Sinn<br />

ankommt408. 1985 hat auch das BVerfG in einer Strafvollzugssache ausgeführt,<br />

die "erheblichen Verzögerungen" durch die Vollzugsbehörden verstießen gegen<br />

das Willkürverbot des Art. 3 I GG409. <strong>Die</strong> Problematik der Auffassung liegt<br />

woanders: Willkür liegt nicht schon dann vor, wenn die Rechtsanwendung fehlerhaft<br />

ist. Hinzukommen muß vielmehr, daß die Ausrichtung des gesamten Rechts<br />

aufdie Wertordnung des Gr<strong>und</strong>gesetzes verfehlt ist, also die besonderen Wertentscheidungen<br />

der Verfassung nicht beachtet werden 41O . Auch diese Lösung könnte<br />

398 Schmidt-Aßmann in Maunz/Dürig, Art. 19 Abs. IV Rn. 26<strong>3.</strong><br />

399 Guradze, EMRK, Einl. § 10 Anm. I; NJW 1960, S. 1243; DÖV 1960, S. 286 ff.<br />

400 BVerfGE 10, S. 271 (274); 34, S. 384 (395); 41, S. 88 (105 f.); S. 126 (149); 64,<br />

S. 135 (157); vgl. auch schon 4, S. 110 (111 f.); 6, S. 389 (440); offen gelassen noch<br />

in 9, S. 36 (39).<br />

401 Klug, GS H. Peters, S. 442.<br />

402 Frowein, FS Zeidler, S. 1766.<br />

403 Vgl. etwa BVerfGE 15, S.245 (255 f.); 19, S. 342 (347); 20, S. 162 (208); 31,<br />

S. 58 (67); 35, S. 311 (320).<br />

404 BVerfGE 64, S. 135 (157); 74, S. 102 (128).<br />

405 Frowein, FS Zeidler, S. 1766.<br />

406 Habscheid, ZZP 67 (1954), S. 196 f.; Lindacher, DRiZ 1965, S. 199.<br />

407 Häsemeyer, FS Michaelis, S. 138 Fn. 18.<br />

408<br />

200.<br />

Vgl. BVerfGE 69, S. 161 (169); Leibholz/ Rinck/Hesselberger, GG, Art. 3 Rn. 28;<br />

409 BVerfGE 69, S. 161 (168).


--_._--------- ------------------<br />

102<br />

2. Kap.: Schwierigkeiten der Beschleunigung <strong>von</strong> <strong>Strafverfahren</strong> B. Verfahrensbeschleunigung durch den Beschuldigten 103<br />

also nicht über den Weg über Art. 19 IV GG hinausgehen. Vielmehr wäre die<br />

Verfassungsbeschwerde auf "wohl selten bleibende Ausnahmefälle" beschränkt<br />

411 .<br />

Einen anderen Weg, Verletzungen <strong>von</strong> Konventionsrechten vor das BVerfG<br />

zu bringen, haben vor allem Seibert <strong>und</strong> Frowein gewiesen 412 . Bei einem Verstoß<br />

gegen die EMRK sei Art. 2 I GG verletzt: <strong>Die</strong> Konvention sei Bestandteil der<br />

"verfassungsmäßigen Ordnung", so daß ihr widersprechende Einzelakte oder<br />

Rechtsnormen <strong>von</strong> der Schrankenklausel des Art. 2 I GG erfaßt würden. <strong>Die</strong>se<br />

Auffassung kommt der früher <strong>von</strong> Echterhälter vertretenen Ansicht nahe 41 3, die<br />

Konventionsrechte gehörten zu den "unverletzlichen <strong>und</strong> unveräußerlichen Menschenrechten"<br />

i. S. v. Art. 1 11 GG414. Frowein kann insoweit auf die Rechtsprechung<br />

des BVerfG verweisen, daß Art. 2 I GG gegen belastende Hoheitsakte<br />

schützt, die gegen allgemeine Regeln des Völkerrechts verstoßen 415 . Im übrigen<br />

korrespondiert diese Auffassung damit, daß schon häufiger, auch vom BVerfG,<br />

angenommen wurde, <strong>überlange</strong> Verfahrensdauer könne über Art. 2 I GG mit der<br />

Verfassungsbeschwerde gerügt werden, weil hierdurch die Handlungsfreiheit<br />

verletzt würde 416 .<br />

Darüber hinaus erweist sich auch das Erfordernis der Rechtswegerschöpfung<br />

als Problem. Da es um die Anfechtung der Verfahrensführung <strong>und</strong> nicht die des<br />

Urteils geht, sperrt zwar nicht die Möglichkeit, Rechtsmittel gegen das Urteil<br />

einzulegen, so daß insoweit die Verfassungsbeschwerde aufgr<strong>und</strong> der Untätigkeit<br />

möglich wäre 417 • <strong>Die</strong> Verfassungsbeschwerde ist jedoch gegen solche Entscheidungen<br />

(bzw. Unterlassungen) unzulässig, gegen die wegen § 305 StPO nicht<br />

einmal die gewöhnliche Beschwerde zulässig ist 418 . Nichts anderes dürfte dann<br />

410 Vgl. BVerfGE 12, S. 124; 29, S.56; 31, S.218; 36, S.235; Leibholz/Rinck/<br />

Hesselberger, GG, Art. 3 Rn. 198; E. Klein in: Entwicklung der Menschenrechte innerhalb<br />

der Staaten des Europarates, S. 58.<br />

411 K. Kühl, ZStW 100 (1988), S. 427; ähnlich Spaniol, Das Recht aufVerteidigerbeistand,<br />

S. 189. Vgl. aber auch Sommermann, AöR 114 (1989), S. 412 f.<br />

412 Seibert, FS M. Hirsch, S. 522 ff.; Frowein, Der europäische Gr<strong>und</strong>rechtsschutz<br />

<strong>und</strong> die nationale Gerichtsbarkeit, S.26; ZaöRV 46 (1986), S. 286 ff.; FS Zeidler,<br />

S. 1768 ff.; kritisch Sommermann, AöR 114 (1989), S. 408 ff.; Spaniol, Das Recht auf<br />

Verteidigerbeistand, S. 187 ff. Vgl. auch K. Kühl, ZStW 100 (1988), S. 427 ff.; E. Klein<br />

in: Entwicklung der Menschenrechte innerhalb der Staaten des Europarates, S. 53 ff.<br />

413 Vgl. Sommermann, AöR 114 (1989), S. 409 f.<br />

414 Echterhölter, JZ 1955, S. 691 f.; 1956, S. 142; ähnlich Klug, GS H. Peters, S. 442.<br />

415 Frowein, FS Zeidler, S. 1768, mit Hinweis auf BVerfGE 23, S.288 (300); 31,<br />

S. 145 (177).<br />

416 BVerfG (Vorprüfungsausschuß), NStZ 1982, S. 430; NJW 1984, S. 967; vgl. auch<br />

EuGRZ 1979, S. 363; K. Peters in: Strafprozeß <strong>und</strong> Reform, S. 93; 1. Roxin, Rechtsfolgen,<br />

S. 161; Krey, <strong>Strafverfahren</strong>srecht I, Rn. 130; v. Stackelberg, FS Bockelmann, S. 768;<br />

Schroth, NJW 1990, S. 29 f.; Niebier, FS Kleinknecht, S. 311.<br />

417 Vgl. Leibholz/Rupprecht, BVerfGG, § 90 Rn. 79.<br />

418 BVerfGE 1, S. 9 (10); 9, S. 261 (265); Kleinknecht/Meyer, StP039, § 305 Rn. 1;<br />

W. Gollwitzer in LR24, § 305 Rn. 5; Schwentker, Der Ausschluß der Beschwerde nach<br />

§ 305 StPO, S. 155; unklar Frisch, SK StPO, vor § 296 Rn. 50.<br />

auch für das staatsanwaltschaftliehe Ermittlungsverfahren gelten, sofern man die<br />

fehlende Anfechtungsmöglichkeit damit begründet, daß einzelne staatsanwaltschaftliehe<br />

Handlungen bzw. Unterlassungen nur zusammen mit der Endentscheidung<br />

(Anklageerhebung oder Einstellung gemäß § 170 11 StPO) anfechtbar<br />

sind 419 .<br />

Aber selbst die Einlegung einer zulässigen Verfassungsbeschwerde hilft fast<br />

nur theoretisch weiter: Rein praktisch stellt sich die Verfassungsbeschwerde<br />

gr<strong>und</strong>sätzlich als ein im Justizalltag zu aufwendiges <strong>und</strong> stumpfes Mittel dar,<br />

um effektiv zur Beschleunigung eingesetzt werden zu können 42o . Paradoxerweise<br />

nutzt dem Beschuldigten noch am ehesten ein Nichtannahmebeschluß einer Kammer<br />

mit dem Hinweis an das Gericht, die Grenze angemessener Verfahrensdauer<br />

sei nahezu erreicht 421 . Allerdings dauern auch Vorprüfungsverfahren häufig zwei<br />

Jahre422.<br />

bb) Menschenrechtsbeschwerde<br />

Rein konstruktiv könnte auch vom Beschuldigten gemäß Art. 25,6 I, 53 EMRK<br />

versucht werden, (weitere) Verzögerungen im laufenden Verfahren durch die<br />

Menschenrechtsbeschwerde zu verhindern. Beachtung verdient zunächst, daß der<br />

Beschuldigte in diesen Verfahren nicht Partei ist 423 . Unabhängig <strong>von</strong> den schwierigen<br />

<strong>und</strong> auch nicht umfassend geklärten Fragen der Erschöpfung des Rechtsweges<br />

in diesem Fall 424 erweist sich die Menschenrechtsbeschwerde ebenfalls<br />

zur Verfahrensbeschleunigung als kaum geeignet: Verfahren vor den Straßburger<br />

Organen dauern bis zur Entscheidung des EGMR im Durchschnitt mindestens<br />

fünf bis höchstens sieben Jahre <strong>und</strong> sechs Monate425. Allerdings erfolgt nach der<br />

Verfahrenspraxis der Kommission, schon nachdem eine Beschwerde für zulässig<br />

erklärt <strong>und</strong> der Sachverhalt aufgeklärt ist, eine vorläufige Abstimmung zur Frage,<br />

ob die geltendgemachten Menschenrechtsverletzungen zu bejahen sind oder nicht.<br />

<strong>Die</strong> beklagte Regierung wird <strong>von</strong> diesem vorläufigen Abstimmungsergebnis unterrichtet.<br />

Häufig zieht sie dann eine gütliche Beilegung einem sie möglicherweise<br />

belastenden Bericht der Kommission vor <strong>und</strong> macht entsprechende Vorschläge<br />

419 Vgl. Frisch in SK StPO, vor § 296 Rn. 4<strong>3.</strong><br />

420 Häsemeyer, FS Michaelis, S. 138; Priebe, FS v. Simson, S. 297.<br />

421 Priebe, FS v. Simson, S. 297; siehe BVerfG (Vorprüfungsausschuß), EuGRZ 1982,<br />

S. 75 f.; vgl. auch BVerfGE 55, S. 349 (369 f.).<br />

422 Vgl. Pestalozza, Verfassungsprozeßrecht2, § 14 vor I; Zuck, NJW 1990, S. 2449.<br />

423 Vgl. v. Stackelberg / v. Stackelberg, Das Verfahren der deutschen Verfassungsbeschwerde<br />

<strong>und</strong> der europäischen Menschenrechtsbeschwerde, Rn. 78; A. Blomeyer, FS<br />

Bötticher, S. 64; Ress in: Europäischer Menschenrechtsschutz, S. 248.<br />

424 Vgl. dazu Peukert, EuGRZ 1979, S. 263 ff.; Schaupp-Haag, <strong>Die</strong> Erschöpfung des<br />

innerstaatlichen Rechtsweges, S. 36; 55.<br />

425 Matscher, EuGRZ 1982, S. 528; Miehsler / Vogler, IntKomm Art. 6, Rn. 317 Fn. 1;<br />

Ulsamer, FS Faller, S. 376 Fn. 11; vgl. dazu auch B. Wagner, EuGRZ 1983, S. 485; K.<br />

Kühl, ZStW 100 (1988), S. 416 f.


104 2. Kap.: Schwierigkeiten der Beschleunigung <strong>von</strong> <strong>Strafverfahren</strong><br />

zur Beilegung 426. So berichtet Peukert <strong>von</strong> vier gegen die B<strong>und</strong>esrepublik<br />

Deutschland gerichteten Beschwerden über die <strong>Dauer</strong> <strong>von</strong> <strong>Strafverfahren</strong>, die<br />

durch gütliche Beilegung - gnadenweise Strafaussetzung - relativ schnell<br />

zugunsten des Beschwerdeführers erledigt werden konnten 427 •<br />

Drittes Kapitel<br />

Aufgliederung des Begriffs<br />

der <strong>überlange</strong>n Verfahrensdauer<br />

Zur Ermöglichung neuer Rechtsfolgenbestimmung<br />

Das gewonnene Zwischenergebnis fällt also dürftig aus: Der Beschuldigte hat<br />

kaum praktikable Möglichkeiten, Verzögerungen "seines" Verfahrens durch die<br />

Strafverfolgungsorgane zu vermeiden. Am ehesten kommen noch die "Zweckentfremdung"<br />

des Befangenheitsrechts bei richterlichen Verzögerungen <strong>und</strong> die<br />

<strong>Die</strong>nstaufsichtsbeschwerde hinsichtlich des Staatsanwalts in Betracht. Ob diese<br />

SChwierigkeit de lege ferenda gr<strong>und</strong>legend ohne tiefe Struktureingriffe in das<br />

Prozeßrecht zu beseitigen wäre, muß äußerst skeptisch beurteilt werden.<br />

Aber selbst dann wäre <strong>überlange</strong> Verfahrensdauer denkbar, die sich den Anträgen<br />

<strong>und</strong> (innerstaatlichen) Rechtsbehelfen (im weiteren Sinne) des Beschuldigten<br />

entzöge: Verfahrensüberlänge kann auch darauf beruhen, daß aufgr<strong>und</strong> <strong>von</strong> Verfahrensstruktur<br />

<strong>und</strong> Prozeßgegenstand eine Sache nicht in normaler Zeit erledigt<br />

werden kann. Hiergegen könnte sich der Beschuldigte nur insofern ohne Verzicht<br />

auf Verteidigungsaktivitäten wehren, als daß er sich um die vieldiskutierte verfahrensabkürzende<br />

"Verständigung" mit den Strafverfolgungsorganen bemüht ­<br />

auf die er auch in Anbetracht zu erwartender (über-)langer Verfahrensdauer<br />

keinerlei Anspruch hat!. Insofern kann man die "Verständigung" jedOCh nicht<br />

als eine Art Rechtsbehelf des Beschuldigten gegen <strong>überlange</strong> Verfahrensdauer<br />

verstehen. Wenngleich der weitere Verlauf der Diskussion um dieses Thema<br />

noch nicht abzusehen ist, spricht wohl sehr viel dafür, daß sich hieran auch in<br />

Zukunft nichts ändern wird: Auch die bisherigen Vorschläge, die "Verständigung"<br />

zu verrechtlichen, sehen nur vor, deren Zulässigkeit gesetzlich zu regeln, nicht<br />

aber, eine "Verständigung" etwa bei (drohender) <strong>überlange</strong>r Verfahrensdauer für<br />

das Gericht auf Betreiben des BeSChuldigten vorzuschreiben 2 •<br />

Überlange Verfahrensdauer aufgr<strong>und</strong> eines langwierigen, jedoch unverzögerten<br />

Verfahrens kann nichtsdestotrotz lediglich durch Veränderungen des Straf-<br />

426 Peukert, EuGRZ 1979, S. 274. Vgl. auch Ostendorf, StV 1990, S. 231.<br />

427 Peukert, EuGRZ 1979, S.274 Fn. 141. Vgl. auch Vogler, ZStW 89 (1977),<br />

S. 781 f.; Frowein, JZ 1969, S. 214.<br />

I Vgl. dazu Siolek, DRiZ 1989, S. 32<strong>3.</strong> Siehe jetzt auch BGH, NStZ 1991, S. 346<br />

(347 f.).<br />

2 Vgl. etwa Baumann, NStZ 1987, S. 161; Bode, DRiZ 1988, S. 287 f.; Wagner /<br />

Rönnau, GA 1990, S. 388 ff.; Schünemann in: Absprache im Strafprozeß, S. 148; Verh.<br />

58. DJT, S. B 160.


106 <strong>3.</strong> Kap.: Aufgliederung des Begriffs der <strong>überlange</strong>n Verfahrensdauer A. Zur Unterscheidung <strong>von</strong> Verfahrenslänge <strong>und</strong> -verzögerungen 107<br />

(verfahrens)rechts verhindert werden. Insoweit also, wie Verfahrenslänge "auf<br />

einem komplizierten Prozeßrecht"3beruht, hat die oben4angesprochene Strafprozeßreform<br />

Relevanz zur Verhinderung <strong>überlange</strong>r Verfahrensdauer.<br />

Historisch gesehen hat sich die Diskussion <strong>überlange</strong>r Verfahrensdauer auch<br />

nicht an Verfahrensverzögerungen durch die Strafverfolgungsbehörden entzündet:<br />

Klagen über die lange Prozeßdauer häuften sich zum Ende der Zeit der<br />

Weimarer Republik 5 . Ausgelöst wurden sie durch die <strong>Dauer</strong> sog. Monstreverfahren.<br />

Es handelte sich meist um Wirtschaftsstrafsachen, hervorgerufen durch den<br />

Zusammenbruch zahlreicher deutscher Unternehmen infolge der Weltwirtschaftskrise<br />

6 . Allerdings waren diese Verfahren vom Umfang her nicht mit den großen<br />

Prozessen der letzten dreißig Jahre (Wirtschafts-, Contergan-, Terroristen- <strong>und</strong><br />

NS-Verfahren) yergleichbar 7 . Schon in der damaligen Diskussion um die Monstreprozesse<br />

fällt auf, daß vor allem die unzulängliche Ausgestaltung des Strafprozeßrechts<br />

für die Verfahrensdauer verantwortlich gemacht wird, wie das später<br />

besonders drastisch das LG Aachen für das Contergan-Verfahren ausgedrückt<br />

hat: Das LG Aachen wies in seinem Einstellungsbeschluß auf"unsinnige" Bestimmungen<br />

<strong>und</strong> die "Unzulänglichkeit der auf Prozesse dieses Ausmaßes nicht<br />

zugeschnittenen Strafprozeßordnung" hin 8.<br />

Hinweise auf die Problematik <strong>von</strong> Verfahrensverzögerungen durch die Strafverfolgungsorgane<br />

finden sich dagegen in Äußerungen aus den zwanziger <strong>und</strong><br />

dreißiger Jahren nur relativ selten: Robert v. Hippel etwa wirft den Richtern ein<br />

"uferloses Streben nach sog. Gründlichkeit; in Wirklichkeit Prozeßverschleppung"<br />

vor, wodurch "unnötige Prozeßdauer" entstünde 9 • Baumbach fragte, wie<br />

oft eine Verhandlung in weitaus kürzerer Zeit ebenso gut <strong>und</strong> besser zu erledigen<br />

wäre, wenn der Vorsitzende "die Zügel straff in der Hand hätte, zielbewußt auf<br />

das Wesentliche hinsteuerte, den Prozeßstoffrichtig anordnete <strong>und</strong> sich um Presse<br />

<strong>und</strong> Oeffentlichkeit nicht kümmerte" 10. Baumbach gehörte auch zu den wenigen,<br />

die gesetzliche Maßnahmen als wenig erfolgversprechend ablehnten: "Der Vorsitzende<br />

... ist der, an den man sich zu halten hat" 11.<br />

3 Kloepfer, JZ 1979, S. 215.<br />

4 Oben, 2. Kap. A 11.<br />

5 Siehe dazu Hachenburg/Bing, DJZ 1932, Sp. 913; K. Peters in: Strafprozeß <strong>und</strong><br />

Refonn, S. 82; Küng-Hofer, Beschleunigung, S. 2; Grauhan, GA 1976, S. 225; Rebmann,<br />

NStZ 1984, S. 241; G. Schmidt, JR 1974, S. 321; Hernnann, ZStW 85 (1973), S. 255 f.<br />

6 Hernnann, ZStW 85 (1973), S. 255; Rebmann, NStZ 1984, S. 241.<br />

7 Siehe K. Schäfer in LR24, Einl. Kap. 3 Rn. 18; K. Peters in: Strafprozeß <strong>und</strong> Refonn,<br />

S. 82; Hernnann, ZStW 85 (1973), S. 256; Wolfslast, NStZ 1990, S. 410; Hammerstein<br />

in: Absprache im Strafprozeß, S. 95.<br />

8 LG Aachen, JZ 1971, S. 507 (520). Vgl. dazu Bruns, FS Maurach, S. 481 f.<br />

9 Siehe Rob. v. Hippel, Lehrbuch des Strafrechts, § 98 IV 1 d; MschrKrim 26 (1935),<br />

S. 245; Der deutsche Strafprozeß, § 25 I 3 Fn. 2; § 59 VI; ähnlich auch Siegert, DRiZ<br />

1932, S. 203; Hel. Lehmann, DRiZ 1932, S. 12<strong>3.</strong><br />

10 Baumbach, DJZ 1934, Sp. 128.<br />

11 Baumbach, DJZ 1934, Sp. 128.<br />

Ansonsten schlug man die Erweiterung oder jedenfalls extensive Anwendung<br />

des erst durch die sog. "Emminger-Verordnung"12 1924 eingeführten § 154<br />

StPO 13 sowie sonstige, teilweise weitgehende gesetzliche Änderungen 14 vor:<br />

"Aber der wahre Gr<strong>und</strong> dieser Rechtsinflation ... liegt im Gesetz" 15. Hintergr<strong>und</strong><br />

dieser Klagen ist also vor allem, daß bezweifelt wird, "ob das Endergebnis<br />

derartiger Prozesse mit dem aufgebotenen Aufwand wirklich im Verhältnis<br />

steht" 16. Ganz deutlich wird dies an den Worten, mit denen Kern einen <strong>von</strong> ihm<br />

dargestellten exemplarischen Einzelfall kommentierte: "Gewiß hat jeder einzelne<br />

Beamte, der in der Prüfung <strong>und</strong> Entscheidung der Sache mitgewirkt hat, pflichtgemäß<br />

mit aller Beschleunigung gearbeitet; aber das Verfahren ist in der Tat viel<br />

zu umständlich." 17<br />

A. Zur Unterscheidung <strong>von</strong><br />

Verfahrenslänge <strong>und</strong> -verzögerungen<br />

<strong>Die</strong> entscheidende Problematik bei Monstreprozessen wurde also schon damals<br />

darin gesehen, daß das Strafprozeßrecht zu umständlich sei, um solche Umfangsachen<br />

zu bewältigen. Großverfahren stellen den Hauptfall dieser Gruppe dar, die<br />

<strong>von</strong> derjenigen, die gemeinhin unter dem Schlagwort <strong>überlange</strong>r Verfahrensdauer<br />

diskutiert wird <strong>und</strong> bisher im Mittelpunkt dieser Untersuchung stand, nämlich<br />

der der <strong>von</strong> den Strafverfolgungsbehörden verzögerten Verfahren, theoretisch<br />

scharf zu unterscheiden ist: Es handelt sich, um dies nochmals zu betonen, um<br />

die Konstellation, daß ein Verfahren aus in seinem Gegenstand liegenden Gründen<br />

länger dauert, als es angebracht erscheint. So ist etwa bezüglich des Contergan­<br />

Verfahrens nie der Vorwurf aufgetaucht, die Strafverfolgungsbehörden hätten es<br />

verzögert 18. Umgekehrt hatte z. B. das OLG Stuttgart als Revisionsgericht in<br />

einer Verkehrssache Veranlassung gesehen, Rechtsfolgen wegen der Anberaumung<br />

einer Hauptverhandlung (erst) drei Monate nach Tat <strong>und</strong> Verfahrenseinlei-<br />

12 <strong>Die</strong> VO sollte "bis an die Grenzen des im Interesse der Rechtspflege noch Erträglichen<br />

die Strafrechtspflege vereinfachen <strong>und</strong> verbilligen"; vgl. Eb. Schmidt, Einführung<br />

in die Geschichte der deutschen Strafrechtspflege 3 , S. 418; teilw. abw. Vonnbaum, <strong>Die</strong><br />

Lex Emminger vom 24. Januar 1924, S. 83 f,; 174 ff.<br />

13 Siegert, DRiZ 1932, S. 204; Bethke, DJZ 1932, Sp. 1470; Ebennaier, DRiZ 1932,<br />

S. 123; Rob. v. Hippel, Lehrbuch des Strafrechts, § 98 IV 1 d Fn. 6; MschrKrim 26<br />

(1935), S. 244; Gerland/Heilbron, ZStW 55 (1936), S. 719.<br />

14 Siegert, DRiZ 1932, S. 205; Bethke, DJZ 1932, Sp. 1470; Schwarz, DJZ 1934, Sp.<br />

50; Rob. v. Hippe!, MschrKrim 26 (1935), S. 245 f.; Oetker, GerS 105 (1935), S. 1 ff.;<br />

Gallrein, Das schleunige Verfahren im Strafprozess, S. 86 ff.<br />

15 Hel. Lehmann, DRiZ 1932, S. 12<strong>3.</strong><br />

16 Hel. Lehmann, DRiZ 1932, S. 12<strong>3.</strong><br />

17 Kern, MschrKrimPsych 15 (1924), S.261. Vgl. auch Gallrein, Das schleunige<br />

Verfahren im Strafprozess, S. 2.<br />

18 Vgl. Hernnann, ZStW 85 (1973), S. 258; Bruns, FS Maurach, S. 472; Ostenneyer,<br />

ZRP 1971, S. 76; Schultz, MDR 1971, S. 191.


108 <strong>3.</strong> Kap.: Aufgliederung des Begriffs der <strong>überlange</strong>n Verfahrensdauer A. Zur Unterscheidung <strong>von</strong> Verfahrenslänge <strong>und</strong> -verzögerungen 109<br />

tung zu diskutieren 19. In der Mehrzahl der Fälle freilich werden lange Verfahrensdauer<br />

<strong>und</strong> Verfahrensverzögerungen zusammenfallen, wird die Verfahrensdauer<br />

auf Verfahrensverzögerungen beruhen. Demzufolge wird die Unterscheidung<br />

danach, ob ein Verfahren verzögert ist oder aber zwar unverzögert ist, jedoch<br />

zu lange dauert, in Rechtsprechung <strong>und</strong> Literatur nur unzulänglich vorgenommen.<br />

I. Untersuchungshaftdauer<br />

Das erstaunt, da die Unterscheidung zwischen Verfahrensdauer <strong>und</strong> Verfahrensverzögerung<br />

im Untersuchungshaftrecht durchgeführt wird: So hatte schon<br />

vorInkrafttreten der §§ 120,121 StPO durch das StPÄG 1964 das OLG Saarbrükken<br />

ausgeführt, Fortdauer <strong>von</strong> Untersuchungshaft scheide nicht nur (erst) dann<br />

aus, wenn die Untersuchungshaft die zu erwartende Strafe überschreite, weil sich<br />

die Aburteilung wegen Schwierigkeiten des Verfahrens hinzieht, sondern auch<br />

(schon) dann, wenn extreme, sachlich nicht gerechtfertigte Verfahrensverzögerungen<br />

vorliegen, auch wenn die Untersuchungshaft die zu erwartende Strafe<br />

noch nicht erreicht hat 20 .<br />

<strong>Die</strong>se Differenzierung hat die StPO dann ebenfalls zum Ausdruck gebracht:<br />

Nach § 120 I Satz 1 StPO ist für die Aufhebung des Haftbefehls darauf abzustellen,<br />

"daß die weitere Untersuchungshaft zu der Bedeutung der Sache <strong>und</strong> der<br />

zu erwartenden Strafe ... außer Verhältnis stehen würde". Haftentlassung bleibt<br />

danach auch dann geboten, wenn die Inhaftierung zur Aburteilung <strong>von</strong>nöten<br />

(etwa wegen konkreter Fluchtabsichten) wäre 21 . Umgekehrt soll allerdings ­<br />

was die Unterscheidung verwischt - bei der für § 120 I StPO gebotenen Abwägung<br />

ein offensichtlicher <strong>und</strong> schlechthin nicht vertretbarer Verstoß gegen das<br />

Beschleunigungsprinzip bedeutsam sein22.<br />

§ 121 StPO erlaubt eine Haftfortdauer über sechs Monate hinaus nur dann,<br />

"wenn die besondere Schwierigkeit oder der besondere Umfang der Ermittlungen<br />

oder ein anderer wichtiger Gr<strong>und</strong> das Urteil noch nicht zulassen". Hier wird also<br />

nicht nach dem Verhältnis <strong>von</strong> Haftdauer <strong>und</strong> Straferwartung gefragt, sondern<br />

danach, ob für die Aburteilung eine längere Untersuchungshaftdauer <strong>von</strong>nöten<br />

ist oder nur infolge <strong>von</strong> Verzögerungen erfolgen müßte. Eine Berücksichtigung<br />

der Schwere der Tat, also letztlich der Straferwartung, wie sie jedoch das OLG<br />

Hamm für richtig hält 2 3, ist demzufolge unzulässig 24 .<br />

19 OLG Stuttgart, NJW 1967, S. 508 (509 f.).<br />

20 OLG Saarbrücken, NJW 1961, S.377 (378). Vgl. auch LG Köln, NJW 1964,<br />

S. 1816.<br />

21 Wendisch in LR24, § 120 Rn. 11.<br />

22 Kleinkecht/ Janischowsky, Das Recht der Untersuchungshaft, Rn. 232; RieB, JR<br />

1983, S. 260.<br />

23 OLG Hamm, JMBl. NW 1971, S. 283; 1974, S. 47 (48); zustimmend Kleinknecht/<br />

Janischowsky, Das Recht der Untersuchungshaft, Rn. 260.<br />

II. Verfahrensdauer<br />

Auch in der Rechtsprechung zur <strong>überlange</strong>n Verfahrensdauer läßt sich ­<br />

weitgehend unbemerkt 25 - die Differenzierung zwischen Verfahrensdauer <strong>und</strong><br />

Verfahrensverzögerung, wenn auch weniger deutlich, erkennen:<br />

Der BGH hat in einigen Entscheidungen letztendlich nur betont, daß die<br />

tatsächliche Verfahrensdauer nicht mehr in angemessenem Verhältnis zur notwendigen<br />

Länge des Verfahrens gestanden habe <strong>und</strong> die Verzögerungen nicht<br />

vom Beschuldigten verursacht worden seien 26. Entsprechend hat sich auch die<br />

Mehrzahl der Untergerichte geäußert 27 . Der EGMR, der in seiner ersten Entscheidung<br />

zur <strong>überlange</strong>n Verfahrensdauer (Fall Wemhoff) noch ähnlich allgemein<br />

formulierte 28, hat seit dem Eckle-Urteil in ständiger Rechtsprechung 29 auf drei<br />

Kriterien zur Feststellung <strong>überlange</strong>r <strong>Strafverfahren</strong>sdauer abgehoben, die er<br />

erstmalig im Fall König 30 explizit benannte: die Schwierigkeit des Falles <strong>und</strong><br />

das Verhalten des Beschuldigten sowie das der Justizbehörden seien mit der<br />

Gesamtdauer des Verfahrens ins Verhältnis zu setzen. Betrachtet man diese<br />

Kriterien genauer, so ergibt sich letztendlich zu der Herangehensweise der genannten<br />

nationalen Gerichte kein bedeutender Unterschied: Auch vom EGMR<br />

wird danach unterschieden, ob die Verfahrensdauer entweder auf staatlichen<br />

Verzögerungen beruht oder aber <strong>von</strong> der Sache bedingt bzw. vom Beschuldigten<br />

herbeigeführt worden ist. Unterschieden wird also jeweils Verfahrensdauer <strong>und</strong><br />

Verfahrensverzögerungen durch die Strafverfolgungsorgane.<br />

Da<strong>von</strong> abweichend <strong>und</strong> ohne die Kriterien der Straßburger Rechtsprechung<br />

zu prüfen3 !, hat der BGH in anderen Entscheidungen auf die Notwendigkeit<br />

"wertender Betrachtung" abgehoben, wobei insbesondere die Schwere des Tatvorwurfs,<br />

der Umfang der Sache <strong>und</strong> die bei den Ermittlungen auftretenden<br />

24 OLG Köln, NJW 1973, S. 1009 (1010); OLG Koblenz, OLGSt (neu) NI. 7 zu § 121<br />

StPO (insoweit nicht in NJW 1990, S. 1375 abgedruckt); LG Köln, NStZ 1989, S. 442<br />

(443); Wendisch in LR24, § 121 Rn. 6; Kleinknecht / Meyer, StP039, § 121 Rn. 20.<br />

25 Siehe aber 1. Roxin, Rechtsfolgen, S. 77.<br />

26 BGH, GA 1977, S.275 (276); StV 1983, S.502; 1985, S.322; S.411; 1988,<br />

S. 487 f.; NStZ 1986, S. 217 f.; 1987, S. 232.<br />

27 OLG Stuttgart, NJW 1967, S. 508 (509); 1974, S. 284; OLG Karlsruhe, NJW 1972,<br />

S. 1907 (1908); OLG Saarbrücken, NJW 1975, S. 941 (942); OLG Hamm, NJW 1975,<br />

S.702 (703); OLG Düsseldorf, MDR 1989, S. 935 f.; OLG Zweibrücken, StV 1989,<br />

S. 51 f.; BayObLG, StV 1989, S. 394; LG Krefeld, JZ 1971, S. 733 (735); LG Düsseldorf,<br />

NStZ 1988, S. 427 (428); LG Köln, NStZ 1989, S. 442 (443).<br />

28 EGMR,JR 1968, S. 463 (466); vgl. auchEGMR I, S. 143 (180 f.)(FallNeumeister);<br />

3, S. 61 (101) (Fall Ringeisen).<br />

29 EGMR, EuGRZ 1983, S.371 (380) (Fall Eckle); 1985, S.578 (581) (Fall Foti<br />

u. a.); S. 585 (587) (Fall Corig1iani).<br />

30 EGMR, EuGRZ 1978, S. 406 (417).<br />

31 Ress in: Europäischer Menschenrechtsschutz, S. 276; ähnlich K. Kühl, ZStW 100<br />

(1988), S. 642.


110 <strong>3.</strong> Kap.: Aufgliederung des Begriffs der <strong>überlange</strong>n Verfahrensdauer B. Zur Einordnung mit Hilfe des Verhältnismäßigkeitsgr<strong>und</strong>satzes 111<br />

Schwierigkeiten zu berücksichtigen seien 32. Gelegentlich hat der BGH zusätzlich<br />

- wie übrigens auch das LG Frankfurt 33 <strong>und</strong> ein Vorprüfungsausschuß des<br />

BVerfG34 - auf die Empfindlichkeit des Beschuldigten hingewiesen 35. Nun<br />

kann es für die Würdigung <strong>von</strong> Verfahrensverzögerungen keine Rolle spielen,<br />

ob ein schwerer Tatvorwurf vorliegt 36 oder besondere Belastungen des Beschuldigten<br />

zu besorgen sind; ersteres kann Verfahrensverzögerungen genausowenig<br />

legitimieren wie das Fehlen <strong>von</strong> letzterem. Insoweit wird in diesen Entscheidungen<br />

also auf Kriterien abgestellt, die Bedeutung für die Verfahrensdauer an sich<br />

<strong>und</strong> nicht für Verfahrensverzögerungen haben könnten. Allerdings krankt diese<br />

Interpretation daran, daß bei dieser "wertenden Betrachtung" <strong>von</strong> den Gerichten<br />

auch auf den Aspekt der bei den Ermittlungen aufgetretenen Schwierigkeiten<br />

abgestellt wird.<br />

In der strafprozessualen Literatur unterscheidet vor allem Zipfzwischen langer<br />

Verfahrensdauer <strong>und</strong> Verfahrensverzögerungen 37, Schroth zwischen "schlichter"<br />

<strong>und</strong> "qualifizierter" Überlänge 38 . Auch Imme Roxin erkennt, daß <strong>überlange</strong> Verfahrensdauer<br />

sich in zwei Gruppen einteilen lassen kann 39 . Priebe differenziert<br />

zwischen "verfahrensinternen" - Schwierigkeit <strong>und</strong> Umfang der Sache - <strong>und</strong><br />

"verfahrensexternen" Verzögerungsursachen 40 ; Seelmann trennt die "durch die<br />

Kompliziertheit der Materie bedingte besonders lange Verfahrensdauer" ab 41 ,<br />

die der <strong>von</strong> Schünemann abgegrenzten "justizinternen Saumseligkeit"42 gegenübergestellt<br />

werden kann.<br />

Weitergehend halten Kohlmann <strong>und</strong> Kloepfer die beiden Aspekte auseinander<br />

43 : Zunächst dürfe kein Verfahren länger ausgedehnt werden, als es unbedingt<br />

erforderlich ist, um zu einer Entscheidung zu gelangen. Zudem müsse ein vertretbares<br />

Verhältnis zwischen der Verfahrensdauer <strong>und</strong> den daraus für den Beschuldigten<br />

erwachsenden Nachteilen - so Kohlmann - bzw. der verfolgten Tatso<br />

Kloepfer - gewahrt sein. Kohlmann <strong>und</strong> Kloepfer legten ihrer Differenzierung<br />

32 BGHSt 24, S. 239 (240); NStZ 1982, S. 291; 1983, S. 135; StV 1989, S. 187 (188);<br />

ähnlich OLG Koblenz, NJW 1972, S. 403 (404). Vgl. auch neuerdings EGMR, EuGRZ<br />

1990, S. 209 (211) (Fall Obermeier): "globale Beurteilung".<br />

33 LG Frankfurt, JZ 1971, S. 234 (235 f.).<br />

34 BVerfG (Vorprüfungsausschuß), NJW 1984, S. 967.<br />

35 BGHSt 24, S. 239 (240).<br />

36 Vgl. Reinecke, <strong>Die</strong> Fernwirkung <strong>von</strong> Beweisverwertungsverboten, S. 195 f.; I.<br />

Roxin, Rechtsfolgen, S. 168.<br />

37 Maurach / Gössel/Zipf, Strafrecht AT / 2 7 , § 63 Rn. 34.<br />

38 Schroth, NJW 1990, S. 30 f.<br />

39 I. Roxin, Rechtsfolgen, S. 77.<br />

40 Priebe, FS v. Simson, S. 30<strong>3.</strong><br />

41 Seelmann, GebColloquium Kielwein, S. 26; 29.<br />

42 Schünemann, Verh. 58. DJT, S. B 30 f.<br />

43 Kohlmann, FS Maurach, S. 508 ff.; Kloepfer, JZ 1979, S. 214; ähnlich DVBl. 1977,<br />

S.741.<br />

den Verhältnismäßigkeitsgr<strong>und</strong>satz zugr<strong>und</strong>e: Der Gr<strong>und</strong>satz der Erforderlichkeit<br />

sei es, der Verfahrensverzögerungen verbiete; der der Angemessenheit verbiete<br />

zu lange, wenn auch unverzögerte Verfahren.<br />

B. Zur Einordnung<br />

mit Hilfe des Verhältnismäßigkeitsgr<strong>und</strong>satzes<br />

Verfolgt man Kohlmanns <strong>und</strong> Kloepfers Gedanken weiter, so läßt sich unter<br />

Anwendung des Gr<strong>und</strong>satzes der Verhältnismäßigkeit die Einordnung der Fallgruppen<br />

<strong>überlange</strong>r Verfahrensdauer vornehmen. Ohne hier auf die im einzelnen<br />

umstrittene Zugehörigkeit <strong>von</strong> Teilgr<strong>und</strong>sätzen zum Verhältnismäßigkeitsprinzip<br />

<strong>und</strong> den insoweit uneinheitlichen Sprachgebrauch eingehen zu wollen44, läßt sich<br />

zunächst doch eine gewisse Übereinstimung dahingehend feststellen, daß das<br />

Verhältnismäßigkeitsprinzip sich aus drei Gr<strong>und</strong>sätzen zusammensetzt, die sich<br />

als Geeignetheit, Erforderlichkeit <strong>und</strong> Proportionalität (bzw. Angemessenheit)<br />

bezeichnen lassen 45.<br />

Nun ist der Verhältnismäßigkeitsgr<strong>und</strong>satz schon häufiger mit <strong>überlange</strong>r Verfahrensdauer<br />

in Verbindung gebracht worden. Während etwa v. Stackelberg <strong>und</strong><br />

ähnlich Kar! Peters nur kurz formulierten, die Konkretisierung der zeitlichen<br />

Grenze <strong>von</strong> Strafverfolgungen ließe sich nur aus dem Gebot der Verhältnismäßigkeit<br />

ableiten46, lag es für Geppert nahe, das verfassungsrechtliche Übermaßverbot<br />

zu Hilfe zu nehmen47. Aber auch bei einigen detaillierteren Ausführungen ist<br />

die Begrifflichkeit wohl mehr schlagwortartig gebraucht worden: Für Vogler<br />

gebietet der Verhältnismäßigkeitsgr<strong>und</strong>satz, Beeinträchtigungen des Beschuldigten<br />

zu vermeiden bzw. auszugleichen 48 . Imme Roxin setzt den Verhältnismäßigkeitsgr<strong>und</strong>satz<br />

in Beziehung zu den Zielen des <strong>Strafverfahren</strong>s 49. Hillenkamp<br />

formuliert, ohne daß klar wird, ob er vom Verhältnismäßigkeitsgr<strong>und</strong>satz als<br />

Oberbegriff oder vom Teilgr<strong>und</strong>satz der Proportionalität spricht, es seien alle<br />

Umstände zu wägen, die den Rechtsstaatsverstoß so unverhältnismäßig werden<br />

44 Vgl. dazu Scheffler, Gr<strong>und</strong>legung eines kriminologisch orientierten Strafrechtssystems,<br />

S. 80 f.<br />

45 Siehe dazu die Nachweise bei Scheffler, Gr<strong>und</strong>legung eines kriminologisch orientierten<br />

Strafrechtssystems, S. 80 f.; siehe auch Dechsling, Das Verhältnismäßigkeitsgebot,<br />

S.5; M. Jakobs, Der Gr<strong>und</strong>satz der Verhältnismäßigkeit, S. 8 ff.; Ress in: Der<br />

Gr<strong>und</strong>satz der Verhältnismäßigkeit in europäischen Rechtsordnungen, S. 11; Noske, <strong>Die</strong><br />

Prozeßökonomie als Bestandteil des verfassungsrechtlichen Gr<strong>und</strong>satzes der Verhältnismäßigkeit,<br />

S. 58 ff.; Holzlöhner, <strong>Die</strong> Gr<strong>und</strong>sätze der Erforderlichkeit <strong>und</strong> Verhältnismäßigkeit,<br />

S. 10 ff.<br />

46 v. Stackelberg, FS Bockelmann, S. 768; K. Peters, JR 1978, S. 247.<br />

47 Geppert, JK 1983, MRK Art. 6/1.<br />

48 Vogler, ZStW 89 (1977), S. 78<strong>3.</strong><br />

49 I. Roxin, Rechtsfolgen, S. 161 ff.


_u __nd ~<br />

112 ______<br />

_<br />

<strong>3.</strong> Kap.: Aufgliederung des Begriffs der <strong>überlange</strong>n Verfahrensdauer B. Zur Einordnung mit Hilfe des Verhältnismäßigkeitsgr<strong>und</strong>satzes 113<br />

lassen, daß unzweideutig feststehe, daß durch eine Verfahrensfortsetzung rechtsstaatlich<br />

unverzichtbare Erfordernisse nicht mehr gewahrt wären 50.<br />

I. Geeignetheit <strong>und</strong> überflüssiges Tun<br />

Hillenkamp <strong>und</strong> Imme Roxin haben allerdings auch versucht, im einzelnen die<br />

drei Teilgr<strong>und</strong>sätze der Geeignetheit, Erforderlichkeit <strong>und</strong> Proportionalität nutzbar<br />

zu machen. Sie gehen insofern über Kohlmann <strong>und</strong> Kloepfer hinaus, die den<br />

Gr<strong>und</strong>satz der Geeignetheit überhaupt nicht erwähnen51. Bei der Geeignetheit<br />

heben sie darauf ab, daß bei großem Zeitablauf die Verfahrensfortsetzung die<br />

Eignung verliere, die Ziele des Strafprozesses, insbesondere das der zuverlässigen<br />

Wahrheitsermittlung 52, zu verwirklichen 5<strong>3.</strong><br />

<strong>Die</strong>se Erwägung erscheint äußerst zweifelhaft. Zwar mag es sein, daß der<br />

Strafprozeß seine Ziele am besten durch die frühe überzeugende Klärung der<br />

Schuld oder Unschuld erreicht54. Auf der rein naturwissenschaftlich-kausalen<br />

Stufe der Geeignetheit genügt jedoch schon geringe Teileignung 55. Ein staatliches<br />

Mittel ist schon dann geeignet, einen Zweck zu erreichen, "wenn mit seiner Hilfe<br />

der gewünschte Erfolg gefördert werden kann" 56. Hierbei kommt es auf die<br />

Betrachtung ex ante an 57 • <strong>Die</strong> Möglichkeit, daß auch nach langem Zeitablauf<br />

noch die Wahrheitsermittlung gelingt, wird sich kaum einmal ausschließen lassen,<br />

wie auch in der Rechtsprechung zum Beweisantragsablehnungsgr<strong>und</strong> der Ungeeignetheit<br />

des Zeugenbeweises bei lange zurückliegenden Vorgängen anerkannt<br />

ist 58 . Dem kann zur Seite gestellt werden, wie Kloepfer formuliert 59, daß in aller<br />

Regel "die Gewähr für die ,richtige' Entscheidung um so größer ist, je sorgfältiger<br />

ermittelt, verhandelt <strong>und</strong> beraten wird". Auch bei dem anderen immer wieder<br />

genannten Ziel des Strafprozesses, der Wiederherstellung des Rechtsfriedens 60 ,<br />

50 Hillenkamp, NJW 1989, S. 2848 mit unklarem Bezug auf BVerfG (Kammer), NStZ<br />

1987, S. 276.<br />

51 Kohlmann, FS Maurach, S. 508 ff.; Kloepfer, JZ 1979, S. 214.<br />

52 Vgl. BVerfGE 63, S. 45 (61).<br />

53 1. Roxin, Rechtsfolgen, S. 162; Hillenkamp, NJW 1989, S. 2848.<br />

54 Vgl. Schmidhäuser, FS Eb. Schmidt, S. 522.<br />

55 Vgl. etwa Gentz, NJW 1968, S. 1603; Grabitz, AöR 98 (1973), S. 572; vgl. auch<br />

BVerfGE 16, S. 147 (183).<br />

56 BVerfGE 30, S. 292 (316); 33, S. 171 (187).<br />

57 BVerfGE 16, S. 147 (181); 25, S. 1 (12); 30, S. 250 (263); Grabitz, AöR 98 (1973),<br />

S. 572; Schnapp, JuS 1983, S. 854; Ress in: Der Gr<strong>und</strong>satz der Verhältnismäßigkeit in<br />

europäischen Rechtsordnungen, S. 16 f.<br />

58 Vgl. BGH, StV 1981, S. 167; 1982, S. 339; OLG Frankfurt, JR 1984, S. 40. Siehe<br />

aber auch unten, 5. Kap. B 11 4 a.<br />

59 Kloepfer, JZ 1979, S. 210; siehe auch Wolter in SK StPO, vor § 151 Rn. 210.<br />

60 Vgl. C. Roxin, <strong>Strafverfahren</strong>srecht21, § 1 B 11; Volk, Prozeßvoraussetzungen,<br />

S. 183 ff.; 1. Roxin, Rechtsfolgen, S. 161 f.; Schmidhäuser, FS Eb. Schmidt, S. 516 ff.;<br />

W. Gollwitzer, FS Kleinknecht, S. 149.<br />

entfällt die Eignung durch lange Verfahrensdauer nicht völlig: Ein spätes Urteil<br />

dürfte regelmäßig eher für Rechtsfrieden sorgen als überhaupt keines 61.<br />

Eine Maßnahme ist vielmehr dann ungeeignet, wenn sie nicht zur Entscheidungsfindung<br />

beitragen kann, sondern aus unsachlichen, nicht der Entscheidungsfindung<br />

dienenden Gründen erfolgt 62 • In diese Kategorie fallen die Fälle "qualifizierter<br />

Verfahrensverzögerung", wie Jürgen Blomeyer sie nennt 63 • Qualifizierte<br />

Verfahrensverzögerung liegt dann vor, wenn durch überflüssige Tätigkeit der<br />

Strafverfolgungsbehörden das Verfahren verlängert wird. Jürgen Blomeyer beschreibt<br />

- bezogen auf den Zivilprozeß - Fälle, in denen der Richter etwa<br />

unnötig Beweise erhebt, um so die schwierige eigentliche Bearbeitung (zunächst)<br />

loszuwerden 64. Ähnlich weist Vormbaum auf die "Schiebeverfügung" im <strong>Strafverfahren</strong><br />

hin65. Häufiger dürften Fälle des <strong>von</strong> vornherein ungeeigneten Handeins<br />

aufgr<strong>und</strong> Rechtsirrtums mit der Folge der Verzögerung sein 66 • Den bisherigen<br />

(veröffentlichten) Entscheidungen zur <strong>überlange</strong>n Verfahrensdauer lag ein solcher<br />

Sachverhalt zwar bislang nicht zugr<strong>und</strong>e; zu § 121 StPO sind jedoch Entscheidungen<br />

ergangen, in denen unnötigerweise ein schriftliches Gutachten abgewartet<br />

worden ist 6 7, die Staatsanwaltschaft bei einem unzuständigen Gericht<br />

anklagte 68 , zu Unrecht verwiesen 69 oder rechtsfehlerhaft die Hauptverhandlung<br />

ausgesetzt wurde 70. Auch bezüglich § 228 StPO ist etwa der Sachverhalt der<br />

"überflüssigen Entscheidung" der Aussetzung zwecks Erhebung <strong>von</strong> Beweisen,<br />

die dem Gericht in der Hauptverhandlung zur Verfügung standen, aufgetaucht7 1 •<br />

11. Erforderlichkeit <strong>und</strong> Verzögerungen<br />

Der Gr<strong>und</strong>satz der Erforderlichkeit gebietet, daß der in die Rechtssphäre des<br />

einzelnen eingreifende Staat jederzeit nach milderen Mitteln Umschau halten<br />

muß, um die Beeinträchtigungen so gering wie möglich zu halten. Ein staatliches<br />

Mittel ist nach der Rechtsprechung des BVerfG erforderlich, "wenn ein anderes,<br />

61 Vgl. etwa Bemmann, JuS 1965, S. 337.<br />

62 Kloepfer, JZ 1979, S. 21<strong>3.</strong><br />

63 J. Blomeyer, NJW 1977, S. 559 f.<br />

64 J. Blomeyer, NJW 1977, S. 560; vgl. auch Kirchhof, FS Doehring, S. 445.<br />

65 Vormbaum, Der strafrechtliche Schutz des Strafurteils, S. 435.<br />

66 Vgl. Sarstedt in: Rechtsstaat als Aufgabe, S. 224 ff.<br />

67 OLG Köln, NJW 1973, S. 1009. Siehe jetzt auch OLG Düsseldorf, StV 1990,<br />

S.503 (504).<br />

68 OLG Bremen, MDR 1968, S. 863; KG, StV 1983, S. 111 (112). Siehe jetzt auch<br />

(zu § 111 aStPO) OLG Köln, StV 1991, S. 248 (249).<br />

69 OLG Hamm, StV 1990, S. 168.<br />

70 OLG Düsseldorf, OLGSt (alt) § 121 StPO, S. 73; OLG Frankfurt, StV 1981, S. 25;<br />

OLG Bremen, StV 1986, S. 540.<br />

71 KG, JR 1966, S. 230; siehe dazu W. Gollwitzer in LR24, § 305 Rn. 17; Kleinknecht,<br />

JR 1966, S. 231.<br />

8 Scheffler


114 <strong>3.</strong> Kap.: Aufgliederung des Begriffs der <strong>überlange</strong>n Verfahrensdauer B. Zur Einordnung mit Hilfe des Verhältnismäßigkeitsgr<strong>und</strong>satzes 115<br />

gleich wirksames, aber das Gr<strong>und</strong>recht weniger fühlbar einschränkendes Mittel<br />

nicht gewählt werden könnte"72. <strong>Die</strong>s gilt auch im Sinne "zeitlicher Erforderlichkeil"<br />

7<strong>3.</strong> Verfahrensdauer ist demzufolge so kurz wie möglich zu halten 74 (Prinzip<br />

des kürzestmöglichen Eingriffs 75). Der Gr<strong>und</strong>satz der Erforderlichkeit korrespondiert<br />

mit dem - vor allem Interessen der Rechtspflege dienenden - Prinzip<br />

der Prozeßökonomie76. Insofern kann es hier nicht darum gehen, in welchem<br />

Zeitraum ein Verfahren theoretisch hätte abgeschlossen werden können77; die<br />

StPO kennt keinen Anspruch auf das theoretisch schnellstmögliche Verfahren<br />

gar noch unter Zurückstellung anderer Aufgaben der Strafverfolgungsorgane 78.<br />

So hat auch ein Vorprüfungsausschuß des BVerfG hervorgehoben, es könne<br />

nicht darauf ankommen, ob <strong>und</strong> inwieweit eine Maßnahme "möglicherweise<br />

früher hätte getroffen werden können. <strong>Die</strong>s verbietet sich schon im Hinblick auf<br />

den Umstand, daß ein Gericht jeweils mit einer Vielzahl <strong>von</strong> Verfahren gleichzeitig<br />

befaßt ist <strong>und</strong> sich hieraus zwangsläufig für das einzelne Verfahren Verzögerungen<br />

ergeben, deren Ursachen nicht in diesem Verfahren selbst liegen" 79.<br />

Dementsprechend hat vor kurzem, deutlicher als der BGH, das BayObLG ausgesprochen,<br />

daß nichtjede den Durchschnitt überragende, <strong>von</strong> den Strafverfolgungsbehörden<br />

zu vertretende Verzögerung im weiteren Verfahren schon Beachtung<br />

zu finden habe; eine bedeutsame Verfahrensverzögerung sei nur anzunehmen,<br />

"wenn sie ganz entschieden außerhalb der Bandbreite üblicher Verfahrensführung<br />

liegt" 80. Verwaltungsrechtlich gesprochen: Den Strafverfolgungsbehörden ist hinsichtlich<br />

der Einschätzung des Zeitpunkts ihrer Initiative ein Beurteilungsspielraum<br />

zuzubilligen 81 , bezüglich der Art ihres Handeins haben sie Ermessen82.<br />

Es kommen hierbei zunächst einmal Verfahrensverzögerungen aufgr<strong>und</strong> "justizinterner<br />

Saumseligkeit"83 in Betracht. <strong>Die</strong>se kann zum einen in individuellen<br />

Mängeln liegen - etwa Entscheidungsschwäche oder mangelnde Arbeitsdiszi-<br />

72 BVerfGE 33, S. 171 (187); ähnlich 25, S. 1 (18); 30, S. 292 (316).<br />

73 Kloepfer, JZ 1979, S. 214.<br />

74 Vgl. Rosenthai, § 121 StPO, S.45; Kohlmann, FS Maurach, S.509; Kloepfer,<br />

DVBI. 1977, S. 741; JZ 1979, S. 214; Hillenkamp, NJW 1989, S. 2848.<br />

75 Kloepfer, JZ 1979, S. 214.<br />

76 Vgl. Sauer, Gr<strong>und</strong>lagen des Prozeßrechts Z , S. 604 f.; E. Schumann, FS Larenz,<br />

S. 279; W. Gollwitzer, FS Kleinknecht, S. 157; Noske, <strong>Die</strong> Prozeßökonomie als Bestandteil<br />

des verfassungsrechtlichen Gr<strong>und</strong>satzes der Verhältnismäßigkeit, S. 74 f.; Holzlöhner,<br />

<strong>Die</strong> Gr<strong>und</strong>sätze der Erforderlichkeit <strong>und</strong> Verhältnismäßigkeit, S. 134 ff.<br />

77 Vgl. Rosenthai, § 121 StPO, S. 45 f.; abweichend I. Roxin, Rechtsfolgen, S. 166.<br />

78 1. Roxin, Rechtsfolgen, S. 175 f.; Priebe, FS v. Simson, S. 30<strong>3.</strong><br />

79 BVerfG (Vorprüfungsausschuß), EuGRZ 1982, S. 75 (76); vgl. auch BVerfGE 55,<br />

S. 345 (369).<br />

80 BayObLG, StV 1989, S. 394; ähnlich schon OLG Saarbrücken, NJW 1975, S. 941<br />

(942).<br />

81 Vgl. LG Köln, NStZ 1989, S. 442 (443).<br />

82 Vgl. Kloepfer, JZ 1979, S. 21<strong>3.</strong><br />

83 Schünemann, Verh. 58. DJT, S. B 31.<br />

plin des einzelnen Amtswalters 84 -, zum anderen aber zu organisatorischen<br />

Fehlern - etwa zeitweiliger Aktenverlust im Bereich der Strafverfolgungsorgane<br />

85 - führen. Des weiteren ist Verfahrensdauer dann als Verfahrensverzögerung<br />

einzustufen, wenn das Nichtstun zwar gegenüber der Verfahrensfortführung zum<br />

Erreichen der Verfahrensziele sogar geeigneter sein mag, das Zuwarten jedoch<br />

normativ unzulässig ist: Sofern in absehbarer Zeit nicht mit der Herbeischaffung<br />

eines erforderlich erscheinenden Beweismittels zu rechnen ist, muß das Verfahren<br />

auch ohne das Beweismittel fortgesetzt werden 86 - ein Gr<strong>und</strong>satz, der aus dem<br />

Beweisantragsrecht zur Ablehnung wegen (vorübergehender) Unerreichbarkeit<br />

bekannt ist 87. Schließlich ist in der Rechtsprechung zu § 121 <strong>und</strong> § 275 StPO<br />

anerkannt, daß Personalmangel oder Überlastungen <strong>von</strong> Gericht bzw. Justizverwaltung<br />

nicht als wichtiger Gr<strong>und</strong> 88 bzw. unabwendbarer Umstand 89 anzuerkennen<br />

sind <strong>und</strong> Fristüberschreitungen rechtfertigen können. Solche Umstände sind<br />

also ebenfalls als Verfahrensverzögerungen <strong>und</strong> nicht als verfahrensbedingte<br />

Umstände anzusehen 90 .<br />

Offen bleibt noch die Frage, wie Verfahrensdauer zu beurteilen ist, die nicht<br />

auf Verzögerung durch die Strafverfolgungsorgane beruht, sondern <strong>von</strong> anderen<br />

staatlichen Stellen verursacht worden ist. Praktisch relevant soll dies im sog.<br />

Schmücker-Verfahren durch verschleiernde Aktivitäten des Verfassungsschutzes<br />

geworden sein 91 , die das Gericht allenfalls "hingenommen" habe 92. Der 5. Strafsenat<br />

des BGH hat sich in seiner letzten Revisionsentscheidung dazu nicht geäußert,<br />

84 Vgl. Hillenkamp, NJW 1989, S. 2848 Fn. 83; Kirchhof, JZ 1989, S. 464.<br />

85 OLG Frankfurt, StV 1990, S. 412; vgl. auch BGHSt 35, S. 137 (138).<br />

86 BGH, NStZ 1982, S. 291 (292) (vgl. zu diesem Fall auch BVerfGE 53, S. 152<br />


116 <strong>3.</strong> Kap.: Aufgliederung des Begriffs der <strong>überlange</strong>n Verfahrensdauer B. Zur Einordnung mit Hilfe des Verhältnismäßigkeitsgr<strong>und</strong>satzes 117<br />

obwohl er entsprechendes Verhalten staatlicher Behörden wohl für erwiesen<br />

gehalten hat 93 • Das LG Köln ist im sog. OPEC-Verfahren als selbstverständlich<br />

da<strong>von</strong> ausgegangen, daß <strong>von</strong> der B<strong>und</strong>esregierung verursachte Verfahrensverzögerungen<br />

(später Auslieferungsantrag) wie solche der Strafverfolgungsorgane zu<br />

behandeln seien 94. <strong>Die</strong>se Einstufung dürfte richtig sein: <strong>Die</strong> staatlichen Funktionen<br />

können dem Beschuldigten gegenüber nicht aufgeteilt werden 95. Das bedeutet<br />

nun aber andererseits, daß dann keine Verzögerungen vorliegen, wenn die staatlichen<br />

Stellen ihrerseits durch die Wahrnehmung ihrer Befugnisse die Verfahrensdauer<br />

verursacht haben: So hat der <strong>3.</strong> Strafsenat des BGH eine Verletzung des<br />

Beschleunigungsprinzips verneint, weil die Strafverfolgung <strong>von</strong> Gesetzes wegen<br />

- infolge der vom Parlament verweigerten Aufhebung der Immunität des Beschuldigten<br />

- nicht fortgesetzt werden konnte 96 .<br />

Es dürfte nun müßig sein, darüber diskutieren zu wollen, ob auch die Vornahme<br />

nicht geeigneter, vor allem aber nicht erforderlicher Maßnahmen den Gr<strong>und</strong>satz<br />

der Proportionalität verletzen können 97. Geht man da<strong>von</strong> aus, daß die Gr<strong>und</strong>sätze<br />

der Geeignetheit, Erforderlichkeit <strong>und</strong> Proportionalität in einem Stufenverhältnis<br />

stehen 98, könnte dies, logisch betrachtet, naheliegend sein. Soweit diese Frage<br />

erörtert wird, wird allerdings häufig da<strong>von</strong> ausgegangen, ein Mittel könnte proportional<br />

sein, obwohl es nicht erforderlich ist 99 , was bei isolierter Betrachtungsweise<br />

100 nicht denkfehlerhaft ist lOl • Ohne dies hier weiter vertiefen zu wollen, soll<br />

jedenfalls aus heuristischen Gründen im folgenden <strong>von</strong> dem isolierten Verständnis<br />

dieser Teilgr<strong>und</strong>sätze ausgegangen werden. Anders sieht es mit dem Verhältnis<br />

<strong>von</strong> Geeignetheit <strong>und</strong> Erforderlichkeit aus: Ein ungeeignetes Mittel kann niemals<br />

93 BGH, StV 1989, S. 187.<br />

94 LG Köln, NStZ 1989, S. 442 (443); zustimmend Paeffgen, NStZ 1990, S. 534.<br />

95 Vgl. J. Meyer, ZStW 95 (1983), S. 850; Grünwald, JZ 1966, S. 494.<br />

96 BGHSt 36, S. 363 (372).<br />

97 So auch L. Hirschberg, Der Gr<strong>und</strong>satz der Verhältnismäßigkeit, S. 150 f.<br />

98 M. Jakobs, Der Gr<strong>und</strong>satz der Verhältnismäßigkeit, S. 103 f.; Witt, Verhältnismäßigkeitsgr<strong>und</strong>satz,<br />

S. 40 f.; Paeffgen, VOfÜberiegungen zu einer Dogmatik des Untersuchungshaft-Rechts,<br />

S. 165; weitere Nachweise bei Scheffler, Gr<strong>und</strong>legung eines kriminologisch<br />

orientierten Strafrechtssystems, S. 83 Fn. 2.<br />

99 M. Jakobs, Der Gr<strong>und</strong>satz der Verhältnis~äßigkeit, S.77; Wittig, DÖV 1968,<br />

S. 817; van Gelder, AuR 1972, S. 107; Lerche, Uberrnaß <strong>und</strong> Verfassungsrecht, S. 23<br />

Fn. 10; Betterrnann / Loh, BB 1969, S. 72; Langheineken, Der Gr<strong>und</strong>satz der Verhältnismäßigkeit,<br />

S. 8; Noske, <strong>Die</strong> Prozeßökonomie als Bestandteil des verfassungsrechtlichen<br />

Gr<strong>und</strong>satzes der Verhältnismäßigkeit, S. 71; unklar v. Krauss, Der Gr<strong>und</strong>satz der Verhältnismäßigkeit,<br />

S. 14 f., der m. E., obwohl er <strong>von</strong> Angemessenheit spricht, wohl Verhältnismäßigkeit<br />

im weiteren Sinne meint (andere Interpretation bei L. Hirschberg, Der Gr<strong>und</strong>satz<br />

der Verhältnismäßigkeit, S. 4); a. A. Glitz, Gesetzmäßigkeitsprinzip <strong>und</strong> Übermaßverbot,<br />

S. 82; Holzlöhner, <strong>Die</strong> Gr<strong>und</strong>sätze der Erforderlichkeit <strong>und</strong> Verhältnismäßigkeit,<br />

S.19.<br />

100 Vgl. L. Hirschberg, Der Gr<strong>und</strong>satz der Verhältnismäßigkeit, S. 47.<br />

101 So auch L. Hirschberg, Der Gr<strong>und</strong>satz der Verhältnismäßigkeit, S. 150 f., der diese<br />

Betrachtungsweise aber ablehnt.<br />

erforderlich sein 102. Demzufolge betreffen Überlegungen zur fehlenden Erforderlichkeit<br />

regelmäßig auch die Ungeeignetheit, die somit bei <strong>überlange</strong>r Verfahrensdauer<br />

nur gelegentlich eine selbständige Rolle spielt.<br />

IH. Proportionalität <strong>und</strong> <strong>Dauer</strong><br />

1. Verjährung als abschließende Regelung<br />

Nun kann ein Verfahren nicht nur deshalb überlang sein, weil es aufgr<strong>und</strong><br />

<strong>von</strong> Verfahrensverzögerungen nicht mehr (zeitlich) erforderlich ist, sondern auch,<br />

weil die Verfahrenslänge, unabhängig <strong>von</strong> ihrer Ursache, disproportional zur<br />

verfolgten Tat wird. Damit könnte sich die <strong>von</strong> Geppert 103 weitgehend vermißte<br />

Diskussion um die Abgrenzung <strong>von</strong> <strong>überlange</strong>r Verfahrensdauer <strong>und</strong> Verjährung<br />

führen lassen: <strong>Die</strong> immer wieder beschworene "Rechtsähnlichkeit zur Verfolgungsverjährung"<br />

104 des Problems <strong>überlange</strong>r Verfahrensdauer würde auf dem<br />

Gesichtspunkt der Disproportionalität beruhen. Bei bloßer Verfahrenslänge stellen<br />

dann die Vorschriften der Verfolgungsverjährung eine - jedenfalls gr<strong>und</strong>sätzlich<br />

- abschließende rechtliche Regelung dar, wie neuerdings Schroth betont<br />

hat 105.<br />

Allerdings scheint dies im Widerspruch zu den Stimmen in der Literatur zu<br />

stehen, die den inhaltlichen Zusammenhang zwischen der Verjährungsregelung<br />

<strong>und</strong> dem Problem <strong>überlange</strong>r Verfahrensdauer bekämpfen 106. Doch analysiert<br />

man diese Äußerungen genauer, ergibt sich Übereinstimmung: Es wird gerade<br />

hervorgehoben, daß die Verjährungsvorschriften automatisch an den Zeitablauf<br />

anknüpfen <strong>und</strong> somit nicht den Gesichtspunkt der Verzögerungen miteinbeziehen<br />

würden. Verzögerungen spielen aber gerade unter dem Gesichtspunkt der Disproportionalität<br />

keine Rolle.<br />

Im Gegenteil: Wie sehr sich die Problemkreise der Disproportionalität <strong>und</strong><br />

der Verjährung decken, zeigt sich sogar an ihrem Verhältnis zum (verzögerlichen)<br />

Handeln der Strafverfolgungsorgane: Gemäß § 78c StGB wird die Verjährung<br />

durch die dort aufgezählten Verfahrenshandlungen unterbrochen. Auch ihre verzögerte<br />

Handhabung hat keinerlei Einfluß auf die Verjährungsunterbrechung <strong>und</strong><br />

102 L. Hirschberg, Der Gr<strong>und</strong>satz der Verhältnismäßigkeit, S. 59 f.; Wittig, DÖV 1968,<br />

S. 817; Witt, Verhältnismäßigkeitsgr<strong>und</strong>satz, S. 40 Fn. 1; Glitz, Gesetzmäßigkeitsprinzip,<br />

S. 82; unklar Langheineken, Der Gr<strong>und</strong>satz der Verhältnismäßigkeit, S. 7.<br />

103 Geppert, JK 1983, MRK Art. 6/1.<br />

104 LG Frankfurt, JZ 1971, S. 234 (235); Hanack, JZ 1971, S. 707; 712; v. Stackelberg,<br />

FS Bockelmann, S. 767; K. Peters, JR 1978, S. 247.<br />

105 Schroth, NJW 1990, S. 31; vgl. auch Hanack, JZ 1971, S. 712.<br />

106 Schwenk, ZStW 79 (1967), S.722; Hillenkamp, JR 1975, S. 135 f.; I. Roxin,<br />

Rechtsfolgen, S. 187 ff.; Bruns, Verh. 50. DJT, S. K 8<strong>3.</strong>


118 <strong>3.</strong> Kap.: Aufgliederung des Begriffs der <strong>überlange</strong>n Verfahrensdauer B. Zur Einordnung mit Hilfe des Verhältnismäßigkeitsgr<strong>und</strong>satzes 119<br />

damit auf die Verlängerung des Verjährungszeitraums 107. Sogar Maßnahmen,<br />

die fehlerhaft oder ungeeignet 108, die nicht notwendig oder unzweckmäßig sind 109<br />

oder die gerade nur deshalb ergriffen werden, um die Unterbrechung der Verjährung<br />

herbeizuführen 110, sind nach herrschender Ansicht zulässig, solange sie<br />

nicht nichtig 111 oder bloße Scheinmaßnahmen 112 sind. Selbst unzulässige Vorlagen<br />

nach Art. 100 GG können zum Ruhen der Verjährung nach § 78b I StPO<br />

führen 11<strong>3.</strong><br />

2. Aufhebung des Haftbefehls als Hilfserwägung<br />

<strong>Die</strong> Ansicht, das (Verfolgungs-)Verjährungsrecht regele abschließend die Disproportionalität,<br />

korrespondiert mit der Wertung des Untersuchungshaftrechts,<br />

aus der folgt, daß in praxi bloße Disproportionalität der Verfahrensdauer bei<br />

Großverfahren nur selten eine Rolle spielen dürfte: Selbst Untersuchungshaftvollzug<br />

mit seinem schwerwiegenderen Eingriffscharakter gegenüber der bloßen<br />

Durchführung des <strong>Strafverfahren</strong>s wird so lange als proportional betrachtet, wie<br />

seine <strong>Dauer</strong> nicht die Straferwartung übertrifft 114, <strong>und</strong> zwar unter Berücksichtigung<br />

der wahrscheinlichen Strafaussetzung zur Bewährung 115. Konsequenz ist,<br />

daß Disproportionalität (wegen bloßer Verfahrensdauer) jedenfalls nicht früher<br />

oder gleichzeitig vorliegen kann 116.<br />

Demzufolge ist insbesondere in NS- <strong>und</strong> Terroristenprozessen, in denen regelmäßig<br />

lebenslange Freiheitsstrafe droht, Disproportionalität kaum denkbar. So<br />

107 Schroeder, Strafprozeßrecht2, S. 3 f.; dagegen Hillenkamp, JR 1975, S. 136 (ohne<br />

Begründung).<br />

108 Stree in SchSch2 3, § 78c Rn. 3; OLG Celle, NdsRpfl. 1984, S. 239 (240).<br />

109 BGHSt 7, S.202 (205); OLG Koblenz, DAR 1980, S.250 (251); BayObLGSt<br />

1976, S. 28 (30); Jähnke in LKlO, § 78c Rn. 11.<br />

110 BGHSt 7, S. 202 (205); 9, S. 198 (203); 12, S. 177 (180); Stree in SchSch 23 , § 78c<br />

Rn. 3; Dreher I Tröndle, StGB44, § 78c Rn. 7; Jähnke in LK'O, § 78c Rn. 11; a. A. Rudolphi<br />

in SK StGB, § 78c Rn. 7; Lackner, StGB'8, § 78c Anm. <strong>3.</strong><br />

111 Stree in SchSch2 3, § 78c Rn. <strong>3.</strong><br />

JI2 BGHSt 7, S. 202 (205); 9, S. 198 (203); 12, S. 335; OLG Celle, NdsRpfl. 1984,<br />

S. 239 (240); OLG Koblenz, DAR 1980, S. 250 (251); BayObLGSt 1976, S. 28 (30);<br />

Jähnke in LKIO, § 78c Rn. 11; Stree in SchSch 2 3, § 78c Rn. <strong>3.</strong><br />

113 VgI. BGHSt 24, S. 6 (10); Ulsamer in Maunz I Schmidt-Bleibtreu I Klein I Ulsamer,<br />

BVerfGG, § 80 Rn. 299; 306 ff.: "ordnungsgemäße Vorlage" genügt.<br />

114 OLG Bremen, NJW 1960, S. 1265; Dürig in Maunz I Dürig, Art. 1 Abs. II Rn. 71;<br />

Wendisch in LR24, § 120 Rn. 10; Boujong in KK StP02, § 120 Rn. 6; Kleinknechtl<br />

Janischowsky, Das Recht der Untersuchungshaft, Rn. 115; Echterhölter, JZ 1956, S. 145;<br />

v. Stackelberg, NJW 1960, S. 1266; vgI. auch BGHZ 45, S. 30 (40).<br />

115 Boujong in KK StP02, § 112 Rn. 48; Kleinknecht I Meyer, StP039, § 120 Rn. 4;<br />

LG Freiburg, StV 1988, S. 394; vgl. aber auch OLG Frankfurt, NStZ 1986, S. 568.<br />

116 Siehe aber I. Roxin, Rechtsfolgen, S. 255 ff.; zustimmend Schroth, NJW 1990,<br />

S. 31; vgI. auch Grauhan, GA 1976, S. 236 f.; Hillenkamp, NJW 1989, S. 2847 Fn. 71.<br />

Siehe dazu auch unten, 7. Kap. C II 1.<br />

ist es jedenfalls konsequent, daß der BGH im sog. Schmücker-Verfahren auch<br />

nach r<strong>und</strong> dreizehn Jahren Verhandlungsdauer es "angesichts der Schwere des<br />

Tatvorwurfs <strong>und</strong> der Schwierigkeit der Beweislage" <strong>und</strong> unter der - allerdings<br />

tatsächlich zweifelhaften 117 - Voraussetzung des Fehlens <strong>von</strong> "besonderen Umständen"<br />

(gemeint sind wohl gravierende Verfahrensverzögerungen durch die<br />

Strafverfolgungsbehörden) abgelehnt hat, das Verfahren einzustellen. Disproportionale,<br />

nicht auf Verzögerungen beruhende Verfahrensdauer wird im Bereich<br />

der Großverfahren am ehesten in Wirtschaftsstrafprozessen denkbar sein, also<br />

in Strafsachen <strong>von</strong> großer Schwierigkeit bei relativ geringer Straferwartung.<br />

<strong>3.</strong> Entkriminalisierung <strong>von</strong> Bagatellsachen als Konsequenz<br />

Das zur Proportionalität bezüglich des Verhältnisses <strong>von</strong> Verfahrensdauer <strong>und</strong><br />

Strafe Ausgeführte bedarf einer ergänzenden Überlegung für den Bereich der<br />

Bagatellkriminalität: Wegen § 50 I StGB (Mindeststrafe: fünf Tagessätze) könnte<br />

rein theoretisch schon eine Verfahrensdauer <strong>von</strong> nur einer Woche die verwirkte<br />

Strafe übertreffen. Bei diversen Delikten 118 erreicht schon einjährige, bei<br />

§§ 106a I, 107b I, 160 I 2. Alt., 184a StGB schon halbjährige Verfahrensdauer<br />

die Strafrahmenobergrenze 119. <strong>Die</strong>sen Gedanken zuende zu denken bedeutet, daß<br />

die Strafverfolgung <strong>von</strong> Bagatellkriminalität über eine relativ kurz bemessene<br />

zeitliche Spanne hinaus unter dem Gesichtspunkt <strong>überlange</strong>r Verfahrensdauer<br />

als problematisch anzusehen ist 120. In diesem Sinne hat sich, wie der 2. Strafsenat<br />

des BGH in seiner Revisionsentscheidung mitteilt, auch das LG Köln geäußert:<br />

Es widerspräche dem Gr<strong>und</strong>satz der Verhältnismäßigkeit, "das Verfahren in dem<br />

Bewußtsein fortzusetzen, daß kaum mehr als eine symbolische Strafe zu erwarten<br />

sei" 121.<br />

117 BGH, StV 1989, S. 187 (188). Zweifelhaft ist die Entscheidung allerdings unter<br />

zwei Gesichtspunkten, auf die jetzt auch das LG Berlin in seinem Einstellungsurteil<br />

hingewiesen hat: Zum einen insofern, als die Verfahrensdauer (auch) auf das Verhalten<br />

staatlicher Organe zurückzuführen sein könnte (siehe oben, II), zum anderen deshalb,<br />

weil der BGH in einigen Entscheidungen Verfahrensverzögerungen der Strafverfolgungsbehörden<br />

darin erblickt hat, daß Urteile auf die Revision des Beschuldigten hin aufgehoben<br />

werden mußten (BGHSt 35, S. 137 ; StV 1985, S. 322; NStZ 1987, S. 232 f.;<br />

BGHR StGB § 46 Abs.2 Nachtatverhalten 4


120 <strong>3.</strong> Kap.: Aufgliederung des Begriffs der <strong>überlange</strong>n Verfahrensdauer B. Zur Einordnung mit Hilfe des Verhältnismäßigkeitsgr<strong>und</strong>satzes 121<br />

<strong>Die</strong>ses Problem ist durch die strafrechtlichen Änderungen im Bereich der<br />

Bagatellkriminalität der letzten Jahrzehnte jedenfalls prinzipiell gelöst worden,<br />

<strong>und</strong> zwar in zweifacher Hinsicht. Zum einen hat der Gesetzgeber hier zu Verfahrensvereinfachungen<br />

zwecks Beschleunigung gegriffen: Während bei Großverfahren<br />

Hintergr<strong>und</strong> <strong>von</strong> Verfahrensvereinfachungen ist, daß das Strafprozeßrecht<br />

in seiner Ausgestaltung diesen Prozessen nicht "gewachsen" sei 122, geht es hier<br />

darum, daß das Verfahrensrecht aufgr<strong>und</strong> des Bagatellcharakters teilweise als<br />

"überflüssig" angesehen wird 12<strong>3.</strong> Zum anderen,<strong>und</strong> nur dies kann die Legitimation<br />

für ersteres darstellen, findet eine Entkriminalisierung im Bereich der Bagatelldelikte<br />

statt: Es wird an die Sanktionierung des Täters kein Strafmakel geknüpft.<br />

Es geht, auch wenn dies formal betrachtet ist, nicht mehr um ein Verfahren, das<br />

mit einem tiefen Einschnitt in die soziale Integrität des Beschuldigten droht, der<br />

(Freiheits-)Strafe zu befürchten hat, sondern es geht ausschließlich um die Verhängung<br />

einer nicht mit einem Unwerturteil verknüpften finanziellen Verpflichtung.<br />

<strong>Die</strong> Situation des Beschuldigten ist der Situation angenähert, in der sich<br />

jemand befindet, der sich einer zivilrechtlichen Zahlungsklage oder eines belastenden<br />

Verwaltungsaktes erwehren muß 124.<br />

a) <strong>Die</strong> vereinfachten Kriminalstrafverfahren<br />

Gegenbeispiel zu den Entkriminalisierungen sind die schon in der ursprünglichen<br />

Fassung der StPO angelegten sog. vereinfachten <strong>Strafverfahren</strong>. Exemplarisch<br />

soll dazu im folgenden nicht das Augenmerk auf das Strafbefehlsverfahren<br />

mit dem Einwand gelegt werden, es könne die Rechtsstellung der Beschuldigten<br />

verkürzen, indem (Kriminal-)Strafen vorschnell <strong>und</strong> ohne hinreichendes rechtliches<br />

Gehör festgesetzt würden, die Betroffenen sich aber aus den verschiedensten<br />

Gründen nicht zur Wehr setzten 125. Statt dessen werden das beschleunigte Verfahren<br />

(§ 212 StPO) <strong>und</strong> die Nachtragsklage (§ 266 StPO) betrachtet, die die Vereinfachung<br />

<strong>und</strong> Beschleunigung durch die Überspringung gewisser regelmäßig vorgeschriebener<br />

Verfahrenshandlungen erreichen wollen 126, aber ebenfalls formelle<br />

Strafe nach sich ziehen. Beide sind für den Bereich der Kleinkriminalität bestimmt.<br />

Beim beschleunigten Verfahren ergibt sich dies schon aus der Beschränkung<br />

der Strafgewalt gemäß § 212b I Satz 2 StPO. Bei § 266 StPO war in der<br />

ursprünglichen Fassung die Nichtanwendbarkeit auf Verbrechen ausgesprochen;<br />

rein faktisch dürfte sich daran nichts geändert haben: Nur in kleineren Sachen<br />

ist anzunehmen, daß die Staatsanwaltschaft ohne weitere Ermittlungen sofort<br />

122 Vgl. Baumann, FS Klug, S. 46<strong>3.</strong><br />

123 Vgl. Rieß, JR 1975, S. 224 ff.; in: Strafprozeß <strong>und</strong> Reform, S. 114 f.<br />

124 Vgl. dazu Priebe, FS v. Simson, S. 302.<br />

125 Vgl. Gössel in LR'4, vor § 407 Rn. 12.<br />

126 Vgl. W. Gollwitzer in LR'4, § 266 Rn. 1; Gallrein, Das schleunige Verfahren im<br />

Strafprozess, S. 2 f.<br />

anklagen, das Gericht ohne vorbereitendes Verfahren verhandeln <strong>und</strong> der Beschuldigte<br />

sich ohne Aussetzung der Hauptverhandlung (vgl. § 266 III Satz 1<br />

StPO) verteidigen kann. Gegen beide Vorschriften sind Bedenken anzumelden:<br />

<strong>Die</strong> Durchbrechung des wohlerwogenen regelmäßigen Verfahrensganges mit<br />

schriftlicher Anklage, Eröffnungsverfahren <strong>und</strong> Hauptverhandlung nach angemessener<br />

Ladungsfrist ist, mit Meyer-Goßner gesprochen, eo ipso suspekt1 27 •<br />

Beim beschleunigten Verfahren hat der Beschuldigte keinerlei Möglichkeiten,<br />

sich gegen diese Verfahrensart zu wehren - ein einmaliger Vorgang in der<br />

StPO, der schon mit den frühen StPO-Entwürfen revidiert werden sollte 128. Wenngleich<br />

auch diese Verfahrensart einen "einfachen Sachverhalt" - sprich, wie<br />

das bezeichnende Wort "Aburteilung" in § 212 StPO zeigt, einfache Überführung<br />

des Täters 129 - voraussetzt, so ist doch im heutigen Strafrecht selbst bei offensichtlicher<br />

Täterschaft ein einfacher Sachverhalt niemals gegeben 130: Schon Karl<br />

Peters hat als eine Ursache für heute länger als früher andauernde Verfahren<br />

darauf hingewiesen, daß das (auch) spezialpräventiv ausgerichtete Strafrecht die<br />

Gewinnung eines umfassenden Persönlichkeitsbildes aufgr<strong>und</strong> der Tätereigenschaften,<br />

der Täterentwicklung <strong>und</strong> der Täterumwelt sowie eine Persönlichkeitsprognose<br />

erfordert 131. Welche Bedeutung gerade auch bei "einfachen Sachverhalten"<br />

der Ermittlung des Strafzumessungssachverhalts zukommt, zeigt sich gerade<br />

daran, daß in jüngerer Zeit ein Schwerpunkt des Anwendungsbereichs des beschleunigten<br />

<strong>Strafverfahren</strong>s die Verurteilung <strong>von</strong> Fußballrowdies <strong>und</strong> gewalttätigen<br />

Demonstranten 132 mit der häufigen Verhängung <strong>von</strong> Freiheitsstrafen ohne<br />

Strafaussetzung gewesen ist1 33 • Hier hebt verstärkt § 56 I StGB sowohl die<br />

Relevanz der Ermittlung der spezialpräventiven Gesichtspunkte als auch die<br />

große Bedeutung der Strafzumessungsverteidigung für den Beschuldigten hervor.<br />

<strong>Die</strong>se Bedenken schlagen hinsichtlich § 266 StPO weit weniger durch, weil<br />

hier die Zustimmung des Beschuldigten zur Einbeziehung der Nachtragsklage<br />

erforderlich ist. Doch bestimmt dann § 266 III Satz 1 StPO, daß die Verhandlung<br />

nicht einmal unterbrochen wird, wenn der Angeklagte einen Unterbrechungsantrag<br />

auf die Nachtragsklage hin "offenbar mutwillig oder nur zur Verzögerung<br />

127 Meyer-Goßner in LR23, vor § 198 Rn. 15.<br />

128 Vgl. dazu Gallrein, Das schleunige Verfahren im Strafprozess, S. 80 f.; 90 f.;<br />

K.-H. Lehmann, DRiZ 1970, S. 288.<br />

129 Vgl. Meyer-Goßner in LR'3, § 212 Rn. 16; K.-H. Lehmann, DRiZ 1970, S. 289<br />

Fn.31.<br />

130 Siehe Schünemann, NJW 1968, S. 975; vgl. auch Rieß in LR'4, § 212 Rn. 8; 22;<br />

24, sowie Nr. 146 I Satz 2 RiStBV.<br />

131 K. Peters in: StrafprozeB <strong>und</strong> Reform, S. 84; vgl. auch Küng-Hofer, Beschleunigung,<br />

S. 6 ff.<br />

132 Vgl. RieB in LR'4, § 212 Rn. 6; Baumann, FS Klug, S.462; Priestoph, Polizei<br />

1979, S. 296 ff.; K.-H. Lehmann, DRiZ 1970, S. 287 ff.; Schünemann, NJW 1968,<br />

S. 975 f.<br />

133 Vgl. Meyer-Goßner in LR23, vor § 198 Rn. 15.


122 <strong>3.</strong> Kap.: Aufgliederung des Begriffs der <strong>überlange</strong>n Verfahrensdauer B. Zur Einordnung mit Hilfe des Verhältnismäßigkeitsgr<strong>und</strong>satzes 123<br />

des Verfahrens gestellt" hat. Nun ist die Vorstellung schlechterdings unerträglich,<br />

das Gericht könnte erst die Zustimmung des Beschuldigten erlangen <strong>und</strong> dann<br />

seinen Unterbrechungsantrag ablehnen: Entweder ist der Beschuldigte "kooperativ"<br />

- wie seine Zustimmung zeigt -, dann muß unterbrochen werden. Oder<br />

der Unterbrechungsantrag ist zu Recht abgelehnt worden - dann ist die Zustimmung<br />

des Beschuldigten zur Nachtragsklage ihm doch wohl, wie es beim sofortigen<br />

Rechtsmittelverzicht nach Urteilsverkündung so schön heißt, "herausgefragt"<br />

134 worden. <strong>Die</strong>ser Widerspruch ist dadurch in das Gesetz gelangt, daß mit<br />

dem VereinhG <strong>von</strong> 1950 die Fassung des § 266 III StPO gemäß der 2. VereinfVO<br />

<strong>von</strong> 1942 übernommen wurde, jedoch die damals abgeschaffte Zustimmung des<br />

Beschuldigten wieder zur Voraussetzung der Einbeziehung gemacht wurde.<br />

Jedenfalls zeigt sich in beiden Verfahrensarten: Vereinfachung des Verfahrensganges<br />

ohne gleichzeitige Entkriminalisierung sichert die Proportionalität bei<br />

Kleinkriminalität auf Kosten der Rechtsstellung des Beschuldigten.<br />

b) <strong>Die</strong> entkriminalisierten Verfahren<br />

<strong>Die</strong> heiden wichtigsten Bereiche der neueren Entkriminalisierungsgesetzgebung,<br />

nämlich das Ordnungswidrigkeitenrecht <strong>und</strong> die Einstellung nach § l53a<br />

StPO 135, sind Reaktionen auf die zwei materiell möglichen Formen <strong>von</strong> Bagatellen:<br />

Während die Umwandlung in Ordnungswidrigkeiten die gesetzgeberische<br />

Reaktion bei selbständigen leichten Delikten 136 bzw. eigentlichen Bagatelldelikten<br />

137, also Taten, die nach ihrer Tatbestandsbeschreibung schlechthin nur geringfügig<br />

sind, darstellte, ist die Erledigung nach § 153a StPO die Lösung für jedes<br />

Vergehen - "Verbrechenstatbestände sind bagatellfrei" 138 -, das lediglich im<br />

Einzelfall als geringfügig anzusehen ist (unselbständig leichtes Delikt oder uneigentliches<br />

Bagatelldelikt). Problematisch hieran ist, bei weniger formalistischer<br />

Betrachtungsweise, vor allem, inwieweit hier ein bloßer "Etikettenschwindel"<br />

vorliegt mit der Konsequenz, daß gegen materiell doch strafgleiche Sanktionen<br />

ein verringerter Rechtsschutz besteht.<br />

Unter dem Gesichtspunkt der Proportionalität ist es dann zumindest konsequent,<br />

daß im Ordnungswidrigkeitenrecht die Verfolgungsverjährung gegenüber<br />

dem StGB früher eintritt: Nach § 11 OWiG staffelt sich die Verjährungsfrist je<br />

nach Bußgeldandrohung <strong>von</strong> drei Jahren bis zu sechs Monaten; im Bereich des<br />

Verkehrsrechts ist diese Frist sogar auf drei Monate herabgesetzt (§ 26 In StVG).<br />

Gerade die Verkehrsordnungswidrigkeiten machen die Problematik besonders<br />

deutlich: Auf der einen Seite ist zwar ihr Unrechtsgehalt eindeutiger als etwa<br />

im Bereich des Wirtschaftsrechts unter dem der Straftaten einzuordnen 139. Auf<br />

der anderen Seite drohen jedoch Rechtsfolgen, die mit denen des Kriminalstrafrechts<br />

identisch sind (Fahrverbot, § 25 StVG; Entziehung der Fahrerlaubnis, § 4<br />

StVG), registerrechtlich sogar schwerer wiegen können 140. Das bedeutet, daß die<br />

Kette: aufgr<strong>und</strong> geringeren Unrechtsgehaltes wird zu Ordnungswidrigkeiten herabgestuft<br />

<strong>und</strong> deshalb kann der Rechtsschutz des Betroffenen verkürzt werden<br />

durch die angedrohten Rechtsfolgen durchbrochen wird. <strong>Die</strong> Unterschiede z~<br />

den vereinfachten Kriminalstrafverfahren verflüchtigen sich.<br />

1974 wurde durch das EGStGB § l53a StPO eingeführt, "damit kleinere <strong>Strafverfahren</strong><br />

rasch <strong>und</strong> zweckmäßig ohne Schuldspruch <strong>und</strong> Hauptverhandlung<br />

erledigt werden" können 141. <strong>Die</strong> Problematik hier stellt sich anders dar: Daß sich<br />

die Geldzahlung nach § l53a I Nr. 2 StPO formell betrachtet <strong>von</strong> der Geldstrafe<br />

unterscheidet, dürfte nicht zweifelhaft sein. Genauso eindeutig dürfte es aber<br />

sein, daß die materiellen Wirkungen strafähnlicher Art sind. Geht man da<strong>von</strong><br />

aus, erscheint ein Gesichtspunkt interessant, den vor einigen Jahren vor allem<br />

Dencker hervorgehoben hat: § l53a StPO würde die rasche Erledigung nur dadurch<br />

erreichen, daß er Gr<strong>und</strong>prinzipien des Verfahrensrechts über Bord wirft 142:<br />

Jedem Verteidiger ist die unangenehme Situation bekannt, daß ihm <strong>von</strong> seiten<br />

des Gerichts <strong>und</strong> der Staatsanwaltschaft das Verfahren nach § l53a StPO in der<br />

Hauptverhandlung regelrecht aufgedrängt wird. Häufig passiert dies in einer<br />

Situation, in der das Verfahren aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen relativ<br />

kompliziert ist, der Verteidiger aber - u. U. gerade deswegen - eine reale<br />

Freispruchschance sieht. Lehnt der Verteidiger nun die Zustimmung zum Verfahren<br />

nach § 153a StPO ab, so hat sich das Risiko einer Verurteilung deutlich<br />

erhöht, da das Gericht nunmehr zum Ausdruck gebracht hat, daß es den Beschuldigten<br />

für schuldig hält 14<strong>3.</strong> Ein Befangenheitsgesuch dürfte hier kaum helfen 144.<br />

Vielmehr hat der Beschuldigte nunmehr, wie Eisenberg formuliert, die Wahl<br />

134 Vgl. Dahs, FS Schmidt-Leichner, S. 17 ff.<br />

135 Wenngleich es unüblich ist, kann auch § 153a StPO als Instrument zur Entkriminalisierung<br />

bezeichnet werden, vgl. etwa RieB in LR24, § 153a Rn. 4; Montenbruck / Kuhlmey<br />

/ Enderlein, JuS 1987, S. 967; Neumann, ZStW 101 (1989), S. 55 Fn. 10; Lüderssen<br />

in: Polizei <strong>und</strong> Strafprozeß, S. 213; Wolter, GA 1989, S. 398.<br />

136 H. Mayer, Zuchtgewalt <strong>und</strong> Strafrechtspflege, S. 63 f.; GerS 96 (1928), S. 407 f.;<br />

Krümpelmann, <strong>Die</strong> Bagatelldelikte, S. 36 f.<br />

137 Dreher, FS Welzel, S. 918 ff.; Wolter, GA 1989, S. 398.<br />

138 Vgl. Krümpelmann, <strong>Die</strong> Bagatelldelikte, S. 127; Kunz, Das strafrechtliche Bagatellprinzip,<br />

S. 206; 311.<br />

139 Vgl. etwa Kunz, Das strafrechtliche Bagatellprinzip, S. 157.<br />

. 140 In das Verkehrszentralregister werden zwar gemäß § 28 Nr. 3 StVG, § 13 I Nr. 2<br />

iI~. a StVZO Verurteilungen zu Geldbußen ab 80,- DM eingetragen, nicht jedoch<br />

Eillstellungen gemäß § 153a StPO (vgl. § 28 Nr. I StVG, § 13 I Nr. 2 lit. d StVZO).<br />

141 Begr. RegE EGStGB, BT-DrS 7/550, S. 298.<br />

142 Dencker, JZ 1973, S. 149.<br />

143 Insofern ist die Situation - entgegen RieB in LR24, § 153a Rn. 14; Herrmann,<br />

ZStW 96 (19.84), S. 472 - anders als bei der Entscheidung, ob Einspruch gegen einen<br />

Strafbefehl eillgelegt werden sollte.<br />

144 Vgl. Dencker, JZ 1973, S. 150; vgl. auch Eisenberg, Kriminologie3, § 40 Rn. <strong>3.</strong>


124 <strong>3.</strong> Kap.: Aufgliederung des Begriffs der <strong>überlange</strong>n Verfahrensdauer B. Zur Einordnung mit Hilfe des Verhältnismäßigkeitsgr<strong>und</strong>satzes 125<br />

"zwischen zwei Übeln" 145. Aus diesem Gr<strong>und</strong>e ist auch die Regelung des § 153a<br />

StPO gelegentlich sogar als ein Verstoß gegen § 136a StPO bezeichnet worden 146.<br />

Interessanterweise hat in einer neueren Entscheidung - es ging um Einstellung<br />

des Verfahrens nach § 153a StPO wegen <strong>überlange</strong>r Verfahrensdauer - der<br />

BGH erstaunlich deutliche Worte zu diesem Problem geäußert: Er sprach da<strong>von</strong>,<br />

die Anwendung <strong>von</strong> § 153a StPO könnte die Beschuldigten "der Zwangslage<br />

aussetzen, entweder die Bedingungen der Staatsanwaltschaft hinsichtlich Art <strong>und</strong><br />

Umfang der Auflagen zu akzeptieren odereine unabsehbare weitere Verlängerung<br />

des Verfahrens mit ungewissem Ausgang hinzunehmen. Da die Angeklagten bei<br />

einer neuen Hauptverhandlung auch mit einem Freispruch rechnen können, darf<br />

ihnen die Aussicht auf einen günstigen Ausgang des Verfahrens nicht dadurch<br />

genommen werden, daß ihnen unter dem Druck weiterer insgesamt unangemessener<br />

Verfahrensdauer die Übernahme belastender Auflagen gleichsam abgenötigt<br />

wird" 147. Zu dem Gebrauch der Worte "Zwangslage" <strong>und</strong> "abnötigen" erübrigt<br />

sich jeder Kommentar 148.<br />

IV. Zumutbarkeit <strong>und</strong> Belastungen<br />

Das bisherige Schema - Einordnung <strong>von</strong> <strong>überlange</strong>r Verfahrensdauer unter<br />

die Gesichtspunkte des Verhältnismäßigkeitsgr<strong>und</strong>satzes (Geeignetheit, Erforderlichkeit,<br />

Proportionalität) - vermag allerdings noch nicht die Einfügung eines<br />

Aspekts zu leisten, den insbesondere das LG Frankfurt <strong>und</strong> das BVerfG (Vorprüfungsausschuß)<br />

hervorgehoben haben 149: Auch ein unverzögertes, noch nicht<br />

verjährtes, also noch proportionales Verfahren kann zu außerordentlichen Verfahrensbelastungen<br />

beim Beschuldigten führen. Hinsichtlich der rechtlichen Bedeutung<br />

dieses Aspektes hat zur <strong>überlange</strong>n Untersuchungshaftdauer das LG Köln<br />

vor Inkrafttreten des StPÄG hingewiesen 150: "Auch dann nämlich, wenn das<br />

angemessene Verhältnis zwischen der Länge der Untersuchungshaft <strong>und</strong> der zu<br />

erwartenden Strafe nicht überschritten ist <strong>und</strong> wenn die Schwierigkeiten der<br />

Ermittlungen so außerordentlich sind, daß trotz längstem Zeitablauf<strong>von</strong> vermeidbaren<br />

Verfahrensverzögerungen nicht die Rede sein kann, muß die Untersuchungshaft<br />

ihr Ende finden, wenn ihr weiterer Vollzug den Inhaftierten seelisch<br />

zerbrechen, seine Verteidigungsbereitschaft weitgehend untergraben <strong>und</strong> damit<br />

seine Menschenwürde empfindlich verletzen würde."<br />

145 Eisenberg, Kriminologie', § 27 Rn. 19.<br />

146 Dencker, JZ 1973, S. 149 f.; C. Roxin, <strong>Strafverfahren</strong>srecht 21 , § 14 B II 2 b;<br />

Baumann, FS Klug, S. 463; dagegen Dreher, FS Welzel, S. 936 ff.; Meyer-Goßner in<br />

LR23, § 153a Rn. 108; Herrmann, JuS 1976, S. 417.<br />

147 BGHSt 35, S. 137 (141 f.).<br />

148 Vgl. auch Dencker / Hamm, Der Vergleich im Strafprozeß, S. 131.<br />

149 LG Frankfurt, JZ 1971, S.234 (2350; BVerfG (Vorprüfungsausschuß), NJW<br />

1984, S. 967. Vgl. auch BGHSt 24, S. 239 (240).<br />

150 LG Köln, NJW 1964, S. 1816 (1817).<br />

Hinter dem Gedanken der (Verfahrens-)Belastungen verbirgt sich, wie auch<br />

Hillenkamp deutlich macht l51 , der Zumutbarkeitsgesichtspunkt. Insoweit wäre<br />

richtigerweise die Auffassung Kohlmanns hier einzuordnen, es müsse (auch) die<br />

Angemessenheit <strong>von</strong> Verfahrensdauer <strong>und</strong> den daraus für den Beschuldigten<br />

erwachsenden Nachteilen gewahrt sein 152.<br />

Allerdings ist der Terminus der Zumutbarkeit nicht eindeutig. Er wird zunächst<br />

einmal, ähnlich wie durch Kohlmann, in zahlreichen Entscheidungen des<br />

BVerfG153 mit dem Proportionalitätsgr<strong>und</strong>satz vermengt, was deutliche Kritik<br />

erfahren hat 154. Von anderen wird der Zumutbarkeit dagegen ein eigener, abgegrenzter.<br />

Be~eutungsgehalt zugesprochen: <strong>Die</strong>ser Gr<strong>und</strong>satz ergänze die Wertung<br />

nac.h objektiven Maßstäben mittels Geeignetheit, Erforderlichkeit <strong>und</strong> ProportionalItät<br />

durch die Berücksichtigung der subjektiven Lage des Betroffenen; er<br />

verbiete Maßnahmen, die nach der subjektiven Sicht des Betroffenen eine unbillige<br />

Härte darstellen 155. Der Gr<strong>und</strong>satz der Zumutbarkeit richte sich gerade an den<br />

Rechtsanwender im konkreten Fall bezüglich der Umsetzung einer generellabstrakten<br />

Regelung 156 ohne "starre Opfergrenze" 157.<br />

Uneinigkeit herrscht weiterhin hinsichtlich der theoretischen Beziehung zum<br />

Verhältnismäßigkeitsprinzip. Für einige ist der Gr<strong>und</strong>satz der Zumutbarkeit ein<br />

weiterer Teilgr<strong>und</strong>satz des Verhältnismäßigkeitsprinzips 158, andere verstehen ihn<br />

als selbständiges, der Verhältnismäßigkeitsprüfung nachgeschaltetes Kriterium<br />

159. Billigt man dem Zumutbarkeitsgr<strong>und</strong>satz einen selbständigen Sinngehalt<br />

zu, so ist es letztendlich relativ bedeutungslos, ob man ihn als selbständigen<br />

Gr<strong>und</strong>satz oder aber als weiteres Element des Verhältnismäßigkeitsprinzips be-<br />

151 Hillenkamp, NJW 1989, S. 2848.<br />

152 Kohlmann, FS Maurach, S. 510.<br />

153 Vgl. BVerfGE 7, S. 377 (406); 21, S. 150 (155 f.); S. 173 (183); 26, S. 215 (228);<br />

30, S. 292 (316); 33, S. 240 (244); 36, S. 47 (59); 37, S. 1 (18 f.); 40, S. 371 (382 f.);<br />

41, S. 2~1 (264); 49, S. 24 (58); vgl. auch Dechsling, Das Verhältnismäßigkeitsgebot,<br />

S. 13; Zimmerh, ZSchwR 97 II (1978), S. 16 f.; Grabitz, DVBl. 1973, S. 683; Bettermann<br />

/ Loh, BB }969, S. 70; 72; Erichsen, DVBl. 1967, S. 270.<br />

154 Lücke, DOy 1974, S. 769 ff.; Ossenbühl, FG Gesellschaft für Rechtspolitik,<br />

S. 316 ff.; Langhemeken, Der Gr<strong>und</strong>satz der Verhältnismäßigkeit, S. 17 ff.; L. Hirschberg,<br />

Der Gr<strong>und</strong>satz der Verhältnismäßigkeit, S. 98 f.<br />

155 V~l. etwa Lücke, <strong>Die</strong> (Un-)Zumutbarkeit als allgemeine Grenze öffentlich-rechtlicher<br />

Pfhchten des Bürgers, S. 44 ff.; Witt, Verhältnismäßigkeitsgr<strong>und</strong>satz, S. 37; 42; M.<br />

Jakobs, Der Gr<strong>und</strong>satz der Verhältnismäßigkeit, S. 89 ff.; H. Henkel, FS Mezger, S. 267 f.<br />

156 H. Henkel, FS Mezger, S. 262; M. Jakobs, Der Gr<strong>und</strong>satz der Verhältnismäßigkeit<br />

S.94.<br />

'<br />

157 L. Hirs~hberg, Der. ~r<strong>und</strong>satz der Verhältnismäßigkeit, S.98; Ossenbühl, FG<br />

Gesellsc?aft fur Rechtspohtlk, S. 321; Dechsling, Das Verhältnismäßigkeitsgebot, S. 9 ff.<br />

158 Wltt, Verhältnismäßigkeitsgr<strong>und</strong>satz, S. 42; Steinberg, BB 1968, S. 436; Sommer,<br />

I?VB~. 1?73, S. 482; Huber, ZSchwR 96 I (1977), S. 27 f.; wohl auch Isensee, Subsidiaritatspnnzlp<br />

<strong>und</strong> Verfassungsrecht, S. 91.<br />

159 Lücke, DÖV 1974, S. 769 ff.; M. Jakobs, Der Gr<strong>und</strong>satz der Verhältnismäßigkeit<br />

S. 93 ff.; Ossenbühl, FG Gesellschaft für Rechtspolitik, S. 320 ff. '


126 <strong>3.</strong> Kap.: Aufgliederung des Begriffs der <strong>überlange</strong>n Verfahrensdauer B. Zur Einordnung mit Hilfe des Verhältnismäßigkeitsgr<strong>und</strong>satzes 127<br />

trachtet, wozu ich neige 160. Für das Verhältnis zur Proportionalität gilt in jedem<br />

Fall: Steigt die noch proportionale Verfahrensdauer entsprechend der Schwere<br />

des Tatvorwurfs (vgl. § 78 III StGB), so verhalten sich die Verfahrensbelastungen<br />

eher reziprok - je höher die Straferwartung, desto stärker könnten die Belastungen<br />

sein 161. Demzufolge kann auch ein Verfahren, das noch proportional ist,<br />

unzumutbar sein 162. Umgekehrt ist es denklogisch genausowenig ausgeschlossen,<br />

ein disproportionales Mittel immer zugleich als unzumutbar zu bezeichnen 163,<br />

wie auch möglich, beide Gr<strong>und</strong>sätze isoliert zu betrachten 164.<br />

V. "Vernünftigkeit" <strong>und</strong> Gesamtwürdigung<br />

Problematisch erscheint noch, wie der Begriff der Angemessenheit im Sinne<br />

<strong>von</strong> Art. 6 I EMRK zu verstehen ist, der terminologisch mit dem Verhältnismäßigkeitsprinzip<br />

oder dem Teilgr<strong>und</strong>satz der Proportionalität gleichgesetzt werden<br />

könnte. Rechtsbegriffe der Konvention sind jedoch nicht ohne weiteres identisch<br />

mit gleichlautenden des (sonstigen) innerstaatlichen Rechts 165. Der Terminus ist<br />

nicht aus der deutschen Dogmatik zum Verhältnismäßigkeitsgr<strong>und</strong>satz hervorgegangen<br />

166, die ihre heutige Ausgestaltung ohnehin erst ab 1955 entwickelte 167,<br />

also nach Inkrafttreten der EMRK. Der dortige Begriff der Angemessenheit<br />

beruht auf der Übersetzung des (maßgebenden) authentischen englischen <strong>und</strong><br />

französischen Textes (reasonable time; delai raisonnable). Insofern ist die Ansicht,<br />

Proportionalität <strong>und</strong> Angemessenheit i. S. v. Art. 6 I EMRK deckten sich 168,<br />

sehr zweifelhaft. Von einigen Autoren werden zwischen beiden Prinzipien geringe<br />

160 Vgl. Scheffler, Gr<strong>und</strong>legung eines kriminologisch orientierten Strafrechtssystems,<br />

S.108.<br />

161 1. Roxin, Rechtsfolgen, S. 168; Priebe, FS v. Simson, S. 302 f. Siehe dazu auch<br />

unten, 7. Kap. C Il 1 b.<br />

162 Vgl. M. Jakobs, Der Gr<strong>und</strong>satz der Verhältnismäßigkeit, S. 95; Lücke, <strong>Die</strong> (Un-)<br />

Zumutbarkeit als allgemeine Grenze öffenlich-rechtlicher Pflichten des Bürgers, S. 6<strong>3.</strong><br />

163 Steinberg, BB 1968, S. 436.<br />

164 Witt, Verhältnismäßigkeitsgr<strong>und</strong>satz, S. 36.<br />

165 EGMR, EuGRZ 1982, S. 297 (301) (Fall Adolf); E. Müller, FG L. Koch, S. 196;<br />

Frowein 1Ulsamer, Europäische Menschenrechtskonvention <strong>und</strong> nationaler Rechtsschutz,<br />

S. 44; Ulsamer, FS Zeidler, S. 1812 f.; FS Faller, S. 375.<br />

166 Der Verhältnismäßigkeitsgr<strong>und</strong>satz wurde entwickelt im preußischen Verwaltungsrecht<br />

(v. Krauss, Der Gr<strong>und</strong>satz der Verhältnismäßigkeit, S. 4; L. Hirschberg, Der<br />

Gr<strong>und</strong>satz der Verhältnismäßigkeit, S. 2 ff.; Dechsling, Das Verhältnismäßigkeitsgebot,<br />

S. 5 f.; H. Schneider, FG BVerfG H, S. 394; Ress in: Der Gr<strong>und</strong>satz der Verhältnismäßigkeit<br />

in europäischen Rechtsordnungen, S. 12; Huber, ZSchwR 96 I , S. 1).<br />

167 Mit der Monographie <strong>von</strong> v. Krauss, Der Gr<strong>und</strong>satz der Verhältnismäßigkeit; vgl.<br />

L. Hirschberg, Der Gr<strong>und</strong>satz der Verhältnismäßigkeit, S. 8 f.; Dechsling, Das Verhältnismäßigkeitsgebot,<br />

S. 6; Ress in: Der Gr<strong>und</strong>satz der Verhältnismäßigkeit in europäischen<br />

Rechtsordnungen, S. 12.<br />

168 Vogler in: <strong>Die</strong> Untersuchungshaft, S. 882; wohl auch Küng-Hofer, Beschleunigung,<br />

S. 81; v. Stackelberg, FS Bockelmann, S. 768 f.<br />

Unterschiede gesehen 169, während andere den Proportionalitätsgr<strong>und</strong>satz nur zur<br />

Auslegung <strong>von</strong> Art. 6 I EMRK mit heranziehen wollen 170. Es dürfte besser da<strong>von</strong><br />

auszugehen sein, daß die Übersetzung mit "Angemessenheit" unzureichend ist 171.<br />

Man könnte demzufolge, um terminologische Mißverständnisse zu vermeiden,<br />

auch hier (wie schon bei der Proportionalität) auf den Terminus "Angemessenheit"<br />

verzichten <strong>und</strong> mit Herzog <strong>von</strong> der "Vernünftigkeit"172 in Anlehnung an<br />

den englischen <strong>und</strong> französischen Text sprechen.<br />

Der EGMR interpretiert letztendlich die "Vernünftigkeit" durch seine drei<br />

Kriterien (Schwierigkeit des Falles, Verhalten <strong>von</strong> Behörden <strong>und</strong> vom Beschuldigten)<br />

vom Ansatz her eher dem Erforderlichkeitsprinzip vergleichbar 173 - der<br />

Begriff der Angemessenheit verwirrt also vollends, da die absolute Verfahrensdauer<br />

nur noch in Relation hierzu gesetzt wird: Auch die außerordentlich lange<br />

<strong>Dauer</strong> eines Verfahrens führt für den EGMR nicht schlechthin zu einer Verletzung<br />

<strong>von</strong> Art. 6 I EMRK, soll jedoch als "Beweis des ersten Anscheins" für seine<br />

Verletzung sprechen 174. <strong>Die</strong> Straßburger Rechtsprechung wendet also nicht die<br />

einzelnen Kriterien dem deutschen Verhältnismäßigkeitsgr<strong>und</strong>satz vergleichbar<br />

an, sondern führt eine Gesamtwürdigung durch.<br />

Macht man mit dem Verständnis der "Vernünftigkeit" in dieser Weise ernst,<br />

zeigt sich als weitere Konsequenz, daß sie auch abgekoppelt vom Verhältnismäßigkeitsgr<strong>und</strong>satz<br />

relevant werden kann: Mahler weist darauf hin, daß selbst ein<br />

relativ kurzer Zeitraum bei einem sehr alten Menschen unangemessen i. S. v.<br />

Art. 6 I EMRK sein könne, da er "praktisch lebenslänglich" bedeute 175. Selbst<br />

zu kurze Verfahrensdauer - die niemals gegen den Verhältnismäßigkeitsgr<strong>und</strong>satz<br />

verstoßen kann - könnte als "unvernünftig" mit Art. 6 I EMRK kollidieren<br />

- eine Schlußfolgerung, die jedenfalls Driendl ausdrücklich zieht 176.<br />

Problematisch wird die Rechtsprechung des EGMR dadurch, daß sie einen<br />

Konflikt zwischen nationalem Strafrecht <strong>und</strong> Art. 6 I EMRK für möglich hält 177:<br />

<strong>Die</strong> Ausgestaltung der staatlichen Rechtsordnung würde nicht <strong>von</strong> der Verantwortung<br />

für <strong>überlange</strong> Verfahrensdauer befreien 178. So wurde gegenüber der B<strong>und</strong>es-<br />

169 Pieck, Der Anspruch auf ein rechtsstaatliches Gerichtsverfahren, S. 82 f.; Herzog,<br />

AöR 86 (1961), S. 227 f.; Bartseh, NJW 1973, S. 1305.<br />

170 Geppert, JK 1983, MRK Art. 6/1.<br />

171 Pieck, Der Anspruch auf ein rechtsstaatliches Gerichtsverfahren, S. 82; Herzog,<br />

AöR 86 (1961), S. 227.<br />

172 Herzog, AöR 86 (1961), S. 227. Vgl. auch Pieck, Der Anspruch auf ein rechtsstaatliches<br />

Gerichtsverfahren, S. 82.<br />

173 Siehe oben.<br />

174 Miehsler/Vogler, IntKomm, Art. 6 Rn. 310; Uisamer, FS Faller, S. 376.<br />

175 Mahler, NJW 1969, S. 354.<br />

176 Driendl, Verfahrensökonomie <strong>und</strong> Strafprozeßreform, S. 294. Vgl. auch Giebeler,<br />

<strong>Die</strong> Erschöpfung der innerstaatlichen Rechtsbehelfe, S. 309; 318; Kirchhof, FS Doehring,<br />

S.439.<br />

177 Kühne, EuGRZ 1983, S. 383 Fn. 1<strong>3.</strong>


128 <strong>3.</strong> Kap.: Aufgliederung des Begriffs der <strong>überlange</strong>n Verfahrensdauer B. Zur Einordnung mit Hilfe des Verhältnismäßigkeitsgr<strong>und</strong>satzes 129<br />

republik Deutschland etwa vorgebracht, daß das Legalitätsprinzip nicht dazu<br />

führen dürfe, das <strong>Strafverfahren</strong> auf sämtliche Straftaten zu erstrecken 179, ferner,<br />

daß das deutsche Rechtsmittel- <strong>und</strong> Instanzensystem problematisch sei 180. Demzufolge<br />

kann also auch bei Einhaltung des nationalen Rechts ein Verstoß gegen<br />

Art. 6 I EMRK nach Auffassung des EGMR vorliegen. <strong>Die</strong>se Folgerung ist<br />

problematischer als die umgekehrte, daß für den EGMR auch dann nicht Art. 6 I<br />

EMRK verletzt sein muß, wenn nach innerstaatlichem Prozeßrecht zu beachtende<br />

Fristen nicht eingehalten werden 181. Durch diese - <strong>von</strong> Kühne 182 als "leichtfertig"<br />

bezeichnete - Rechtsprechung des EGMR entstehen Auslegungs- <strong>und</strong> Rangprobleme.<br />

Geht man mit der herrschenden Ansicht da<strong>von</strong> aus, daß die EMRK den<br />

Rang innerstaatlichen 183, aber nur einfachen 184 Rechts in der B<strong>und</strong>esrepublik<br />

Deutschland hat, so bedeutet das, daß die EMRK zwar echte, unmittelbar anwendbare<br />

Individualrechte begründen kann, die das deutsche Strafprozeßrecht nicht<br />

nur bestätigen, sondern auch ergänzen oder ändern können 185; es erscheint aber<br />

zweifelhaft, inwieweit das deutsche Verständnis über Erfordernisse der Rechtsstaatlichkeit<br />

i. S. v. Art. 20 GG in Frage gestellt werden kann 186.<br />

Jedenfalls prüft der EGMR die "Vernünftigkeit" (auch) anhand einer imaginären<br />

Rechtsordnung 187. Letztendlich werden hier also lediglich Billigkeitskriterien<br />

einer Gesamtwürdigung zugr<strong>und</strong>e gelegt. <strong>Die</strong>s hat für das nationale Recht unterschiedliche<br />

Konsequenzen: Geht das deutsche Recht weiter, gibt es keine Auslegungsschwierigkeiten,<br />

da die EMRK ohnehin nur "Mindestgr<strong>und</strong>sätze" (vgl.<br />

Art. 60 EMRK) beinhaltet. Ergibt sich aus der Rechtsprechung des EGMR dagegen,<br />

daß das nationale Recht nicht seiner Auslegung <strong>von</strong> Art. 6 I EMRK genügt,<br />

so sind die vollziehende Gewalt <strong>und</strong> die Rechtsprechung zwar gemäß Art. 20 III<br />

GG zur Einhaltung, Beachtung <strong>und</strong> Verwirklichung der EMRK als innerstaatlich<br />

in Kraft gesetzten Rechts <strong>von</strong> sich aus - also auch ohne Einwirkung der Konventionsorgane<br />

- verpflichtet 188. Allerdings galt nach lange Zeit herrschender Auffassung<br />

die lex-posterior-RegeI1 89 mit der Folge, daß der Richter bei späterem<br />

Recht die konventionswidrige Norm anwenden müßte 190.<br />

Nun hat sich jedoch ein Wandel vollzogen 191: Das BVerfG hat mit Entscheidung<br />

vom 26.<strong>3.</strong> 1987 ausgeführt, (Straf-)Gesetze seien "im Einklang mit den<br />

völkerrechtlichen Verpflichtungen der B<strong>und</strong>esrepublik Deutschland auszulegen<br />

<strong>und</strong> anzuwenden, selbst wenn sie zeitlich später erlassen worden sind als ein<br />

geltender völkerrechtlicher Vertrag; denn es ist nicht anzunehmen, daß der Gesetzgeber,<br />

sofern er dies nicht klar bek<strong>und</strong>et hat, <strong>von</strong> völkerrechtlichen Verpflichtungen<br />

der B<strong>und</strong>esrepublik Deutschland abweichen oder die Verletzung solcher<br />

Verpflichtungen ermöglichen will" 192. Das BVerfG kommt damit im Ergebnis<br />

der in der Literatur erörterten "lex-specialis-Regel" nahe 19<strong>3.</strong> Folge da<strong>von</strong> ist, daß<br />

Strafrechts- <strong>und</strong> <strong>Strafverfahren</strong>srechtsänderungs- <strong>und</strong> -reformgesetze die Garantien<br />

der EMRK nicht aufheben oder abschwächen können, es sei denn, der<br />

Gesetzgeber hat klar zu erkennen gegeben, er wolle trotz Verletzung völkerrechtlicher<br />

Verpflichtungen eine <strong>von</strong> der EMRK abweichende gesetzliche Regelung<br />

schaffen 194.<br />

178 Vgl. Miehsler / Vogler, IntKomm, Art. 6 Rn. 324; Ulsamer, FS Faller, S. 376 f.<br />

179 Miehsler / Vogler, IntKomm, Art. 6 Rn. 326.<br />

180 Peukert, EuGRZ 1979, S. 27<strong>3.</strong><br />

181 EGMR, EuGRZ 1985, S. 548 (551 f.) (Fall Pretto u. a.); Frowein / Peukert, EMRK,<br />

Art. 6 Rn. 107.<br />

182 Kühne, EuGRZ 1983, S. 383 Fn. 1<strong>3.</strong><br />

183 A. A. Jescheck, NJW 1954, S. 783 ff.; Hemichs, MDR 1955, S. 140 ff.<br />

184 A. A. Guradze, EMRK, Einl. § 5 Anm. IV; Baumann, FS Eb. Schmidt, S. 529 f.<br />

185 Heubel, Der "fair trial", S. 32.<br />

186 Kühne, EuGRZ 1983, S. 383 Fn. 1<strong>3.</strong><br />

187 Vgl. Bartsch, JuS 1970, S. 450.<br />

188 Frowein / Uisamer,<br />

Rechtsschutz, S. 44 f.<br />

Europäische Menschenrechtskonvention <strong>und</strong> nationaler<br />

189 Frowein / Ulsamer, Europäische Menschenrechtskonvention <strong>und</strong> nationaler<br />

Rechtsschutz, S. 39; kritisch dazu etwa Ress in: Europäischer Menschenrechtsschutz,<br />

S. 273 f.; Seibert, FS M. Hirsch, S. 525.<br />

190 Vgl. E. Schumann, FS Schwab, S. 459; Sommennann, AöR 114 (1989), S. 409.<br />

191 Vgl. K. Kühl, ZStW 100 (1988), S. 409; Sommennann, AöR 114 (1989), S. 414.<br />

192 BVerfGE 74, S. 358 (370).<br />

193 K. Kühl, ZStW 100 (1988), S. 410.<br />

194 K. Kühl, ZStW 100 (1988), S. 409 f.<br />

9 Scheffler


Zweiter Teil<br />

<strong>Die</strong> einzelnen Rechtsfolgen<br />

Freispruch, Einstellung, Beweiserleichterung,<br />

Strafmilderung, Entschädigung<br />

Damit sind für den weiteren Gang der Untersuchung einige Voraussetzungen<br />

geklärt:<br />

Es ist notwendig, die Erörterung der Rechtsfolgen <strong>überlange</strong>r <strong>Dauer</strong> <strong>von</strong> <strong>Strafverfahren</strong><br />

weiter fortzuführen, da die kumulative "Einstellungs-/Strafzumessungslösung"<br />

der nunmehr herrschenden Ansicht vor allem dogmatisch, aber<br />

auch praktisch nicht befriedigen kann (1. Kapitel).<br />

<strong>Die</strong> Entwicklung eines umfassenden Rechtsfolgensystems ist vor allem deshalb<br />

<strong>von</strong> gesteigerter Bedeutung, weil weder die lange Prozeßdauer durch gesetzgeberische<br />

Initiativen effektiv <strong>und</strong> rechtsstaatlich unbedenklich beseitigt werden kann<br />

noch der Beschuldigte genügende Möglichkeiten hat, Verzögerungen seines Verfahrens<br />

zu unterbinden (2. Kapitel).<br />

Im <strong>3.</strong> Kapitel ist eine schärfere Fassung des Begriffs der <strong>überlange</strong>n Verfahrensdauer<br />

anhand der Kriterien des Verhältnismäßigkeitsgr<strong>und</strong>satzes versucht worden.<br />

Hierdurch ist zwar eine Unterscheidung in Verfahrensverzögerungen, Verfahrenslänge<br />

<strong>und</strong> Verfahrensbelastungen bewirkt worden, aber wenig dazu ausgesagt,<br />

wann denn ein <strong>Strafverfahren</strong> nun unverhältnismäßig, also überlang ist.<br />

Zwei Wege zur Konkretisierung sind verbaut: Zum einen lassen sich dem<br />

Verhältnismäßigkeitsgr<strong>und</strong>satz (einschließlich des Zumutbarkeitsprinzips) keine<br />

festen Bezugsgrößen entnehmen, zum anderen entzieht sich auch das Phänomen<br />

der Verfahrensdauer selbst einer solchen Ordnung: Aufgr<strong>und</strong> der Bedeutung der<br />

Umstände des Einzelfalls läßt sich weder eine Mindest- noch eine Normal-,<br />

geschweige denn eine Überlänge <strong>von</strong> <strong>Strafverfahren</strong> allgemein ermitteln, lassen<br />

sich keine noch vertretbaren Verzögerungen festlegen <strong>und</strong> ist erst recht nicht<br />

eine starre Grenze für zumutbare Verfahrensbelastungen zu bestimmen. Allerdings<br />

ist oben zum Verhältnis <strong>von</strong> Verjährung <strong>und</strong> Disproportionalität schon ein<br />

dritter Weg angedeutet worden I: Es kann vorsichtig versucht werden, dem Begriff<br />

der <strong>überlange</strong>n Verfahrensdauer mit Hilfe des zur Verfügung stehenden Rechtsfolgensystems<br />

näher zu kommen. Ein Verfahren könnte dann als überlang zu<br />

9*<br />

1 Siehe oben, <strong>3.</strong> Kap. B III 1.


132 2. Teil: <strong>Die</strong> einzelnen Rechtsfolgen 2. Teil: <strong>Die</strong> einzelnen Rechtsfolgen 133<br />

behandeln sein, wenn die Rechtsordnung für die konkrete Konstellation über<br />

Rechtsfolgen verfügt. Insofern sollen im folgenden auch bisher weniger bedachte<br />

Rechtsfolgen in Betracht gezogen werden.<br />

Für die weitere Untersuchung liegt es demzufolge nahe, die einzelnen denkbaren<br />

Rechtsfolgen nacheinander zu diskutieren. Eine mögliche rechtliche Folge,<br />

die allerdings nicht als Rechtsfolge in dem hier zugr<strong>und</strong>egelegten Sinn - verfahrensimmanente,<br />

den Prozeß betreffende Konsequenzen - verstanden werden<br />

kann, ist schon angesprochen worden: <strong>Die</strong> Verursachung nicht erforderlicher<br />

Verfahrensdauer kann u. U. Anlaß zu dienstrechtlichen Maßnahmen geben 2 oder<br />

gar zur Strafbarkeit des Amtswalters gemäß §§ 258a, 336, 344 StGB führen <strong>3.</strong><br />

Als Rechtsfolgen in dem hier verstandenen Sinn kommen zunächst theoretisch,<br />

mit Kühne gesprochen 4 , "Geldersatz, Strafermäßigung, Strafbefreiung <strong>und</strong> Verfahrenseinstellung"<br />

in Betracht. Über die bloße Strafbefreiung hinaus könnte,<br />

was Hillenkamp 5 erörtert hat, selbst ein Freispruch in Erwägung gezogen werden.<br />

Schließlich sollte auch die Möglichkeit der Berücksichtigung im Beweisrecht<br />

ins Auge gefaßt werden, was das LG Köln 6 angedeutet hat. Für die Diskussion<br />

der Rechtsfolgen bietet sich eine bestimmte Reihenfolge aus zwei Gründen an<br />

- zum einen, weil sie der Ideengeschichte am ehesten gerecht wird, zum anderen<br />

aus Gründen der Systematik, da sie eine Stufenform orientiert an der Intensität<br />

der Rechtsfolge einhält:<br />

<strong>Die</strong> weitestgehende Rechtsfolge, der Freispruch, läßt sich konstruktiv herleiten,<br />

wenn man <strong>von</strong> dem schon in den sechziger Jahren diskutierten Schlagwort <strong>von</strong><br />

der "Verwirkung des staatlichen Strafanspruchs durch <strong>überlange</strong> Verfahrensdauer"<br />

ausgeht. Im 4. Kapitel soll dies, was bisher kaum einmal genauer geprüft<br />

worden ist, dargetan werden - mit dem vielleicht überraschenden Ergebnis, daß<br />

für einige, allerdings eng umgrenzte Konstellationen die Annahme der Verwirkung<br />

nicht abwegig ist, wenngleich auch Freispruch als Rechtsfolge äußerst<br />

zweifelhaft sein dürfte.<br />

Entgegen der inzwischen herrschenden Ansicht ist aber die Verfahrenseinstellung<br />

- über die anerkannten Prozeßhindemisse der Verjährung <strong>und</strong> Verhandlungsunfähigkeit<br />

hinaus-, wie sie vor allem Anfang der siebziger Jahre diskutiert<br />

wurde <strong>und</strong> neuerdings wieder eine Renaissance erlebt, auch in "Extremfällen"<br />

<strong>von</strong> Verzögerungen unzulässig (5. Kapitel).<br />

<strong>Die</strong>s liegt vor allem daran, daß eine Einstellung immer nur als ultima ratio<br />

in Frage kommt. Hier ist aber eine prozessuale Berücksichtigung <strong>von</strong> "Extremfäl-<br />

len" in Betracht zu ziehen, die bisher kaum erwähnt, geschweige denn näher<br />

herausgearbeitet worden ist: die Berücksichtigung <strong>von</strong> durch Verzögerungen<br />

hervorgerufenen Beweisverlusten im Rahmen der Beweiswürdigung. Dem wird<br />

im 6. Kapitel nachgegangen.<br />

Im 7. Kapitel wird die Strafzumessungslösung betrachtet, die vor allem in den<br />

siebziger <strong>und</strong> achtziger Jahren die Diskussion beherrschte: Entgegen der ganz<br />

herrschenden Ansicht ist die Berücksichtigung <strong>von</strong> Verfahrensverzögerungen auf<br />

der Gr<strong>und</strong>lage des geltenden Strafzumessungsrechts unzulässig <strong>und</strong> kriminalpolitisch<br />

auch nicht erforderlich. Zu berücksichtigen sind vielmehr sowohl der Zeitablauf<br />

zwischen Tat <strong>und</strong> Verurteilung unabhängig <strong>von</strong> der Verfahrensdauer oder<br />

Verfahrensverzögerung (Gesichtspunkt der Verjährungsnähe) - dies entspricht<br />

der allgemeinen Ansicht - als auch, wie vor allem in letzter Zeit häufiger <strong>von</strong><br />

Rechtsprechung <strong>und</strong> Literatur ohne dogmatische Vertiefung angedeutet wird, die<br />

durch die Verfahrensdauer unabhängig <strong>von</strong> ihrem Gr<strong>und</strong> beim Beschuldigten<br />

hervorgerufenen Verfahrensbelastungen (Gesichtspunkt des Schon-bestraft­<br />

Seins). Bei letzterem kann sogar Strafbefreiung durch den "Extremfall einer<br />

Strafzumessungsregel"7, das Absehen <strong>von</strong> Strafe gemäß § 60 StGB, zulässig sein.<br />

Schlußendlich ist im 8. Kapitel ergänzend anzusprechen, inwieweit dieses<br />

System vor allem hinsichtlich des Nichtverurteilten durch das Entschädigungsrecht<br />

vervollständigt werden kann, das für <strong>überlange</strong> Verfahrensdauer, trotz der<br />

Parallele zur (<strong>überlange</strong>n) Untersuchungshaft, bisher über kurze Bemerkungen<br />

hinaus nicht als Rechtsfolge näher in Betracht gezogen worden ist.<br />

2 Siehe oben, 2. Kap. B II 2 c.<br />

3 Siehe oben, 2. Kap. B II 2 d.<br />

4 Kühne, EuGRZ 1983, S. 383; vgl. auch 1. Roxin, Rechtsfolgen, S. 246; Hillenkamp,<br />

IR 1975, S. 133; 136.<br />

5 Hillenkamp, IR 1975, S. 137; vgl. auch Katzorke, Verwirkung, S. 197.<br />

6 LG Köln, NStZ 1989, S. 442 (443); vgl. auch 1. Roxin, Rechtsfolgen, S. 246.<br />

7 Maiwald, ZStW 83 (1971), S. 663; Hirsch in LKIO, § 60 Rn. 6; ähnlich H. v. Weber,<br />

MDR 1956, S. 706.


4. Kap.: Freispruch wegen Verwirkung des Strafanspruchs 135<br />

Viertes Kapitel<br />

Freispruch wegen Verwirkung des Strafanspruchs<br />

Es erstaunt, daß die Frage, welche Konsequenzen Verfahrensverzögerungen<br />

der Strafverfolgungsorgane auf das Verfahren haben, lange Zeit überhaupt nicht<br />

gestellt wurde. Selbst nach Inkrafttreten der EMRK änderte sich daran zunächst<br />

nichts, so daß sich für Hanack sogar der Eindruck aufdrängte, daß die doch<br />

naheliegende Frage, welchen Ausgleich der Beschuldigte erhalten sollte, bewußt<br />

ausgeklammert worden wäre 1. So äußerte sich etwa Hellmuth v. Weber, der sich<br />

schon 1953 mit Art. 6 I EMRK beschäftigte, zu der Frage, was denn im Falle<br />

eines Verstoßes zu geschehen habe, überhaupt nicht. Er sah in der Unterzeichnung<br />

der Konvention lediglich einen Anlaß mehr für den Gesetzgeber, im Hinblick<br />

auf eine Beschleunigung des <strong>Strafverfahren</strong>s die Strafprozeßreform voranzutreiben,<br />

<strong>und</strong> eine Mahnung an die Justizverwaltungen, nunmehr durch geeignete<br />

organisatorische Maßnahmen die Hemmungen einer raschen Erledigung zu beseitigen<br />

2 • Jescheck bemerkte ein Jahr später lediglich, daß nunmehr vor den neuen<br />

europäischen Organen übermäßig verzögerte <strong>Strafverfahren</strong> auch vor Erschöpfung<br />

des innerstaatlichen Rechtsmittelzuges "aufgerollt" werden könnten 3 • Echterhölter<br />

meinte 1956 nur, sofern nicht binnen angemessener Frist entschieden<br />

werde, sei eine Untätigkeitsbeschwerde an die Rechtsmittelinstanz, gestützt auf<br />

Art. 13 EMRK, möglich4. Dünnebier stellte 1959 lediglich, ohne Konsequenzen<br />

zu erörtern, fest, daß das Recht des Beschuldigten auf ein Urteil "innerhalb einer<br />

angemessenen Frist" im Strafprozeß nicht voll gewahrt sei 5.<br />

Es war 1961 als erster Baumann, der sich damit beschäftigte, welche Rechtsfolgen<br />

<strong>überlange</strong> Verfahrensdauer nach sich ziehen könnte 6 • Baumann zufolge sei<br />

zu prüfen, ob nicht auch im Strafrecht neben <strong>und</strong> innerhalb der Strafverfolgungsverjährungsfristen<br />

eine "Verwirkung des staatlichen Strafanspruchs" denkbar sei.<br />

Es sei jedenfalls prinzipiell nicht einzusehen, inwieweit der Rechtsgedanke der<br />

Verwirkung, der im Zivilrecht eine bedeutende Rolle spiele, nicht auch auf den<br />

staatlichen Strafanspruch übertragen werden könnte. Baumann verstand seine<br />

I Hanack, JZ 1971, S. 708.<br />

2 H. v. Weber, ZStW 65 (1953), S. 339.<br />

3 Jescheck, NJW 1954, S. 786.<br />

4 Echterhölter, JZ 1956, S. 146.<br />

5 Dünnebier, GA 1959, S. 27<strong>3.</strong><br />

6 Baumann, FS Eb. Schmidt, S. 540 f. Siehe dazu Hillenkamp, JR 1975, S. 134. Vg!.<br />

auch Katzorke, Verwirkung, S. 9.<br />

Ausführungen nur als Andeutungen, die er jedoch nicht wieder aufgegriffen hat.<br />

1964 erwähnte er im Zusammenhang mit Zeitablaufnur noch, daß es im Zivilrecht<br />

die Verwirkung "außer <strong>und</strong> vor der Verjährung" gibt?<br />

Trotzdem war ein Schlagwort geprägt, das eine nicht unerhebliche Rolle in<br />

der späteren Diskussion spielen sollte. Zunächst griff Schwenk es auf <strong>und</strong> stimmte<br />

Baumann mit der Begründung zu, es könne nicht rechtens sein, daß der Staat<br />

seinen Strafanspruch unter Verletzung einer dem Schutz des Beschuldigten dienenden<br />

Rechtsgarantie durchsetzt 8. In der Folgezeit knüpfte insbesondere Hillenkamp<br />

an den Verwirkungsgedanken an 9 • Aber auch er beließ es bei kurzen<br />

Bemerkungen, ohne dogmatische Vertiefung zu leisten: In der "illoyalen Verspätung"<br />

durch die Verfahrensverzögerung liege der nicht wiedergutzumachende<br />

Verstoß gegen Treu <strong>und</strong> Glauben, der den Strafanspruch inhaltlich begrenze, an<br />

sich jedoch unberührt lasse. 1977 bemerkte dann der 5. Strafsenat des BGH<br />

kurzweg, entgegen der Meinung der Revision sei "die Strafverfolgung" nicht<br />

vor Ablauf der Verjährungsfristen "verwirkt" 10.<br />

Über diese knappen Äußerungen hinaus ist dann auch bis 1989 nicht weiter<br />

versucht worden, die Übertragung des Rechtsinstituts der Verwirkung auf das<br />

Problem <strong>überlange</strong>r Verfahrensdauer ernsthaft vorzunehmen. Da lediglich noch<br />

Vogler den Verwirkungsgedanken 1977 mit ablehnender Tendenz in Betracht<br />

zog ll, erscheint schon die Wertung <strong>von</strong> Volk ein Jahr später, beim Problem<br />

<strong>überlange</strong>r Verfahrensdauer würde der Gr<strong>und</strong>satz der Verwirkung "mehr <strong>und</strong><br />

mehr als tragend bezeichnet" 12, zweifelhaft. Obwohl sich Ulsenheimer 1985 noch<br />

für den Verwirkungsgedanken aussprach, indem er ihn als eines <strong>von</strong> mehreren<br />

Prinzipien bezeichnete, das als "Ausfluß des auch das Strafprozeßrecht durchziehenden<br />

Gr<strong>und</strong>prinzips <strong>von</strong> Treu <strong>und</strong> Glauben" eine "einschneidende Sanktion"<br />

<strong>überlange</strong>r Verfahrensdauer erfordere 13, erscheint die Würdigung Heribert Schumanns<br />

kurze Zeit darauf zutreffender, daß in der Diskussion um die Folgen<br />

<strong>überlange</strong>r Verfahrensdauer <strong>von</strong> der Verwirkung des Strafanspruchs "die Rede<br />

gewesen" sei 14. Seitdem haben lediglich noch Karl Schäfer den Gedanken einer<br />

Verwirkung des Strafanspruchs für schwere Versäumnisse der Strafjustizbehörden<br />

"in Erwägung" gezogen 15 <strong>und</strong> Seelmann die Rechtsfigur für die Beurteilung<br />

staatlicher Verzögerungen als einen "Abwägungsgesichtspunkt" angesehen 16;<br />

7 Baumann in: <strong>Die</strong> nationalsozialistischen Gewaltverbrechen, S. 318 Fn. 157.<br />

8 Schwenk, ZStW 79 (1967), S. 736.<br />

9 Hillenkamp, JR 1975, S. 137 ff.; vg!. auch NJW 1989, S. 2846.<br />

10 BGH, Urt. v. 5.7.1977 - 5 StR 771/76 (Anhang 9).<br />

11 Vogler, ZStW 89 (1977), S. 782 f.<br />

12 Volk, Prozeßvoraussetzungen, S. 228.<br />

13 Ulsenheimer, HWiStR, S. 3 (vorher schon in wistra 1983, S. 14).<br />

14 H. Schumann, JZ 1986, S. 69.<br />

15 K. Schäfer in LR24, Ein!. Kap. 12 Rn. 92.<br />

16 Seelmann, GebColloquium Kielwein, S. 26.


136 4. Kap.: Freispruch wegen Verwirkung des Strafanspruchs 4. Kap.: Freispruch wegen Verwirkung des Strafanspruchs 137<br />

auch Hillenkamp hat 1989 noch seine schon 1975 geäußerte Auffassung verteidigt<br />

17. Im gleichen Jahr hat schließlich Katzorke in einer umfassenden Untersuchung<br />

den Verwirkungsgedanken für den Bereich <strong>überlange</strong>r Verfahrensdauer<br />

abgelehnt 18.<br />

"Karriere" machte das Schlagwort <strong>von</strong> der Verwirkung des staatlichen Strafanspruchs<br />

jedoch dadurch, daß es <strong>von</strong> dem Problem der Rechtsfolgen <strong>überlange</strong>r<br />

Verfahrensdauer weg zu anderen Fallgruppen durch staatliche Fehler belasteter<br />

Fälle transformiert wurde 19: So hat zunächst Arzt 1974 in der Karl-Peters-Festschrift<br />

bei groben Verstößen gegen § 136a StPO gefordert, die Verwirkung des<br />

staatlichen Strafanspruchs anzunehmen, weil es eines Rechtsstaats unwürdig sei,<br />

wenn er das Verfahren weiter betreibt mit dem Ziel, eine Verurteilung doch noch<br />

<strong>und</strong> abgesehen vom Rechtsverstoß zu erreichen 20. <strong>Die</strong>ser Gedanke ist, soweit<br />

ersichtlich, nicht näher aufgegriffen worden 21.<br />

In dem gleichen Sammelwerk wurde <strong>von</strong> Lüderssen erstmals 22 die Frage<br />

aufgeworfen, ob der Umstand, daß ein Täter zu seiner Tat <strong>von</strong> einem V-Mann<br />

der Polizei angestiftet worden ist, der Verfolgung dieser Tat entgegenstehen<br />

kann2<strong>3.</strong> <strong>Die</strong> Rechtsprechung entwickelte dann ab 1980 die Auffassung, es könne<br />

bei unzulässigem Lockspitzeleinsatz zur Verwirkung des staatlichen Strafanspruchs<br />

kommen 24 . Der <strong>3.</strong> 25 <strong>und</strong> 4. 26 Senat des BGH sprachen dies ausdrücklich<br />

aus, die anderen Senate wohl der Sache nach 27: Es könne hier ein dem Staat<br />

zuzurechnender Rechtsverstoß vorliegen, der in das <strong>Strafverfahren</strong> hineinwirke,<br />

weil das dem Gr<strong>und</strong>gesetz <strong>und</strong> der Strafprozeßordnung immanente Rechtsstaatsprinzip<br />

es den Strafverfolgungsbehörden untersage, auf die Verfolgung <strong>von</strong> Straf-<br />

taten hinzuwirken, wenn die Gründe dafür vor diesem Prinzip nicht bestehen<br />

können. In praxi freilich nahm der BGH - im Gegensatz zu einigen Instanzengerichten<br />

28 - in keinem <strong>von</strong> ihm abschließend entschiedenen Fall Strafanspruchsverwirkung<br />

an 29 . Mit der Entscheidung des 1. Senats im 32. Band der amtlichen<br />

Sammlung 30 schloß diese Entwicklung in der Rechtsprechung ab: Mit einer<br />

"völligen Wende"31 wurde "in einem wohl einmaligen Verwirrspiel"32 der "bis<br />

dahin nur vereinzelt angefochtene Gr<strong>und</strong>konsens aufgekündigt"3<strong>3.</strong> Der 1. Senat<br />

lehnte hier die Möglichkeit der Verwirkung des staatlichen Strafanspruchs gr<strong>und</strong>sätzlich<br />

ab. Ihm schlossen sich - entgegen der Prognose <strong>von</strong> Bruns 34 - die<br />

anderen Senate des BGH an 35.<br />

In späteren Entscheidungen ist <strong>von</strong> der Rechtsprechung der Gedanke der<br />

Verwirkung des staatlichen Strafanspruchs auch im Zusammenhang mit anderen<br />

Sachverhalten nur gelegentlich noch einmal, <strong>und</strong> auch dann nur kurz, erwähnt<br />

worden: 1984 versagte das LG Köln in einem Parteispendenprozeß dem Verwirkungsgr<strong>und</strong><br />

der "staatlichen Duldung <strong>von</strong> Zuwiderhandlungen"36, 1985 ein Vorprüfungsausschuß<br />

des BVerfG dem der "völkerrechtswidrigen Ergreifung" 37 das<br />

Anerkenntnis. Der 5. Senat des BGH lehnte im gleichen Jahr die Konstruktion<br />

bezüglich eines Verfahrens ab, in dem es um den Versuch <strong>von</strong> Polizeibeamten<br />

ging, eine Verurteilung "um jeden Preis" herbeizuführen 38. Auch das OLG Düsseldorf<br />

beschränkte sich ein Jahr später in einem Fall, in dem offenbar <strong>überlange</strong><br />

Verfahrensdauer unter diesem Gesichtspunkt gerügt war, auf die Argumentation,<br />

die schon der 1. <strong>und</strong> der 5. Senat des BGH in den eben erwähnten Entscheidungen<br />

39 gebraucht hatten: Es handele sich um eine unzulässige Übertragung zivil-<br />

17 Hillenkamp, NJW 1989, S. 2846.<br />

18 Katzorke, Verwirkung, insbes. S. 196 ff.<br />

19 Seelmann, ZStW 95 (1983), S. 821; H. Schumann, JZ 1986, S. 69; Drywa, <strong>Die</strong><br />

materiellrechtlichen Probleme des V-Mann-Einsatzes, S. 29.<br />

20 Arzt, FS K. Peters, S. 232.<br />

21 VgI. Drywa, <strong>Die</strong> materiellrechtlichen Probleme des V-Mann-Einsatzes, S. 68; Katzorke,<br />

Verwirkung, S. 156; vgI. aber auch S. 190 sowie Reinecke, <strong>Die</strong> Fernwirkung <strong>von</strong><br />

Beweisverwertungsverboten, S. 193 ff; Wolter, SK StPO, vor § 151 Rn. 209 f.; Gössel,<br />

NStZ 1984, S. 420 f.<br />

22 C. Roxin, <strong>Strafverfahren</strong>srecht21, § 21 BIll 4; Bruns, NStZ 1983, S. 50; StV 1984,<br />

S.389; Schünemann, StV 1985, S. 428; Arloth, NJW 1985, S. 417; H. Schumann, JZ<br />

1986, S. 66; Hillenkamp, NJW 1989, S. 2843 Fn. 20.<br />

23 Lüderssen, FS K. Peters, S. 349 ff.<br />

24 C. Roxin, <strong>Strafverfahren</strong>srecht21, § 21 B III 4; Bruns, StV 1984, S. 389 f.; H.<br />

Schumann, JZ 1986, S. 68.<br />

25 BGH, StV 1981, S. 276.<br />

26 BGH, NStZ 1981, S. 70 (71); StV 1984, S. 406 (407).<br />

27 VgI. zum 1. Senat (BGH, NJW 1980, S. 1761; StV 1981, S. 163 f.) BGHSt 32,<br />

S. 345 (348 f.); Seelmann, ZStW 95 (1983), S. 820 f.; zum 2. Senat (BGH, NJW 1981,<br />

S. 1626; 1982, S.56) BGHSt 32, S.345 (349); H. Schumann, JZ 1986, S.68; zum<br />

5. Senat (BGH, StV 1984, S. 58 f.) BGHSt 32, S. 345 (350,352 f.); Rieß in LR24, § 206a<br />

Rn. 57a.<br />

28 AG Heidenheim, NJW 1981, S. 1628 (1629) (kritisch hierzu Bruns, NStZ 1983,<br />

S. 50); LG Stuttgart, StV 1984, S. 197 (199); wohl auch LG Berlin, StV 1984, S. 457<br />

(460) ("Verlust des staatlichen Strafanspruchs").<br />

29 VgI. Foth, NJW 1984, S. 221; Hillenkamp, NJW 1989, S. 2843 Fn. 26; Katzorke,<br />

Verwirkung, S. 2 f.<br />

30 BGHSt 32, S. 345 (348).<br />

31 C. Roxin, <strong>Strafverfahren</strong>srecht21 , § 21 B III 4; ähnlich Katzorke, Verwirkung,<br />

S.3; 11.<br />

32 Hillenkamp, NJW 1989, S. 284<strong>3.</strong><br />

33 Schünemann, StV 1985, S. 424.<br />

34 Bruns, StV 1984, S. 389 Fn.5; vgI. auch Schünemann, StV 1985, S. 426; Rieß,<br />

JR 1985, S. 46.<br />

35 V.gI. BGHSt 33, S. 356 (362). Soweit ersichtlich, hat sich der 4. Senat allerdings<br />

noch mcht dazu geäußert, vgI. Creutz, ZRP 1988, S. 417; Krey, <strong>Strafverfahren</strong>srecht II,<br />

Rn. 589 Fn. 89. VgI. auch Katzorke, Verwirkung, S. 3 ff.<br />

36 LG Köln, NJW 1985, S. 1037 (1040). VgI. aber Rüping, <strong>Die</strong> Mitverantwortung<br />

des Staates als Strafverfolgungsverbot, S. 20 ff.; Felix, DB 1983, S. 2728 f.; Schreiber,<br />

GS Arm. Kaufmann, S. 831 f.<br />

37 BVerfG (Vorprüfungsausschuß), NStZ 1986, S. 178 (179).<br />

38 BGHSt 33, S. 283 (283 f.). Differenzierend hierzu jetzt auch das LG Berlin im<br />

"Schmücker-Urteil".<br />

39 BGHSt 32, S. 345; 33, S. 28<strong>3.</strong>


138 4. Kap.: Freispruch wegen Verwirkung des Strafanspruchs A. Zur Verwirkbarkeit des Strafanspruchs 139<br />

rechtlicher Kategorien auf das Strafrecht, da der Strafanspruch eine Funktion<br />

des Staates, die Verpflichtung zur Strafverfolgung, <strong>und</strong> keine verwirkbare Rechtsposition<br />

sei, <strong>von</strong> der er durch das Fehlverhalten einzelner in seinem Namen<br />

Handelnder freigestellt werden könnte 40 •<br />

A. Zur Verwirkbarkeit des Strafanspruchs<br />

Mit der Übernahme der Begründung des BGH, der in der Literatur häufig<br />

zugestimmt wird 41 , macht es sich das OLG Düsseldorf zu einfach. <strong>Die</strong>se nicht<br />

näher begründete Behauptung könnte, wie Bruns zutreffend meint42, schon durch<br />

die apodiktische Gegenthese hinreichend in Zweifel gezogen werden. Zudem<br />

kommt es auch im Verwaltungsrecht vor, daß der Allgemeinheit zustehende<br />

Rechtspositionen verwirkt werden4<strong>3.</strong> Allerdings ist hierbei nicht endgültig geklärt,<br />

wann ein entgegenstehendes "öffentliches Interesse" eine Verwirkung ausschließt44.<br />

Problematisch ist auch, inwieweit der Verwirkbarkeit des staatlichen<br />

"Strafanspruchs" entgegengehalten werden kann, daß dieser unverzichtbar sei 45.<br />

Zum einen können nach ganz herrschender Ansicht auch unverzichtbare Ansprüche<br />

verwirkt werden46. Zum anderen ist zu bedenken, ob sich nicht vor allem<br />

aus den §§ 153ff, 376 StPO ergibt, daß der staatliche "Strafanspruch" gr<strong>und</strong>sätzlich<br />

verzichtbar ist 47 ; daß diese Normen kein freies Ermessen begründen, dürfte<br />

entgegen Heribert Schumann kein durchschlagender Einwand sein 48 . <strong>Die</strong> gr<strong>und</strong>sätzliche<br />

Verwirkbarkeit wird wohl auch vom Vorprüfungsausschuß des BVerfG<br />

angenommen, der die Verwirkung in dem Fall völkerrechtswidriger Ergreifung<br />

nur mit der Begründung ablehnte, es könne dem Gr<strong>und</strong>gesetz nicht entnommen<br />

werden, "daß auch bei einer solchen Lage der Dinge der Strafanspruch des Staates<br />

als verwirkt anzusehen wäre"49.<br />

Sinnvoller Ansatzpunkt wäre wohl, beim "zivilrechtlichen Erbe"50 des Verwirkungsgedankens<br />

anzusetzen. Allerdings herrscht hier terminologisches Durchein-<br />

40 OLG Düsseldorf, NJW 1986, S. 2204 (2205).<br />

41 Siehe Sax in KMR, Ein!. IX Rn. 8; 1. Roxin, Rechtsfolgen, S. 208 ff.; Kramer,<br />

Menschenrechtskonvention, S. 188 f.; Seelmann, ZStW 95 (1983), S. 825; K. Meyer,<br />

NStZ 1985, S. 134.<br />

42 Bruns, StV 1984, S. 391; zustimmend Katzorke, Verwirkung, S. 152.<br />

43 Puppe, NStZ 1986, S. 405.<br />

44 Vg!. dazu J. Schmidt in StaudingerlZ, § 242 Rn. 499.<br />

45 So 1. Roxin, Rechtsfolgen, S. 208 ff.; Drywa, <strong>Die</strong> materiellrechtlichen Probleme<br />

des V-Mann-Einsatzes, S. 64.<br />

46 Roth in MünchKomm 2 , § 242 Rn. 294; Teichmann in Soergelll , § 242 Rn. 312;<br />

siehe auch BGHZ 6, S. 342 (346 f.); 84, S. 280 (282); LM Nr. 2 zu § 1598 BGB; a.A.<br />

Wieling, AcP 176 (1976), S. 338 ff.<br />

47 So wohl auch Katzorke, Verwirkung, S. 104.<br />

48 H. Schumann, JZ 1986, S. 70.<br />

49 BVerfG (Vorprüfungsausschuß), NStZ 1986, S. 178 (179).<br />

50 Seelmann, ZStW 95 (1983), S. 822.<br />

ander. Faßt man den Begriff weit, so kann Verwirkung wegen verschiedener aus<br />

der "exceptio doli" entwickelter Fallgruppen in Frage kommen: wegen rechtswidrig<br />

begründeter Rechtsstellung ("turpitudinem suam allegans non auditur"); wegen<br />

der Verletzung eigener Pflichten ("tu quoque"); wegen widersprüchlichen<br />

Verhaltens ("venire contra factum proprium"). <strong>Die</strong> systematische Ordnung dieser<br />

Varianten, ihre Abgrenzung zueinander <strong>und</strong> ihre Voraussetzungen im einzelnen<br />

sind nicht endgültig geklärt. Einigkeit herrscht in der zivilrechtlichen Dogmatik<br />

allerdings insoweit, daß die Zuordnung zu den einzelnen Gruppen, wie Teichmann<br />

es formuliert 51 , als "Argumentationserleichterung" zu verstehen ist, "um die zu<br />

treffende Wertung deutlicher zu machen". Es läßt sich aber wohl zur Differenzierung<br />

dieser drei hier interessierenden Varianten mit aller Vorsicht folgendes als<br />

gesichert festhalten: <strong>Die</strong> aus der "exceptio doli praeteriti" entwickelte Fallgruppe<br />

"turpitudinem suarn allegans non auditur" ist zwar nicht auf die Arglist beschränkt52,<br />

setzt aber bei nur objektiv rechtswidrigem Verhalten voraus, daß bei<br />

einer Interessenabwägung die des Anspruchsgegners deutlich überwiegen5<strong>3.</strong> Der<br />

"tu-quoque"-Einwand, ebenfalls aus der "exceptio doli praeteriti" hervorgegangen,<br />

setzt einen besonderen, rechtlich relevanten Zusammenhang zwischen der<br />

beanspruchten <strong>und</strong> der selbst geübten Verhaltensweise voraus 54. <strong>Die</strong> herrschende<br />

Meinung im Zivilrecht erkennt einen allgemeinen Gr<strong>und</strong>satz, daß nur derjenige<br />

Rechte geltend machen kann, der sich selbst rechtstreu verhalten hat, nicht an 55.<br />

Der Gr<strong>und</strong>satz des aus der "exceptio doli praesens" ableitbaren 56 "venire contra<br />

factum proprium" ist nur dann einschlägig, wenn das widersprüchliche Verhalten<br />

- das nicht rechtswidrig zu sein braucht - beim Anspruchsgegner schutzwürdig<br />

erscheinendes Vertrauen in die Nichtinanspruchnahme hervorgerufen hat57. Tendenzen,<br />

in Ausnahmefällen auf die Vertrauensbegründung als Tatbestandsmerkmal<br />

zu verzichten, werden in der Zivilrechtsdogmatik äußerst zurückhaltend<br />

aufgenommen58 <strong>und</strong> dürften sich kaum auf das Strafrecht übertragen lassen 59.<br />

51 Teichmann in Soergel'l, § 242 Rn. 280.<br />

52 Vg!. aber Seelmann, ZStW 95 (1983), S. 82<strong>3.</strong><br />

53 Vg!. Teichmann in Soergel 11 , § 242 Rn. 281; Dette, Venire contra factum proprium<br />

nulli conceditur, S. 32 f.<br />

54 Siehe etwa Roth in MünchKomm 2 , § 242 Rn. 381 ff.; Wieacker, Zur rechtstheoretischen<br />

Präzisierung des § 242 BGB, S. 31; Dette, Venire contra factum proprium nulli<br />

conceditur, S. 34.<br />

55 ~ie~e statt ~ieler Teichmann in Soergel'l, § 242 Rn. 287 m. w.N. in Fn.53; J.<br />

Schmldt In StaudInger, § 242 Rn. 612 m. w. N.; a. A. nur Wieacker, Zur rechtstheoretischen<br />

Präzisierung des § 242 BGB, S. 31; ausführlich hierzu Prölss ZHR 132 (1969)<br />

S. 35 ff. "<br />

56 Nicht unstreitig, vg!. etwa Teichmann in Soergel' 1, § 242 Rn. 312; Canaris, <strong>Die</strong><br />

Vertrauenshaftung im deutschen Privatrecht, S. 287 f.; Dette, Venire contra factum proprium<br />

nulli conceditur, S. 36.<br />

57.vg~. etwa Roth i~ MünchKomm 2 , § 242 Rn. 289; Sirp in Erman 8 , § 242 Rn. 79;<br />

ausfuhrhch Dette, Vemre contra factum proprium nulli conceditur, S. 57 ff.<br />

58 Vgl. ausführlich J. Schmidt in Staudinger l2, § 242 Rn. 606 ff.; Roth in Münch­<br />

Komm 2 , § 242 Rn. 314 ff.


140 4. Kap.: Freispruch wegen Verwirkung des Strafanspruchs<br />

Problematisch erscheint es auch, ob es überhaupt einen "Strafanspruch" des<br />

Staates gibt. <strong>Die</strong> auf Binding zurückgehende60, zunächst vom überwiegenden<br />

Schrifttum übernommene 61 Lehre vom staatlichen Strafanspruch besagt, der Staat<br />

habe aus dem (objektiven) Strafrecht das (subjektive) Recht auf Bestrafung im<br />

Einzelfall 62. Der Strafanspruch sei das an die Schranken <strong>und</strong> Voraussetzungen<br />

des Strafgesetzes geb<strong>und</strong>ene "Strafendürfen" des Staates im Verhältnis zum<br />

einzelnen Staatsbürger6<strong>3.</strong> Es wird mithin eine Analogie zum zivilrechtlichen<br />

Anspruch hergestellt 64 • <strong>Die</strong> Strafanspruchslehre, schon früh vor allem <strong>von</strong> Goldschmidt,<br />

Gerland <strong>und</strong> Sauer kritisiert 6 5, wurde zunächst zur Zeit des Nationalsozialismus<br />

r<strong>und</strong>weg abgelehnt 66 ("Der Staat wird hier auf die gleiche Stufe mit<br />

dem Verbrecher gestellt"67). Seit 1945 werden vor allem zwei Einwände vorgetragen:<br />

Zum einen wird auf das schon <strong>von</strong> den frühen Kritikern verwendete Argument<br />

abgestellt, dem Staat werde mit der Strafverfolgung kein Recht zuerkannt,<br />

sondern eine Pflicht auferlegt 68 . Zum anderen sei die Strafe kein Rechtsgut, das<br />

den Staat begünstige 69 . Gegeneinwände werden kaum laut7°, so daß Klose noch<br />

1974 konstatieren konnte, den Begriff des Strafanspruchs habe "die heutige<br />

Strafrechtswissenschaft wohl doch nahezu aufgegeben"71.<br />

Da auch trotz der "Renaissance" des Begriffs in der Diskussion im Zusammenhang<br />

mit der V-Mann-Problematik 72 , wie Heribert Schumann es formuliert 7 3,<br />

59 Vgl. dazu Hillenkamp, JR 1975, S. 137 f.; Bruns, NStZ 1983, S. 54; H. Schumann,<br />

JZ 1986, S. 68 f.; Seelmann, ZStW 95 (1983), S. 822 f.<br />

.. 60 Binding, <strong>Die</strong> Normen <strong>und</strong> ihre Übertretung 1', S. 10 ff.; <strong>Die</strong> Normen <strong>und</strong> ihre<br />

Ubertretung 12, S. 24; Handbuch des Strafrechts I, S. 191; Strafrechtliche <strong>und</strong> strafprozessuale<br />

Abhandlungen H, S. 265 ff.; vgl. dazu H. Kaufmann, Strafanspruch - Strafklagerecht,<br />

S. 72 ff.; Klose, ZStW 86 (1974), S. 41 f.<br />

61 Vgl. die Nachweise bei H. Kaufmann, Strafanspruch - Strafklagrecht, S. 75 f.<br />

Fn. 34; vgl. auch Klose, ZStW 86 (1974), S. 42.<br />

62 Vgl. Rob. v. Hippel, Deutsches Strafrecht I, § I III; Allfeld, Lehrbuch des deutschen<br />

Strafrechts9, § 1 I; BeJing, Gr<strong>und</strong>züge des StrafrechtslI, § 71.<br />

63 Eb. Schmidt, HdB Deutsches Staatsrecht H, § 100 IV 2.<br />

64 Vgl. Klose, ZStW 86 (1974), S. 42 Fn. 32.<br />

65 Goldschmidt, FG Hübler, S. 102 ff.; Der Prozeß als Rechtslage, S. 243 ff. Fn. 1327;<br />

Gerland, Deutsches Reichsstrafrecht2, S. 8 f.; Sauer, Gr<strong>und</strong>lagen des Strafrechts l § 11<br />

II 1.<br />

'<br />

66 Vgl. etwa Schaffstein, DJZ 1934, Sp. 1174 ff.; JW 1934, S. 531; Höhn, DR 1935,<br />

S. 266 f.; H. Henkel, DJZ 1935, Sp. 533 f. Vgl. aber auch H. Mayer, GerS 104 (1934),<br />

S. 308 ff.; Oetker, GerS 108 (1936), S. I ff.; Rob. v. Hippel, Der deutsche Strafprozeß,<br />

§ 42 IV Fn. 4.<br />

67 Höhn, DR 1935, S. 266 f.<br />

68 Esser, Einführung in die Gr<strong>und</strong>begriffe des Rechtes <strong>und</strong> Staates, S. 154 f.; Schmidhäuser,<br />

ZStW 71 (1959), S. 550 f.; Hamann, Gr<strong>und</strong>gesetz <strong>und</strong> Strafgesetzgebung, S. 15;<br />

Amdt, JZ 1965, S. 148 Fn. 18; Tiedemann, FS K. Peters, S. 197; Seelmann, ZStW 95<br />

(1983), S. 825; 1. Roxin, Rechtsfolgen, S. 210; Sax in KMR, Einl. IX Rn. 8.<br />

69 H. Kaufmann, Strafanspruch - Strafklagrecht, S. 98 ff.; H. Schumann, JZ 1986,<br />

S. 70; I. Roxin, Rechtsfolgen, S. 209; wohl auch Flume, FS Smend, S. 79.<br />

70 Vgl. Klose, ZStW 86 (1974), S. 45.<br />

71 Klose, ZStW 86 (1974), S. 46; ähnlich H. Schumann, JZ 1986, S. 70.<br />

A. Zur Verwirkbarkeit des Strafanspruchs 141<br />

"der dogmatische Gehalt des Begriffs ,Strafanspruch' wohl weitgehend in Vergessenheit<br />

geraten" ist, wird man der Frage eher gerecht, wenn man einfacher<br />

ansetzt: Versteht man den Begriff schlichtweg mit dem BGH als "mißverständlich"74<br />

<strong>und</strong> benutzt ihn "redensartlich"75, so ist seine Verwendung "unschädlieh"<br />

76: Geht man mit der im Zivilrecht herrschenden Ansicht da<strong>von</strong> aus, daß<br />

durch Verwirkung nicht der Bestand eines Rechtes, sondern nur dessen Geltendmachung<br />

ausgeschlossen wird 77 , so bedeutet dies, daß es bei <strong>überlange</strong>r Verfahrensdauer<br />

nicht um die Verwirkbarkeit des staatlichen Strafanspruchs, sondern<br />

um die der staatlichen Strafverfolgungsbefugnis geht 78 , also um die (konkrete)<br />

Befugnis des Staates im Einzelfall, den Beschuldigten zu verfolgen 79 . <strong>Die</strong> zivilprozessuale<br />

Parallele wäre die - verwirkbare 80 - Prozeßführungsbefugnis.<br />

Dann aber reduziert sich die Problematik auf die Frage, ob derartige strafprozessualen<br />

Befugnisse gr<strong>und</strong>sätzlich der Verwirkung unterliegen können 81 - <strong>und</strong><br />

zwar die <strong>von</strong> beiden "prozessualen Antipoden" 82: sowohl vom Staat als auch<br />

vom Beschuldigten.<br />

I. Verwirkung durch Arglist<br />

1. Rügeverwirkung zu Lasten des Beschuldigten<br />

Nun wird aber bei der einen Ausgangslage, nämlich zu Lasten des Beschuldigten,<br />

<strong>von</strong> der herrschenden Meinung die Verwirkbarkeit strafprozessualer Befugnisse<br />

anerkannt: Es soll die Verwirkung <strong>von</strong> Verfahrensrügen im Revisionsrecht<br />

möglich sein, wobei freilich der Begriff, der auch hier aus dem Zivilrecht übertragen<br />

werden so1l83, ebenfalls eine unklare Verwendung findet 84 .<br />

72 Seelmann, ZStW 95 (1983), S. 822 ff.; Bruns, StV 1984, S. 391; 393; Schünemann,<br />

StV 1985, S. 427 f.<br />

73 H. Schumann, JZ 1986, S. 70.<br />

74 BGHSt 32, S. 345 (353).<br />

75 Klose, ZStW 86 (1974), S. 46 Fn. 56; dagegen Seelmann, ZStW 95 (1983), S. 82<strong>3.</strong><br />

76 Zipf, GA 1969, S. 235 f. Fn.5; dagegen Volk, Prozeßvoraussetzungen, S. 184<br />

Fn. 81; Seelmann, ZStW 95 (1983), S. 82<strong>3.</strong><br />

. 77 ~ilcher in Staudinger l2 , vor § 194 Rn. 14; Roth in MünchKomm, § 242 Rn. 338;<br />

Sirp m Erman8, § 242 Rn. 96; Augustin in SoergeJll, vor § 194 Rn. 17; G. Walter in<br />

SoergeJl2, vor § 194 Rn. 17; Pawlowski, Allgemeiner TeiP, Rn. 333; Enneccerus / Lehm~nn,<br />

Recht der SchuldverhältnisseiS, § 4 II 5; Enneccerus / Nipperdey, Allgemeiner<br />

Teil/2 15 , § 228 IV; Sie?ert, V~rwirkung <strong>und</strong> Unzulässigkeit der Rechtsausübung, S. 175;<br />

a. A. Larenz, Allgememer TeI16, § 13 IV b; J. Schmidt in Staudinger'2, § 242 Rn. 502.<br />

78 Hillenkamp, JR 1975, S. 139; H. Schumann, JZ 1986 S. 69' Katzorke Verwirkung<br />

S. 108 ff. " , ,<br />

79 Vgl. Katzorke, Verwirkung, S. 108 ff.; 204 ff.<br />

.80 Vgl. Griebeling, <strong>Die</strong> Verwirkung prozessualer Befugnisse, S. 64 ff.; Katzorke, Ver­<br />

Wirkung, S. 115.<br />

81 So auch Katzorke, Verwirkung, S. 111.<br />

82 Schünemann, Verh. 58. DIT, S. B 35.


142 4. Kap.: Freispruch wegen Verwirkung des Strafanspruchs A. Zur Verwirkbarkeit des Strafanspruchs 143<br />

Zwar ist die teilweise nach dem Zweiten Weltkrieg <strong>von</strong> der Rechtsprechung 85<br />

<strong>und</strong> später noch in der Literatur 86 , insbesondere <strong>von</strong> Werner Schmid 87 vertretene<br />

Auffassung, daß eine Rüge schon dann verwirkt sei, wenn der Beschuldigte einen<br />

Verfahrensverstoß, der ihm in seinen Auswirkungen voll bewußt <strong>und</strong> den zu<br />

verhindern er in der Lage war, in der Hauptverhandlung hingenommen hat, ohne<br />

<strong>von</strong> den ihm zur Verfügung stehenden Möglichkeiten einer Abhilfe Gebrauch<br />

zu machen, heute nur noch vereinzelt anzutreffen 88. Da den Beschuldigten <strong>und</strong><br />

seinen Verteidiger im <strong>Strafverfahren</strong> keine Mitwirkungs-, Abhilfe- oder Wampflichten<br />

in bezug auf die vom Gericht zu beachtenden Förmlichkeiten treffen,<br />

kann Schweigen nicht zur Verwirkung entsprechend dem "tu-quoque"-Einwand<br />

führen. Es ist Aufgabe des Gerichts, für die Beachtung prozessualer Vorschriften<br />

selbst einzustehen 89, so daß ein "venire contra factum proprium" am fehlenden<br />

schutzwürdigen Vertrauen scheitert. Dem entspricht es, dies sei am Rande bemerkt,<br />

daß auch der kostenrechtliche Anspruch aus § 8 GKG nicht dadurch<br />

ausgeschlossen wird, daß der Beschuldigte die unrichtige Sachbehandlung zugelassen<br />

oder gar mitverursacht hat, solange nicht ein Fall absichtlicher Täuschung<br />

des Gerichts vorliegt90.<br />

<strong>Die</strong> herrschende Ansicht geht in paralleler Wertung da<strong>von</strong> aus, daß eine Rüge<br />

dann verwirkt sei, wenn der Beschuldigte selbst (oder sein Verteidiger in zurechenbarer<br />

Weise 9J ) den Verstoß durch eigenes Zutun mitherbeigeführt hat in<br />

der Absicht, hierauf später die Revision zu stützen n , was Kar! Peters sogar bei<br />

unverzichtbaren Vorschriften bejaht 93 . <strong>Die</strong>se Ansicht läßt sich mit der Variante<br />

"turpitudinem suam allegans non auditur" begründen.<br />

83 BVerfGE 27, S. 231 (237); Sax in KMR, Einl. X Rn. 75; Bruns, StV 1984, S. 391;<br />

Schlüchter, JR 1987, S. 82.<br />

84 Sax in KMR, Einl. X Rn. 73; Schlüchter, GS K. Meyer, S. 447 ff.<br />

85 OLG Hessen, NJW 1947/48, S. 395; HESt 3, S. 71; OLG Bremen, GA 1953, S. 87;<br />

bei We. Schmid, <strong>Die</strong> Verwirkung <strong>von</strong> Verfahrensrügen, S. 379; S. 384.<br />

86 Kiderlin, <strong>Die</strong> Verwirkung <strong>von</strong> Verfahrensrügen, S. 59 ff.; H. Henkel, <strong>Strafverfahren</strong>srecht2,<br />

§ 99 III 8; A. Wolff, NJW 1953, S. 1656 ff.; Fuhrmann, NJW 1963, S. 1230 ff.;<br />

ähnlich Walther, "Verwirkung" <strong>von</strong> Verfahrensrügen?, S. 91 ff.<br />

87 We. Schmid, <strong>Die</strong> Verwirkung <strong>von</strong> Verfahrensrügen, S. 297 ff.<br />

88 A. A. wohl Dahs, Handbuch des StrafverteidigersS, Rn. 684.<br />

89 OLG Frankfurt, JR 1987, S. 81; Kleinknechtl Meyer, StP039, § 337 Rn. 47; K.<br />

Peters, Strafprozeß4, § 75 II 7; Bohnert, <strong>Die</strong> Beschränkung der strafprozessualen Revision<br />

durch Zwischenverfahren, S. 112; Erker, Das Beanstandungsrecht gern. § 238 II StPO,<br />

S. 163 f.; Jescheck, JZ 1952, S. 402 f.<br />

90 Markl, GKG2, § 8 Rn. 2; Mümmler, JVBl. 1971, S. 224.<br />

91 Vgl. etwa BGHSt 24, S. 280 (282 f.).<br />

91 OLG Hamm, VRS 14, S. 370 (371); 20, S. 68 (69); Hanack in LR24, § 337 Rn. 284;<br />

Kleinknecht 1Meyer, StP039, § 337 Rn. 47; K. Peters, Strafprozeß4, § 75 II 7; C. Roxin,<br />

<strong>Strafverfahren</strong>srecht21 , § 42 D II 2; Jescheck, JZ 1952, S. 402 f.; GA 1953, S. 89; unklar<br />

Pikart, KK StP02, § 344 Rn. 61; Gössel, <strong>Strafverfahren</strong>srecht, § 35 C III 2 e, die <strong>von</strong><br />

"arglistiger Herbeiführung oder Nichthinderung <strong>von</strong> Verfahrensverstößen" sprechen;<br />

dagegen aber Sax in KMR, Ein!. X Rn. 77 f.; U. Weber, GA 1975, S. 302 f.; Kindhäuser,<br />

NStZ 1987, S. 532 f.; Schlüchter, GS K. Meyer, S. 460 ff.<br />

Zwar ist aufgr<strong>und</strong> dieser Einschränkungen die Verwirkung einer Rüge kaum<br />

denkbar, so daß entsprechende Rechtsprechung auch kaum mehr vorkommt94.<br />

Trotzdem ist nicht anzunehmen, daß, wie Ulrich Weber aber meint, diese Rechtsprechung<br />

"Episode geblieben" sei 95: So hat das OLG Frankfurt noch 1986<br />

ausdrücklich betont, eine Rüge könne "wegen arglistigen Verhaltens als verwirkt<br />

anzusehen" sein 96 • Der BGH (2. Senat)97 hat 1988 in bedenklicher Rückkehr an<br />

die frühere Rechtsprechung der OLGe für Hessen <strong>und</strong> Bremen in einem obiter<br />

dictum der Rüge der fehlerhaften Behandlung eines Beweisantrages als Beweisermittlungsantrag<br />

"das eigene Verhalten des Bf. <strong>und</strong> seines Verteidigers" entgegengestellt,<br />

da diese es unterlassen hätten, "nach Kenntnisnahme <strong>von</strong> der Begründung<br />

des Ablehnungsbeschlusses ausdrücklich klarzustellen, daß damit ihr Beweisbegehren<br />

trotz der vom Gericht entfalteten Aufklärungsbemühungen nicht erledigt<br />

sei ... Wenn sich der Bf. <strong>und</strong> sein Verteidiger damit nicht zufriedengeben,<br />

sondern auf weiterer Beweiserhebung bestehen wollten, so hätten sie dies ­<br />

ohne daß darin ein unzumutbares Ansinnen läge - ausdrücklich klarstellen<br />

können <strong>und</strong> müssen".<br />

<strong>Die</strong> Rechtsprechung zur Rügeverwirkung stellt den Staat also bei der Strafverfolgung<br />

wie den Bürger unter den Schutz des Verwirkungsrechts. Es wird insoweit<br />

aktionenrechtlich gedacht 98 . Werden aber Beschuldigter <strong>und</strong> Gericht gleich Parteien<br />

mit interferierenden Interessen gegenübergestellt, so folgt daraus die wechselseitige<br />

Rücksichtnahme99. Dann müßte aber aus der Anerkennung der Rügeverwirkung<br />

im Revisionsrecht folgen, daß auch die "Strafanspruchsverwirkung" ­<br />

also die Verwirkung der Strafverfolgungsbefugnis - jedenfalls theoretisch denkbar<br />

sein muß.<br />

2. Verzögerung zwecks Verurteilung<br />

Selbst wenn man dem folgt, ergibt dies für die Frage der Rechtsfolgen <strong>überlange</strong>r<br />

Verfahrensdauer nur wenig: Eine Verwirkung der staatlichen Strafverfol-<br />

93 K. Peters, Strafprozeß., § 75 II 7; 8.<br />

94 Hanack in LR24, § 337 Rn. 285; Kleinknecht 1Meyer, StP039, § 337 Rn. 47; K.<br />

Peters, Strafprozeß" § 75 II 7; Gössel, <strong>Strafverfahren</strong>srecht, § 35 C III 2 e; Kindhäuser,<br />

NStZ 1987, S. 532; Schlüchter, GS K. Meyer, S. 46<strong>3.</strong> Vg!. aber auch Dahs, Handbuch<br />

des Strafverteidigers 5 , Rn. 685.<br />

95 U. Weber, GA 1975, S. 302.<br />

96 OLG Frankfurt, JR 1987, S. 81. Noch weitergehend OLG Köln, OLGSt (alt) § 244<br />

S.43 (44): Eine Aufklärungsrüge der Staatsanwaltschaft kann verwirkt sein, "wenn der<br />

Sitzungsvertreter die zu einer Vernehmung drängenden Umstände gekannt, aber gleichwohl<br />

da<strong>von</strong> abgesehen hat, einen Beweisantrag zu stellen".<br />

97 BGH, StV 1988, S. 469 (472).<br />

98 Dütz, NJW 1972, S. 1028; vg!. auch Schenke in BonnKomm (Zweitbearb.), Art. 19<br />

IV Rn. 69.<br />

99 Vg!. Sax in KMR, Einl. X Rn. 77; Erker, Das Beanstandungsrecht gern. § 238 II<br />

StPO, S. 159 f.; Kindhäuser, NStZ 1987, S. 532.


144 4. Kap.: Freispruch wegen Verwirkung des Strafanspruchs A. Zur Verwirkbarkeit des Strafanspruchs 145<br />

gungsbefugnis käme im Bereich <strong>überlange</strong>r Verfahrensdauer nach bisher Gesagtem<br />

dann in Betracht, wenn, in Parallele zur Rügeverwirkung, die Strafverfolgungsorgane<br />

die Verzögerungen deshalb herbeigeführt haben, um die Verteidigungsposition<br />

des Beschuldigten zu schmälern 1()(). Aus der Vereitelung der<br />

Rechtsstellung des anderen können schon nach der ursprünglichen "exceptio<br />

doli" keine Ansprüche abgeleitet werden. Auch der BGH hat in einer Zivilsache<br />

angedeutet, daß Verwirkung bei Prozeßverschleppung mit dem Ziel, in bis dahin<br />

nicht gegebene Voraussetzungen eines Rechts "hineinzuwachsen", denkbar sei 101.<br />

Ein die Verurteilung bezweckendes Verhalten der Strafverfolgungsorgane<br />

dürfte jedoch kaum einmal vorkommen <strong>und</strong> noch seltener zu beweisen sein.<br />

Theoretisch hat das OLG Celle den Fall "willkürlicher Verschleppung polizeilicher<br />

Ermittlungen zwecks Beeinträchtigung des Erinnerungsvermögens eines<br />

Beschuldigten (oder Zeugen)" gebildet 102. Ein Verhalten solcher Qualität, das<br />

allerdings nichts mit <strong>überlange</strong>r Verfahrensdauer zu tun hat, ist auf Gr<strong>und</strong>lage<br />

der veröffentlichten Rechtsprechung am ehesten in dem vom LG Hannover<br />

festgestellten Sachverhalt der Beweismanipulationen durch Ermittlungsorgane<br />

zwecks"Verurteilung um jeden Preis" 103 zu sehen, in dem allerdings vom 5. Senat<br />

des BGH die Verwirkbarkeit des staatlichen Strafanspruchs gr<strong>und</strong>sätzlich verneint<br />

wurde 104. Dennoch ist das Verwirkungsargument auch im sog. "Schmücker­<br />

Verfahren" geäußert worden, weil wichtige Beweismittel unterdrückt worden<br />

seien 105.<br />

Fraglich erscheint, ob über die Arglistfälle hinaus auch bei sonstigen Verzögerungen<br />

Verwirkung möglich ist. Der weitergehende "tu-quoque-"Einwand scheitert<br />

daran, daß die zu vergleichenden Verhaltensweisen - Verstoß gegen das<br />

Beschleunigungsprinzip <strong>und</strong> Verstoß gegen das Strafgesetz - nicht miteinander<br />

"korrespondieren" 106, nicht gegen die gleichen Rechtssätze verstoßen 107. Ob Verwirkung<br />

aus dem Gedanken "turpitudinem suam allegans non auditur" dann<br />

denkbar ist, wenn durch (rechtswidrige) Verzögerungen, aber ohne Arglist eine<br />

bessere Rechtsstellung kausal erlangt worden ist, erscheint schwer zu beantworten.<br />

Immerhin ist in der Zivilrechtsdogmatik anerkannt, daß insofern eine Interessenabwägung<br />

vorzunehmen ist: Je stärker das Unrechtselement bewertet werden<br />

100 Ähnlich K. Schäfer in LR24, Einl. Kap. 12 Rn. 92: Verwirkung kann nur in Erwägung<br />

gezogen werden, wenn verschuldete schwere Versäumnisse der Justizbehörden<br />

vorliegen, die die Verfahrensfortsetzung "illoyal" erscheinen lassen.<br />

101 BGH, LM Nr. 39 zu § 242 BGB (Ce).<br />

102 OLG Celle, NJW 1963, S. 1320 (1321).<br />

103 LG Hannover, StV 1985, S. 94.<br />

104 BGHSt 33, S. 283 (283 f.).<br />

105 Vgl. Volksblatt Berlin v. <strong>3.</strong>11.1990, S. 14. So jetzt auch das Einstellungsurteil<br />

des LG Berlin.<br />

106 Vgl. Roth in MünchKomm2, § 242 Rn. 381 ff.; Dette, Venire contra factum proprium<br />

nulli conceditur, S. 34.<br />

107 Vgl. Wieacker, Zur rechtstheoretischen Präzisierung des § 242 BGB, S. 31.<br />

muß, desto eher sind die Interessen des Inanspruchgenommenen zu berücksichtigen<br />

108. Hier mögen die Interessen des Beschuldigten wohl jedenfalls gewichtiger<br />

sein als die des Staates bei der oben erörterten Rügeverwirkung, bei der diese<br />

Variante nicht näher in Betracht zu ziehen war. Allerdings dürften auch hier<br />

zwei Argumente dafür sprechen, eine so weitgehende Verwirkbarkeit der Strafverfolgungsbefugnis<br />

nicht anzuerkennen: Bei immanenter Betrachtung ist zunächst<br />

äußerst zweifelhaft, ob die Interessen des Beschuldigten gegenüber denen<br />

des Staates dermaßen überwiegen können - schlichtes Interessenungleichgewicht<br />

genügt im Zivilrecht für eine so weitgehende Konsequenz wie die Verwirkung<br />

nicht 109. Immerhin geht es um das öffentliche Interesse an der Strafverfolgung;<br />

hier spielt auch das Argument eine Rolle, daß lediglich das Fehlverhalten<br />

einzelner Amtsträger Ansprüche des Staates verwirken soll I10. Bei Betrachtung<br />

aus mehr übergeordnetem Blickwinkel muß zudem äußerst zweifelhaft erscheinen,<br />

inwieweit jedenfalls im Strafrecht Verfahrensbeendigung durch das "rigide<br />

Alles-oder-Nichts-Prinzip" 111 der Verwirkung infolge einer Interessenabwägung<br />

eintreten kann. Mit diesem Argument hat vor allem der BGH die Annahme <strong>von</strong><br />

Verfahrenshindernissen der <strong>überlange</strong>n Verfahrensdauer" 2 <strong>und</strong> des rechtswidrigen<br />

Lockspitzeleinsatzes ll3 bekämpft l14 • Ohne die Zivilrechtsdogmatik zu dieser<br />

Frage - die noch als "weitgehend ungeklärt" bezeichnet wird 115 - in Zweifel<br />

ziehen zu wollen, dürfte doch die Ausdehnung der ursprünglichen "exceptio<br />

doli" insoweit für das Strafrecht abzulehnen sein.<br />

11. Verwirkung durch Zeitablauf<br />

<strong>Die</strong> Fallgruppe der Verzögerung zwecks Verurteilung befindet sich freilich<br />

weit <strong>von</strong> den Vorstellungen Baumanns entfernt, der sich Verwirkung "neben<br />

<strong>und</strong> innerhalb der Strafverfolgungsverjährungsfristen" vorstellte 116. Baumann<br />

spielt hier auf die im Zivilrecht bedeutsame Verwirkung durch Zeitablauf, die<br />

"illoyale Verspätung" 117 an, die einen Unterfall des "venire contra factum proprium"<br />

darstellt 118. Sie kommt in Betracht, wenn neben die bereits seit einem<br />

108 Vgl. etwa Teichmann in SoergeJiI, § 242 Rn. 281; Dette, Venire contra factum<br />

proprium nulli conceditur, S. 32 f.<br />

109 Vgl. etwa Teichmann in Soergel ll , § 242 Rn. 281; 290.<br />

110 Vgl. BGHSt 32, S. 345 (353); 33, S. 283; OLG Düsseldorf, NJW 1986, S. 2204<br />

(2205).<br />

111 Roth in MünchKomm2, § 242 Rn. 236.<br />

112 BGHSt 24, S. 239 (240).<br />

113 BGHSt 32, S. 345 (351 f.).<br />

114 Siehe dazu unten, 5. Kap. A III 2.<br />

115 Roth in MünchKomm2, § 242 Rn. 231.<br />

116 Baumann, FS Eb. Schmidt, S. 541.<br />

117 Heinrichs in Palandt 49 , § 242 Anm. 5 a; vgl. auch BGHZ 25, S. 47 (52); BAGE<br />

6, S. 165 (167); kritisch Teichmann in Soergel ll , § 242 Rn. 332.<br />

10 Seheffter


146 4. Kap.: Freispruch wegen Verwirkung des Strafanspruchs A. Zur Verwirkbarkeit des Strafanspruchs 147<br />

längeren Zeitraum bestehende Möglichkeit der Geltendmachung eines Rechts<br />

("Zeitmoment") auch noch gewisse Umstände hinzutreten, die die verspätete<br />

Geltendmachung des Rechts als unzulässige Rechtsausübung erscheinen lassen<br />

("Umstandsmoment"). Der Ablauf eines extrem langen ungenutzten Zeitraums<br />

genügt nicht für sich allein 119, was der BGH für den langjährigen Stillstand eines<br />

Zivilverfahrens ausdrücklich betont hat 120. Das Umstandsmoment ist erfüllt, wenn<br />

der Berechtigte durch sein Verhalten den Eindruck erweckt hat, er wolle sein<br />

Recht nicht mehr geltend machen, der Verpflichtete sich hierauf eingerichtet hat<br />

<strong>und</strong> ihm die verspätete Inanspruchnahme nicht mehr zugemutet werden kann 121,<br />

etwa, weil er ansonsten einen Nachteil erleidet, der bei rechtzeitiger Geltendmachung<br />

des Rechts ausgeblieben wäre 122. <strong>Die</strong> "illoyale Verspätung" hat sachliche<br />

Nähe zur Verjährung 12<strong>3.</strong><br />

1. Rechtsbehelfsverwirkung zu Lasten des Beschuldigten<br />

Auch die Verwirkung durch Zeitablauf ist im <strong>Strafverfahren</strong>srecht - ebenfalls<br />

zu Lasten des Beschuldigten - bekannt: So sollen nach der Rechtsprechung<br />

unbefristete Rechtsbehelfe (z. B. Beschwerde, Antrag nach § 33a StPO, GegenvorsteIlung)<br />

infolge Verwirkung unzulässig werden können, wenn der Beschuldigte<br />

längere Zeit hindurch untätig bleibt 124. <strong>Die</strong>se Judikatur wird <strong>von</strong> der Literatur<br />

weitgehend gebilligt 125.<br />

<strong>Die</strong> Rechtsbehelfsverwirkung stellt die präzise Übernahme der "illoyalen Verspätung"<br />

aus dem Zivilrecht dar. Allerdings soll für das Umstandsmoment ­<br />

die Nichtzumutbarkeit der verspäteten Inanspruchnahme - das öffentliche Interesse<br />

an der Erhaltung des Rechtsfriedens genügen 126.<br />

118 Heinrichs in Palandt49, § 242 Anm. 5 a; Roth in MünchKomm2, § 242 Rn. 290;<br />

Teichmann in Soergel ll , § 242 Rn. 332; vgl. auch BAGE 6, S. 165 (168).<br />

119 BVerfGE 32, S. 305 (308); BGH, WM 1971, S. 1084 (1086); Schenke in Bonn­<br />

Komm (Zweitbearb.), Art. 19 IV Rn. 69; Teichmann in Soergel ll , § 242 Rn. 337; Schubert,<br />

JR 1989, S. 280.<br />

120 BGH, LM Nr. 39 zu § 242 BGB (Ce); RzW 1979, S. 106.<br />

121 BGHZ 25, S.47 (52); 26, S. 52 (65); 67, S.56 (68); 84, S.280 (281); DNotZ<br />

1973, S.379 (380); BAGE 6, S. 165 (168); BSG, NJW 1973, S. 871; Heinrichs in<br />

Palandt 49 , § 242 Anm. 5 d ce.<br />

122 Griesbeck, Venire contra factum proprium, S. 99.<br />

123 Vgl. Roth in MünchKomm2, § 242 Rn. 290.<br />

124 BVerfGE 32, S.305; OLG Koblenz, MDR 1985, S.344; wistra 1987, S.357;<br />

OLG Stuttgart, OLGSt (neu) NI. 1 zu § 235 StPO. .<br />

125 W. Gollwitzer in LR24, vor § 296 Rn. 48; Kleinknecht / Meyer, StP039, vor § 296<br />

Rn. 6; Ellersiek, <strong>Die</strong> Beschwerde im Strafprozeß, S. 147; a. A. Sax in KMR, Einl. X<br />

Rn. 73 ff.; Dütz, NJW 1972, S. 1025.<br />

126 BVerfGE 32, S. 305 (308 f.); kritisch dazu Sax in KMR. Einl. X Rn. 78; Dütz,<br />

NJW 1972, S. 1025 ff.<br />

Hinsichtlich des Umstandsmoments folgt aus der Ableitung der "illoyalen<br />

Verspätung" aus der Variante "venire contra factum proprium", daß dem Zeitmoment<br />

nur eine untergeordnete Rolle zukommt: "Der Schwerpunkt des Verwirkungsbegriffs<br />

liegt ... im Umstandsmoment ... Ihm fällt weitgehend, wenn<br />

auch nicht völlig unabhängig vom reinen Zeitablaufseit Entstehen des Anspruchs,<br />

die entscheidende Bedeutung zu" 127. Demzufolge hat auch das OLG Stuttgart<br />

die Verwirkung der - fristlosen - Wiedereinsetzung in den vorigen Stand<br />

gemäß § 235 Satz 1 2. Alt. StPO nicht wegen Zeitablaufs angenommen, sondern<br />

weil der Beschuldigte <strong>von</strong> vornherein entschlossen gewesen sei, an der Hauptverhandlung<br />

nicht teilzunehmen 128. Daraus folgt, daß bei langem Zeitablauf an das<br />

Umstandsmoment nur noch geringe Anforderungen zu stellen sind 129, während<br />

umgekehrt Verwirkung auch nahezu ohne besonderes Zeitmoment bei entsprechender<br />

Ausprägung des Umstandsmoments denkbar ist 130.<br />

2. Enttäuschung berechtigten Vertrauens<br />

Auf das Umstandsmoment hat nun der 1. Senat des BGH in seiner Lockspitzelentscheidung,<br />

die das OLG Düsseldorf zur Frage der Verwirkung bei <strong>überlange</strong>r<br />

Verfahrensdauer zugr<strong>und</strong>e gelegt hat, als Hilfsargument im Anschluß an See/­<br />

mann 131 mit Nachdruck hingewiesen: Es fehle im übrigen am "für die Anwendung<br />

des Verwirkungsgedankens wesentlichen Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes"<br />

132. Sowohl in dieser Entscheidung als auch in der Diskussion, die sich um<br />

diese Formulierung entwickelt hat 133, wird zumeist übersehen 134, daß es im Zusammenhang<br />

mit der Lockspitzelproblematik nicht um "illoyale Verspätung",<br />

sondern nur um Ableitungen der "exceptio doli praeteriti" gehen kann, da es<br />

hier an jeder Anknüpfung für das Zeitmoment fehlt. Dann kommt es aber nicht<br />

darauf an, ob der Provozierte auf seine Straflosigkeit vertrauen konnte, sondern<br />

darauf, daß der Staat sich nicht durch rechtsstaatlich unzulässiges Vorgehen den<br />

Strafanspruch verschaffen darf135 •<br />

127 BAGE 6, S. 165 (167).<br />

128 OLG Stuttgart, OLGSt (neu) NI. 1 zu § 235 StPO.<br />

129 Vg1. etwa OLG Frankfurt, MDR 1978, S. 52.<br />

130 Schubert, JR 1989, S. 280.<br />

131 Seelmann, ZStW 95 (1983), S. 82<strong>3.</strong><br />

132 BGHSt 32, S. 345 (353).<br />

133 Bruns, StV 1984, S. 391 (mit Hinweis auf NStZ 1983, S. 54); Schünemann, StV<br />

1985, S. 428; Puppe, NStZ 1986, S. 405; Drywa, <strong>Die</strong> materiellrechtlichen Probleme des<br />

V-Mann-Einsatzes, S. 65.<br />

134 Vg1. aber I. Roxin, Rechtsfolgen, S. 207 f.; H. Schumann, JZ 1986, S.69; vgl.<br />

auch Menzel, Gr<strong>und</strong>fragen der Verwirkung, S. 143; 145 Fn. 303; Katzorke, Verwirkung,<br />

S. 152 f.<br />

135 H. Schumann, JZ 1986, S. 69.<br />

10*


148 4. Kap.: Freispruch wegen Verwirkung des Strafanspruchs A. Zur Verwirkbarkeit des Strafanspruchs 149<br />

Ein weiteres Indiz dafür, daß der 1. Senat in seiner Entscheidung die Formen<br />

der Verwirkung vermengt, ergibt sich auch daraus, daß er in einem Atemzug<br />

unter der Bezeichnung"Verwirkung prozessualer Befugnisse" auf Urteile sowohl<br />

zur Rechtsbehelfsverwirkung 136 als auch zur Rügeverwirkung 137 hinweist. Mit<br />

dieser Vermengung steht der BGH nicht allein. Hingewiesen sei etwa auf Fuhrmann,<br />

der versuchte, hinsichtlich der Rügeverwirkung das Zeitmoment der "illoyalen<br />

Verspätung" zu konstruieren 138. Allgemein ist festzustellen, daß die schon<br />

erwähnte Übertragung des Gedankens der Verwirkung des staatlichen Strafanspruchs<br />

<strong>von</strong> der <strong>überlange</strong>n Verfahrensdauer auf andere Sachverhalte, insbesondere<br />

die V-Mann- Problematik, ohne die erforderliche "rechtsdogmatische Vertiefung"<br />

139 geschah: Es blieb nahezu unbemerkt, daß man hier die Formen der<br />

Verwirkung wechselte.<br />

Jedoch folgt hieraus, daß der Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes bei der<br />

"illoyalen Verspätung" in den Mittelpunkt zu rücken ist, so daß bezüglich des<br />

Problems <strong>überlange</strong>r Verfahrensdauer selbst dann, wenn man <strong>von</strong> der prinzipiellen<br />

Möglichkeit der Verwirkbarkeit der Strafverfolgungsbefugnis ausgeht, eine<br />

weitergehende Beschränkung gegeben ist, als sich die Befürworter dies vorgestellt<br />

hatten: So kann zunächst einmal das Verwirkungsargument nicht, wie aber <strong>von</strong><br />

der Verteidigung im sog. "Euthanasie-Prozeß" vorgetragen wurde 140, (nur) darauf<br />

gestützt werden, daß die Taten extrem lange (hier: 46 Jahre) zurückliegen würden.<br />

Auch die bloße Untätigkeit der Strafverfolgungsbehörden kann noch nicht generell<br />

die Erwartung nach sich ziehen, daß die Strafverfolgung künftig unterbliebe<br />

141. Nur dann, wenn der Beschuldigte bei besonderer Fallgestaltung ausnahmsweise<br />

aus dem Verhalten der Organe entnehmen durfte <strong>und</strong> tatsächlich entnommen<br />

hat, der Staat werde seine Strafverfolgungsbefugnis nicht mehr wahrnehmen,<br />

könnte "illoyale Verspätung" denkbar sein 142. Nur in diesem Fall wird das berechtigte<br />

Vertrauen des Beschuldigten, nicht mehr verfolgt zu werden, aufgr<strong>und</strong><br />

widersprüchlichen Verhaltens der Strafverfolgungsbehörden enttäuscht. Hanack<br />

hat hierzu beispielhaft den Fall gebildet, daß der Beschuldigte jahrelang <strong>von</strong><br />

einem eingeleiteten Ermittlungsverfahren nichts mehr hört <strong>und</strong> annehmen darf,<br />

die Staatsanwaltschaft habe die Mitteilung gemäß § 170 11 StPO vergessen 14<strong>3.</strong><br />

136 BVerfGE 32, S. 305 (308 f.).<br />

137 BVerfGE 27, S.231 (236); 33, S.265 (293); BVerwGE 3, S.297 (299 f.); 6,<br />

S. 262 (263).<br />

138 Fuhnnann, NJW 1963, S. 123<strong>3.</strong> Vgl. auch Schlüchter, GS H. Kaufmann, S. 461 f.<br />

139 Bruns, StV 1984, S. 391.<br />

140 Vgl. Daub, KritJ 22 (1989), S. 328 Fn. <strong>3.</strong><br />

141 So auch Mezger, Gr<strong>und</strong>fragen der Verwirkung, S. 145; Katzorke, Verwirkung,<br />

S.84.<br />

142 Vgl. Hillenkamp, JR 1975, S. 137; unklar Seelmann, GebColloquium Kielwein,<br />

S. 28 f.<br />

143 Hanack, JZ 1971, S. 715. Vgl. auch Katzorke, Verwirkung, S. 37; 42; 52 f.; 83;<br />

198 f.; 204.<br />

Praktisch vorstellbar ist ein solcher Fall kaum 144. Gegen das Beispiel Hanacks<br />

spricht zudem, daß selbst bei einer erfolgten Einstellung der ehemals Beschuldigte<br />

mit einem Wiederaufgreifen durch die Staatsanwaltschaft rechnen muß 145. Allenfalls<br />

könnte man hieran vielleicht in den gelegentlich berichteten Fällen denken 146,<br />

wonach es im Umweltstrafrecht vorkommt, daß die Staatsanwaltschaft ein Ermittlungsverfahren<br />

hinauszögert, um Druck bezüglich der Lösung des Umweltproblems<br />

auszuüben, wenn dann nach Durchführung <strong>von</strong> umweltschützenden Maßnahmen<br />

doch noch Anklage erhoben würde. Weiterhin wurde auf eine entsprechende<br />

Revisionsrüge hin vom OLG Düsseldorf geprüft (<strong>und</strong> verneint), ob die<br />

Einstellung wegen eines (behebbaren) Verfahrenshindernisses <strong>und</strong> darauffolgender<br />

Zeitablauf bis zur Einleitung eines (neuen) Ermittlungsverfahrens zur Verwirkung<br />

führte 147.<br />

DerSache nach - ohne <strong>von</strong> Verwirkung zu sprechen - wird in der oberlandesgerichtlichen<br />

Rechtsprechung gemäß den Verwirkungskriterien in dem hier nicht<br />

näher interessierenden Sonderfall des verspäteten Widerrufs der Strafaussetzung<br />

zur Bewährung (§ 56f StGB) vorgegangen. Danach ist der Widerruf nicht schon<br />

aufgr<strong>und</strong> bloßer Verspätung unzulässig, wohl aber im Einzelfall aus dem Gesichtspunkt<br />

des Vertrauensschutzes 148. Allerdings ist auch hier zu fragen, ob<br />

wirklich schutzwürdiges Vertrauen <strong>und</strong> nicht nur bloße "Hoffnung" enttäuscht<br />

wird 149.<br />

Das Problem der Enttäuschung eines berechtigten Vertrauens ist somit, wie<br />

Hanack zu Recht hervorgehoben hat 150, <strong>von</strong> dem der <strong>überlange</strong>n Verfahrensdauer<br />

zu trennen. Allerdings können die beiden Problemkreise miteinander verknüpft<br />

sein, da das Vertrauen um so eher berechtigt sein wird, je mehr Zeit vergangen<br />

ist (Zeitmoment).<br />

Umgekehrt wäre eine Verwirkung unter diesem Gesichtspunkt - rein konstruktiv<br />

- auch dann nicht <strong>von</strong> vornherein ausgeschlossen, wenn das Verfahren<br />

zwar schnell durchgeführt wird, gleichzeitig aber <strong>von</strong> den Strafverfolgungsbehörden<br />

ein so vertrauensbildendes Verhalten an den Tag gelegt wird, daß derBeschuldigte<br />

sich hieraufeinrichten durfte <strong>und</strong> dies tat, indem er etwa Entlastungsmaterial<br />

144 Katzorke, Verwirkung, S. 199.<br />

145 Katzorke, Verwirkung, S. 199.<br />

146 Vgl. dazu Kellennann, KB 55 (1987), S. 23 ff.; Michalke, ZRP 1988, S. 273 ff.;<br />

Kneip, ZRP 1989, S. 111; Trändie, GS K. Meyer, S. 610.<br />

147 OLG Düsseldorf, NJW 1986, S. 2204 (2205).<br />

148 OLG Karlsruhe, Justiz 1976, S. 436; OLG Celle, NdsRpfl. 1980, S. 91 (92); StV<br />

1987, S.30; OLG Koblenz, NStZ 1981, S.260 (261); DAR 1987, S. 93 (94); OLG<br />

Stuttgart, Justiz 1982, S. 273; StV 1985, S. 380; OLG Braunschweig, StV 1983, S. 72;<br />

OLG Düsseldorf, MDR 1983, S. 509; GA 1983, S. 87; OLG Hamm, NStZ 1984, S. 362<br />

(363); StV 1985, S. 198 (199).<br />

149 KG, JR 1958, S. 189; Horn in SK StGB, § 56f Rn. 33; 37; GS H. Kaufmann,<br />

S. 548; 554.<br />

150 Hanack, JZ 1971, S. 715.


150 4. Kap.: Freispruch wegen Verwirkung des Strafanspruchs B. Zum Freispruch infolge Strafaufhebungsgr<strong>und</strong>es 151<br />

vernichtet hat, <strong>und</strong> ihm somit weitere Verfolgung nun nicht mehr zugemutet<br />

werden kann. Hier läge das Schwergewicht der Problematik weniger im Zeitmoment<br />

als im auf das Handeln der Strafverfolgungsbehörden bezogenen Umstandsmoment.<br />

Es wäre die allgemeine Variante "venire contra factum proprium"<br />

einschlägig. Insofern hätte der <strong>3.</strong> Senat des BGH auch Verwirkung erörtern<br />

können bei der Nichteinhaltung einer "Zusage" der Staatsanwaltschaft, eine bestimmte<br />

Tat nicht zu verfolgen, wenn der Beschuldigte sein Rechtsmittel unter<br />

Hinnahme einer empfindlichen Strafe in einer anderen Sache zurücknimmt 151.<br />

Nun dürfte bei der Fallgruppe der Enttäuschung berechtigten Vertrauens durch<br />

Zeitablauf, noch mehr als bei der der Verwirkung durch Arglist, Anlaß zu Zweifeln<br />

bestehen, inwieweit ihre Anerkennung jedenfalls im Strafrecht geboten ist:<br />

Nach ganz herrschender Meinung 152 setzt die "illoyale Verspätung" kein Verschulden<br />

des Rechtsinhabers voraus. Soll die Verwirkung der Strafverfolgungsbefugnis<br />

also - theoretisch - auch dann eintreten können, wenn die Vertrauensbildung<br />

beim Beschuldigten erfolgt, obwohl das Verfahren <strong>von</strong> den Strafverfolgungsorganen<br />

unverzögert vorangetrieben wird? Nach im einzelnen umstrittener,<br />

aber herrschender Ansicht 153 ist nicht einmal die Kenntnis des Berechtigten <strong>von</strong><br />

seinem Recht erforderlich; es genügt, daß er Kenntnis hätte haben können. Folgte<br />

man dem, könnte also - wiederum rein theoretisch - selbst bei Nichtwissen<br />

der Strafverfolgungsbehörden <strong>von</strong> der Straftat schon die Strafverfolgungsbefugnis<br />

verwirkt werden. Es kann hier nicht der Ort sein zu erörtern, ob außerhalb<br />

des Strafrechts überhaupt die Rechtsfigur der Verwirkung durch Zeitablauf neben<br />

Verjährung <strong>und</strong> Verzicht erforderlich ist oder jedenfalls einen zu weiten Anwendungsbereich<br />

findet. Der eine Teil der dortigen Fallgestaltungen läßt sich, so<br />

scheint es, statt durch den Rückgriff auf die Verwirkung durch die objektive<br />

Auslegung der Willenserklärungen als Verzicht auf das zustehende Recht auslegen<br />

154, <strong>und</strong> bei anderen Fallgestaltungen drängt sich der Eindruck auf, als ginge<br />

es hier um die Verkürzung der teilweise als zu lang empf<strong>und</strong>enen Verjährungsfristen<br />

des BGB durch richterliche Rechtsfortbildung 155. Freilich ist nicht zu übersehen,<br />

daß auch in neueren Monographien der Anwendungsbereich der Verwirkung<br />

im Zivil- <strong>und</strong> öffentlichen Recht mit entgegengesetzterTendenz extensiv interpre-<br />

151 BGH, NStZ 1990, S. 399; vgl. dazu Scheffler, wistra 1990, S. 321.<br />

152 BGHZ 25, S. 47 (53); OLG Saarbrücken, NJW-RR 1989, S. 558 (559); LG München,<br />

NJW-RR 1989, S. 852; J. Schmidt in Staudinger 12 , § 242 Rn. 492; 494; Heinrichs<br />

in Palandt 49 , § 242 Anm. 5 d bb; Teichmann in Soergel '1 , § 242 Rn. 319; unklar BSG,<br />

NJW 1969, S. 767 (768).<br />

153 Einzelheiten bei J. Schmidt in Staudinger l2 , § 242 Rn. 494; Heinrichs in Palandt 49 ,<br />

§ 242 Anm. 5 d bb; Mezger, Gr<strong>und</strong>fragen der Verwirkung, S. 61 ff.<br />

154 Ähnlich Wieling, AcP 176 (1976), S. 334 ff.; 187 (1987), S. 100. Vgl. dazu auch<br />

Roth in MünchKomm 2 , § 242 Rn. 293; Teichmann in Soergel", § 242 kn. 312; 333; JA<br />

1985, S. 500.<br />

155 Vgl. Teubner, AK BGB, § 242 Rn. 34; Enneccerus / Nipperdey, Allgemeiner<br />

Teil/2'" § 228 IV 1. Siehe dazu auch Teichmann in Soergel", § 242 Rn. 334.<br />

tiert wird 156. Für das Strafrecht dürfte jedenfalls äußerste Zurückhaltung geboten<br />

sein.<br />

B. Zum Freispruch infolge Strafautbebungsgr<strong>und</strong>es<br />

Aber selbst bei Außerachtlassung der Frage, ob denn die Figur der Verwirkung<br />

des Strafanspruchs bzw. der Strafverfolgungsbefugnis überhaupt anerkannt werden<br />

kann, hat sich ihre Übertragung auf <strong>überlange</strong> Verfahrensdauer somit als<br />

fast nur theoretisches Problem erwiesen: Wie Hanack betont, ist die Möglichkeit<br />

der Enttäuschung berechtigten Vertrauens "im Strafprozeß bislang noch kaum<br />

bedacht" 157 - eben weil solche Fälle theoretische Konstrukte sind. Auch die<br />

andere denkbare Variante - Verzögerung zwecks Verurteilung - ist bisher<br />

nicht bekanntgeworden.<br />

Um zur Rechtsfolge des Freispruchs zu gelangen, wäre ein zweites Problem,<br />

das bisher weniger im Mittelpunkt der Diskussion stand, zu bewältigen: Es wird<br />

meistens, insbesondere <strong>von</strong> der Rechtsprechung, als selbstverständlich da<strong>von</strong><br />

ausgegangen, daß die Verwirkung des staatlichen Strafanspruchs zu einem Verfahrenshindernis<br />

mit der Folge der Einstellung zu führen hätte. Nun hat schon<br />

Bruns völlig zu Recht darauf hingewiesen, daß hierdurch verdunkelt würde, daß<br />

es sich hierbei um mehr als eine selbständige rechtliche Konstruktion handelt 158.<br />

Soweit bisher - <strong>und</strong> im Gegensatz zu der hier vertretenen Auffassung ­<br />

<strong>von</strong> der Verwirkung - einem im Zivilrecht unbestritten materiellrechtlichen<br />

Institut - des staatlichen Strafanspruchs <strong>und</strong> nicht der -verfolgungsbefugnis<br />

ausgegangen wird, erscheint die Annahme einer Prozeßentscheidung fragwürdig<br />

159: Bei Verwirkung des Strafanspruchs, also der materiellen Strafbefugnis,<br />

müßte in Anlehnung an das Zivilrecht der Freispruch die richtige Rechtsfolge<br />

sein, weil im Zivilrecht durch die Verwirkung eines Anspruchs auch nicht etwa<br />

das Verfahren als solches unzulässig wird, sondern die zulässige Klage lediglich<br />

abgewiesen wird, weil der materielle Anspruch nicht prozessual durchsetzbar<br />

ist 160. <strong>Die</strong>s ist nur gelegentlich angedeutet worden: So fragte etwa Lüderssen,<br />

ob es sich bei dem Begriff der Verwirkung des staatlichen Strafanspruchs "um<br />

ein materiell-rechtliches Argument" handele 161. Auf der gleichen Linie liegt auch<br />

die Äußerung <strong>von</strong> Heribert Schumann, daß, machte man mit dem Begriff der<br />

156 Vgl. DeUe, Venire contra factum proprium nulli conceditur, insbes. S. 58 ff.;<br />

Menzel, Gr<strong>und</strong>fragen der Verwirkung, insbes. S. 53 ff.<br />

157 Hanack, JZ 1971, S. 715.<br />

158 Bruns, StV 1984, S. 391; ähnlich Katzorke, Verwirkung, S. 125.<br />

159 So auch Sieg, StV 1981, S. 636; siehe auch Volk, Prozeßvoraussetzungen, S. 228;<br />

StV 1986, S. 37. Vgl. auch Grethlein, Problematik des Verschlechterungsverbotes, S. 29<br />

Fn. 26 f.<br />

160 Vgl. Katzorke, Verwirkung, S. 125.<br />

161 Lüderssen, Jura 1985, S. 12<strong>3.</strong>


152 4. Kap.: Freispruch wegen Verwirkung des Strafanspruchs B. Zum Freispruch infolge Strafaufhebungsgr<strong>und</strong>es 153<br />

Verwirkung des staatlichen Strafanspruchs einmal ernst, materiellrechtliche Folgen<br />

erwogen werden müßten 162. Drywa nimmt dies als selbstverständlich an 16<strong>3.</strong><br />

<strong>Die</strong> Annahme materiellrechtlicher Folgen der Verwirkung hätte erhebliche<br />

Konsequenzen auch für das <strong>Strafverfahren</strong>: Anders als bei der Feststellung <strong>von</strong><br />

Prozeßvoraussetzungen wäre dann das Freibeweisverfahren nicht zulässig 164 mit<br />

der Folge, daß mit Hilfe <strong>von</strong> Beweisanträgen die Verteidigung die Frage der<br />

Verwirkung wegen § 244 III-VI StPO viel umfangreicher (<strong>und</strong> erfolgversprechender)<br />

zum Gegenstand der Hauptverhandlung machen könnte 165. Andererseits wäre<br />

ab Eröffnung des Hauptverfahrens das Verfahren nicht ohne Hauptverhandlung<br />

zu beenden 166.<br />

Heribert Schumann weist in diesem Zusammenhang auf den 5. Senat des BGH<br />

hin, der, wohl im Anschluß an Sieg l67 , bezüglich der V-Mann-Problematik in<br />

einem obiter dictum die Annahme eines Strafausschließungsgr<strong>und</strong>es erwogen<br />

hatte 168. <strong>Die</strong>se "rechtstheoretisch eigenwillige Lösung" 169 des 5. Strafsenats spielte<br />

zunächst in der theoretischen <strong>und</strong> praktischen Diskussion keine große Rolle 170,<br />

so daß allenfalls im Hinblick aufExtremfälle für sie plädiert wurde 171. Neuerdings<br />

greifen jedoch Imme <strong>und</strong> Claus Roxin die These, es sei ein materiellrechtlicher<br />

Strafausschließungsgr<strong>und</strong> anzunehmen, wieder auf l72 •<br />

Bezogen auf die <strong>überlange</strong> Verfahrensdauer läge ein Umstand vor, der erst<br />

nach der Tat eingetreten sein kann, so daß insoweit nicht <strong>von</strong> einem Strafausschließungs-,<br />

sondern <strong>von</strong> einem Strafaufhebungsgr<strong>und</strong> zu reden wäre 173, der<br />

nach herrschender Meinung rückwirkend wieder die bereits begründete Strafbarkeit<br />

beseitigt 174. <strong>Die</strong>s deckte sich auch mit der - allerdings inzwischen überwun-<br />

162 H. Schumann, JZ 1986, S. 69.<br />

163 Drywa, <strong>Die</strong> materiellrechtlichen Probleme des V-Mann-Einsatzes, S. 32.<br />

164 Drywa, <strong>Die</strong> materiellrechtlichen Probleme des V-Mann-Einsatzes, S.32; Sieg,<br />

StV 1981, S. 636; MDR 1987, S. 368; Geppert, JK 1985, StPO § 260 III/ 1; E. Peters,<br />

Der sogenannte Freibeweis im Zivilprozeß, S. 45 f. Vgl. aber auch C. Roxin, <strong>Strafverfahren</strong>srecht21,<br />

§ 21 C; Volk, Prozeßvoraussetzungen, S. 73 ff.; Herrmann, ZStW 95 (1983),<br />

S.128.<br />

165 A. A. Mache, <strong>Die</strong> Zulässigkeit des Einsatzes <strong>von</strong> agents provocateurs, S. 200.<br />

166 A. A. LG Nürnberg, NStZ 1983, S. 136; siehe dazu Krey, <strong>Strafverfahren</strong>srecht<br />

II, Rn. 116 f. m. w.N.<br />

167 Sieg, StV 1981, S. 636; 638; vgl. auch Seelmann, ZStW 95 (1983), S. 830; unklar<br />

Mache, <strong>Die</strong> Zulässigkeit des Einsatzes <strong>von</strong> agents provocateurs, S. 201.<br />

168 BGH, StV 1984, S. 58 (59).<br />

169 Geppert, JK 1985, StPO § 136a/2.<br />

170 Bruns, StV 1984, S. 392; Schünemann, StV 1985, S. 429.<br />

171 Vgl. K. Meyer, NStZ 1985, S. 135; Teske, JA 1986, S. 109.<br />

l72 I. Roxin, Rechtsfolgen, S. 233 ff.; C. Roxin, <strong>Strafverfahren</strong>srecht21 , § 21 B 1II 4.<br />

173 Katzorke, Verwirkung, S. 197. <strong>Die</strong>s übersieht I. Roxin, Rechfsfolgen, S. 246, die<br />

die Annahme eines Strafausschließungsgr<strong>und</strong>es nur mit der Begründung ablehnt, daß<br />

die Verfahrensüberlänge nicht bereits bei Tatbegehung vorliegen kann, ohne ein Wort<br />

zur Frage des Strafaufhebungsgr<strong>und</strong>es zu verlieren.<br />

denen - Diskussion um die Rechtsnatur der Verjährung. <strong>Die</strong> Autoren, die der<br />

Verjährung (ausschließlich) materiellrechtlichen Charakter zugesprochen hatten,<br />

betrachteten sie als Strafaufhebungsgr<strong>und</strong> 175, soweit sie zu dieser Frage überhaupt<br />

Stellung nahmen 176.<br />

Zwar hatte der 5. Strafsenat sich zur materiellen Gr<strong>und</strong>lage seiner Konstruktion<br />

nicht geäußert; jedoch ist er so verstanden worden, daß die Verwirkung des<br />

staatlichen Strafanspruchs dem Strafausschließungsgr<strong>und</strong> zugr<strong>und</strong>e läge 177. Folge<br />

einer solchen Konstruktion wäre der Freispruch. <strong>Die</strong>s hat Arzt schon für seine<br />

Auffassung der Verwirkung des staatlichen Strafanspruchs bei schweren Verstößen<br />

gegen § 136a StPO gefolgert 178, Hillenkamp hat einen Freispruch bei <strong>überlange</strong>r<br />

Verfahrensdauer konstruktiv für möglich gehalten 179 <strong>und</strong> Volk allgemein für<br />

rechtsstaatswidriges Verhalten staatlicher Organe angenommen 180. Das LG Verden<br />

hat einen unzulässigen V-Mann-Einsatz zwar als Verfahrenshindernis angesehen,<br />

den Angeklagten aber daraufhin freigesprochen 181.<br />

Nun wird ein Freispruch, wie Volk bemerkt 182, als inadäquat empf<strong>und</strong>en 18<strong>3.</strong><br />

Hierdurch sei impliziert, man habe "den ,Fall' anhand der Maßstäbe des materiel-<br />

174 H. J. Hirsch in LKIO, vor § 32 Rn. 213, lehnt die Unterscheidung zwischen Strafausschließungs-<br />

<strong>und</strong> -aufhebungsgr<strong>und</strong> ab.<br />

175 Lazarus, <strong>Die</strong> sog. Schuld-, Strafausschließungs- <strong>und</strong> Strafaufhebungsgründe im<br />

Strafprozeß, S. 46 f.; v. Liszt / Schmidt, Lehrbuch des Strafrechts F6, § 72 I; Beling,<br />

Gr<strong>und</strong>züge des Strafrechts", § 34; vgl. auch Rob. v. Hippel, Deutsches Strafrecht II,<br />

§ 40 VI; Jescheck, Lehrbuch des Strafrechts4, § 86 I 1; Volk, Prozeßvoraussetzungen,<br />

S. 226; Frank, StGB'8, § 66 Anm. II; Baumann / Weber, Strafrecht AT", § 30 III; Welzel,<br />

Das Deutsche Strafrechti], § 34 IV I b; Rudolphi in SK StGB, vor § 78 Rn. 10;<br />

Bockelmann, Niederschriften 2, S.330; K. Schäfer, Niederschriften 2, S.334; a.A.<br />

Lorenz, <strong>Die</strong> Verjährung im Strafrechte, S. 28 f.; 53; <strong>Die</strong> Regelung der Verjährung im<br />

Entwurf des Allgemeinen Teils eines Strafgesetzbuches, S. 8 m. w.N. (unklar aber in:<br />

<strong>Die</strong> Verjährung in der deutschen Strafgesetzgebung, S.56); Bloy, <strong>Die</strong> dogmatische<br />

Bedeutung der Strafausschließungs- <strong>und</strong> Strafaufhebungsgründe, S. 247.<br />

176 Dazu Bloy, <strong>Die</strong> dogmatische Bedeutung der Strafausschließungs- <strong>und</strong> Strafaufhebungsgründe,<br />

S. 200, der auch hinsichtlich der hierzu schweigenden Autoren annimmt,<br />

sie würden diese Auffassung teilen. So wohl auch Bockelmann, Niederschriften 2, S. 329.<br />

Unklar Bemmann, JuS 1965, S. 338.<br />

177 BGHSt 32, S. 345 (352 f.); Rieß in LR24, § 206a Rn. 57a; H. Schumann, JZ 1986,<br />

S. 69; Geppert, JK 1985, StPO § 136a/2; wohl auch LG Berlin, StV 1984, S. 457 (460).<br />

A. A. bezüglich ihrer Lösung aber I. Roxin, Rechtsfolgen, S. 208 ff. Vgl. auch Bruns,<br />

StV 1984, S. 392: Verwirkung <strong>und</strong> materieller Strafausschließungsgr<strong>und</strong> haben sachlich<br />

überhaupt nichts miteinander zu tun; ähnlich wohl J. Meyer, ZStW 95 (1983), S. 85<strong>3.</strong><br />

178 Arzt, FS K. Peters, S. 232 f.<br />

179 Hillenkamp, JR 1975, S. 137.<br />

180 Volk, StV 1986, S. 37; vgl. auch Neumann, ZStW 101 (1989), S. 93 f.<br />

181 LG Verden, StV 1982, S. 364 (365).<br />

182 Volk, StV 1986, S. 37.<br />

183 Vgl. Geppert, JK 1985, StPO § 136a/2: "Ich muß bekennen, daß ich so gesehen<br />

bei staatlich mit-provozierter Kriminalität dem provozierten Täter weniger gern einen<br />

Freispruch attestieren würde <strong>und</strong> folglich eher zur Lösung der Einstellung tendiere".<br />

Ähnlich Drywa, <strong>Die</strong> materiellrechtlichen Probleme des V-Mann-Einsatzes, S. 79; Katzorke,<br />

Verwirkung, S. 147.


154 4. Kap.: Freispruch wegen Verwirkung des Strafanspruchs<br />

len Rechts geprüft" 184. Es gehört also wohl nicht viel Prophetie zu der Annahme,<br />

daß dann, wenn die <strong>von</strong> Geppert noch vermißte abschließende Klärung der<br />

dogmatischen Grenzziehung zwischen Verfahrenshindernis einerseits <strong>und</strong> Strafausschließungsgr<strong>und</strong><br />

(bzw. -aufhebungsgr<strong>und</strong>) andererseits 185 bezüglich der Verwirkung<br />

des staatlichen Strafanspruchs zugunsten des materiellrechtlichen Instituts<br />

ausfiele, zwei Alternativen bestünden: Entweder würde - ähnlich wie häufig<br />

hinsichtlich der Verfolgungsverjährung 186 - der Verwirkung eine Doppelnatur<br />

zugesprochen wird mit der Folge des Prozeßurteils - oder aber das Schicksal<br />

der Figur der Strafanspruchsverwirkung wäre endgültig besiegelt. Ein Freispruch<br />

dürfte jedenfalls kaum zugestanden werden.<br />

Noch ungünstiger sehen die Möglichkeiten, über das Institut der Verwirkung<br />

einen Freispruch herzuleiten, dann aus, wenn man die "Redewendung <strong>von</strong> der<br />

Verwirkung des staatlichen Strafanspruchs"187, wie hier für richtig gehalten, im<br />

Sinne der Verwirkung der Strafverfolgungsbefugnis versteht: Es entfiele nicht<br />

die Strafbarkeit, sondern die Verfolgbarkeit 188. Darf der bestehende "Strafanspruch"<br />

aber lediglich nicht verfolgt werden, kann die korrekte Rechtsfolge nur<br />

Verfahrenseinstellung lauten 189. <strong>Die</strong>ses Ergebnis ergibt sich auch dann, wenn<br />

man es anhand anderer Abgrenzungsversuche überprüft: Stellt man mit Hilde<br />

Kaufmann die "Testfrage", ob beim Nichtmitdenken des Strafprozesses die Bestrafung<br />

<strong>von</strong> dem in seiner Rechtsnatur fraglichen Umstand abhängen würde 190,<br />

so wäre dies bei der Verwirkung der Strafverfolgungsbefugnis wohl zweifelsfrei<br />

zu verneinen, so daß Freispruch ausscheiden würde. Nichts anderes gilt vom<br />

Ergebnis her, fragte man mit Gallas, ob die Verwirkung der Strafverfolgungsbefugnis<br />

den Schutz des Gr<strong>und</strong>satzes "nulla poena sine lege" verdiene 191, stellte<br />

man mit Schmidhäuser auf den unmittelbaren Zusammenhang mit dem Tatgeschehen<br />

ab 192 oder machte man mit Stratenwerth die Grenzziehung vom Maß<br />

der Rechtsordnungswidrigkeit abhängig 19<strong>3.</strong><br />

184 Volk, Prozeßvoraussetzungen, S. 230. Vgl. dazu H. Kaufmann, Strafanspruch -<br />

Strafklagrecht, S. 114 ff.; 122.<br />

185 Geppert, JK 1985, StPO § 136a/2.<br />

186 Siehe unten, 7. Kap. B I 1.<br />

187 Katzorke, Verwirkung, S. 14<strong>3.</strong><br />

188 Katzorke, Verwirkung, S. 149. Vgl. auch schon Hillenkamp, JR 1975, S. 139.<br />

189 Vgl. Gallas, Niederschriften 5, S. 104; Schmidhäuser, ZStW 71 (1959), S. 550;<br />

Stratenwerth, ZStW 71 (1959), S. 57<strong>3.</strong><br />

190 H. Kaufmann, Strafanspruch - Strafklagrecht, S. 134. Vgl. dazu Volk, Prozeßvoraussetzungen,<br />

S. 11 ff., mit "ungewöhnlich scharfer Kritik" (Herrmann, ZStW 95<br />

, S. 126); Zielinski, GS H. Kaufmann, S. 876 f.; Bloy, <strong>Die</strong> dogmatische Bedeutung<br />

der Strafausschließungs- <strong>und</strong> Strafaufhebungsgründe, S. 24 ff.<br />

191 Gallas, Niederschriften 5, S. 104.<br />

192 Schmidhäuser, ZStW 71 (1959), S. 553; 558.<br />

193 Stratenwerth, ZStW 71 (1959), S. 57<strong>3.</strong><br />

Fünftes Kapitel<br />

Einstellung wegen Verletzung <strong>von</strong> Verfahrensrecht<br />

A. Überlange Verfahrensdauer als Verfahrenshindernis<br />

Ob damit aber schon die Verwirkung der Strafverfolgungsbefugnis als ein<br />

Verfahrenshindernis aufzufassen sein könnte, ist zurückhaltend zu beurteilen.<br />

Nach der herkömmlichen, auch <strong>von</strong> der Rechtsprechung vertretenen Ansicht ist<br />

für eine Prozeßvoraussetzung (also ein Verfahrenshindernis) bestimmend, daß<br />

es sich um einen Umstand handelt, der nach dem ausdrücklich erklärten oder<br />

aus dem Zusammenhang ersichtlichen Willen des Gesetzes für das <strong>Strafverfahren</strong><br />

so schwer wiegt, daß <strong>von</strong> seinem Vorhandensein oder Nichtvorhandensein die<br />

Zulässigkeit des Verfahrens im ganzen (oder in ganzen Verfahrensabschnitten)<br />

abhängig gemacht werden muß, <strong>und</strong> zwar nicht nur im Interesse des Beschuldigten,<br />

sondern auch im öffentlichen Interesse. Der Umstand muß so beschaffen<br />

sein, daß er an eine bestimmte rechtserhebliche Tatsache angeknüpft werden<br />

kann <strong>und</strong> nicht <strong>von</strong> wertender Betrachtung abhängig ist I.<br />

<strong>Die</strong>se Beschreibung hat freilich nur eine geringe Aussagekraft2. Volk hat<br />

demgegenüber im Anschluß an Rimmelspacher 3 versucht, Prozeßvoraussetzungen<br />

als typisierte Voraussetzungen der Sicherung des Rechtsfriedens zu verstehen,<br />

so daß bei ihrem Fehlen <strong>von</strong> Rechts wegen kein Anlaß zur Bewährung der<br />

Strafrechtsordnung bestünde 4 . Nun hat Volk selbst schon den Einwand späterer<br />

Kritiker vorweggenommen5, daß auch sein Ansatz keine eindeutige Abgrenzung<br />

der Prozeßhindernisse <strong>von</strong> anderen Rechtsinstituten ermöglicht6.<br />

1 BGHSt 15, S. 287 (290); 24, S. 239 (240); 26, S. 84 (90 f.); 33, S. 183 (186); K.<br />

Schäfer in LR24, Einl. Kap. ll, Rn. 7; 9.<br />

2 Volk, Prozeßvoraussetzungen, S. 214 f.; Rieß in LR24, § 206a Rn. 25; JR 1985,<br />

S. 46 f.; Alberts, <strong>Die</strong> Feststellung doppelt relevanter Tatsachen in der strafprozessualen<br />

Revisionsinstanz, S. 122 ff.<br />

3 Rimmelspacher, Zur Prüfung <strong>von</strong> Amts wegen im Zivilprozeß, insbes. S. 134 ff.<br />

4 V~lk, Prozeßvoraussetzungen, S. 204 ff.; vgl. auch Sax in KMR, Einl. IX vor Rn. I;<br />

C. Roxm, <strong>Strafverfahren</strong>srecht 21 , § 21 A; Schlüchter, Das <strong>Strafverfahren</strong>2, Rn. 367; Herr­<br />

?1 ann , ZStW 95 (1983), S. 129 f.; Alberts, <strong>Die</strong> Feststellung doppelt relevanter Tatsachen<br />

m der strafprozessualen Revisionsinstanz, S. 126 f.<br />

5 Volk, Prozeßvoraussetzungen, S. 205.<br />

6 Vgl. Zielinski, GS H. Kaufmann, S. 877 f.; M.-K. Meyer, Zur Rechtsnatur <strong>und</strong><br />

Funktion des Strafantrags, S. 36; RieB, JR 1985, S. 47.


156 5. Kap.: Einstellung wegen Verletzung <strong>von</strong> Verfahrensrecht A. Überlange Verfahrensdauer als Verfahrenshindemis 157<br />

Da nun sowohl Volk 7 als auch etwa Karl SchäferS, auf dessen Ausführungen<br />

Bruns9 zufolge die einschlägige Rechtsprechung des BGH zum Begriff der Prozeßvoraussezungen<br />

basiert, ausdrücklich die Annahme eines Verfahrenshindernisses<br />

bei <strong>überlange</strong>r Verfahrensdauer folgend aus dem Verwirkungsgedanken<br />

verworfen haben, mag die Frage zunächst zurückgestellt werden, ob die Einstellung,<br />

erkennt man die Verwirkbarkeit der Strafverfolgungsbefugnis in Randbereichen<br />

<strong>überlange</strong>r Verfahrensdauer an, mit einem Verfahrenshindernis zu begründen<br />

sei. Zuvor ist ein detaillierterer Blick auf die Diskussion vor allem in der<br />

Rechtsprechung zu werfen, der für weitergehende Klärung sorgen kann.<br />

I. Verfahrensdauer <strong>und</strong> Verjährung<br />

Nachdem die Erörterung der Möglichkeit einer Einstellung <strong>von</strong> <strong>Strafverfahren</strong><br />

gemäß §§ 170 11, 206a, 260 III, 354 I StPO wegen <strong>überlange</strong>r Verfahrensdauer<br />

1966 mit einem Revisionsverfahren vor dem 1. Strafsenat des BGH begonnen<br />

hatte 10, wurde 1970 erstmals ein Prozeßhindernis der <strong>überlange</strong>n Verfahrensdauer<br />

durch das LG Frankfurt dann auch tatsächlich bejaht 11. Das Gericht untersuchte,<br />

ob die für die Verfolgung benötigte Zeit in einem angemessenen Verhältnis zur<br />

Bedeutung des Verfahrensgegenstandes <strong>und</strong> dem Maß der Schuld des Beschuldigten<br />

gestanden habe, ob unter Berücksichtigung dieser Umstände seine Strafverfolgung<br />

noch geboten sei <strong>und</strong> ob in Anbetracht der verflossenen Zeit noch Aussicht<br />

auf zuverlässige <strong>und</strong> vollständige Wahrheitsermittlung bestehe. Hierbei berücksichtigte<br />

es vor allem, welche Strafe der Beschuldigte im Falle seiner Verurteilung<br />

zu erwarten hätte, <strong>und</strong> zwar sowohl nach dem abstrakten gesetzlichen Strafrahmen<br />

als auch nach den besonderen objektiven wie subjektiven Gegebenheiten des<br />

Einzelfalles. Zu beachten seien schließlich auch der Umfang der Sache <strong>und</strong> der<br />

Schwierigkeitsgrad der Ermittlungen 12.<br />

Damit hat das LG Frankfurt vor allem jene Aspekte hervorgehoben, die auch<br />

bei der Verfolgungsverjährung eine Rolle spielen 1<strong>3.</strong> <strong>Die</strong>s hat auch das LG Frankfurt<br />

erkannt, das vor dem Problem stand, daß gemäß § 78c III StGB i. d. F. des<br />

2. StrRG, das zwar schon verkündet, aber noch nicht in Kraft getreten war,<br />

Verfolgungsverjährung eingetreten wäre. Da das Verjährungsrecht auch im Hinblick<br />

auf die EMRK geändert wurde 14, war der Schluß des LG Frankfurt, eine<br />

7 Volk, Prozeßvoraussetzungen, S. 228 f.<br />

8 K. Schäfer in LR24, Einl. Kap. 12 Rn. 91.<br />

9 Bruns, NStZ 1985, S. 565.<br />

10 BGHSt 21, S. 81.<br />

11 LG Frankfurt, JZ 1971, S. 234.<br />

12 LG Frankfurt, JZ 1971, S. 234 (236).<br />

13 Hanack, JZ 1971, S. 712; zustimmend Heubel, Der "fair trial", S. 121.<br />

14 Vgl. OLG Kar1sruhe, NStZ 1972, S. 1907 (1909); LG Aachen, JZ 1971, S. 507<br />

(521); LG Krefeld, JZ 1971, S. 733 (734); Vogler, ZStW 89 (1977), S. 782.<br />

so lange <strong>Dauer</strong> könne generell nicht mehr als vereinbar mit Art. 6 I EMRK<br />

angesehen werden, ohne weiteres vertretbar. Wie richtig - jedenfalls intuitiv<br />

- das LG Frankfurt hier vorging, zeigt folgendes: Im Rahmen der geprüften<br />

sachbezogenen Umstände formulierte das Gericht nur "recht zurückhaltend" 15<br />

<strong>und</strong> "sehr vage" 16, wie erstaunt angemerkt wurde, daß der Umstand, ob das<br />

Ermittlungsverfahren "zielstrebig <strong>und</strong> energisch oder verzögerlich behandelt"<br />

worden sei, "ebenfalls nicht ohne Bedeutung bleiben" könne 17. Denn dieser<br />

Aspekt spielt für die Verjährung keine Rolle.<br />

Ähnliches gilt auch hinsichtlich des - völlig unbeachteten - Einstellungsbeschlusses<br />

des 5. Strafsenats des BGH <strong>von</strong> 1974. Hier hinterfragte der BGH nicht,<br />

ob oder inwieweit die Strafverfolgungsbehörden das Verfahren verzögert hatten,<br />

sondern betonte, daß schon weit über das Doppelte der Verjährungsfrist bis zum<br />

erstinstanzlichen Urteil verstrichen war - also nach dem noch nicht in Kraft<br />

getretenen neuen § 78c III StGB längst Verjährung eingetreten wäre IS.<br />

Der 2. Strafsenat des BGH <strong>und</strong> das OLG Koblenz kritisierten am Urteil des<br />

LG Frankfurt, mit der Heranziehung des künftigen Rechts zur Ausgestaltung<br />

<strong>und</strong> Konkretisierung <strong>von</strong> Art. 6 I EMRK würde gegen den erklärten Willen des<br />

Gesetzgebers noch nicht geltendes Recht angewendet 19. <strong>Die</strong>ser formellen Betrachtung<br />

ist jedoch entgegenzuhalten, daß zur Interpretation <strong>von</strong> Vorschriften<br />

wie zur Ausfüllung einer Gesetzeslücke es sogar geboten ist, eine ohnehin schon<br />

verabschiedete Gesetzesregelung heranzuziehen 20. Folglich dürfte die Verfahrenseinstellung<br />

sowohl durch das LG Frankfurt 21 als auch durch den 5. Senat<br />

des BGH in den konkreten Fällen richtig gewesen sein, <strong>und</strong> zwar unabhängig<br />

<strong>von</strong> der Frage, ob diese Rechtsfolge aus Art. 6 I EMRK folgen kann. Umgekehrt<br />

sind damit insoweit auch der Contergan-Beschluß des LG Aachen, ein Urteil<br />

des OLG Karlsruhe sowie die Entscheidung des LG Krefeld kurze Zeit später<br />

konsequent, die trotz vieljähriger Verfahrensdauer unter Hinweis auf den zukünftigen<br />

§ 78c III StGB ein Verfahrenshindernis verneinten, weil noch nicht die<br />

doppelte Verjährungsfrist erreicht war (vgl. § 78c 111 StGB)22 bzw. weil ein<br />

erstinstanzliches Urteil den Ablauf der Verjährungsfrist verhinderte (vgl. § 78b<br />

III StGB)2<strong>3.</strong> Auch die genannte Entscheidung des 2. Senats 24 erscheint vertretbar,<br />

15 Hanack, JZ 1971, S. 712.<br />

16 Volk, Prozeßvoraussetzungen, S. 229 Fn. 228.<br />

17 LG Frankfurt, JZ 1971, S. 234 (236).<br />

IS BGH, Beschl. v. 2.7.1974 - 5 StR 48/74 (Anhang 3).<br />

19 BGHSt 24, S. 239 (243); OLG Koblenz, NJW 1972, S. 404 (405).<br />

20 So auch Hanack, JZ 1971, S.712 Fn. 81; Kramer, Menschenrechtskonvention,<br />

S.191f.<br />

21 So auch ausdrücklich Kramer, Menschenrechtskonvention, S. 191 f.; wohl auch<br />

Hanack, JZ 1971, S. 712.<br />

22 OLG Karlsruhe, NJW 1972, S. 1907 (1909); LG Aachen, JZ 1971, S. 507 (521).<br />

23 LG Krefeld, JZ 1971, S. 733 (734).<br />

24 BGHSt 24, S. 239.


158 5. Kap.: Einstellung wegen Verletzung <strong>von</strong> Verfahrensrecht A. Überlange Verfahrensdauer als Verfahrenshindernis 159<br />

weil, wie der Dreierausschuß im Verfassungsbeschwerdeverfahren betonte, die<br />

doppelte Verjährungsfrist nur geringfügig überschritten war 25 .<br />

Allerdings enthält das Verjährungsrecht in diesem Bereich eine Lücke 26 , die<br />

äußerst bedenklich im Hinblick auf Art. 6 I EMRK ist 27 : Gemäß § 78b III StGB<br />

kann Verfolgungsverjährung nicht mehr nach Erlaß des erstinstanzlichen Urteils<br />

eintreten. <strong>Die</strong> Vollstreckungsverjährung nach § 79 StGB beginnt jedoch erst mit<br />

Rechtskraft des Urteils (§ 79 VI StGB).<br />

Hanack hat nun vorgeschlagen, diese Lücke im Wege des Erst-recht-Schlusses<br />

zu schließen 28: Ihm zufolge müsse es, wenn selbst bei rechtskräftiger Verurteilung<br />

die Strafvollstreckung ausgeschlossen sei, auch verboten sein, den Beschuldigten,<br />

dessen Verfahren nach der ersten Verurteilung die Vollstreckungsverjährungsfrist<br />

erreicht, noch mit der Vollstreckung zu bedrohen. Angesichts der Unschuldsvermutung<br />

könne der Verzicht auf die Vollstreckung nur in der Einstellung des<br />

Verfahrens bestehen. Als Ersatz für die verhängte Strafe gemäß § 79 StGB schlägt<br />

Hanack bei Geltung des Verbots der reformatio in peius den Strafausspruch des<br />

erstinstanzlichen Urteils vor, ansonsten den Rechtsmittelantrag der Staatsanwaltschaft.<br />

Letzteres wäre allerdings in der Praxis kaum realisierbar: <strong>Die</strong> Staatsanwaltschaft<br />

wird bei Rechtsmitteln zu Lasten des Beschuldigten regelmäßig in Berufungen<br />

beantragen, diesen (zu einer angemessenen Strafe) zu verurteilen 29 bzw. in<br />

Revisionen beantragen, die Sache zurückzuverweisen 30.<br />

Ob man eine solche Lückenschließung für prinzipiell zulässig erachtet, hängt<br />

letztlich da<strong>von</strong> ab, wie man bei Kollision <strong>von</strong> nationalem Strafrecht <strong>und</strong> EMRK<br />

deren Rangverhältnis versteht: Da der Gesetzgeber das Problem gesehen hat 3 !,<br />

würde dessen Absicht unterlaufen werden 32. Im Gegenteil ist in neueren Gesetzgebungsverfahren<br />

sogar diskutiert worden, § 78b III StGB schon an den Erlaß des<br />

Eröffnungsbeschlusses <strong>und</strong> nicht erst an das erstinstanzliche Urteil anzuknüpfen<br />

3<strong>3.</strong> So dürfte wohl selbst dann, wenn man der weitgehenden Entscheidung<br />

des BVerfG im 74. Band der amtlichen Sammlung folgt 3 4, da<strong>von</strong> ausgegangen<br />

werden können, daß die §§ 78 ff. StGB abschließend auch in Ansehung <strong>von</strong><br />

Art. 6 I EMRK sind. Aus der Menschenrechtskonvention könnte sich jedoch<br />

zumindest eine Verpflichtung des Gesetzgebers ergeben, § 78b III StGB abzuschaffen<br />

oder jedenfalls abzuändern 35.<br />

Möglicherweise wäre die <strong>von</strong> Hanack diskutierte Lücke jedoch - was hier<br />

nicht abschließend erörtert zu werden braucht - durch eine vorsichtige Analogie<br />

zu Normen des nationalen Rechts wenigstens teilweise zu schließen: Gemäß<br />

§§ 36,46 BZRG werden Verurteilungen zu Strafe (mit Ausnahme der lebenslangen<br />

Freiheitsstrafe) auf Gr<strong>und</strong>lage eines zeitlich gestaffelten Katalogs aus dem<br />

Zentralregister getilgt, der auf den "Tag des ersten Urteils" abhebt 36 . Es erscheint<br />

nun widersprüchlich, wenn einerseits eine Tat bei Erledigung u. U. schon nach<br />

fünf Jahren einem Verwertungsverbot (§ 51 I BZRG) unterliegt, andererseits<br />

aber das <strong>Strafverfahren</strong> zeitlich unbegrenzt weiter fortlaufen dürfen so1l37.<br />

Weitere, mehr theoretische Bedenken dürften auch im Bereich <strong>von</strong> § 78 11<br />

<strong>und</strong> IV StGB bestehen: <strong>Die</strong> "Balance ,lebenslange Strafe -lebenslange Verfolgung'''38<br />

ist vor allem für die Beihilfe zum (Völker-)Mord - Strafrahmen: 3<br />

bis 15 Jahre Freiheitsstrafe - vom Gesetzgeber im 16. StrÄndG nicht eingehalten<br />

worden 39; sie wird auch <strong>von</strong> der vom BGH zugelassenen Strafrahmensenkung<br />

gemäß § 49 I Nr. 1 StGB40 <strong>und</strong> der gemilderten Höchststrafe im Jugendstrafrecht<br />

(§ § 18 I Satz 2, 105 III JGG) 41 berührt. Selbst die nunmehr gesetzlich zugelassene<br />

Aussetzung des Strafrests zur Bewährung bei lebenslanger Freiheitsstrafe (§§ 57a,<br />

57b StGB) - man vergleiche die oben erwähnte Rechtsprechung zurProportionalität<br />

<strong>von</strong> Untersuchungshaft <strong>und</strong> vollstreckter Freiheitsstrafe 42 - verstärkt die<br />

Bedenken. Es dürfte also - jedenfalls theoretisch - so lang andauernde, wenngleich<br />

unverzögerte Mordprozesse geben können, daß Art. 6 I EMRK verletzt<br />

sein würde.<br />

25 BVerfG (Vorprüfungsausschuß), Besch!. v. 21.6.1972 - 2 BvR 146/72 (Anhang<br />

1). Gleiches gilt auch für BGH, Urt. v. 31.<strong>3.</strong>1976 - 3 StR 502/75 (Anhang 6).<br />

26 Dreher / Tröndle, StGB44, § 78 Rn. 11; Hanack, JZ 1971, S. 714; ähnlich Kohlmann,<br />

FS Pfeiffer, S. 219 ff.<br />

27 Hanack, JZ 1971, S. 71<strong>3.</strong><br />

28 Hanack, JZ 1971, S. 714.<br />

29 Vg!. etwa Kunigk, <strong>Die</strong> staatsanwaltschaftliehe Tätigkeit', S. 271 f.; D. Rahn, Mustertexte<br />

zum Strafprozeß4, S. 198.<br />

30 Vg!. etwa Kunigk, <strong>Die</strong> staatsanwaltschaftliehe Tätigkeit" S. 277; 280; D. Rahn,<br />

Mustertexte zum Strafprozeß4, S. 220; 214; Amelunxen, <strong>Die</strong> Revision der Staatsanwaltschaft,<br />

S. 42 f.<br />

31 Siehe Begr. E 1962, BT-DrS IV /650, S. 359; 2. Schrift!. Bericht des Sonderausschusses<br />

für die Strafrechtsreform, BT-DrS V/4095, S. 44.<br />

32 Jähnke in LKlO, vor § 78 Rn. 18; K. Schäfer in LR24, Ein!. Kap. 12 Rn. 92.<br />

33 Vg!. Begr. BRatE StrÄndG, BT-DrS 10/272, S. 6.<br />

34 BVerfGE 74, S. 358 (370); siehe dazu oben, <strong>3.</strong> Kap. B V.<br />

35 Vg!. Kohlmann, FS Pfeiffer, S. 22<strong>3.</strong><br />

36 Interessanterweise wurde auf Vorschlag <strong>von</strong> Lorenz (<strong>Die</strong> Verjährung in der deutschen<br />

Strafgesetzgebung, S. 66 ff.) in den Gesetzgebungsarbeiten zum E 1962 (vg!. Begr.<br />

RegE 1962, BT-DrS 7/551, S. 257) diskutiert - <strong>und</strong> abgelehnt -, die Tilgung der<br />

(registerrechtlichen) Strafwirkungen in einer dritten Verjährungsart, der Straffolgenverjährung,<br />

zu regeln.<br />

37 Vg!. J. Blau, DuR 1989, S. 252 f.<br />

38 LG Hamburg, NStZ 1981, S. 141 (142).<br />

39 LG Hamburg, NStZ 1981, S. 141; Triffterer, NJW 1980, S. 2049 ff.; vg!. auch<br />

Schünemann, NStZ 1981, S. 143 f.; OLG Frankfurt, NJW 1988, S. 2900.<br />

40 Ständige Rechtsprechung seit BGHSt 30, S. 105; siehe auch unten, 7. Kap.<br />

eIl 2 b.<br />

41 Vg!. J. Blau, DuR 1989, S. 252 f.<br />

42 Siehe oben, <strong>3.</strong> Kap. B III 2.


160 5. Kap.: Einstellung wegen Verletzung <strong>von</strong> Verfahrensrecht A. Überlange Verfahrensdauer als Verfahrenshindernis 161<br />

11. Verfahrensbelastungen <strong>und</strong> Verhandlungsunfähigkeit<br />

Weiterhin hielt es das LG Frankfurt in der genannten Entscheidung für möglich,<br />

ein <strong>Strafverfahren</strong> einzustellen, wenn die "personengeb<strong>und</strong>ene Prüfung" ergäbe,<br />

daß "der konkrete Angeklagte durch die lange <strong>Dauer</strong> eines Verfahrens so sehr<br />

betroffen <strong>und</strong> beeinträchtigt worden ist, daß dessen Fortsetzung ihm nicht mehr<br />

zugemutet werden kann. Dabei sind insbesondere ges<strong>und</strong>heitliche <strong>und</strong> wirtschaftliche<br />

Folgen eines langen Verfahrens zu berücksichtigen, aber auch das Maß der<br />

seelischen Bedrückung, der Angst <strong>und</strong> der Unruhe, mit denen ein Angeklagter<br />

seinem Verfahren entgegengesehen hat."43 Hier ändert das Gericht seinen Blickwinkel<br />

<strong>von</strong> der Proportionalität hin zur Zumutbarkeit. <strong>Die</strong>se Auffassung des LG<br />

Frankfurt ist schon bald auf heftigen Widerspruch gestoßen. Vor allem Hanack 44<br />

hat die Heranziehung dieser personenbezogenen Umstände "schlagend kritisiert"45.<br />

Es handele sich hierbei um höchst individuelle Faktoren, die sich kaum<br />

<strong>von</strong> unschädlichen Belastungen objektiv abgrenzen ließen. Eine Differenzierung<br />

entsprechend den ges<strong>und</strong>heitlichen <strong>und</strong> wirtschaftlichen Folgen hätte zur Folge,<br />

daß beim sehr geschädigten oder sehr empfindlichen Beschuldigten ein Verstoß<br />

gegen das Beschleunigungsprinzip konsequenterweise u. U. schon bei bloß "normaler"<br />

Länge mit der Folge der Verfahrenseinstellung zu bejahen wäre. Nichtsdestotrotz<br />

hat das BVerfG 1983 in einem Nichtannahmebeschluß ausgeführt, bei<br />

der Rechtsfolgenentscheidung sei das "Ausmaß der mit dem Andauern des schwebenden<br />

Verfahrens verb<strong>und</strong>enen Belastung des Beschuldigten in den Blick zu<br />

nehmen". Bei "besonderen Belastungen" könne ein Verfahrenshindemis anzuerkennen<br />

sein 46. Der BGH ist dagegen der Möglichkeit, psychische <strong>und</strong> körperliche<br />

Belastungen könnten ein Verfahrenshindernis darstellen, ausdrücklich entgegengetreten<br />

47.<br />

Dem BGH dürfte deshalb zuzustimmen sein, weil Verfahrensbelastungen, die<br />

individuell wirken, in einem anderen, zur Einstellung führenden Rechtsinstitut<br />

geregelt sind: dem Prozeßhindernis der Verhandlungsunfähigkeit 48 , das auch<br />

bedingt durch die <strong>Dauer</strong> eines <strong>Strafverfahren</strong>s eintreten kann 49 . Verhandlungsfähigkeit<br />

bedeutet, daß der Beschuldigte in der Lage sein muß, physisch <strong>und</strong><br />

psychisch den Verfahrenshandlungen zu folgen, die Bedeutung aller Umstände<br />

für den ihm gemachten Vorwurf zu erkennen, sich selbst im Verfahren zu äußern,<br />

seine Verfahrensbefugnisse auszuüben <strong>und</strong> seine Verfahrenspflichten zu erfüllen.<br />

43 LG Frankfurt, JZ 1971, S. 234 (236). Vgl. auch LG Aachen, JZ 1971, S. 507 (521).<br />

44 Hanack, JZ 1971, S. 711 ff.; ähnlich BGHSt 24, S.239 (241 f.); LG Krefeld, JZ<br />

1971, S.733 (735); 1. Roxin, Rechtsfolgen, S. 167; Heubel, Der "fair trial", S. 120;<br />

zustimmend aber Kramer, Menschenrechtskonvention, S. 178 ff.<br />

45 So Volk, ProzeBvoraussetzungen, S. 229 Fn. 228.<br />

46 BVerfG (VorprüfungsausschuB), NJW 1984, S. 967.<br />

47 BGHSt 24, S. 239 (241); vgl. auch BGHSt 27, S. 274 (276).<br />

48 So zutreffend 1. Roxin, Rechtsfolgen, S. 167.<br />

49 Vgl. Grünwald, JZ 1976, S. 767; Grauhan, GA 1976, S. 227.<br />

Er muß fähig sein, seine Interessen vernünftig zu vertreten, seine Rechte zu<br />

wahren <strong>und</strong> seine Verteidigung in verständlicher Weise zu führen 50. Verhandlungsunfähigkeit<br />

ist prinzipiell- trotz des Begriffs "Verhandlung"51- in jedem<br />

Verfahrensstadium denkbar52.<br />

Demzufolge hätte etwa das LG Mönchengladbach, das nach Mitteilung des<br />

Revisionsgerichts 53 eine Verletzung des Anspruchs auf ein faires Verfahren annahm,<br />

weil der "durch die Verfahrensdauer bedingte Leidensdruck ... bei dem<br />

Angeklagten zu einer zu großen psychischen Belastung geführt" habe, dies nicht<br />

(erst) auf der Rechtsfolgenseite zu berücksichtigen brauchen, sondern es hätte<br />

die Verfahrenseinstellung wegen Verhandlungsunfähigkeit prüfen können. Gleiches<br />

gilt auch für die Auffassung Kramers, (nur) "psychische ges<strong>und</strong>heitliche<br />

Schädigungen <strong>und</strong> psychische Belastungen <strong>von</strong> Krankheitswert" könnten bei der<br />

Würdigung der Verfahrensdauer relevant werden 54.<br />

Sollte in praxi dieser extreme Fall der Wahrscheinlichkeit schwerwiegender<br />

ges<strong>und</strong>heitlicher Schädigung bei weiterer Verfahrensdauer eintreten, wäre an<br />

sich Folge die vorläufige Einstellung des <strong>Strafverfahren</strong>s gemäß § 205 StPO, so<br />

daß nach Erholung des Beschuldigten weiterverhandelt, bei ausgesetzter Hauptverhandlung<br />

sogar <strong>von</strong> vom begonnen werden müßte. <strong>Die</strong>s ist jedoch nur dann<br />

zulässig, wenn nunmehr mit einer kürzeren oder jedenfalls weniger belastenden<br />

(Haupt-)Verhandlung gerechnet werden kann: <strong>Die</strong> Frage der Verhandlungsfähigkeit<br />

kann nicht isoliert auf den Verhandlungsbeginn bezogen werden, in dem<br />

eine sachgerechte Interessenwahrnehmung noch möglich sein mag. Vielmehr ist<br />

Bezug auf die mutmaßliche <strong>Dauer</strong> der Verhandlung zu nehmen, um eine sachgerechte<br />

Beantwortung der Frage der Verhandlungsfähigkeit insgesamt zu gewährleisten.<br />

Besteht eine hohe Wahrscheinlichkeit dafür, daß schwere ges<strong>und</strong>heitliche<br />

Komplikationen aufgr<strong>und</strong> der verhandlungsbedingten Belastungen sich einstellen<br />

werden, so muß die Verhandlungsfähigkeit verneint werden55.<br />

Ob in diesem Zusammenhang Fälle denkbar sind, in denen das Gericht gemäß<br />

§§ 231a I, 230 II StPO die Hauptverhandlung ohne den verhandlungsunfähigen<br />

Beschuldigten (weiter) durchführen kann56, erscheint fraglich. Rein theoretisch<br />

50 Siehe statt vieler RieB in LR24, § 205 Rn. 14 m. w. N.<br />

51 Vgl. Baxhenrich, <strong>Die</strong> Verhandlungsfähigkeit des Angeklagten, S. 106.<br />

52 Vgl. RieB in LR24, § 205 Rn. 15 ff.; He. Müller in KMR, § 170 Rn. 10; Gössel,<br />

~trafverfahrensrecht, § 16 BIll b; Häfele, <strong>Die</strong> Verhandlungsfähigkeit des Beschuldigten<br />

1m Strafprozeß, S. 117 ff.; Warda, FS Bruns, S. 433 f.<br />

53 BGHSt 27, S. 274.<br />

54 Kramer, Menschenrechtskonvention, S. 182. Nicht zustimmungswürdig seine weiteren<br />

Ausführungen, es sei "selbstverständlich" Sache des Beschuldigten, "die entsprechenden<br />

U~tersu~hun~en aus eigenem Antrieb vornehmen zu lassen <strong>und</strong> die entsprechend~n<br />

Zeugmsse belzubnngen, so daß <strong>von</strong> daher keine weitere Verzögerung des Verfahrens<br />

emtreten kann". Vgl. E. Peters, Der sogenannte Freibeweis im ZivilprozeB, S. 39.<br />

55 OLG Karlsruhe, NJW 1978, S. 601 (602); zustimmend RieB in LR24, § 205 Rn. 16;<br />

vgl. auch BVerfGE 51, S. 324 (346 ff.).<br />

56 Vgl. dazu ausführlich Rieß, JZ 1975, S. 268 ff.<br />

11 Scheffler


162 5. Kap.: Einstellung wegen Verletzung <strong>von</strong> Verfahrensrecht A. Überlange Verfahrensdauer als Verfahrenshindernis 163<br />

ließe sich konstruieren, daß der Beschuldigte das Verfahren ausschließlich deshalb<br />

in die Länge zieht, um durch die Belastungen verhandlungsunfähig zu<br />

werden. So hervorgerufene Verhandlungsunfähigkeit ist jedoch praktisch kaum<br />

vorstellbar, eine solche Intention überdies kaum beweisbar 57.<br />

Jedenfalls ist die Möglichkeit, daß Verfahrensbelastungen zur Verhandlungsunfähigkeit<br />

<strong>und</strong> damit zur Einstellung führen können, aufExtremfälle beschränkt,<br />

Fälle, in denen eine psychische oder physische Prädisposition hinzukommen<br />

dürfte. Durch die Verfahrensdauer hervorgerufene Verfahrensbelastungen an sich<br />

bleiben also unberührt.<br />

III. Verfahrensverzögerungen<br />

<strong>und</strong> Verfahrenshindernis praeter legern<br />

Nicht auf Verfahrensdauer oder Verfahrensbelastungen, sondern auf Verfahrensverzögerungen<br />

stellte kurze Zeit nach dem Urteil des LG Frankfurt das LG<br />

Krefeld ab: Art. 6 I EMRK würde verletzt sein mit der möglichen Folge der<br />

Verfahrenseinstellung, wenn die tatsächliche Verfahrensdauer, gemessen an der<br />

notwendigen <strong>Dauer</strong>, unangemessen lang wäre 58. Mit dieser Entscheidung verschob<br />

sich jedenfalls prinzipiell der Blick weg <strong>von</strong> Proportionalität <strong>und</strong> Zumutbarkeit<br />

hin zum Gesichtspunkt der Erforderlichkeit, also zu der Frage, ob Verfahrensverzögerungen<br />

der staatlichen Organe verfahrensbeendende Wirkung haben<br />

könnten. Das LG Krefeld lehnte im konkreten Fall die Einstellung ab, weil die<br />

Verzögerungen noch nicht unangemessen gewesen seien, was, wie Kramer formulierte,<br />

"im Rahmen der Gesamtwürdigung noch gebilligt werden" könne 59.<br />

Dagegen lagen dem OLG Koblenz <strong>und</strong> dem OLG Karlsruhe kurze Zeit später<br />

Sachverhalte mit <strong>von</strong> den Gerichten als so ausgeprägt angesehenen Verzögerungen<br />

vor, daß an sich die Einstellung bei Zugr<strong>und</strong>elegung der Kriterien des LG<br />

Krefeld nahegelegen hätte 60. Beiden Gerichten war dieses Ergebnis offenbar<br />

unerwünscht, so daß sie restriktiv nunmehr "unerträgliche" Verzögerungen forderten<br />

- so das OLG Koblenz - bzw. die Verfahrensförderung durch den<br />

Beschuldigten verlangten - so das OLG Karlsruhe.<br />

Soweit ersichtlich, ist also ein <strong>Strafverfahren</strong> vor Bekanntwerden der Gr<strong>und</strong>satzentscheidung<br />

des 2. Senats des BGR <strong>von</strong> 1971 61 , in der dieser sich gr<strong>und</strong>sätzlich<br />

gegen die Möglichkeit der Einstellung aussprach, in keinem Fall <strong>von</strong> einem<br />

57 Siehe dazu unten, 7. Kap. C III 1 a.<br />

58 LG Krefeld, JZ 1971, S. 733 (735).<br />

59 Kramer, Menschenrechtskonvention, S. 199.<br />

60 OLG Koblenz, NJW 1972, S.404; OLG Karlsruhe, NJW 1972, S. 1907. Siehe<br />

auch oben, 1. Kap. All.<br />

61 BGHSt 24, S. 239.<br />

Gericht wegen eines Verfahrenshindernisses aufgr<strong>und</strong> <strong>von</strong> Verzögerungen eingestellt<br />

worden: Beim LG Frankfurt ging es nicht um Verzögerungen, die anderen<br />

Gerichte lehnten die Einstellung jedenfalls für den konkreten Fall ab.<br />

1. Menschenrechtskonvention <strong>und</strong> Einstellung<br />

<strong>Die</strong> Zurückhaltung der Gerichte erscheint verständlich. Formell betrachtet ist<br />

zunächst einmal festzustellen, daß aus der EMRK als Rechtsfolge die Verfahrenseinstellung<br />

nicht hergeleitet werden kann. Das folgt zunächst daraus, daß Art. 6<br />

EMRK im Gegensatz zu Art. 5 EMRK selbst keine Rechtsfolgen vorschreibt.<br />

Da die Rechtsfolge Verfahrenshindernis gegenüber dem Schadensersatzanspruch<br />

gemäß Art. 5 V EMRK eine ungleich schwerere Sanktion wäre, kann auch nicht<br />

da<strong>von</strong> ausgegangen werden, daß die EMRK ein Verfahrenshindernis konkludent<br />

enthält 62. Statt dessen ergibt sich aus Art. 50 EMRK als Rechtsfolge "gerechte<br />

Entschädigung", falls die innerstaatlichen Gesetze "nur eine unvollkommene<br />

Wiedergutmachung" gestatten.<br />

Nicht zugestimmt werden kann der Ansicht, die EMRK habe sich mit Art. 13<br />

für ein Beschwerderecht als Rechtsfolge entschieden 63 mit der Folge, daß hierdurch<br />

jedenfalls der Revisionsinstanz geboten werde, wirksame Abhilfe, nämlich<br />

Einstellung, zu leisten 64. Auch dies ergibt sich aus Art. 50 EMRK, der gerade<br />

da<strong>von</strong> ausgeht, daß die nationalen Instanzen Verletzungen nicht immer vollständig<br />

ausgleichen können 65 •<br />

Der EGMR hat sich hierzu noch nicht geäußert 66 , die EKMR hat - jedenfalls<br />

ohne ganz außergewöhnliche Umstände - eine Verfahrenseinstellung als <strong>von</strong><br />

der EMRK gebotene Folge ausgeschlossen 67 • Allerdings haben die europäischen<br />

Organe umgekehrt die Eignung der Einstellung zur Wiedergutmachung i. S. v.<br />

Art. 50 EMRK anerkannt 68. Darauf, daß auch der österreichische OGR die Ableitung<br />

eines prozessualen Verfolgungshindernisses bei <strong>überlange</strong>r Verfahrensdauer<br />

aus Art. 6 I EMRK abgelehnt hat 69 , ist insbesondere wegen der Ähnlichkeit des<br />

österreichischen <strong>Strafverfahren</strong>srechts hinzuweisen 70.<br />

62 BGHSt 21, S.81 (84); 24, S.239 (240); Hanack, JZ 1971, S.708; Schroeder,<br />

Strafprozeßrecht 2 , S. 3; Kramer, Menschenrechtskonvention, S. 184; K. Kühl, ZStW 100<br />

(1988), S. 642; Vogler, ZStW 89 (1977), S. 783; Hillenkamp, JR 1975, S. 137 Fn. 59.<br />

63 So aber OLG Karlsruhe, NJW 1972, S. 1907 (1908); Schwenk, ZStW 79 (1967),<br />

S. 731 ff.<br />

64 Schwenk, ZStW 79 (1967), S. 731 ff.<br />

65 So auch Hanack, JZ 1971, S. 708 f.; 1. Roxin, Rechtsfolgen, S. 157 f.<br />

66 Unzutreffend das LG Düsseldorf, NStZ 1988, S. 427 (428), siehe unten B I 1.<br />

67 EKMR, DR 25 (1982), S. 142 (144).<br />

68 EGMR, EuGRZ 1983, S. 371 (378 f.; 382) (Fall Eckle); EKMR, DR 33 (1983),<br />

S. 5; ebenso Vogler, ZStW 89 (1977), S. 784.<br />

69 OGH, ÖJZ 1984, S. 544.<br />

11*


164 5. Kap.: Einstellung wegen Verletzung <strong>von</strong> Verfahrensrecht B. Schwerwiegende Rechtsstaatswidrigkeit als Verfolgungsverbot 165<br />

2. Strafprozeßordnung <strong>und</strong> Einstellung<br />

Auch bei materieller Betrachtung ist nochmals daran zu erinnern71, daß bei<br />

der Frage, ob der Gr<strong>und</strong>satz der Erforderlichkeit durch Verzögerungen verletzt<br />

ist, nicht auf jede Verfahrensverzögerung abgestellt werden kann 72. Hierdurch<br />

kommt nun aber die Notwendigkeit richterlicher Wertung bei der Beurteilung<br />

<strong>von</strong> Verzögerungen ins Spiel 73 .<br />

Daraus hat der 2. Senat des BGH in seiner Gr<strong>und</strong>satzentscheidung 74, wie oben<br />

schon erwähnt75, gefolgert, daß das Mittel des Verfahrenshindernisses seiner<br />

Natur nach gänzlich ungeeignet sei, auf <strong>überlange</strong> Verfahrensdauer zu reagieren.<br />

Es könne immer nur dort eingreifen, wo in sinnvoller Weise an eine bestimmte,<br />

für das Verfahren im ganzen uneingeschränkt rechtserhebliche Tatsache angeknüpft<br />

werden könne, wie es etwa beim Ablauf einer Frist der Fall sei. Eine<br />

Vernachlässigung des Beschleunigungsgebots sei jedoch für sich keine Tatsache,<br />

welche in diesem Sinne der Eigenart des Prozeßhindernisses gemäß sein könnte.<br />

Es käme nicht auf die Verfahrensverzögerung schlechthin, sondern nur auf die<br />

Unangemessenheit der Verzögerung an, also auf ein Werturteil. Der 2. Senat<br />

knüpft hier also an die gängige Beschreibung des Verfahrenshindernisses durch<br />

die Rechtsprechung <strong>und</strong> die herrschende Meinung in der Literatur an.<br />

Nun mag die Notwendigkeit des Werturteils, mit den Kritikern des BGH<br />

gesprochen, kein durchschlagender Gegeneinwand sein, weil dies den BGH<br />

zunächst auch nicht gehindert hatte, in der Lockspitzelproblematik ein Verfahrenshindernis<br />

für möglich zu erachten 76, <strong>und</strong> ein Werturteil auch etwa bei den<br />

Prozeßhindernissen der Verhandlungsunfähigkeit 77 oder entgegenstehenden<br />

Rechtskraft 78 <strong>von</strong>nöten sein kann. Hinter der Argumentation des 2. Senats, die<br />

der I. Senat übrigens in seiner gr<strong>und</strong>legenden Lockspitzelentscheidung zur Ablehnung<br />

eines Verfahrenshindernisses wiederholte 79, steckt aber gleichwohl für<br />

Volk eine zutreffende Einsicht 80 : Zwar sollten Prozeßvoraussetzungen klare, einfache<br />

Konturen aufweisen 81 . Daß diese im Einzelfall umfangreiche Wertungen<br />

voraussetzen können, sei unschädlich, solange ein bestimmter Gesichtspunkt zu<br />

ermitteln ist <strong>und</strong> dieser nicht mit anderen abgewogen werden muß82. Ist aber für<br />

den BGH in vielen Entscheidungen im Anschluß an den 2. Senat "die Abwägung<br />

zahlreicher person- oder sachbezogener Umstände wie Schwere der Tat, Schwierigkeit<br />

der Ermittlung, Empfindlichkeit des Betroffenen" mit den Verzögerungen<br />

erforderlich 83, so heißt das, daß Verzögerungen allenfalls im Rahmen einer Gesamtwürdigung<br />

Bedeutung gewinnen können. <strong>Die</strong> Annahme eines Verfahrenshindernisses<br />

scheidet also auch für Volk insoweit aus, weil man "Beweislagen<br />

würdigen <strong>und</strong> die Motive <strong>von</strong> Prozeßbeteiligten erforschen muß"84.<br />

B. Schwerwiegende Rechtsstaatswidrigkeit als Verfolgungsverbot<br />

I. Der Meinungswandel zum Verfolgungsverbot<br />

Folgt man diesem Gedanken, käme eine Verfahrenseinstellung überhaupt nur<br />

dann in Betracht, wenn die Verzögerungen ein solches Gewicht hätten, daß keine<br />

Abwägung mehr erforderlich wäre, weil schon im Hinblick auf diesen einzelnen<br />

Gesichtspunkt nur ein Ergebnis noch "ermessensfehlerfrei" in Frage kommt 85.<br />

<strong>Die</strong>s dürfte am ehesten auf Gr<strong>und</strong>lage derjenigen BGH-Entscheidungen anzunehmen<br />

sein, die nicht auf eine Gesamtwürdigung, sondern auf einen Vergleich <strong>von</strong><br />

notwendiger <strong>und</strong> tatsächlicher Verfahrensdauer abheben 86.<br />

<strong>Die</strong>ser Aspekt, der schon in den Entscheidungen der OLGe Koblenz <strong>und</strong><br />

Karlsruhe angeklungen ist 87 , wurde, wenn auch ohne theoretisches F<strong>und</strong>ament,<br />

in den siebziger Jahren schon <strong>von</strong> Bruns <strong>und</strong> Kramer angedeutet88. Auch die<br />

EKMR hatte Anfang der achtziger Jahre für den Fall "ganz außergewöhnlicher<br />

Umstände" die Möglichkeit eines Verfahrenshindernisses offen gelassen 89 .<br />

70 Vg!. C. Roxin, <strong>Strafverfahren</strong>srecht l9 , § 75 C.<br />

71 Siehe oben, <strong>3.</strong> Kap. B II.<br />

72 Vg!. BayObLG, StV 1989, S.394; OLG Saarbrücken, NJW 1975, S. 941 (942);<br />

LG Köln, NStZ 1989, S. 442 (443); Hanack, JZ 1971, S. 711; I. Roxin, Rechtsfolgen,<br />

S.247.<br />

73 Siehe dazu I. Roxin, Rechtsfolgen, S. 166.<br />

74 BGHSt 24, S. 239 (240).<br />

75 1. Kap. B III.<br />

76 Uisenheimer, wistra 1983, S. 13; RieB, JR 1985, S.46; Schünemann, StV 1985,<br />

S.427.<br />

77 RieB, JR 1985, S. 47.<br />

78 Volk, StV 1986, S. 36; H. Schumann, JZ 1986, S. 72.<br />

79 BGHSt 32, S. 345 (351 f.).<br />

80 Volk, ProzeBvoraussetzungen, S. 215.<br />

81 Volk, ProzeBvoraussetzungen, S. 215.<br />

82 Volk, StV 1986, S. 36. Vg!. auch I. Roxin, Rechtsfolgen, S. 258 f.; K. Schäfer in<br />

LR24, Ein!. Kap. 11 Rn. 9.<br />

83 BGHSt 24, S. 239 (240).<br />

84 Volk, StV 1986, S. 36.<br />

85 Vg!. Bmns, StV 1984, S. 391; Paulus in KMR, § 206a Rn. 36.<br />

86 Siehe oben, <strong>3.</strong> Kap. A II.<br />

87 OLG Koblenz, NJW 1972, S. 404; OLG Karlsmhe, NJW 1972, S. 1907; siehe dazu<br />

oben, I. Kap. A I I.<br />

88 Bmns, FS Maurach, S. 472; Kramer, Menschenrechtskonvention, S. 198; siehe dazu<br />

oben, 1. Kap. A II 2.<br />

89 EKMR, DR 25 (1982), S. 142 (144).


166 5. Kap.: Einstenung wegen Verletzung <strong>von</strong> Verfahrensrecht B. Schwerwiegende Rechtsstaatswidrigkeit als Verfolgungsverbot 167<br />

1. "Ein" Vorprüfungsausschuß des B<strong>und</strong>esverfassungsgerichts<br />

1983 führte dann auch ein Vorprüfungsausschuß des BVerfG aus, in Fällen,<br />

in denen das Ausmaß der Verfahrensverzögerungen besonders schwer wiege,<br />

könne <strong>von</strong> Verfassungs wegen ein Verfahrenshindernis unmittelbar aus dem<br />

Rechtsstaatsgebot abzuleiten sein 90. In der Begründung freilich kann diese Entscheidung<br />

nur wenig befriedigen: Das BVerfG ist über die strafprozessuale<br />

Diskussion relativ kursorisch hinweggegangen 91 , <strong>und</strong> Kunig dürfte zuzustimmen<br />

sein, daß auch die verfassungsrechtliche Argumentation nicht stringent ist 92 ;<br />

freilich kann es auch nicht Aufgabe des Dreierausschusses sein, "fein ausgeformte<br />

Verfassungsdogmatik zu bieten"9<strong>3.</strong> Schließlich fragte Hillenkamp nicht zu Unrecht,<br />

wie "platonisch" denn der Extremfall zu verstehen sei, wenn er nicht<br />

einmal in dem der Verfassungsbeschwerde zugr<strong>und</strong>eliegenden Geschehen ­<br />

über 12 Jahre Verfahrensdauer, sieben Jahre lang keine nennenswerte Verfahrensförderung<br />

- gegeben sein soll 94.<br />

Unter Berufung auf diese Entscheidung nahm dann das LG Düsseldorf in<br />

einem langjährig verzögerten <strong>Strafverfahren</strong> ein Prozeßhindernis an95. Einem<br />

Pressebericht zufolge ist nach Einlegung einer Beschwerde bei der Europäischen<br />

Menschenrechtskommission nach wenigen Hauptverhandlungstagen das Verfahren<br />

"mit den fast wörtlich übernommenen Ausführungen des Verteidigers an die<br />

Straßburger Kommission" eingestellt worden 96. Nun kann allerdings diese Entscheidung<br />

der XII. Kammer des LG Düsseldorf, die eigentlich die Sache wohl<br />

überhaupt nicht verhandeln wollte 97 , in ihrer Bezugnahme nicht vollauf befriedigen.<br />

So führte das Gericht unzutreffend aus, der EGMR habe "schon immer die<br />

Möglichkeit bejaht, aus Art. 6 I MRK ein Recht auf Verfahrenseinstellung abzuleiten"98.<br />

<strong>Die</strong> Entscheidungen des EGMR, auch die vom Gericht angeführten<br />

Nachweise 99 , geben hierfür jedoch nichts her. Auch die Bezugnahme auf eine<br />

90 Siehe oben, 1. Kap. A I <strong>3.</strong><br />

91 RieB, JR 1985, S. 46; ähnlich in LR24, § 206a Rn. 56.<br />

92 Kunig, Das Rechtsstaatsprinzip, S. 452 f.; ablehnend auch Wolter in SK StPO, vor<br />

§ 151 Rn. 210.<br />

93 Schmidt-ABmann, DVBI. 1981, S. 335 f. Unter diesem Vorbehalt sonte auch die<br />

Nutzbarmachung der Kriterien des Vorprüfungsausschusses durch Horn, GS H. Kaufmann,<br />

S. 553 f. (vgl. auch in SK StGB, § 56f Rn. 37) stehen. Vgl. auch Geiger, EuGRZ<br />

1990, S. 173 f., sowie Zuck, NJW 1990, S.2450, zur Entscheidungsbegründung der<br />

Dreierausschüsse.<br />

94 Hillenkamp, NJW 1989, S. 2843; ähnlich S. 2845. A. A. NiebIer, FS Kleinknecht,<br />

S.312.<br />

95 LG Düsseldorf, NStZ 1988, S. 427.<br />

96 Elendt, Stern 50/1988 vom 8.12.1988, S. 130; 134.<br />

97 Papier, NJW 1990, S.8; vgl. Elendt, Stern 50/1988 vom 8.12.1988, S. 134;<br />

Schmalz, JuraTelegramm 1990, S. 31 f.<br />

98 LG Düsseldorf, NStZ 1988, S. 427 (428).<br />

99 EGMR, EuGRZ 1978, S. 406 (Fall König); 1983, S. 371 (Fan Eckle); S. 462 (Fall<br />

Zimmermann <strong>und</strong> Steiner).<br />

Entscheidung des 5. Senats des BGH ist nicht unzweifelhaft: Führt der 5. Senat<br />

aus, er halte an seiner Rechtsprechung, daß <strong>überlange</strong> Verfahrensdauer kein<br />

Verfahrenshindernis begründen würde, trotz des Beschlusses des Vorprüfungsausschusses<br />

"jedenfalls für die Fälle" fest, in denen der Tatrichter dem Zeitablauf<br />

bei der Strafzumessung (i. w. S.) in angemessener Weise Rechnung tragen könne<br />

100, so ist in dieser Formulierung wohl nicht der Beginn eines Abrückens <strong>von</strong><br />

der bisherigen Rechtsprechung zu sehen, wie es aber das LG Düsseldorf meint 101.<br />

Gerade der 5. Strafsenat verfolgt in seiner Rechtsprechung auch sonst häufig<br />

besonders nachdrücklich die Linie, seine Entscheidungen einzelfallorientiert auf<br />

das Entscheidungserhebliche zu reduzieren 102.<br />

Ähnlich problematisch stellt sich eine Entscheidung des Ehrengerichtshofes<br />

für Rechtsanwälte in Baden-Württemberg dar, der 1986 ein Verfahren kurzweg<br />

mit der Begründung einstellte, daß die durch Umfang <strong>und</strong> Schwierigkeit des<br />

Falles nicht gerechtfertigte Überschreitung der Frist des Art. 6 I EMRK ein<br />

Verfahrenshindernis darstelle 10<strong>3.</strong> Ulsamer ist zuzustimmen, daß der EGH, der<br />

die Rechtsprechung des BGH <strong>und</strong> die Entscheidung des Vorprüfungsausschusses<br />

nicht erwähnt, sich, wie die Diktion vermuten läßt, der Rechtsproblematik kaum<br />

bewußt gewesen sein dürfte 104. Zudem ist für die Anwendbarkeit <strong>von</strong> Art. 6 I<br />

EMRK im Disziplinarverfahren ein weiteres, vom EGH ebenfalls nicht erörtertes<br />

Hindernis zu überwinden: Es wird gr<strong>und</strong>sätzlich da<strong>von</strong> ausgegangen, daß<br />

Art. 6 I EMRK auf Berufsgerichtsverfahren nicht anwendbar ist 105. Entsprechend<br />

hat auch das BVerwG in Fällen <strong>überlange</strong>r Verfahrensdauer die Anwendbarkeit<br />

<strong>von</strong> Art. 6 I EMRK im Disziplinarverfahren gegen Beamte verneint lO6 , wenngleich<br />

es eine entsprechende Anwendung nicht ausgeschlossen hat 107. Allerdings<br />

hat - im Gegensatz zu seiner älteren Rechtsprechung - der EGMR seit einigen<br />

Jahren den Begriff des Strafrechts i. S. d. Art. 6 I EMRK teleologisch interpretiert<br />

<strong>und</strong> seine Anwendung auf Disziplinarverfahren für möglich 108 <strong>und</strong> im (deutschen)<br />

Ordnungswidrigkeitsverfahren für nötig 109 gehalten. Zwar ist danach die Anwendbarkeit<br />

<strong>von</strong> Art. 6 I EMRK auf das Ehrengerichtsverfahren gegen Rechtsanwälte<br />

zumindest vertretbar; Ausführungen hierzu hätten jedoch vom EGH bei f<strong>und</strong>ierter<br />

Entscheidungsbegründung erwartet werden können.<br />

100 BGH bei Pfeiffer / Miebach, NStZ 1987, S. 19.<br />

101 LG Düsseldorf, NStZ 1988, S.427 (428); ähnlich Kühne, Strafprozeßlehre3,<br />

Rn. 128.1 Fn. 19.<br />

102 Ähnlich Becker, StV 1985, S. 399.<br />

103 EGH Baden-Württemberg, StV 1986, S. 377.<br />

104 Ulsamer, FS Zeidler, S. 1805.<br />

105 Vogler in IntKomm, Art. 6 Rn. 231; vgl. auch BGH, NJW 1971, S. 1041 (bezüglich<br />

Art. 6 II EMRK).<br />

106 BVerwGE 46, S. 122 (123); NJW 1983, S. 531 f.<br />

107 BVerwGE 46, S. 122 (123).<br />

108 EGMR, EuGRZ 1976, S. 221 (232 f.) (Fan Engel u. a.); 1985, S. 534 (538 f.) (Fan<br />

Campbel1 <strong>und</strong> Fen); vgl. auch den österreichischen VfGH, EuGRZ 1988, S. 173 (174 f.).<br />

109 EGMR, EuGRZ 1985, S. 62 (67) (Fan Öztürk).


168 5. Kap.: Einstellung wegen Verletzung <strong>von</strong> Verfahrensrecht B. Schwerwiegende Rechtsstaatswidrigkeit als Verfolgungsverbot 169<br />

2. Der <strong>3.</strong> Strafsenat des B<strong>und</strong>esgerichtshofs<br />

Sieht man <strong>von</strong> der völlig unbeachtet gebliebenen Entscheidung des 5. Senats<br />

ab 110, stellte Ende 1987 dann erstmals der BGH, <strong>und</strong> zwar der <strong>3.</strong> Strafsenat, ein<br />

Verfahren wegen <strong>überlange</strong>r Verfahrensdauer aufgr<strong>und</strong> <strong>von</strong> Verfahrensverzögerungen<br />

ohne Angabe einer Rechtsgr<strong>und</strong>lage ein 111. Der <strong>3.</strong> Senat wollte unter<br />

allen Umständen die Zurückverweisung mit wiederum mehrjähriger Verfahrensdauer<br />

vermeiden. Den Weg über § 354 I StPO wollte er nicht gehen, weil er<br />

weitere Feststellungen für möglich hielt; eine Einstellung gemäß § 153 StPO<br />

scheiterte an der fehlenden Zustimmung der Staatsanwaltschaft. Genauso freimütig<br />

wie dogmatisch unhaltbar umgeht der Senat dann die an sich nach § 354 11<br />

StPO gebotene Zurückverweisung, indem er das vermutliche Ergebnis einer<br />

neuen Hauptverhandlung prüft <strong>und</strong> das Resultat dieser Prognose zum Gr<strong>und</strong><br />

dafür macht, die Sache doch nicht zurückzuverweisen.<br />

Des weiteren hat der <strong>3.</strong> Strafsenat sich ausdrücklich gegen die Entscheidung<br />

des Vorprüfungsausschusses des BVerfG gewandt <strong>und</strong> sich ebenso nachdrücklich<br />

zu der ständigen Rechtsprechung des BGH zum Nichtvorliegen eines Verfahrenshindernisses<br />

bekannt. Er spricht dann aber da<strong>von</strong>, daß angesichts der verfahrens<strong>und</strong><br />

materiellrechtlichen Besonderheiten des Falles als rechtsstaatlich gebotene<br />

Folgerung aus dem irreparablen Verstoß gegen das Beschleunigungsgebot nur<br />

der gerichtlich anzuordnende Abbruch des Verfahrens, die Annahme eines Zurückverweisungsverbots<br />

möglich sei. <strong>Die</strong>se "Erfindung" 112 des <strong>3.</strong> Senats decke<br />

sich "nicht notwendig" mit der Annahme eines allgemeinen Verfahrenshindernisses<br />

der <strong>überlange</strong>n Verfahrensdauer - eine Formulierung, <strong>von</strong> der Krey vermutet,<br />

sie sei gewählt worden, um einer Vorlage nach § 136 I GVG auszuweichen I 1<strong>3.</strong><br />

In einer späteren Entscheidung schob der <strong>3.</strong> Senat als Begründung nach, hier<br />

habe kein Verfahrenshindernis vorgelegen, sondern es seien Umstände <strong>von</strong> "das<br />

Strafbedürfnis aufhebender Bedeutung" gegeben gewesen 114.<br />

Jedenfalls läßt der <strong>3.</strong> Senat sich unter extensiver Interpretation seiner revisionsrechtlichen<br />

Befugnisse ausschließlich vom Ergebnis leiten <strong>und</strong> versucht den<br />

Widerspruch zwischen Einstellung einerseits <strong>und</strong> Beibehaltung der ständigen<br />

Rechtsprechung des BGH sowie Ablehnung der Entscheidung des Vorprüfungsausschusses<br />

des BVerfG andererseits hinter einem Schleier nebulöser Worte zu<br />

verbergen 115. Und er steigert sich noch: Zu dem "nicht notwendig" anzunehmen-<br />

110 BGH, Beschl. v. 2.7.1974 - 5 StR 48/74 (Anhang 3).<br />

111 BGHSt 35, S. 137; siehe dazu oben, 1. Kap. A I 4.<br />

112 Hillenkamp, NIW 1989, S. 2842; vgl. auch S. 2847: "abenteuerliches Ventil".<br />

113 Krey, <strong>Strafverfahren</strong>srecht 11, Rn. 587.<br />

114 BGHSt 36, S. 363 (372).<br />

115 Vgl. BayObLG, StV 1989, S. 394 f.: "<strong>Die</strong>sen Abbruch mit einem bestimmten<br />

Verfahrensstadium, hier mit einem auf § 354 Abs. 2 StPO bezogenen "Zurückverweisungsverbot"<br />

zu begründen, führt nicht daran vorbei, daB der BGH verfahrensrechtlich<br />

den Verfahrenshindernis sei "auch" Rieß zu vergleichen, "der in diesem Zusammenhang<br />

im Gegensatz zur Einstellung wegen eines Verfahrenshindernisses <strong>von</strong><br />

einem ,Verfolgungsverbot' wegen schwerwiegender Rechtsstaatswidrigkeit<br />

spricht".<br />

Der <strong>3.</strong> Senat spielt hier auf Argumente an, die Rieß herausgearbeitet <strong>und</strong> damit<br />

eine neue Variante der Diskussion in Gang gebracht hat: Es sei nicht Aufgabe<br />

<strong>von</strong> Prozeßvoraussetzungen, Verfahrensregeln <strong>von</strong> besonderem, auch verfassungsrechtlichem<br />

Gewicht abzusichern. Der Begriff des Verfahrenshindernisses<br />

dürfe nicht im wesentlichen synonym mit dem eines besonders schwerwiegenden<br />

Verfahrensverstoßes verwendet werden, solle nicht das Institut der Verfahrensvoraussetzung<br />

seine Konturen verlieren 116. Das Verfahrenshindernis sei als dogmatisches<br />

Instrument heranziehbar, weil eine Sachentscheidung nicht zulässig<br />

sei, nicht aber, damit keine Sachentscheidung mehr ergeht l17 • Trotzdem bleibt<br />

nach Rieß zu überlegen, ob nicht in äußersten Extremfällen rechtsstaatswidrige<br />

Rechtsverstöße irreparabler Art <strong>von</strong> solchem Schweregrad gegeben sein können,<br />

daß es gerechtfertigt sein könne, auf die Durchsetzung des Sanktionsanspruchs<br />

zu verzichten, auch wenn nicht das Rechtsinstitut der Verfahrenshindernisse<br />

angewendet werden könne. Es sei zu überlegen, ob außerhalb des Begriffs des<br />

Verfahrenshindernisses es möglich sei, ein aus der Verfassung ableitbares "Verfolgungsverbot"<br />

der schwerwiegenden Rechtsstaatswidrigkeit nach Voraussetzungen,<br />

Folgen <strong>und</strong> Standort zu entwickeln 118.<br />

11. Der qualitative Sprung zum Verfolgungsverbot<br />

In der Rechtswissenschaft ist bisher kaum versucht worden, die Möglichkeit<br />

der Entwicklung eines gesonderten Verfolgungsverbotes der schwerwiegenden<br />

Rechtsstaatswidrigkeit näher zu prüfen. Kurze Überlegungen, inwieweit ein Verfolgungsverbot<br />

qualitativ etwas anderes als ein Verfahrenshindernis sein könnte,<br />

finden sich lediglich bei Woller sowie bei Volk, der hierin auch über Formen<br />

prozessualer Erledigung hinaus eine Diskussionsgr<strong>und</strong>lage sieht 119. Rogall hat<br />

es dagegen als "nebensächlich" bezeichnet, ob die Einstellung nun durch eine<br />

Erweiterung der Kategorie der Verfahrenshindernisse oder aber durch die Herausdie<br />

neben Freispruch <strong>und</strong> Verurteilung allein verbleibende dritte Möglichkeit einer<br />

Verfahrensbeendigung gewählt hat, nämlich die der Einstellung wegen eines Verfahrenshindernisses<br />

nach § 206a oder § 260 Abs. 3 StPO. Daran ändert auch die Wiederholung<br />

des Satzes nichts, der Verletzung des Beschleunigungsgebots käme nach s1. Rspr. des<br />

BGH eine Wirkung als Verfahrenshindernis nicht zu." Ähnlich Hillenkamp, NIW 1989,<br />

S. 2846: keine glaubhafte Distanzierung <strong>von</strong> der Verfahrenshindernislösung.<br />

116 RieB in LR24, § 206a Rn. 32.<br />

117 RieB, IR 1985, S. 47.<br />

118 RieB, IR 1985, S. 48.<br />

119 Volk, StV 1986, S. 37; Wolter in SK StPO, vor § 151 Rn. 209 f.


170 5. Kap.: Einstellung wegen Verletzung <strong>von</strong> Verfahrensrecht B. Schwerwiegende Rechtsstaatswidrigkeit als Verfolgungsverbot 171<br />

bildung des Instituts des Verfolgungsverbots geschieht 120. Für Becker ist es eine<br />

bloße Frage der Terminologie 121, <strong>und</strong> auch Hassemer scheint Skepsis hinsichtlich<br />

der strukturellen <strong>und</strong> praktischen Unterschiede solcher Einstellungstypen zu haben<br />

122. Hillenkamp meint, die Unterschiede blieben bislang "im Nebel", differenziert<br />

aber selbst zwischen einfachrechtlichen Verfahrenshindemissen <strong>und</strong> solchen<br />

<strong>von</strong> Verfassungs wegen, was der Sache nach der Rieß'schen Unterscheidung<br />

entspricht 12<strong>3.</strong> Kühne <strong>und</strong> Dencker / Hamm gehen sogar leichthin da<strong>von</strong> aus, der<br />

BGH habe - trotz seines Rekurses auf Rieß <strong>und</strong> trotz seiner Ablehnung der<br />

Entscheidung des Vorprüfungsausschusses des BVerfG - erstmals ein Verfahrenshindemis<br />

der <strong>überlange</strong>n Verfahrensdauer anerkannt 124.<br />

Allerdings hat die Rechtsprechung zur V-Mann-Problematik im Anschluß an<br />

den 2. Senat des BGH 125 häufiger formuliert, es könnte ein "Strafverfolgungsverbot"<br />

bestehen, "das die Wirkung eines <strong>von</strong> Amts wegen zu beachtenden Verfahrenshindemisses<br />

entfaltet" 126. <strong>Die</strong>ser Satz kann doch wohl nicht anders verstanden<br />

werden, als daß es ein Strafverfolgungsverbot neben den Verfahrenshindemissen<br />

geben soll, freilich mit gleichen Wirkungen. Auch diese kurzen Andeutungen<br />

sind nicht weiter auf Resonanz gestoßen.<br />

Betrachtet man diese Entscheidungen etwas genauer, so ergibt sich ein Ansatz,<br />

das Verfolgungsverbot mit Konturen zu versehen: Der 2. Senat des BGH spricht<br />

ausdrücklich vom "widersprüchlichen <strong>und</strong> arglistigen" Vorgehen der staatlichen<br />

Behörden, das ein Strafverfolgungsverbot auslösen können soll 127. Er spielt also<br />

aufdie Verwirkung unter den Gesichtspunkten "exceptio doli" <strong>und</strong> "venire contra<br />

factum proprium" an 128. Nun ist oben zunächst einmal zur Verwirkung bei <strong>überlange</strong>r<br />

Verfahrensdauer unter diesen Gesichtspunkten herausgearbeitet worden,<br />

daß es nur um die Strafverfolgungsbefugnis gehen dürfte 129. Es ist femer zu der<br />

Frage, ob aus ihrer Verwirkung ein Verfahrenshindemis folgen könnte, zunächst<br />

aufgr<strong>und</strong> des Meinungsstandes Skepsis geäußert worden 130. Letztendlich dürfte<br />

ein Verfahrenshindemis hier genauso problematisch sein wie bei den sonstigen<br />

diskutierten Fällen <strong>überlange</strong>r Verfahrensdauer: Ohne Beweiswürdigung <strong>und</strong><br />

Motivforschung, also ohne Wertungen ist auch die Verwirkung der Strafverfol-<br />

120 Rogall in SK StPO, vor § 133 Rn. 120.<br />

121 Becker, StV 1985, S. 400.<br />

122 Hassemer, JuS 1989, S. 147.<br />

123 Hillenkamp, NJW 1989, S. 2846.<br />

124 Kühne, EuGRZ 1986, S.306; Dencker / Hamm, Der Vergleich im Strafprozeß,<br />

S. 131. Vgl. auch BayObLG, StV 1989, S. 394 f.; Hillenkamp, NJW 1989, S. 2846.<br />

125 BGH, NJW 1981, S. 1626 (1627); NStZ 1982, S. 126; S. 156.<br />

126 KG, NJW 1982, S. 838; OLG Düsseldorf, StV 1983, S. 450 (451).<br />

127 BGH, NJW 1981, S. 1626 (1627); NStZ 1982, S. 156; so auch OLG Düsseldorf,<br />

StV 1983, S. 450 (451).<br />

128 Vgl. Seelmann, ZStW 95 (1983), S. 821.<br />

129 Siehe oben, 4. Kap. A.<br />

130 Siehe oben, A.<br />

gungsbefugnis nicht feststellbar. Könnte man nun aber nicht die Strafverfolgungsbefugnis<br />

als Prozeßvoraussetzung begreifen, die unter bestimmten, zivilrechtlich<br />

orientierten Voraussetzungen, vor allem also wegen Verwirkung oder Verzicht<br />

(§§ 153 ff., 376 StPO) entfallen kann? Dann gäbe es das "Verfahrenshindemis<br />

des Strafverfolgungsverbots" 131 aufgr<strong>und</strong> der verwirkten Strafverfolgungsbefugnis.<br />

Es wäre nur noch ein einzelner, bestimmter Gesichtspunkt zu ermitteln, was<br />

bei den konventionellen Verfahrenshindernissen zugelassen wird: das Entfallen<br />

der Strafverfolgungsbefugnis.<br />

Akzeptiert man diesen "Kunstgriff', dürfte das nun aber bedeuten, daß die<br />

Annahme eines Verfahrenshindemisses der <strong>überlange</strong>n Verfahrensdauer auf die<br />

Randbereiche der Verwirkung der staatlichen Strafverfolgungsbefugnis beschränkt<br />

bliebe. Insofern bleibt zu prüfen, ob nicht Weitergehendes, als aus<br />

diesen vagen Überlegungen folgt, auf der Gr<strong>und</strong>lage der herrschenden Meinung<br />

gelten kann, die da<strong>von</strong> ausgeht, daß <strong>überlange</strong> Verfahrensdauer ab einem bestimmten<br />

Punkt qualitativ "umschlägt". Allerdings existieren hier in der wissenschaftlichen<br />

Erörterung Rückstände: Wann liegt denn eigentlich ein solcher Extremfall<br />

vor, der zu einem Verfahrenshindemis oder Verfolgungsverbot führen<br />

soll? Immerhin läßt sich die Verneinung eines Extremfalls in dem Beschluß des<br />

Vorprüfungsausschusses des BVerfG genauso kritisieren wie umgekehrt die Bejahung<br />

eines solchen in der Entscheidung des <strong>3.</strong> Senats des BGH 132. Es scheinen<br />

"die evidenten Kriterien für ein Umkippen des Verfahrens" zu fehlen 13<strong>3.</strong><br />

1. Rechtsverweigerung<br />

Schaut man sich die insoweit herangezogenen Ansatzpunkte an, fällt zunächst<br />

der Blick auf den Gedanken der Justizverweigerung, der zunächst bestechend<br />

wirkt, da er schon in § 839 II Satz 2 BGB gleichberechtigt neben der Verfahrensverzögerung<br />

genannt wird 134. Infolgedessen ist dann auch das Schlagwort <strong>von</strong><br />

der Verfahrensverzögerung als "temporärer Justizverweigerung" geprägt worden<br />

135. Vor allem aber findet sich in der zivil- <strong>und</strong> verwaltungsrechtlichen Literatur<br />

die Auffassung, Verzögerungen könnten so erhebliches Ausmaß erreichen,<br />

daß die Grenze zur Justizverweigerung überschritten würde 136.<br />

131 Mache, StV 1981, S. 601.<br />

132 Vgl. Hillenkamp, NJW 1989, S. 2843; 2845. Siehe dazu auch oben, I 1, sowie<br />

unten, 7. Kap. AI 2. Hingewiesen sei auch aufWolter in SK StPO, vor § 151 Rn. 209 f.,<br />

für den ein Verfolgungsverbot in Fällen "extremer Menschenrechtswidrigkeit" in Betracht<br />

kommt, die jedoch bei <strong>überlange</strong>r Verfahrensdauer nicht gegeben sei.<br />

133 Volk, Prozeßvoraussetzungen, S. 229.<br />

134 VgI. Bull, NJW 1957, S. 1101; Joachim, DRiZ 1965, S. 185: Rechtsverzägerung<br />

<strong>und</strong> Rechtsverweigerung sind gleichbedeutend. VgI. auch Kirchhof, FS Doehring,<br />

S. 440; 444.<br />

135 Joachim, DRiZ 1965, S. 185; Marx, Der gesetzliche Richter, S. 71 Fn.335.


172 5. Kap.: Einstellung wegen Verletzung <strong>von</strong> Verfahrensrecht B. Schwerwiegende Rechtsstaatswidrigkeit als Verfolgungsverbot 173<br />

Auf die <strong>überlange</strong> <strong>Dauer</strong> im <strong>Strafverfahren</strong> bezogen hat das OLG Koblenz<br />

ausgeführt, ein Prozeßhindernis könne dann vorliegen, wenn die eingetretene<br />

Verzögerung einer Rechtsverweigerung gleichkomme 137. Auch der 1. Strafsenat<br />

des BGH hatte in seiner ersten Entscheidung da<strong>von</strong> gesprochen, daß eine Verzögerung<br />

einer Rechtsverweigerung gleichzusetzen sein könnte 138. In einer neueren<br />

Entscheidung spricht das OLG Zweibrücken <strong>von</strong> einem "Verfahrensstillstand",<br />

der einer Rechtsverweigerung nahe komme 139.<br />

Verfolgt man diesen Gedanken, könnte sich ein Verfolgungsverbot <strong>von</strong> Verfassungs<br />

wegen insofern herleiten lassen, als daß in der Nichterledigung einer<br />

Rechtssache ein Verstoß gegen Art. 19 IV GG, gelegentlich 140, was allerdings<br />

äußerst fraglich ist 141, auch gegen Art. 101 I GG gesehen wird. Aber unabhängig<br />

da<strong>von</strong>, daß der BGH solchen Fehlern verfahrensbeendende Wirkung abgesprochen<br />

hat 142, paßt das Institut der Justizverweigerung nicht auf die <strong>überlange</strong><br />

<strong>Dauer</strong> im <strong>Strafverfahren</strong>: Zunächst einmal geht es im <strong>Strafverfahren</strong> - das<br />

unterscheidet es <strong>von</strong> sonstigen Verfahrensarten - gr<strong>und</strong>sätzlich nicht um die<br />

Verbesserung einer Rechtsposition des Beschuldigten durch gerichtliches Verfahren,<br />

sondern umgekehrt um die Gefährdung dieser Position durch das staatlich<br />

initiierte Verfahren 14<strong>3.</strong> So würde man auch im Zivilprozeß Justizverweigerung<br />

nicht aus dem Blickwinkel des Beklagten problematisieren 144. Für den Beschuldigten<br />

wie für den Beklagten ginge es nicht um die Verweigerung <strong>von</strong> Rechtsschutz,<br />

sondern um die Nichtdurchführung <strong>von</strong> rechtlicher Inanspruchnahme.<br />

Insofern schlägt die Verzögerung im <strong>Strafverfahren</strong>srecht nicht in die Justizverweigerung<br />

um, sondern in die Vereitelung der (eventuellen) Bestrafung. Getroffen<br />

wird also die Rechtspflege, während es "in der Regel für den Betroffenen angenehm<br />

sein" dürfte 145.<br />

Dem widerspricht auch nicht die eventuelle Anordnung <strong>von</strong> Sicherungsmaßnahmen<br />

(§§ 112, 116, 116a, 126a StPO) oder vorläufigen Maßnahmen (etwa<br />

§§ lIla, 132a StPO) gegen den Beschuldigten: Denn deren (weitere) Zulässigkeit<br />

ist unter dem Gesichtspunkt des Verhältnismäßigkeitsgr<strong>und</strong>satzes separat zu<br />

136 H. Klein, JZ 1963, S. 591; Häsemeyer, FS Michaelis, S. 135; Schmidt-Aßmann<br />

in Maunz/Dürig, Art. 19 Abs. IV Rn. 26<strong>3.</strong><br />

137 OLG Koblenz, NJW 1972, S.404 (405).<br />

138 BGHSt 21, S. 81 (83).<br />

139 OLG Zweibrücken, StV 1989, S. 51 (52).<br />

140 BVerfGE 3, S. 359 (364); J. Blomeyer, NJW 1977, S. 559.<br />

141 Siehe oben, 2. Kap. B 11 2 f aa.<br />

142 Vgl. BGHSt 19, S. 273 (275 ff.); 22, S. 26 (29); 26, S. 84 (90); 32, S. 345 (350);<br />

NStZ 1984, S. 419.<br />

143 Vgl. Kirchhof, JZ 1989, S. 464.<br />

144 Vgl. Kirchhof, FS Doering, S. 446: "<strong>Die</strong> Partei, die eine Verurteilung zu Zahlungen<br />

befürchten muß, wird naturgemäß die Zahlungspflicht möglichst lange hinausschieben<br />

wollen".<br />

145 OLG Karlsruhe, NJW 1972, S. 1907 (1908).<br />

beurteilen, wobei auch - wie für die Untersuchungshaft vor erstinstanzlichem<br />

Urteil in § 121 StPO festgelegt - die Aufhebung aufgr<strong>und</strong> <strong>von</strong> Verfahrensverzögerungen<br />

in Betracht kommt 146. Das BVerfG spricht hier <strong>von</strong> einem "fühlbar<br />

schwereren Eingriffals im Falle der ordnungsgemäßen Durchführung des Verfahrens"<br />

147.<br />

Entscheidend aber ist, daß das Institut der Rechtsverweigerung sich jedenfalls<br />

im <strong>Strafverfahren</strong>srecht nur als prägnantes Schlagwort eignet: Auch die in der<br />

Rechtsprechung als extreme Verzögerung bezeichneten Sachverhalte stellten sich<br />

in keinem Fall als Justizverweigerung dar 148.<br />

2. Verfahrensstillstand<br />

Gleiches dürfte gelten, stellt man aufden vom OLG Zweibrücken angesprochenen<br />

Aspekt des "Verfahrensstillstandes" ab 149. Zwar berichten auch sonst einige<br />

Entscheidungen <strong>von</strong> jahrelanger Nichtbetreibung bzw. Untätigkeit der Strafverfolgungsorgane<br />

oder sprechen vom Ruhen des Verfahrens 150. In der Regel geht<br />

es jedoch nicht um eine einzige "große Verzögerung"151, sondern, wie Hanack<br />

es formuliert hat 152 , "um eine Summe mehr oder weniger vieler, mehr oder<br />

weniger verständlicher, für sich mehr oder weniger belangloser oder nicht belangloser<br />

Einzelverzögerungen bei dieser oder jener Prozeßhandlung, die dann eine<br />

mehr oder minder schwere Gesamtverzögerung ergeben".<br />

Selbst wenn man dies außer acht läßt, könnte auch umgekehrt eine extreme<br />

Verzögerung durch überflüssiges oder langsames Tun verdeckt werden. Daß in<br />

einem solchen Fall kein Verfahrensstillstand zu subsumieren ist, ergibt sich auch<br />

aus § 2U 11 BGB. Hier ist anerkannt, daß ein Weiterbetreiben des Verfahrens<br />

durch jede Prozeßhandlung möglich ist, die unmittelbar auf den Fortgang des<br />

Verfahrens einwirkt l5 3, wobei ein nicht zu enger Maßstab anzulegen ist l54 . Daß<br />

146 Vgl. BVerfGE 46, S. 17 (29) mit abweichender Meinung M. Hirsch (S. 31); allgemein<br />

Kirchhof, FS Doering, S. 452 f.; JZ 1989, S. 464. Vgl. zu § lIla StPO OLG<br />

Düsseldorf, NStE Nr. 3 zu § lIla StPO, sowie neuerdings OLG Köln, StV 1991, S. 248.<br />

147 BVerfGE 46, S. 17 (29).<br />

148 Vgl. aber Wolter, GA 1985, S. 64.<br />

149 OLG Zweibrücken, StV 1989, S. 51 (52); ebenso LG Köln, NStZ 1989, S.442<br />

(443); ähnlich BGHSt 36, S. 363 (372); vgl. auch Seebode, StV 1989, S. 121.<br />

150 Vgl. etwa BGH, NStZ 1982, S. 291 (292); OLG Karlsruhe, NJW 1972, S. 1907;<br />

OLG Stuttgart, JZ 1974, S. 268.<br />

151 Vgl. aber BGHSt 36, S. 363 (372): jahrelange Immunität, was allerdings keine<br />

Verzögerung in dem hier verstandenen Sinn darstellt (siehe oben, <strong>3.</strong> Kap. B 11).<br />

152 Hanack, JZ 1971, S. 715.<br />

153 OLG Nümberg, OLGZ 1966, S.388 (390); ähnlich BGHSt 52, S.47 (51); 55,<br />

S. 212 (216); 73, S. 8 (11).<br />

154 BGHZ 52, S. 47 (51); 55, S. 212 (216); 73, S. 8 (11).


172 5. Kap.: Einstellung wegen Verletzung <strong>von</strong> Verfahrensrecht B. Schwerwiegende Rechtsstaatswidrigkeit als Verfolgungsverbot 173<br />

Auf die <strong>überlange</strong> <strong>Dauer</strong> im <strong>Strafverfahren</strong> bezogen hat das OLG Koblenz<br />

ausgeführt, ein Prozeßhindernis könne dann vorliegen, wenn die eingetretene<br />

Verzögerung einer Rechtsverweigerung gleichkomme 137. Auch der 1. Strafsenat<br />

des BGH hatte in seiner ersten Entscheidung da<strong>von</strong> gesprochen, daß eine Verzögerung<br />

einer Rechtsverweigerung gleichzusetzen sein könnte 138. In einer neueren<br />

Entscheidung spricht das OLG Zweibrücken <strong>von</strong> einem "Verfahrensstillstand",<br />

der einer Rechtsverweigerung nahe komme 139.<br />

Verfolgt man diesen Gedanken, könnte sich ein Verfolgungsverbot <strong>von</strong> Verfassungs<br />

wegen insofern herleiten lassen, als daß in der Nichterledigung einer<br />

Rechtssache ein Verstoß gegen Art. 19 IV GG, gelegentlich 140, was allerdings<br />

äußerst fraglich ist 141, auch gegen Art. 101 I GG gesehen wird. Aber unabhängig<br />

da<strong>von</strong>, daß der BGH solchen Fehlern verfahrensbeendende Wirkung abgesprochen<br />

hat 142, paßt das Institut der Justizverweigerung nicht auf die <strong>überlange</strong><br />

<strong>Dauer</strong> im <strong>Strafverfahren</strong>: Zunächst einmal geht es im <strong>Strafverfahren</strong> - das<br />

unterscheidet es <strong>von</strong> sonstigen Verfahrensarten - gr<strong>und</strong>sätzlich nicht um die<br />

Verbesserung einer Rechtsposition des Beschuldigten durch gerichtliches Verfahren,<br />

sondern umgekehrt um die Gefährdung dieser Position durch das staatlich<br />

initiierte Verfahren 14<strong>3.</strong> So würde man auch im Zivilprozeß Justizverweigerung<br />

nicht aus dem Blickwinkel des Beklagten problematisieren 144. Für den Beschuldigten<br />

wie für den Beklagten ginge es nicht um die Verweigerung <strong>von</strong> Rechtsschutz,<br />

sondern um die Nichtdurchführung <strong>von</strong> rechtlicher Inanspruchnahme.<br />

Insofern schlägt die Verzögerung im <strong>Strafverfahren</strong>srecht nicht in die Justizverweigerung<br />

um, sondern in die Vereitelung der (eventuellen) Bestrafung. Getroffen<br />

wird also die Rechtspflege, während es "in der Regel für den Betroffenen angenehm<br />

sein" dürfte 145.<br />

Dem widerspricht auch nicht die eventuelle Anordnung <strong>von</strong> Sicherungsmaßnahmen<br />

(§§ 112, 116, 116a, 126a StPO) oder vorläufigen Maßnahmen (etwa<br />

§§ lIla, 132a StPO) gegen den Beschuldigten: Denn deren (weitere) Zulässigkeit<br />

ist unter dem Gesichtspunkt des Verhältnismäßigkeitsgr<strong>und</strong>satzes separat zu<br />

136 H. Klein, JZ 1963, S. 591; Häsemeyer, FS Michaelis, S. 135; Schmidt-Aßmann<br />

in Maunz/Dürig, Art. 19 Abs. IV Rn. 26<strong>3.</strong><br />

137 OLG Koblenz, NJW 1972, S.404 (405).<br />

138 BGHSt 21, S. 81 (83).<br />

139 OLG Zweibrücken, StV 1989, S. 51 (52).<br />

140 BVerfGE 3, S. 359 (364); J. Blomeyer, NJW 1977, S. 559.<br />

141 Siehe oben, 2. Kap. B 11 2 f aa.<br />

142 Vgl. BGHSt 19, S. 273 (275 ff.); 22, S. 26 (29); 26, S. 84 (90); 32, S. 345 (350);<br />

NStZ 1984, S. 419.<br />

143 Vgl. Kirchhof, JZ 1989, S. 464.<br />

144 Vgl. Kirchhof, FS Doering, S. 446: "<strong>Die</strong> Partei, die eine Verurteilung zu Zahlungen<br />

befürchten muß, wird naturgemäß die Zahlungspflicht möglichst lange hinausschieben<br />

wollen".<br />

145 OLG Karlsruhe, NJW 1972, S. 1907 (1908).<br />

beurteilen, wobei auch - wie für die Untersuchungshaft vor erstinstanzlichem<br />

Urteil in § 121 StPO festgelegt - die Aufhebung aufgr<strong>und</strong> <strong>von</strong> Verfahrensverzögerungen<br />

in Betracht kommt 146. Das BVerfG spricht hier <strong>von</strong> einem "fühlbar<br />

schwereren Eingriffals im Falle der ordnungsgemäßen Durchführung des Verfahrens"<br />

147.<br />

Entscheidend aber ist, daß das Institut der Rechtsverweigerung sich jedenfalls<br />

im <strong>Strafverfahren</strong>srecht nur als prägnantes Schlagwort eignet: Auch die in der<br />

Rechtsprechung als extreme Verzögerung bezeichneten Sachverhalte stellten sich<br />

in keinem Fall als Justizverweigerung dar 148.<br />

2. Verfahrensstillstand<br />

Gleiches dürfte gelten, stellt man aufden vom OLG Zweibrücken angesprochenen<br />

Aspekt des "Verfahrensstillstandes" ab 149. Zwar berichten auch sonst einige<br />

Entscheidungen <strong>von</strong> jahrelanger Nichtbetreibung bzw. Untätigkeit der Strafverfolgungsorgane<br />

oder sprechen vom Ruhen des Verfahrens 150. In der Regel geht<br />

es jedoch nicht um eine einzige "große Verzögerung"151, sondern, wie Hanack<br />

es formuliert hat 152 , "um eine Summe mehr oder weniger vieler, mehr oder<br />

weniger verständlicher, für sich mehr oder weniger belangloser oder nicht belangloser<br />

Einzelverzögerungen bei dieser oder jener Prozeßhandlung, die dann eine<br />

mehr oder minder schwere Gesamtverzögerung ergeben".<br />

Selbst wenn man dies außer acht läßt, könnte auch umgekehrt eine extreme<br />

Verzögerung durch überflüssiges oder langsames Tun verdeckt werden. Daß in<br />

einem solchen Fall kein Verfahrensstillstand zu subsumieren ist, ergibt sich auch<br />

aus § 2U 11 BGB. Hier ist anerkannt, daß ein Weiterbetreiben des Verfahrens<br />

durch jede Prozeßhandlung möglich ist, die unmittelbar auf den Fortgang des<br />

Verfahrens einwirkt l5 3, wobei ein nicht zu enger Maßstab anzulegen ist l54 . Daß<br />

146 Vgl. BVerfGE 46, S. 17 (29) mit abweichender Meinung M. Hirsch (S. 31); allgemein<br />

Kirchhof, FS Doering, S. 452 f.; JZ 1989, S. 464. Vgl. zu § lIla StPO OLG<br />

Düsseldorf, NStE Nr. 3 zu § lIla StPO, sowie neuerdings OLG Köln, StV 1991, S. 248.<br />

147 BVerfGE 46, S. 17 (29).<br />

148 Vgl. aber Wolter, GA 1985, S. 64.<br />

149 OLG Zweibrücken, StV 1989, S. 51 (52); ebenso LG Köln, NStZ 1989, S.442<br />

(443); ähnlich BGHSt 36, S. 363 (372); vgl. auch Seebode, StV 1989, S. 121.<br />

150 Vgl. etwa BGH, NStZ 1982, S. 291 (292); OLG Karlsruhe, NJW 1972, S. 1907;<br />

OLG Stuttgart, JZ 1974, S. 268.<br />

151 Vgl. aber BGHSt 36, S. 363 (372): jahrelange Immunität, was allerdings keine<br />

Verzögerung in dem hier verstandenen Sinn darstellt (siehe oben, <strong>3.</strong> Kap. B 11).<br />

152 Hanack, JZ 1971, S. 715.<br />

153 OLG Nümberg, OLGZ 1966, S.388 (390); ähnlich BGHSt 52, S.47 (51); 55,<br />

S. 212 (216); 73, S. 8 (11).<br />

154 BGHZ 52, S. 47 (51); 55, S. 212 (216); 73, S. 8 (11).


174 5. Kap.: Einstellung wegen Verletzung <strong>von</strong> Verfahrensrecht B. Schwerwiegende Rechtsstaatswidrigkeit als Verfolgungsverbot 175<br />

dies auch im <strong>Strafverfahren</strong> nicht bloß blanke Theorie ist, zeigt ein Blick auf<br />

den Sachverhalt, den der <strong>3.</strong> Senat des BGH als "beispiellos" angesehen hat, in<br />

dem es um die Nichtzuleitung der Akten gemäß § 347 StPO an den BGH im<br />

Zeitraum <strong>von</strong> Herbst 1982 bis März 1987 ging: "Bis Ende 1982 benutzte sie<br />

die Strafkammer zur Fortsetzung des <strong>Strafverfahren</strong>s gegen den<br />

gesondert verfolgten W. Durch einen im August 1983 ergangenen Beschluß hat<br />

die Strafkammer die Kautionsauflagen aus dem Haftverschonungsbeschluß gegen<br />

den Angeklagten M. abgeändert. Fast ein Jahr später, nämlich im Juni 1984, hat<br />

sie die Kaution nochmals durch Beschluß herabgesetzt. Schließlich hat die Staatsanwaltschaft<br />

im November 1984 die <strong>von</strong> ihr eingelegten Revisionen zurückgenommen.<br />

Zwei weitere Jahre später, nämlich im Oktober 1986, hat der Vorsitzende<br />

der Strafkammer die aus dem Jahre 1982 stammenden Revisionen der Angeklagten<br />

der Staatsanwaltschaft gemäß §§ 347,41 StPO zugestellt." 155 Ein langandauernder<br />

"Verfahrensstillstand" war also niemals eingetreten.<br />

<strong>3.</strong> Willkür<br />

Konsequenterweise hat der <strong>3.</strong> Strafsenat des BGH dann auch in dieser Entscheidung<br />

nicht <strong>von</strong> Verfahrensstillstand gesprochen. Vielmehr hat er aufden Willkürbegriff<br />

abgestellt 156; <strong>Die</strong> jahrelange Nichtweiterleitung der Akten an das Revisionsgericht<br />

sei "ohne irgendwelchen rechtfertigenden Gr<strong>und</strong>, d. h. willkürlich"<br />

gewesen, wodurch das Beschleunigungsgebot "in willkürlicher <strong>und</strong> schwerwiegender<br />

Weise" verletzt worden sei. Auch andere Gerichte haben Verzögerungen<br />

nach dem Willkürkriterium eingeordnet 157.<br />

Auf den Willkürbegriff wird der Sache nach auch ansonsten zur qualitativen<br />

Abgrenzung <strong>von</strong> Rechtsverletzungen abgestellt; dies geschieht ausdrücklich in<br />

einigen Entscheidungen zum groben Rechtsfehler im Befangenheitsrecht 158 <strong>und</strong><br />

in ständiger Rechtsprechung im Anschluß an Kern 159 im Bereich des Besetzungsrechts:<br />

Willkür ist nach der ständigen Rechtsprechung des BVerfG 160 <strong>und</strong> des<br />

BGH 161 dann gegeben, wenn eine Maßnahme auf unsachlichen, sich <strong>von</strong> den<br />

155 BGHSt 35, S. 137 (138).<br />

156 BGHSt 35, S. 137 (138; 140; 141).<br />

157 BVerfG (Vorprüfungsausschuß), NStZ 1984, S. 228 (229); OLG Celle, NJW 1963,<br />

S. 1320 (1321); OLG Düsseldorf, NJW 1986, S.2204 (2205); MDR 1989, S. 935 f.;<br />

OLG Frankfurt, StV 1989, S. 96 (97); BayObLG, StV 1989, S. 394.<br />

158 BGH, NStZ 1984, S. 419 (420); BayObLG, DRiZ 1977, S. 244 (245).<br />

159 Kern, Der gesetzliche Richter, S. 185; 191; 202.<br />

160 Siehe etwa BVerfGE 3, S. 359 (364); 19, S. 38 (43); 29, S. 45 (48); 58, S. 1 (45).<br />

Weitere Nachweise bei Katholnigg, Strafgerichtsverfassungsrecht, § 16 GVG Rn. 8; K.<br />

Schäfer in LR24, § 16 GVG Rn. 16 f.<br />

161 Siehe etwa BGHSt 12, S. 227 (234); 21, S. 40 (44); 25, S. 66 (71 f.); S. 239 (241);<br />

26, S. 206 (211). Weitere Nachweise bei K. Schäfer in LR24, § 16 GVG Rn. 16 Fn. 41.<br />

gesetzlichen Maßstäben völlig entfernenden Erwägungen beruht <strong>und</strong> unter keinem<br />

Gesichtspunkt mehr vertretbar erscheint. Es wird ein objektiver Willkürbegriff<br />

zugr<strong>und</strong>egelegt, der einerseits frei <strong>von</strong> einem subjektiven Schuldvorwurf<br />

ist 162, andererseits einen bloßen error in procendo nicht genügen läßt 16<strong>3.</strong> Praktisch<br />

bedeutet dies, daß nur offensichtliche, grobe Fehler <strong>von</strong> Bedeutung sind 164.<br />

Nun wird dieser äußerst problematische Terminus seit Ostler 165 unter anderem<br />

auch deshalb kritisiert, weil er "völlig schwimmt". Er ermöglicht keine randscharfe<br />

Abgrenzung, weil er auslegungsfähig ist <strong>und</strong> einen fließenden Übergang zur<br />

Vertretbarkeit aufweist 166. <strong>Die</strong>s hat zuletzt Bohnert überzeugend dargelegt <strong>und</strong><br />

als Erklärung für die <strong>Dauer</strong>haftigkeit des Begriffs auf seine hohe Praktikabilität<br />

hingewiesen 167; Das Problem wird nicht geklärt, sondern mit einem Terminus<br />

versehen 168.<br />

Aber nicht einmal diese Praktikabilität hat der Begriff für die Klassifizierung<br />

<strong>von</strong> Verfahrensverzögerungen. Bei allen Unklarheiten dürfte Einigkeit bestehen,<br />

daß Willkürjedenfalls (auch) dann gegeben ist, wenn nicht bloß ein Verfahrensirrturn<br />

vorliegt 169; Jedes bewußte "Liegenlassen" einer Sache wäre dann aber Willkür,<br />

<strong>und</strong> zwar unabhängig <strong>von</strong> dessen <strong>Dauer</strong>; entscheidend wäre ausschließlich<br />

die Sachfremdheit der Erwägungen. <strong>Die</strong> Grenze zur Willkür wäre also schon<br />

überschritten, wenn ein Amtsträger eine Sache, die er scheut, etwa bis zum<br />

Urlaub oder zu einer Zuständigkeitsänderung aufschiebt.<br />

Also bräuchte man ein weiteres regulierendes Prinzip, wie das wohl auch der<br />

<strong>3.</strong> BGH-Senat sieht, wenn er <strong>von</strong> willkürlicher <strong>und</strong> schwerwiegender Verzögerung<br />

spricht 170, oder das OLG Düsseldorf, wenn es die Verzögerungen als "weder<br />

über Gebühr noch willkürlich" 17l bzw. "nicht untragbar <strong>und</strong> willkürlich" 172 klassi-<br />

162 BVerfGE 62, S. 189 (192); 70, S. 93 (97); K. Schäfer in LR24, § 16 GVG Rn. 17;<br />

Kissel, GVG, § 16 Rn. 36.<br />

163 K. Schäfer in LR24, § 16 GVG Rn. 17 m. w.N.; Katholnigg, Strafgerichtsverfassungsrecht,<br />

§ 16 GVG Rn. 8 m. w.N.; Kissel, GVG, § 16 Rn. 32.<br />

164 Katholnigg, Strafgerichtsverfassungsrecht, § 16 GVG Rn. 8.<br />

165 Ostler, JR 1957, S. 454.<br />

166 Dahs, GA 1976, S. 359 f.<br />

167 Bohnert, Beschränkungen der strafprozessualen Revision durch Zwischenverfahren,<br />

S. 50 ff.<br />

168 Vgl. Niemöller, StV 1987, S. 312.<br />

169 Vgl. BVerfGE 3, S. 359 (365); 15, S. 303 (306); 17, S. 99 (104); 19, S. 38 (43);<br />

29, S. 45 (48); 31, S. 181 (184); Katholnigg, Strafgerichtsverfassungsrecht, § 16 GVG<br />

Rn. 8; Kissel, GVG, § 16 Rn. 32 ff.; Kleinknecht / Meyer, StP039, § 16 GVG Rn. 6; noch<br />

weitergehend Kern, JZ 1956, S. 411; kritisch Bohnert, Beschränkungen der strafprozessualen<br />

Revision durch Zwischenverfahren, S. 53 f.; Bettermann, AöR 94 (1969),<br />

S. 280 ff.; v. Winterfeld, NJW 1972, S. 1400; anders aber wohl J. Henkel, Der gesetzliche<br />

Richter, S. 95 f.<br />

170 BGHSt 35, S. 137 (141).<br />

171 OLG Düsseldorf, NJW 1986, S. 2204 (2205).<br />

172 OLG Düsseldorf, MDR 1989, S. 935 (936).


176 5. Kap.: Einstellung wegen Verletzung <strong>von</strong> Verfahrensrecht B. Schwerwiegende Rechtsstaatswidrigkeit als Verfolgungsverbot 177<br />

fiziert. Ein Abheben auf den Begriff des Schwerwiegens nähert sich nun aber<br />

einer Tautologie: Genau die extreme, schwerwiegende Verfahrensverzögerung<br />

soll doch durch den Willkürbegriff eingegrenzt werden.<br />

Verstünde man den Begriff des schwerwiegenden (<strong>und</strong> willkürlichen) Verstoßes<br />

nun aber so, daß man Rechtsverstöße mittels einer abstrakten Schichtung<br />

<strong>von</strong> Normen in stärkere <strong>und</strong> schwächere differenziert, wie das etwa in der Theorie<br />

der Ordnungsvorschriften geschehen ist 173, ergäbe sich nichts anderes: Setzt ein<br />

Gericht etwa eine Hauptverhandlung auf die Besetzungsrüge hin aus mit dem<br />

Bemerken, es könne die Vorgänge bei der gerügten Schöffenwahl nicht rechtlich<br />

beurteilen <strong>und</strong> werde die Sache zur Klärung dem Präsidium zuleiten 174, so stellt<br />

sich diese verfahrensverzögernde Aussetzung nicht nur als willkürlich, weil sachlich<br />

unvertretbar dar, sondern tangiert auch Art. 101 I GG, da das Gericht es in<br />

Kauf nimmt, im Falle der Unbegründetheit der Besetzungsrüge dem Beschuldigten<br />

den gesetzlichen Richter (Schöffen) zu entziehen. Trotzdem dürfte hier kaum<br />

ein Fall <strong>von</strong> "extremer" Verletzung des Beschleunigungsprinzips gegeben sein.<br />

Es bliebe also nur die Möglichkeit, den Begriff des Schwerwiegens auf die<br />

konkrete Beeinträchtigung der Rechtsposition des Beschuldigten zu beziehen,<br />

zu fragen, ob die Verzögerung zu einer "groben Ungerechtigkeit" führt 175. Dann<br />

muß man sich aber fragen, wozu dann noch das Kriterium der Willkür dienen<br />

soll. Denn wird durch eine Rechtsverletzung die Rechtsposition des Beschuldigten<br />

schwerwiegend beeinträchtigt, so kann es nicht darauf ankommen, ob der Rechtsfehler<br />

auf Erwägungen beruht, die sich <strong>von</strong> den gesetzlichen Maßstäben völlig<br />

entfernen oder nicht 176.<br />

4. Irreparabilität<br />

Verfolgt man letzteren Gedanken weiter, so wäre zu prüfen, ob der richtige<br />

Ansatzpunkt für die Diskussion verfahrensbeendender Wirkung <strong>von</strong> <strong>überlange</strong>r<br />

Verfahrensdauer nicht in der Schwere des Rechtsverstoßes - Rechtsverweigerung,<br />

Verfahrensstillstand, Willkür - zu suchen ist, sondern in der Schwere<br />

seiner Auswirkungen auf den Beschuldigten, im Aspekt der Irreparabilität. Es<br />

käme also gewissermaßen auf das Erfolgs- <strong>und</strong> nicht auf das Handlungsunrecht<br />

der Rechtsverletzung an 177.<br />

Der Begriff der Irreparabilität ist mißverständlich. Prinzipiell ist jede eingetretene<br />

Verzögerung irreparabel 178; dies gilt jedenfalls ab dem Punkt, ab dem die<br />

173 Vgl. Bohnert, Beschränkungen der strafprozessualen Revision durch Zwischenverfahren,<br />

S. 5<strong>3.</strong><br />

174 So 1987 durch das LG Braunschweig geschehen.<br />

175 Vgl. Lampe, GA 1968, S. 41 ff.; Geppert, GA 1972, S. 181.<br />

176 Vgl. Achenbach, StV 1989, S. 517; Kunert, MDR 1967, S. 541.<br />

177 Vgl. Achenbach, StV 1989, S. 517.<br />

verlorene Zeit nicht mehr durch besondere Schleunigkeit "wieder aufgeholt",<br />

also die Verzögerung geheilt werden kann 179. Irreparabilität in dem hier gemeinten<br />

Sinn liegt jedoch dann vor, wenn aufgr<strong>und</strong> der Verzögerungen sich die Verfahrenslage<br />

verändert hat. Hierfür kommt es weder auf die absolute <strong>Dauer</strong> <strong>und</strong> die<br />

Intensität der Verzögerungen noch auf die Schwere der Rechtsverletzung durch<br />

die Strafverfolgungsorgane an.<br />

a) Beweismittelverlust durch Verzögerungen<br />

Es ist eine Binsenweisheit, daß Beweismittel mit fortschreitendem Zeitablauf<br />

unsicherer werden können. Insbesondere läßt das Erinnerungsvermögen <strong>von</strong> Zeugen<br />

nach, so daß u. U. sogar der Zeuge ein ungeeignetes Beweismittel i. S. v.<br />

§ 244 III StPO werden kann \80. <strong>Die</strong>ser Gedanke stellt bekanntlich auch eine der<br />

Wurzeln der Verfolgungsverjährung dar l81 • <strong>Die</strong> verschlechterte Aufklärbarkeit<br />

mag in vielen Fällen zugunsten des Beschuldigten wirken 182. Des weiteren kann<br />

nachlassendes Vergeltungsbedürfnis zu weniger scharfen Zeugenaussagen führen<br />

183 <strong>und</strong> zeitlicher Abstand richterliche Emotionalität bei der Strafzumessung<br />

einschränken 184.<br />

Allerdings kann dem Beschuldigten auch die Möglichkeit verloren gehen, für<br />

ihn Entlastendes unter Beweis zu stellen 185. <strong>Die</strong>sen Aspekt hat ausdrücklich das<br />

OLG Zweibrücken in einer Entscheidung mit zugr<strong>und</strong>e gelegt. Es stellte eine<br />

mehrjährige Verfahrensverzögerung fest <strong>und</strong> stützte seine verfahrensbeendende<br />

Entscheidung u. a. darauf, daß wegen des Zeitablaufs Beweisverluste zum Nachteil<br />

des Angeklagten zu befürchten seien, der einen Alibizeugen benannt hatte 186.<br />

178 Vgl. BGHSt 21, S. 81 (83); LG Frankfurt, JZ 1971, S.234 (235); Kleinknecht,<br />

StP032, Einl. 7 Anm. F; Nose, ZStW 82 (1970), S. 792 Fn. 29.<br />

179 So OLG Karlsruhe, NJW 1972, S. 1907 (1908); OLG Köln, NJW 1973, S. 1010;<br />

OLG Düsseldorf, StV 1989, S. 113; OLG Frankfurt, StV 1983, S.380; 1990, S.269<br />

(270); S. 310 (311); KleinknechtlJanischowsky, Das Recht der Untersuchungshaft,<br />

Rn. 260; Seetzen, ZRP 1975, S. 32; kritisch Seebode, StV 1989, S. 212 f.; a.A. wohl<br />

Miehsler I Vogler, IntKomm Art. 6 Rn. 321.<br />

180 Vgl. BGH bei Dallinger, MDR 1973, S.372; bei Spiegel, DAR 1983, S.203;<br />

BayObLGSt 1964, S. 135.<br />

181 Vgl. etwa Lorenz, <strong>Die</strong> Verjährung in der deutschen Strafgesetzgebung, S. 90 ff.;<br />

Bloy, <strong>Die</strong> dogmatische Bedeutung der Strafausschließungs- <strong>und</strong> Strafaufhebungsgründe,<br />

S.180ff.<br />

182 Vgl. Kühne, Strafprozeßlehre3, Rn. 91.1.<br />

183 Helmken, ZRP 1978, S. 135.<br />

184 Vgl. Schünemann, NJW 1968, S. 976; Rieß, FS Dünnebier, S. 166 f.<br />

185 Vgl. LG Köln, NStZ 1989, S. 442 (443); Schätzler, StrEG2, Einl. Rn. 42; K. Peters,<br />

Strafprozeß4, § 28 IV 6; Prochnow, <strong>Die</strong> Beschleunigung des <strong>Strafverfahren</strong>s in rechtsvergleichender<br />

Betrachtung, S. 159; Kohlmann, FS Maurach, S. 102; Nose, ZStW 82 (1970),<br />

S. 791 Fn. 27; Eser, JZ 1966, S. 668.<br />

186 OLG Zweibrücken, StV 1989, S. 51 (52); anders aber BGH, StV 1989, S. 187<br />

(188); LG Köln, NStZ 1989, S.442 (443). Siehe jetzt auch das Einstellungsurteil des<br />

LG Berlin im sog. Schmücker-Verfahren.<br />

12 SchelTIer


178 5. Kap.: Einstellung wegen Verletzung <strong>von</strong> Verfahrensrecht B. Schwerwiegende Rechtsstaatswidrigkeit als Verfolgungsverbot 179<br />

<strong>Die</strong> Problematik des Beweismittelverlustes durch verspätetes rechtliches Gehör<br />

löste Anfang der sechziger Jahre heftige Diskussionen aus. 1961 hatte sich das<br />

OLG Düsseldorf mit der Revision der Staatsanwaltschaft gegen ein Urteil zu<br />

beschäftigen, in dem das Instanzengericht das Verfahren eingestellt hatte, weil<br />

ihm ein nicht zu beseitigendes Hindernis dadurch entgegenstehe, daß der Gr<strong>und</strong>satz<br />

des rechtlichen Gehörs verletzt worden sei. Der Beschuldigte sei nämlich<br />

zu seinem (geringfügigen) Verkehrsdelikt erst zu einem Zeitpunkt vernommen<br />

worden, an dem er keine Erinnerung mehr an das zur Last gelegte Verhalten<br />

gehabt habe 187. In einer Urteilsanmerkung trat Amdt der Auffassung des Instanzengerichts<br />

bei: Das Risiko, daß Zeitverlust die Ermittlungen beeinträchtigt, dürfe<br />

nicht dem Bürger aufgebürdet werden, sofern dieser nicht durch vorwerfbares<br />

Verhalten für den Zeitverlust einzustehen habe 188. Das OLG Düsseldorf hob das<br />

einstellende Urteil jedoch auf: Verspätetes rechtliches Gehör könne nicht zur<br />

Verfahrensbeendigung führen. <strong>Die</strong>ser Auffassung folgten in den nächsten Jahren<br />

andere Revisionsgerichte 189 sowie die überwiegende Literatur 190.<br />

Der Gedanke der Irreparabilität wird, allerdings immer etwas peripher, als<br />

Legitimation für verfahrensbeendende Rechtsfolgen <strong>überlange</strong>r Verfahrensdauer<br />

des öfteren herangezogen. So bezog sich schon Tiedemann auf die Verletzung<br />

des Beschleunigungsprinzips in "irreparabler Weise" beim Contergan-Verfahren<br />

l91 • Hillenkamp <strong>und</strong> Ulsenheimer sprechen ebenfalls <strong>von</strong> Verfahrensbeendigung<br />

bei "gravierenden <strong>und</strong> irreparablen" Verstößen 192. Auch der <strong>3.</strong> Strafsenat<br />

des BGH hob - neben der Willkür - auf den "irreparablen Verstoß gegen das<br />

Beschleunigungsgebot" ab 19<strong>3.</strong> Schließlich habenRieß <strong>und</strong> Volk die Verfahrenseinstellung<br />

infolge eines Verfolgungsverbotes in äußersten Extremfällen für rechtsstaatswidrige<br />

Rechtsverstöße irreparabler Art allgemein, aber auch für Fälle<br />

(extremer) Verfahrensverzögerungen, erwogen 194.<br />

b) Rechtsverluste durch sonstige Rechtsstaatswidrigkeiten<br />

Da die "Extremfälle" <strong>überlange</strong>r Verfahrensdauer <strong>von</strong> Rieß <strong>und</strong> Volk zusammen<br />

mit anderen sog. Rechtsstaatswidrigkeiten diskutiert werden, erscheint es<br />

sinnvoll, einen Blick auf die Plausibilität <strong>und</strong> Lösungsfähigkeit des Gedankens<br />

der Irreparabilität bei diesen Fallgruppen zu werfen: Zunächst könnte das Kriterium<br />

der Irreparabilität erklären, weshalb selbst schwere Gr<strong>und</strong>rechtsverletzungen<br />

wie etwa Verstöße gegen Art. 101 I, 103 I GG kein Verfahrenshindernis darstellen<br />

195: <strong>Die</strong>se Fehler sind mit der Revision angreifbar <strong>und</strong> durch Urteilsaufhebung<br />

<strong>und</strong> Zurückverweisung zu beheben. Anderes könnte nur dann gelten, wenn<br />

Rechtsverletzungen, <strong>und</strong> seien sie auch minder schwer, nicht prozessual repariert<br />

werden können 196. Unter diesem Gesichtspunkt hellt sich das Dunkel auf, das<br />

über den Problemkreisen liegt, die zusammen mit der <strong>überlange</strong>n <strong>Dauer</strong> <strong>von</strong><br />

<strong>Strafverfahren</strong> zu einer "Pathologie <strong>von</strong> <strong>Strafverfahren</strong>" 197 verb<strong>und</strong>en werden<br />

<strong>und</strong> bei denen Verfahrensbeendigung jedenfalls in Extremfällen diskutiert wird:<br />

Verfahrensbeendigung dürfte dann ausscheiden, wenn durch eine prozessual<br />

andere Bewältigungsmöglichkeit Irreparabilität zu verneinen ist 198. <strong>Die</strong> Einstellung<br />

ist subsidiär gegenüber innerprozessualen Reaktionsformen 199: "Ein übergesetzl.<br />

Prozeßhindernis kann ... stets nur ultima ratio sein", formuliert Paulus 2oo •<br />

Auch Rieß betont für sein Verfolgungsgebot, es sei nur relevant, "wenn sich<br />

zeigen sollte, daß das vorhandene Reaktions- <strong>und</strong> Rechtsschutzsystem nicht<br />

ausreicht" 201. Ansonsten droht, wie Volk formuliert, der "prozessuale Overkill" 202.<br />

Das gilt am deutlichsten dort, wo die rechtlichen Konsequenzen des betreffenden<br />

Sachverhalts ausdrücklich geregelt sind: So könnte die Annahme eines Verfahrenshindernisses<br />

der "staatlichen Duldung rechtswidrigen Verhaltens" 203<br />

schon deshalb entfallen, weil das Recht der (mutmaßlichen) Einwilligung, vor<br />

187 OLG Düsseldorf, NJW 1961, S. 1734.<br />

188 Amdt, NJW 1961, S. 1734 f.; vg!. auch 1962, S. 27; 1963, S. 455; zustimmend<br />

Rasehorn, NJW 1964, S.579; Dahs, Das rechtliche Gehör im Strafprozeß, S. 41; K.<br />

Peters, StrafprozeB', § 28 IV 3 (ähnlich auch noch in der 4. Aufl., § 28 IV 6); Lerche,<br />

ZZP 78 (1965), S. 17 f.; Schorn, Der Schutz der Menschenwürde im <strong>Strafverfahren</strong>, S. 68.<br />

189 OLG Celle, NJW 1963, S. 1320; OLG Schleswig, NJW 1963, S. 455 f.; OLG<br />

Hamm, VRS 22, S. 376 (377); vg!. auch OVGE Berlin 8, S. 24 (27).<br />

190 Mendler, NJW 1961, S. 2103 f.; Bockelmann, DAR 1963, S.233; Röhl, NJW<br />

1964, S. 378; Rüping, Der Gr<strong>und</strong>satz des rechtlichen Gehörs <strong>und</strong> seine Bedeutung im<br />

<strong>Strafverfahren</strong>, S. 150 ff.; in BonnKomm (Zweitbearb.), Art. 103 Abs. I Rn. 38; K. Schäfer<br />

in LR'4, Ein!. Kap. 13 Rn. 95 Fn. 153; Bohnert in KK OWiG, Ein!. Rn. 128; Rausche,<br />

<strong>Die</strong> Bedeutung des Art. 103 Abs. I GG für die Stellung des Angeklagten in der Hauptverhandlung<br />

der Tatsacheninstanz, S. 62 ff.<br />

191 Tiedemann in: <strong>Die</strong> Verbrechen in der Wirtschaftl, S. 37.<br />

192 Hillenkamp, JR 1975, S.339; NJW 1989, S.2847; Ulsenheimer, wistra 1983,<br />

S. 14; HWiStR, S. <strong>3.</strong><br />

193 BGHSt 35, S. 137 (142).<br />

194 RieB, JR 1985, S.48; Volk, StV 1986, S.37; ähnlich Hillenkamp, NJW 1989,<br />

S.2847.<br />

195 Vg!. BGHSt 19, S. 273 (275 ff.); 22, S. 26 (29); 26, S. 84 (90); 32, S. 345 (350);<br />

NStZ 1984, S. 419.<br />

196 A. A. Volk, StV 1986, S. 35, der darauf abhebt, ein Fehler würde nicht "in der<br />

Skala <strong>von</strong> Fehlern <strong>und</strong> Bedenklichkeiten ganz unten" rangieren. Siehe auch Wolter in<br />

SK StPO, vor § 151 Rn. 209 f.<br />

197 Volk, StV 1986, S. 35; vg!. auch Driendl, Verfahrensökonomie <strong>und</strong> Strafprozeßreform,<br />

S. 30<strong>3.</strong> In anderem Zusammenhang, nämlich zum Fehlurteil, gebraucht M. Hirschberg,<br />

Das Fehlurteil im Strafprozeß, S. 7 f., den Begriff ("Pathologie der Strafurteilsfindung").<br />

198 Vg!. Hili, HdB Staatsrecht VI, § 156 Rn. 16. Den anderen, hier zu vernachlässigenden<br />

Zugang beschreibt Wolter in SK StPO, vor § 151 Rn. 209 f.: Das Abstellen auf das<br />

gesteigerte Handlungsunrecht bei Strafverfolgung in "extrem menschenrechtswidriger<br />

Weise".<br />

199 Ähnlich RieB, JR 1985, S. 46; Hillenkamp, NJW 1989, S. 2847.<br />

200 Paulus in KMR, § 206a Rn. 25.<br />

201 RieB, JR 1985, S. 48.<br />

202 Volk, StV 1986, S. 36.<br />

203 Vg!. etwa Rüping, <strong>Die</strong> Mitverantwortung des Staates als Verfolgungsverbot,<br />

S. 20 ff.; Fe1ix, DB 1983, S. 2728 f.; Schreiber, OS Arm. Kaufmann, S. 831 f.<br />

12*


180 5. Kap.: Einstellung wegen Verletzung <strong>von</strong> Verfahrensrecht B. Schwerwiegende Rechtsstaatswidrigkeit als Verfolgungsverbot 181<br />

allem aber die Verbotsirrtumsregelung abschließend die Rechtsfolgen bestimmt<br />

204 • Auch bei der Einflußnahme seitens der Justizverwaltung auf laufende<br />

<strong>Strafverfahren</strong> 205 dürften die Befangenheitsvorschriften 206 der "Einstellungslösung"<br />

207 vorgeschaltet sein.<br />

Umgekehrt wäre noch am ehesten auf ein Verfahrenshindernis bzw. Verfolgungsverbot<br />

in dem Bereich zurückzugreifen, der dadurch gekennzeichnet ist,<br />

daß die Strafverfolgungsbehörden rechtswidrig Kenntnis <strong>von</strong> verfahrensrelevanten<br />

Sachverhalten erlangt haben. So ist schon häufiger auf die Problematik<br />

hingewiesen worden, wie einem Richter etwa bei durch Verstoß gegen § 136a<br />

StPO erlangten Beweismitteln die Isolierung <strong>und</strong> Ausblendung des unter das<br />

Verwertungsverbot fallenden Wissens vom sonstigen Wissen gelingen soll 208 •<br />

Ähnlich hat auch das AG Mannheim bei rechtswidriger Kenntniserlangung des<br />

Verteidigungskonzepts durch die Staatsanwaltschaft ein Verfahrenshindernis angenommen,<br />

da der Verstoß erheblich sei, weil "durch das Vorgehen der Staatsanwaltschaft<br />

Tatsachen zum Nachteil des Angeklagten geschaffen wurden, die nicht<br />

mehr reparabel sind" 209. In diesen Fällen käme ein Verfahrenshindernis in Betracht,<br />

soweit "keine anderweitige Möglichkeit der Verfahrensbeendigung zur<br />

Verfügung" steht 21O , was, wie Geppert hervorhebt, insbesondere Befangenheitsablehnungen,<br />

Auswechselungen der StA-Sitzungsvertreter <strong>und</strong> Beweisverbote<br />

sein können 211. Nun ist der Reparabilität dieser Verfahrensverstöße durch Auswechselung<br />

der Strafverfolgungspersonen entgegengehalten worden, auch die<br />

neuen Amtspersonen könnten den Akten die unter Verstoß gegen das Beweiserhe-<br />

204 Vgl. dazu BGH, NJW 1987, S. 1273 (1279) (insoweit nicht in BGHSt 33, S. 272<br />

abgedruckt); BayObLGSt 1955, S. 192 (197); OLG Stuttgart, JR 1978, S.294 (295);<br />

StA Mannheim, NJW 1976, S. 585 (586); Randelzhofer / Wilke, <strong>Die</strong> Duldung als Form<br />

flexiblen Verwaltungshandeins, S. 77; Hermes / Wieland, <strong>Die</strong> staatliche Duldung rechtswidrigen<br />

Verhaltens, S. 111 f.; Laufhütte / Möhrenschlager, ZStW 92 (1980), S.932;<br />

Möhrenschlager, NuR 1983, S.215; Arzt, GA 1990, S.326; Wasmuth/Koch, NJW<br />

1990, S. 2441.<br />

205 Vgl. J. Wagner, StrafprozeBführung über Medien, S. 75 ff.; Zuck, MDR 1990,<br />

S. 680 ff.<br />

206 Vgl. RGSt 66, S. 385; OLG München, AlsbE 1, Nr. 72; Nr. 77; OLG Celle, MDR<br />

1971, S. 774; OLG Düsseldorf, NJW 1950, S. 395; Wendisch in LR24, § 24 Rn. 11 f.;<br />

Rudolphi in SK StPO, § 24 Rn. 25; Arzt, Der befangene Strafrichter, S. 110 ff.; Schairer,<br />

Der befangene Staatsanwalt, S. 137; Krekeler, NJW 1981, S. 1636.<br />

207 Dafür aber Saiger, ZRP 1990, S. 30; Hillenkamp, NJW 1989, S. 2845; dagegen<br />

Tönnies, ZRP 1990, S. 292 ff. Vgl. auch Hasserner, KritJ 23 (1990), S. 359.<br />

208 K. Peters, Verh. 46. DJT, S. 160; Arzt, FS K. Peters, S. 231 f.; Gössel, NStZ 1984,<br />

S. 421 f.<br />

209 AG Mannheim, StV 1985, S. 276 (aufgehoben durch OLG Kar1sruhe, StV 1986,<br />

S. 10). A. A. auch BGH, NStZ 1984, S. 419; StV 1989, S. 187 (188).<br />

210 OLG Karlsruhe, StV 1986, S. 10 (11).<br />

211 Geppert, JK 1985, StPO § 260 1II/ 1; ähnlich Hillenkamp, NJW 1989, S. 2847;<br />

Grünwald, JZ 1966, S. 500 f.; RieB, JR 1985, S. 45; Arloth, NJW 1985, S. 418; Dahs,<br />

GS K. Meyer, S. 75.<br />

bungsverbot erlangten Kenntnisse entnehmen, was auch de lege ferenda bei enger<br />

Verknüpfung mit dem Prozeßgegenstand nicht immer zu vermeiden wäre 212,<br />

so daß in diesem Fall die Annahme eines Verfahrenshindernisses ultima ratio<br />

wäre 21<strong>3.</strong> Im übrigen kommt entgegen dem 2. Senat des BGH <strong>und</strong> Gössel 214 bei<br />

rechtsstaatswidriger Kenntniserlangung des Verteidigungskonzepts des Beschuldigten<br />

durch die Strafverfolgungsorgane noch eines dazu: Da jedenfalls die<br />

Rechtsprechung nur sehr begrenzt die Fernwirkung <strong>von</strong> Beweisverboten anerkennt,<br />

genügt es nicht, daraufabzustellen, den Beschuldigten bliebe es "unbenommen,<br />

die beabsichtigten Beweisanträge zu stellen <strong>und</strong> auch <strong>von</strong> ihren sonstigen<br />

prozessualen Rechten Gebrauch zu machen". Es dürfte hier vielmehr zulässig<br />

<strong>und</strong> aufgr<strong>und</strong> der richterlichen Aufklärungspflicht sogar geboten sein, die zur<br />

Kenntnis gelangten Hinweise auf weitere Beweismittel zu verfolgen, die der<br />

Beschuldigte aus prozeßtaktischen Gründen entweder später oder aber überhaupt<br />

nicht benutzen wollte.<br />

Sofern man ein Beweisverwertungsverbot mit Fernwirkung beim unzulässigen<br />

Lockspitzeleinsatz anerkennt 215 , wäre auch in diesem Bereich ein entscheidender<br />

Einwand gegen die Annahme eines Prozeßhindernisses (bzw. Verfolgungsverbots)<br />

vorhanden; es erscheint fraglich, ob in diesem Fall noch Raum für ein<br />

"Verfahrenshindernis <strong>von</strong> Verfassungs wegen" als "ultima ratio" für den Fall,<br />

daß der "Schaden irreparabel" ist, bliebe, wie Creutz meint 216 • Freilich würde<br />

die Annahme eines Beweisverwertungsverbots mit Fernwirkung in vielen Fällen<br />

im Ergebnis einem Verfahrenshindernis gleichkommen 217 , wenngleich - nach<br />

Eröffnung - Freispruch zu ergehen hätte 218 •<br />

Was andere Fallgruppen angeht, wäre das Erfordernis des Verfahrenshindernisses<br />

bzw. Verfolgungsverbots als ultima ratio noch skeptischer zu beurteilen: Bei<br />

der "völkerrechtswidrigen Ergreifung" des Beschuldigten 219 scheitert die Annahme<br />

eines solchen (dauerhaften) Hindernisses schon daran, daß es zu einer Privilegierung<br />

des Verfolgten zu seiner früheren Position führte, ihm mehr als eine<br />

212 K. Peters, Verh. 46. DJT, S. 160; Arzt, FS K. Peters, S. 232; Gössel, NStZ 1984,<br />

S. 421 f. 1m sog. Schmücker-Verfahren meinte auch das LG Berlin, sich <strong>von</strong> unzulässigem<br />

Wissen kaum freimachen zu können.<br />

213 Gössel, NStZ 1984, S. 421 f.<br />

214 BGH, NStZ 1984, S.419; Gössel, NStZ 1984, S.421; vgl. auch Arloth, NJW<br />

1985, S. 418.<br />

215 Siehe etwa Franzheim, NJW 1979, S. 2015; Creutz, ZRP 1988, S. 419; wohl auch<br />

Berz, JuS 1982, S. 94 f.; siehe auch schon Lüderssen, FS K. Peters, S. 368; vgl. auch<br />

K. Peters, Verh. 46. DJT, S. 98 f.; 162.<br />

216 Creutz, ZRP 1988, S. 419 Fn. 61; wohl auch Hillenkamp, NJW 1989, S. 2848 f.;<br />

vgl. auch K. Meyer, NStZ 1985, S. 135.<br />

217 Franzheim, NJW 1979, S. 2015; Berz, JuS 1982, S. 421; Lüderssen, Jura 1985,<br />

S. 122; K. Meyer, NStZ 1985, S. 135; 1. Roxin, Rechtsfolgen, S. 227 f.<br />

218 Teilweise abweichend K. Peters, Verh. 46. DJT, S. 161.<br />

219 BVerfG (VorprüfungsausschuB), NStZ 1986, S. 178; (Kammer), NStZ 1986,<br />

S. 468; BGH, NStZ 1984, S. 536; OLG Düsseldorf, NJW 1984, S. 2050.


182 5. Kap.: Einstellung wegen Verletzung <strong>von</strong> Verfahrensrecht B. Schwerwiegende Rechtsstaatswidrigkeit als Verfolgungsverbot 183<br />

Ausreisemöglichkeit einzuräumen 220. Genauso scheidet schließlich die Annahme<br />

eines Verfahrenshindernisses oder Verfolgungsverbots im Falle der "öffentlichen<br />

Vorverurteilung durch die Massenmedien" aus: Hier liegen regelmäßg Fehler<br />

außerhalb der Sphäre der Strafverfolgungsorgane vor 22l ; anderes könnte allenfalls<br />

bei <strong>von</strong> den Strafverfolgungsbehörden gelenkter öffentlicher Vorverurteilung<br />

gelten 222, wofür es jedoch an praktischen Beispielen (bisher) fehlt 22<strong>3.</strong> Im übrigen<br />

dürften auch hier die Befangenheitsvorschriften (bzw. § 145 GVG) vorrangig<br />

sein 224.<br />

Öffentlichkeit auszuschließen. Eine weitere Versagung der Genehmigung könnte<br />

nunmehr ermessensfehlerhaft sein 230.<br />

Letztere Fälle haben mit dem durch Verzögerungen bedingten Beweisverlust<br />

eine wesentliche Gemeinsamkeit: Das Beweismaterial ist durch staatliches Fehlverhalten<br />

materiell unrichtig bzw. unvollständig.<br />

Schließlich sind Rechtsstaatswidrigkeiten denkbar, bei denen die Möglichkeit<br />

bestehen könnte, sie im Rahmen der Beweiswürdigung zu berücksichtigen: <strong>Die</strong>s<br />

hat zum einen der 5. Senat des BGH225 gegen das LG Hannover 226 bejaht für<br />

den Fall <strong>von</strong> Beweismanipulationen der Strafverfolgungsbehörden. Anders als<br />

in der oben erwähnten Fallgruppe der rechtswidrigen Erlangung <strong>von</strong> Beweismitteln<br />

ist hier die Befürchtung, die Gerichte könnten sich nicht <strong>von</strong> dem fehlerhaften<br />

Material lösen, nicht realistisch, da hier nicht nur formell der Ermittlungsweg,<br />

sondern auch das Ermittlungsergebnis materiell falsch ist 227. <strong>Die</strong> Möglichkeit<br />

der Berücksichtigung im Rahmen der Beweiswürdigung hat der 2. Strafsenat des<br />

BGH auch im Fall der nicht umfassend erteilten Aussagegenehmigung eines<br />

angeklagten Beamten betont 228 . <strong>Die</strong>ser Konstellation steht zwar zunächst einmal<br />

das Bedenken gegenüber, daß in der fehlerfreien Beschränkung der Aussagegenehmigung<br />

staatliches Fehlverhalten jedenfalls dann nicht gesehen werden kann,<br />

sofern man hier nicht auf eine Art venire contra factum proprium abstellt229.<br />

Anders sieht es aber aus, wenn die vollständige Aussagegenehmigung verweigert<br />

worden ist, obwohl das Gericht sich bereiterklärt hat, nach § 172 Nr. I GVG die<br />

220 M. Herdegen, EuGRZ 1986, S. 2; Vogler, FS Oehler, S. 390; Schubarth, StV 1987,<br />

S. 175; a.A. Hillenkamp, NJW 1989, S. 2849 Fn. 97.<br />

221 Hassemer, NJW 1985, S. 1928; Hillenkamp, NJW 1989, S.2845 Fn.46; wohl<br />

auch Bruns, NStZ 1985, S. 565.<br />

222 Hillenkamp, NJW 1989, S. 2849. S. dazu auch unten, 7. Kap. C I 2.<br />

223 Hillenkamp, NJW 1989, S. 2845.<br />

224 Vgl. BGHSt 22, S. 289; Rudolphi in SK StPO, § 24 Rn. 25; Arzt, Der befangene<br />

Strafrichter, S. 114; J. Wagner, Strafprozeßführung über Medien, S. 90 ff.; Bomkamm,<br />

Pressefreiheit <strong>und</strong> Faimeß des <strong>Strafverfahren</strong>s, S. 209 f.; 237 ff.; Hanack, JZ 1971,<br />

S. 91 f.; Hassemer, NJW 1985, S. 1927; Hillenkamp, NJW 1989, S.2849. Krekeler,<br />

AnwBI. 1985, S. 430, weist allerdings auf die Schwierigkeiten hin, wenn öffentliche<br />

Vorverurteilungen "b<strong>und</strong>esweit stattfinden". Zu Extremfällen vgl. auch Kohl, JZ 1985,<br />

S. 669; J. Meyer in: Öffentliche Vorverurteilung <strong>und</strong> faires <strong>Strafverfahren</strong>, S. 351.<br />

225 BGHSt 33, S. 283 (284).<br />

226 LG Hannover, StV 1985, S. 94 (99 f.).<br />

227 Deshalb ist unklar, warum Teske, JA 1986, S. 109, hier ein "über § 136a StPO<br />

hinausgehendes Verwertungsverbot" fordert. Äußerst problematisch wird es allerdings,<br />

wenn, wie das LG Berlin im sog. Schmücker-Verfahren meinte, sich nicht mehr vollständig<br />

ermitteln läßt, inwieweit das Ermittlungsergebnis materiell falsch ist.<br />

228 BGH, StV 1989, S. 137 (139) (insoweit nicht in BGHSt 36, S. 44 abgedruckt).<br />

229 Vgl. J. Meyer, ZStW 95 (1983), S. 850 f.<br />

230 So zutreffend Salditt, NStZ 1989, S. 333; Geppert, JK 1989, StPO § 244 lI/5b.<br />

Vgl. auch Ziegler, <strong>Die</strong> Aussagegenehmigung im Beamtenrecht, S. 174 f.


A. Beweisverlust - <strong>Die</strong> Ausgangslage 185<br />

Sechstes Kapitel<br />

Beweiserleichterung wegen<br />

Unterganges <strong>von</strong> Beweismitteln<br />

A. Beweisverlust - <strong>Die</strong> Ausgangslage<br />

Knüpft man an diese Überlegungen an, bleibt zu prüfen, ob bei irreparabler<br />

Verfahrensverzögerung der Weg der Berücksichtigung in der Beweiswürdigung<br />

ebenfalls gangbar sein könnte. Sollte sich hier ein prozessual durchführbares <strong>und</strong><br />

materiell befriedigendes Ergebnis finden lassen, bedeutet dies jedenfalls insoweit<br />

das "Aus" für die "Einstellungslösung": Sie wäre als "ultima ratio" nicht <strong>von</strong>nöten,<br />

so daß weder ein Verfahrenshindernis praeter legern noch ein wie auch<br />

immer geartetes "Verfolgungsverbot" ins Leben zu rufen wäre. <strong>Die</strong> ausfüllungsbedürftige<br />

Lücke im Rechtsfolgensystem fehlte.<br />

Beweisverlust - stirbt etwa der (noch nicht gehörte) Zeuge oder geht eine<br />

Urk<strong>und</strong>e verloren - führt im Strafprozeßrecht wie auch nach den sonstigen<br />

Verfahrensordnungen gr<strong>und</strong>sätzlich zum - ersatzlosen - Ausfall des Beweismittels.<br />

<strong>Die</strong>s ist im <strong>Strafverfahren</strong> für den Beschuldigten prinzipiell sogar unproblematischer,<br />

als dies in sonstigen Verfahren ist, da er hier keinerlei "Beweislast"<br />

trägt I, sondern vollständig überführt werden muß. Eine Ausnahme gilt lediglich<br />

für § 186 StGB, wo der Beweisverlust den Beschuldigten trifft 2. Theoretisch<br />

folgt ansonsten aus dem Gr<strong>und</strong>satz "in dubio pro reo", daß nur im Falle eines<br />

"Fehlurteils" - d. h. der irrtümlichen richterlichen Überzeugungsbildung - sich<br />

Beweisverlust zu Lasten des Beschuldigten in der Entscheidung auswirken kann<br />

(sofern es sich nicht um ein die Wahrheit verfälschendes Beweismittel gehandelt<br />

hat). Allerdings impliziert eine (teilweise) Nichtbestrafung "in dubio pro reo"<br />

- worauf Montenbruck hinweist 3 -, daß weiterhin ein (u. U. ganz erheblicher)<br />

Verdacht besteht.<br />

Bei näherem Hinsehen ergibt sich jedoch darüber hinaus, daß bei der praktischen<br />

Rechtsanwendung gerade im <strong>Strafverfahren</strong> die Gefahr des "Fehlurteils"<br />

1 Vgl. dazu Montenbruck, In dubio pro reo, S. 35 ff.; Volk, JuS 1975, S. 26 f.; Prütting,<br />

Gegenwartsprobleme der Beweislast, S. 36 ff.<br />

2 Vgl. Prütting, Gegenwartsprobleme der Beweislast, S. 38; Dreher / Trönd1e, StGB44,<br />

§ 186 Rn. 8. Vgl. dazu auch J. Kühl, Prozeßgegenstand <strong>und</strong> Beweisthema im <strong>Strafverfahren</strong>,<br />

S. 196 f.<br />

3 Montenbruck, In dubio pro reo, S. 64.<br />

aufgr<strong>und</strong> "psychologischer Überforderung"4 nicht zu gering zu veranschlagen<br />

ist: Anklage wird <strong>von</strong> der Staatsanwaltschaft bei "genügendem Anlaß" erhoben<br />

(§ 170 I StPO), das Gericht eröffnet, wenn der Angeschuldigte "hinreichend<br />

verdächtig" erscheint (§ 203 StPO). Staatsanwaltschaft <strong>und</strong> Gericht haben also<br />

die Verurteilung aufgr<strong>und</strong> des ihnen vorliegenden Beweismaterials für wahrscheinlich<br />

angesehen. Zwar muß das Gericht allen konkreten Anhaltspunkten<br />

für einen anderen Geschehensablauf nachgehen - aber eben diese Anhaltspunkte<br />

werden regelmäßig nur durch Beweismittel zu vermitteln sein 5.<br />

<strong>Die</strong>se Ausgangslage ist auch beim Beweisverlust durch Zeitablauf gegeben:<br />

<strong>Die</strong> Möglichkeit, ein untergegangenes Beweismittel hätte den Beschuldigten<br />

entlasten können, findet nur dann in die richterliche Beweiswürdigung Eingang,<br />

wenn Anhaltspunkte hierfür bestehen. Ansonsten wird eine diesbezügliche Behauptung<br />

des Beschuldigten auch unter Berücksichtigung der Zweifelsregelung<br />

kaum geeignet sein, die richterliche Überzeugungsbildung zu beeinflussen, sondern<br />

als bloße Schutzbehauptung abgetan werden. Der bloße Zeitablauf wird<br />

einen solchen Anhaltspunkt nur selten darstellen: So mag etwa beim versuchten<br />

Alibibeweis die Behauptung eines Zeugen, er könne sich nicht mehr sicher<br />

erinnern, ob er mit dem Beschuldigten zur fraglichen Zeit zusammengewesen<br />

ist, nach längerem Zeitablauf glaubhafter sein <strong>und</strong> dann bei Gericht eher Zweifel<br />

an der Täterschaft des Beschuldigten wecken als kurz nach der Tat. Nichts<br />

anderes dürfte auch gelten, soweit der Beschuldigte sich damit verteidigt, wie<br />

Anfang der sechziger Jahre unter dem Gesichtspunkt des verspäteten rechtlichen<br />

Gehörs geschehen 6 , er könne sich an die ihm vorgeworfenen (Bagatell-)Verfehlungen<br />

nicht mehr erinnern.<br />

<strong>Die</strong>sen Überlegungen entspricht es, wenn der 2. Senat des BGH in dem erwähnten<br />

Fall (rechtmäßiger) beamtenrechtlicher Beschränkung der Aussagegenehmigung<br />

des beschuldigten V-Mann-Führers, der wegen Straftaten im Amt angeklagt<br />

war, dem Tatgericht empfiehlt, der Hinderung der Geltendmachung <strong>von</strong> Umständen<br />

"besonderes Augenmerk zuzuwenden" <strong>und</strong> im Zweifel für den Angeklagten<br />

zu entscheiden? Nur so macht auch die Formulierung des LG Köln im sog.<br />

"OPEC-Verfahren" Sinn, die durch Zeitablauf verschlechterte Beweissituation<br />

sei "aufder Ebene der Beweiswürdigung" zu berücksichtigen 8. Hier gabenjeweils<br />

4 Montenbruck, In dubio pro reo, S. 64; 190; Sax in: <strong>Die</strong> Gr<strong>und</strong>rechte III/2, S. 989;<br />

ähnlich Schünemann, Verh. 58. DJT, S. B 145 f.<br />

5 Vgl. Dencker, ZStW 102 (1990), S. 72 f.; J. Kühl, Prozeßgegenstand <strong>und</strong> Beweisthema<br />

im <strong>Strafverfahren</strong>, S. 199 f.<br />

6 Vgl. OLG Düsseldorf, NJW 1961, S. 1734 (1735); OLG Schleswig, NJW 1963,<br />

S. 45~ (456); OLG Celle, NJW 1963, S. 1320 (1321); Rüping, Der Gr<strong>und</strong>satz des<br />

rechtlIchen Gehörs <strong>und</strong> seine Bedeutung im <strong>Strafverfahren</strong>, S. 151; in BonnKomm<br />

(Zweitbearb.), Art. 103 Abs. 1 Rn. 38; Rausche, <strong>Die</strong> Bedeutung des Art. 103 Abs. 1 GG<br />

für die Stellung des Angeklagten in der Hauptverhandlung der Tatsacheninstanz, S. 64 ff.<br />

? BGH, StV 1989, S. 137 (139) (insoweit nicht in BGHSt 36, S. 44 abgedruckt).<br />

8 LG Köln, NStZ 1989, S. 442 (443).


186 6. Kap.: Beweiserleichterung wegen Unterganges <strong>von</strong> Beweismitteln B. Beweisvereitelung - Das Extrem 187<br />

die besonderen Sachverhalte Anlaß, den Verlust <strong>von</strong> Entlastungsbeweisen für<br />

möglich zu erachten.<br />

Im Zivilprozeßrecht ist die Problematik bekannt, inwieweit eine darle~ung~pflichtige<br />

Partei mit Nichtwissen (§ 138 IV ZPO) bestreiten kan~, wenn ihr die<br />

Substantiierung ihrer Behauptung, so sei es nicht gewesen, mcht zugemutet<br />

werden kann. Hier wird da<strong>von</strong> ausgegangen, daß nur ein korrektes Sicherinnern<br />

im Sinne einer pflichtgemäßen Gedächtnis- <strong>und</strong> Nachforschungsanstrengung zu<br />

erwarten ist. Es schade die Berufung auf Nichtwissen dann nicht ohne weiteres,<br />

wenn auch jeder andere Durchschnittsbürger sich an den fraglichen Vorfall<br />

überhaupt nicht mehroder wenigstens nicht mehr an dessen relevante Einzelheiten<br />

erinnern würde bzw. wenn dazu etwa vorhanden gewesene Hilfsmittel (Erinnerungsstützen)<br />

ohne Sorgfaltsverstoß nicht mehr präsent sind 9 • Folge ist, daß ~ie<br />

Gegenpartei für ihre Behauptung beweispflichtig ist. Auch hier knüpfen beweisrechtliche<br />

Folgen also erst dann an den möglichen Beweisverlust durch Zeitablauf<br />

an, wenn dieser im Einzelfall plausibel erscheint.<br />

B. Beweisvereitelung - Das Extrem<br />

Anders könnte die Sachlage im entgegengesetzten Fall aussehen, wenn der<br />

Beweis nicht durch bloßen Zeitablauf untergegangen ist, sondern die Strafverfolgungsbehörden<br />

die Beweiserhebung "vereitelt", also bewußt ver~indert hab~n.<br />

Solche Vorkommnisse mögen vornehmlich theoretischer Natur sem, wenngleich<br />

auch etwa das LG Hannover in einer neueren Entscheidung einige Vorfälle dieser<br />

Art festgestellt hat 10. Danach hatten die Ermittlungsorgane unter anderem ein<br />

Vernehmungsprotokoll "unterdrückt", ein zweites "vernichtet" <strong>und</strong> ein Foto "zurückgehalten".<br />

Auch der 5. Strafsenat des BGH hat im sog. "Schmücker-Verfahren"<br />

formuliert, die "Unerreichbarkeit" einzelner Beweismittel sei "weitgehend<br />

auch durch das Verhalten <strong>von</strong> staatlichen Behörden verursacht worden"". Zwar<br />

hat es sich hier nicht um Verhalten <strong>von</strong> Strafverfolgungsbehörden, sondern des<br />

Verfassungsschutzes gehandelt; dies spielt aber nach oben Gesagtem dem Beschuldigten<br />

gegenüber keine Rolle 12. Es fragt sich, ob in solchen Fällen nicht<br />

weitergehende beweisrechtliche Konsequenzen zu ziehen sind.<br />

9 Eike Schmidt in AK ZPO, § 138 Rn. 72 f.; OLG Hamm, VersR 1982, S. 1045; LAG<br />

Bremen, BB 1986, S. 1992. VgI. auch F. v. Hippel, Wahrheitspflicht <strong>und</strong> Aufklärungspflicht<br />

der Parteien im Zivilprozeß, S. 410 ff.; Olzen, ZZP 98 (1985), S. 422 f. Vgl. auch<br />

RG, HRR 1934, Nr. 560.<br />

10 LG Hannover, StV 1985, S. 94 (99 f.).<br />

" BGH, StV 1989, S. 187 (188). VgI. dazu Häusler, Der unendliche Kronzeuge,<br />

S. 7 ff.; E1fferding, Cilip 28 (1987), S. 31 ff.; Strate, D~R.198~, S. 36~ ff.; J. Blau, ~uR<br />

1989, S. 253 ff. Noch weitergehend jetzt das LG Berhn m semem EmstellungsurteiI.<br />

12 Siehe oben, <strong>3.</strong> Kap. B 11.<br />

I. <strong>Die</strong> gesetzlichen Anknüpfungspunkte<br />

1. Beeinträchtigung des Erinnerungsvermögens, § 1363 11 StPO<br />

Das OLG Celle hat sich in einem obiter dictum zu dem Fall "willkürlicher<br />

Verschleppung polizeilicher Ermittlungen zwecks Beeinträchtigung des Erinnerungsvermögens<br />

eines Beschuldigten (oder Zeugen)" geäußert 1<strong>3.</strong> Das Gericht hat<br />

angedeutet, daß hier die Vorschrift des § 136a 11 StPO eingreifen könnte, wonach<br />

das Erinnerungsvermögen beeinträchtigende Maßnahmen "nicht gestattet" sind.<br />

In der Literatur wird § 136a 11 StPO kaum näher betrachtet; der Vorschrift wird<br />

neben Abs. 1 nur geringe Bedeutung eingeräumt. So erscheint es zunächst nicht<br />

einmal zweifelsfrei, inwieweit § 136a 11 StPO für einen Teilbereich des Problems<br />

- den Zeugenbeweis (§ 69 III StPO), den Sachverständigenbeweis (vgl. § 72<br />

StPO) <strong>und</strong> die Einlassung des Beschuldigten als Beweismittel im weiteren Sinne<br />

- anwendbar ist. Da in § 136a 11 StPO - anders als in Abs. 1 - nicht nur<br />

bestimmte Einwirkungsmöglichkeiten verboten sind (wobei der dortige Katalog<br />

auf Methoden ausgedehnt werden kann, die vergleichbar sind 14), sondern die<br />

Einwirkung auf den zu Vernehmenden generell für unzulässig erklärt wird 15,<br />

mag das bloße Zuwarten ausreichend sein, wenngleich in der Literatur nur auf<br />

Eingriffe wie Verabreichung <strong>von</strong> Mitteln, Hypnose <strong>und</strong> Suggestion sowie Ermüdung<br />

hingewiesen wird 16. Denn vieles spricht dafür, daß das hier aufgeworfene<br />

Problem in der Literatur bisher überhaupt nicht erkannt worden ist; symptomatisch<br />

dafür sind etwa die Ausführungen Schlüchters, daß "kaum einmal in der<br />

Verfahrenswirklichkeit das Erinnerungsvermögen beeinträchtigt sein" würde 17.<br />

<strong>Die</strong> Rechtsfolge des Verstoßes gegen § 136a 11 StPO ist jedoch - auch hierzu<br />

wird nirgends Stellung genommen - völlig zweifelhaft: Zwar bezieht sich das<br />

Verwertungsverbot des § 136a III StPO auch auf Verstöße gegen Abs. 2. <strong>Die</strong>s<br />

ist unproblematisch, sofern das Zuwarten zu einer (falschen) Aussage geführt<br />

hat. Wie soll aber ein Verwertungsverbot hinsichtlich einer Aussage funktionieren,<br />

die gerade aufgr<strong>und</strong> der Beeinträchtigung des Erinnerungsvermögens überhaupt<br />

nicht mehr gemacht werden konnte? Der Zweifelsgr<strong>und</strong>satz kann in dieser<br />

Konstellation kaum helfen. Rein logisch gibt es hierfür nur eine Antwort: Verbietet<br />

sich die Verwertung einer unzulässig herbeigeführten Aussage, dann müßte<br />

sich die Verwertung einer vereitelten Aussage gebieten. Es wäre im <strong>Strafverfahren</strong><br />

da<strong>von</strong> auszugehen, daß die für den Beschuldigten günstigstmögliche Aussage<br />

gemacht worden wäre.<br />

13 OLG Celle, NJW 1963, S. 1320 (1321).<br />

14 He. Müller in KMR, § 136a Rn. <strong>3.</strong><br />

15 He. Müller in KMR, § 136a Rn. 2.<br />

16 Vgl. Hanack in LR2\ § 136a Rn. 57; Rogall in SK StPO, § 136a Rn. 79; K. Peters,<br />

Strafprozeß4, § 4111 3; Erbs, NJW 1951, S. 389.<br />

17 Schlüchter, Das <strong>Strafverfahren</strong> 2 , Rn. 97.


._--_.------<br />

188<br />

6. Kap.: Beweiserleichterung wegen Unterganges <strong>von</strong> Beweismitteln B. Beweisvereitelung - Das Extrem 189<br />

2. Beseitigung einer Urk<strong>und</strong>e, § 444 ZPO<br />

Ein solches "Verwertungsgebot" ist, betrachtet man es genauer, gar nicht so<br />

abwegig, wie es zunächst erscheinen mag. Einen Hinweis hierzu gibt § 444 ZPO:<br />

"Ist eine Urk<strong>und</strong>e <strong>von</strong> einer Partei in der Absicht, ihre Benutzung dem Gegner<br />

zu entziehen, beseitigt oder zur Benutzung untauglich gemacht, so können die<br />

Behauptungen des Gegners über die Beschaffenheit <strong>und</strong> den Inhalt der Urk<strong>und</strong>e<br />

als bewiesen angesehen werden". <strong>Die</strong> gleiche Tendenz findet sich auch in §§ 427,<br />

441 III Satz 3 ZPO. § 444 ZPO wird <strong>von</strong> der ganz herrschenden Ansicht als<br />

über den Urk<strong>und</strong>enbeweis hinausgehende, nicht nur auf den Zivilprozeß beschränkte<br />

allgemeine Gr<strong>und</strong>regel für die Beweisvereitelung angesehen 18, der nur,<br />

wie Egbert Peters es ausdrückt, einen "besonders spektakulären Verletzungsfall"<br />

kodifiziert 19.<br />

Einen Sachverhalt der Beweisvereitelung durch Zeitablaufhat das OLG Frankfurt<br />

unter Heranziehung des aus § 444 ZPO entnommenen Rechtsgedankens<br />

entschieden: Es hat in einem Zivilverfahren, in dem der Kläger die Vernehmung<br />

der vom Beklagten benannten Zeugen durch Nichtentbindung <strong>von</strong> deren Schweigepflicht<br />

um sieben Jahre verzögert hatte mit der Folge, daß diese sich nicht<br />

mehr erinnern konnten, den Beklagten im Ergebnis so gestellt, als wäre ihm der<br />

Entlastungsbeweis geglückt20. Der IX. Zivilsenat des BGH konnte in einer Entscheidung<br />

offenlassen, "ob <strong>und</strong> inwieweit das Verhalten des KI. im vorliegenden<br />

Falle Anlaß geben kann, ihm die Nachteile aus einer durch den Zeitablauf erschwerten<br />

Beweisführung aufzubürden" 21.<br />

11. <strong>Die</strong> rechtlichen Parallelen<br />

Von beiden Vorschriften aus käme man also zu dem gleichen Ergebnis: Liegt<br />

Irreparabilität aufgr<strong>und</strong> <strong>von</strong> staatlicher Beweisvereitelung vor, ist das dem Beschuldigten<br />

günstigste Beweisergebnis zugr<strong>und</strong>e zu legen. <strong>Die</strong>s bedeutet nun<br />

freilich nicht, daß damit die Beweistatsache unverrückbar feststehen würde: Dann<br />

stünde der Beschuldigte besser da als ohne die Beweisvereitelung, da das durch<br />

Beweiserhebung gewonnene Beweisergebnis im Rahmen <strong>von</strong> § 261 StPO zurück-<br />

18 Vgl. etwa BGH, VersR 1965, S. 91 (92); Hartmann in Baumbach/Lauterbach 48 ,<br />

§ 444 Anm.2 A; 2 B; 3; Gerhardt, AcP 169 (1969), S.296. A. A. Wahrendorf, <strong>Die</strong><br />

Prinzipien der Beweislast im Haftungsrecht, S. 126; A. Blomeyer, AcP 158 (1959/60),<br />

S. 98. Zur Anwendbarkeit auf den Strafprozeß siehe Krekeler, Der Beweiserhebungsanspruch<br />

des Beschuldigten im Ermittlungsverfahren, S. 269 ff.<br />

19 E. Peters, ZZP 82 (1969), S. 211; vgl. dazu Stümer, <strong>Die</strong> Aufklärungspflicht der<br />

Prozeßen des Zivilprozesses, S. 157 Fn. 30. Vgl. auch Konzen, Rechtsverhältnisse zwischen<br />

Prozeßparteien, S. 233 f.<br />

20 OLG Frankfurt, NJW 1980, S. 2758; vgl. auch BGH, FamRZ 1988, S. 482 (485).<br />

21 BGH, LM Nr. 39 zu § 242 BGB (Ce); vgl. auch BGH, VersR 1965, S. 91 (92).<br />

treten könnte 22. Demzufolge wird in der Zivilprozeßdogmatik auch da<strong>von</strong> gesprochen,<br />

daß der Richter, wenn er über § 444 ZPO eine nicht erreichte Überzeugung<br />

unterstellt, eine zusätzliche "Sanktion" gegen den Vereitelnden verhängt 23 . Eine<br />

solche Sanktion mag im Parteienprozeß angehen. Unter diesem Gesichtspunkt<br />

dürfte auch die häufiger zum Fall der (rechtswidrigen) staatlichen Sperrerklärung<br />

<strong>von</strong> Beweismitteln vorgetragene Auffassung vertretbar sein, dann seien zur Entlastung<br />

vorgebrachte Behauptungen des Beschuldigten als wahr zu unterstellen<br />

<strong>und</strong> "der Entlastungsbeweis gelungen"24. Denn in diesen V-Mann-Fällen nimmt<br />

die sperrende Behörde eine fast parteiähnliche Stellung ein. Jedenfalls bei Beweisvereitelung<br />

durch die Strafverfolgungsbehörden ist für eine Sanktionierung auf<br />

Kosten der Verfahrensziele, insbesondere der Wahrheitsermittlung, kein Raum.<br />

Auch bei einem Verstoß gegen § 136a I StPO folgt aus dem Beweisverwertungsverbot<br />

nicht, daß die unverwertbare Tatsache nicht auf anderem Wege<br />

ermittelt werden dürfte. Hieran ändert sich jedenfalls prinzipiell auch dann nichts,<br />

wenn man entgegen der herrschenden Ansicht dem Beweisverwertungsverbot<br />

des § 136a StPO Fernwirkung zuschreibt25.<br />

Entsprechendes gilt im Rahmen des § 444 ZPO. Auch hier ist es dem Beweisvereitelnden<br />

nicht verwehrt, nunmehr den ihm ursprünglich nicht obliegenden<br />

Gegenbeweis zu führen. <strong>Die</strong> Norm enthält keine Beweisregel 26 . In der Rechtsprechu,ng<br />

des BGH findet sich dazu die Formulierung, daß, wenn eine Partei die<br />

dem Gegner obliegende Beweisführung unmöglich macht, ihr gegenüber die in<br />

Frage kommende Behauptung des Gegners als wahr anzusehen ist, sofern sie<br />

nicht deren Unrichtigkeit nachweist 27 . Hierin könnte auch der Sinn für die als<br />

"Kann-Regelung" ausgestaltete Rechtsfolge des § 444 ZPO zu suchen sein: Der<br />

Gesetzgeber28 wollte wohl nicht bei einer absichtlichen Vereitelung des Urkun-<br />

22 Siehe Nelles, StV 1986, S. 78 f., sowie neuerdings Krekeler, Der Beweiserhebungsanspruch<br />

des Beschuldigten im Ermittlungsverfahren, S. 271 ff. Vgl. auch Hartmann in<br />

Baumbach / Lauterbach 48 , § 444 Anm. 2 A; Baumgärtel, FS Kralik, S. 66; 71; Wahrendorf,<br />

<strong>Die</strong> Prinzipien der Beweislast im Haftungsrecht, S. 128; A. Blomeyer, AcP 158<br />

(1959/69), S. 102 f.<br />

23 Stümer, <strong>Die</strong> Aufklärungspflicht der Parteien des Zivilprozesses, S. 237 f.; Prütting,<br />

Gegenwartsprobleme der Beweislast, S. 188s; Wahrendorf, <strong>Die</strong> Prinzipien der Beweislast<br />

im Haftungsrecht, S. 128 f.; E. Peters, ZZP 82 (1969), S. 211. Vgl. schon Hahn, Materialien<br />

zur Zivilprozeßordnung 2 , S. 329: "prozessuale Strafbestimmung". Vgl. auch Baumgärtei,<br />

FS Kralik, S. 67 m. w. N.<br />

24 LG Münster, StV 1983, S.97; Weider, StV 1983, S. 228; Lüderssen, FS Klug,<br />

S. 538; 1. Meyer, ZStW 95 (1983), S. 859; ähnlich BGHSt 20, S. 189 (191). Vgl. auch<br />

Seelmann, StV 1984, S.479 Fn. 18; Janoschek, Strafprozessuale Durchsuchung <strong>und</strong><br />

Beschlagnahme bei juristischen Personen des öffentlichen Rechts, S. 171.<br />

25 Vgl. dazu etwa Rogall in SK StPO, § 136a Rn. 90 ff., sowie BGHSt 34, S. 362.<br />

26 Vgl. dazu Musielak, <strong>Die</strong> Gr<strong>und</strong>lagen der Beweislast im Zivilprozeß, S. 138 f.<br />

27 BGH, VRS 7, S. 412 (413); NJW 1972, S. 1131; so auch RGZ 101, S. 197 (198);<br />

OGHZ 1, S. 268 (270); kritisch hierzu E. Schneider, MDR 1969, S. 9; Baumgärtel, FS<br />

Kralik, S. 72.


190 6. Kap.: Beweiserleichterung wegen Unterganges <strong>von</strong> Beweismitteln B. Beweisvereitelung - Das Extrem 191<br />

denbeweises dem Richter zur freien Entscheidung überlassen, ob er die Behauptungen<br />

des Gegners als bewiesen ansieht 29, sondern lediglich die Möglichkeit des<br />

Gegenbeweises offen halten 30.<br />

1. Indizbeweis <strong>und</strong> Alibi<br />

Insofern liegt der Fall anders als bei einer Wahrunterstellung gemäß § 244 III<br />

Satz 2 I. Alt. StPO. Dort ist ein Zurückstellen der als wahr unterstellten Tatsache<br />

hinter das sonstige Beweisergebnis im Rahmen der Gesamtwürdigung nicht<br />

erlaubt3!. Vergleichbar ist dies vielmehr mit der Situation, die bei der Wahrunterstellung<br />

<strong>von</strong> Indiztatsachen entsteht, soweit dies überhaupt für zulässig angesehen<br />

wird 32. Hier gilt zwar auch, daß die als wahr unterstellte Indiztatsache nicht<br />

hinter das sonstige Beweisergebnis im Rahmen der Gesamtwürdigung zurückgestellt<br />

werden darf. Der Schluß <strong>von</strong> der Indiztatsache auf die indizierte Tatsache<br />

ist jedoch der richterlichen Beweiswürdigung offen.<br />

Komplizierter wird die Situation bei Indiztatsachen, die nur eine einzige<br />

Schlußfolgerung zulassen, also insbesondere beim behaupteten Alibi. Ist ein Alibi<br />

des Beschuldigten nicht erwiesen, kann ihm dies aber auch nicht widerlegt<br />

werden, so wäre bei isolierter Anwendung des Gr<strong>und</strong>satzes "in dubio pro reo"<br />

freizusprechen. Auch hier geht die Rechtsprechung jedoch zu Recht da<strong>von</strong> aus,<br />

es sei die Tatsache des möglichen Alibis im Zusammenhang mit sämtlichen<br />

Beweismitteln <strong>und</strong> -anzeichen zu würdigen 3<strong>3.</strong> <strong>Die</strong>se Entscheidungen sind zwar<br />

in der Literatur auf heftige Kritik gestoßen, jedoch nur insoweit, als mit "Leichtigkeit"<br />

34 ausgeführt worden ist, beim Alibibeweis gelte der Gr<strong>und</strong>satz "in dubio<br />

pro reD" nicht 35. Inzwischen hat der I. Strafsenat des BGH auch "berichtigend<br />

interpretiert" 36, daß ein Alibi für sich allein nur dann zum Freispruch führt, wenn<br />

es erwiesen ist. Ist das nicht der Fall, so gehe das nur insofern zu Lasten des<br />

Beschuldigten, als sein Versuch, mit der Behauptung eines Alibis unmittelbar,<br />

28 <strong>Die</strong> Materialien schweigen hierzu allerdings; vgl. Hahn, Materialien zur Zivilprozeßordnung<br />

2 , insbes. S. 329.<br />

29 So aber die herrschende Ansicht; vgl. etwa Gerhardt, AcP 169 (1969), S. 301;<br />

Baumgärtel, FS Kralik, S. 71; E. Schneider, MDR 1969, S. 8.<br />

30 So wohl auch Wieczorek, ZP02, § 444 Rn. B IlI; Leipo1d in Stein / Jonas 20 , § 444<br />

Rn. 4.<br />

31 Vgl. statt aller W. Gollwitzer in LR24, § 244 Rn. 249 ff. m.w.N.<br />

32 Dagegen Grünwald, FS Honig, S. 57 ff.; Engels, GA 1981, S. 30.<br />

33 BGHSt 25, S. 285; JR 1978, S. 348; OLG Hamm, JZ 1968, S. 676.<br />

34 Montenbruck, In dubio pro reo, S. 144.<br />

<strong>3.</strong>5 Blei, JA 1974, S. 468 f.; Foth, NJW 1974, S. 1572; Hanack, JR 1974, S. 383 f.; E.<br />

Schneider, MDR 1974, S. 944 f.; Stree, JZ 1974, S. 299 f.; Volk, JuS 1975, S. 25 ff.;<br />

Tenckhoff, <strong>Die</strong> Wahrunterstellung im Strafprozeß, S. 143 ff.; JR 1978, S. 348 f.; Michael,<br />

Der Gr<strong>und</strong>satz in dubio pro reD im <strong>Strafverfahren</strong>srecht, S. 3 f.<br />

36 G. Blau, BA 1989, S. 5<br />

ohne Rücksicht auf das sonstige Beweisergebnis, seine Freisprechung zu erreichen,<br />

gescheitert sei. <strong>Die</strong> "Alibitatsachen" hätten aber im Rahmen der richterlichen<br />

Beweiswürdigung durchaus ihren Platz 37 : Der Beschuldigte hat den Nachweis<br />

des belastenden Umstandes, am Tatort gewesen zu sein 38 , erschwert 39. Der<br />

Streit kann nunmehr als beigelegt angesehen werden40.<br />

2. Indizbeweis <strong>und</strong> Blutalkoholkonzentration<br />

Noch einen Schritt weiter ist der 1. Strafsenat des BGH neuerdings in einem<br />

Fall der Rückrechnung der BAK über einen längeren Zeitraum gegangen 41.<br />

Unbestritten stellt auch die BAK lediglich ein Indiz hinsichtlich der Frage der<br />

Schuldfähigkeit dar. Es interessiert hier nur am Rande, daß der I. Strafsenat im<br />

Anschluß an Schewe 42 <strong>und</strong> die <strong>von</strong> ihm zitierte herrschende Meinung im rechtsmedizinischen<br />

Schrifttum die BAK nur als eine "grobe Orientierungshilfe" sieht<br />

<strong>und</strong> damit im "<strong>Dauer</strong>streit" mit dem 4. Strafsenat 43 der Beweiswürdigung einen<br />

bedeutend größeren Spielraum läßt als dieser 44 , der, seinem Vorsitzenden SaIger<br />

folgend 45 , in der Beweiswürdigung neben dem BAK-Wert nur einen "praktisch<br />

auf null" geschrumpften Beurteilungsspielraum sieht 46 mit der Folge, daß für<br />

ihn bei längerem Zeitraum bis zur Blutentnahme regelmäßig eine hohe BAK<br />

zugr<strong>und</strong>e gelegt <strong>und</strong> § 20 StGB angenommen werden muß.<br />

Wie sehr dieses unbefriedigende, weil mit ziemlicher Wahrscheinlichkeit materiell<br />

falsche Ergebnis die "kaum miteinander vereinbare Rechtsprechung"47 der<br />

einzelnen BGH-Senate beschäftigt, zeigt eine Entscheidung des 2. Senats 48: Er<br />

will die mit den für den Beschuldigten günstigsten Rückrechnungswerten errnit-<br />

37 BGH, NStZ 1983, S. 422; vgl. auch schon Willms, LM Nr. 61 zu § 261 StPO.<br />

38 Was nicht die Beteiligung ausschließen muß; vgl. Montenbruck, In dubio pro reo,<br />

S. 145; Tenckhoff, <strong>Die</strong> Wahrunterstellung im Strafprozeß, S. 145; Döhring, <strong>Die</strong> Erforschung<br />

des Sachverhalts im Prozeß, S. 384; Hanack, JR 1974, S. 384; Volk, JuS 1975,<br />

S. 27. Vgl. auch BGH, StV 1983, S. 40<strong>3.</strong><br />

39 Vgl. Döhring, <strong>Die</strong> Erforschung des Sachverhalts im Strafprozeß, S. 384; Montenbruck,<br />

In dubio pro reo, S. 142 f.; Abwägung <strong>und</strong> Umwertung, S. 35; Tenckhoff, <strong>Die</strong><br />

Wahrunterstellung im Strafprozeß, S. 144 f.; Volk, NStZ 1983, S. 423 f.<br />

40 Montenbruck, In dubio pro reo, S. 142; Volk, NStZ 1983, S.423; G. Blau, BA<br />

1989, S.5. Vgl. aber noch M. Amelung, FG 1.. Koch, S. 148, der zustimmend die<br />

überholte mißverständliche Formulierung des BGH wiederholt.<br />

4! BGHSt 35, S. 308.<br />

42 Schewe, JR 1987, S. 179 ff.<br />

43 G. Blau, JR 1990, S. 294.<br />

44 BGH, NStZ 1989, S. 17.<br />

45 SaIger, FS Pfeiffer, S. 379 ff.<br />

46 G. Blau, JR 1989, S. 338.<br />

47 Detter, NStZ 1990, S. 176; ähnlich Weider, StV 1990, S. 108.<br />

48 BGH, NStZ 1989, S. 47<strong>3.</strong>


192 6. Kap.: Beweiserleichterung wegen Unterganges <strong>von</strong> Beweismitteln B. Beweisvereitelung - Das Extrem 193<br />

telte BAK dergestalt zur Gr<strong>und</strong>lage der Beweiswürdigung machen, daß deren<br />

u. U. hoher Wert (im konkreten Fall 3,49 %0) in Beziehung zu dem durch die<br />

sonstige Beweisaufnahme ermittelten Leistungsverhalten des Beschuldigten zur<br />

Tatzeit gesetzt wird. Ergibt sich hier eine Diskrepanz, so sei die Beweiswürdigung<br />

möglich, daß die Angaben des Beschuldigten über seinen Alkoholkonsum nicht<br />

zutreffen können. <strong>Die</strong>se Beweiswürdigung ist freilich denkfehlerhaft. Der 2. Senat<br />

hat den Gr<strong>und</strong>satz "in dubio pro reo" zu früh angewendet <strong>und</strong> das so gewonnene<br />

Ergebnis dann dem sonstigen Beweisergebnis gegenübergestellt 49 .<br />

Richtiger ist dagegen der Weg des I. Senats, der eine "Wende"50 in der Rechtsprechung<br />

bedeutet: Er gibt wegen des langen Zeitraums (neun St<strong>und</strong>en) zwischen<br />

Tat <strong>und</strong> Blutentnahme der errechneten BAK ein geringeres Gewicht, weil sie<br />

"wahrscheinlich" tatsächlich niedriger gewesen ist: Bei der Rückrechnung oder<br />

aufgr<strong>und</strong> <strong>von</strong> Trinkangaben ermittelten Höchstwerten handele es sich um "fragwürdige<br />

Zahlenspiele mit bloß hypothetischer Bedeutung", denen nur eine eingeschränkte<br />

Indizwirkung zukommen dürfe, so daß sie nicht ohne weiteres zur<br />

vorrangigen oder gar alleinigen Gr<strong>und</strong>lage einer Beweiswürdigung gemacht werden<br />

könnten. Nur wenn es keine weiteren Indizien gebe, die Aufschluß über die<br />

alkoholische Beeinträchtigung geben können, müsse der BAK-Höchstwert <strong>von</strong><br />

ausschlaggebender Bedeutung sein 51.<br />

Nachdem der 1. Strafsenat des BGH kurze Zeit darauf seine Rechtsprechung<br />

wieder zu relativieren schien 52, hat er nunmehr, wiederum in der amtlichen<br />

Sammlung veröffentlicht (BGHSt 36, 286), seine Auffassung nochmals bestätigt<br />

5<strong>3.</strong> Interessant ist an dieser Entscheidung vor allem, daß sich der I. Senat<br />

nunmehr sehr ausführlich auf die Literatur zum gescheiterten Alibibeweis beruft<br />

<strong>und</strong> hier Parallelen zieht54. <strong>Die</strong>s unterliegt jedoch Bedenken: Mag beim gescheiterten<br />

Alibibeweis es noch möglich sein, zugunsten des Täters zu würdigen, daß<br />

er "möglicherweise", also mehr oder weniger wahrscheinlich ein Alibi habe 5 5,<br />

schlägt nach dem I. Senat hier zu Lasten des Täters aus, daß er "möglicherweise"<br />

eine geringere BAK gehabt hat.<br />

Übertrüge man dies dennoch auf die Beweisvereitelung, bedeutete dies, daß<br />

das Gericht nicht nur in der Beweiswürdigung den verlorenen Beweis hinter<br />

49 Vgl. BOHR StOB § 21 Blutalkoholkonzentration I; StV 1987, S. 477 (478); 1990,<br />

S.100.<br />

50 O. Blau, BA 1989, S. <strong>3.</strong><br />

51 BOHSt 35, S. 308 (313 ff.).<br />

52 BOH, StV 1990, S. 107. Siehe dazu Weider, StV 1990, S. 108.<br />

53 Zustimmend G. Blau, JR 1990, S. 294 f.<br />

54 BOHSt 36, S. 286 (290 f.).<br />

55 Montenbruck, In dubio pro reo, S. 143; Döhring, <strong>Die</strong> Erforschung des Sachverhalts<br />

im Prozeß, S. 384; Orünwald, FS Honig, S. 58 f.; Stree, JZ 1974, S. 299; Volk, NStZ<br />

1983, S. 423; O. Blau, BA 1989, S. 5. Vgl. auch BVerfO (Vorprüfungsausschuß), MDR<br />

1975, S. 468 (469).<br />

andere zurücktreten lassen könnte, sondern zusätzlich noch berücksichtigen dürfte,<br />

wie wahrscheinlich die "errechnete" Beweistatsache real vorgelegen hat. Hier<br />

dürften dann also etwa die Motivation des Vereitelnden oder die Umstände, unter<br />

denen der Beschuldigte die Beweisbehauptung aufgestellt hatte, gewürdigt werden.<br />

III. <strong>Die</strong> praktische Umsetzung<br />

Praktisch bedeutet dies: Ein Beweismittel ist verlorengegangen, etwa ein Tatzeuge<br />

verstorben. <strong>Die</strong> Staatsanwaltschaft hat seine rechtzeitige Vernehmung<br />

vereitelt. Der Beschuldigte behauptet, dieser Zeuge hätte bek<strong>und</strong>en können, daß<br />

er nicht der Täter sei.<br />

Da dem Beschuldigten dies nicht zu widerlegen ist, muß zunächst <strong>von</strong> einer<br />

solchen Bek<strong>und</strong>ung des verstorbenen Zeugen ausgegangen werden. Dann ist aber<br />

- wie beim Alibibeweis - diese Aussage mit dem sonstigen Beweisergebnis<br />

zusammen zu würdigen: Haben etwa andere Zeugen glaubhaft das Gegenteil<br />

ausgesagt, ist der Beschuldigte zu verurteilen.<br />

Sind dagegen etwa nur Indizien vorhanden, die - denkt man sich die Aussage<br />

des verstorbenen Zeugen einmal weg - zur Überzeugungsbildung <strong>von</strong> der Täterschaft<br />

des Beschuldigten genügt hätten, obwohl sie verschiedene Schlußfolgerungen<br />

zulassen, so gilt anderes, selbst wenn man der Rechtsprechung des I. Strafsenats<br />

zur BAK folgt: Zwar braucht dann das Gericht nicht sofort in dubio pro<br />

reo freizusprechen, sondern darf würdigen, daß die entlastende Aussage des<br />

Zeugen bloß hypothetisch gewonnen ist. Es kann also prüfen, wie wahrscheinlich<br />

der verstorbene Zeuge den Beschuldigten entlastet hätte, indem es etwa würdigt,<br />

ob der Beschuldigte schon vor dem Ableben des Zeugen behauptet hatte, daß<br />

der Zeuge entlastend aussagen würde. Es hat zu prüfen, wie der Beschuldigte<br />

zu seiner Behauptung der entlastenden Aussage kommt. Außerdem darf das<br />

Gericht die Vereitelungshandlungen der Staatsanwaltschaft berücksichtigen. Bei<br />

- absichtlicher - Beweisvereitelung wird die Tatsache der Vereitelung jedoch<br />

regelmäßig die Vermutung begründen, daß das untergegangene Beweismittel den<br />

Beschuldigten entlastet hätte 56.<br />

Sind dagegen keine (weiteren) Beweismittel, die zur Verurteilung genügen,<br />

vorhanden, müßte das Gericht selbst dann den Beschuldigten freisprechen, wenn<br />

die Strafverfolgungsorgane ursprünglich die Verurteilung aufdie erwartete entgegengesetzte<br />

Aussage des verstorbenen Zeugen stützen wollten.<br />

56 Vgl. dazu unten, C I.<br />

13 Seherner


194 6. Kap.: Beweiserleichterung wegen Unterganges <strong>von</strong> Beweismitteln C. Unterlassene Beweissicherung - Der HauptfaH 195<br />

C. Unterlassene Beweissicherung - Der Hauptfall<br />

Bisher Ausgeführtes ist zwar dann bedeutungslos, wenn man, wie oben vorsichtig<br />

befürwortet, die Verwirkung des staatlichen Strafanspruchs (jedenfalls im<br />

Sinne der staatlichen Strafverfolgungsbefugnis) prinzipiell für möglich erachtet57.<br />

Denn die (absichtliche) Beweisvereitelung entspricht der "Verzögerung zwecks<br />

Verurteilung". Andererseits besteht aber, pragmatisch gesehen, gerade wegen<br />

der Lösungsmöglichkeit dieser Fallgruppe über das Beweisrecht ein weiteres<br />

Argument gegen die Anerkennung des Verwirkungsgedankens im Strafprozeßrecht:<br />

Denn da die Verwirkung der Strafverfolgungsbefugnis höchstens zu einem<br />

Verfahrenshindernis praeter legern oder zu einem verfahrenshindemisähnlichen<br />

Verfolgungsverbot führen lann, die überhaupt nur als ultima ratio anzuerkennen<br />

sind, wird die Rechtsfigur überflüssig, soweit auf die Fallgruppen beweisrechtliche<br />

Reaktion möglich ist.<br />

Auch was die Verwirkung durch Zeitablauf (Enttäuschung berechtigten Vertrauens)<br />

angeht, deren Anerkennung ohnehin eher zurückhaltender zu handhaben<br />

ist, ergeben sich Berührungspunkte: <strong>Die</strong> "illoyale Verspätung" setzt voraus, daß<br />

die verspätete Inanspruchnahme nicht mehr zumutbar ist, weil sich der in Anspruch<br />

Genommene darauf eingerichtet hat 58, also Maßnahmen getroffen hat,<br />

die nicht mehr oder nur sehr schwer rückgängig gemacht werden können59.<br />

Solche Maßnahmen können im <strong>Strafverfahren</strong>srecht vor allem darin liegen, daß<br />

der Beschuldigte im Vertrauen auf die Nichtinanspruchnahme Beweismittel vernichtet<br />

hat, was auch im Zivilrecht, wo es zumeist allerdings um getroffene<br />

Vermögensdispositionen geht, anerkannt ist 60 • Der Unterschied liegt allerdings<br />

darin, daß die "illoyale Verspätung" nach herrschender Meinung kein Verschulden<br />

des Rechtsinhabers voraussetzt 61 , während bei der Beweisvereitelung nach<br />

bisher Gesagtem absichtliches Handeln erforderlich ist.<br />

I. Freie Beweiswürdigung - <strong>Die</strong> faktische<br />

Gleichstellung mit dem Beweisverlust<br />

Es dürfte genauso untragbar erscheinen, wenn jedes Verhalten der Strafverfolgungsorgane<br />

gr<strong>und</strong>sätzlich geeignet sein könnte, berechtigte Erwartungen beim<br />

Beschuldigten mit der Folge der Verwirkung der Strafverfolgungsbefugnis her-<br />

57 Siehe oben, 4. Kap.<br />

58 Vgl. Z. B. BGHZ 25, S. 47 (52); BAG, NJW 1978, S. 723 (725); Roth in Münch­<br />

Komm 2 , § 242 Rn. 332; Heinrichs in Palandt 49 , § 242 Anm. 5 d ce.<br />

59 LG Hof, WM 1971, S. 882 (883); vgl. auch RG, JW 1927, S. 1849 (1850).<br />

60 LG Hof, WM 1971, S.882 (883); J. Schmidt in Staudinger l2 , § 242 Rn. 493;<br />

Heinrichs in Palandt 49 , § 242 Anm. 5 d ce.<br />

61 Siehe oben, 4. Kap. A II 2.<br />

vorzurufen, wie es wertungsmäßig nicht befriedigen dürfte, wenn die prozessualen<br />

Folgen der Irreparabilität auf absichtliches Verhalten der Strafverfolgungsbehörden<br />

beschränkt bleiben 62 , was ohnehin kaum beweisbar ist.<br />

Im Bereich <strong>von</strong> § 136a I StPO wird weitgehend die nicht absichtliche Begehung<br />

durch den Vernehmenden gleichgestellt 63 • Auch in der Zivilprozeßrechtsdogmatik<br />

ist, in Übereinstimmung mit diesen Überlegungen, anerkannt 64 , daß die "fahrlässige<br />

Beweisvereitelung" möglich ist mit der Folge einer Berücksichtigung im<br />

Rahmen des Beweisrechts. <strong>Die</strong>s kann man wohl am ehesten aus §§ 427, 441 III<br />

Satz 3 ZPO ableiten 65 ; im einzelnen sind Rechtsgr<strong>und</strong>lage <strong>und</strong> Voraussetzungen<br />

hierzu genauso hoffnungslos umstritten66 wie die Rechtsfolgen: Während einige<br />

Autoren auch bei der fahrlässigen Beweisvereitelung eine Beweislastumkehr 67<br />

oder eine Herabsetzung des Beweismaßstabes 68 befürworten, wird <strong>von</strong> der herrschenden<br />

Lehre 69 <strong>und</strong> zum Teil auch <strong>von</strong> der Rechtsprechung, die in dieser Frage<br />

schwankt7°, die Berücksichtigung in der freien Beweiswürdigung für richtig<br />

erachtet, also die freie Entscheidung des Richters aufgr<strong>und</strong> der Besonderheiten<br />

des Einzelfalles.<br />

Aufdie Berücksichtigung <strong>von</strong> irreparablen, nicht auf Beweisvereitelung zielenden<br />

Fehlern im <strong>Strafverfahren</strong> in der freien Beweiswürdigung hat auch der BGH<br />

in den letzten Jahren gelegentlich abgestellt. So hat der 5. Strafsenat betont, das<br />

Gericht habe zwar die verweigerte Aussagegenehmigung <strong>von</strong> V-Männern durch<br />

Behörden hinzunehmen, aber "ihre Weigerung <strong>und</strong> die dafür angegebenen Gründe<br />

bei der Beweiswürdigung zu berücksichtigen" 71. <strong>Die</strong>se Rechtsprechung muß nun<br />

62 Vgl. Hillenkamp, NJW 1989, S.2848: "durch den dem Staat zuzurechnenden<br />

Zeitablauf wichtige Beweismittel ganz verspielt".<br />

63 Vgl. statt vieler Hanack in LR24, § 136a Rn. 20; 27; 41.<br />

64 A. A. zuletzt Riezler, JherJb 89 (1941), S. 239.<br />

65 Vgl. E. Peters, ZZP 82 (1969), S. 211; vgl. auch Stümer, <strong>Die</strong> Aufklärungspflicht<br />

der Parteien des Zivilprozesses, S. 157.<br />

66 Vgl. zusammenfassend Baumgärtel, FS Kralik, S. 63 ff.<br />

67 Leipold in Stein 1Jonas 20 , § 286 Rn. 121; Nikisch, Zivilprozeßrecht 2 , § 82 VI 3; A.<br />

Blomeyer, AcP 158 (1959/69), S. 102 f.; 106; Schänke, ZAkDR 1939, S. 193 f.; wohl<br />

auch Dubischar, JuS 1971, S. 392; vgl. auch Stümer, <strong>Die</strong> Aufklärungspflicht der Parteien<br />

des Zivilprozesses, S. 242 ff.<br />

68 G. Walter, Freie Beweiswürdigung, S.236; Maassen, Beweismaßprobleme im<br />

Schadensersatzprozeß, S. 180 f.; Baumgärtei, FS Kralik, S. 73 f.; R. Bender, FS Baur,<br />

S. 266 f.; Kegel, FS Kronstein, S. 341 f.<br />

69 Vgl. etwa Stephan in ZäHer!6, vor § 284 Rn. 21; Hartmann in Baumbach/Lauterbach<br />

48 , Anh. § 286 Anm.3 C a; Rosenberg 1Schwab, Zivilprozeßrecht 9 , § 57 V 2 b;<br />

Musielak, <strong>Die</strong> Gr<strong>und</strong>lagen der Beweislast im Zivilprozeß, S. 133 ff.; Gerhardt, AcP 169<br />

(1969), S. 307; E. Peters, ZZP 82 (1969), S. 212 ff.<br />

70 Vgl. dazu Leipold in Stein 1Jonas 20 , § 286 Rn. 121 Fn. 293; Rosenberg 1Schwab,<br />

Zivilprozeßrecht l 4, § 118 II 4 a; Prütting, Gegenwartsprobleme der Beweislast, S. 187;<br />

E. Peters, ZZP 82 (1969), S. 212 f.; Gerhardt, AcP 69 (1969), S. 293 f.; Baumgärtel, FS<br />

Kralik, S. 72 f.<br />

7\ BGHSt 33, S. 178 (180); ähnlich bei Holtz, MDR 1989, S. 684.<br />

13*


198 6. Kap.: Beweiserleichterung wegen Unterganges <strong>von</strong> Beweismitteln C. Unterlassene Beweissicherung - Der Hauptfall 199<br />

Gemäß § 16011 StPO hat die Staatsanwaltschaft für die Erhebung der Beweise<br />

Sorge zu tragen, deren Verlust droht. Beispielhaft ist hier zu nennen die Entnahme<br />

<strong>von</strong> Blut- oder Harnproben zur Feststellung <strong>von</strong> Alkohol-, Medikamenten- <strong>und</strong><br />

Drogeneinfluß, die Sicherung <strong>von</strong> Sachbeweisen durch Durchsuchungs- <strong>und</strong><br />

Beschlagnahmeanordnungen (vgl. auch Nr. 76 RiStBV) sowie die Leichenschau<br />

<strong>und</strong> -öffnung (§ 87 StPO, Nr. 36 I RiStBV). Gegebenenfalls, etwa wenn mit dem<br />

Ableben eines Zeugen, seiner Beeinflussung zur Falschaussage oder seiner Zeugnisverweigerung<br />

(vgl. Nr. 10 RiStBV) zu rechnen ist, hat die Staatsanwaltschaft<br />

gemäß § 162 StPO beim Ermittlungsrichter den Antrag auf Vornahme einer<br />

richterlichen Untersuchungshandlung zu stellen, etwa, um eine gemäß<br />

§ 251 I StPO in der Hauptverhandlung verlesbare Aussage zu erhalten 82 • <strong>Die</strong>se<br />

Pflichten bestehen gr<strong>und</strong>sätzlich auch noch nach Eröffnung <strong>und</strong> sogar noch<br />

während der Hauptverhandlung 83, während nach dem - praktisch nicht sehr<br />

relevanten - § 165 StPO der Ermittlungsrichter verpflichtet ist, bei "Gefahr im<br />

Verzug" auch ohne Antrag der Staatsanwaltschaft tätig zu werden 84. Gemäß<br />

§ 223 I StPO hat das erkennende Gericht zwecks Beweissicherung 85 Zeugen <strong>und</strong><br />

Sachverständige durch einen beauftragten oder ersuchten Richter vernehmen zu<br />

lassen, sofern für eine längere oder ungewisse Zeit insbesondere Krankheit oder<br />

Gebrechlichkeit einer Beweiserhebung in der Hauptverhandlung entgegenstehen.<br />

<strong>Die</strong>se Pflicht besteht auch schon im Eröffnungsverfahren (vgl. § 202 StPO) 86.<br />

Nach § 225 StPO haben Augenscheinseinnahmen zur Sicherung des Beweises,<br />

wenn Veränderungen zu befürchten sind, vor der Hauptverhandlung zu ergehen;<br />

das Protokoll kann dann gemäß § 249 I Satz 2 StPO in der Hauptverhandlung<br />

verlesen werden 87. Daß in der Hauptverhandlung bei Beweisen, deren Verlust<br />

droht, die Beweisaufnahme rechtzeitig vorzunehmen ist, folgt aus § 24411 StPO.<br />

2. Verkennung der Sicherungsbedürftigkeit ­<br />

<strong>Die</strong> zweite Sorgfaltspflichtverletzung<br />

Eine Verletzung konkret dieser Beweissicherungspflichten würde also, geht<br />

das Beweismittel dann unter, beweisrechtliche Folgen haben, sofern der Amtsträger<br />

zumindest die Sicherungsbedürftigkeit fahrlässig nicht erkannt hat. <strong>Die</strong>s ist<br />

vor allem in drei Konstellationen denkbar:<br />

Zum einen kann dies dann der Fall sein, wenn der Amtsträger - etwa aus<br />

der Verfahrensakte - weiß oder hätte wissen müssen, daß der Verlust eines<br />

Beweismittels droht <strong>und</strong> trotzdem den Beweis nicht rechtzeitig sichert. Da die<br />

Sicherungsbedürftigkeit auch da<strong>von</strong> abhängt, inwieweit <strong>von</strong> dem bedrohten Beweismittel<br />

Bedeutsames für das <strong>Strafverfahren</strong> zu erwarten ist, mindert sich die<br />

Möglichkeit des Beschuldigten, Vorteile aus dem Untergang eines Beweismittels<br />

dadurch zu ziehen, daß er nunmehr ein für ihn entlastendes Beweisergebnis<br />

behauptet: Denn war nach Aktenlage dem untergegangenen Beweismittel keinerlei<br />

Bedeutung zuzumessen, liegt keine Fehleinschätzung des Sicherungsbedürfnisses<br />

durch den Amtsträger vor.<br />

Allerdings kann - dies ist die zweite Konstellation - der Beschuldigte<br />

gegebenenfalls unter Hinweis auf den drohenden Untergang durch Ausübung<br />

seines Beweisantragsrechts in jedem Stadium des Verfahrens (vgl. §§ 163a 11,<br />

201 1,219 I, 244111 StPO) die Relevanz des Beweismittels den Strafverfolgungsbehörden<br />

erkennbar machen.<br />

Am häufigsten dürfte die dritte Konstellation sein: Da insbesondere der Zeugenbeweis<br />

mit längerem Zeitablauf immer unsicherer wird, ist vor allem bei<br />

langer Verfahrensdauer, auch wenn sie nicht auf Verzögerungen beruht, die<br />

Sicherungsbedürftigkeit gegeben. <strong>Die</strong>s mag weniger dann gelten, wenn der Zeuge<br />

Spektakuläres wahrgenommen haben dürfte, als dann der Fall sein, wenn er ein<br />

für ihn belangloses Ereignis wiedergeben soll.<br />

Unter diesem Gesichtspunkt wären etwa die Fälle verspäteten rechtlichen<br />

Gehörs bei kleineren Verkehrsverfehlungen einzuordnen, die dem Beschuldigten<br />

sowohl die Einlassung erschwerten als auch die Möglichkeit, den Entlastungsbeweis<br />

zu führen. Zwar dürfte fraglich sein, ob dies auf die Anfang der sechziger<br />

Jahre entschiedenen Fälle zutrifft, in denen rechtliches Gehör nach einem Zeitraum<br />

<strong>von</strong> zwei Wochen bis 29 Tagen gewährt wurde. Folgt man dem OLG Celle,<br />

daß auch bei kleineren Verfehlungen die Gehörsgewährung innerhalb eines Monats<br />

genügt 88, so mag dies unter Praktikabilitätsgesichtspunkten genauso sinnvoll<br />

sein, wie es im Spannungsverhältnis zu der Rechtsprechung zur Fahrtenbuchauflage<br />

89 <strong>und</strong> zur Halterhaftung 90 steht, die die Anhörung innerhalb <strong>von</strong> 14 Tagen<br />

verlangt.<br />

Rein praktisch gesehen ist allerdings nur in den ersten beiden Konstellationen<br />

mit beweisrechtlichen Konsequenzen zu rechnen, die den Verfahrensausgang<br />

beeinflussen: Regelmäßig wird durch die Unterstellung, eine Person habe nunmehr<br />

eine für ihn belanglose Wahrnehmung vergessen, dem Beschuldigten wenig<br />

gedient sein. Der Erinnerungsverlust bei außergewöhnlichen Ereignissen dauert<br />

82 Vgl. R. Müller in KK StP02, § 160 Rn. 23 f.<br />

83 Vgl. R. Müller in KK StP02, § 160 Rn. 21.<br />

84 Meyer-Goßner in LR24, § 165 Rn. 2.<br />

85 Paulus in KMR, § 223 Rn. 2; Treier in KK StP02, § 223 Rn. 1.<br />

86 Kleinknecht / Meyer, StP039, § 202 Rn. 4.<br />

87 W. Gollwitzer in LR24, § 225 Rn. I; Treier in KK StP02, § 225 Rn. 1.<br />

88 OLG Celle, NJW 1963, S. 1320.<br />

89 BVerwG, NJW 1979, S. 1054 (1056).<br />

90 AG Minden, NJW 1988, S.3278; AG Bergisch G1adbach, NZV 1989, S.366;<br />

Janiszewski, DAR 1986, S.259; ähnlich AG Detmo1d, NZV 1989, S.367; a.A. AG<br />

Bonn, NJW 1988, S. 218. Vgl. auch BVerfG (Kammer), OLGSt (neu) Nr. 1 zu § 25a<br />

StVG, S. 10.


200 6. Kap.: Beweiserleichterung wegen Unterganges <strong>von</strong> Beweismitteln<br />

entschieden länger; daß sie nichts Außergewöhnliches wahrgenommen hatte,<br />

kann die Person (zunächst) noch bek<strong>und</strong>en.<br />

Demzufolge bleibt die Ausdehnung der beweisrechtlichen Folgen über die<br />

(absichtliche) Beweisvereitelung auf - bestimmbare - Extremfälle beschränkt:<br />

Entweder die Strafverfolgungsbehörden wissen (oder müßten wissen) durch die<br />

Verfahrensakte oder den Beschuldigten, daß ein - relevantes - Beweismittel<br />

verlustig zu gehen droht <strong>und</strong> sichern es nicht. Oder aber die Strafverfolgungsbehörden<br />

lassen sich dermaßen viel Zeit mit der Beweissicherung, daß selbst die<br />

Erinnerung an Außergewöhnliches verlorengeht; nur Fälle, in denen für den<br />

Zeugen (oder auch Beschuldigten) Belangloses für den Verfahrensausgang erkennbar<br />

relevant ist, verlangen <strong>von</strong> den Strafverfolgungsbehörden kurzfristige<br />

Sicherung.<br />

Stellt man dies in Rechnung, dürfte wertungsmäßig wenig gegen die Gleichstellung<br />

der fahrlässig unterlassenen Beweissicherung mit der (absichtlichen) Beweisvereitelung<br />

einzuwenden sein: Auch hier ist dann also zunächst ein für den<br />

Beschuldigten günstiges Beweisergebnis zu unterstellen <strong>und</strong> dieses dann mit dem<br />

übrigen Beweisergebnis zusammen zu würdigen 91.<br />

Siebtes Kapitel<br />

Strafmilderung wegen Strafzumessungsrelevanz<br />

A. Verzögerungen als Strafzumessungsgr<strong>und</strong><br />

Zieht man eine Zwischenbilanz, fällt diese unbefriedigend aus: Das geltende<br />

Prozeßrecht kennt keine allgemeine Lösung für die Reaktion auf eingetretene<br />

Verzögerungen, also auf <strong>von</strong> den staatlichen Behörden verursachte, nicht erforderliche<br />

Verfahrensdauer. Insbesondere kommt eine Einstellung, sei es wegen<br />

eines Verfahrenshindernisses oder aufgr<strong>und</strong> des neuerdings vorgeschlagenen<br />

"Verfolgungsverbotes", allenfalls für praktisch kaum relevante Fälle bei Annahme<br />

der Verwirkbarkeit der staatlichen Strafverfolgungsbefugnis in Betracht. Faktisch<br />

zur Verfahrensbeendigung könnten die immer wieder genannten Fälle "extremer"<br />

Verfahrensverzögerung durch deren Berücksichtigung im Rahmen der<br />

Beweiswürdigung führen, wenn man hierunter irreparable Verstöße versteht. Das<br />

bedeutet nun aber, daß das Prozeßrecht auch für Fälle längster <strong>und</strong> unverständlichster<br />

Verzögerungen keine Konsequenzen vorsieht, sofern keine Irreparabilität<br />

eingetreten ist.<br />

<strong>Die</strong> Rechtsprechung hat schon früh ihr Heil im materiellen Recht, nämlich<br />

beim Rechtsfolgenausspruch gesucht. 1971 erklärte der 2. Strafsenat des BGH,<br />

die Berücksichtigung bei der Strafzumessung sei "das geeignete Mittel", einer<br />

Verletzung des Beschleunigungsprinzips Rechnung zu tragen 1.<br />

<strong>Die</strong>ses Urteil kam überraschend <strong>und</strong> unvorbereitet 2 • Noch 1962 hatte der 4.<br />

Strafsenat die Berücksichtigung der Verfahrensdauer bei der Rechtsfolgenentscheidung<br />

ausdrücklich abgelehnt <strong>3.</strong> Lediglich das LG Aachen hatte im Contergan­<br />

Verfahren die Verfahrenseinstellung gemäß § 153 StPO auch auf die lange Verfahrensdauer<br />

gestützt 4. Daneben erwähnte Hanack in einem Aufsatz, der eine<br />

Woche nach Ergehen der Entscheidung des 2. Strafsenats veröffentlicht wurde,<br />

die Berücksichtigung <strong>von</strong> Verfahrensverzögerungen in der Strafzumessung am<br />

Rande 5.<br />

91 Siehe dazu oben, B IH. Zu ähnlichen Ergebnissen kommt neuerdings auch Krekeler,<br />

Der Beweiserhebungsanspruch des Beschuldigten im Ermittlungsverfahren, S. 264 ff.;<br />

274 ff.<br />

I BGHSt 24, S. 239 (2420.<br />

2 Siehe auch oben, 1. Kap. A I 2.<br />

3 BGH, DAR 1963, S. 169; zustimmend Bruns, Strafzumessungsrechtl, S. 411. Vgl.<br />

auch LG Köln, NJW 1964, S. 1816 (1817).<br />

4 LG Aachen, JZ 1971, S. 507 (517 ff.).<br />

5 Hanack, JZ 1971, S. 706; die Ausführungen auf S. 715 beziehen sich auf die lange<br />

<strong>Dauer</strong> zwischen Tat <strong>und</strong> Aburteilung. Vgl. aber auch den Hinweis auf die Möglichkeit


202 7. Kap.: Strafmilderung wegen Strafzumessungsrelevanz A. Verzögerungen als Strafzumessungsgr<strong>und</strong> 203<br />

Insofern besteht eine Parallele zum "höchstrichterlichen Umdenken"6 in der<br />

Heimtückemord-Gr<strong>und</strong>satzentscheidung des BGH7 sowie zur "gr<strong>und</strong>sätzlichen<br />

Wende"8in dessen Rechtsprechung zur V-Mann-Problematik9, deren "Rechtsfolgenlösung"<br />

jeweils die gesamte Rechtswissenschaft überraschte. Wie in diesen<br />

Problemkreisen setzen auch hier alle Senate des BGH die einmal eingeschlagene<br />

Linie fort.<br />

I. Flexibilität - Das pragmatische Argument<br />

1. Erste Probleme mit der Strafzumessungslösung<br />

Bis 1987 erwies sich die Strafzumessungslösung für den BGH als der Weg,<br />

auf dem er alle Sachverhalte "flexibel" lösen konnte. Weitaus mehr noch als in<br />

anderen Fällen, in denen der BGH in den letzten Jahren ein dogmatisch umstrittenes<br />

<strong>und</strong> brenzliges Thema in die Strafzumessung verbannt hat lO (etwa in den<br />

Problemkreisen Lockspitzeleinsatz 11, Heimtückemord 12, Sitzblockade 13 <strong>und</strong><br />

Raub mit Scheinwaffe 14), verdeckte hier der Glaube an die Billigkeit des Ergebnisses<br />

die Problematik der dogmatischen Zulässigkeit des Vorgehens.<br />

Betrachtet man es allerdings genauer, so zeigten sich schon in einigen Entscheidungen<br />

Anzeichen dafür, daß die Strafzumessungslösung - die ohnehin bei<br />

Freispruch versagt - Schwierigkeiten bereitet, alle Konstellationen konsequent<br />

zu lösen:<br />

Der <strong>3.</strong> Strafsenat des BGH hob 1977 ein Urteil des LG Mönchengladbach<br />

auf, in dem dieses eine Verwarnung mit Strafvorbehalt ausgesprochen hatte,<br />

obwohl die Voraussetzungen gemäß § 59 I Nr. 2 StGB nicht vorlagen: Es sei<br />

nicht zulässig, den gesetzlich vorgegebenen Rahmen zu sprengen <strong>und</strong> die vom<br />

der Strafmilderung durch das Urteil des OLG Karlsruhe (NJW 1972, S. 1907


204 7. Kap.: Strafmilderung wegen Strafzumessungsrelevanz A. Verzögerungen als Strafzumessungsgr<strong>und</strong> 205<br />

Das gleiche problematische Verfahren wandte der 2. Strafsenat des BGH 1989<br />

im sog. "Euthanasie-Prozeß" an 21 : Da der Schuldspruch der Beihilfe zum Mord<br />

in 11.000 bzw. 4.500 Fällen jeweils um ca. 2.000 Fälle zu hoch sei, wären an<br />

sich, wie auch der Senat feststellt, die Strafaussprüche aufzuheben <strong>und</strong> insoweit<br />

an das Landgericht zurückzuverweisen gewesen. Wegen der langen Verfahrensdauer<br />

erachtete es der Senat jedoch für "sachgemäß", gemäß § 354 I StPO die<br />

gesetzlich niedrigste Strafe - drei Jahre Freiheitsstrafe - selbst festzusetzen.<br />

Daub hat in ihrer Urteilsanmerkung zu Recht hervorgehoben, daß die gleichmäßige<br />

Verurteilung beider Täter durch das Landgericht zu vier Jahren trotz der<br />

erheblichen Divergenz der Mordfälle gezeigt hat, daß es dem Landgericht offenbar<br />

hierauf bei der Strafhöhenbestimmung nicht bestimmend angekommen sei 22.<br />

Eine weitere problematische Fortbildung geht - abgesehen <strong>von</strong> einer kurzen<br />

Bemerkung des 5. Strafsenats in einer unveröffentlichten Entscheidung 23 ­<br />

ebenfalls auf den 2. Strafsenat des BGH zurück 24 . Er betonte in einigen Entscheidungen,<br />

daß <strong>überlange</strong> Verfahrensdauer auch bei der Erörterung einer Strafaussetzung<br />

zur Bewährung beachtet werden müsse, sofern der Beschuldigte nicht wieder<br />

strafrechtlich in Erscheinung getreten <strong>und</strong> sozial integriert ist. Den Fällen lagen<br />

Freiheitsstrafen <strong>von</strong> über einem Jahr zugr<strong>und</strong>e. Demzufolge lagen hier nach<br />

Auffassung des 2. Senats durch die <strong>überlange</strong> Verfahrensdauer "besondere Umstände<br />

in der Tat <strong>und</strong> in der Persönlichkeit des Verurteilten" (so § 56 11 a. F.<br />

StGB) vor. <strong>Die</strong>se Urteile stellen also einen Widerspruch zu BGHSt 27, 274 dar 25 .<br />

Konsequent <strong>und</strong> in Übereinstimmung mit letzterem Urteil 26, aber im Widerspruch<br />

zu einer früheren Entscheidung des 4. Senats 2 7, problematisiert der 2. Strafsenat<br />

nicht, ob die Vollstreckung zur Verteidigung der Rechtsordnung geboten sein<br />

könnte, sondern geht wohl da<strong>von</strong> aus, daß gerade dieses Merkmal typischerweise<br />

<strong>von</strong> <strong>überlange</strong>r Verfahrensdauer betroffen wird. Bezeichnend für die in diesen<br />

Entscheidungen des BGH zum Ausdruck kommende Tendenz zur Billigkeit<br />

dürfte auch die Formulierung in der ersten Entscheidung sein, es sei zu erwägen,<br />

ob nicht "Gesamtfreiheitsstrafen zu verhängen sind, deren Vollstreckung zur<br />

Bewährung ausgesetzt werden kann. Daß die Angeklagten seit den abgeurteilten<br />

Taten ,nicht wieder strafrechtlich in Erscheinung getreten sind' <strong>und</strong> nach den<br />

21 BOH, NStZ 1989, S. 238.<br />

22 Daub, KritJ 22 (1989), S. 330.<br />

23 BOR, BeschJ. v. 25.10.1977 - 5 StR 616/77 (Anhang 10).<br />

24 BOR, StV 1983, S. 502; 1985, S. 322; S. 411; ähnlich BVerfG (Vorprüfungsausschuß),<br />

NJW 1984, S. 967; BayObLO, StV 1989, S. 394 (395).<br />

25 So auch 1. Roxin, Rechtsfolgen, S. 84 f.<br />

26 <strong>Die</strong>s übersieht 1. Roxin, Rechtsfolgen, S. 186 f.<br />

27 BOR, DAR 1963, S. 169 (zum - weiteren - Begriff des öffentlichen Interesses<br />

in § 23 a. F. StOB); a.A. auch OLO Koblenz, VRS 59, S.338 (340), das auch bei<br />

<strong>überlange</strong>r Verfahrensdauer aufgr<strong>und</strong> der Verteidigung der Rechtsordnung die Strafaussetzung<br />

zur Bewährung nicht zuließ; kritisch hierzu Molketin, BA 1982, S. 183 f.; vgJ.<br />

aber auch BORSt 29, S. 370 (372).<br />

Feststellungen völlig resozialisiert sind, legt diesen Gedanken besonders nahe."28<br />

Denn hiermit wird <strong>von</strong> dem Tatrichter zur Bewältigung des Problems der <strong>überlange</strong>n<br />

Verfahrensdauer nicht weniger gefordert, als gegen anerkannte Gr<strong>und</strong>sätze<br />

des Strafzumessungsrechts zu verstoßen 29 , nämlich die Strafhöhe ohne Blick auf<br />

die Möglichkeit der Strafaussetzung zur Bewährung festzulegen <strong>und</strong> erst dann<br />

die Bewährungsfrage zu entscheiden 30 . Strafaussetzung soll also, wie Horn formuliert,<br />

notfalls "mit aller Gewalt" ermöglicht werden 31.<br />

2. Das Versagen der Strafzumessungslösung<br />

Selbst unter "Gewaltanwendung" sah sich der <strong>3.</strong> Senat des BGH in seiner<br />

schon erwähnten Gr<strong>und</strong>satzentscheidung <strong>von</strong> 1987 (BGHSt 35, 137) nicht mehr<br />

in der Lage, eine umfangreiche Wirtschaftsstrafsache mit viereinhalbjähriger<br />

Verzögerung des Revisionsverfahrens über die Strafzumessung zu lösen, weil<br />

aufgr<strong>und</strong> fehlender Feststellungen der Schuldspruch ebenfalls aufzuheben war<br />

mit der Folge, daß eine erneute jahrelange Hauptverhandlung bei Zurückverweisung<br />

drohte. Da der Senat den Weg zu den §§ 153, 153a StPO versperrt sah,<br />

ließen für ihn die "verfahrensrechtlichen <strong>und</strong> materiellrechtlichen Besonderheiten<br />

des Falls ... nur den gerichtlich anzuordnenden Abbruch des Verfahrens ZU"32.<br />

Nun mag zwar fraglich sein, ob hier tatsächlich die Zurückverweisung aufgr<strong>und</strong><br />

der Verzögerungen so unerträglich gewesen wäre, wie der BGH meinte 3<strong>3.</strong> Zumindest<br />

hinsichtlich des zu viereinhalb Jahren Freiheitsstrafe <strong>und</strong> 180 Tagessätzen<br />

Geldstrafe verurteilten Beschuldigten ist entgegenzuhalten, daß selbst dann, wenn<br />

für den Zeitraum der Verzögerungen Untersuchungshaft vollstreckt worden wäre,<br />

gemäß § 51 StGB immer noch die Geldstrafe bzw. ein halbes Jahr Freiheitsstrafe<br />

vollstreckbar bliebe, so daß eine weitergehende Straffreistellung wegen bloßer<br />

Verzögerungen einen Wertungswiderspruch darstellen würde. Allerdings hat der<br />

BGH weitere, in der Strafzumessung des Landgerichts unberücksichtigte Umstände<br />

hervorgehoben. Zudem dürfte ein gewichtiges Gegenargument sein, daß nach<br />

der Rechtsprechung des BGH auch der Zeitraum des Wiederholungsverfahrens<br />

mit zu dem Zeitraum der Verzögerungen zu zählen isP4.<br />

Sei es drum: <strong>Die</strong> Strafzumessungslösung hat mit dieser Entscheidung ihre<br />

Unschuld verloren; der BGH ist, wie Hillenkamp es formuliert, "mit den selbstge-<br />

28 BOR, StV 1983, S. 502.<br />

29 So auch Rorn in SK StOB, § 46 Rn. 146: "systemwidrig".<br />

30 VgJ. BORSt 29, S. 319 (321 f.); 32, S. 60 (65); NStZ 1988, S. 309.<br />

31 Rorn in SK StOB, § 46 Rn. 146.<br />

32 BORSt 35, S. 137 (142). Siehe auch oben, 1. Kap. A I 4.<br />

33 So wohl auch Hillenkamp, NJW 1989, S. 2845 (anders aber S. 2842).<br />

34 BORSt 35, S. 137 (141); siehe auch unten, C III 1.


206 7. Kap.: Strafmilderung wegen Strafzumessungsrelevanz A. Verzögerungen als Strafzumessungsgr<strong>und</strong> 207<br />

schmiedeten Fesseln offenbar uneins" geworden 35 . Ihre immer wieder hervorgehobene<br />

Flexibilität, also ihre Fähigkeit, auf den Einzelfall hin orientiert Billigkeitsentscheidungen<br />

zu ermöglichen, ist widerlegt worden. Zudem kommt noch<br />

ein weiterer Aspekt hinzu: <strong>Die</strong> Verzögerungen waren erst bei der Weiterleitung<br />

der Revisionsbegründungsschrift an das Revisionsgericht aufgetreten. Sie können<br />

also logischerweise nicht in Form einer Verfahrensrüge vorgetragen worden sein.<br />

Eine Berücksichtigung <strong>von</strong> Amts wegen kommt jedenfalls dann nicht in Betracht,<br />

wenn solche Verzögerungen nur in der Strafzumessung kompensiert werden<br />

sollen. Mit der Sachrüge können an sich nur die Urteilsgründe überprüft werden,<br />

in denen die Verzögerungen ohnehin nicht berücksichtigt werden konnten. Dafür,<br />

wie der BGH nun aber dazu kommt, die Strafzumessungslösung zu diskutieren,<br />

bleibt er eine Erklärung schuldig 36.<br />

11. Strafzumessungsirrelevanz - Der dogmatische Einwand<br />

Nun erscheint es dogmatisch nicht <strong>von</strong> vornherein zwingend, daß Verzögerungen<br />

der Strafverfolgungsbehörden die Strafzumessung beeinflussen können sollen.<br />

Hierbei geht es nicht einmal um zu prämierendes Täterverhalten 37, bei dem<br />

es schon nicht einfach ist zu entscheiden, ob <strong>und</strong> wie es in der Strafzumessung<br />

dogmatisch berücksichtigt werden so11 38 , sondern um den vom Verhalten der<br />

Strafverfolgungsbehörden abhängigen Zeitablauf3 9 .<br />

Es sind nur wenige Versuche unternommen worden, zu erklären, warum (durch<br />

das Fehlverhalten <strong>von</strong> Amtsträgern verursachte) Verfahrensverzögerungen selbst<br />

strafzumessungsrelevant seien. Ausgangspunkt dürfte wohl die - unbestrittene<br />

- Ansicht sein, es sei "nicht ganz einfach, eine Querverbindung zwischen den<br />

prozessualen Fehlern... <strong>und</strong> den materiellrechtlich erheblichen Strafzumessungstatsachen<br />

des § 46 StGB zu ziehen"40 - eine Schwierigkeit, die ebenfalls bei<br />

den Fallgruppen der Vereidigungsfehler <strong>und</strong> der Lockspitzelprovokation auftaucht<br />

41. Demzufolge standen die Versuche vor dem Problem, daß Verfahrensverzögerungen<br />

bei der Strafzumessung Umstände sind, die, wie Horn es formuliert,<br />

"mit dem verschuldeten Unrecht der begangenen Tat nur ganz entfernt oder gar<br />

nichts zu tun haben"42. Daraus folgt, daß Ansätze, Strafmilderung etwa aus den<br />

35 Hillenkamp, NJW 1989, S. 2845.<br />

36 BayObLG, StV 1989, S. 394 (395).<br />

37 Unklar Lackner, StGB!', § 46 Anm. IV 2 c.<br />

38 Vgl. dazu Hertz, Das Verhalten des Täters nach der Tat, S. 66 ff.<br />

39 Hillenkamp, IR 1975, S. 138; I. Roxin, Rechtsfolgen, S. 18<strong>3.</strong><br />

40 Bruns, IR 1981, S. 249; ähnlich BGH, NStZ 1989, S. 526; Reinecke, <strong>Die</strong> Fernwirkung<br />

<strong>von</strong> Beweisverwertungsverboten, S. 194.<br />

41 Vgl. BGH, NStZ 1989, S. 526 (527); Horn in SK StGB, § 46 Rn. 145 ff.; Bruns,<br />

MDR 1987, S. 180 f.<br />

Gesichtspunkten der gesteigerten Strafempfindlichkeit <strong>und</strong> -empfänglichkeit43,<br />

der verbesserten Sozialprognose 44 oder dem gesunkenen Strafbedürfnis 45 herzuleiten,<br />

nicht für Verfahrensverzögerungen geeignet sind: Sie sind nur auf den<br />

Zeitablauf zwischen Tat <strong>und</strong> Urteil, nicht aber aufdie Verfahrensdauer, geschweige<br />

denn auf Verzögerungen bezogen. Gleiches gilt, soweit versucht worden ist,<br />

auf die Verfahrensbelastungen abzustellen 46, da diese zwar ihren Gr<strong>und</strong> in der<br />

langen Verfahrensdauer haben können, die aber ihrerseits nicht auf Verzögerungen<br />

beruhen muß. Auf diese Ansätze wird später zurückzukommen sein 47.<br />

1. Zum schuldabhängigen Milderungsgr<strong>und</strong><br />

So zeigen sich die wenigen Erklärungsversuche dann auch als dogmatisch<br />

problembeladen. Sie versuchen letztendlich, die Strafzumessungslösung mit dem<br />

Schuldprinzip dadurch zu vereinbaren, daß sie, angelehnt an zivilrechtliehe Konstruktionen,<br />

den Strafanspruch als durch das Verzögern verkürzt betrachten:<br />

So sprechen beispielsweise Hillenkamp <strong>und</strong> Horn kurz da<strong>von</strong>, daß der staatliche<br />

Strafanspruch infolge der "illoyalen Verspätung" "teilverwirkt" sein könnte 48.<br />

Nun ist eine "Teilverwirkung" der gesamten geltenden Rechtsordnung fremd.<br />

Auch im Zivilrecht führt ein "rigides Alles-oder-Nichts-Prinzip"49 bei der Verwirkung<br />

zur Hemmung der Rechtsausübung 50 , niemals aber zur Anspruchskürzung.<br />

Nun hat allerdings Hillenkamp - bezogen auf das Opferverhalten - vom<br />

"verwirkungsnahen Verhalten" als Strafmilderungsgr<strong>und</strong> gesprochen 51. Jedenfalls<br />

dann, wenn man die Verwirkung entgegen der hier vertretenen Auffassung 52<br />

als Strafaufhebungsgr<strong>und</strong> verstünde, wäre dieses "Umschlagen" in Strafmilderung<br />

dogmatisch kaum bedenklich. So ist etwa auch für den Strafaufhebungsgr<strong>und</strong><br />

des § 24 StGB anerkannt, daß dann, wenn die Rücktrittsvoraussetzungen nur<br />

zum Teil vorliegen, Strafmilderung zulässig ist5 3, was allerdings bei Zugr<strong>und</strong>ele-<br />

42 Horn in SK StGB, § 46 Rn. 136; 146; ähnlich Frisch, ZStW 99 (1987), S. 379 f.;<br />

Bruns, MDR 1987, S. 181; Kühne, EuGRZ 1983, S. 384; I. Roxin, Rechtsfolgen, S. 18<strong>3.</strong><br />

43 K. Peters, IR 1978, S. 247 f.; C. Roxin, <strong>Strafverfahren</strong>srecht 2l , § 16 C; Schroth,<br />

NIW 1990, S. 30.<br />

44 Horn in SK StOB, § 46 Rn. 146.<br />

45 Zipf, Strafzumessungsrecht 2 , S. 89; <strong>Die</strong> Strafmaßrevision, S. 201; Schroth, NIW<br />

1990, S. 30; ähnlich Frisch, ZStW 99 (1987), S. 380 Fn. 12.<br />

46 I. Roxin, Rechtsfolgen, S. 249 ff.<br />

47 Siehe unten, B; C.<br />

48 Hillenkamp, IR 1975, S. 138; Horn in SK StGB, § 46 Rn. 146; vgl. auch Bruns,<br />

MDR 1987, S. 181.<br />

49 Roth in MünchKomm 2 , § 242 Rn. 236.<br />

50 Siehe dazu oben, 4. Kap. A.<br />

51 Hillenkamp, Vorsatztat <strong>und</strong> Opferverhalten, S. 287 ff.<br />

52 Siehe oben, 4. Kap. B.<br />

53 Vogler in LKlO, § 24 Rn. 207; Eser in SchSch 23 , § 24 Rn. 115.


208 7. Kap.: Strafmilderung wegen Strafzumessungsrelevanz A. Verzögerungen als Strafzumessungsgr<strong>und</strong> 209<br />

gung der (kaum noch vertretenen54) Theorie <strong>von</strong> der "goldenen Brücke" bezweifelt<br />

werden könnte. <strong>Die</strong> Problematik liegt jedoch woanders: Verfahrensverzögerungen<br />

stellen in der Regel keinen "verwirkungsnahen Fall" dar. <strong>Die</strong> Verwirkung<br />

der Strafverfolgungsbefugnis ist - wenn überhaupt - nur im Vorfeld der<br />

"Verzögerung zwecks Verurteilung" oder der- noch fragwürdigeren - "Enttäuschung<br />

berechtigten Vertrauens" denkbar 55 . Ein Strafzumessungsgr<strong>und</strong> der Verwirkungsnähe<br />

könnte also nur Strafmilderung in diesem engen Teilbereich erklären.<br />

<strong>Die</strong> Strafzumessungslösung wird durch diese Konstruktion also nicht dogmatisch<br />

erklärt, sondern nur mit einem Schlagwort verknüpft.<br />

Nicht viel anderes gilt für die Auffassung <strong>von</strong> Bruns, bei prozessualen Fehlern<br />

sei unter dem Gesichtspunkt des mitwirkenden Verschuldens Strafmilderung<br />

geboten 56. <strong>Die</strong>ser Gedanke, den Bruns anhand <strong>von</strong> Fallgruppen <strong>von</strong> Rechtsstaatswidrigkeiten<br />

entwickelt hat, die schon bei der Tatbegehung eine Rolle spielen 57,<br />

läßt sich nicht so ohne weiteres auf Verfahrensverzögerungen übertragen 58: Denn<br />

wie soll ein "mitwirkendes Verschulden" nach der Tat, nämlich bei ihrer Verfolgung,<br />

denkbar sein? Doch wohl allenfalls dann, wenn die Strafverfolgungsbehörden<br />

durch die (verzögerliche) Verfahrensführung zum Umfang der Straftat beigetragen<br />

haben. Das wäre rein konstruktiv denkbar, wenn die Strafverfolgungsbehörden<br />

rechtsfehlerhaft nur verzögernd zur Verhinderung der Fortsetzung einer<br />

Straftat einschreiten 59 • <strong>Die</strong>ser Überlegung entspricht es auch, wenn Bruns in<br />

seinem Lehrbuch die Mitwirkung durch den Verletzten in den Mittelpunkt stellt:<br />

Mitwirkendes Verschulden könne danach durch Umstände nach der Tat nur<br />

insoweit vorliegen, als der Verletzte nichts unternimmt, den Schaden so gering<br />

wie möglich zu halten 60.<br />

2. Zum schuldunterschreitenden Milderungsgr<strong>und</strong><br />

<strong>Die</strong>sen Erklärungsversuchen hat sich nun auch der 2. Senat des BGH entgegengestellt.<br />

Er hat in einigen zum Lockspitzeleinsatz ergangenen Entscheidungen<br />

am Rande geäußert, daß die Strafmilderung bei <strong>überlange</strong>r Verfahrensdauer die<br />

- zulässige - Berücksichtigung eines schuldunabhängigen Umstands bedeuten<br />

würde 61 <strong>und</strong> zur Schuldunterschreitung führen dürfe 62 •<br />

54 Siehe aber insbes. Puppe, NStZ 1984, S. 490; zur Kritik siehe ausführlich Ulsenheimer,<br />

Gr<strong>und</strong>fragen des Rücktritts vom Versuch in Theorie <strong>und</strong> Praxis, S. 64 ff.<br />

55 Siehe dazu oben, 4. Kap. A I 2; 11 2.<br />

56 Bruns, MDR 1987, S. 180 f.<br />

57 Bruns, Das Recht der Strafzumessung 2 ,<br />

S. 937 (938).<br />

S. 170; vgl. auch Hasserner, JuS 1989,<br />

58 So auch 1. Roxin, Rechtsfolgen, S. 185b f.<br />

59 Vgl. dazu OLG Hamm, VRS 54, S. 447 (zweifelnd dazu Bohnert, KK OWiG, § 47<br />

Rn. 106); vgl. auch BGHR StGB § 46 Abs. 2 Wertungsfehler 1<strong>3.</strong><br />

60 Bruns, Das Recht der Strafzumessung 2 , S. 169 f.<br />

<strong>Die</strong>se Ausführungen des BGH, die weitgehend nicht problematisiert worden<br />

sind63, implizieren tiefgreifende Konsequenzen für das gesamte Strafzumessungssystem<br />

<strong>und</strong> betreffen nicht bloß eine "interessante Einzelfrage"64. Das erkannt<br />

zu haben, ist das Verdienst <strong>von</strong> Bruns 65 •<br />

<strong>Die</strong>se Rechtsprechung müßte zunächst einmal, konsequent weitergedacht, zur<br />

Ablehnung der Schuldrahmengrenze i. S. d. Spielraumtheorie führen 66 • <strong>Die</strong> Möglichkeit<br />

der schuldunterschreitenden Strafe hat der BGH jedoch bisher regelmäßig<br />

abgelehnt. Strafe dürfe sich <strong>von</strong> ihrer Bedeutung als gerechter Schuldausgleich<br />

weder nach oben noch nach unten inhaltlich lösen 67 • Bruns war zunächst gewillt,<br />

noch dazu, da der BGH völlig auf jegliche Begründung verzichtet, anzunehmen,<br />

daß der 2. Senat insoweit die weiterreichenden Konsequenzen nicht bedacht<br />

haben könnte. Er bezeichnete dann auch die Entscheidungen des 2. Senats als<br />

"mit der heißen Nadel gestrickt"; der BGH habe den "rechtsdogmatischen Sprengstoff'<br />

nicht erkannt 68 • In dieser Vermutung sieht man sich jedoch getäuscht. Der<br />

2. Senat hat auch ein Jahr nach dem Erscheinen des Aufsatzes <strong>von</strong> Bruns, der<br />

ihm bekannt gewesen sein dürfte, jedenfalls auf den Lockspitzeleinsatz bezogen<br />

seine Auffassung, schuldunabhängige Gesichtspunkte seien selbst schuldunterschreitend<br />

in der Strafzumessung zu berücksichtigen, in einerEntscheidung erneut<br />

betont 69 <strong>und</strong> sie sogar in der <strong>von</strong> den Richtern des B<strong>und</strong>esgerichtshofs veröffentlichten<br />

Entscheidungssammlung BGHR abgedruckt7°.<br />

<strong>Die</strong>se Rechtsprechung ist dann auch aufAblehnung gestoßen 71; lediglich Stree,<br />

Mitverfasser der Alternativentwürfe <strong>und</strong> Anhänger der Theorie der Schuldunterschreitung,<br />

hat dem BGH zugestimmt7 2 . Nun ist allerdings nicht zu übersehen,<br />

daß selbst für die Anhänger dieser Auffassung die Schuldunterschreitung nur<br />

aus spezialpräventiven Gründen zulässig ist 73 • Der 2. Senat des BGH ist wohl<br />

61 BGH, NJW 1986, S. 75 (76); NStZ 1986, S. 162. Vgl. auch BGHSt (Großer Senat)<br />

33, S. 356 (358 f.).<br />

62 BGH, NStZ 1986, S. 162.<br />

63 Vgl. Puppe, NStZ 1986, S.404; Streng, NStZ 1988, S.487; Hillenkamp, NJW<br />

1989, S. 2844 Fn. 33; S.2846 Pn.67; Schünemann, StV 1985, S.424; Montenbruck,<br />

Abwägung <strong>und</strong> Umwertung, S. 65 Fn. 93; Paschmanns, <strong>Die</strong> staatsanwaltschaftliche VerfahrenseinsteIlung<br />

wegen Geringfügigkeit, S. 134.<br />

64 So aber Schroth, MschrKrim 72 (1989), S. 492.<br />

65 Bruns, MDR 1987, S. 177; Neues Strafzumessungsrecht?, S. 36 f.; 44 f.; ähnlich<br />

auch 1. Roxin, Rechtsfolgen, S. 184.<br />

66 Vgl. dazu auch Schroth, NJW 1990, S. 30.<br />

67 BGHSt 24, S. 132 (134); 29, S. 319 (321); 34, S. 345 (349).<br />

68 Bruns, MDR 1987, S. 177.<br />

69 BGH, StV 1988, S. 296; vgl. auch S. 295.<br />

70 BGHR StGB § 46 Abs. 1 V-Mann <strong>3.</strong> Siehe zur Bedeutung dessen Sarstedt / Hamm,<br />

<strong>Die</strong> Revision in Strafsachen', Rn. 521 f.; Strate, StV 1990, S. 392.<br />

71 Dreher / Tröndle, StGB44, § 46 Rn. 35c; G. Schäfer, Praxis der Strafzumessung,<br />

Rn. 357.<br />

72 Stree in SchSch 2 " vor §§ 38 ff. Rn. 18a. Vgl. auch Schroth, NJW 1990, S. 30.<br />

14 Scheffler


210 7. Kap.: Strafmilderung wegen Strafzumessungsrelevanz B. Tatfeme als Strafzumessungsgr<strong>und</strong> 211<br />

auch insoweit noch einen Schritt weiter gegangen: Beim Lockspitzeleinsatz liege<br />

der schuldunabhängige Gesichtspunkt darin, daß sich "die im Interesse der Verbrechensaufklärung<br />

<strong>und</strong> -bekämpfung in Kauf genommene besondere Gefahr<br />

einer Verstrickung nicht <strong>von</strong> vornherein Tatbereiter in Schuld <strong>und</strong> Strafe" verwirkliche<br />

74. Es soll offenbar durch Strafermäßigung dem Täter angetanes Unrecht<br />

kompensiert werden75. Eine Verbindung zur Spezialprävention, insbesondere zur<br />

Resozialisierung, ist nicht ersichtlich 76. Eine solche Verbindung <strong>von</strong> Verfahrensverzögerungen<br />

zur Spezialprävention deutet weder der 2. Senat in seinem Rekurs<br />

auf <strong>überlange</strong> Verfahrensdauer an noch ist sie erkennbar 77 • Der Umstand, daß<br />

staatlicherseits Fehlverhalten gerade bei der Verfolgung des Fehlverhaltens des<br />

Beschuldigten geschieht, dürfte jedenfalls hinsichtlich des Resozialisierungszieles<br />

eherkontraindiziert sein. Auch hier dürfte also nur als strafzweckunabhängiger<br />

Milderungsgr<strong>und</strong> in Betracht kommen, daß ein Verfahrensfehler "gutgeschrieben"78<br />

wird.<br />

Insofern hat der 2. Senat nicht nur, wie Bruns meint, einem neuen Schulenstreit<br />

Nahrung gegeben 79, sondern auch strafzweckabgekoppelte Strafzumessung für<br />

zulässig erklärt - Bruns' "rechtsdogmatischer Sprengstoff' erweist sich als<br />

hochexplosiv. <strong>Die</strong>s scheint wohl auch der 1. Strafsenat erkannt zu haben: Ohne<br />

die Rechtsprechung des 2. Senats ausdrücklich zu erwähnen, ist er ihr deutlich<br />

entgegengetreten80: Verfahrensfehler bildeten keine Strafzumessungsgründe.<br />

Zwar ist es verfassungsrechtlich unbedenklich, die schuldangemessene Strafe<br />

zu unterschreiten 81, sei es aus spezialpräventiven Gründen, sei es zur Berücksichtigung<br />

sonstiger schuldunabhängiger Gesichtspunkte. Insoweit wäre der BGB<br />

jederzeit legitimiert, seine bisherige Rechtsprechung zu ändern. <strong>Die</strong> Konsequenzen<br />

freilich wären weitreichend <strong>und</strong> kaum übersehbar. Es sei daran erinnert, daß<br />

schon zur Theorie der spezialpräventiven Schuldunterschreitung Stratenwerth ­<br />

ebenfalls Mitverfasser der Alternativentwürfe - äußerte, als Konsequenz müsse<br />

die Strafzumessungslehre "zweifellos <strong>von</strong> Gr<strong>und</strong> auf neu geschrieben werden"82.<br />

Zipf meinte sogar, das gesamte Schuldstrafrecht würde "ausgehöhlt"8<strong>3.</strong><br />

Bevor man diesen rechtsdogmatischen Sprengstoff zündet, ist einzuhalten <strong>und</strong><br />

die Frage zu stellen, ob nicht auch das gewünschte Ergebnis auf Gr<strong>und</strong>lage des<br />

73 Kritisch dazu Scheffler, Kriminologische Kritik des Schuldstrafrechts, S. 59 ff.<br />

74 BGH, NStZ 1986, S. 162.<br />

75 Puppe, NStZ 1986, S. 405 f.<br />

76 Bruns, MDR 1987, S. 179.<br />

77 So auch Bruns, MDR 1987, S. 181.<br />

78 Bruns, MDR 1987, S. 180.<br />

79 Bruns, MDR 1987, S. 181. Vgl. auch Katzorke, Verwirkung, S. 60.<br />

80 BGH, NStZ 1989, S. 526. Vgl. aber auch die Senatsentscheidung StV 1989, S. 518.<br />

8\ VgI. Bruns, MDR 1987, S. 178.<br />

82 Stratenwerth, Tatschuld <strong>und</strong> Strafzumessung, S. 37.<br />

83 Maurach / Zipf, Strafrecht AT/16, § 4 Rn. 36 (<strong>Die</strong> Formulierung findet sich nicht<br />

mehr in der 7. Aufl.).<br />

geltenden Verständnisses <strong>von</strong> Schuldstrafe erlangt werden kann: Strafmilderung<br />

bei <strong>überlange</strong>r Verfahrensdauer wird doch nicht deshalb propagiert, weil die<br />

Strafverfolgungsbehörden pflichtwidrig gehandelt haben. Vielmehr soll hier den<br />

aus den Verzögerungen resultierenden Folgen Rechnung getragen werden: dem<br />

Abstand zwischen Tat <strong>und</strong> Urteil einerseits sowie den Verfahrensbelastungen<br />

des Beschuldigten andererseits. Und diese Faktoren sind strafzumessungsrelevant.<br />

B. Tatferne als Strafzumessungsgr<strong>und</strong><br />

Gelegentlich wird geäußert, für das Vorliegen <strong>überlange</strong>r Verfahrensdauer sei<br />

die Frist zwischen Tat <strong>und</strong> Urteil maßgeblich 84. <strong>Die</strong>s kann nicht richtig sein:<br />

Zwar ist nicht einzusehen, wieso gelegentlich auf den Zeitpunkt der Anklageerhebung<br />

85 , <strong>von</strong> der herrschenden Ansicht auf die Bekanntgabe des Vorwurfs an den<br />

Beschuldigten 86 abgestellt wird: Denn stellt man aufdas Faktum der Verzögerungen<br />

ab, so wären diese genauso in einem früheren Stadium des Ermittlungsverfahrens<br />

denkbar <strong>und</strong> rechtlich mißbilligt 87 . Noch weiter ist das OLG Düsseldorf<br />

gegangen, das <strong>überlange</strong> Verfahrensdauer deshalb verneinte, weil das Ermittlungsverfahren<br />

nicht verzögert eingeleitet worden sei 88. Der früheste Zeitpunkt<br />

dürfte also bei Verzögerungen der Augenblick der faktischen <strong>und</strong> rechtlichen<br />

Möglichkeit der Aufnahme <strong>von</strong> Ermittlungen sein. <strong>Die</strong>ser mag zwar häufig mit<br />

der Tatbegehung zusammenfallen, was aber etwa bei später Entdeckung <strong>von</strong> Tat<br />

<strong>und</strong> Täter nicht der Fall ist. Unter dem Gesichtspunkt der Tatferne wird also<br />

ausschließlich auf den Abstand <strong>von</strong> Tat <strong>und</strong> Verfahrensbeendigung abgestellt.<br />

Es kommt weder darauf an, wie lange das <strong>Strafverfahren</strong> dauerte, noch darauf,<br />

ob es durch staatliche Stellen verzögert wurde. So liegt Tatferne, aber keine<br />

<strong>überlange</strong> Verfahrensdauer vor, wenn ein <strong>Strafverfahren</strong> erst in Verjährungsnähe<br />

begonnen <strong>und</strong> durchgeführt werden kann. Umgekehrt liegt <strong>überlange</strong> Verfahrensdauer,<br />

aber keine Tatfeme vor, wenn etwa in einer einfachen, sogleich ausermittel-<br />

84 Vgl. BGH, Beschl. v. 2.7.1974 - 5 StR 48/74 (Anhang 3); Urt. v. 6.7.1976­<br />

5 StR 184/76 (Anhang 7); Urt. v. 24.11.1979 - 4 StR 459/77 (Anhang 11); Urt. v.<br />

4.<strong>3.</strong>1980 - 5 StR 14/80 (Anhang 13); Horn in SK StGB, § 46 Rn. 146; Molketin, BA<br />

1982, S. 183; unklarSchroth, NJW 1990, S. 30 f.; vgl. auch den Bezug <strong>von</strong> OLG Kob1enz,<br />

VRS 59, S. 339 (340) aufBGH, GA 1979, S. 313 (314). Dagegen ausdrücklich Geppert,<br />

JK 1983, MRK Art. 6/1.<br />

85 So offenbar BGH, GA 1977, S. 275 (276).<br />

86 BGH. NStZ 1982, S. 291; StV 1988, S. 487 (488); Ulsamer, FS Faller, S. 374 f.;<br />

379; Vogler, ZStW 89 (1977), S. 779 f. Siehe auch unten, eIl.<br />

87 Vgl. Ulsenheimer. HWiStR, S. 4; Geppert, JK 1983, MRK Art. 6/1; Schroth, NJW<br />

1990, S.30. Trotz des Wortlauts ("auf die gesamte <strong>Dauer</strong> des Verfahrens") ist so<br />

allerdings wohl nicht BGHSt 35, S. 137 (139) zu verstehen, dem es dem Zusammenhang<br />

nach um den Endzeitpunkt des relevanten Verfahrenszeitraums geht.<br />

88 OLG Düsseldorf, NJW 1986, S. 2204 (2205). Dagegen Schroth, NJW 1990, S. 30.<br />

Vgl. auch BGH, Urt. v. 5.7.1977 - 5 StR 771/76 (Anhang 9): kein Verfahrenshindernis,<br />

weil das Verfahren schon früher "hätte eingeleitet <strong>und</strong> durchgeführt werden können".<br />

14*


212 7. Kap.: Strafmilderung wegen Strafzumessungsrelevanz B. Tatfeme als Strafzumessungsgr<strong>und</strong> 213<br />

ten Strafsache die Durchführung der Hauptverhandlung unnötig hinausgezögert<br />

wird.<br />

I. Verringertes Stratbedürfnis <strong>und</strong> Strafhöhenbemessung<br />

Der BGH betont in ständiger Rechtsprechung, daß der erhebliche Zeitraum,<br />

der zwischen Tat <strong>und</strong> Urteil verstrichen ist, bei der Rechtsfolgenentscheidung<br />

zugunsten des Beschuldigten zu berücksichtigen ist 89 , wobei er deutlich macht,<br />

daß dies neben der Strafmilderung wegen <strong>überlange</strong>r Verfahrensdauer zu geschehen<br />

habe 90. <strong>Die</strong>se Rechtsprechung, die in der Literatur regelmäßig auf Zustimmung<br />

trifft 91 , ist dogmatisch nicht ohne weiteres begründbar 92 :<br />

Nach Kar! Peters kann die Strafempfänglichkeit <strong>und</strong> -empfindlichkeit die<br />

Strafmilderung bei Tatferne legitimieren, weil eine übermäßig späte, <strong>von</strong> der<br />

Straftat zeitlich weit entfernte Bestrafung vom Beschuldigten als besonders hart<br />

empf<strong>und</strong>en werde 93 • Nun ist das Leidempfinden Kriterium der Strafempfindlichkeit,<br />

die sich, wie Heinrich Henkel deutlich gemacht hat, auf die repressive<br />

Wirkung der Strafe bezieht, während die da<strong>von</strong> zu unterscheidende Strafempfänglichkeit<br />

die präventiven Wirkungen der Strafe berücksichtigen soll 94. Kar! Peters<br />

wäre also dahingehend zu ergänzen, daß durch Zeitablauf die "Ansprechbarkeit"<br />

des Beschuldigten auf Strafe sinken könnte 95 •<br />

Gegen die Argumentation <strong>von</strong> Kar! Peters ist einzuwenden, daß zur Legitimation<br />

des Beschleunigungsprinzips regelmäßig die Behauptung herangezogen wird,<br />

die Strafe könne nur dann ihre Wirkung entfalten, wenn sie der Tat auf dem<br />

Fuße folgt 96 • Man hat sich in diesem Zusammenhang sogar zu den Formulierun-<br />

89 BGHSt 29, S. 370 (372); 36, S. 363 (372); GA 1977, S. 275 (276); 1979, S. 313<br />

(314); NStZ 1983, S. 167; 1986, S. 217 (218); StV 1988, S. 295; S. 487; BGHR StGB<br />

§ 46 Abs. 2 Nachtatverhalten 4 (insoweit nicht in NStZ 1987, S. 171 abgedruckt); wistra<br />

1990, S. 20; bei Detter, NStZ 1990, S. 221; Urt. v. 24.2.1977 - 1 StR 554/76 (Anhang<br />

8); vg1. auch schon BGH, MDR 1966, S. 523; so auch schon OGHSt 1, S. 119 (121 f.);<br />

2, S. 94 (98); OLG Kar1sruhe, GA 1973, S. 185 (186).<br />

90 BGHSt 36, S. 363 (372); GA 1977, S. 275 (276); NStZ 1986, S. 217 (218); StV<br />

1988, S. 487 (488); wistra 1990, S. 20; ähnlich BayObLG, StV 1989, S. 394 (395); Stree<br />

in SchSch'3, § 46 Rn. 57; Keller / Schmid, wistra 1984, S. 202; Montenbruck / Kuh1mey /<br />

Enderlein, JuS 1987, S. 807; gegen die Differenzierung Hillenkamp, JR 1975, S. 138.<br />

91 Vg1. Z. B. Maurach, Strafrecht AT., § 63 11 B 3 b; Jagusch, <strong>Die</strong> Praxis der Strafzumessung,<br />

S. 112 f.; Bruns, Das Recht der Strafzumessung', S. 181; Zipf, <strong>Die</strong> Strafmaßrevision,<br />

S. 88; 201 f.; Hanack, JZ 1967, S. 338; 1971, S. 715; Kintzi, JR 1990, S. 315.<br />

92 Hillenkamp, JR 1975, S. 138; Zipf, <strong>Die</strong> Strafmaßrevision, S. 201 f.<br />

93 K. Peters, JR 1978, S. 247 f.; ähnlich C. Roxin, <strong>Strafverfahren</strong>srecht'l, § 16 C; G.<br />

Hirsch, Strafzumessung, S. 184 (Nachweise auf unveröffentlichte Urteile S. 176 f.);<br />

Schroth, NJW 1990, S. 30; vg1. auch BGHSt 24, S. 239 (242); Bruns, Das Recht der<br />

Strafzumessung', S. 181.<br />

94 Vg1. H. Henkel, FS H. Lange, S. 179 ff.; vg1. auch Bruns, Das Recht der Strafzumessung"<br />

S. 197.<br />

95 Vg1. Berz, NJW 1982, S. 730.<br />

96 Vg1. dazu Hillenkamp, JR 1975, S. 135; Scheffler, RdJB 1981, S. 452 f.<br />

gen verstiegen, der Zeitablauf würde eine Abschwächung der Strafwirkung verursachen<br />

97, tatnahe Verurteilung dagegen würde die Strafe an Schärfe gewinnen<br />

lassen 98 • Denkt man diesen Gedanken konsequent zu Ende, so würde dies bedeuten,<br />

daß bei Tatferne eher eine Strafschärfung in Betracht kommt, um insbesondere<br />

die gesunkene Strafempfindlichkeit auszugleichen 99 : Geringe Strafempfindlichkeit<br />

kann genauso wie geringe Strafempfänglichkeit Anlaß zu Strafschärfung<br />

sein 100; beides sind ambivalente Strafzumessungsgründe.<br />

In der Literatur zum Strafzumessungsrecht wird demzufolge ein anderer Zugang<br />

zur Begründung der gewünschten Strafmilderung gewählt. Man geht <strong>von</strong><br />

der "W<strong>und</strong>en heilenden Kraft der Zeit" 101 auS: Zipf hält die Konstruktion für<br />

denkbar, daß durch den Zeitablauf die Schuld verringert werden könne 102. Es<br />

sei da<strong>von</strong> auszugehen, daß die Straftat die Rechtsordnung verletzt habe. Der<br />

Ausgleich dieser Rechtsstörung finde durch die Verhängung eines schuldproportionalen<br />

Übels statt. <strong>Die</strong> Abschwächung des Ausgleichsbedürfnisses für die durch<br />

die Tat gestörte Rechtsordnung sei der Gr<strong>und</strong> für die Schuldminderung mit<br />

wachsendem zeitlichen Abstand zwischen Tat <strong>und</strong> Aburteilung 10<strong>3.</strong> Auch Bruns<br />

dürfte so zu verstehen sein 104. Ähnlich meint Frisch, die <strong>Dauer</strong> der seit der Tat<br />

verstrichenen Zeit habe zwar mit der Tatschuld nichts zu tun; die Schuldstrafe<br />

ziele jedoch darauf, die durch die Tat geschaffene Rechtsfriedensstörung zu<br />

beheben, die auch durch den Zeitablauf teilweise behoben worden sein könnte 105,<br />

so daß für den vollen Schuldausgleich gar kein Bedürfnis mehr bestünde 106.<br />

Schließlich hebt auch Gerhard Schäfer darauf ab, bei vom Täter nicht verschuldetem<br />

Zeitablauf würde die "an sich nach dem Maß der Vorwerfbarkeit auszuwerfende<br />

Strafe" <strong>von</strong> der Bevölkerung nicht mehr verstanden 107. Im übrigen wird<br />

auch in der Rechtsprechung häufiger auf das sich abschwächende Strafbedürfnis<br />

hingewiesen 108.<br />

Folgt man diesen Ansätzen, die auf der Trennbarkeit <strong>von</strong> Tat- <strong>und</strong> Strafzumessungsschuld<br />

beruhen 109 <strong>und</strong> die insbesondere durch die im Anschluß an Günther<br />

97 Vg1. Begr. RegE RJGGÄndG, BT-DrS I/3264, S. 246.<br />

98 Bo1dt, DR 1940, S. 2037.<br />

99 Vg1. Bender / Heiss1er, ZRP 1978, S. 32.<br />

100 H. Henkel, FS H. Lange, S. 190; 194. Vg1. auch BGHSt 7, S. 28 (31).<br />

101 Siehe etwa OGHSt 1, S. 119 (121); Grauhan, GA 1976, S. 227; K. Peters, JR<br />

1978, S. 247 f.; Molketin, BA 1982, S. 18<strong>3.</strong><br />

102 Zipf, Strafzumessungsrecht" S. 89.<br />

103 Zipf, <strong>Die</strong> Strafmaßrevision, S. 201.<br />

104 Bruns, Das Recht der Strafzumessung', S. 181.<br />

105 Frisch, ZStW 99 (1987), S. 379<br />

106 Frisch, ZStW 99 (1987), S. 380 Fn. 12.<br />

107 G. Schäfer, Praxis der Strafzumessung, Rn. 356.<br />

108 Vgl. BGHSt 29, S. 370 (372); OLG Karlsruhe, GA 1973, S. 185 (186).<br />

109 Vgl. Achenbach, Historische <strong>und</strong> dogmatische Gr<strong>und</strong>lagen der strafrechtssystematischen<br />

Schuldlehre, insbes. S. 2 ff.


214 7. Kap.: Strafmilderung wegen Strafzumessungsrelevanz B. Tatfeme als Strafzumessungsgr<strong>und</strong> 215<br />

Jakobs vertretene generalpräventive Ausdeutung <strong>von</strong> Schuld 110 theoretische Stütze<br />

erlangen können, ist die Berücksichtigung der Tatfeme in der Strafzumessung<br />

mit dem Schuldstrafrecht in Übereinstimmung zu bringen. Strafe wird nur dann<br />

als schuldangemessen betrachtet <strong>und</strong> entfaltet nur dann general- <strong>und</strong> spezialpräventive<br />

Wirkungen, sofern sie nicht infolge Zeitablaufs als überhöht empf<strong>und</strong>en<br />

wird. Insofern zeigt sich auch die Richtigkeit des Ansatzes <strong>von</strong> Karl Peters: Bei<br />

Zeitablauf kann nur noch eine geminderte Strafe den Täter - wenn überhaupt<br />

noch - ansprechen <strong>und</strong> <strong>von</strong> ihm als verdient akzeptiert werden.<br />

1. Sprunghafter Wegfall? - Das Verhältnis zur Verfolgungsverjährung<br />

Der gelegentliche Einwand, es handele sich bei der Verjährung um ein Verfahrenshindernis<br />

<strong>und</strong> nicht um einen Strafaufhebungsgr<strong>und</strong> 111, so daß also die strafmildernde<br />

Wirkung der Verjährungsnähe dogmatisch widersprüchlich sei 112,<br />

könnte damit gekontert werden, daß es auch bei der Tatfeme nicht um die<br />

Verjährungsnähe geht: Gerade außerordentliche Tatfeme liegt regelmäßig erst<br />

dann vor, wenn wegen § 78b III StGB keine Verfolgungsverjährung mehr eintreten<br />

kann, also in der Zeitspanne zwischen erstinstanzlichem Urteil <strong>und</strong> Rechtskraft.<br />

Allerdings wäre dieser Gegeneinwand zu formal. Denn nur aufgr<strong>und</strong> des<br />

erst durch das 2. StrRG 1975 eingeführten § 78b III StGB können Tatfeme <strong>und</strong><br />

Verjährungsnähe auseinanderfallen. <strong>Die</strong>se Vorschrift bedeutet, wie Kohlmann es<br />

formuliert, einen "tiefgreifenden Bruch" des Systems der Verjährung 11<strong>3.</strong> Sie führt<br />

materiell also nicht dazu, daß vor <strong>und</strong> nach erstinstanzlichem Urteil Strafmilderung<br />

aus unterschiedlichen Gründen möglich sein könnte, sondern beschränkt<br />

nur die Verjährungsmöglichkeit der Tatfeme. Dem stehen auch nicht die Ausführungen<br />

<strong>von</strong> Bruns entgegen: Daß Bruns nicht neben dem längeren Zeitablauf<br />

die "herannahende Verjährung" wegen zum Teil "anderer Zielsetzung" als weiteren<br />

Strafzumessungsgr<strong>und</strong> versteht 114, zeigt sich schon daran, daß er die gleiche<br />

Formulierung auch schon zur alten Rechtslage gebrauchte 115. Bruns will die<br />

dogmatischen Schwierigkeiten, Zeitablauf strafmildernd zu berücksichtigen, vielmehr<br />

unter zwei Aspekten angehen: sowohl formal als Annex zum Verjährungsrecht<br />

als auch materiell.<br />

Insofern bleibt doch der Einwand bestehen, wie denn Verjährungsnähe (auch<br />

wenn sie gemäß § 78b In StGB normativ ausgeschlossen ist) zur Strafmilderung<br />

110 Vgl. G. Jakobs, Schuld <strong>und</strong> Prävention, S. 3 ff.; Strafrecht AT, 17. Abschn.<br />

111 Nachweise bei Bloy, <strong>Die</strong> dogmatische Bedeutung der Strafausschließungs- <strong>und</strong><br />

Strafaufhebungsgründe, S. 200 Fn. 84.<br />

112 Vgl. K. Schäfer, Niederschriften 2, S.338; G. Hirsch, Strafzumessung, S. 182<br />

Fn. 207; Baumann in: <strong>Die</strong> nationalsozialistischen Gewahverbrechen, S. 274.<br />

ll3 Kohlmann, FS Pfeiffer, S. 219. Siehe dazu auch oben, 5. Kap. A I.<br />

114 Bruns, Das Recht der Strafzumessung2, S. 181.<br />

115 Bruns, Strafzumessungsrechtz, S. 461.<br />

führen soll. Nun lassen sich gerade bei der Verjährung diese methodischen<br />

Bedenken beiseite schieben: Sie ist ein Institut, dessen Einordnung ins materielle<br />

oder prozessuale Recht höchst umstritten war <strong>und</strong> zum Teil noch ist. <strong>Die</strong> verschiedenen<br />

Positionen sind bekannt: <strong>Die</strong> - inzwischen zurückgedrängte - materiellrechtliche<br />

Verjährungstheorie 116 geht <strong>von</strong> dem infolge Zeitablaufs geschw<strong>und</strong>enen<br />

Strafbedürfnis der Gesellschaft <strong>und</strong> des Verletzten aus. Auf ihrer Gr<strong>und</strong>lage<br />

gäbe es keine Probleme, Strafmilderung dogmatisch zu erklären. Nichts anderes<br />

dürfte auch auf Gr<strong>und</strong>lage der häufiger vertretenen sog. gemischten Verjährungstheorie<br />

117 gelten, die die Verjährung auch als materielles Rechtsinstitut anerkennt.<br />

Einige ihrer Vertreter bezeichnen die Verfolgungsverjährung sogar als persönlichen<br />

Strafaufhebungsgr<strong>und</strong>, der lediglich verfahrensrechtlich als Prozeßhindernis<br />

ausgestaltet sei 118. Aber auch die prozessuale Verjährungstheorie 119, die ausschließlich<br />

an die zeitlich bedingte Beweisverschlechterung anknüpft, erkennt<br />

zumindest an, daß die Verjährung eine "materiellrechtliche Reflexwirkung" habe<br />

120. Ausdrücklich hat auch der 2. Senat des BGH formuliert, der Verjährung<br />

liege "nicht allein der Gesichtspunkt der Beweisvergänglichkeit zugr<strong>und</strong>e, sondern<br />

zusätzlich der Gedanke, daß im Laufe der Zeit ein ursprünglich bestehendes<br />

116 Z. B. RGSt 12, S. 434 (436); v. Lisztl Schmidt, Lehrbuch des deutschen Strafrechts<br />

12 6 , § 75 II; Beling, Gr<strong>und</strong>züge des Strafrechtsli, § 34 II 3; Allfeld, Lehrbuch des<br />

deutschen Strafrechts·, § 60 I; Lorenz, <strong>Die</strong> Verjährung in der deutschen Strafgesetzgebung,<br />

S. 55 ff.; H. Kaufmann, Strafanspruch - Strafklagrecht, S. 154; Bloy, <strong>Die</strong> dogmatische<br />

Bedeutung der Strafausschließungs- <strong>und</strong> StrafaufhebungsgfÜnde, S. 251; v. Stakkelberg,<br />

FS Bockelmann, S. 765; Walder, GS Noll, S. 316 f.<br />

117 Z. B. RGSt 59, S. 197 (199); 66, S. 328; Begr. RegE 1962, BT-DrS 7/551, S. 257;<br />

K. Peters, Strafprozeß" § 2 V; K. Schäfer in LR2., Einl. Kap. 12 Rn. 88; Dreher I Tröndle,<br />

StGB44, vor § 78 Rn. 4; Lackner, StGB18, § 78 Anm. I; Gerland, Deutsches Reichsstrafrecht<br />

2 , S.286; Sauer, Allgemeine Strafrechtslehre 3 , § 34 I; Mezger, Strafrecht3, § 73<br />

IV 2; H. Mayer, Strafrecht AT, § 55 II I; G. Jakobs, Strafrecht AT, 10. Abschn. Rn. 22;<br />

Böckenförde, ZStW 91 (1979), S. 890.<br />

118 Jescheck, Strafrecht AT., § 86 I I; Rudolphi in SK StGB, vor § 78 Rn. 10; ähnlich<br />

Frank, StGB ", § 66 Anm. II; M. E. Mayer, Der allgemeine Teil des deutschen Strafrechts 2 ,<br />

S. 521 f.; Rob. v. Hippel, Deutsches Strafrecht II, § 40 VI; Welzel, Das Deutsche Strafrecht",<br />

§ 34 IV I b; Baumann/Weber, Strafrecht AT9, § 30 III; Gallas, Niederschriften<br />

2, S. 348; kritisch dazu Volk, Prozeßvoraussetzungen, S. 226; Lorenz, <strong>Die</strong> Regelung<br />

der Verjährung im Entwurf des Allgemeinen Teils eines Strafgesetzbuches, S. 12 ff.<br />

119 Vgl. etwa BVerfGE I, S. 418 (423); 25, S. 269 (286); RGSt 76, S. 159 (160 f.);<br />

77, S. 201 (202 f.); BGHSt 2, S. 300 (306); 8, S. 269 (270); 11, S. 393 (395); 29, S. 168;<br />

Binding, Handbuch des Strafrechts I, S. 823 ff.; Kohlrausch I Lange, StGB43, § 67 Anm. I;<br />

Jähnke in LKlO, vor § 78 Rn. 9; Stree in SchSch23, vor § 78 Rn. 3; Preisendanz, StGB30,<br />

vor § 78 Anm. I; Blei, Strafrecht P', § 111; Maurach I Gössel I Zipf, Strafrecht AT I 2 7 ,<br />

§ 75 Rn. 13 ff.; Schmidhäuser, Strafrecht AT2, Kap. 13 Rn. 14; Bockelmann I Volk,<br />

Strafrecht AT., § 8 IV; Volk, Prozeßvoraussetzungen, S. 225 ff.; Bemmann, JuS 1965,<br />

S.338.<br />

120 Allfeld, Lehrbuch des deutschen Strafrechts9, § 60 Fn. 2; vgl. schon Binding,<br />

Handbuch des Strafrechts I, S. 823 f.; vgl. auch Maurach, Strafrecht AT., § 63 II<br />

B 3 b; Blei, Strafrecht P', § 111; Rüping, GA 1985, S. 438; Jagusch, Praxis der Strafzumessung,<br />

S. 112.


216 7. Kap.: Strafmilderung wegen Strafzumessungsrelevanz B. Tatfeme als Strafzumessungsgr<strong>und</strong> 217<br />

Strafbedürfnis immer mehr schwindet" \21. Aus der (umstrittenen) Rechtsnatur<br />

der Verfolgungsverjährung ergeben sich also hinsichtlich zeitlich vorgelagerter<br />

Strafmilderung keine durchschlagenden Bedenken.<br />

Ein weiterer Einwand bestünde auch hier darin, daß der Gesetzgeber dem<br />

Kriterium des Zeitablaufs in der Verjährung abschließend Rechnung getragen<br />

habe 122. So erwähnt Bruns eine ältere Entscheidung des 5. Strafsenats des BGH,<br />

derzufolge der Täter nicht mit Ablauf einer Zwischenzeit - vor der Verjährung<br />

_ milder bestraft werden dürfe, um damit gleichsam den Übergang zur völligen<br />

Straflosigkeit infolge Verjährung zu schaffen 12<strong>3.</strong> Nun wird als ein Haupteinwand<br />

gegen die materielle Verjährungstheorie eingewendet, die Ansicht vom schwindenden<br />

Strafbedürfnis sei unvereinbar mit dem "Sprung" <strong>von</strong> (voller) Strafe <strong>und</strong><br />

Nichtbestrafung ab Stichtag 124. <strong>Die</strong>ses Argument kann man auch "umdrehen",<br />

so daß sich aus dem Faktum des nachlassenden Strafbedürfnisses die Notwendigkeit<br />

der Verjährung vorgelagerter Strafmilderung ergeben würde 125. Denn auch<br />

sonst ist der "Schmerz der Grenze" \26 die Legitimation dafür, das "Alles oder<br />

Nichts" zu entschärfen 127. Hingewiesen sei auf die schon erwähnte strafmildernde<br />

Wirkung des Beinahe-Rücktritts 128 <strong>und</strong> auf die noch zu erörternde Berücksichtigung<br />

des Rechtsgedankens VOn § 60 StGB in der Strafzumessung beim Fehlen<br />

einer seiner Voraussetzungen 129. Es zeigt sich somit, daß im Gegenteil sogar die<br />

materiellrechtlichen Aspekte, an deren Vorliegen ab einem gewissen Punkt der<br />

Gesetzgeber sogar verfahrensbeendende Wirkung geknüpft hat, im Falle weniger<br />

starken Vorliegens zum Strafzumessungssachverhalt gehören müssen. Denn der<br />

Gesetzgeber hat die betreffenden Komplexe nicht abschließend geregelt, sondern<br />

deren besondere Relevanz aufgezeigt, indem er an Extremfälle die weitestgehende<br />

Reaktion geknüpft hat: So hat er etwa im E 1962 sogar die Einführung einer<br />

obligatorischen Strafmilderung bei Verjährungsnähe mit Hinweis auf ausländische<br />

Gesetze 130 diskutiert, aber diese "schematische Regelung" abgelehnt; es<br />

genüge, Zeitablauf als Strafzumessungsgr<strong>und</strong> bewerten zu können 131.<br />

2. Kontinuierliche Abschwächung? - Das Verhältnis<br />

zur Integrationsprävention<br />

Es ist auch mehr als fraglich, ob das Strafbedürfnis sich tatsächlich quasi<br />

proportional mit dem Zeitablauf abschwächt 132. So hat schon der OGH BZ ein<br />

Sinken des Strafbedürfnisses mit der Folge <strong>von</strong> Strafmilderung bei Verbrechen<br />

gegen die Menschlichkeit für die Zeitspanne verneint, die die deutsche Gerichtsbarkeit<br />

nicht in der Lage war, solche Verbrechen zu verfolgen 133: "Gerade das<br />

Bewußtsein, daß die gerechte Sühne der Tat aus den angeführten Gründen noch<br />

verhindert wurde, ließ das Opfer wie die Allgemeinheit die Verletzung trotz des<br />

Zeitablaufs nach wie vor schmerzlich empfinden." 134 <strong>Die</strong>sem Gedanken ist vor<br />

allem der 5. Senat des BGH wohl in einigen Entscheidungen gefolgt, wenn er<br />

betont hat, Strafmilderung wegen Zeitablaufs komme deshalb in Betracht, weil<br />

nicht der Beschuldigte das Verfahren "verzögert" habe 135.<br />

<strong>Die</strong>s erscheint unproblematisch, soweit der Zeitablauf vom Beschuldigten<br />

durch prozeßwidriges Verhalten verursacht worden ist, etwa Flucht, Vortäuschen<br />

der Verhandlungsunfähigkeit, falsche Verdächtigung oder Rechtsrnißbrauch 136.<br />

Es ist aber genauso denkbar, daß die späte Durchführung bzw. Beendigung eines<br />

<strong>Strafverfahren</strong>s (mit-)verursacht ist durch - prozeßordnungsgemäßes - Verteidigungsverhalten.<br />

In solchen Fällen, insbesondere wenn das Verhalten sich für<br />

die Öffentlichkeit als unverständliche Verschleppungstaktik darstellt - man<br />

denke etwa an Besetzungsrügen <strong>und</strong> an auf die absolute Beweiskraft des Protokolls<br />

gestützte Revisionsrügen - dürfte das Ausgleichsbedürfnis sich kaum<br />

verringern, sondern möglicherweise sogar verstärken 137.<br />

<strong>Die</strong>s ist hinzunehmen. Auf Gr<strong>und</strong>lage des Schuldstrafrechts läßt sich Strafmilderung<br />

aufgr<strong>und</strong> <strong>von</strong> Zeitablaufeben nur dann legitimieren, wenn man anerkennt,<br />

daß das Abnehmen des Strafbedürfnisses mit einer Schuldverringerung einhergeht<br />

138. <strong>Die</strong>s hat zur Folge, daß sich die Schuld - <strong>und</strong> damit die Strafe - dort<br />

12\ BGH, JZ 1985, S. 352.<br />

\22 Vgl. Hillenkamp, JR 1975, S. 136.<br />

m Bruns, Strafzumessungsrecht 2 , S. 461 Fn.5.<br />

124 Jähnke in LKW, vor § 78 Rn. 9; K. Schäfer, LR2" Einl. Kap. 12 Rn. 88; Pföhler,<br />

Zur Unanwendbarkeit des strafrechtlichen Rückwirkungsverbots im Strafprozeßrecht,<br />

S.35.<br />

125 So wohl Kern, MschrKrimPsych 15 (1924), S. 238 Fn. l.<br />

\26 Dreher, FS Welzel, S. 929.<br />

127 Siehe auch R. Bender, GS Rödig, S. 34 ff.; Montenbruck, JR 1985, S. 118.<br />

128 Siehe dazu oben, A n I.<br />

\29 Siehe dazu unten, C II 2 a bb.<br />

130 Vgl. dazu K. Schäfer, Niederschriften 2, S. 338; Jescheck, Lehrbuch des Strafrechts"<br />

§ 86 I I. Siehe auch Rothenfluth, SchwZStR 100 (1983), S. 368.<br />

131 Begr. RegE 1962, BT-DrS IV /650, S. 257; vgl. dazu Lorenz, <strong>Die</strong> Regelung der<br />

Verjährung im Entwurf des Allgemeinen Teils eines Strafgesetzbuches, S. 28.<br />

\32 Dagegen auch BGHSt 2, S. 300 (307); ausführlich Bockelmann, Niederschriften<br />

2, S. 329.<br />

133 OGHSt I, S. 119 (121 f.); 2, S. 94 (98). Vgl. auch BVerfGE 25, S. 269 (294).<br />

134 OGHSt I, S. 119 (122).<br />

135 BGH, NStZ 1983, S. 167; StV 1988, S. 295; Urt. v. 4. <strong>3.</strong>1980-5 StR 14/80(Anhang<br />

3). Vgl. auch StV 1988, S. 487 (I. Senat).<br />

136 Siehe dazu unten, C III 1.<br />

137 Vgl. Bertz, NJW 1982, S. 729: "<strong>Die</strong> lange <strong>Dauer</strong> ... erregt in der Öffentlichkeit<br />

häufi~ Erstaunen, wenn nicht sogar Empörung ... <strong>Die</strong>s gilt verstärkt immer dann, wenn<br />

. .. em ... Prozeß ... erst nach Jahren sein Ende findet, in einem Zeitpunkt also, in<br />

dem das Tatgeschehen im Bewußtsein der Bevölkerung längst verblaßt ist." Vgl. auch<br />

Rob. v. Hippel, MSchrKrim 26 (1935), S. 241 f.; Bruns, FS Maurach, S. 469; Römer,<br />

FS Schmidt-Leichn~r, S. 143; Schroeder, NJW 1983, S. 140. Siehe auch Bild-Zeitung<br />

v. 24.12.1990: "GeIselgangster schon 17 (I) Monate vor Gericht - was soll das eigentlich?".<br />

138 Vgl. Hillenkamp, JR 1975, S. 138.


218 7. Kap.: Strafmilderung wegen Strafzumessungsrelevanz C. Belastungen als Strafzumessungsgr<strong>und</strong> 219<br />

nicht verringern kann, wo ein Strafbedürfnis nach wie vor vorliegt. <strong>Die</strong>ses Strafbedürfnis<br />

ist jedoch als irrationales sozialpsychologisches Phänomen abhängig <strong>von</strong><br />

Voraussetzungen, die sich rein dogmatischer Herleitung entziehen 139. Folge da<strong>von</strong><br />

ist, daß die Privilegierung des spät Abgeurteilten aufder Rechtsfolgenseite ähnlich<br />

<strong>von</strong> "der Volksmeinung" 140 abhängig ist, wie das etwa auch bei dem Kriterium<br />

der Verteidigung der Rechtsordnung der Fall ist. Es ist jedoch wie bei diesem<br />

Kriterium auf die "über die Besonderheiten des Einzelfalls unterrichtete Bevölkerung"<br />

abzustellen 141, was einer normativen Ausdeutung 142 nahekommt. Demzufolge<br />

dürfte auch in den Fällen, in denen etwa Quo eine Verletzung des Schuldgr<strong>und</strong>satzes<br />

für möglich hält, nämlich wenn der Täter "nicht mehr derselbe wie<br />

zur Tatzeit" ist 143, bei der Strafzumessung reagiert werden können, was sich<br />

dogmatisch auch aus dem Gesichtspunkt der Strafempfanglichkeit herleiten läßt.<br />

Jedoch existiert kein obligatorischer Strafmilderungsgr<strong>und</strong> des Zeitablaufs, sondern<br />

es ist eine einzelfallorientierte, differenzierende Betrachtungsweise geboten<br />

144.<br />

11. Verbesserte Sozialprognose <strong>und</strong> Strafaussetzung zur Bewährung<br />

Der Umstand des langen Zeitablaufs zwischen Tat <strong>und</strong> Verurteilung kann auch<br />

für die Aussetzung der Strafvollstreckung zur Bewährung Relevanz haben. So<br />

ist bei Zeitablauf eine günstige Sozialprognose dann naheliegend, wenn sich der<br />

Täter seit der Tat straffrei gehalten hat 145. <strong>Die</strong>ses Kriterium versagt allerdings,<br />

wenn dem Beschuldigten die straffreie Führung - etwa weil er sich in Untersuchungshaft<br />

bef<strong>und</strong>en hat - nicht zugerechnet werden kann. <strong>Die</strong> günstige Sozialprognose<br />

wird jedoch nicht dadurch ausgeschlossen, daß der Zeitablauf darauf<br />

beruht, daß der Täter versucht hat, der Bestrafung zu entgehen 146.<br />

Der Zeitablauf hat auch als besonderer Umstand im Sinne <strong>von</strong> § 56 II StGB<br />

Bedeutung. <strong>Die</strong>s hat zwar - bezogen auf § 23 II a. F. StGB - der BGH<br />

139 Vgl. etwa Nowakowski, PS Ritder, S. 84 ff.; Jäger, PS H. Henkel, S. 131 ff.;<br />

Haffke, GA 1978, S. 35 ff.<br />

140 Maiwald, GA 1983, S. 65; ähnlich Schröder, JZ 1971, S. 244.<br />

141 BGH, StV 1989, S. 150; ähnlich BGHSt 24, S. 64 (69); NStE Nr. 9 zu § 56 StGB,<br />

wistra 1987, S. 257 (258); BayObLG, NJW 1978, S. 1337.<br />

142 Vgl. dazu Volk, Prozeßvoraussetzungen, S. 200 ff.; kritisch Zielinski, GS H. Kaufmann,<br />

S. 877 ff.; Herrmann, ZStW 95 (1983), S. 130 f.<br />

143 Otto, Gr<strong>und</strong>kurs Strafrecht AT3, § 2 I 2 a aa. Vgl. auch G. Jakobs, Strafrecht AT,<br />

10. Abschn. Rn. 22; Jescheck, Strafrecht AT., § 86 I I; Bemmann, JuS 1965, S. 337;<br />

Sendler, PS Deutsche Richterakademie, S. 178; Rothenfluth, SchwZStR 100 (1983),<br />

S.367.<br />

144 G. Hirsch, LK'o, § 46 Rn. 47; Strafzumessung, S. 186.<br />

145 BGHSt 6, S. 298 (301); Ruß in LK'o, § 56 Rn. 22; Horn in SK StGB, § 46 Rn. 146;<br />

ähnlich BayObLG, StV 1989, S.394 (395); G. Schäfer, Praxis der Strafzumessung,<br />

Rn. 356.<br />

146 BGH, StV 1988, S. 385; Horn in SK StGB, § 56 Rn. 14; Ruß in LKIO, § 56 Rn. 15.<br />

ursprünglich abgelehnt 147. Inzwischen ist er jedoch <strong>von</strong> seiner Rechtsprechung<br />

abgerückt, wonach die besonderen Umstände dem Fall den "Stempel des Außergewöhnlichen"<br />

aufdrücken müssen 148. Demzufolge hat er dann den großen Abstand<br />

zwischen Tat <strong>und</strong> Urteil als besonderen Umstand gesehen 149.<br />

Auch für das Merkmal der Verteidigung der Rechtsordnung spielt der Zeitablaufeine<br />

Rolle 150. Im übrigen folgt dies nach dem BGH aus den gleichen Gründen,<br />

die auch zum Wegfall des Strafbedürfnisses führen können: "So wie es sich auf<br />

die Höhe einer zu verhängenden Strafe auswirkt, daß das Strafbedürfnis der<br />

Allgemeinheit mit zunehmendem zeitlichen Abstand abnimmt, so kann sich,<br />

unter Berücksichtigung aller Strafzwecke, auch das Bedürfnis nach Vollstreckung<br />

einer ausgesprochenen Strafe mit längerem Zeitablaufnach der Tat verringern" 151.<br />

Allerdings ist das Verhältnis zwischen beiden Kriterien im einzelnen unklar. Für<br />

die Rechtsprechung <strong>und</strong> einen Teil der Literatur hat das Schuldrnaß insoweit<br />

Bedeutung, wie es das Rechtsempfinden der Bevölkerung über die Tat <strong>und</strong> ihre<br />

gerechte Strafe prägt. Hat sich das Strafbedürfnis durch Zeitablauf gelegt, würde<br />

regelmäßig auch die Verteidigung der Rechtsordnung nicht mehr die Vollstrekkung<br />

gebieten 152. Da die Gegenansichtjedoch ebenfalls zugesteht, daß die Schuldschwere<br />

<strong>und</strong> die Verteidigung der Rechtsordnung in einem Zusammenhang stehen<br />

153, mag dies hier auf sich beruhen.<br />

C. Belastungen als Strafzumessungsgr<strong>und</strong><br />

Im Zusammenhang mit <strong>überlange</strong>r Verfahrensdauer ist schon seit jeher auf<br />

einen Aspekt hingewiesen worden, der weitergehend als der der Tatfeme strafzumessungsrelevant<br />

ist: Schon Beccaria sprach <strong>von</strong> den "schrecklichen Qualen der<br />

Ungewißheit" des Schuldigen 154, was, wie Hillenkamp formuliert, "mutatis mutandis<br />

auch für den Unschuldigen gilt" 155.<br />

147 BGH, GA 1973, S. 185 (186).<br />

148 Vgl. etwa BGHSt 29, S. 370 (371 f.); StV 1983, S. 502 (503); NStZ 1984, S. 361;<br />

1986, S. 27; wistra 1987, S. 65.<br />

149 BGHSt 29, S. 370 (372); NStE Nr. 25 zu § 56 StGB.<br />

150 BGHSt 29, S.370 (372), BGH, GA 1979, S.313 (314); a.A. offenbar OLG<br />

Koblenz, VRS 59, S. 339 (340), wo zwar <strong>von</strong> Verfahrensdauer gesprochen, aber auf<br />

den Tatzeitpunkt abgehoben wird. Vgl. auch LG Fiensburg, MDR 1979, S. 76.<br />

151 BGHSt 29, S. 370 (372).<br />

152 BGHSt 24, S. 40 (44 ff.); S.64 (66 ff.); bei Dallinger, MDR 1970, S. 380; bei<br />

Martin, DAR 1971, S. 119; VRS 38, S. 334 (335); OLG Köln, VRS 39, S. 27; DAR<br />

1971, S. 300(301); NJW 1970, S. 258 (259); OLG Hamm,NJW 1970, S. 870; BayObLG,<br />

MDR 1972, S. 339 (340); OLG Düsseldorf, VRS 39, S. 328 (329); G. Hirsch in LKIO,<br />

§ 47 Rn. 34 Pn. 38; Stree in SchSch 2J , § 47 Rn. 15.<br />

153 Grünwald, PS Schaffstein, S. 228; Zipf, FS Bruns, S. 209 ff.; Maiwald, GA 1983,<br />

S.59.<br />

154 Beccaria, Über Verbrechen <strong>und</strong> Strafen, S. 9<strong>3.</strong><br />

155 Hillenkamp, JR 1975, S. 134.


220 7. Kap.: Strafmilderung wegen Strafzumessungsrelevanz<br />

Nun sind neben dem psychischen <strong>und</strong> physischen Druck noch zwei weitere<br />

Aspekte der Verfahrensbelastungen zu unterscheiden 156. Hierzu zählen zunächst<br />

einmal Beschränkungen des Beschuldigten durch Maßnahmen zur Sicherung des<br />

Verfahrens (Untersuchungshaft, Meldeauflagen bei Haftverschonung, KautionssteIlung,<br />

Beschlagnahmen) sowie die Anwesenheitspflicht in der Hauptverhandlung.<br />

Schließlich sind als dritter Aspekt die Beeinträchtigung des sozialen Ansehens<br />

<strong>und</strong> wirtschaftliche Nachteile (Verteidigungskosten, Verdienstausfall, Kreditverlust)<br />

zu nennen.<br />

I. Verzögerungen <strong>und</strong> Belastungen<br />

1. Belastungen als abgeleiteter Strafzumessungsfaktor<br />

Der EGMR formulierte schon in seiner ersten Entscheidung zur <strong>überlange</strong>n<br />

Verfahrensdauer (Fall Wemhoff), der Zweck des Beschleunigungsgebots in<br />

Art. 6 I EMRK sei es, auf strafrechtlichem Gebiet ..zu erreichen, daß die Beschuldigten<br />

nicht während eines zu langen Zeitraums unter der Last einer Beschuldigung<br />

bleiben" 157. Nun muß diese Aussage etwas verw<strong>und</strong>ern, weil der EGMR<br />

im Rahmen <strong>von</strong> Art. 6 I EMRK auf die Belastungen des Beschuldigten allenfalls<br />

insoweit indirekt abstellt, als er das Verhalten des Beschuldigten mit berücksichtigen<br />

will 158 • Zudem hat der EGMR in der gleichen Entscheidung zu Art. 5 III<br />

EMRK es abgelehnt, eine <strong>von</strong> der Kommission entwickelte Sieben-Punkte-PfÜfungsmethode<br />

zu übernehmen, die u. a. auch auf "persönliche Auswirkungen<br />

materieller, moralischer <strong>und</strong> anderer Art" auf den Beschuldigten abstellt 159 <strong>und</strong><br />

auch auf Art. 6 I EMRK übertragbar sein könnte 160.<br />

Der 1. Strafsenat des BGH hat neuerdings in einem obiter dictum in Abweichung<br />

<strong>von</strong> der sonstigen Rechtsprechung der Senate, die aufVerfahrensbelastungen<br />

nur untergeordnet hingewiesen haben, diesen Aspekt als den entscheidenden<br />

Strafmilderungsgr<strong>und</strong> bei <strong>überlange</strong>r Verfahrensdauer angesehen: Es wirke ..das<br />

in der ständigen Belastung liegende ... Übel strafmildernd" 161.<br />

156 Vgl. etwa I. Roxin, Rechtsfolgen, S. 252; Nose, ZStW 82 (1970), S. 791 Fn.27;<br />

Kloepfer, JZ 1979, S. 214; Schroth, NJW 1990, S. 30; Wolfslast, NStZ 1990, S. 410;<br />

Schünemann, Verh. 58. DJT, S. B 35 f.<br />

157 EGMR, IR 1968, S. 463 (466); zustimmend OLG Stuttgart, JZ 1974, S. 268; I.<br />

Roxin, Rechtsfolgen, S. 252; ähnlich Bruns, Verh. 50. DIT, S. K 82.<br />

158 Siehe oben, <strong>3.</strong> Kap. A 11.<br />

159 EGMR I, S. 107 (118) (insoweit nicht in JR 1968, S. 463 abgedruckt); ausführlich<br />

dazu Kramer, Menschenrechtskonvention, S. 116 ff.; Bartsch, JuS 1970, S. 448 f.<br />

160 v. Stackelberg, FS Bockelmann, S. 769. Vgl. aber auch EGMR I, S. 143 (167)<br />

(Fall Neumeister).<br />

161 BGH, NStZ 1989, S. 526 (527); vgl. auch schon BGHSt 27, S. 274 (276).<br />

C. Belastungen als Strafzumessungsgr<strong>und</strong> 221<br />

Nur dieser Ansatz kann erklären, warum nach Meinung des EGMR 162 <strong>und</strong><br />

ihm folgend des BGH 163 der Zeitpunkt der Bekanntgabe der Vorwürfe an den<br />

Beschuldigten den für Art. 6 I EMRK maßgeblichen Zeitraum beginnen lassen<br />

soll: Es steckt die Ansicht dahinter, daß mit Wissen vom Ermittlungsverfahren<br />

der Druck, die Belastungen beginnen 164.<br />

Allerdings erscheint fraglich, ob dieser Zeitpunkt dann nicht sogar auf die<br />

Einleitung des Ermittlungsverfahrens vorzuverlegen ist 165, die dem Beschuldigten<br />

nicht mitgeteilt zu werden braucht (vgl. § 170 II StPO), was vielfach auch<br />

kriminaltaktisch angezeigt ist 166. Beeinträchtigungen der Rechtsposition des Beschuldigten<br />

können jedoch schon vor Kenntniserlangung vom Verfahren eintreten.<br />

So ist nach einigen Vorschriften der MiStra (z. B. NT. 16, 32, 41, 43a, 45,<br />

48a, 52) schon die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens den betreffenden SteIlen<br />

mitzuteilen. Beispielsweise führt Nr. 16 II Iit. a MiStra i. V. m. § 32 Nr. 2<br />

GVG zur Unfähigkeit zum Schöffenamt 167. Praktisch relevanter <strong>und</strong> in den Auswirkungen<br />

weitergehend ist vor allem Nr. 43a lit. a MiStra: Danach ist schon<br />

die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens gegen einen Strafgefangenen dem<br />

Leiter der JVA mitzuteilen mit der Folge der regelmäßigen Ungeeignetheit des<br />

Gefangenen für den offenen Vollzug (Nr.2 I lit. d VV zu § lO StVollzG),<br />

Außenbeschäftigung, Freigang, Ausgang (NT. 6 II Iit. d VV zu § I1 StVollzG)<br />

<strong>und</strong> Urlaub (Nr. 4 II lit. e VV zu § 13 StVollzG). Nach Nr. 2.2.1 der Richtlinien<br />

für die Führung Kriminalpolizeilicher personenbezogener Sammlungen (KpS­<br />

Richtlinien) können die Daten Beschuldigter im Rahmen eines strafrechtlichen<br />

Ermittlungsverfahrens aufgenommen <strong>und</strong> nach Maßgabe des Katalogs in Nr. 3<br />

Behörden übermittelt werden, wobei die Notwendigkeit der Gefahrenabwehr im<br />

Einzelfall genügt (Nr. <strong>3.</strong>5.12 KpS- Richtlinien). Ähnliches gilt nach den Richtlinien<br />

für d;e Errichtung <strong>und</strong> Führung <strong>von</strong> Dateien über personenbezogene Daten<br />

beim B<strong>und</strong>eskriminalamt (siehe dort Nr. 4.2.1 <strong>und</strong> NT. 5.5.12).<br />

Auch Presseerklärungen <strong>von</strong> Polizei <strong>und</strong> Staatsanwaltschaft sind schon ab<br />

Einleitung des Ermittlungsverfahrens, prinzipiell auch unter Namensnennung<br />

(vgl. Nr. 23 I RiStBV) zulässig 168. Dem hat die EKMR Rechnung getragen,<br />

indem sie bezüglich einer Menschenrechtsbeschwerde gegen die B<strong>und</strong>esrepublik<br />

Deutschland konsequenterweise auf den Zeitpunkt der Veröffentlichung eines<br />

162 EGMR, JR 1968, S. 463 (466) (Fall Wemhoff); EuGRZ 1980, S. 667 (671) (Fall<br />

Deweer); 1982~ S. 297 (301) (Fall Adolf); 1983, S. 371 (379) (Fall Eckle); 1985, S. 578<br />

(581) (Fall Fotl u. a.); S. 585 (587) (Fall Corigliano).<br />

163 BGH, NStZ 1982, S. 291; StV 1988, S. 487 (488).<br />

164 So ausdrücklich Miehsler / Vogler, IntKomm, Art. 6 Rn. 313; Küng-Hofer, Beschleunigung,<br />

S. 83; Ulsamer, FS FaUer, S. 375.<br />

165 So wohl Schroth, NJW 1990, S. 30.<br />

166 Füllkrug, Krim 1987, S. 387 ff.<br />

167 Vgl. Kohlmann, FS Maurach, S. 502 f.; RieB, NStZ 1982, S. 436.<br />

168 Kritisch Ulsamer, FS Zeidler, S. 1809; K.-H. Koch, ZRP 1989, S. 401 ff.


222 7. Kap.: Strafmilderung wegen Strafzumessungsrelevanz<br />

Fotos des Beschuldigten mit der Warnung an die Bevölkerung in einer Tageszeitung<br />

abgestellt hat 169. <strong>Die</strong>se Überlegungen sind auch dadurch zu stützen, daß<br />

ein "Rehabilitierungsbescheid" 170 gemäß § 170 11 StPO nicht nur dann erforderlich<br />

ist, wenn der Beschuldigte als solcher vernommen worden ist, sondern daß<br />

das besondere Interesse an der Bekanntgabe der Einstellung auch dann angenommen<br />

wird, wenn der Beschuldigte "irgendwie <strong>von</strong> der Anzeige erfahren" hatte 171<br />

oder das Ermittlungsverfahren "in der Öffentlichkeit oder auch nur im privaten<br />

Umfeld des Beschuldigten bekanntgeworden ist" 172.<br />

Man könnte sogar noch einen Schritt weitergehen <strong>und</strong> auf den Zeitraum abstellen,<br />

ab dem der spätere Beschuldigte weiß, daß gegen ihn ein Ermittlungsverfahren<br />

eingeleitet werden könnte. Anknüpfungspunkt könnte hier bei verzögerter<br />

Einleitung des Ermittlungsverfahrens 173 der Zeitpunkt der Entdeckung, also der<br />

Beginn des Verdächtigtenstatus sein: Für den Autofahrer etwa, der in einen<br />

Verkehrsunfall verwickelt wurde, dürften die Belastungen gerade auch so lange<br />

bestehen, bis er Kenntnis da<strong>von</strong> erhält, ob er strafrechtlich belangt werden soll.<br />

Der <strong>3.</strong> Strafsenat des BGH hat allerdings in einer Entscheidung nicht schon auf<br />

das Bekenntnis des Beschuldigten zu den Straftaten gegenüber den Geschädigten<br />

abgehoben, sondern erst auf den Zeitpunkt einer Hausdurchsuchung, die freilich<br />

schon einen Tag später stattfand 174. Noch weitergehend, aber entgegen Günter<br />

Hirsch 175 wohl zu weitgehend, könnte aufden Zeitpunkt der Tat abgestellt werden,<br />

wie es das LG München 11 in einem NS-Verfahren getan hat: Es sei strafmildernd<br />

zu berücksichtigen, "daß zwischen der Tatzeit <strong>und</strong> der Aburteilung eine erhebliche<br />

Zeitspanne liegt, während der der Angeklagte psychisch <strong>und</strong> physisch unter dem<br />

ständigen Druck einer möglichen Entdeckung gelitten hat" 176.<br />

Unter dem Gesichtspunkt der Verfahrensbelastungen wäre es letztendlich am<br />

konsequentesten, auf den tatsächlichen konkreten Zeitpunkt der Verfahrensbelastungen<br />

abzustellen, auf die, wie es der EGMR formuliert, "erheblichen Auswirkungen<br />

aufdie Situation" des Beschuldigten 177. <strong>Die</strong>sen "flexiblen Interpretationsansatz"<br />

178 hat der EGMR im Eckle-Urteil beispielhaft angewendet: Während<br />

169 EKMR, CD 46 (1974), S. 1 (18).<br />

170 Meyer-GoBner in LR23, § 170 Rn. 5<strong>3.</strong><br />

171 Meyer-GoBner in LR23, § 170 Rn. 50.<br />

172 RieB in LR24, § 170 Rn. 38.<br />

173 Vgl. OLG Düsseldorf, NJW 1986, S. 2204 (2205).<br />

174 BGH, Beschl. v. 27.5.1983 - 3 StR 159/83 (Anhang 14; insoweit nicht bei<br />

Mösl, NStZ 1983, S. 494 abgedruckt).<br />

175 G. Hirsch, Strafzumessung, S. 188 f.; vgl. auch Hanack, JZ 1967, S. 338.<br />

176 LG München II, Urt. v. 12.10.1956-12 KLs 10/56 (zit. n. G. Hirsch, Strafzumessung,<br />

S. 178).<br />

17'7 EGMR, EuGRZ 1980, S. 667 (672) (Fall Deweer); 1983, S. 371 (379) (Fall Eckle).<br />

Vgl. dazu ausführlich Weidmann, Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte,<br />

S. 195 ff.<br />

178 Weidmann, Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte, S. 197.<br />

C. Belastungen als Strafzumessungsgr<strong>und</strong> 223<br />

gegen Hans Eckle dem EGMR weder die Strafanzeige noch die Aufnahme der<br />

Ermittlungstätigkeit als Fristbeginn genügte, weil der Beschuldigte noch keine<br />

"offizielle" Kenntnis vom Ermittlungsverfahren oder dessen Auswirkungen erlangt<br />

hatte, ließ er bezüglich Marianne Eckle die Frist vor Einleitung des Ermittlungsverfahrens<br />

(auch) gegen sie beginnen, da sie alle Auswirkungen im gleichen<br />

Maße wie ihr Ehemann habe erdulden müssen 179.<br />

2. Belastungen als selbständiger Strafzumessungsfaktor<br />

Bleibt nichtsdestotrotz festzuhalten, daß sich die herrschende Ansicht zum<br />

Beginn des für die <strong>überlange</strong> Verfahrensdauer relevanten Zeitpunkts nur aus dem<br />

Belastungsgedanken erklären läßt, so ist dennoch nicht voreilig der Schluß zu<br />

ziehen, daß Verfahrensbelastungen als Derivat <strong>von</strong> Verfahrensverzögerungen zu<br />

verstehen sind.<br />

Offenbar hat der 2. Senat des BGH in einer Entscheidung angenommen, daß<br />

die Problemkreise der Verfahrensverzögerungen <strong>und</strong> der Verfahrensbelastungen<br />

nebeneinander stehen. Er hat ausgeführt: "Der neu entscheidende Tatrichter wird<br />

bei der Strafzumessung im übrigen zu berücksichtigen haben, daß seit dem Ende<br />

der Taten inzwischen mehr als vier Jahre vergangen sind, der Angeklagte im<br />

Oktober 1982 erstmals in Untersuchungshaft genommen wurde <strong>und</strong> sich in dieser<br />

Sache nach drei erfolgreichen Revisionen <strong>und</strong> erheblicher Verringerung des<br />

ursprünglich angenommenen Schuldumfangs seit 1983 jetzt zum vierten Mal<br />

einer Hauptverhandlung stellen muß." 180 Analysiert man diesen Satz, ergibt sich,<br />

daß der BGH nicht nur den Zeitablauf seit der Tat berücksichtigt haben will,<br />

sondern auch zwischen den Verfahrensbelastungen (vierte Hauptverhandlung)<br />

<strong>und</strong> den Verfahrensverzögerungen unterscheidet; letzteres folgt aus dem Hinweis<br />

auf die "erfolgreichen", das heißt zur Verringerung des Tatvorwurfs führenden<br />

Revisionen 181. Noch deutlicher hat sich der <strong>3.</strong> Senat in seiner schon mehrfach<br />

erwähnten Entscheidung im 35. Band der amtlichen Sammlung geäußert: Es sei<br />

"als durchgreifender Strafmilderungsgr<strong>und</strong> zu werten, daß die Taten zum Teil<br />

15 Jahre zurückliegen, die Angeklagten jahrelang unter dem - zeitweise mit<br />

dem Vollzug <strong>von</strong> Untersuchungshaft verb<strong>und</strong>enen - Druck des Verfahrens<br />

gestanden haben <strong>und</strong> die zuständigen Justizorgane trotzdem die Revisionsentscheidung<br />

des B<strong>und</strong>esgerichtshofs innerhalb einer rechtsstaatlich noch hinnehmbaren<br />

Frist ohne sachlichen Gr<strong>und</strong> verhindert haben" 182. Auch das BayObLG<br />

179 EGMR, EuGRZ 1983, S. 371 (379 f.).<br />

180 BGHR StGB § 46 Abs. 2 Nachtatverhalten 4 (insoweit nicht in NStZ 1987 S 171<br />

abgedruckt). ' .<br />

181 Zur Auffassung des BGH, daß erfolgreiche Rechtsmittel des Beschuldigten Verfahrensverzögerungen<br />

auslösen, siehe unten, III 1.<br />

182 BGHSt 35, S. 137 (142).


------------------<br />

224<br />

7. Kap.: Strafmilderung wegen Strafzumessungsrelevanz C. Belastungen als Strafzumessungsgr<strong>und</strong> 225<br />

hat kürzlich zwischen Verzögerungen, Belastungen <strong>und</strong> Tatferne unterschieden<br />

18<strong>3.</strong><br />

<strong>Die</strong>se Unterscheidung ist richtig. Verfahrensbelastungen haben zu Verfahrensverzögerungen<br />

keinen direkten Bezug. Es kommt für die Frage der Verfahrensbelastungen<br />

nicht darauf an, ob ein <strong>Strafverfahren</strong> wegen Verzögerungen so lange<br />

dauerte oder aufgr<strong>und</strong> verfahrensspezifischer Umstände 184, wenngleich es sein<br />

mag, daß im letzten Fall ein Beschuldigter eher bereit ist, die lange Verfahrensdauer<br />

hinzunehmen 185. Es ist für den Betroffenen letztendlich egal, ob sein Verfahren<br />

so lange dauert, weil die Strafverfolgungsorgane verzögern, oder aber deshalb,<br />

weil die Beweislage so kompliziert ist, Zeugen erkranken etc. Das bedeutet, daß<br />

insoweit die schon oben mehrfach erwähnte Problematik, Verzögerungen festzustellen<br />

oder gar zu berechnen, bedeutungslos ist. Vielmehr mag <strong>von</strong> einem<br />

allgemeinen Gr<strong>und</strong>satz ausgegangen werden können, daß überdurchschnittliche<br />

Belastungen, die durch das Verfahren als solches entstehen, strafmildernd zu<br />

berücksichtigen sind 186. Dann wäre auch hier übrigens die Verortung der Frage<br />

der Rechtsfolgen öffentlicher Vorverurteilung möglich 187, die oben insoweit offengelassen<br />

wurde 188.<br />

11. Verfahrensdauer <strong>und</strong> Belastungen<br />

1. Anrechnung - Der objektive Maßstab<br />

<strong>Die</strong>se Überlegungen können aber nicht die Ansicht des EGMR entkräften,<br />

Zweck <strong>von</strong> Art. 6 I EMRK sei es, übermäßige Belastungen des Beschuldigten<br />

zu verhindern. Denn ist Ausdruck <strong>von</strong> Art. 6 I EMRK, wie oben ausgeführt 189 ,<br />

das Prinzip der "Vernünftigkeit", so mag jede "unvernünftige" Verfahrensdauer,<br />

unabhängig da<strong>von</strong>, ob verzögert oder vom Verfahrensgegenstand bedingt, in der<br />

Strafzumessung zu berücksichtigen sein. Steckt der Gedanke der Verfahrensbela-<br />

183 BayObLG, StV 1989, S. 394 (395).<br />

184 Vgl. Maurach / Gössel/Zipf, Strafrecht AT/2 7 , § 63 Rn. 34: Belastungen des Angeklagten<br />

durch die lange Verfahrensdauer <strong>und</strong> Verfahrensverzögerungen.<br />

185 Priebe, FS v. Simson, S. 30<strong>3.</strong> Vgl. auch Rieß, JR 1983, S. 260: "Eine vermeidbare<br />

Verzögerung durch die staatlichen Strafverfolgungsorgane läßt das Gewicht des ...<br />

Freiheitsanspruchs des Beschuldigten regelmäßig besonders bedeutsam erscheinen."<br />

Siehe auch Müller-<strong>Die</strong>tz, ZStW 93 (1981), S. 1244.<br />

186 G. Schäfer, Praxis der Strafzumessung, Rn. 326. Vgl. auch BGH, wistra 1990,<br />

S.65.<br />

187 G. Schäfer, Praxis der Strafzumessung, Rn. 326; Hassemer, NJW 1985, S. 1928;<br />

Krekeler, AnwBl. 1985, S. 430; vgl. auch J. Wagner, Strafprozeßführung über Medien,<br />

S. 92 f. Siehe auch LG Aachen, JZ 1971, S. 507 (520); BGH bei Detter, NStZ 1990,<br />

S.222.<br />

188 5. Kap. B 11 4 b.<br />

189 <strong>3.</strong> Kap. B V.<br />

stungen dahinter, wäre es - rein konstruktiv - denkbar, die Belastungen wie<br />

Untersuchungshaft anzurechnen.<br />

Eine dementsprechende Auffassung vertritt Imme Roxin, wobei sie allerdings<br />

nur auf Verfahrensverzögerungen <strong>und</strong> nicht auf Verfahrensdauer abstellt: Sie<br />

geht da<strong>von</strong> aus, <strong>überlange</strong> Verfahrensdauer habe einen strafähnlichen Charakter,<br />

sei in ihren Auswirkungen eine der Strafe gleichzusetzende Belastung 190. In dem<br />

Maße, in dem die Strafverfolgungsbehörden das Verfahren unnötig verlängerten,<br />

würde der Beschuldigte in ungerechtfertigter Weise zusätzlich bestraft. Sie beruft<br />

sich hierfür auf Michael Walter <strong>und</strong> Kloepfer l91 , allerdings zu Unrecht auch auf<br />

eine Entscheidung des 2. Strafsenats des BGH 192. Inzwischen hat jedoch der I.<br />

Strafsenat Entsprechendes ausgeführt: Bei <strong>überlange</strong>r Verfahrensdauer wirke das<br />

der Strafe schon vorweggenommene ... Übel strafmildernd" 19<strong>3.</strong><br />

Strafmilderung ist nun Imme Roxin zufolge vorzunehmen, indem die Strafe<br />

um den Zeitraum der Überlänge gekürzt wird 194. Hier zeigt sich zunächst, daß<br />

die systematische Einordnung der Überlegung falsch ist: Wenn schon eine schematische<br />

Berücksichtigung <strong>überlange</strong>r Verfahrensdauer stattzufinden hätte, dann<br />

wäre diese nicht im Wege der Strafzumessung, sondern in dem der Anrechnung<br />

vorzunehmen 195. Denn es läge die gleiche dogmatische Struktur vor wie bei der<br />

Anrechnung <strong>von</strong> Untersuchungshaft 196, so daß vergleichbar § 51 StGB vorzuge-<br />

190 I. Roxin, Rechtsfolgen, S. 247 ff.; zustimmend Hillenkamp, NJW 1989, S. 2848;<br />

Schroth, NJW 1990, S. 30 f.<br />

191 M. Walter in: Deutsch-Spanisches Strafrechtskolloquium 1986, S. 184; Kloepfer,<br />

JZ 1979, S. 214; ähnlich auch Kern, MschrKrimPsych 15 (1924), S. 239; Schroeder,<br />

Strafprozeßrecht 2 , S. 4; Kohlmann, FS Pfeiffer, S. 204; G. Schäfer, Praxis der Strafzumessung,<br />

Rn. 327; Schünemann, Verh. 58. DJT, S. B 35: Überlanges Verfahren habe eine<br />

"Quasi-Straf-Wirkung" <strong>und</strong> würde häufig als belastender empf<strong>und</strong>en als die letztlich<br />

verhängte Strafe. Vgl. auch die vom OLG Koblenz, VRS 59, S. 339 (340), mitgeteilten<br />

- <strong>und</strong> als rechtsfehlerhaft bezeichneten - Erwägungen des Landgerichts, bei der<br />

Persönlichkeit des Angeklagten habe die lange <strong>Dauer</strong> des Verfahrens mit der Ungewißheit,<br />

ob er die Freiheitsstrafe verbüßen müsse oder nicht, die gleiche Wirkung wie eine<br />

Vollstreckung der Strafe unmittelbar nach der Verurteilung; kritisch dazu Molketin, BA<br />

1982, S. 184. Vgl. auch Grauhan, GA 1976, S. 227: "<strong>Die</strong> seelische Belastung ... kann<br />

außer Verhältnis zu dem eigentlichen, vom Gesetz gewollten Strafübel geraten".<br />

192 Wenn der BGH, NStZ 1986, S. 217 (218), ausführt, bereits die Länge des Zeitraums,<br />

der zwischen Tat <strong>und</strong> Urteil verstrichen sei, fordere strafmildernde Berücksichtigung,<br />

die zudem auch unter dem da<strong>von</strong> zu sondernden Gesichtspunkt <strong>überlange</strong>r Verfahrensdauer<br />

geboten sein könnte, so erkennt er nicht den strafähnlichen Charakter der<br />

<strong>überlange</strong>n Verfahrensdauer an, sondern drückt nur aus, daß die Strafmilderung wegen<br />

Verjährungsnähe wesensverschieden <strong>von</strong> der wegen Verfahrensverzögerung sei; so auch<br />

deutlich BGH, StV 1988, S. 487 (mit Bezug auf diese Entscheidung); sowie wistra 1990,<br />

S.20; vgl. auch schon BGH, GA 1977, S. 275 (276); Stree in SchSch 2 3, § 46 Rn. 57;<br />

Keller / Schmid, wistra 1984, S. 202.<br />

193 BGH, NStZ 1989, S. 526 (527).<br />

194 I. Roxin, Rechtsfolgen, S. 255 ff.<br />

195 Vgl. dazu auch Schroth, NJW 1990, S. 31 Fn. 19.<br />

196 Vgl. dazu M. Walter in: Deutsch-Spanisches Strafrechtskolloquium 1986, S. 184,<br />

dem zufo1ge es geboten sei, "nicht ... nur erlittene Untersuchungshaft, sondern auch<br />

15 Scheller


226 7. Kap.: Strafmilderung wegen Strafzumessungsrelevanz<br />

hen wäre. Allerdings sollte dessen dogmatische Ausgestaltung als Strafvollstrekkungsregel<br />

nicht überbewertet werden, da vor dem I. StrRG die Anrechnung<br />

der Untersuchungshaft der Stratbemessung zugeordnet wurde 197.<br />

Jedenfalls könnte die entsprechende Anwendung <strong>von</strong> § 51 StGB nicht dazu<br />

führen, wie Imme Roxin es vorgeschlagen hat 198, aufgr<strong>und</strong> des <strong>von</strong> ihr angenommenen<br />

strafähnlichen Charakters <strong>überlange</strong>r Verfahrensdauer eine Anrechnung<br />

dergestalt vorzunehmen, daß für jeden Tag Überlänge ein Tag Strafe zu entfallen<br />

habe. Hierin läge ein Widerspruch zum Anrechnungsmodus bei Untersuchungshaft.<br />

Selbst wenn Imme Roxin insoweit zuzustimmen sein mag, daß auch ein<br />

schwebendes Verfahren Wirkungen hervorruft, die Strafcharakter haben 199, so<br />

wird doch die persönliche Bewegungsfreiheit nicht entzogen, die die entscheidende,<br />

die Anrechnung gemäß § 51 StGB auslösende Voraussetzung ist. Wenn<br />

Imme Roxin die Freizügigkeit dadurch eingeschränkt sieht, daß bei einem schwebenden<br />

Verfahren jede Auslandsreise als Flucht oder Fluchtgefahr gedeutet werden<br />

<strong>und</strong> zum Erlaß eines Haftbefehls führen könnte, so übersieht sie, daß die<br />

Rechtsfolgen <strong>von</strong> § 51 StGB auch dann nicht ausgelöst werden, wenn der Beschuldigte<br />

unter Auflagen, die die Freizügigkeit beschränken (vgl. § 116 StPO),<br />

vom Vollzug der Untersuchungshaft verschont bleibt.<br />

Nun mag man diesen Widerspruch ausräumen können, indem man die <strong>überlange</strong><br />

Verfahrensdauer in einem anderen präzisen Maßstab, etwa im Verhältnis I : 2,<br />

aufdie Freiheitsstrafe anrechnet. Gallas hatte eine solche, wie er sie selbst nannte,<br />

"merkwürdige" Berechnung - 4Js-Anrechnung - für die Untersuchungshaft ins<br />

Gespräch gebracht200. Auf die Geldstrafe übertragen böte sich rein konstruktiv<br />

an, entsprechend dem Tagessatzsystem vorzugehen, also für zwei Tage Verzögerung<br />

einen Tagessatz in Anrechnung zu bringen 2o, . Noch einen Schritt weitergehend<br />

könnte dann, § 7 III StrEG entsprechend, sogar bei Nichtverurteilung eine<br />

Entschädigung <strong>von</strong> 10,- DM pro Tag gewährt werden 202 .<br />

C. Belastungen als Strafzumessungsgr<strong>und</strong> 227<br />

a) Zur Anrechenbarkeil <strong>von</strong> Untersuchungshaft<br />

Unabhängig da<strong>von</strong>, daß solche Gedankenspiele deshalb nicht praktisch umgesetzt<br />

werden können, weil - anders als bei Untersuchungshaft - es eben kein<br />

"simples Rechenexempel"203 ist, Überlänge bei Verzögerungen zu berechnen,<br />

<strong>und</strong> es sogar unmöglich ist, <strong>überlange</strong>, aber unverzögerte Verfahrensdauer präzise<br />

zu ermitteln, wird die Herangehensweise nicht dem Phänomen der Verfahrensbelastungen<br />

gerecht: § 51 I Satz 2 StGB liegt gerade die Vermutung zugr<strong>und</strong>e, daß<br />

Untersuchungshaft ihrem Übelcharakter nach regelmäßig den Wirkungen der<br />

(Freiheits-)Strafe gleichkomme; die automatische Anrechnung vereinfache mithin<br />

das Verfahren 204 . Konsequenterweise eröffnet dann auch § 51 IV StGB für<br />

die Anrechnung ausländischer (Untersuchungs-)Haft Ermessen: Der Richter hat<br />

das im Ausland erlittene Übel zu schätzen <strong>und</strong> dementsprechend anzurechnen 20s .<br />

Dem entspricht es, daß die Rechtsprechung disziplinar- 206 <strong>und</strong> standesrecht­<br />

Iiche 207 Straftatfolgen nicht im Wege der Anrechnung, sondern der Strafmilderung<br />

berücksichtigt. Sofern man trotz der beachtlichen Kritik in der Literatur 20s diesen<br />

Straf"ersatz" 209 auf der Rechtsfolgenseite berücksichtigen möchte, ist es aufgr<strong>und</strong><br />

der unterschiedlichen Sanktionen beider Rechtsgebiete geboten, dies im Wege<br />

der (wertenden) Strafzumessung zu tun. Bezeichnenderweise macht die Rechtsprechung<br />

eine Ausnahme hier<strong>von</strong> allenfalls insoweit, als eine Geldbuße auf eine<br />

Geld- 2IO oder Freiheitsstrafe 211 (schematisch) angerechnet werden kann.<br />

Nach geltendem Recht - das frühere war weitergehend - kann die Anrechnung<br />

der Untersuchungshaft nur versagt werden, wenn der Beschuldigte die<br />

Anordnung oder Fortdauer der Untersuchungshaft provoziert hat, um sich durch<br />

deren spätere Anrechnung ungerechtfertigte Vorteile bei der Strafvollstreckung<br />

zu verschaffen, oder wenn er den Zweck verfolgt, das Verfahren aus anderen<br />

Gründen böswillig zu verschleppen, ohne daß es ihm um die Ausübung seiner<br />

das erlittene Verfahren auf das Strafübel anzurechnen". Im Prinzip sieht auch I. Roxin<br />

diesen Zusammenhang, wenn sie ausführt, eine Beschneidung der persönlichen Freiheit,<br />

eine Übelszufügung mit Strafcharakter erfolge nicht nur, wenn der Betroffene in Untersuchungshaft<br />

genommen wird (S. 251 f.).<br />

197 Tröndle in LKIO, § 51 Rn. 12 m.w.N.<br />

198 1. Roxin, Rechtsfolgen, S. 248; 255 ff. Siehe auch Wolter in SK StPO, vor § 151<br />

Rn. 210.<br />

199 1. Roxin, Rechtsfolgen, S. 252.<br />

200 GalIas, Niederschriften 4, S. 284.<br />

201 Letzteres passiert im geltenden Recht im Prinzip gemäß § 51 I <strong>und</strong> IV StGB,<br />

wenn Untersuchungshaft auf Geldstrafe angerechnet wird: Hier wird nicht etwa die<br />

Untersuchungshaft über § 7 111 StrEG in Geldersatz "umgerechnet" <strong>und</strong> dann mit der<br />

Geldstrafe verrechnet, sondern pro Tag Freiheitsentziehung ein Tagessatz Geldstrafe<br />

angerechnet, so daß entsprechend der Tagessatzhöhe <strong>von</strong> 2,- bis 10.000,- DM (§ 40<br />

11 StGB) die Untersuchungshaft dem Verurteilten sehr unterschiedlich viel Geld "ersparen"<br />

kann: Ein Tag Untersuchungshaft steht hierbei nun einem Betrag <strong>von</strong> 2,- bis<br />

10.000,- DM gleich.<br />

202 Durch Art. 3 StrEGÄndG vom 24.5.1988 ist die Tagespauschale auf 20,- DM<br />

angehoben worden. Zur viel zu geringen Höhe der Entschädigung <strong>von</strong> 10,- DM pro<br />

Tag nach § 7 III a. F. StrEG siehe Baumann, FS Heinitz, S. 709.<br />

203 1. Roxin, Rechtsfolgen, S. 160. Siehe dazu auch oben, 1. Kap. B 11.<br />

204 Tröndle in LK'o, § 51 Rn. 1<strong>3.</strong><br />

205 BGH, StV 1986, S. 292; RGSt 35, S. 41 (43 f.); Tröndle in LKIO, § 51 Rn. 74.<br />

206 BGHSt 35, S. 148; NStZ 1981, S.342; 1982, S.507; 1985, S.215; StV 1981,<br />

S. 235; 1984, S. 508; 1985, S. 454; 1987, S. 243; wistra 1982, S. 225; 1988, S. 64; OLG<br />

Köln, MDR 1984, S. 162.<br />

207 BGH, wistra 1986, S. 217; NStZ 1987, S. 550; StV 1987, S. 529.<br />

20S Horn in SK StGB, § 46 Rn. 138; Streng, NStZ 1988, S. 485 ff.; Bruns, JZ 1988,<br />

S. 467 f.<br />

209 Horn in SK StGB, § 46 Rn. 137.<br />

210 OLG Hamm, NJW 1978, S. 106<strong>3.</strong><br />

211 OLG Frankfurt, NZWehrr 1973, S. 194 (Strafarrest gemäß § 9 WStG).<br />

IS*


228 7. Kap.: Strafmilderung wegen Strafzumessungsrelevanz C. Belastungen als Strafzumessungsgr<strong>und</strong> 229<br />

gesetzlichen Rechte oder um eine sinnvolle Verteidigung geht 212. Mit anderen<br />

Worten: Nur ausnahmsweise dann, wenn da<strong>von</strong> auszugehen ist, daß der Beschuldigte<br />

deshalb das Verfahren verschleppt hat, weil er Untersuchungshaft für das<br />

geringere Übel gehalten, also als weniger belastend empf<strong>und</strong>en hat als Strafe,<br />

kann die Anrechnung unterbleiben 21<strong>3.</strong> Im übrigen handelt es sich hierbei um<br />

praxisferne Gedankenspiele, da aufgr<strong>und</strong> der - faktischen - Mehrbelastung<br />

<strong>von</strong> Untersuchungshaft gegenüber Strafhaft die Vorstellung, der Beschuldigte<br />

könnte sich die Untersuchungshaft der Anrechnung wegen erschleichen214, unrealistisch<br />

ist 215.<br />

b) Zur Anrechenbarkeit <strong>von</strong> Verfahrensbelastungen<br />

<strong>Die</strong>ser "konstante" Übelcharakter ist jedoch bei Verfahrensbelastungen nicht<br />

gegeben. Gleiche Verfahrenslänge führt nicht nur aus Gründen unterschiedlicher<br />

psychischer Konstitution <strong>und</strong> sozialer Situation zu unterschiedlichen Belastungen<br />

216 - dies mag bei der Untersuchungshaft ähnlich sein -, sondern die<br />

Belastungen hängen auch da<strong>von</strong> ab, ob <strong>und</strong> wie intensiv das Verfahren geführt<br />

wird 217 , insbesondere, ob die Überlänge innerhalb oder außerhalb der Hauptverhandlung<br />

stattfindet: Im ersten Fall dürften sie bedeutend größer sein ("Freiheitsentzug<br />

durch Hauptverhandlung" 218). Daneben könnte auch zu vermuten sein,<br />

daß mit der Länge des <strong>Strafverfahren</strong>s die Belastungen nicht linear, sondern<br />

progressiv wachsen219, andererseits jedoch mit zunehmender Häufigkeit <strong>von</strong><br />

<strong>Strafverfahren</strong> eines Beschuldigten an Gewicht verlieren 220.<br />

212 BGHSt 23, S. 307 f.; bei Dallinger, MDR 1969, S.722; Tröndle in LKlO, § 51<br />

Rn. 47 f.; offengelassen bei BGH, StV 1989, S. 152 (153).<br />

213 So ausdrücklich Schröder, JR 1971, S. 28.<br />

214 Baldus, Niederschriften 4, S.285; Horstkotte, JZ 1970, S. 128; ähnlich Gallas,<br />

Niederschriften 4, S. 284; vgl. auch Berz, NJW 1982, S. 729; Kohlhaas, ZRP 1974, S. 8;<br />

Pfeiffer, DRiZ 1984, S. 345; Amendt, <strong>Die</strong> Verfassungsmäßigkeit der strafprozessualen<br />

Sicherheitsleistungsvorschriften, S. 157 f.<br />

215 Vgl. Paeffgen, Vorüberlegungen zu einer Dogmatik des Untersuchungshaft-Rechts,<br />

S. 265 f. m. w.N.; Kramer, Menschenrechtskonvention, S. 105 f.; Dreher, MDR 1970,<br />

S. 969; Dencker, MDR 1971, S. 630. Nach der empirischen Untersuchung <strong>von</strong> Jehle,<br />

Untersuchungshaft zwischen Unschuldsvermutung <strong>und</strong> Wiedereingliederung, S. 270 f.,<br />

empfinden 75 % der Inhaftierten Untersuchungshaft härter als Strafhaft.<br />

216 Vgl. BGHSt 24, S. 239 (242); Hanack, JZ 1971, S. 711 f.<br />

217 Vgl. BGH, Urt. v. 19.2.1976 - 2 StR 585/73 (Anhang 5; insoweit nicht in<br />

BGHSt 26, S. 284 abgedruckt): Besondere Belastungen durch Aufteilung in zwei <strong>Strafverfahren</strong>;<br />

vgl. dazu auch BGH, NStZ 1984, S. 274; Hillenkamp, NJW 1989, S. 2845<br />

Fn.49.<br />

218 Dencker / Hamm, Der Vergleich im Strafprozeß, S. 12<strong>3.</strong> Vgl. auch Wolfslast, NStZ<br />

1990, S. 410.<br />

219 Vgl. LG Köln, NJW 1964, S. 1816 (1817).<br />

220 Eisenberg, JGG', § 55 Rn. 36.<br />

Ein weiteres, wenn auch höchst dubioses Argument liefert der BGH: Er ist<br />

der Auffassung, den Unschuldigen würden Verzögerungen mehr belasten als den<br />

Schuldigen 221. <strong>Die</strong>ser Satz muß zunächst einmal erstaunen, weil er die Strafzumessungslösung<br />

des BGH ad absurdum führt, da in den Genuß <strong>von</strong> Strafmilderung<br />

nur der "Schuldige" - besser gesagt: der Verurteilte - gelangen kann. <strong>Die</strong><br />

Absurdität wird noch deutlicher dadurch, daß der BGH die Annahme eines<br />

Verfahrenshindernisses in derselben Entscheidung mit der Begründung bekämpft,<br />

daß dem Unschuldigen, "dem der nicht nachweisbar Schuldige gleichsteht, ...<br />

nicht mit der die Dinge im Ungewissen belassenden Verfahrenseinstellung, sondern<br />

nur mit dem Freispruch gedient" sei 222.<br />

Nun mag die Ansicht des BGH <strong>von</strong> der Mehrbelastung des Unschuldigen<br />

insoweit richtig sein, als der Schuldige - besser gesagt: der mit seiner Verurteilung<br />

Rechnende 223 - häufig auf den Faktor Zeit setzen wird: "Man hofft auf<br />

das nächste Straffreiheitsgesetz, auf eine günstige Gesetzesänderung, auf die (in<br />

den Augen der Gnadeninstanz) lindernde Wirkung der Zeit, aufdie VergeBlichkeit<br />

der Zeugen, oder schlechthin auf ein W<strong>und</strong>er."224 Das besagt jedoch nichts<br />

hinsichtlich der inneren psychischen Situation 225. Denn es bleibt dabei, daß für<br />

den sich nicht für überführbar Haltenden die Verfahrensbelastungen auf das<br />

Verfahren beschränkt bleiben, während für den die Verurteilung Befürchtenden<br />

das Verfahren erst das "Vorspiel" für das eigentliche Übel ist, das es durch<br />

Verfahrensführung einzuschränken, zumindest aufzuschieben gilt. Deshalb ist<br />

das Argument des BGH umzudrehen. Es kommt für das Maß der Belastungen<br />

darauf an, welche Rechtsfolgen - aus Sicht des Beschuldigten - drohen. Bei<br />

Rechtsfolgen geringer Bedeutung, etwa Geldstrafen, werden weniger Belastungen<br />

gegeben sein, als wenn der Beschuldigte (nicht ausgesetzte) Freiheitsstrafe befürchtet<br />

226. Auch das OLG Düsseldorf hat sich in einer Entscheidung zu eigen<br />

gemacht, daß sich die Belastungen des Angeklagten "im Hinblick aufdie gewährte<br />

Strafaussetzung zur Bewährung in Grenzen halten" dürften 227.<br />

Allerdings bleibt die Schlußfolgerung die gleiche: Belastungen <strong>und</strong> Verfahrensdauer<br />

steigen nicht proportional an. Eine wie auch immer geartete schematische<br />

Anrechnung ist zwar "bestechend klar" 228, aber nicht nur praktisch kaum<br />

221 BGHSt 24, S. 239 (240 f.); ähnlich Kramer, Menschenrechtskonvention, S. 105;<br />

Heubel, Der "fair trial", S. 119 f.; Kohlhaas, ZRP 1974, S. 8. Vgl. auch Volk, Prozeßvoraussetzungen,<br />

S. 227; Kohlmann, FS Pfeiffer, S. 205.<br />

222 BGHSt 24, S. 239 (240 f.); ähnlich Hanack, JZ 1971, S. 714.<br />

223 Ähnlich Dahs, Handbuch des Strafverteidigers 5 , Rn. 54: der sich schuldig Fühlende.<br />

224 Sarstedt / Hamm, <strong>Die</strong> Revision in StrafsachenS, Rn. 107; ähnlich BGHSt 24, S. 239<br />

(241); Kohlhaas, ZRP 1974, S. 8.<br />

225 Vgl. Kramer, Menschenrechtskonvention, S. 179 f.<br />

226 I. Roxin, Rechtsfolgen, S. 168; Priebe, FS v. Simson, S. 302 f.; Müller-<strong>Die</strong>tz,<br />

ZStW 93 (1981), S. 1245.<br />

227 OLG Düsseldorf, MDR 1989, S. 935 (936).<br />

228 Hillenkamp, NJW 1989, S. 2847 Fn. 71.


-------- ---_._...<br />

230<br />

7. Kap.: Strafmilderung wegen Strafzumessungsrelevanz C. Belastungen als Strafzumessungsgr<strong>und</strong> 231<br />

durchführbar, sondern auch theoretisch falsch: Eine "Mathematisierbarkeit" ist<br />

nicht möglich 229.<br />

2. Schon-bestraft-Sein - Der gemischte Maßstab<br />

In seiner Gr<strong>und</strong>satzentscheidung zur <strong>überlange</strong>n Verfahrensdauer führte der<br />

2. Strafsenat des BGH 1971 aus, die "unterschiedliche psychische <strong>und</strong> körperliche<br />

Belastung" <strong>von</strong> Beschuldigten sei bei der Bemessung der Strafe zu beachten230.<br />

Hierauf hat der BGH immer wieder rekurriert 231. Ähnlich hat der Vorprüfungsausschuß<br />

des BVerfG sich geäußert 232. Auch in der Literatur wurde dies immer<br />

wieder hervorgehoben 23<strong>3.</strong><br />

Will man die Verfahrensbelastungen beim Rechtsfolgenausspruch berücksichtigen,<br />

so ist <strong>von</strong> vornherein der Versuch zum Scheitern verurteilt, hier das<br />

Nachtatverhalten 234 nutzbar zu machen. Denn das Nachtatverhalten prämiert die<br />

(aktive) Rückkehr des Täters zum rechtstreuen Verhalten, hat aber keinen Bezug<br />

zum (passiven) Erleiden <strong>von</strong> Straftatfolgen 235.<br />

Geeigneter erscheint, zunächst <strong>von</strong> der Strafempfindlichkeit <strong>und</strong> -empfänglichkeit<br />

auszugehen 236, da die Verfahrensbelastungen sowohl das Leidempfinden<br />

durch Strafe als auch die Ansprechbarkeit auf Strafe ändern könnten 237. Freilich<br />

hilft - selbst auf dem Boden der <strong>von</strong> der Rechtsprechung vertretenen Spielraumtheorie<br />

238 - dieser Gedanke nicht viel weiter, weil er die Schuldgeb<strong>und</strong>enheit<br />

der Strafe nicht zu berühren vermag.<br />

a) Anwendungsbereich<br />

aa) Absehen <strong>von</strong> Strafe<br />

Besserer Ansatzpunkt könnte jedoch das <strong>von</strong> den Rechtsfolgen her weitere,<br />

aber <strong>von</strong> den Voraussetzungen her engere Rechtsinstitut des Absehens <strong>von</strong> Strafe<br />

229 Kühne, EuGRZ 1983, S. 38<strong>3.</strong><br />

230 BGRSt 24, S. 239 (241).<br />

231 Vgl. etwa BGRSt 27, S.274 (276); bei Mösl, NStZ 1983, S.494; StV 1985,<br />

S. 322; S. 411 (412).<br />

232 BVerfG (Vorprüfungsausschuß), NIW 1984, S. 967.<br />

233 Vgl. etwa C. Roxin, <strong>Strafverfahren</strong>srecht21, § 16 C; Reubel, Der "fair trial", S. 120;<br />

K. Peters, JR 1978, S. 247 f.; Schroth, NJW 1990, S. 31.<br />

234 Vgl. Rillenkamp, JR 1975, S. 138.<br />

235 Unklar aber Lackner, StGBI8, § 46 Anm. IV 2 c.<br />

236 Siehe dazu oben, B I.<br />

237 Vgl. C. Roxin, <strong>Strafverfahren</strong>srecht 21 , § 16 C; K. Peters, JR 1978, S. 247 f.; vgl.<br />

auch BGRSt 24, S. 239 (242).<br />

238 Vgl. etwa BORSt 7, S. 28 (32); S. 86 (89); 20, S. 264 (266 f.); 24, S. 132 (133);<br />

28, S. 318 (326); 29, S. 319 (320).<br />

(§ 60 StGB) sein. Hier genügt es nicht, daß sich Strafe aus täterbezogenen<br />

Gesichtspunkten - Verfahrensbelastungen - erübrigt, sondern Strafe muß im<br />

Hinblick auf alle Strafzwecke offensichtlich verfehlt sein 239.<br />

<strong>Die</strong> Anwendbarkeit des Gesichtspunkts des "Schon-bestraft-Seins"24O in § 60<br />

StGB auf Verfahrensbelastungen hat Imme Roxin herauszuarbeiten versucht 241 •<br />

Ausgehend <strong>von</strong> ihrerThese des strafahnlichen Charakters des <strong>überlange</strong>n Verfahrens<br />

hält sie die Argumentation für möglich, der Täter sei durch die Belastungen<br />

der Verfahrensverzögerungen bereits hinreichend bestraft, so daß darüber hinaus<br />

kein Bedürfnis für eine weitere Bestrafung mehr bestünde 242.<br />

Allerdings ist zunächst einmal zu konstatieren, daß bei Schaffung des Rechtsinstituts<br />

des Absehens <strong>von</strong> Strafe an Sachverhalte völlig anderer Art gedacht worden<br />

ist. Es sollte hier um Fälle gehen, in denen den Täter die Folgen der eigenen<br />

Tat so schwer getroffen haben, daß er sich mit ihnen gleichsam schon selbst<br />

bestraft hat 243 . In Betracht kommen sollten hier Konstellationen, in denen etwa<br />

durch eine Fahrlässigkeitstat nahe Angehörige oder der Täter selbst verletzt<br />

wurden 244. In diesen Fällen sei es nicht notwendig, den Täter durch Strafe auf<br />

seine Verantwortung anzusprechen <strong>und</strong> in der Allgemeinheit das Bewußtsein zu<br />

erhalten, daß der Tat auch das staatlich verhängte Strafübel folge 245. Es fehle<br />

am Strafbedürfnis 246 . So ist dann auch in der Rechtsprechung § 60 StGB hauptsächlich<br />

- relativ variantenarm - auf Verletzungen im Straßenverkehr <strong>und</strong> die<br />

Tötung nahestehender Personen (fahrlässige Tötung, fehlgeschlagener Doppelselbstmord,<br />

Tötung aus Mitleid) angewendet worden 247.<br />

Entgegen Imme Roxin hat die Rechtsprechung allerdings auch auf § 60 StGB<br />

im Zusammenhang mit Verfahrensverzögerungen hingewiesen. So hat das OLG<br />

Karlsruhe ausgeführt, <strong>überlange</strong> Verfahrensdauer könne "für die Entscheidung<br />

über Absehen <strong>von</strong> Strafe (§ 16 StGB)" - jetzt § 60 StGB - "Bedeutung gewinnen"248.<br />

Auch der <strong>3.</strong> Senat des BGH erwähnt in einer Entscheidung im Zusammenhang<br />

mit der Anwendbarkeit <strong>von</strong> § 59 StGB auf <strong>überlange</strong> Verfahrensdauer<br />

§ 60 StGB <strong>und</strong> betont "psychisch belastende Verfahrensverzögerung" 249. Des<br />

239 Vgl. etwa BGR bei Dallinger, MDR 1973, S. 899 f.; Stree in SchSch 23 , § 60 Rn. 8;<br />

Bruns, Das Recht der Strafzumessung 2 , S. 114; Eser, FS Maurach, S. 260.<br />

240 Streng, NStZ 1988, S. 487 Fn. 25.<br />

241 I. Roxin, Rechtsfolgen, S. 268 ff.<br />

242 I. Roxin, Rechtsfolgen, S. 269.<br />

243 Vgl. Maiwald, ZStW 83 (1971), S. 663 f.; 1. Roxin, Rechtsfolgen, S. 269.<br />

244 Vgl. Bericht des Sonderausschusses, BT-DrS V/4094, S. 6 f.<br />

245 Maiwald, ZStW 83 (1971), S. 671.<br />

246 Jescheck, Strafrecht AT', § 81 TI 3; Müller-<strong>Die</strong>tz, FS R. Lange, S. 309; Eser, FS<br />

Maurach, S. 258; H. Wagner, GA 1972, S. 35; R. v. Weber, MDR 1956, S. 705.<br />

247 Vgl. dazu Rassemer, FS Sarstedt, S. 65 f.<br />

248 OLG Karlsruhe, NJW 1972, S. 1907 (1908).<br />

249 BGRSt 27, S. 274 (276).


232 7. Kap.: Strafmilderung wegen Strafzumessungsrelevanz C. Belastungen als Strafzumessungsgr<strong>und</strong> 233<br />

weiteren wies auch der Vorprüfungsausschuß des BVerfG in seinem vieldiskutierten<br />

Beschluß zur <strong>überlange</strong>n Verfahrensdauer auf das Absehen <strong>von</strong> Strafe hin 250.<br />

Eser zufolge hat das LG Aachen in seiner Contergan-Entscheidung 251 , in der es<br />

in hohem Maße auf die Verfahrensbelastungen abhob, zwar nicht formell, aber<br />

materiell gemäß diesem Rechtsinstitut entschieden252. Auch der <strong>3.</strong> Strafsenat des<br />

BGH hat kürzlich erklärt, die Verfahrenseinstellungen BGHSt 35, 137 <strong>und</strong> wistra<br />

1990,65 hätten auf Umständen mit "das Strafbedürfnis aufhebender Bedeutung"<br />

beruht 253 •<br />

In der Rechtswissenschaft ist die Anwendbarkeit <strong>von</strong> § 60 StGB (bzw. § 16<br />

a. F. StGB) auf Gesichtspunkte wie etwa die Verfahrensbelastungen nur gelegentlieh<br />

diskutiert worden: Bruns läßt offen, ob <strong>überlange</strong> Verfahrensdauer eine<br />

Konstellation darstellt, in der § 60 StGB Anwendung finden kann 254. Maiwald<br />

hat - ablehnend - den Gedanken angesprochen, § 60 könnte anwendbar sein,<br />

wenn mit der Verfahrensdurchführung verb<strong>und</strong>ene Belastungen eine besonders<br />

große seelische Beeinträchtigung für den Täter mit sich bringen, weil die Erschütterung<br />

des Täters über die Tatfolgen besonders groß sei 255. <strong>Die</strong>ser Konstruktion<br />

liegt also - indirekt - der Gedanke zugr<strong>und</strong>e, Verfahrensbelastungen könnten<br />

zum Absehen <strong>von</strong> Strafe führen, freilich vermittelt durch für § 60 StGB typische<br />

Konstellationen. Für Hassemer können indirekte Belastungen des Beschuldigten,<br />

nämlich Verletzungen aus öffentlicher Vorverurteilung als eine "poena naturalis"<br />

angesehen werden, die zur Anwendung <strong>von</strong> § 60 StGB führen könne 256. Rieß<br />

hat ausgeführt, bei rechtsstaatswidrigen Rechtsverstößen, wozu er die <strong>überlange</strong><br />

Verfahrensdauer zählt, könne § 60 StGB eine ausreichende Ermächtigung für<br />

einen Verzicht auf die Durchsetzung des staatlichen Sanktionsanspruchs sein 257 .<br />

Imme Roxin ist jedoch trotzdem der Ansicht, daß eine Anwendung <strong>von</strong> § 60<br />

StGB nur seinem Rechtsgedanken nach im Wege richterlicher Rechtsfortbildung<br />

in Betracht komme 258 • Sie begründet dies vor allem mit einem Hinweis auf den<br />

Willen des historischen Gesetzgebers. <strong>Die</strong> Notwendigkeit dieser Einschränkung<br />

ist zweifelhaft. <strong>Die</strong> direkte Anwendung <strong>von</strong> § 60 StGB erscheint möglich.<br />

Das Argument, der historische Gesetzgeber habe sich eine solche Anwendbarkeit<br />

der Vorschrift nicht vorgestellt, läßt sich, speziell auf <strong>überlange</strong> Verfahrensdauer<br />

<strong>und</strong> mit ihr verb<strong>und</strong>ene Verfahrensbelastungen bezogen, schnell entkräften:<br />

250 BVerfG (Vorprüfungsausschuß), NJW 1984, S. 967. Vgl. dazu Brauns, JA 1984,<br />

S.759.<br />

251 LG Aachen, JZ 1971, S. 507 (520 f.).<br />

252 Eser, FS Maurach, S. 269.<br />

253 BGHSt 36, S. 36<strong>3.</strong><br />

254 Bruns, MDR 1987, S. 180 f.<br />

255 Maiwald, ZStW 83 (1971), S. 695; unklar Horstkoue, JZ 1970, S. 128.<br />

256 Hassemer, NJW 1975, S. 1928; FS Sarstedt, S. 67.<br />

257 Rieß, JR 1985, S. 48.<br />

258 1. Roxin, Rechtsfolgen, S. 269 f.<br />

§ 16 a. F. StGB, der mit dem heutigen § 60 StGB wörtlich übereinstimmt, ist<br />

durch das 1. StrRG 1969 in das StGB eingefügt worden. Zu diesem Zeitpunkt<br />

war das Problem der Rechtsfolgen <strong>überlange</strong>r Verfahrensdauer kaum als solches<br />

bekannt. Lediglich Baumann <strong>und</strong> Schwenk hatten <strong>überlange</strong> Verfahrensdauer<br />

unter dem Verwirkungsgesichtspunkt diskutiert 259 ; in zwei Gerichtsentscheidungen<br />

war die Annahme eines Verfahrenshindernisses abgelehnt worden 260. <strong>Die</strong><br />

ersten Äußerungen zur Relevanz <strong>überlange</strong>r Verfahrensdauer für die Strafzumessung<br />

stammen <strong>von</strong> 1971 261, nachdem dies der BGH 1962 noch ausdrücklich<br />

ausgeschlossen hatte 262. Aus dem Schweigen des Gesetzgebers auf die Frage,<br />

wie aufder Verfahrensdauer beruhende besondere Belastungen des Beschuldigten<br />

im Rahmen des Absehens <strong>von</strong> Strafe einzuordnen sind, ist also nichts zu folgern.<br />

Auf allgemeinerer Ebene ist es aber nicht unumstritten, ob mittelbare Straftatfolgen<br />

- solche könnten hier überhaupt nur vorliegen 263 - überhaupt im Rahmen<br />

<strong>von</strong> § 60 StGB Berücksichtigung zu finden haben. Hiergegen hat sich ein Teil<br />

der Lehre ausgesprochen 264. Für eine solche Beschränkung auf unmittelbare<br />

Tatfolgen gibt es jedoch keine überzeugende Erklärung. Zunächst ist dem Rechtsfalgenrecht<br />

eine solche Ausblendung <strong>von</strong> Sachverhalten fremd. Es wäre dann<br />

etwa die durch eine Straftat bewirkte Arbeitsunfähigkeit relevant, nicht jedoch<br />

der Verlust des Arbeitsplatzes 265 • Weiterhin wäre die Unterscheidung zwischen<br />

unmittelbaren <strong>und</strong> mittelbaren Folgen der Tat auch ungeeignet, weil die Abgrenzung<br />

schwierig sein kann 266. So wird auch <strong>von</strong> der engeren Ansicht die Verletzung<br />

naher Angehöriger im Rahmen <strong>von</strong> § 60 StGB berücksichtigt267, obwohl dies<br />

eigentlich als mittelbare Folgen angesehen werden müßte 268 •<br />

Gr<strong>und</strong>sätzlich könnten somit außerordentliche Belastungen des Beschuldigten<br />

durch die Verfahrenslänge zur Anwendung <strong>von</strong> § 60 StGB führen. Wenngleich<br />

im einzelnen nicht alles geklärt ist, besteht doch prinzipiell Einmütigkeit dahingehend,<br />

daß schon vor der konkreten Anwendung <strong>von</strong> § 60 StGB bei der Prüfung<br />

der "an sich" verwirkten Strafe die schweren Folgen der Tat (also hier die<br />

Verfahrensbelastungen) Berücksichtigung finden müssen 269 • Dabei muß es sich<br />

259 Baumann, FS Eb. Schmidt, S. 540 f.; Schwenk, ZStW 79 (1967), S. 736.<br />

260 BGHSt 21, S. 81; OLG Stuttgart, NJW 1967, S. 508.<br />

261 BGHSt 24, S. 239; Hanack, JZ 1971, S. 715.<br />

262 BGH, DAR 1963, S. 169.<br />

263 So zutreffend 1. Roxin, Rechtsfolgen, S. 269.<br />

264 Horn in SK StGB, § 60 Rn. 5; Koffka in LK9, § 60 Rn. 2; Jescheck, Strafrecht<br />

AP,§8III2.<br />

265 So aber Horn in SK StGB, § 60 Rn. 5; kritisch dazu Stree in SchSch23, § 60 Rn. 6;<br />

G. Schäfer, Praxis der Strafzumessung, Rn. 318.<br />

266 So zutreffend G. Hirsch in LKlO, § 60 Rn. 30 Fn. 24.<br />

267 Vgl. Koffka in LK9, § 16 Rn. 3; Horn in SK StGB, § 60 Rn. 7.<br />

268 G. Hirsch in LKlO, § 60 Rn. 30 Fn. 24; Lackner, StGB'S, § 60 Anm. 2 a.<br />

269 OLG Celle, NJW 1971, S.575 (576); G. Hirsch in LKIO, § 60 Rn. 14; Stree in<br />

SchSch 2 3, § 60 Rn. 10; Dreher / Tröndle, StGB44, § 60 Rn. 2; jetzt auch (unter Aufgabe


234 7. Kap.: Strafmilderung wegen Strafzumessungsrelevanz C. Belastungen als Strafzumessungsgr<strong>und</strong> 235<br />

nach herrschender Ansicht nicht um objektiv schwere Tatfolgen handeln 270. <strong>Die</strong>s<br />

führt jedoch nicht dazu, daß ausschließlich auf die besonders sensible psychische<br />

Konstitution des Beschuldigten abgestellt werden kann: <strong>Die</strong> Folgen müssen immer<br />

noch "relativ" so schwer sein, daß die Strafverhängung "offensichtlich"<br />

verfehlt wäre271. Auf dieser Gr<strong>und</strong>lage ist Imme Roxin zuzustimmen 272, daß im<br />

Rahmen der Gesamtabwägung gemäß § 60 StGB die <strong>von</strong> Teilen der Rechtsprechung<br />

bereits zur Feststellung der <strong>überlange</strong>n Verfahrensdauer herangezogenen<br />

Gesichtspunkte relevant werden. Hier ist vor allem die Schwere des Tatunrechts,<br />

aber auch die Gesamtdauer des Verfahrens <strong>und</strong> deren Ursachen zu den Belastungen<br />

des Beschuldigten in Beziehung zu setzen.<br />

bb) Strafmilderung<br />

"Loch" in der Strafzumessung bleibt, eine "erhebliche Spannung" zwischen<br />

Mindeststrafe <strong>und</strong> Straflosigkeit 278 . Zwar mag die Begründung des 2. BGH­<br />

Senats, es sei dem Richter gr<strong>und</strong>sätzlich nicht gestattet, den im Gesetz vorgeschriebenen<br />

Strafrahmen im Wege einer Analogie zu ändern 279, seit der Heimtükkemord-Entscheidung<br />

des Großen Senats 280 nicht mehr ohne weiteres zwingend<br />

sein. Für eine solche Analogie sind jedoch bei § 60 StGB die methodologischen<br />

Gr<strong>und</strong>lagen nicht gegeben: Der Gesetzgeber hat bewußt <strong>von</strong> einer Strafmilderungsmöglichkeit<br />

abgesehen, um den exzeptionellen Charakter der Vorschrift<br />

besonders hervorzuheben 281 <strong>und</strong> damit den Befürchtungen Rechnung zu tragen,<br />

die Strafrahmen des Besonderen Teils könnten illusorisch werden 282 . Damit hat<br />

der Gesetzgeber auch hingenommen, daß im Einzelfall bei entsprechendem<br />

"Schon-bestraft-Sein" Bedenken im Hinblick auf das Schuldprinzip bestehen<br />

können, wenn das Strafgericht an der Strafrahmenuntergrenze haltmachen muß28<strong>3.</strong><br />

Unbefriedigend bleibt aber, wie auch Imme Roxin hervorhebt 273, daß ein Absehen<br />

<strong>von</strong> Strafe dann ausscheidet, wenn der Täter für die Tat eine Freiheitsstrafe<br />

<strong>von</strong> mehr als einem Jahr verwirkt hat (§ 60 Satz 2 StGB). Ferner ist Folge des<br />

"Alles-oder-Nichts-Prinzips"274 <strong>von</strong> § 60 StGB, daß für Verfahrensbelastungen,<br />

die eine Strafe nicht in Gänze verfehlt erscheinen lassen, keine Strafmilderung<br />

vorgesehen ist. Nun läßt sich dieses Ergebnis allerdings mildem: Beide Bereiche<br />

sind dadurch eingegrenzt, daß nach ganz herrschender Ansicht der Rechtsgedanke<br />

des § 60 StGB analoge Anwendung auf die Strafzumessung in diesen Fällen<br />

findet275. Auch der 2. Strafsenat des BGH hat in einer Entscheidung nicht auf<br />

die Verfahrensdauer abgehoben - das Verfahren war mehr als vier Jahre alt-,<br />

sondern für die Strafzumessung u. a. darauf hingewiesen, daß sich der Angeklagte<br />

nach drei erfolgreichen Revisionen nun zum vierten Mal einer Hauptverhandlung<br />

stellen müsse 276. Offenbar ist für den BGH also hier die Verfahrensbelastung<br />

das ausscWaggebende Kriterium.<br />

Einigkeit herrscht allerdings auch insoweit, daß trotz Strafmilderung das gesetzliche<br />

Mindestmaß nicht unterschritten werden darf277. Folge ist also, daß ein<br />

der früheren Ansicht) Horn in SK StGB, § 60 Rn. 3; kritisch Maiwald, JZ 1974, S. 775;<br />

dagegen Streng, NStZ 1988, S. 487 Fn.25.<br />

270 A. A. BayObLG, NJW 1971, S. 766 (767); Dreher / Tröndle, StGB''', § 60 Rn. 3;<br />

Horstkotte, JZ 1970, S. 127 f.<br />

271 Vgl. dazu etwa Horn in SK StGB, § 60 Rn. 8; G. Hirsch in LKIO, § 60 Rn. 25 f.;<br />

29; Stree in SchSch 23 , § 60 Rn. 5; 8.<br />

272 I. Roxin, Rechtsfolgen, S. 271 f.<br />

273 I. Roxin, Rechtsfolgen, S. 269.<br />

274 Müller-<strong>Die</strong>tz, FS R. Lange, S. 314; G. Hirsch in LK'o, § 60 Rn. 8; 4<strong>3.</strong><br />

275 G. Hirsch in LK'o, § 60 Rn. 44; Stree in SchSch 2 3, § 60 Rn. 12; Dreher / Tröndle,<br />

StGB'" § 60 Rn. 7; G. Schäfer, Praxis der Strafzumessung, Rn. 323; Zipf, JR 1975,<br />

S.164.<br />

276 BGHR StGB § 46 Abs. 2 Nachtatverhalten 4 (insoweit nicht in NStZ 1987, S. 171<br />

abgedruckt).<br />

cc) Strafaussetzung zur Bewährung<br />

<strong>Die</strong> Spannung zwischen Mindeststrafe <strong>und</strong> Straflosigkeit wird allerdings dadurch<br />

verringert, daß die Verfahrensbelastungen durch Verfahrensdauer auch für<br />

die Strafaussetzung zur Bewährung gemäß § 56 StGB relevant sein können.<br />

Insofern ist dann, wenn zwar kein Absehen <strong>von</strong> Strafe, aber auch keine Freiheitsstrafe<br />

<strong>von</strong> über zwei Jahren (auch) in Ansehung der Verfahrensbelastungen<br />

angezeigt ist, u. U. eine weitere Rechtsfolgenmilderung möglich. Sie folgt allerdings<br />

nicht aus dem Gedanken des "Schon-bestraft-Seins", der nur die Strafhöhenbemessung<br />

beeinflussen kann, die unabhängig <strong>von</strong> der Strafaussetzungsentscheidung<br />

vorzunehmen ist 284 .<br />

Der 2. Senat des BGH hat, wie referiert 285, in mehreren Entscheidungen betont,<br />

daß bei <strong>überlange</strong>r Verfahrensdauer bei zwischenzeitlicher Straffreiheit eine günstige<br />

Sozialprognose gegeben sei 286. <strong>Die</strong>se Rechtsprechung bezieht sich, richtig<br />

277 BGHSt 27, S. 274 (276); G. Hirsch in LKIO, § 60 Rn. 44; Stree in SchSch 23 , § 60<br />

Rn. 11; Jescheck, Strafrecht AT', § 8111 4 (der zu Unrecht G. Hirsch <strong>und</strong> Stree eine<br />

andere Auffassung unterstellt); vgl. auch (zu § 47 11 MStGB <strong>von</strong> 1940) BGHSt 21, S. 139.<br />

278 BGHSt 21, S. 139 (141).<br />

279 BGHSt 21, S. 139 (141 f.).<br />

280 BGHSt 30, S. 105.<br />

281 Vgl. Bericht des Sonderausschusses, BT-DrS V / 4094, S. 7; Maiwald, ZStW 83<br />

(1971), S. 685.<br />

282 Maiwald, ZStW 83 (1971), S. 685; vgl. auch Müller-<strong>Die</strong>tz, FS R. Lange, S. 321 f.<br />

283 Vgl. dazu Schroth, NJW 1990, S. 30.<br />

284 Vgl. BGHSt 29, S. 319 (321 f.); 32, S. 60 (65); NStZ 1988, S. 309.<br />

285 Siehe oben, All.<br />

286 BGH, StV 1983, S. 502; 1985, S. 322; S. 411; ähnlich BVerfG (Vorprüfungsausschuß),<br />

NJW 1984, S. 967; BayObLG, StV 1989, S. 394 (395); Stree in SchSch 23 , § 56<br />

Rn. 28.


236 7. Kap.: Strafmilderung wegen Strafzumessungsrelevanz C. Belastungen als Strafzumessungsgr<strong>und</strong> 237<br />

interpretiert, auf den Zeitablauf zwischen Tat <strong>und</strong> Verurteilung <strong>und</strong> ist somit nur<br />

bedingt übertragbar auf Verfahrensbelastungen durch <strong>überlange</strong> Verfahrensdauer.<br />

Hierbei wäre entscheidend, ob die Verfahrensbelastungen die Warnfunktion der<br />

Verurteilung so erhöhen, daß künftig auch ohne die Einwirkung des Strafvollzuges<br />

keine Straftaten mehr begangen werden. In dieser Weise hat sich der <strong>3.</strong><br />

BGH-Senat bezüglich der Prognose in § 59 I Nr. I StGB geäußert, wo er auf<br />

die Wirkungen <strong>überlange</strong>r Verfahrensdauer auf den Beschuldigten abhebt287.<br />

Ähnlich ist der 2. Senat des BGH auch zu § 56 II StGB zu verstehen, wenn er<br />

die Wirkung des bisherigen <strong>Strafverfahren</strong>s betont 288 . Allerdings kann dies nur<br />

dann den <strong>von</strong> Verfahrensbelastungen Betroffenen begünstigen, wenn er eine gute<br />

Sozialprognose hat. <strong>Die</strong>s kann gerade auch wegen der auf <strong>überlange</strong>r Verfahrensdauer<br />

beruhenden Belastungen nicht der Fall sein: So ist nicht fernliegend, daß<br />

die Verfahrensbelastungen mit Verschlechterungen etwa der familiären <strong>und</strong> sonstigen<br />

sozialen Einbindungen oder der finanziellen Verhältnisse einhergehen 289.<br />

Darauf, daß der Beschuldigte die nunmehr ungünstigen Lebensverhältnisse nicht<br />

verschuldet hat, kommt es für die Sozialprognose nicht an 290.<br />

Daneben spielen Verfahrensbelastungen für die Frage eine Rolle, ob die Verteidigung<br />

der Rechtsordnung die Strafvollstreckung noch gebietet (§ 56 III StGB).<br />

<strong>Die</strong>s ist anerkannt für Verzögerungen 29 \ <strong>und</strong> muß erst recht gelten für Belastungen:<br />

Es geht bei der Verteidigung der Rechtsordnung darum, ob die Rechtstreue<br />

einer über die Besonderheiten des Einzelfalles aufgeklärten Bevölkerung beeinträchtigt<br />

würde 292• Deren Rechtsgefühl dürfte aber dann weniger verletzbar sein,<br />

wenn der Täter selbst erhebliche Folgen da<strong>von</strong>getragen hat 29<strong>3.</strong><br />

Wie oben erwähnt 294, hat der BGH zu Recht die vom <strong>3.</strong> Senat 295 geäußerte<br />

Auffassung nicht beibehalten, <strong>überlange</strong> Verfahrensdauer könne kein besonderer<br />

Umstand im Sinne <strong>von</strong> §§ 56 II, 59 I Nr. 2 StGB sein. Auch dies muß um so<br />

mehr gelten, wenn auf den Umstand der Verfahrensbelastungen abgehoben wird,<br />

weil hierdurch Tat <strong>und</strong> Persönlichkeit des Täters direkt betroffen werden 296 , sogar<br />

verstärkt, wenn man den Belastungen Strafwirkungen zumißt. Der 4. Senat hat<br />

Verfahrensbelastungen als besonderen Umstand insofern ausreichen lassen, als<br />

sie zu einer Haftpsychose mit Krankheitswert aufgr<strong>und</strong> längerer Untersuchungshaft<br />

geführt hatten 297. Der 2. 298 <strong>und</strong> 5. 299 Senat des BGH hat erlittene Untersuchungshaft<br />

deshalb als "besonderen Umstand" angesehen, weil dem Beschuldigten<br />

dadurch bereits ein Übel zugefügt worden sei.<br />

dd) Strafvollstreckungs- <strong>und</strong> -vollzugserleichterungen<br />

(Strafmilderung i. w. S.)<br />

Verfahrensbelastungen können also relativ unproblematisch die Voraussetzungen<br />

der Strafaussetzung zur Bewährung hinsichtlich der "besonderen Umstände"<br />

<strong>und</strong> der "Verteidigung der Rechtsordnung" erfüllen. Sollte dennoch im Einzelfall<br />

eines der beiden Merkmale wegen der jeweils erforderlichen Gesamtwürdigung<br />

aller Umstände zu verneinen sein, kommt eine Aussetzung des Strafrestes zur<br />

Bewährung gemäß § 57 StGB in Betracht, <strong>und</strong> zwar vor allem die Zweidrittel­<br />

Aussetzung nach § 57 I StGB. <strong>Die</strong> Halbzeitaussetzung gemäß § 57 II NT. 2 StGB,<br />

die ohnehin "besondere Umstände" voraussetzt, ist fraglicher: Bei der Ermessensentscheidung<br />

hat das Gericht nach herrschender Ansicht auch die "Verteidigung<br />

der Rechtsordnung" zu beTÜcksichtigen 3OO , wobei diese allerdings regelmäßig<br />

durch den Teilvollzug an Bedeutung verloren haben dürfte 30I . <strong>Die</strong> Halbzeitaussetzung<br />

könnte wohl am ehesten unter den Voraussetzungen der "Erstverbüßer­<br />

Regel" des § 57 II Nr. I StGB möglich sein.<br />

<strong>Die</strong> Halbstrafenentlassung gemäß § 57 II Nr. 2 StGB kommt in Frage, wenn<br />

die Anwendung <strong>von</strong> § 56 StGB (nur) an der Verhängung einer Freiheitsstrafe<br />

<strong>von</strong> über zwei Jahren gescheitert ist. Da insbesondere in dieser Konstellation<br />

häufig Untersuchungshaft vollstreckt worden sein dürfte - Fluchtgefahr aufgr<strong>und</strong><br />

Straferwartung, § 112 II Nr. 2 StP0302; Wiederholungsgefahr bei erheblichen<br />

Straftaten, § 112a StPO; Tatverdacht bei Schwerkriminalität, § 112 III<br />

StPO -, kann durch die Anrechnungsregel des § 57 IV StGB u. U. Strafbaft<br />

ganz entfallen 30<strong>3.</strong><br />

287 BGHSt 27, S. 274 (275).<br />

288 BGH, NStE Nr. 10 zu § 56 StGB; vgI. auch Stree in SchSch 23 , § 56 Rn. 24c:<br />

Bedeutsam für die Sozialprognose sind Nachteile, die der Täter aufgr<strong>und</strong> seiner Tat,<br />

des Verfahrens oder der Verurteilung erlitten hat.<br />

289 Vgl. Schünemann, Verh. 58. DIT, S. B 35.<br />

290 Ruß in LKIO, § 56 Rn. 23; vgl. aber auch KG, GA 1955, S. 184 (185).<br />

291 BGHSt 27, S. 274 (275); Lackner, StGBI8, § 56 Anm. 5 b bb; Molketin, BA 1982,<br />

S. 185;a.A.OLGKoblenz, VRS59,S. 339(340); vgl.auchBGH,GA 1979,S. 313(314).<br />

292 BGHSt 24, S.64 (69); wis1ra 1987, S. 257 (258); StV 1989, S. 150; NStE Nr. 9<br />

zu § 56 SlGB; BayObLG, NIW 1978, S. 1337.<br />

293 BGHS1 24, S. 64 (69). Siehe auch BGH, StV 1990, S. 496 m. w. N.<br />

294 Siehe oben, All.<br />

295 BGHSt 27, S. 274 (275). So aber noch Horn in SK StGB, § 46 Rn. 146.<br />

296 Vgl. dazu K. Peters, IR 1978, S. 247 f.<br />

297 BGH, SlV 1981, S. 121.<br />

298 BGH, StV 1990, S. 30<strong>3.</strong><br />

299 BGH, StV 1990, S. 45<strong>3.</strong><br />

300 OLG München, NStZ 1987, S. 74; OLG Frankfurt, MDR 1980, S. 597; Dreher /<br />

Tröndle, StGB'" § 57 Rn. 9g; Ruß in LKIO, § 57 Rn. 19; kritisch Horn in SK SlGB, § 57<br />

Rn. 18; a.A. Mrozynski, IR 1983, S. 138; Zipf, IR 1975, S. 297.<br />

301 Vgl. HansOLG Hamburg, SlV 1990, S. 414; Stree in SchSch2 3, § 57 Rn. 25; Mrozynski,<br />

IR 1983, S. 138.<br />

302 Vgl. Wendisch in LR2., § 112 Rn. 38: Es "werden nur besondere Umstände die<br />

Lebenserfahrung ausschließen können, daß Fluchtgefahr besteht, wenn mehrjährige Freiheitsstrafe<br />

... in Aussicht steht".<br />

303 BGH, MDR 1959, S. 1022; Stree in SchSch23, § 57 Rn. 6; Horn in SK StGB, § 57<br />

Rn. 6; Dreher / Tröndle, 5tGB'" § 57 Rn.4a; ausführlich Ruß in LKIO, § 57 Rn. 6 f.


238 7. Kap.: Strafmilderung wegen Strafzumessungsrelevanz C. Belastungen als Strafzumessungsgr<strong>und</strong> 239<br />

Praktisch wenig hilft die Bestimmung des § 57 StGB dann, wenn die Strafaussetzung<br />

gemäß § 56 StGB an der ungünstigen Sozialprognose gescheitert ist,<br />

etwa deshalb, weil diese wegen der erlittenen Verfahrensbelastungen ungünstig<br />

geworden ist. <strong>Die</strong>s ist der neuralgischste Punkt der Konstruktion "Strafaussetzung<br />

wegen Verfahrensbelastungen". Hier bleibt lediglich die Möglichkeit, daß durch<br />

den zwischenzeitlichen Vollzug <strong>und</strong> das Abklingen der Verfahrensbelastungen<br />

sich die Prognose der künftigen Straffreiheit verbessert hat, die ohnehin in § 57<br />

StGB keine "Erwartung" wie in § 56 StGB, sondern eine bloße "Hoffnung" 304<br />

voraussetzt.<br />

Allerdings wird bei Verurteilten, die erst aufgr<strong>und</strong> des <strong>Strafverfahren</strong>s in<br />

Lebensumstände geraten sind, die keine günstige Sozialprognose mehr zulassen,<br />

regelmäßig Strafvollzug in einer offenen Anstalt (§ 10 StVollzG) angezeigt sein:<br />

Im Hinblick auf diese spezifischen Persönlichkeitsmerkmale dürfte der Integrationsgr<strong>und</strong>satz<br />

des § 3 III StVollzG ("Der Vollzug ist darauf auszurichten, daß<br />

er dem Gefangenen hilft, sich in das Leben in Freiheit einzugliedern") im Mittelpunkt<br />

stehen. Das Vollzugsziel sollte am ehesten mit den Mitteln des offenen<br />

Vollzuges zu erreichen sein: So viel normale Lebensumstände <strong>und</strong> Kontakt mit<br />

der übrigen Gesellschaft wie möglich 305. Weitere Ausgrenzung bei ungünstiger<br />

Sozialprognose aufgr<strong>und</strong> verschlechterter Lebensumstände infolge eines belastenden<br />

<strong>Strafverfahren</strong>s erscheint zur Resozialisierung kontraindiziert.<br />

Vergleichbares hat auch für die Gewährung <strong>von</strong> Vollzugslockerungen (§ 11<br />

StVollzG)306 <strong>und</strong> Urlaub (§ 13 StVollzG) 307 bei Unterbringung im geschlossenen<br />

Vollzug zu gelten, der nach wie vor auch bei Vorliegen der Voraussetzungen<br />

des § 10 StVollzG die Regel ist 308 , da häufig "die räumlichen, personellen <strong>und</strong><br />

organisatorischen Verhältnisse der Anstalt dies erfordern"309.<br />

b) RechtsJortbildung<br />

Weder durch Strafaussetzung zur Bewährung noch durch § 57 StGB oder das<br />

StVollzG können nach alledem Verfahrensbelastungen in dem Bereich kompensiert<br />

werden, in dem nach ganz herrschender Ansicht auch bei Strafmilderung<br />

gemäß dem Rechtsgedanken <strong>von</strong> § 60 StGB der gesetzliche Strafrahmen nicht<br />

unterschritten werden darf. <strong>Die</strong>se Vorschriften ermöglichen lediglich im Einzelfall<br />

einen "Ausweg", sind aber aufdas "Schon-bestraft-Sein" nicht zugeschnitten.<br />

304 Horn in SK StGB, § 57 Rn. 9; Ruß in LKlO, § 57 Rn. 10.<br />

305 Vgl. Calliess / Müller-<strong>Die</strong>tz, StVollzG\ § 10 Rn. 1; Ittel in Schwind / Böhm, § 10<br />

Rn. 3; Hoffmann/Lesting in AK StVollzG3, § 10 Rn. 2.<br />

306 Vgl. Calliess / Müller-<strong>Die</strong>tz, StVollzG\ § 11 Rn. 1.<br />

307 Vgl. Calliess / Müller-<strong>Die</strong>tz, StVollzG\ § 13 Rn. 1.<br />

308 Vgl. Hoffmann/Lesting, AK StVollzG3, § 10 Rn. 6.<br />

309 § 201 Nr. 1 StVollzG.<br />

Entgegen Imme Roxin 31O kann auch nicht einfach im Wege richterlicher Rechtsfortbildung<br />

§ 60 StGB so erweitert werden, daß selbst bei hoher verwirkter Strafe<br />

<strong>von</strong> Strafe abgesehen werden kann. Hierzu fehlen die methodologischen Gr<strong>und</strong>lagen<br />

311 . Folge ist, daß bei Delikten mit mehr als einem Jahr Mindeststrafe das<br />

Absehen <strong>von</strong> Strafe genausowenig möglich ist wie die Aussetzung des Vollstrekkung<br />

zur Bewährung bei Delikten mit mehr als zwei Jahren Mindeststrafe. Bei<br />

Mord wäre überhaupt keine Strafmilderung möglich - sofern nicht über § 49<br />

StGB eine Strafrahmenverschiebung zulässig ist.<br />

Da nach der Heimtückemord-Entscheidung des Großen Senats des BGH312<br />

aufgr<strong>und</strong> "außergewöhnlicher Umstände" die lebenslange Freiheitsstrafe unverhältnismäßig<br />

sein kann mit der Folge der Anwendbarkeit <strong>von</strong> § 49 I NI. I StGB,<br />

regt Krey an, zu den "außergewöhnlichen Umständen" auch Verstöße gegen<br />

Art. 6 I EMRK zu zählen 31<strong>3.</strong> Auch das LG Köln hat, einem Pressebericht zufolge,<br />

im sog. OPEC-Prozeß in einem Beschluß ausgeführt, wegen der Verfahrensverzögerungen<br />

sehe sich die Kammer auch im Falle der Verurteilung wegen Doppelmordes<br />

"im Wege der Rechtsfortbildung ... nicht an einer Strafmilderung <strong>von</strong><br />

Verfassung wegen gehindert"314. <strong>Die</strong>se Auffassungen können sich insoweit auf<br />

die Entscheidung des Großen Senats berufen, als dort ausdrücklich allgemein<br />

<strong>von</strong> "außergewöhnlichen Umständen" gesprochen wird, die aufgr<strong>und</strong> des Schuldprinzips<br />

zwingend die Anwendung des Strafrahmens des § 49 I NI. I StGB zur<br />

Folge hätten 315. Hiermit hatte der BGH seine bisherige Rechtsprechung aufgegeben,<br />

wonach es den Gerichten versagt wäre, durch Anwendung <strong>von</strong> § 49 StGB<br />

in freier Rechtsschöpfung die Strafgesetze umzugestalten 316 . Geht man aber <strong>von</strong><br />

dieser Prämisse aus, so kann nichts anderes gelten, wenn es um andere Normen<br />

geht. So hat der 2. Strafsenat des BGH ausdrücklich unentschieden gelassen, ob<br />

die Rechtsfolgenlösung auch beim Verdeckungsmord anwendbar sei 317. Folgte<br />

man dem, läge weiterhin die Anwendung <strong>von</strong> § 49 I NI. 3 StGB "nicht allzu<br />

fern"318. Auch hier könnte dann aus "außergewöhnlichen Umständen" eine Unter-<br />

310 1. Roxin, Rechtsfolgen, S. 270 f.; vgl. auch Puppe, NStZ 1986, S. 406.<br />

311 Siehe oben, a bb.<br />

312 BGHSt 30, S. 105.<br />

313 Krey, <strong>Strafverfahren</strong>srecht I, Rn. 126 Fn. 7; JA 1983, S. 638 Fn. 7. Ähnlich jetzt<br />

auch das LG Berlin im sog. Schmücker-Verfahren.<br />

314 LG Köln, zit. n. DER SPIEGEL 13/1990, S. 105.<br />

315 BGHSt 30, S. 105 (120 f.).<br />

316 BGH, Vrt. v. 15.7.1969 - 5 StR 704/68 (insoweit nicht in BGHSt 23, S. 39<br />

abgedruckt); NJW 1977, S. 1544; 1978, S. 1336.<br />

317 BGHSt 35, S. 116 (127 f.); vgl. dazu Horn in SK StGB, § 211 Rn. 66; Dreher /<br />

Tröndle, StGB4\ § 211 Rn. 17; Gössel, Strafrecht BT /1, § 4 Rn. 13; Krey, Strafrecht<br />

BT 1', Rn. 73a; 73b; Bruns, JR 1981, S. 360; Rengier, NStZ 1982, S. 227 f.; Lackner,<br />

NStZ 1981, S. 349; Schmidhäuser, NStZ 1989, S. 58. Vgl. auch schon BGHSt 28, S. 77<br />

(79).<br />

318 Montenbruck, Strafrahmen <strong>und</strong> Strafzumessung, S. 88 Fn. 66.


240 7. Kap.: Strafmilderung wegen Strafzumessungsrelevanz c. Belastungen als Strafzumessungsgr<strong>und</strong> 241<br />

schreitung des Mindestmaßes der Strafe zulässig sein 319. Dahingehend läßt sich<br />

wohl auch eine Entscheidung des 2. Senats des BGH interpretieren 320: Er verweist<br />

im Zusammenhang damit, daß der Raub mit Scheinwaffen unter § 250 11 StGB<br />

fallen kann, auf "die entsprechende Problemlösung beim Heimtückernord, BGHSt<br />

30, 105". Damit erkennt der 2. Senat doch wohl nicht nur an, daß es auch andere<br />

"außergewöhnliche Umstände" geben kann, sondern auch, daß diese auch bei<br />

anderen Tatbeständen als § 211 StGB zur Strafrahmenverschiebung führen können.<br />

Nun ist dieser Gedankengang gewagt, weil nach mit gewichtigen Argumenten<br />

vorgetragener herrschender Ansicht in der Literatur die Rechtsprechung des BGH<br />

zur erweiterten Anwendbarkeit <strong>von</strong> § 49 I StGB eine unzulässige Gesetzesänderung<br />

darstellt, die <strong>von</strong> Spendel sogar als Rechtsbeugung bezeichnet worden ist 321 •<br />

Zudem stünde zu befürchten, daß es einen "Dammbruch" im Strafzumessungsrecht<br />

gäbe, weil mit unbestimmten Wertungskriterien gesetzliche Strafdrohungen<br />

unterlaufen würden 322.<br />

<strong>Die</strong>se beiden Bedenken könnten möglicherweise ausgeräumt oder jedenfalls<br />

gemindert werden, schlösse man sich Montenhruck an, der die Übertragung der<br />

Strafrahmen für besonders schwere <strong>und</strong> minder schwere Fälle auf Delikte mit<br />

bloßem Normalstrafrahmen befürwortet 32<strong>3.</strong> Auf die Entscheidung des Großen<br />

Senats hinweisend, hält Montenbruck hierbei ebenfalls die Unterschreitung der<br />

Mindeststrafe des Normalstrafrahmens für möglich 324 • Ausgefüllt werden sollen<br />

die Sonderstrafrahmen durch die "Parallelwertung" mit den modifizierten mildernden<br />

bzw. schärfenden Umständen, sofern sie in "halbabstrakter Betrachtungsweise"<br />

so gewichtig sind, daß sie allein einen besonders schweren bzw. milden<br />

Fall begründen können 325 •<br />

Es ist gr<strong>und</strong>sätzlich da<strong>von</strong> auszugehen, daß Verfahrensbelastungen zur Anwendbarkeit<br />

der Strafrahmen für minder schwere Fälle führen können. <strong>Die</strong>s ist<br />

unter dem Gesichtspunkt <strong>überlange</strong>r Verfahrensdauer befürwortet worden 326.<br />

Ferner hat der 2. Senat des BGH ausgeführt, der Verlust der Beamtenrechte<br />

müsse bei der Strafrahmenwahl berücksichtigt werden, weil eine "erhebliche<br />

Verschärfung der staatlichen Reaktion auf die Straftat" hieraus folgte 327 • Hinter<br />

dieser Argumentation steckt ebenfalls der privilegierende Gedanke des § 60<br />

StGB 328 - eine Vorschrift, auf die auch Montenhruck als einen der "außergewöhnlich<br />

,minder schweren Fälle'" hinweist 329 : Beim Verlust der Beamtenrechte<br />

wie beim "Schon-bestraft-Sein" durch Verfahrensbelastungen kann man argumentieren,<br />

daß dieser entlastende Umstand so gewichtig sein kann, daß er nicht<br />

nur auf die Strafhöhenbemessung wirkt, sondern lediglich noch einen minder<br />

schweren Fall als Strafzumessungsgr<strong>und</strong>lage übrig läßt.<br />

Folgte man dieser Konstruktion - das Doppelverwertungsverbot gemäß § 50<br />

StGB soll jedenfalls bei <strong>überlange</strong>r Verfahrensdauer nicht gelten 330 -, so wäre<br />

theoretisch bei jedem Delikt außer dem (Völker-)Mord die Strafe zur Bewährung<br />

aussetzbar; bei jedem Delikt mit einer Mindeststrafe bis zu drei Jahren könnte<br />

<strong>von</strong> Strafe abgesehen werden.<br />

Selbst dann bliebe also eine Lücke - die der Gesetzgeber möglicherweise<br />

insoweit verringern könnte, als schon im Zusammenhang mit dem 2<strong>3.</strong> StrÄndG<br />

vorgeschlagen worden war, den Anwendungsbereich <strong>von</strong> § 5611 StGB auf Freiheitsstrafen<br />

bis zu drei Jahren zu erweitern 331 , so daß dann - theoretisch ­<br />

sogar bei Mord Strafaussetzung möglich wäre. Darüber hinaus gibt es für die<br />

Einjahresgrenze des § 60 StGB keine rationalen Kriterien 332. Wie im Gesetzgebungsverfahren<br />

zum 1. StrRG erörtert 33 3, im Alternativentwurf vorgeschlagen 334<br />

<strong>und</strong> heute noch kriminalpolitisch gefordert 33 5, könnte die zeitliche Grenze genausogut<br />

auf zwei Jahre ausgedehnt werden, so daß nur bei lebenslanger Freiheitsstrafe<br />

ein Absehen <strong>von</strong> Strafe <strong>von</strong> vornherein unmöglich wäre.<br />

Hier verliert man sich nun jedoch in bloße Gedankenspiele.<br />

III. Verschleppung <strong>und</strong> Belastungen<br />

1. Konfrontationsstrategie des Beschuldigten<br />

Hält man das bisherige Ergebnis fest, so ergibt sich, daß zu Belastungen<br />

führende Verfahrensdauer bei der Rechtsfolgenentscheidung weitgehend zu be-<br />

319 <strong>Die</strong>se Konsequenz sehen auch Montenbruck, Strafrahmen <strong>und</strong> Strafzumessung,<br />

S. 87 f.; Abwägung <strong>und</strong> Umwertung, S. 88; Bruns, JR 1981, S. 360; Günther, NJW 1982,<br />

S. 354 f.<br />

320 BGH, JZ 1989, S. 703 (704).<br />

321 Spendei, JR 1983, S. 271; StV 1984, S. 46; so auch Doller, NStZ 1988, S. 219 f.<br />

322 Dreher / Trändie, StGB44, § 211 Rn. 17.<br />

323 Montenbruck, Strafrahmen <strong>und</strong> Strafzumessung, S. 67 ff.<br />

324 Montenbruck, Strafrahmen <strong>und</strong> Strafzumessung, S. 87 ff.<br />

325 Montenbruck, Strafrahmen <strong>und</strong> Strafzumessung, S. 93 ff.<br />

326 Ulsamer, FS Faller, S. 383; Miehsler / Vogler, IntKomm, Art. 6 Rn. 329.<br />

327 BGHSt 35, S. 148 (149); vgl. auch StV 1984, S. 508 (<strong>3.</strong> Senat); kritisch Streng,<br />

NStZ 1988, S. 485 ff.; Bruns, JZ 1988, S. 467 f.<br />

328 Vgl. Bruns, MDR 1987, S. 180.<br />

329 Montenbruck, Strafrahmen <strong>und</strong> Strafzumessung, S. 119 f.<br />

330 Ulsamer, FS Faller, S. 383 f.; Miehsler / Vogler, IntKomm, Art. 6 Rn. 329; vgl.<br />

aber Montenbruck, Strafrahmen <strong>und</strong> Strafzumessung, S. 110 ff.<br />

331 G~setzentwurf SPD-B<strong>und</strong>estagsfraktion (BT-DrS 10/1116); Gesetzesantrag Land<br />

Nordrhem-Westfalen (BR-DrS 533/82).<br />

332 G. Hirsch in LK'o, § 60 Rn. 12; I. Roxin, Rechtsfolgen, S. 270 f.; Müller-<strong>Die</strong>tz,<br />

FS R. Lange, S. 316; Hassemer, FS Sarstedt, S. 68.<br />

333 Vgl. G. Hirsch in LK'o, § 60 Rn. 13; Müller-<strong>Die</strong>tz, FS R. Lange, S. 316.<br />

334 § 58 AE.<br />

335 G. Hirsch in LKH', § 60 Rn. 13; Hassemer, FS Sarstedt, S. 79; Baumann in: 40<br />

Jahre B<strong>und</strong>esrepublik Deutschland, S. 308 f.<br />

16 Scheffler


242 7. Kap.: Strafmilderung wegen Strafzumessungsrelevanz C. Belastungen als Strafzumessungsgr<strong>und</strong> 243<br />

rücksichtigen ist. <strong>Die</strong>s gilt auch dann, wenn die Verfahrensdauer auf der Struktur<br />

des Strafprozesses oder auf Schwierigkeiten in der Sache beruht.<br />

Zu prüfen bleibt allerdings, inwieweit Verfahrensdauer, die durch Verteidigungsaktivitäten<br />

des Beschuldigten verursacht worden ist, zu unzumutbaren,<br />

strafmildernd zu berücksichtigenden Belastungen führen kann. <strong>Die</strong>ses hat das<br />

BVerfG (Vorprüfungsausschuß) verneint: Verfahrensverzögerungen, die der Beschuldigte<br />

selbst - sei es auch durch zulässiges Prozeßverhalten - verursacht,<br />

seien in aller Regel nicht geeignet, die Feststellung einer seine Rechte verletzenden<br />

<strong>überlange</strong>n Verfahrensdauer zu begründen 336. Ähnlich hat sich der EGMR<br />

geäußert, allerdings einschränkend betont, daß nicht insoweit eine unangemessene<br />

Verzögerung in der Bearbeitung festzustellen sein darf337. Auch die BGH-Senate<br />

haben mehrfach darauf abgestellt, ob der Beschuldigte das Verfahren verzögert<br />

habe 338.<br />

In Rechtsprechung <strong>und</strong> Literatur ist dieser Fragenkreis vor allem bezüglich<br />

der Rechtsmittel des Beschuldigten näher diskutiert worden: So hat das OLG<br />

Koblenz einmal erklärt, <strong>überlange</strong> Verfahrensdauer scheide aus, weil die <strong>Dauer</strong><br />

auch auf zwei Rechtsmitteln des Beschuldigten beruhte (<strong>von</strong> denen eines erfolgreich<br />

war)339. Ähnlich hat sich das LG Krefeld ausgesprochen, das bei einer<br />

begründeten Revision <strong>überlange</strong> Verfahrensdauer verneinte, weil der Rechtsfehler<br />

zumindest auch auf das Verhalten der Verteidigung zurückzuführen gewesen sei,<br />

die insoweit im Einverständnis des Beschuldigten gehandelt habe 340. Auch Hillenkamp<br />

<strong>und</strong> Claus Roxin halten die "Ausnutzung sämtlicher Rechtsbehelfe" für<br />

nicht geeignet, <strong>überlange</strong> Verfahrensdauer zu begründen 341. Imme Roxin sieht in<br />

der Berücksichtigung der Rechtsmitteldauer einen Widerspruch zur Wertung des<br />

Gesetzgebers, der Fehler der Gerichte nur durch Rechtsmittel behoben, auf keinen<br />

Fall aber zur Begründung der Überlänge (durch Verzögerungen) eines Verfahrens<br />

herangezogen wissen wolle 342. Abweichend da<strong>von</strong> will Molketin wohl danach<br />

differenzieren, ob das Rechtsmittel des Beschuldigten begründet ist 34<strong>3.</strong> <strong>Die</strong>s deckt<br />

336 BVerfG (Vorprüfungsausschuß), NJW 1984, S.967; kritisch Brauns, JA 1984,<br />

S.760.<br />

337 EGMR, EuGRZ 1978, S. 406 (419) (Fall König); Frowein 1Peukert, EMRK, Art. 6<br />

Rn. 110. Vg\. auch OLG Zweibrücken, NStZ 1988, S. 501.<br />

338 BGH, GA 1977, S. 277 (278); NStZ 1982, S. 291 (292); 1987, S. 232; StV 1983,<br />

S.255; 1988, S. 487; Besch\. v. 2.7.1974-5 StR 48/74 (Anhang 3); Urt. v. 6.7.1976<br />

- 5 StR 184/76 (Anhang 7); Urt. v. 24.2.1977 - 1 StR 554/76 (Anhang 8); Urt. v.<br />

4.<strong>3.</strong>1980 - 5 StR 14/80 (Anhang 13).<br />

339 OLG Koblenz, VRS 59, S. 339 (340). Vg\. auch OLG Zweibrücken, NStZ 1988,<br />

S.501.<br />

340 LG Krefeld, IZ 1971, S. 733 (735).<br />

341 Hillenkamp, IR 1975, S. 136; C. Roxin, <strong>Strafverfahren</strong>srecht21, § 16 C; ähnlich<br />

Ulsamer, FS Faller, S. 378 f.; Peukert, EuGRZ 1979, S. 272; Priebe, FS v. Simson, S. 304.<br />

342 1. Roxin, Rechtsfolgen, S. 80 Fn. 184; ähnlich Frowein 1Peukert, EMRK, Art. 6<br />

Rn. 108; K. Schäfer in LR24, Ein\. Kap. 12 Rn. 92.<br />

343 Molketin, BA 1982, S. 184.<br />

sich offenbar mit der Ansicht des BGH, der in verschiedenen Entscheidungen<br />

den Zeitraum des begründeten Rechtsmittels des Beschuldigten einschließlich<br />

der zu wiederholenden Hauptverhandlung zu den Verfahrensverzögerungen zählte<br />

344.<br />

Nun mag es sein, daß diese Auffassungen miteinander harmonisiert werden<br />

könnten, stellte man, entsprechend dem Kostenrecht, nicht auf die Begründetheit,<br />

sondern auf den Erfolg eines Rechtsmittels durch eine Analogie zu § 473 I Satz 1<br />

StPO ab: Für den Rechtsmittelerfolg ist bei Zurückverweisung einer Sache erst<br />

die abschließende Sachentscheidung maßgeben 345 . <strong>Die</strong>s gilt selbst dann, wenn<br />

das angefochtene Urteil falsch gewesen ist, nunmehr jedoch eine im wesentlichen<br />

gleiche Verurteilung aus einem anderen Rechtsgr<strong>und</strong> erfolgt 346. Der Straftäter<br />

hat das (Kosten-)Risiko zu tragen, daß die endgültige Strafe nicht im ersten<br />

Rechtszug gef<strong>und</strong>en wird 347. Nach herrschender Ansicht liegt ein Erfolg des<br />

Rechtsmittels selbst dann nicht vor, wenn der Erfolg allein auf dem Zeitablauf<br />

zwischen Urteil erster <strong>und</strong> zweiter Instanz beruht 348 . Auf dieser Gr<strong>und</strong>lage wäre<br />

zu unterscheiden, ob ein Rechtsmittel begründet oder erfolgreich ist, wobei diese<br />

Unterscheidung nur bei der Revision bedeutsam ist, da bei der Berufung nur bei<br />

§ 328 11 StPO eine Zurückverweisung (mit der Möglichkeit der Bestätigung des<br />

Urteils) in Frage kommt.<br />

Allerdings führte auch dieser Gedankengang in die Enge bei Rechtsmitteln<br />

der Staatsanwaltschaft. Hier folgte aus ihm ein argurnenturn ad absurdum: Legt<br />

die Staatsanwaltschaft Revision zu Lasten des Beschuldigten ein, müßte dies<br />

also immer zu Strafmilderung führen; denn wird das Urteil des Tatgerichts<br />

aufgehoben, so liegt jedenfalls seit dessen Erlaß <strong>überlange</strong> Verfahrensdauer wegen<br />

Verzögerungen vor 349 ; wird das Urteil vom Revisionsgericht dagegen nicht<br />

aufgehoben, so dürfte nichts anderes gelten hinsichtlich des unbegründeten<br />

Rechtsmittels der Staatsanwaltschaft.<br />

Nun kann dieser Problemkreis jedoch dann außer acht gelassen werden, wenn<br />

es für die Berücksichtigung <strong>von</strong> Verfahrensbelastungen nicht darauf ankommt,<br />

inwieweit Verfahrensdauer als staatlich verzögert verstanden werden kann, der<br />

Verteidigungshandeln des Beschuldigten zugr<strong>und</strong>e liegt. Es sollte statt dessen<br />

344 BGHSt 35, S. 137 (141); StV 1985, S. 322; NStZ 1987, S. 232; BGHR StGB § 46<br />

Abs. 3 Nachtatverhalten 4 (insoweit nicht in NStZ 1987, S. 171 abgedruckt); zustimmend<br />

G. Schäfer, Praxis der Strafzumessung, Rn. 328. A. A. noch BGH, DAR 1963, S. 169.<br />

345 Vg\. statt aller BGH, NStZ 1989, S. 191; Schikora/Schimansky in KK StP02,<br />

§ 473 Rn. 4. A. A. BGH, NStZ 1989, S. 191 (zu § 8 GKG).<br />

346 BGH, IR 1956, S. 69; BayObLGSt 1970, S. 201.<br />

347 BGHSt 17, S. 376 (381); OLG Hamm, JMB\. NW 1956, S. 251 (252); BayObLG,<br />

IR 1961, S. 224 (225).<br />

348 BayObLG, MDR 1983, S. 155 f.; OLG Düsseldorf, IurBüro 1985, Sp. 1352; NStZ<br />

1985, S. 380.<br />

349 So wohl auch Molketin, BA 1982, S. 184.<br />

16'


244 7. Kap.: Strafmilderung wegen Strafzumessungsrelevanz C. Belastungen als Strafzumessungsgr<strong>und</strong> 245<br />

vielmehr gr<strong>und</strong>sätzlich die Verfahrensdauer unabhängig <strong>von</strong> ihrer Verursachung<br />

zugr<strong>und</strong>e zu legen <strong>und</strong> zu fragen sein, wann vom Beschuldigten verursachte<br />

Verfahrensdauer Joch einmal außer acht zu bleiben hat.<br />

a) Erschleichen <strong>von</strong> Strafmilderung<br />

Ein Trugschluß folgte hier aus der Argumentation, die durch Verteidigungsaktivitäten<br />

bedingten Zeitabläufe belasteten den Beschuldigten nicht ohne sein Zutun,<br />

denn wenn er dieses Ergebnis nicht wollte, könnte er sie unterlassen 350. <strong>Die</strong>sem<br />

Gedankengang liegt die Auffassung des 2. BGH-Senats zugr<strong>und</strong>e, "daß Verfahrensverzögerungen<br />

nicht unter allen Umständen den Beschuldigten belasten,<br />

sondern daß er sie häufig sogar erstrebt oder doch gern hinnimmt, weil damit<br />

seine Aussicht wachsen kann, eine günstige Beweislage zu gewinnen, in den<br />

Genuß einer Gesetzesänderung, einer Amnestie oder einer Verfolgungsverjährung<br />

zu gelangen, zum mindesten aber den Zeitablauf als begünstigenden Faktor bei<br />

der Strafzumessung auf seiner Seite zu haben"351. Zwar mag es sein, daß diese<br />

Reaktion des mit seiner Verurteilung Rechnenden vorkommt, vielleicht sogar<br />

überwiegt 352. Ebenso ist es richtig, daß Verfahrensdauer sich zugunsten des<br />

Beschuldigten auswirken kann 353 . Es ist auch bezeichnend, daß in Anleitungsbüchern<br />

für Strafverteidiger gelegentlich - im Hinblick auf § 258 StGB <strong>und</strong> § 138a<br />

StPO leicht verbrämt - "berichtet" wird, auf welche Arten ein Verteidiger ein<br />

<strong>Strafverfahren</strong> in die Länge ziehen kann, um es der Verjährung zuzuführen oder<br />

um auf Beweisverlust zu hoffen 354 .<br />

Damit wird jedoch nicht die Frage der Verfahrensbelastungen berührt. Vielmehr<br />

nimmt der Beschuldigte Verteidigungsaktivitäten in der Hoffnung vor,<br />

hierdurch nicht oder jedenfalls weniger hart bestraft zu werden. Er will sich also<br />

gerade ein Übel, nämlich Strafe, ersparen, indem er eine andere Belastung,<br />

Verfahrensdauer, in Kauf nimmt, die er für geringer hält <strong>und</strong> die, entgegen Imme<br />

Roxin 355 , auch als geringer einzustufen ist. Wenn sich also der Beschuldigte <strong>von</strong><br />

der Verfahrensdauer eine verbesserte Situation erhofft, ist die Sachlage anders<br />

als bei der Anrechnung <strong>von</strong> Untersuchungshaft (§ 51 I Satz 2 StGB): <strong>Die</strong>se kann<br />

versagt werden, wenn der Beschuldigte es "abwägend" vorziehen sollte, seinen<br />

350 Vgl. W. Gollwitzer, FS Kleinknecht, S. 167.<br />

351 BGHSt 24, S. 239 (241); vgl. auch Sarstedt / Hamm, <strong>Die</strong> Revision in Strafsachen',<br />

Rn. 107; Heubel, Der "fair trial", S. 119 f.; Kohlhaas, ZRP 1974, S. 8.<br />

352 Vgl. Dahs, Handbuch des Strafverteidigers', Rn. 54; Kohlhaas, ZRP 1974, S. 8;<br />

Nose, ZStW 82 (1970), S.791; Hillenkamp, JR 1975, S. 135; Dünnebier, GA 1959,<br />

S. 273; 276. A. A. Kohlmann, FS Maurach, S. 502.<br />

353 K. Peters in: Strafprozeß <strong>und</strong> Reform, S. 108 Fn. 3; Keller / Schmid, wistra 1984,<br />

S.202.<br />

354 Vgl. Kunigk, Prozeßführung <strong>und</strong> Strafverteidigung 2 , S. 166 ff.; Weyrauch, Verteidigung<br />

im Ermittlungsverfahren 2 , Rn. 133 ff.<br />

355 1. Roxin, Rechtsfolgen, S. 247 ff.<br />

Freiheitsentzug in Untersuchungshaft abzusitzen 356. Demzufolge mag Abweichendes<br />

nur in dem auch vom BGH angedeuteten Fall 357 gelten - was allerdings<br />

kaum jemals beweisbar sein wird-, daß der Beschuldigte gerade darauf spekuliert<br />

hat, aufgr<strong>und</strong> der weiteren Verfahrensdauer Strafmilderung zu erhalten.<br />

Darüber hinaus kann aber daraus, daß der Beschuldigte durch sein Prozeßhandeln<br />

die Verfahrensdauer verursacht hat, nicht geschlossen werden, daß sie ihn deshalb<br />

nicht belastet hätte.<br />

b) Selbstbegünstigung<br />

Der BGH hat nicht nur ausgesprochen, daß der Zeitraum des (erfolgreichen)<br />

Rechtsmittels des Beschuldigten einschließlich der zu wiederholenden Hauptverhandlung<br />

für die Verfahrensüberlänge mitzuzählen ist. In Entsprechung dazu hat<br />

er auch ein Urteil aufgehoben, in dem deshalb nicht die Strafe gemildert worden<br />

war, weil die Verfahrensdauer durch das Leugnen des Beschuldigten bis zur<br />

Hauptverhandlung bedingt gewesen war 358 . Dadurch habe das Tatgericht im<br />

Ergebnis das Leugnen strafschärfend berücksichtigt 359 .<br />

<strong>Die</strong>se Entscheidungen verallgemeinert, dürfen also auch sonstige prozessual<br />

zulässige Verhaltensweisen wie Schweigen oder das Stellen <strong>von</strong> Beweisanträgen<br />

dem Beschuldigten nicht angelastet werden 360, genauer gesagt, ist auch dieser<br />

Zeitraum für die Frage der Belastungen heranzuziehen. Was dem Beschuldigten<br />

unter prozessualen Gesichtspunkten zu tun erlaubt ist, also die Wahrnehmung<br />

seiner in der StPO gewährleisteten Befugnisse, darfihm nicht als strafschärfender<br />

bzw. die Milderung ausschließender Umstand angelastet werden 361 .<br />

Das bedeutet jedoch umgekehrt, daß dem Beschuldigten nicht der Zeitraum<br />

zugute kommen kann, um den das Verfahren durch zwar sanktionsfreie, jedoch<br />

nicht ausdrücklich gewährte Aktivitäten wie Flucht oder Vortäuschen der Verhandlungsunfähigkeit<br />

362 verlängert wird 36<strong>3.</strong> Zwar sind auch diese Umstände nicht<br />

strafzumessungsrelevant 364 , jedoch handelt es sich hier nicht mehr um die Wahr-<br />

356 Siehe oben, II I a.<br />

357 BGHSt 24, S. 239 (241).<br />

358 BGH, wistra 1983, S. 106.<br />

359 Ähnlich Bruns, Das Recht der Strafzumessung 2 , S. 232; 237: keine Strafschärfung,<br />

wenn der Beschuldigte durch sein hartnäckiges Leugnen letztlich die Hauptverhandlung<br />

langwieriger macht; vgl. auch BGHSt 1, S. 105 (106 f.).<br />

360 Geppert, JK 1983, MRK Art. 6/1; Priebe, FS v. Simson, S.304; Hanack, StV<br />

1987, S. 50<strong>3.</strong><br />

361 BGH, GA 1962, S. 339; Bruns, Das Recht der Strafzumessung 2 , S. 233; Dencker,<br />

ZStW 102 (1990), S. 55 f.<br />

362 Vgl. dazu Seetzen, DRiZ 1974, S. 259 ff.<br />

363 Geppert, JK 1983, MRK Art. 6/1; Ulsenheimer, wistra 1983, S. 13; ähnlich schon<br />

LG Frankfurt, JZ 1971, S. 234 (236); vgl. auch BGH, GA 1977, S. 275 (276); Urt. v.<br />

24.2.1976 - 1 StR 554/76 (Anhang 8); Urt. v. 5.1.1978 - 2 StR 425/77 (Anhang 12).<br />

364 Vgl. Bruns, Das Recht der Strafzumessung 2 , S. 232 f.


246 7. Kap.: Strafmilderung wegen Strafzumessungsrelevanz C. Belastungen als Strafzumessungsgr<strong>und</strong> 247<br />

nehmung legitimer Rechte, sondern um an sich mißbilligte Verhaltensweisen,<br />

die lediglich aufgr<strong>und</strong> der Ausstrahlung des Prinzips der straflosen Selbstbegünstigung<br />

strafzumessungsneutral sind 365. Der Beschuldigte sucht hier nicht mehr<br />

bloß seine Überführung zu verhindern, sondern das Verfahren zu vereiteln. Als<br />

methodischer Ansatzpunkt wird hierzu gelegentlich auf den Gr<strong>und</strong>satz "venire<br />

contra factum proprium" hingewiesen 366 • So hat der BGH ein Urteil aufgehoben,<br />

in dem dem Beschuldigten, der sich der Strafverfolgung durch Flucht entzogen<br />

hatte, strafmildernd zugute gehalten worden war, daß er hierdurch bereits einen<br />

Teil seiner Schuld abgebüßt habe, da der Zwang, im Ausland leben zu müssen,<br />

<strong>und</strong> die fortdauernde Unsicherheit nach seiner Rückkehr einen erheblichen Leidensdruck<br />

ausgeübt habe. Da die Belastungen gerade die Folge der Flucht des<br />

Beschuldigten waren, sei es nicht gerechtfertigt, ihre selbst herbeigeführten Folgen<br />

in maßgeblichem Umfang strafmildernd anzurechnen 367 •<br />

Dem entspricht es, daß auch prozessual an sich zulässiges Verhalten dann<br />

nicht mehr strafzumessungsneutral ist, wenn es nicht mehr <strong>von</strong> der Verteidigungsfreiheit,<br />

der erlaubten Selbstbegünstigung gedeckt ist, sondern selbst neues Unrecht<br />

darstellt 368 : So ist etwa bei Verdeckungsmaßnahmen des Täters zu differenzieren.<br />

Während das Beseitigen <strong>von</strong> Tatspuren an sich als legitimes Verteidigungshandeln<br />

einzustufen ist 369 , so gilt dies nicht für über die eigentliche Tat<br />

hinausgehende Verdeckungsmaßnahmen, die die Unrechtslage noch vertiefen 370 ,<br />

also etwa irreführende Angaben über den Verbleib der Beute, um diese (trotz<br />

Überführung) zu behalten 371. Was das Recht zum Schweigen oder die Akzeptanz<br />

des Lügens angeht, so ist die Grenze im Falle des sog. "qualifizierten Leugnens"<br />

_ falsche Verdächtigung, Anstiftung zur Falschaussage - überschritten 372 • Ein<br />

solches Verhalten ist nicht mehr <strong>von</strong> § 258 V StGB gedeckt 373 •<br />

Schwierig zu beurteilen sind die - mehr theoretischen - Fälle, in denen<br />

Verfahrensverzögerungen dadurch entstehen, daß der Beschuldigte sich zunächst<br />

365 Vgl. Bruns, Das Recht der Strafzumessung', S. 232 f.<br />

366 LG Frankfurt, JZ 1971, S. 234 (236); Ulsenheimer, wistra 1983, S. 14.<br />

367 BGH bei Mösl, NStZ 1983, S. 494.<br />

368 Vgl. BGH, StV 1982, S.20; 1990, S.259 (260). Vgl. auch BGHSt 17, S. 143<br />

(144); zur Kritik an dieser Entscheidung siehe Bruns, Das Recht der Strafzumessung',<br />

S.240.<br />

369 BGH, StV 1982, S. 20; 1984, S. 508; 1989, S. 12; 1990, S. 16; S. 259; bei Holtz,<br />

MDR 1977, S. 982; Bruns, Das Recht der Strafzumessung', S. 235; G. Schäfer, Praxis<br />

der Strafzumessung, Rn. 294; a. A. wohl LG Frankfurt, JZ 1971, S. 234 (236); Ulsenheimer,<br />

wistra 1983, S. 1<strong>3.</strong><br />

370 Bruns, Das Recht der Strafzumessung', S. 235.<br />

371 BGH bei Dallinger, MDR 1966, S. 559 f.; GA 1974, S. 84; Bruns, Das Recht der<br />

Strafzumessung', S. 235.<br />

372 BGH, VRS 22, S. 343 (345); bei Dallinger, MDR 1966, S. 894; OGHSt 2, S. 331<br />

(333); Bruns, Das Recht der Strafzumessung', S. 236; G. Schäfer, Praxis der Strafzumessung,<br />

Rn. 292. Kritisch Frisch, ZStW 99 (1987), S. 782.<br />

373 Vgl. statt aller Dreher / Tröndle, StGB44, § 258 Rn. 1<strong>3.</strong><br />

(weitergehend) selbst belastet oder wesentliche entlastende Umstände verschweigt.<br />

Das Kosten- <strong>und</strong> Entschädigungsrecht differenziert hier dahingehend<br />

(§ 467 111 Satz 2 StPO, § 6 I Nr. I StrEG), daß rechtliche Nachteile zwar nicht<br />

entstehen, wenn der Beschuldigte das Verfahren (zunächst) durch Schweigen in<br />

die Länge zieht 37 4, er aber dann seine Auslagen selbst tragen muß, wenn er durch<br />

den Inhalt seiner Einlassung aktiv das Verfahren in die Länge gezogen hat m .<br />

c) Rechtsmißbrauch<br />

Beim Einlegen <strong>von</strong> Rechtsmitteln ist anerkannt, daß es selbst dann nicht zu<br />

einer Nichtanrechnung <strong>von</strong> Untersuchungshaft führt, wenn die Verlängerung des<br />

Verfahrens damit bezweckt gewesen sein sollte 376 • <strong>Die</strong>se Auffassung, die wiederum<br />

Ausfluß da<strong>von</strong> ist, daß die Ausübung ausdrücklich gewährter Rechte keinen<br />

Nachteil hervorrufen darf, wird im Prinzip auch im Strafzumessungsrecht eingehalten<br />

377. Ausnahmen - die schwer vorstellbar sind 378 -, werden in der älteren<br />

Rechtsprechung gelegentlich betont bei hartnäckiger Wiederholung schon für<br />

unbegründet erklärter Rechtsmittel 379 oder wenn die Einlegung sich nach den<br />

besonderen Umständen als ein verwerflicher Mißbrauch des Verteidigungsrechts<br />

darstellt 380.<br />

Schon bei letzterem spielt eine Rolle, was verstärkt bei Beweisanträgen <strong>und</strong><br />

Befangenheitsgesuchen des Beschuldigten Bedeutung hat: Handlungen des Beschuldigten,<br />

die sich als institutioneller Mißbrauch prozessualer Befugnisse darstellen<br />

381, sind so lange hinzunehmen, also hinsichtlich der Verfahrensbelastungen<br />

nicht als Verschleppungen auszuklammern, wie die Strafverfolgungsbehörden<br />

dem Verhalten nicht im Rahmen der Prozeßordnung entgegentreten 382 • Auch im<br />

Untersuchungshaftrecht ist anerkannt, daß die Fortdauer nicht gerechtfertigt ist,<br />

wenn die Strafverfolgungsbehörden den Verschleppungsversuchen hätten entgegenwirken<br />

können 38<strong>3.</strong> <strong>Die</strong>sem Gr<strong>und</strong>gedanken entspricht es im übrigen auch,<br />

374 Statt aller Schikora / Schimansky in KK StPO" § 467 Rn. 8; D. Meyer, StrEG',<br />

§ 6 Rn. 10.<br />

375 Schikora / Schimansky in KK StPO', § 467 Rn. 8.<br />

376 Bericht des Sonderausschusses, BT-DrS V / 4094, S.25; Tröndle in LKlO, § 51<br />

Rn. 51; Dreher, MDR 1970, S. 969.<br />

377 Bruns, Das Recht der Strafzumessung', S. 238.<br />

378 Bruns, Das Recht der Strafzumessung', S. 238.<br />

379 KG, DJZ 1925, Sp. 349.<br />

380 BayObLG bei Dittmann, JW 1934, S. 2387. Vgl. auch BGH, NStZ 1990, S. 447<br />

(448).<br />

381 Vgl. dazu U. Weber, GA 1975, S. 289 ff.; Rüping / Domseifer, JZ 1977, S. 417 ff.;<br />

Vogel, NJW 1978, S. 1223 ff.; K. Meyer, JR 1980, S. 219 f.; Metzger, GebColloquium<br />

Kielwein, S. 95 ff.<br />

382 Vgl. Vollkommer, ZZP 81 (1968), S. 130; Kloepfer, JZ 1979, S. 209.<br />

383 Wendisch in LR'4, § 121 Rn. 33; 37. Vgl. auch OLG Stuttgart, StV 1983, S. 70;<br />

HansOLG Hamburg, StV 1983, S. 289 (290). Siehe auch BVerfGE 81, S. 264 (273 f.).


248 7. Kap.: Strafmilderung wegen Strafzumessungsrelevanz<br />

wenn in einer dissenting opinion <strong>von</strong> Mitgliedern der EMRK vorgetragen wurde,<br />

es sei staatlich zu verantworten, wenn das Fehlen geeigneter Vorschriften in der<br />

StPO zur Neutralisierung prozeßverschleppender Techniken ursächlich für <strong>überlange</strong><br />

Verfahrensdauer sei 384.<br />

Demzufolge sind im Befangenheitsrecht kaum Konstellationen denkbar, in<br />

denen nicht unter dem Belastungsaspekt zu berücksichtigende Verfahrensdauer<br />

produziert wird: Kämpft der Beschuldigte "mit unfairen Mitteln"385, so ist auf<br />

die Verschleppungsabsicht oder Verfolgung verfahrensfremder Ziele gemäß<br />

§§ 26a Nr. 3, 29 11 StPO zu reagieren. Wird dies vom Gericht unterlassen, was<br />

allerdings auf bloßen Nachweisschwierigkeiten beruhen kann386, so muß die<br />

Verschleppungsabsicht auch für die Strafzumessung bedeutungslos bleiben.<br />

Im Beweisantragsrecht gilt Entsprechendes durch den Ablehnungsgr<strong>und</strong> der<br />

Prozeßverschleppung (§§ 244 III Satz 2 vorI. Alt., 245 11 Satz 3 I. Alt.). Es wäre<br />

unter dem Gesichtspunkt des institutionellen Mißbrauchs eine zu formale Betrachtungsweise,<br />

dies mit der Begründung zu verneinen, ein solcher Antrag sei, anders<br />

als ein Befangenheitsgesuch, nicht unzulässig, sondern lediglich unbegründet 387 .<br />

Da bekannterweise <strong>von</strong> der Rechtsprechung an den Ablehnungsgr<strong>und</strong> strenge<br />

Maßstäbe angelegt werden 388 , mag hier aber eine Lücke praktisch relevant werden:<br />

<strong>Die</strong> Verschleppungsabsicht kann sich erst später herausstellen oder läßt sich<br />

jedenfalls bei AntragsteIlung noch nicht nachweisen. Für den ersten Fall ist im<br />

Rahmen <strong>von</strong> § 51 StGB anerkannt, daß dann, wenn sich nachträglich herausstellt,<br />

daß der Beschuldigte etwa ein nicht existentes Beweismittel zum Zwecke der<br />

Verschleppung benannt hat, Untersuchungshaftanrechnung insoweit nicht stattfindet<br />

389 . <strong>Die</strong>se Wertung müßte übernommen werden können. Für den zweiten<br />

Fall könnte die Möglichkeit bestehen, den Antrag als Beweisermittlungsantrag<br />

zu behandeln mit der Folge, daß über die Beweiserhebung nur nach § 244 11<br />

StPO entschieden zu werden braucht: Nach gelegentlicher 390 , freilich heftig umstrittener<br />

<strong>und</strong> kritisierter 391 Rechtsprechung liegt kein Beweisantrag vor, wenn<br />

eine Beweisbehauptung ohne jegliche Anhaltspunkte gestellt wird. Gegebenen-<br />

384 Vgl. Miehs1er/Vogler in IntKomm, Art. 6 Rn. 326 Fn.3; Frowein/Peukert,<br />

EMRK, Art. 6 Rn. 107; Peukert, EuGRZ 1979, S. 27<strong>3.</strong><br />

385 Pfeiffer in KK StP02, § 27 Rn. 4.<br />

386 Berz, NJW 1982, S. 734.<br />

387 Vgl. aber BGH bei Holtz, MDR 1990, S. 885 f.<br />

388 Vgl. dazu G. Herdegen in KK StP02, § 244 Rn. 8<strong>3.</strong><br />

389 BGHbei Dallinger, MDR 1969, S. 722; Trönd1e in LKIO, § 51 Rn. 48; offengelassen<br />

bei BGH, StV 1989, S. 152 (153).<br />

390 BGH, GA 1981, S. 228; StV 1985, S. 311; OLG Köln, NStZ 1987, S. 341; zustimmend<br />

Alsberg / Nüse / Meyer, Der Beweisantrag im Strafprozeßs, S. 45; vgl. auch BGH,<br />

StV 1989, S. 234 (235).<br />

391 Vgl. BGH, StV 1983, S. 4; G. Herdegen in KK StP02, § 244 Rn. 43; OS K. Meyer,<br />

S. 201 ff.; Michalke, StV 1989, S. 235 ff.; Schulz, StV 1985, S. 312 ff.; K. E. Oollwitzer,<br />

StV 1990, S. 423 f.<br />

C. Belastungen als Strafzumessungsgr<strong>und</strong> 249<br />

falls hat danach der Tatrichter die Befugnis, den Antragsteller nach seinen Wissensquellen<br />

zu fragen. Daß auch bei festgestellter Verschleppungsabsicht einem<br />

Beweisantrag dann nach herrschender Ansicht3 92 nachgegangen werden muß,<br />

wenn das weitere Verfahren nicht "erheblich" verzögert würde, mag sich wegen<br />

der dann gegebenen unerheblichen Verzögerungen mehr als theoretisches Problem<br />

darstellen.<br />

Ein weiteres, vor allem beim Ablehnungsgr<strong>und</strong> der Verschleppungsabsicht<br />

auftauchendes Problem besteht dann, wenn ein Beweisantrag vom Verteidiger<br />

gestellt wird. Aufgr<strong>und</strong> dessen selbständigen Antragsrechts kommt es dann auf<br />

seine Verschleppungsabsicht an mit der Folge, daß sie nicht dem Beschuldigten<br />

"zugerechnet" werden kann 39<strong>3.</strong> Es ist fraglich, ob das Gericht sich de lege lata<br />

hiergegen wehren kann: Gemäß § 138a I Nr. 3 StPO ist ein Verteidiger auszuschließen,<br />

der dringend verdächtig ist, (versuchte) Strafvereitelung zugunsten<br />

des Beschuldigten begangen zu haben. Jedenfalls dann, wenn man mit der herrschenden<br />

Meinung die Strafvereitelung auf Zeit anerkennt 394, könnte die Konsequenz<br />

gezogen werden, einen Verteidiger auszuschließen, der vorsätzlich 395 Beweisanträge<br />

zum Zwecke der Prozeßverschleppung stellt 396. <strong>Die</strong>se Konsequenz<br />

wird auch gelegentlich gezogen 397, <strong>von</strong> einigen jedenfalls für Extremfälle bejaht<br />

398 , <strong>von</strong> anderen verneint 399 . Es bestehen die gleichen Bedenken, die oben<br />

schon zur Strafvereitelung infolge <strong>von</strong> Verzögerungen der Strafverfolgungsorgane<br />

geäußert worden sind 400. Klar abzulehnen ist hier die Auffassung, ein bloß<br />

spät gestellter Beweisantrag könnte Strafvereitelung darstellen401, sowie die, jede<br />

Prozeßordnungswidrigkeit könnte den Strafvereitelungstatbestand erfüllen 402.<br />

392 A. A. nur G. Herdegen in KK StP02, § 244 Rn. 84.<br />

393 BGHSt 21, S. 118 (121); NJW 1969, S. 281; 1982, S. 2201; NStZ 1982, S. 391;<br />

1984, S. 230; 1990, S.447; StV 1984, S.494 (495). A. A. Lüderssen in LR24, § 137<br />

Rn. 28 ff.; vgl. dazu Michalke, StV 1989, S. 237 Fn. 17.<br />

394 Vgl. 2. Kap. B 11 2 d.<br />

395 Ist der Verteidiger "irregeführtes Werkzeug" des Angeklagten, ist ohnehin auf<br />

dessen Versch1eppungsabsicht abzustellen (BGH, NJW 1953, S. 1314).<br />

396 Vgl. KG, NStZ 1988, S. 178 f.<br />

397 U1senheimer, GA 1975, S. 118; wohl auch Pfeiffer, DRiZ 1984, S. 348; ähnlich<br />

Stree in SchSch 23 , § 258 Rn. 20; Weihrauch, Verteidigung im Ermiu1ungsverfahren2,<br />

Rn. 172; vgl. auch Schautz, Strafrechtliche Grenzen des Verteidigerhandeins, S. 117;<br />

Wassmann, Strafverteidigung <strong>und</strong> Strafvereitelung, S. 255.<br />

398 Beulke, Der Verteidiger im <strong>Strafverfahren</strong>, S. 153; 219 f.; ähnlich Parigger, FG<br />

L. Koch, S. 207 f.<br />

399 Mehle, FG L. Koch, S. 187; Hassemer in: Beck'sches Formularbuch für den<br />

Strafverteidiger, S. 17 f.; wohl auch Kühne, Strafprozeßlehre3, Rn. 91.1.<br />

400 Siehe oben, 2. Kap. B Ir 2 d bb.<br />

401 So auch OLG Düsseldorf, StV 1986, S. 288 (289); Mehle, FG L. Koch, S. 179;<br />

Parigger, FG L. Koch, S. 207. Vgl. auch BGH, StV 1986, S. 374.<br />

402 Vgl. Beulke, Der Verteidiger im <strong>Strafverfahren</strong>, S. 220; Wassmann, Strafverteidigung<br />

<strong>und</strong> Strafvereitelung, S. 214 ff.; Schautz, Strafrechtliche Grenzen des Verteidigerhandeins,<br />

S. 138 ff.; Lampe, JZ 1974, S. 698.


250 7. Kap.: Strafmilderung wegen Strafzumessungsrelevanz c. Belastungen als Strafzumessungsgr<strong>und</strong> 251<br />

Aber selbst soweit hier eine Lücke bei Verzögerungen des Verteidigers besteht,<br />

wäre noch bei Anknüpfung an die erwähnte Auffassung <strong>von</strong> Mitgliedern der<br />

EMRK fraglich, inwieweit nicht auch dieser Zeitraum unproblematisch deshalb<br />

zugunsten des Beschuldigten heranzuziehen ist, weil der Gesetzgeber im Zuge<br />

der Beratungen des 2. StVRG da<strong>von</strong> Abstand genommen hatte, den Ausschließungsgr<strong>und</strong><br />

der "Prozeßsabotage" einzuführen, um (zunächst) zu prüfen, ob mit<br />

anderen gesetzlichen Maßnahmen der Prozeßsabotage begegnet werden kann 40 3,<br />

was bisher nicht (abschließend) erfolgt ist.<br />

Schließlich ist noch kurz der in der Rechtsprechung des EGMR404 erwähnte<br />

Fall des mehrfachen, das Verfahren aufhaltenden Anwaltswechsels anzusprechen.<br />

Rein praktisch wird sich hier kaum einmal der Nachweis führen lassen, daß<br />

hiermit der Beschuldigte bezweckt, das Verfahren zu sabotieren, wenngleich<br />

wegen der Kostenfolge des § 145 IV StPO in relevanten Prozeßsituationen wenigstens<br />

die Rolle des Verteidigers bei der Mandatsbeendigung aufklärbar sein<br />

dürfte. Allerdings hat das Gericht, ähnlich wie bei der Ablehnung <strong>von</strong> Beweis<strong>und</strong><br />

Ablehnungsanträgen, ein Mittel in der Hand, Verschleppungen weitgehend<br />

zu verhindern: Das Gericht kann sowohl den vom Beschuldigten entpflichteten<br />

Wahlverteidiger zum Pflichtverteidiger machen <strong>und</strong> so die Unterbrechung oder<br />

Aussetzung nach § 145 III StPO verhindern 405 als auch neben dem Wahlverteidiger<br />

einen Pflichtverteidiger beiordnen 406 ; dies ist insbesondere zulässig, um Verschleppungen<br />

entgegenzuwirken, namentlich, wenn der Beschuldigte den Wahlverteidiger<br />

entläßt <strong>und</strong> einen neuen wählt 407 .<br />

2. Kooperationsstrategie des Beschuldigten<br />

<strong>Die</strong> angestellten Überlegungen laufen im Ergebnis darauf hinaus, daß Verfahrensbelastungen<br />

häufig auch dann bei der Rechtsfolgenentscheidung Berücksichtigung<br />

zu finden haben, Wenn die lange Verfahrensdauer durch prozessuale<br />

Verschleppungsaktivitäten des Beschuldigten entstanden ist. <strong>Die</strong>se Folgerung<br />

mag zunächst befremden, vielleicht sogar, wie Hanack meint, "schockieren"408:<br />

Sie könnte den Gedanken nahelegen, der Beschuldigte bräuchte nur sein Verfah-<br />

403 Vgl. Begr. RegE 2. StVRG, BT-DrS 7/2526, S. 11; Rechtsausschußbericht zum<br />

RegE 2. StVRG, BT-DrS 7/2989, S.5. Siehe in diesem Zusammenhang zuletzt die<br />

Entschließung der Generalstaatsanwälte <strong>und</strong> des Generalb<strong>und</strong>esanwalts, StV 1991,<br />

S. 284 ff.<br />

404 EGMR, EuGRZ 1978, S. 406 (419) (Fall König).<br />

405 BGH, GA 1971, S. 367; OLG Frankfurt, HESt 3, S. 33; Dünnebier in LR23, § 142<br />

Rn. 2<strong>3.</strong><br />

406 BVerfGE 39, S. 238 (246 f.); 66, S. 313 (321); BGHSt 15, S. 306 (309); GA 1971,<br />

S. 367 (368); NJW 1973, S. 1985; Laufhütte in KK StP02, § 141 Rn. 7 mit Nachweisen<br />

zur oberlandesgerichtlichen Rechtsprechung.<br />

407 Dünnebier in LR23, § 141 Rn. 7.<br />

408 Hanack, StV 1987, S. 50<strong>3.</strong><br />

ren zu verschleppen, um in den Genuß einer günstigeren Rechtsfolgenentscheidung<br />

zu kommen 409. Dem ist jedoch einiges entgegenzuhalten: Zunächst wäre<br />

rein formal einzuwenden, daß die Rechtsfolgenmilderung lediglich die Kompensation<br />

für die erlittenen Verfahrensbelastungen darstellt, also nur eine SchlechtersteIlung<br />

des verschleppenden Beschuldigten gegenüber anderen vermieden Werden<br />

soll.<br />

Praktischer betrachtet stellt sich das Problem aber genauso bei der üblichen<br />

Sichtweise des Problems: Verzögerungen entstehen im allgemeinen kaum durch<br />

"gr<strong>und</strong>lose" Schlamperei der Strafverfolgungsbehörden; vielmehr sind Schwierigkeiten<br />

der Sach- <strong>und</strong> Rechtslage ursächlich für die Versuchung des "Liegenlassens"41O.<br />

Solche Schwierigkeiten werden aber verstärkt dann auftreten, wenn sich<br />

der Beschuldigte aktiv verteidigt. <strong>Die</strong>se Überlegung wird auch dadurch bestätigt,<br />

daß großenteils Wirtschaftsstrafverfahren den Entscheidungen zur <strong>überlange</strong>n<br />

Verfahrensdauer zugr<strong>und</strong>e gelegen haben 411 . Wirtschaftsstraftaten weisen zwar<br />

einerseits regelmäßig eine erhöhte Schwierigkeit auf412; andererseits haben Beschuldigte<br />

in Wirtschaftsstrafverfahren zumeist umfangreichere Möglichkeiten<br />

der Verteidigung. Der Beschuldigte, der die finanziellen Ressourcen hat, ein<br />

Verfahren <strong>von</strong> langer <strong>Dauer</strong> <strong>und</strong> mit einer starken Verteidigung zu produzieren<br />

<strong>und</strong> durchzustehen, hat in jedem Fall bessere Chancen, ein "gutes" Urteil zu<br />

erhalten 413 . <strong>Die</strong>ser Gedanke hätte im übrigen gegenüber der geltenden Rechtspraxis<br />

noch verstärkte Relevanz bei Zugr<strong>und</strong>elegung des Lösungsansatzes <strong>von</strong><br />

Imme Roxin, wonach für jeden Tag, den die tatsächliche Verfahrensdauer die<br />

notwendige übersteigt, ein Tag Strafe "abzuziehen" sei 414. Bei diesem System,<br />

das nicht auf individuelle Belastungen rekurriert, sondern schematisch anrechnet,<br />

wäre die Versuchung für den Beschuldigten <strong>und</strong> seinen Verteidiger, aus Verkomplizierungen<br />

des Verfahrens resultierende Verzögerungen zu erreichen, noch<br />

größer: Man beantrage etwa ein Sachverständigengutachten <strong>und</strong> hoffe, daß die<br />

Bestellung des Sachverständigen (<strong>und</strong> dessen Gutachtenerstellung, für die das<br />

Gericht eine Frist absprechen kann <strong>und</strong> die das Gericht<br />

gegebenenfalls anzumahnen hat 415 ) nicht in dem kürzestmöglichen Zeitraum<br />

geschehe. Allerdings wird befürwortet, daß bei auf Verschleppungsabsicht beruhenden<br />

Anträgen eine verzögerte Bearbeitung durch die staatlichen Stellen "in<br />

der Gesamtabwägung zurücktreten" könne416.<br />

409 Vgl. G. Hirsch in LK'o, § 46 Rn. 47 Fn. 38.<br />

410 1. Roxin, Rechtsfolgen, S. 64; J. Blomeyer, NJW 1977, S. 557.<br />

411 1. Roxin, Rechtsfolgen, S. 63; Kramer, Menschenrechtskonvention, S. 62 Fn. 95;<br />

vgl. auch Keller / Schmid, wistra 1984, S. 201 Fn. 6.<br />

412 Vgl. etwa Rothenfluth, SchWZStR 100 (1983), S. 374 ff.<br />

413 ':'.~l. Dencker / Hamm, Der Vergleich im Strafprozeß, S. 87: "sozialstaatswidriger<br />

Aspekt, vgl. auch Hanack, JZ 1971, S.715; Keller / Schmid, wistra 1984, S.202;<br />

Baumann, FS Klug, S. 464; Eisenberg, Kriminologie3, § 40 Rn. <strong>3.</strong><br />

414 1. Roxin, Rechtsfolgen, S. 247 ff.<br />

415 Vgl. OLG Bremen, StV 1989, S. 539.<br />

416 Peukert, EuGRZ 1979, S. 272; Uisamer, FS Faller, S. 378 f.


252 7. Kap.: Strafmilderung wegen Strafzumessungsrelevanz C. Belastungen als Strafzumessungsgr<strong>und</strong> 253<br />

Entscheidender aber ist, daß dem Beschuldigten in dieser Konstellation Strafmilderung<br />

unter anderen Aspekten verlorengehen dürfte: Zunächst einmal würde,<br />

wie oben schon angedeutet417, Strafmilderung unter dem Gesichtspunkt des Wegfalls<br />

des Strafbedürfnisses kaum möglich sein, wenn sich Verteidigungsverhalten<br />

zwar formal prozeßordnungsgemäß darstellt, faktisch jedoch nur zu Verfahrensverschleppungen<br />

geführt hat.<br />

Darüberhinaus wird das Ergebnis noch weiterdadurch relativiert, daß bestimmte<br />

verfahrensverkürzende Handlungen des Beschuldigten strafmildernde Berücksichtigung<br />

finden, im Endeffekt also ihr Unterlassen strafschärfend wirkt 418 . Zwar<br />

kann keinem Zweifel unterliegen, daß der direkte "Austausch <strong>von</strong> Strafmilderung<br />

gegen Verfahrensabkürzung"419, mag er auch in praxi eine wesentliche Form der<br />

"Verständigung" im Strafprozeß darstellen420, nicht mit der StPO vereinbar ist421.<br />

Ausdrücklich anders entschieden hat bisher - soweit ersichtlich - nur das LG<br />

Berlin422. Es hat in der Strafzumessung honoriert, daß der Beschuldigte trotz<br />

Bestreitens einen zur Freisprechung geeigneten Beweisantrag nur hilfsweise für<br />

den Fall einer Freiheitsstrafe ohne Bewährung gestellt hatte. <strong>Die</strong>se Entscheidung<br />

hat in seiner Anmerkung Nestler-Tremel umfassend kritisiert 423 . Vor kurzem hat<br />

Kintzi die Frage aufgeworfen, ob der Richter "quasi fiktiv die lange Prozeßdauer<br />

zugunsten des Angeklagten berücksichtigen (kann), wenn dieser sie durch sein<br />

Prozeßverhalten abkürzt"424.<br />

<strong>Die</strong> in der Diskussion befindliche "Verständigung" im <strong>Strafverfahren</strong> könnte<br />

also prinzipiell geeignet sein, die These, daß kooperatives Verhalten (auch) zur<br />

Strafmilderung führt, zu belegen. Dennoch wird im folgenden auf dieses Argument<br />

(noch) verzichtet: Aus dogmatischer Sicht bleibt abzuwarten, inwieweit<br />

die bestechenden Argumente der Gegner <strong>von</strong> Verständigungen, diese seien mehr<br />

oder weniger auf der Gr<strong>und</strong>lage des geltenden Strafprozeßrechts "eine verfassungswidrige<br />

Praxis", wie Siolek formuliert 42 5, widerlegt werden können 426 . Aus<br />

417 Siehe oben, B I 2.<br />

418 Dencker, ZStW 102 (1990), S. 56; 61.<br />

419 Schünemann in: Absprache im Strafprozeß, S. 34 ff.; ähnlich Nestler-Tremel, StV<br />

1989, S. 112; Strate, NStZ 1989, S. 439; Moschüring, RuP 1988, S. 158; Zier!, AnwBI.<br />

1985, S. 505; vgl. auch Rückei, NStZ 1987, S. 302; Hasserner, JuS 1989, S. 891 Fn.3;<br />

offengelassen <strong>von</strong> BGH, StV 1989, S. 336 (337).<br />

420 Schünemann in: Absprache im Strafprozeß, S. 25 f.; 34; ähnlich Nestler-Tremel,<br />

StV 1989, S. 112.<br />

421 Schünemann in: Absprache im Strafprozeß, S. 34 ff.; vgl. aber auch Nestler-Tremel,<br />

StV 1989, S. 112.<br />

422 LG Berlin, StV 1989, S. 108.<br />

423 Nestler-Tremel, StV 1989, S. 109; zustimmend Horn in SK StGB, § 46 Rn. 148a;<br />

Kintzi, JR 1990, S. 315 Fn. 47. Hinzuzufügen wäre lediglich, was Nestler-Tremel übersieht<br />

(S. 111), daß schon die Aufklärungspflicht das Gericht - unabhängig vom Bedingungseintritt<br />

- dazu zwingen könnte, den Beweis zu erheben; vgl. Scheffler, NStZ<br />

1989, S. 159.<br />

424 Kintzi, JR 1990, S. 315.<br />

425 Siolek, DRiZ 1989, S. 321. Siehe jetzt auch BGH, NStZ 1991, S. 346 (347 f.).<br />

praktischer Sicht ist zudem zu beachten, daß die Möglichkeit, über "Verständigung"<br />

Strafmilderung zu erreichen, bestimmte Voraussetzungen bei Tat <strong>und</strong><br />

Tätererfordert, also nicht allgemeingültig ist. SelbstSchmidt-Hieber äußert inzwischen<br />

seine Befürchtung, Absprachen würden zum "Privileg des Wohlstandskriminellen"<br />

427.<br />

Unabhängig da<strong>von</strong> ist kooperatives Verhalten des Beschuldigten in Form eines<br />

Geständnisses <strong>und</strong> Mitwirkung bei der Aufklärung der Geschehnisse jedoch<br />

regelmäßig strafmildernd zu berücksichtigen. Schmidt-Hieber vertritt den interessanten,<br />

"radikalen"428 Ansatz, durch ein Geständnis würden die "Auswirkungen<br />

der Tat" gemäß § 46 11 StGB betroffen 429 . Unabhängig <strong>von</strong> den Motiven des<br />

Gestehenden würde das Geständnis die objektiven Tatfolgen betreffen, sofern<br />

ein Geständnis die Ermittlung des Sachverhalts erleichtet. Das folge daraus, daß<br />

verschiedene Bestimmungen eine Strafmilderung oder gar einen Strafausschließungsgr<strong>und</strong><br />

für den Fall der Berichtigung einer falschen Aussage (§ 158 StGB)<br />

oder eines Geständnisses (§§ 371 III AO, 31 Nr. 1 BtMG, 45, 47 JGG) vorsehen,<br />

ohne daß es hierbei auf die der Berichtigung oder dem Geständnis zugr<strong>und</strong>eliegenden<br />

Motive ankäme. <strong>Die</strong>se Auffassung wird nahezu einhellig kritisiert 430;<br />

das Nachtatverhalten käme als Milderungsgr<strong>und</strong> nur insoweit in Betracht, wie<br />

es der Täter als Beschuldigter <strong>von</strong> Rechts wegen in der Hand hat, durch Verteidigungsaktivitäten<br />

genau diejenigen Interessen (nochmals) zu verletzen, gegen die<br />

die ihm vorgeworfene Tat gerichtet war, also etwa, wenn er dem (jugendlichen)<br />

Tatopfer (insbesondere eines Sexualdeliktes) die Unannehmlichkeiten einer Zeugenaussage<br />

erspart 431. <strong>Die</strong> herrschende Ansicht geht da<strong>von</strong> aus, daß dem Geständnis<br />

nicht nur strafmildernde Gründe zugr<strong>und</strong>e liegen können, sondern es auch<br />

aus Berechnung <strong>und</strong> Prozeßtaktik abgegeben werden kann, so daß es jeweils auf<br />

seine strafmildernde Verwertbarkeit geprüft werden muß. Daß es dem Gericht<br />

die Arbeit erleichtert <strong>und</strong> das Verfahren verkürzt, kann angesichts der Amtsaufklärungspflicht<br />

ein Gr<strong>und</strong> für eine mildere Bestrafung nur dann sein, wenn das<br />

Geständnis günstige Schlüsse aufdie Persönlichkeit des Täters zuläßt (doppelspu-<br />

426 Vgl. dazu Schünemann, Verh. 58. DJT, S. B 66 ff.<br />

427 Schmidt-Hieber, NJW 1990, S. 1884 ff.; DRiZ 1990, S. 323 f.<br />

428 Dencker, ZStW 102 (1990), S. 58.<br />

429 Schmidt-Hieber, Verständigung im <strong>Strafverfahren</strong>, Rn. 169 ff.; 187 f.; FS Wassermann,<br />

S. 997 f.; FS Deutsche Richterakademie, S. 206 f.; NJW 1988, S. 284; in: Absprache<br />

im Strafprozeß, S. 60 f.; DRiZ 1990, S. 321; wohl auch Keller / Schmid, wistra 1984,<br />

S. 208. In der Gerichtspraxis dürfte dieser Aspekt eine gewisse Rolle spielen: So hat<br />

dpa zufolge in einem Wirtschaftsstrafverfahren, das mit einer Freiheitsstrafe <strong>von</strong> 21<br />

Monaten auf Bewährung endete, das LG Berlin in der mündlichen Urteilsbegründung<br />

ausdrücklich hervorgehoben, "daß der Prozeß durch das glaubhafte <strong>und</strong> umfassende<br />

Geständnis <strong>von</strong> einer mehrmonatigen <strong>Dauer</strong> auf fünf Verhandlungstage beschränkt werden<br />

konnte" (Volksblatt Berlin v. 17.<strong>3.</strong>1989, S. 14).<br />

430 Rönnau, <strong>Die</strong> Absprache im Strafprozeß, S. 102 ff.; Schünemann in: Absprache im<br />

Strafprozeß, S. 44 f.; Verh. 58. DJT, S. B 112 f.; Dencker, ZStW 102 (1990), S. 58 f.;<br />

Grünwald, StV 1987, S. 454; Niemöller, StV 1990, S. 36 Fn. 16.<br />

431 Dencker, ZStW 102 (1990), S. 60 f.; Frisch, ZStW 99 (1987), S. 782.


254 7. Kap.: Strafmilderung wegen Strafzumessungsrelevanz C. Belastungen als Strafzumessungsgr<strong>und</strong> 255<br />

rige Indizkonstruktion) 432. Aber auch auf dieser Gr<strong>und</strong>lage ist die Auffassung<br />

Schmidt-Hiebers bedeutsam, das Geständnis sei regelmäßig strafmildernd zu<br />

berücksichtigen, da die Beweggründe, die im Einzelfall einem Geständnis zugr<strong>und</strong>e<br />

liegen, nur in Ausnahmefällen aufklärbar sein werden 433 . Gemäß dem Gr<strong>und</strong>satz<br />

"in dubio pro reo" müsse daher im Regelfall da<strong>von</strong> ausgegangen werden,<br />

daß das Geständnis - zumindest auch - auf Einsicht in das begangene Unrecht<br />

beruht434. Letztendlich können hier diese theoretischen Konstruktionsversuche<br />

im Hintergr<strong>und</strong> bleiben. Entscheidend ist, daß in der Praxis bei Vorliegen eines<br />

Geständnisses regelmäßig die Strafe gemildert wird 435 - eine Vorgehensweise,<br />

die neuerdings Niemöller billigt: Das Geständnis könne dem Beschuldigten "auch<br />

als Beitrag zur Sachaufklärung <strong>und</strong> Verfahrensabkürzung . . . zugutegehalten<br />

werden"436. Dadurch besteht zumindest rein faktisch die Alternative der Strafmilderung<br />

wegen Verfahrensverkürzung zur Verschleppungstaktik.<br />

IV. Verfahrensbeendigung <strong>und</strong> Belastungen<br />

Der materiellrechtlichen Lösung, Verfahrensbelastungen durch <strong>überlange</strong> Verfahrensdauer<br />

bei der Rechtsfolgenentscheidung auszugleichen, steht freilich noch<br />

ein prozeßrechtliches Problem entgegen: Wie läßt sich das Verfahren beenden,<br />

wenn die Zumutbarkeitsgrenze, nicht aber die Spruchreife erreicht ist? Vorher<br />

mag man sich mit der Berücksichtigung in der Strafzumessung zufriedengeben 437.<br />

Nun aber würde Weiterprozessieren nicht nur bedeuten, die Verfahrensbelastungen<br />

zu vertiefen, sondern mitjeder weiteren Prozeßhandlung bewußt gegen Recht<br />

zu verstoßen 438. Mit Siolek ist zunächst einmal da<strong>von</strong> auszugehen, daß jedenfalls<br />

de lege lata keine Verpflichtung der Strafverfolgungsbehörden dahingehend besteht,<br />

daß <strong>überlange</strong> Verfahrensdauer "durch abkürzende Absprachen vermieden<br />

werden muß"439.<br />

432 Vgl. statt vieler Bruns, Das Recht der Strafzumessung 2 , S. 231 ff.; Moos, Das<br />

Geständnis im <strong>Strafverfahren</strong> <strong>und</strong> in der Strafzumessung, S. 133 ff. Dagegen etwa<br />

Dencker, ZStW 102 (1990), S. 56 f.; 77; Rönnau, <strong>Die</strong> Absprache im StrafprozeB, S. 96 ff.;<br />

Frisch, ZStW 99 (1987), S. 778 ff.; Schmidt-Hieber, DRiZ 1990, S. 321 f.<br />

433 Vgl. aber etwa Dencker, ZStW 102 (1990), S. 56 Fn. 23; Maeffert, Strafjustiz,<br />

S.56.<br />

434 Schmidt-Hieber, Verständigung im <strong>Strafverfahren</strong>, Rn. 174; kritisch dazu Grünwald,<br />

StV 1987, S. 454; Dencker, ZStW 102 (1990), S. 76; Rönnau, <strong>Die</strong> Absprache im<br />

StrafprozeB, S. 98 ff.<br />

435 Bruns, Das Recht der Strafzumessung Z , S. 233; Schmidt-Hieber, Verständigung<br />

im <strong>Strafverfahren</strong>, Rn. 173; FS Wassermann, S.996; 999; Nestler-Tremel, StV 1989,<br />

S. 112; Dencker, ZStW 102 (1990), S. 52; Grünwald, StV 1987, S. 454.<br />

436 Niemöller, StV 1990, S. 36 Fn. 16; vgl. dazu Schmidt-Hieber, NIW 1990, S. 1885;<br />

Schünemann, Verh. 58. DIT, S. B 11<strong>3.</strong><br />

437 Siolek, DRiZ 1989, S. 32<strong>3.</strong><br />

438 Vgl. LG Frankfurt, IZ 1971, S. 234 (235); Hillenkamp, IR 1975, S. 139; Schroth,<br />

NIW 1990, S. 31.<br />

1. Vor der Hauptverhandlung<br />

Machen die Verfahrensbelastungen aufgr<strong>und</strong> <strong>überlange</strong>r Verfahrensdauer<br />

schon vor Beginn der Hauptverhandlung ein Absehen <strong>von</strong> Strafe erforderlich,<br />

so kann gemäß § 153b StPO die Staatsanwaltschaft mit Zustimmung des Gerichts<br />

<strong>von</strong> der Erhebung der öffentlichen Klage absehen bzw. das Gericht mit Zustimmung<br />

der Staatsanwaltschaft <strong>und</strong> des Beschuldigten das Verfahren einstellen.<br />

Zweck der Vorschrift ist es gerade auch, in den Fällen des § 60 StGB dem<br />

Beschuldigten die Belastungen eines gerichtlichen Verfahrens zu ersparen440.<br />

Umstrittener Ansicht zufolge, die jedenfalls im Hinblick auf Verfahrensbelastungen<br />

vorzugswürdig erscheint, braucht nicht einmal bis zur Anklagereife "durchermittelt"<br />

zu werden, sofern nach dem Ermittlungsstand bereits beurteilt werden<br />

kann, daß die materiellen Voraussetzungen für das Absehen <strong>von</strong> Strafe vorliegen<br />

441 .<br />

Sind die Voraussetzungen <strong>von</strong> § 60 StGB nicht erfüllt - sei es, weil die<br />

Verfahrensbelastungen dieses Maß noch nicht erreicht haben, sei es, weil es am<br />

Erfordernis, daß höchstens ein Jahr Freiheitsstrafe verwirkt sein darf, fehlt -,<br />

kann gemäß § 153a StPO unter Auflagen <strong>und</strong> Weisungen eingestellt werden.<br />

Insoweit ist faktisch die "Lücke" zwischen völliger Sanktionslosigkeit <strong>und</strong> an<br />

der Strafrahmenuntergrenze limitierter Strafmilderung teilweise zu schließen 442 .<br />

Allerdings ist das Verhältnis <strong>von</strong> §§ 153, 153a StPO einerseits <strong>und</strong> § 153b StPO<br />

andererseits noch nicht endgültig geklärt44<strong>3.</strong> Auf Verfahrensbelastungen abstellend,<br />

zeigt sich, daß der Anwendungsbereich der §§ 153, 153a StPO etwas kleiner<br />

ist: Zunächst ist ihr Anwendungsbereich auf Vergehen beschränkt. Des weiteren<br />

können Verfahrensbelastungen zwar das öffentliche Interesse entfallen lassen<br />

oder jedenfalls so verringern, daß es durch Auflagen <strong>und</strong> Weisungen beseitigt<br />

werden kann. <strong>Die</strong> Normen setzen jedoch, anders als § 153b StPO, geringe Schuld<br />

voraus. Ob durch die Verfahrensbelastungen die Schuld im Sinne der §§ 153 f.<br />

StPO berührt wird444, ist nicht endgültig geklärt445. <strong>Die</strong>s wäre dann nicht der<br />

Fall, wenn man entgegen der herrschenden Ansicht den Tatschuldbegriff <strong>und</strong><br />

439 Siolek, DRiZ 1989, S. 323; vgl. aber auch Dahs, NStZ 1988, S. 154. Siehe jetzt<br />

auch BGH, NStZ 1991, S. 346 (347 f.).<br />

440 RieB in LR24, § 153b Rn. 2; kritisch Schroeder, FS K. Peters, S. 420 f.; Maiwald,<br />

ZStW 83 (1971), S. 695.<br />

441 RieB in LR24, § 153b Rn. 9; He. Müller in KMR, § 153b Rn. 2; a.A. Schoreit in<br />

KK StP02, § 153b Rn. 4.<br />

442 RieB in LRz4, § 153b Rn. 7.<br />

443 RieB in LRz4, § 153b Rn. 7; Shin, Anklagepflicht <strong>und</strong> Opportunitätsprinzip, S. 7<strong>3.</strong><br />

444 LG Aachen, IZ 1971, S.507 (519 f.); vgl. auch BGH, wistra 1990, S.65; LG<br />

F1ensburg, MDR 1979, S. 76.<br />

445 Vgl. Kunz, <strong>Die</strong> E~nstellung wegen Ger.ingfügigkeit durch die Staatsanwaltschaft,<br />

S. 37 f.; Paschmanns, DIe staatsanwaltschafthche Verfahrenseinstellung wegen Geringfügigkeit,<br />

S. 87 ff.


256 7. Kap.: Strafmilderung wegen Strafzumessungsrelevanz C. Belastungen als Strafzumessungsgr<strong>und</strong> 257<br />

nicht den Begriff der Strafzumessungsschuld zugr<strong>und</strong>e legt 446 . Richtungsweisende<br />

Rechtsprechung fehlt wegen der Nichtanfechtbarkeit gerichtlicher Entscheidungen<br />

(§§ 153 11 Satz 3, 153a 11 Satz 4 StPO) 447. Nicht zuletzt deshalb sollte<br />

die mögliche Diskrepanz praktisch nicht überschätzt werden 448. Am "kautschukartigen<br />

Begriff'449 der geringen Schuld dürfte die Anwendbarkeit <strong>von</strong><br />

§§ 153, 153a StPO bei Verfahrensbelastungen infolge Verfahrensdauer durch<br />

die Staatsanwaltschaft oder das Tatgericht kaum scheitern 450, wie sich schon in<br />

einigen Entscheidungen zur <strong>überlange</strong>n Verfahrensdauer andeutet 451 .<br />

2. Während der Hauptverhandlung<br />

Schwieriger sieht die Situation aus, wenn die Hauptverhandlung schon begonnen<br />

hatte. Wird die Hauptverhandlung ausgesetzt, ist nach allgemeiner Ansicht<br />

die Anwendung <strong>von</strong> § 153b StPO nicht mehr möglich452. <strong>Die</strong>s wird auf den<br />

Wortlaut ("die" statt "eine" Hauptverhandlung) gestützt, gleichzeitig aber als<br />

zweckwidrig kritisiert 45<strong>3.</strong><br />

Auch in diesem Fall besteht die Möglichkeit, nach §§ 153, 153a StPO einzustellen.<br />

Ist diese Möglichkeit verschlossen, weil ein Verbrechen Gegenstand des<br />

Verfahrens ist, besteht - jedenfalls rein theoretisch - die Möglichkeit, die<br />

Verfolgung gemäß §§ 154, 154a StPO zu beschränken 454 . Dogmatisch wäre das<br />

insoweit zu vertreten, als bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 60 StGB (für<br />

die Gesamttat) die eingestellten Verbrechenstatbestände "nicht beträchtlich ins<br />

Gewicht" fielen 455. Eine Einstellung der übriggebliebenen Vergehen nach §§ 153,<br />

153a StPO dürfte allerdings bei diesem Vorgehen regelmäßig im Hinblick auf<br />

das Kriterium der "geringen Schuld" zweifelhaft sein.<br />

Allerdings wäre hier noch eine weniger fragwürdige Konstruktion denkbar:<br />

Gemäß §§ 154 I Nr. 2, 154a I Satz 2 StPO kann die Verfolgung auch dann<br />

beschränkt werden, "wenn ein Urteil wegen dieser Tat in angemessener Frist<br />

nicht zu erwarten ist <strong>und</strong> die übrige Strafe zur Einwirkung auf den Täter <strong>und</strong><br />

zur Verteidigung der Rechtsordnung ausreichend erscheint". Letztere Voraussetzungen<br />

dürften wohl dann, wenn materiell die Voraussetzungen <strong>von</strong> § 60 StGB<br />

vorliegen, regelmäßig erfüllt sein; auch das Kriterium der angemessenen Frist<br />

ergibt keine unüberwindbaren Probleme: Angemessenheit ist hier ähnlich wie in<br />

Art. 6 I EMRK zu verstehen 456 , also als "Vemünftigkeit"457. Es kommt demzufolge<br />

auf eine Gesamtbetrachtung unter Berücksichtigung der Bedeutung der Sache,<br />

des Ermittlungsaufwandes, der verfahrenstypischen Normaldauer <strong>und</strong> der zu<br />

erwartenden Rechtsfolgen an 458 . Liegen schon Belastungen vor, die die Anwendbarkeit<br />

<strong>von</strong> § 60 StGB begründen, so dürfte regelmäßig auch unter diesen Kriterien<br />

weitere Verfahrensdauer als "unvernünftig" zu bezeichnen sein mit der Folge<br />

des auf Null reduzierten Einstellungsermessens 459.<br />

Rein theoretisch bietet sich der Weg über die §§ 153, 153a, 154, 154a StPO<br />

auch in der Hauptverhandlung selbst an, soweit noch ein weiteres Andauern der<br />

Hauptverhandlung zu erwarten ist. Aufgr<strong>und</strong> des Erfordernisses der Zustimmung<br />

<strong>von</strong> Staatsanwaltschaft <strong>und</strong> Beschuldigtem dürfte rein praktisch gesehen dafür<br />

jedoch - bei Anwendbarkeit <strong>von</strong> § 60 StGB - allenfalls in Nebenklagesachen<br />

ein Bedürfnis bestehen, weil bei Einmütigkeit der Beteiligten es möglich sein<br />

sollte, die Hauptverhandlung zu beenden <strong>und</strong> gemäß § 60 StGB durch Urteil <strong>von</strong><br />

Strafe abzusehen. Erleichtert wird dies dadurch, daß das Gericht gemäß § 60<br />

StGB nur negativ festzustellen braucht, daß eine Strafe <strong>von</strong> mehr als einem Jahr<br />

jedenfalls nicht in Betracht kommt460, so daß insoweit auch die richterliche<br />

Aufklärungspflicht eingeschränkt wird.<br />

446 So Krümpelmann, <strong>Die</strong> Bagatelldelikte, S. 214 f.; Paschmanns, <strong>Die</strong> staatsanwaltschaftliche<br />

Verfahrenseinstellung wegen Geringfügigkeit, S. 130 ff.; Bloy, GA 1980,<br />

S.I72.<br />

447 Kunz, <strong>Die</strong> Einstellung wegen Geringfügigkeit durch die Staatsanwaltschaft, S. 37;<br />

Paschmanns, <strong>Die</strong> staatsanwaltschaftliehe Verfahrenseinstellung wegen Geringfügigkeit,<br />

S. 87; Hanack, FS Gallas, S. 347 f.<br />

448 Vgl. dazu H. Wagner, GA 1972, S. 44 ff.<br />

449 Mannheim, JW 1924, S. 1649. Ähnlich B1oy, GA 1980, S. 172; Hanack, FS Gallas,<br />

S. 347 f.; Naucke, FS Gallas, S. 208.<br />

450 Vgl. Paschmanns, <strong>Die</strong> staatsanwaltschaftliehe Verfahrenseinstellung wegen Geringfügigkeit,<br />

S. 90; vgl. auch Schünemann, Verh. 58. DJT, S. B 35.<br />

451 Vgl. BGH, wistra 1990, S. 65; LG Aachen, JZ 1971, S.507 (519 f.); vgl. auch<br />

LG Flensburg, MDR 1979, S. 76.<br />

452 RieB in LR24, § 153b Rn. 12; Kleinknecht / Meyer, StP039, § 153b Rn. 3;<br />

He. Müller in KMR, § 153b Rn. 5; Eb. Schmidt, Lehrkomm. H, § 153a Rn. 9.<br />

453 RieB in LR24, § 153b Rn. 12.<br />

454 Vgl. Dencker / Hamm, Der Vergleich im StrafprozeB, S. 27 Fn. 38; Schünemann,<br />

Verh. 58. DJT, S. B 93 Fn. 248.<br />

455 Vgl. RieB in LR24, § 154 Rn. 14.<br />

<strong>3.</strong> Nach der Hauptverhandlung<br />

Problematischer stellt sich die Situation in der Revisionsinstanz dar: Muß das<br />

Revisionsgericht, wenn die Verfahrensbelastungen nicht in der Strafzumessung<br />

des Tatgerichts Berücksichtigung gef<strong>und</strong>en haben, das Urteil - im Strafausspruch<br />

- aufheben <strong>und</strong> die Sache an das Tatgericht zurückverweisen 461? Zurück-<br />

456 Vgl. RieB in LR24, § 154 Rn. 24; Kapahnke, Opportunität <strong>und</strong> Legalität im <strong>Strafverfahren</strong>,<br />

S. 124 f.; Ulsamer, FS Faller, S. 378.<br />

457 Siehe oben, <strong>3.</strong> Kap. B V.<br />

458 Vgl. RieB in LR24, § 154 Rn. 24; Kapahnke, Opportunität <strong>und</strong> Legalität im <strong>Strafverfahren</strong>,<br />

S. 127; Keller / Schmid, wistra 1984, S. 203; Ulsamer, FS Faller, S. 378.<br />

459 Vgl. Miehsler / Vogler, IntKomm, Art. 6 Rn. 326; Ulsamer, FS Faller, S. 377.<br />

460 Bericht des Sonderausschusses, BT-DrS V / 4094, S. 7; G. Hirsch in LKlO, § 60<br />

Rn. 16; Horn in SK StGB, § 60 Rn. 16; Müller-<strong>Die</strong>tz, FS R. Lange, S. 319.<br />

461 So etwa BGH, NStZ 1987, S. 232; BayObLG, StV 1989, S. 394.<br />

17 Scheffle,


258 7. Kap.: Strafmilderung wegen Strafzumessungsrelevanz C. Belastungen als Strafzumessungsgr<strong>und</strong> 259<br />

verweisung wegen Nichtbeachtung der Auswirkungen der Verfahrensdauer ­<br />

also weitere Verfahrensdauer, die berücksichtigt werden muß - stellt sich nun<br />

über die rechtsstaatliche Problematik hinaus als logisches Paradoxon dar.<br />

Will das Revisionsgericht auf das Absehen <strong>von</strong> Strafe oder die gesetzliche<br />

Mindeststrafe erkennen, gibt es gemäß § 354 I StPO keine Probleme. Was ist<br />

aber, wenn es nur die rechtsfehlerfreie Erörterung des Strafmilderungsgr<strong>und</strong>es<br />

der Verfahrensbelastungen bei <strong>überlange</strong>r Verfahrensdauer vermißt 462 ?<br />

a) Eigene Sachentscheidung des Revisionsgerichts<br />

bei Rechtsverletzung, § 354 StPO<br />

Es wäre zu überlegen, ob hier das Revisionsgericht nicht analog § 354 StPO<br />

"durcherkennen" kann, was der BGH bei <strong>überlange</strong>r Verfahrensdauer schon<br />

gelegentlich - allerdings rechtlich zweifelhaft 463 - getan hat 464 • In der Literatur<br />

wird teilweise die Ansicht vertreten, das Revisionsgericht könne den Strafausspruch<br />

selbst festlegen, wenn der Tatrichter die Strafzumessungstatsachen vollständig<br />

mitgeteilt hat 46 5, was der gesetzlichen Regelung im Ordnungswidrigkeitenrecht<br />

(vgl. § 79 VI 2. Alt. OWiG) nahekommt. Gr<strong>und</strong> für diese Überlegung<br />

ist gerade, eine (weitere) Verlängerung des Verfahrens zu vermeiden 466 • Ist in<br />

den Strafzumessungsgründen als einziger Rechtsfehler nur die <strong>überlange</strong> Verfahrensdauer<br />

unberücksichtigt geblieben, liegt eine parallele Gestaltung vor. Dem<br />

steht zwar der Einwand entgegen, daß in den Strafzumessungsgründen nur die<br />

"bestimmenden" Gründe vom Tatrichter mitgeteilt zu werden brauchen 467 • <strong>Die</strong>ses<br />

Argument ist jedoch insofern zweifelhaft, als es gerade darum geht, ob Verfahrensdauer<br />

berücksichtigt worden ist, die für die Strafzumessung hätte "bestimmend"<br />

sein müssen.<br />

Komplizierter ist ein anderes Problem: Zwar kann das Gericht schon auf die<br />

allgemeine Sachrüge hin die Verfahrensdauer feststellen. Es kann in diesem<br />

Rahmen auch - über den bloßen Inhalt hinaus - offenk<strong>und</strong>ige Tatsachen<br />

beachten 468 , zu denen auch prozeßrechtliche Tatsachen gehören, die das vorliegende<br />

Verfahren betreffen 469 , so daß hierzu der Prozeßbeginn <strong>und</strong> -verlauf gehö-<br />

462 VgI. dazu Sarstedt / Hamm, <strong>Die</strong> Revision in Strafsachen 5 , Rn. 428.<br />

463 Siehe oben, All.<br />

464 BGH, NJW 1978, S. 503 (504) (insoweit nicht in BGHSt 27, S. 274 abgedruckt);<br />

NStZ 1989, S. 238; vgI. auch NStE Nr. 25 zu § 56 StGB.<br />

465 Frisch, Revisionsrechtliche Probleme der Strafzumessung, S. 299 ff.; Bruns, Strafzumessungsrecht<br />

2 , S. 660 f.; Batereau, <strong>Die</strong> Schuldspruchberichtigung, S. 112; C. Roxin,<br />

<strong>Strafverfahren</strong>srecht 21 , § 54 J III 2.<br />

466 Pikart in KK StP02, § 354 Rn. 12; Batereau, <strong>Die</strong> Schuldspruchberichtigung, S. 115.<br />

467 Hanack in LR24, § 354 Rn. 35.<br />

468 Kleinknecht / Meyer, StP039, § 244 Rn. 25.<br />

469 Alsberg / Nüse / Meyer, Der Beweisantrag im Strafprozeß5, S. 551 f.<br />

ren dürfte 470. Hiermit ist in der Regel aber noch nichts bezüglich der Verfahrensbelastungen<br />

gesagt, selbst wenn man bei der Bestimmung der Belastungen (auch)<br />

objektive Kriterien zugr<strong>und</strong>e legt. Wie soll das Revisionsgericht aber <strong>von</strong> Verfahrensdauer<br />

im Ermittlungs- <strong>und</strong> Hauptverfahren auf Verfahrensbelastungen schließen<br />

können?<br />

Auszugehen ist da<strong>von</strong>, daß gegenüber sonstiger revisionsrechtlicher Lage die<br />

Situation gegeben ist, daß die Zurückweisung zwecks Prüfung, ob ein Verfahrensfehler<br />

den Beschuldigten beeinträchtigt, eben diesen Verfahrensfehler vertieft.<br />

Denn der Fehler liegt in jedem Fall schon in der Nichterwähnung der <strong>überlange</strong>n<br />

Verfahrensdauer <strong>und</strong> ihrer möglichen Belastungsfolgen bzw. in ihrer unzureichenden<br />

Verneinung bzw. Berücksichtigung. Weitere Sachaufklärung dahingehend,<br />

ob auf dem Rechtsfehler das Urteil "beruht", d.h. ob die Überlänge zu<br />

Belastungen geführt hat, die ungenügend berücksichtigt worden sind, würde also<br />

die Verletzung des Beschleunigungsprinzips vertiefen. Eine solche Sachaufklärung<br />

kann nicht zulässig sein 471. Sind also die - zulässigen - Sachaufklärungsmöglichkeiten<br />

erschöpft, ist nach dem Gr<strong>und</strong>satz "in dubio pro reo" zu entscheiden<br />

472. Also hätte das Revisionsgericht <strong>von</strong> den Belastungen <strong>und</strong> ihrer Nichtberücksichtigung<br />

auszugehen <strong>und</strong> analog § 354 StPO durchzuentscheiden.<br />

Ein Argument dafür, daß das Revisionsgericht bezüglich der Strafmilderung<br />

"durchentscheiden" kann, läßt sich aus § 8 StrEG entnehmen. Nach dieser Norm<br />

hat das Revisionsgericht gr<strong>und</strong>sätzlich die Entschädigung selbst festzulegen <strong>und</strong><br />

nicht insoweit zurückzuverweisen. Sollte es also Entschädigung für erlittene<br />

Verfahrensbelastungen des Nichtverurteilten geben, ist ihre Gewährung ggf. Aufgabe<br />

des Revisionsgerichts. Allerdings verweist der BGH zurück, wenn noch<br />

tatsächliche Umstände bezüglich der Entschädigungsfrage zu klären sind 473 • <strong>Die</strong>s<br />

hat auch der <strong>3.</strong> Senat in seiner neueren Gr<strong>und</strong>satzentscheidung zur <strong>überlange</strong>n<br />

Verfahrensdauer getan, in der er ein "Zurückverweisungsverbot" im übrigen<br />

kreierte 474 • Nun dürfte diese Rechtsprechung jedoch gegen den Wortlaut des § 8<br />

StrEG verstoßen 47 5, der in Abs. I Satz 2 für solche Fälle ein Nachverfahren<br />

vorsieht.<br />

470 So wohl auch BayObLG, StV 1989, S. 394 (395).<br />

471 VgI. LG Frankfurt, JZ 1971, S. 234 (235).<br />

472 Zur Anwendung des Gr<strong>und</strong>satzes "in dubio pro reo" auf das Vorliegen <strong>überlange</strong>r<br />

Verfahrensdauer vgI. Michael, Der Gr<strong>und</strong>satz in dubio pro reo im <strong>Strafverfahren</strong>srecht,<br />

S. 172.<br />

473 BGH, NJW 1984, S. 1311 (1312); bei Holtz, MDR 1977, S. 811; vgI. auch OLG<br />

Celle, VRS 51, S. 440.<br />

474 BGHR StrEG § 8 Zuständigkeit 1(insoweit nicht in BGHSt 35, S. 137 abgedruckt);<br />

so auch OLG Zweibrücken, StV 1989, S. 51 (53).<br />

475 VgI. Schätzler, StrEG2, § 8 Rn. 18; GA 1990, S. 36; Kleinknecht / Meyer, StP039,<br />

§ 8 StrEG Rn. 16; D. Meyer, StrEG2, § 8 Rn. 30c; MDR 1978, S. 284; wohl auch OLG<br />

Düsseldorf, MDR 1989, S. 845.<br />

17*


260 7. Kap.: Strafmilderung wegen Strafzumessungsrelevanz c. Belastungen als Strafzumessungsgr<strong>und</strong> 261<br />

<strong>Die</strong>se Problematik stellt sich nicht, wenn zudem aufgr<strong>und</strong> einer weiteren<br />

begründeten Rüge des jeweiligen Revisionsführers ohnehin Zurückverweisung<br />

erfolgen muß; hier könnte jedoch ein Hinweis 476 des Revisionsgerichts an das<br />

neue Tatgericht hinsichtlich der Strafzumessungsrelevanz der Verfahrensbelastungen<br />

angebracht sein 477 • Darüber hinaus böte sich in diesem Fall- jedenfalls<br />

wenn die Berücksichtigung erheblicher Verfahrensbelastungen aufgr<strong>und</strong> <strong>von</strong><br />

<strong>überlange</strong>r Verfahrensdauer in Rede stehen sollte, die insbesondere die Anwendung<br />

<strong>von</strong> § 60 StGB geboten erscheinen lassen könnte - aus der Fürsorgepflicht<br />

abgeleitet an, nachzufragen, ob der Beschuldigte die weitergehende Revision bei<br />

diesem Ergebnis nicht zurücknehmen will. Bei einer Revision der Staatsanwaltschaft<br />

zu Lasten des Beschuldigten könnte eine Rücknahmeverpflichtung (auch)<br />

daraus folgen, daß sie jedenfalls Verfahrensverzögerungen mitzuvertreten hat 478 •<br />

dung gerade zum Gegenstand hat. Entgegen der herrschenden Meinung 482 geht<br />

Karl Peters da<strong>von</strong> aus, daß aus dem Gedanken dieser Vorschrift folge, daß das<br />

Revisionsgericht auch dann durcherkennen könne, wenn sich die tatsächliche<br />

Gr<strong>und</strong>lage des Urteils offenk<strong>und</strong>ig oder leicht erkennbar geändert hat 483 • Folgte<br />

man dieser Ansicht, so wäre hier eine Möglichkeit der dogmatischen Einordnung<br />

gegeben, um das Ergebnis zu erlangen, das sowohl der <strong>3.</strong> Senat des BGH als<br />

auch das BayObLG angesteuert haben, ohne den prozessualen Weg dahin aufzuzeigen<br />

484.<br />

b) Eigene Sachentscheidung des Revisionsgerichts<br />

bei Änderung der Rechtslage, § 354a StPO<br />

Noch problematischerwird es, wenn die Verfahrensdauer erst nach dem tatrichterlichen<br />

Urteil, also im Revisionsverfahren überlang geworden ist 479 • Hier hat<br />

das BayObLG allerdings darauf hingewiesen, daß es fraglich sei, wie Verfahrensdauer<br />

nach tatrichterlichem Urteil überhaupt revisionsrechtlich Beachtung finden<br />

können soll 480. Mit der Verfahrensrüge läßt sich insoweit -logisch bedingtnur<br />

ein Verstoß gegen § 275 StPO sowie die verspätete Urteilszustellung nach<br />

§ 343 11 StPO rügen. Was die Sachrüge angeht, so ist der Strafausspruch im<br />

Urteil fehlerfrei. Das BayObLG meint nun, daß das Revisionsgericht auch allgemein-<br />

oder gerichtsk<strong>und</strong>ige Tatsachen nach der letzten Tatsacheninstanz nicht<br />

berücksichtigen dürfte. Letzteres ist allerdings sehr fraglich. Beispielsweise hat<br />

auch das RG in einer Entscheidung berücksichtigt, daß es am gleichen Tag eine<br />

andere Revision des Beschuldigten verworfen hatte, daß also Rechtskraft eingetreten<br />

war 481 •<br />

Letztendlich kann dies dahingestellt bleiben, denn es bietet sich eine Analogie<br />

zu § 354a StPO an, der die Berücksichtigung <strong>von</strong> Umständen nach Urteilsverkün-<br />

476 Vgl. zu rechtlichen Hinweisen des Revisionsgerichts Sarstedt / Hamm, <strong>Die</strong> Revision<br />

in StrafsachenS, Rn. 520; Dahs / Dahs, <strong>Die</strong> Revision im Strafprozeß4, Rn. 509; Rieß,<br />

AG Strafrecht des DAV 3 (1986), S. 49; 76; Bruns, StV 1984, S. 389; vgl. allgemein<br />

Schlüter, Das Obiter dictum, S. 180 ff.<br />

477 Siehe etwa BGH, Urt. v. 6.5.1986 - 5 StR 92/86 (Anhang 15; insoweit nicht<br />

bei Pfeiffer / Miebach, NStZ 1987, S. 19 abgedruckt).<br />

478 Vgl. BGHSt 35, S. 137 (138): <strong>Die</strong> Staatsanwaltschaft hat gerichtlichen Verfahrensverzögerungen<br />

durch Prozeßanträge oder <strong>Die</strong>nstaufsichtsbeschwerden nachhaltig entgegenzutreten.<br />

479 Vgl. BGHSt 35, S. 137; HansOLG Hamburg, JR 1983, S. 259; BayObLG, StV<br />

1989, S. 394.<br />

480 BayObLG, StV 1989, S. 384 (385).<br />

481 RG, JW 1928, S. 2725.<br />

482 Vgl. Hanack in LR24, § 354a Rn. 7.<br />

483 K. Peters, Strafprozeß4, § 75 V 2.<br />

484 BGHSt 35, S. 137; BayObLG, StV 1989, S. 394.


A. Allgemeines Staatshaftungsrecht 263<br />

Achtes Kapitel<br />

Entschädigung wegen Schadenszufügung<br />

Praktisch relevanter als die verbleibenden Fälle, die sich noch einer sofortigen<br />

Verfahrensbeendigung sperren, sind die, in denen die Möglichkeit der Berücksichtigung<br />

<strong>von</strong> Verfahrensbelastungen in der Strafzumessung nicht oder nur<br />

eingeschränkt besteht.<br />

Auch der hier herausgearbeitete Weg beinhaltet das gleiche Problem wie die<br />

gängige Strafzumessungslösung des BGH: Der Freigesprochene oder aus sonstigen,<br />

mit der Verfahrenslänge nicht zusammenhängenden Gründen Nichtverurteilte<br />

erhält für seine Verfahrensbelastungen keinerlei Kompensation. Beim Verurteilten<br />

ist, wie erörtert I, ebenfalls nicht immer genügende Strafmilderung recht­<br />

1ich möglich. Nun dürfte, wie es der 1. Strafsenat des BGH in neueren Entscheidungen<br />

ausdrücklich betont hat, durch die Rechtsfolgenlösung (auch) verhindert<br />

werden, daß die B<strong>und</strong>esrepublik Deutschland wegen einer Verletzung des Beschleunigungsgebotes<br />

des Art. 6 I EMRK durch die europäischen Organe verurteilt<br />

wird 2, die Strafmilderung als Kompensation anerkannt haben <strong>3.</strong> <strong>Die</strong>ser Gedanke<br />

erfordert nun aber konsequenterweise sowohl eine Rechtsfolge zugunsten des<br />

Nichtverurteilten 4 als auch zugunsten desjenigen, dessen Strafe nicht ausreichend<br />

gemildert werden kann 5 • Soweit der 1. Senat wohl offenbar für den letzten Fall<br />

(weitere) Strafmilderung aufgr<strong>und</strong> der Existenz <strong>von</strong> Art. 6 I EMRK gewähren<br />

will, ist ihm allerdings zu widersprechen. Es ist anerkannt, daß Konventionswidrigkeiten<br />

nur im Rahmen der rechtlichen Grenzen der nationalen Rechtsordnung<br />

auszugleichen sind6.<br />

Somit bliebe also nur zu prüfen, ob sich eine andere Kompensation als die<br />

bisher untersuchten Rechtsfolgen für die verbleibenden Bereiche aus der Rechtsordnung<br />

ableiten läßt. Ausgehend <strong>von</strong> der vergleichbaren Situation im Untersuchungshaftrecht<br />

drängt sich hier die Prüfung einer Entschädigungsmöglichkeit<br />

auf.<br />

1 Siehe oben, 7. Kap. C II 2.<br />

2 BGH, StV 1988, S. 487 (488); NStZ 1989, S. 526 (527); ähnlich Vogler, ZStW 89<br />

(1977), S. 783; Ulsamer, FS Faller, S. 382 ff.<br />

3 Vgl. EGMR, EuRGZ 1983, S. 371 (381) (Fall Eckle).<br />

4 So wohl auch Vogler, ZStW 89 (1977), S. 784.<br />

5 So auch Kühne, EuGRZ 1983, S. 38<strong>3.</strong><br />

6 Vogler,. ZStW 89 (1977), S. 783; Frowein, JZ 1969, S. 215 f.; Ulsamer, FS Faller,<br />

S. 381; Schmdler, FS Guldener, S. 278 f.<br />

Es wird häufig darauf hingewiesen, daß <strong>überlange</strong> Verfahrensdauer Ansprüche<br />

aus allgemeinem Staatshaftungsrecht, insbesondere wegen Amtspflichtverletzung<br />

auslösen könne 7. Obwohl diese Ansprüche auf dem Zivilrechtsweg verfolgt werden<br />

müssen, also keine Rechtsfolgen innerhalb des <strong>Strafverfahren</strong>s darstellen,<br />

sondern "verfahrensfem" sind 8 , sollen Amtshaftung <strong>und</strong> Aufopferung im folgenden<br />

doch kurz betrachtet werden, weil diese Ansprüche bisher kaum einmal<br />

näher auf ihre Anwendbarkeit bei <strong>überlange</strong>r Verfahrensdauer untersucht worden<br />

sind 9 •<br />

A. Allgemeines Staatshaftungsrecht ­<br />

Überblick über den Anwendungsbereich bei<br />

<strong>überlange</strong>r Verfahrensdauer<br />

I. Amtshaftung<br />

Es erstaunt zunächst, daß es kaum (veröffentlichte) Entscheidungen gibt, die<br />

sich mit der Frage beschäftigen, ob <strong>und</strong> inwieweit die <strong>überlange</strong> <strong>Dauer</strong> <strong>von</strong><br />

<strong>Strafverfahren</strong> Amtshaftungsansprüche auslösen kann. In den fünfziger Jahren<br />

hatte der III. Zivilsenat des BGH in ein <strong>und</strong> derselben Sache zwei Revisionsentscheidungen<br />

zu treffen 10, Dort betonte er, daß in der Verzögerung der Einstellung<br />

eines Ermittlungsverfahrens aus unsachlichen Erwägungen eine Amtspflichtverletzung<br />

der Staatsanwaltschaft gegenüberdem Beschuldigten liege. In einer weiteren<br />

Entscheidung lehnte der gleiche Senat 1983 eine Schadensersatzpflicht ab,<br />

weil die Staatsanwaltschaft das knapp sechsjährige Ermittlungsverfahren nicht<br />

aus sachfremden Motiven verzögert habe, sondern die <strong>Dauer</strong> durch den außergewöhnlich<br />

umfangreichen Verfahrensgegenstand bedingt gewesen sei 11. Schließlich<br />

hatte der III. Zivilsenat 1988 wiederum einen Amtshaftungsprozeß wegen<br />

verzögerter Verfahrenseinstellung durch die Staatsanwaltschaft zu entscheiden 12.<br />

Das Gericht sprach hier einen Amtshaftungsanspruch zu, weil die Staatsanwaltschaft<br />

bei Entscheidungsreife das Ermittlungsverfahren nicht eingestellt hatte.<br />

Der Senat billigte der Staatsanwaltschaft zur Vorbereitung der Entscheidung<br />

nach § 170 11 StPO, insbesondere zur Auswertung des Ermittlungsergebnisses,<br />

einen Bearbeitungszeitraum <strong>von</strong> einem Monat zu, nach dessen Ablaufdie Fortführung<br />

des Ermittlungsverfahrens arntspflichtwidrig geworden sei 1<strong>3.</strong><br />

7 Vgl. etwa OLG Frankfurt, StV 1989, S. 96 (97); Rogall in SK StPO, vor § 133<br />

Rn. 120; Hanack, JZ 1971, S.709; Hillenkamp, JR 1975, S. 139; RieB, NStZ 1982,<br />

S.436; Kühne, EuGRZ 1983, S. 383; Kirchhof, FS Doehring, S. 452 f.<br />

8 Häsemeyer, FS Michaelis, S. 139.<br />

9 Siehe aber Kramer, Menschenrechtskonvention, S. 236 f.; für den Zivilprozeß J.<br />

Blom~yer, ~JW 1977, S. 557 ff.; Vollkommer, ZZP 81 (1968), S. 132 f.; Häsemeyer,<br />

FS Michaelis, S. 137 ff.; Dütz, Rechtsstaatlicher Gerichtsschutz im Privatrecht, S. 291.<br />

10 BGHZ 20, S. 158; AnwBI. 1958, S. 152.<br />

11 BGH, WM 1983, S. 866 (867).<br />

12 BGH, StV 1988, S. 441 (444).


264 8. Kap.: Entschädigung wegen Schadenszufügung A. Allgemeines Staatshaftungsrecht 265<br />

So klar <strong>und</strong> selbstverständlich diese Entscheidungen insoweit auf den ersten<br />

Blick wirken, so problematisch ist die Anwendbarkeit des Amtshaftungsrechts<br />

bei näherem Hinsehen. Zwar dürfte gr<strong>und</strong>sätzlich kein Zweifel daran bestehen,<br />

daß verzögerliche Verfahrensführung eine Amtspflichtverletzung darstellt 14, wobei<br />

dahingestellt bleiben mag, ob sich dies aus der allgemeinen Beschleunigungspflicht<br />

ergibt 15 oder sich aus §§ 839, 823 11 BGB, Art. 6 I EMRK ableiten läßt 16.<br />

Wenngleich auch das Erfordernis des Verschuldens jedenfalls bei eindeutigen<br />

Nachlässigkeiten des einzelnen Amtsträgers überwindbare Schwierigkeiten bereiten<br />

dürfte 17, ist hier doch schon die erste Einschränkung vorzunehmen: Obwohl<br />

es für Verfahrensbelastungen nicht darauf ankommt, ob sie auf Verfahrensdauer<br />

oder Verzögerungen beruhen, ist ein Amtshaftungsanspruch im ersten Fall ausgeschlossen.<br />

Auch bei Verzögerungen, die auf Überlastung bzw. Personalmangel<br />

beruhen, ist eine Amtshaftung wegen "legislativen Unrechts" (Vorenthaltung der<br />

erforderlichen Personalstellen durch das Parlament) - allenfalls - theoretisch<br />

zu konstruieren 18.<br />

Bei richterlichen Verzögerungen gibt es eine nächste große Einengung, die<br />

die Geltendmachung eines Anspruchs aus Amtspflichtverletzung des Richters<br />

"praktisch ausschließt" 19: Nach der Rechtsprechung greift die Ausnahme gemäß<br />

§ 839 11 Satz 2 BGB vom Spruchrichterprivileg des § 839 11 Satz 1 BGB nur<br />

dann, wenn die pflichtwidrige Verweigerung oder Verzögerung der Amtsausübung<br />

durch den Richter "bewußt" geschieht20, was kaum einmal beweisbar ist.<br />

Eine noch weitere Einschränkung erfährt der Anwendungsbereich <strong>von</strong> § 839 11<br />

Satz 2 BGB noch dadurch, daß bei der Verzögerung durch ungeeignete Maßnahmen,<br />

also "qualifizierter" Prozeßverzögerung in der Tenninologie ]ürgen Blomeyers<br />

21 , keine Verzögerung im Sinne <strong>von</strong> Satz 2, sondern Amtsausübung im<br />

Sinne <strong>von</strong> § 83911 Satz 1 BGB vorliegt 22 • In diesem Fall entfallt das Richterprivileg<br />

gemäß § 83911 Satz 1 BGB erst bei Vorliegen einer Straftat, also insbesondere<br />

13 Vgl. auch OLG Bremen, StV 1989, S. 535: Es müsse die "gebührende Zeit zur<br />

sorgfältigen Anklageerhebung ausreichend bemessen sein". Siehe jetzt auch OLG Düsseldorf,<br />

StV 1990, S. 503 (504).<br />

14 Vgl. aber BGH, WM 1983, S. 866 (867).<br />

15 Papier in MünchKomm2, § 839 Rn. 181; vgl. auchJ. Blomeyer, NJW 1977, S. 558 f.<br />

16 So Kühne, EuGRZ 1983, S. 38<strong>3.</strong><br />

17 Vgl. aber Kramer, Menschenrechtskonvention, S. 236.<br />

18 Vgl. Boujong, FS geiger, S. 430 ff.; J. Blomeyer, NJW 1977, S. 559 f. mit Hinweis<br />

auf OLG Hamburg, DOV 1971, S. 238; siehe auch BayVerfGH, NJW 1986, S. 1326;<br />

Hanack, JZ 1971, S. 715; Sachs, ZRP 1982, S. 232.<br />

19 Baur, FS Schwab, S. 59; ähnlich FS Baumgärtel, S. 5. Vgl. aber auch Hanack, JZ<br />

1971, S. 715.<br />

20 BGH, LM Nr.5 zu § 839 (G); vgl. dazu Vollkommer, ZZP 81 (1968), S. 132;<br />

abweichend Häsemeyer, FS Michaelis, S. 139; vgl. auch Baur, FS Schwab, S. 59; Grunsky,<br />

ArbGG6, § 9 Rn. 4.<br />

21 J. Blomeyer, NJW 1977, S. 557; 559.<br />

22 BGH, LMNr. 5 zu § 839 BGB (G); Glaser in SoergeJl', § 839 Rn. 217; Vollkommer,<br />

ZZP 81 (1968), S. 132; Baur, FS Schwab, S. 59; a.A. J. Blomeyer, NJW 1977, S. 560 f.<br />

der Rechtsbeugung. <strong>Die</strong>se dürfte ebenfalls kaum einmal beweisbar sein; es ist<br />

auch beim Nichtstun kaum zu widerlegen, der Richter sei, wie ]ürgen Blomeyer<br />

es fonnuliert, mit der längst entscheidungsreifen Sache lange Zeit "schwanger<br />

gegangen", weil er so "gründlich" sei 23 •<br />

Der entscheidende Einwand gegen die genügende Anwendbarkeit des Amtshaftungsrechts<br />

auf Verfahrensbelastungen leitet sich jedoch aus folgendem her:<br />

Der über § 847 BGB erlangbare Ersatz immateriellen Schadens umfaßt - allenfalls<br />

- indirekte Folgen wie Verletzungen der Ges<strong>und</strong>heit <strong>und</strong> - umstrittendes<br />

Persönlichkeitsrechts 24 • So können auch durch die (vom Beklagten unnötig<br />

verursachte) <strong>Dauer</strong> eines Zivilprozesses hervorgerufene Verfahrensbelastungen<br />

(nur) die Höhe des Schmerzensgeldes beeinflussen 25 •<br />

Daraus folgt, daß der Amtshaftungsanspruch praktisch aufden Ersatz materiellen<br />

Schadens - etwa Anwaltskosten - bei staatsanwaltschaftlichen Verzögerungen<br />

beschränkt ist. Bei "völlig ungerechtfertigter Verzögerung" des Verfahrens<br />

durch den Richter - dies sei ergänzt, weil es als eine Rechtsfolge innerhalb des<br />

<strong>Strafverfahren</strong>s zu verstehen ist - kann ein Anspruch auf Nichterhebung <strong>von</strong><br />

Gerichtskosten gemäß § 8 GKG entstehen 26. <strong>Die</strong>ser bezieht sich jedoch nur auf<br />

die geringen Gebühren gemäß Nr. 1600 ff. KV sowie die - evtl. hohen 27 ­<br />

Auslagen nach Nr. 1900 ff. KV. Er ist nach herrschender Ansicht nicht auf die<br />

(notwendigen) Auslagen des Beschuldigten anwendbar 28 •<br />

11. Aufopferung<br />

Im Aufopferungsrecht ist als Rechtsfolge nur der Ersatz materiellen Schadens<br />

vorgesehen 29 • Schon aus diesem Gr<strong>und</strong>e kann ein Aufopferungsanspruch wegen<br />

Verfahrensbelastungen kaum einschlägig sein. Allerdings hat der <strong>3.</strong> Strafsenat<br />

des BGH vor kurzem angedeutet, auf einen Aufopferungsanspruch könne eventuell<br />

entsprechend dem Rechtsgedanken <strong>von</strong> § 7 III StrEG auch für immateriellen<br />

23 J. Blomeyer, NJW 1977, S. 560; ähnlich Häsemeyer, FS Michaelis, S. 138, der in<br />

diesem Fall den Vorsatz kaum für nachweisbar hält.<br />

24 <strong>Die</strong>s übersieht offenbar Kramer, Menschenrechtskonvention, S. 236.<br />

25 Vgl. BGH, VRS 18, S. 245; VersR 1967, S. 256 (257); KG, NJW 1970, S.515<br />

(516 f.); OLG Hamm, VersR 1980, S. 683; Kolbin GeigepO, 7. Kap. Rn. 38; Vollkommer,<br />

ZZP 81 (1968), S. 107 Fn. 27.<br />

26 OLG Schleswig, SchlHA 1986, S. 46 (47); Oestreich / Winter, GKG, § 8 Rn. 14;<br />

Markl, GKG2, § 8 Rn. 4; Mümmler, JVBI. 1971, S. 223; kritisch zu dieser Einschränkung<br />

J. Blomeyer, NJW 1977, S. 557 f.; Baur, FS Schwab, S. 58 f.<br />

27 J. Blomeyer, NJW 1977, S. 557 f.<br />

28 A. A. LG Verden, AnwBI. 1973, S. 147; LO Schweinfurt, JurBüro 1980, Sp. 573;<br />

für die Ersetzung notwendiger Auslagen in Ausnahmefällen LG Flensburg, JurBüro<br />

1981, Sp. 1858; D. Meyer, StrE02, Auslagenerstattung Rn. 2<strong>3.</strong><br />

29 BOHZ 20, S. 61; 22, S.43 (47); 45, S. 58 (77); Papier in MünchKomm2, § 839<br />

Rn. 54; in Maunz / Dürig, Art. 14 Rn. 593; Ossenbühl, Staatshaftungsrecht 3 , § 9 1.


266 8. Kap.: Entschädigung wegen Schadenszufügung B. Strafrechtsentschädigungsrecht 267<br />

Schaden Ersatz geleistet werden 30 . Aber unabhängig da<strong>von</strong> sind die Voraussetzungen<br />

des Aufopferungsanspruchs bei <strong>überlange</strong>r Verfahrensdauer nur sehr<br />

bedingt erfüllt:<br />

Ein Eingriffim Sinne des Aufopferungsrechts dürfte problemlos nur bei "qualifizierter"<br />

Prozeßverzögerung, also bei <strong>überlange</strong>r Verfahrensdauer aufgr<strong>und</strong> ungeeigneten<br />

Tuns vorliegen 3]. Wenn bestimmte Anträge des Beschuldigten auf<br />

Förderung des Verfahrens abgelehnt werden, dürften die Gr<strong>und</strong>sätze des "qualifizierten<br />

Unterlassens"32 mit der Folge anwendbar sein, daß ebenfalls ein Eingriff<br />

im Sinne des Aufopferungsrechts vorliegen kann 3<strong>3.</strong> Da der BGH selbst dann,<br />

wenn eine Rechtspflicht zum Handeln besteht, in einem Unterlassen keinen<br />

Eingriff sieht 34, kann jedoch <strong>überlange</strong>, aufNichtstun beruhende Verfahrensdauer<br />

nicht als Eingriff im Sinne des Aufopferungsrechts gesehen werden.<br />

Ob sich allerdings aus der Rechtsprechung des BGH35 ergibt, wie Kramer<br />

meint36, daß bei <strong>überlange</strong>r Verfahrensdauer ein Sonderopfer zu verneinen sei,<br />

erscheint äußerst zweifelhaft. Vielmehr indiziert die Rechtswidrigkeit der Verzögerung<br />

das Sonderopfer 37 . In der <strong>von</strong> Kramer angeführten BGH-Entscheidung<br />

lag ein falsches Urteil zugr<strong>und</strong>e. Ein nur objektiv unrichtiges Urteil ist jedoch,<br />

wie der BGH ausführt, nicht rechtswidrig; insofern liegt der Fall anders als bei<br />

Verfahrensverzögerungen, die per se rechtswidrig sind.<br />

Weiter eingeschränkt wird die Möglichkeit, das Aufopferungsrecht anzuwenden,<br />

jedoch dadurch, daß nach ganz herrschender Ansicht das Spruchrichterprivileg<br />

des § 839 II BGB auch auf Aufopferungsansprüche Anwendung findet 38.<br />

<strong>Die</strong>s hat zur Folge, daß bei Verfahrensverzögerungen durch ungeeignete Handlungen<br />

(qualifizierte Prozeßverzögerung), also der Fallgruppe, bei der wenigstens<br />

ein Eingriff im Sinne des Aufopferungsrechts gr<strong>und</strong>sätzlich bejaht werden kann,<br />

der Aufopferungsanspruch gegen den Richter durch das Spruchrichterprivileg<br />

ausgeschlossen ist. Auch hier ist zwar ein Anspruch gemäß § 8 GKG bei richterlicher<br />

falscher Sachbehandlung, die nicht bloß unzweckmäßig ist 39 , dann anerkannt,<br />

wenn gegen eindeutige Normen verstoßen wird <strong>und</strong> dieser Verstoß offen<br />

zutage tritt oder wenn ein offensichtliches Versehen vorliegt 40. Durch diese<br />

30 BGHSt 36, S. 236 (240).<br />

31 J. Blomeyer, NJW 1977, S. 557; 559; vgl. dazu BGHZ 12, S. 52 (56); 32, S. 208<br />

(211); 56, S. 40 (42); DVBl. 1969, S. 209; NJW 1985, S. 1287 (1289).<br />

32 Papier in MünchKomm 2 , § 839 Rn. 43; in Maunz/Dürig, Art. 14 Rn. 461; B.<br />

Bender, Staatshaftungsrecht2, Rn. 107.<br />

33 Vgl. BGHZ 19, S. 1 (3 ff.); DVBl. 1972, S. 827; DÖV 1979, S. 867 (868).<br />

34 BGHZ 12, S. 52 (56); 32, S. 208 (211); WM 1970, S. 1484 (1485); a.A. J. Blomeyer,<br />

NJW 1977, S. 559 f.; vgl. dazu auch Kramer, Menschenrechtskonvention, S. 236 f.<br />

35 BGHZ 36, S. 379 (393 f.).<br />

36 Kramer, Menschenrechtskonvention, S. 237.<br />

37 J. BlOmeyer, NJW 1977, S. 558; 560.<br />

38 BGH, MDR 1968, S. 478; Leipold, JZ 1968, S. 466; a.A. Konow, JR 1969, S. 6 ff.<br />

39 Vgl. Mümmler, JVBl. 1971, S. 223 f.<br />

Einschränkungen in der praktischen Anwendbarkeit ergibt sich jedoch, wie Baur<br />

es formuliert, "daß § 8 GKG eine Bestimmung ist, die auf dem Papier steht"41.<br />

B. Strafrechtsentschädigungsrecht ­<br />

Ausblick auf Erweiterungsmöglichkeiten hinsichtlich<br />

<strong>überlange</strong>r Verfahrensdauer<br />

I. Analoge Anwendung der Anspruchsgr<strong>und</strong>lagen, §§ 1, 2 StrEG<br />

Über das StrEG kann - siehe § 7 StrEG - auch immaterieller Schaden<br />

ersetzt werden. Allerdings finden sich in den in §§ 1,2 StrEG aufgezählten<br />

Anspruchsgr<strong>und</strong>lagen nicht die Folgen <strong>überlange</strong>r Verfahrensdauer42. <strong>Die</strong> Ansicht<br />

<strong>von</strong> Kießling, im Falle des Freispruchs wirke sich die Verfahrensdauer auf<br />

die Entschädigungsansprüche des Freigesprochenen nach dem StrEG aus 43, ist<br />

nicht zutreffend. Jedoch könnte mit Kühne an eine entsprechende Erweiterung<br />

der Anspruchsgr<strong>und</strong>lagen des StrEG gedacht werden44. <strong>Die</strong>ser Weg über das<br />

StrEG hätte, wie auch Kühne betont 4 5, den Vorteil des Verbleibens der Zuständigkeit<br />

beim Strafgericht (§§ 8, 9 StrEG), ergäbe also eine Rechtsfolge in dem hier<br />

zugr<strong>und</strong>egelegten Sinn.<br />

Anders als bei der Entschädigung für Untersuchungshaft wäre hier allerdings<br />

nicht das System des pauschalierten Tagessatzes geeignet, das nicht unumstritten<br />

ist 46 , da eine nominale Anrechnung <strong>von</strong> Verfahrensbelastungen nicht möglich<br />

ist 47 . Genauso wie Verfahrensbelastungen im Rahmen der Strafzumessungen zu<br />

berücksichtigen <strong>und</strong> nicht wie Untersuchungshaft gemäß § 51 StGB anzurechnen<br />

sind, ist also auch hier"billige" Entschädigung, vergleichbar der Schmerzensgeldregelung<br />

in § 847 BGB, zu leisten. <strong>Die</strong>ses Ergebnis steht auch in Übereinstimmung<br />

zu den Anforderungen <strong>und</strong> Wertungen der EMRK: Art. 5 V EMRK gibt<br />

umfassenden Schadensersatz für erlittene Untersuchungshaft, über Art. 50 EMRK<br />

kommt bei <strong>überlange</strong>r Verfahrensdauer nur eine billige, angemessene Entschädigung<br />

in Betracht 48 .<br />

40 Siehe die Nachweise bei Oestreich / Winter, GKG, § 8 Rn. 10; kritisch hierzu J.<br />

Blomeyer, NJW 1977, S. 558; Lappe, GKG, § 8 Rn. 1; E. Schneider, JurBüro 1975, Sp.<br />

874 ff.; OLG Zweibrücken, NJW 1974, S. 507 (zu § 16 KostO). Vgl. auch BGH, StV<br />

1989, S. 401.<br />

41 Baur, FS Schwab, S. 59. Ähnlich J. Blomeyer, NJW 1977, S. 558.<br />

42 Kramer, Menschenrechtskonvention, S. 236.<br />

43 Kießling, DRiZ 1977, S. 326 Fn. I.<br />

44 Kühne, EuGRZ 1983, S. 38<strong>3.</strong><br />

45 Kühne, EuGRZ 1983, S. 38<strong>3.</strong><br />

46 D. Meyer, StrEG2, § 7 Rn. 38 ff.; Schätzler, StrEG2, § 7 Rn. 44.<br />

47 Siehe oben, 7. Kap. C II 1 b.<br />

48 BGHZ 45, S. 58 (68); Peukert, EMRK, Art. 5 Rn. 134; Art. 50 Rn. 20; Kramer,<br />

Menschenrechtskonvention, S.216; Herzog, JZ 1966, S. 559 f.; Zörb NJW 1970<br />

S.2147. ' ,


268 8. Kap.: Entschädigung wegen Schadenszufügung B. Strafrechtsentschädigungsrecht 269<br />

11. Analoge Anwendung der Zuständigkeitsregeln, §§ 8, 9 StrEG<br />

Kühne deutet noch einen weiteren Weg an: Es könnte eine analoge Anwendung<br />

der Zuständigkeitsregeln des StrEG (§§ 8, 9 StrEG) zur Realisierung <strong>von</strong> unmittelbar<br />

aus Art. 6 I EMRK folgenden Ansprüchen in Betracht kommen 49 • Kühne<br />

will dann wohl in Anbetracht <strong>von</strong> Art. 50 EMRK die Gewährung <strong>von</strong> Geldersatz<br />

als möglich erachten, wenn die Verfahrensdauer durch Strafmilderung nicht<br />

ausreichend berücksichtigt werden kann. Nun wäre Kühnes Gedankengang auf<br />

den Nichtverurteilten zu erweitern: Daß Art. 50 EMRK <strong>von</strong> "unvollkommener"<br />

Wiedergutmachung spricht, ist ein Redaktionsversehen; die Vorschrift ist nach<br />

herrschender Ansicht auch anwendbar, wenn das nationale Recht überhaupt keine<br />

Wiedergutmachung vorsieht 50.<br />

Materiell betrachtet dürfte kaum zweifelhaft sein, daß ein Entschädigungsanspruch<br />

gemäß Art. 50 EMRK begründet ist, soweit die Verfahrensbelastungen<br />

des Nichtverurteilten nicht bzw. die des Verurteilten nur teilweise kompensiert<br />

werden können 51. Bei <strong>überlange</strong>r Verfahrensdauer ist über Art. 50 EMRK gerade<br />

der immaterielle Schaden ausgleichsfähig, der auf der verlängerten Ungewißheit<br />

über den Verfahrensausgang beruht 52.<br />

Allerdings ist aus dem Wortlaut <strong>von</strong> Art. 50 EMRK zu folgern, daß die Signatarstaaten<br />

nicht der Meinung waren, Verletzungen der EMRK müßten <strong>von</strong> den<br />

nationalen Instanzen in jedem Fall vollständig ausgeglichen werden können 5<strong>3.</strong><br />

Andererseits kann daraus nicht geschlossen werden, daß Art. 50 EMRK nicht<br />

schon auf nationaler Ebene berücksichtigt werden kann. Das folgt schon aus<br />

dem auch <strong>von</strong> der EMRK berücksichtigten (vgl. Art. 13, 26 EMRK) völkergewohnheitsrechtlichen<br />

Satz, daß zunächst dem Staat Gelegenheit zu geben ist,<br />

Konventionswidrigkeiten zu beseitigen, um einer Verurteilung durch den EGMR<br />

zuvorzukommen 54. Zudem besteht die Verpflichtung der Vertragsstaaten zur<br />

Wiedergutmachung nicht unter dem Vorbehalt der "Möglichkeit", sondern unbedingt<br />

55 • So kann die B<strong>und</strong>esrepublik prinzipiell entweder auch ohne EMRK­<br />

Verfahren 56 oder aber im sog. fre<strong>und</strong>schaftlichen Ausgleich gemäß Art. 28<br />

lit. b EMRK57 ohne ausdrückliche Verpflichtung durch die europäischen Organe<br />

Entschädigung leisten. <strong>Die</strong> fehlende ausdrückliche gesetzliche Gr<strong>und</strong>lage ist<br />

49 Kühne, EuGRZ 1983, S. 38<strong>3.</strong><br />

50 Guradze, EMRK, Art. 50 Anm. 5; Frowein, FS Partsch, S. 317. A. A. Dodenhoff<br />

in: Europäischer Menschenrechtsschutz, S. 314 f.<br />

51 Vgl. Vogler, ZStW 89 (1977), S. 783 f.<br />

52 EGMR, EuGRZ 1980, S. 598 (600) (Fall König); Frowein / Peukert, EMRK, Art. 50<br />

Rn. 12.<br />

53 I. Roxin, Rechtsfolgen, S. 157 f.; Hanack, JZ 1971, S. 709.<br />

54 Ress in: Europäischer Menschenrechtsschutz, S. 250.<br />

55 Ress, FS Zeidler, S. 179<strong>3.</strong><br />

56 Vgl. Schindler, FS Guldener, S. 286.<br />

57 Frowein, JZ 1969, S. 216; vgl. auch Frowein/Peukert, EMRK, Art. 28 Rn. 7.<br />

unerheblich, da der Gesetzesvorbehalt nach herrschender Ansicht jedenfalls insoweit<br />

nicht für die Leistungsverwaltung gilt 58.<br />

Insofern sind bei diesem Stand der Überlegungen Parallelen zum Gnadenrecht<br />

gegeben. Über das Gnadenrecht ließe sich ebenfalls weitere Strafmilderung <strong>und</strong><br />

gnadenweiser Straferlaß herleiten, auf dessen Strukturverwandtschaft zum Absehen<br />

<strong>von</strong> Strafe nach § 60 StGB im übrigen häufiger hingewiesen wird 59. Allerdings<br />

wäre auf diesem Weg keine Entschädigung des Nichtverurteilten möglich,<br />

da durch Gnade Entschädigung nicht zuerkannt werden kann 60. Der 2. Strafsenat<br />

des BGH hat schon in seiner gr<strong>und</strong>legenden Entscheidung zur Strafzumessungslösung<br />

auf die Möglichkeit eines Gnadenerweises hingewiesen 61 • <strong>Die</strong> Literatur hat<br />

hierauf zustimmend reagiert 62. Der EGMR hat im Fall Neurneister festgestellt,<br />

der gnadenweise Straferlaß bedeute keine Wiederherstellung des früheren Zustandes,<br />

komme ihr jedoch so nahe, wie es der Natur der Sache nach möglich sei 6<strong>3.</strong><br />

Entgegen Ress ist die Begnadigung auch hinsichtlich der b<strong>und</strong>esdeutschen<br />

Rechtsordnung nicht deshalb rechtlich problematisch, weil sie für diese Fälle<br />

nicht gedacht sei 64 • Vielmehr besteht eine Funktion der Gnade gerade darin, aus<br />

welchen Gründen auch immer unrichtige Erkenntnisse in ihren (Strafvollstrekkungs-)Folgen<br />

zu beseitigen 65. <strong>Die</strong>se Konstellation kann auch dann vorliegen<br />

<strong>und</strong> einen Gr<strong>und</strong> für (korrigierende) Gnade liefern, wenn zwar kriminalpolitisch<br />

keine gr<strong>und</strong>sätzlichen Einwendungen gegen eine Strafnorm bestehen, die das<br />

Gericht - zutreffend - angewandt hat, aber die notwendig allgemein gehaltene,<br />

generalisierende <strong>und</strong> typisierende Norm im individuellen Fall zu einem Ergebnis<br />

geführt hat, das nicht richtig erscheint66, weil es um einen "atypischen Fall"<br />

geht 67 • <strong>Die</strong> Grenze ist dort, wo Kompetenzanmaßung <strong>und</strong> Formenrnißbrauch<br />

vorliegen, wo das Institut der Gnade gezielt dazu verwendet wird, unerwünschte<br />

kriminalpolitische Leitentscheidungen des Gesetzgebers im Wege einer da<strong>von</strong><br />

abweichenden allgemeinen Gnadenpraxis zu durchkreuzen 68. <strong>Die</strong>se Abgrenzung<br />

58 Ress in: Europäischer Menschenrechtsschutz, S. 256; vgl. auch Maurer, Das Begnadigungsrecht<br />

im modemen Verfassungs- <strong>und</strong> Kriminalrecht, S. 136 ff.<br />

59 G. Hirsch in LKw, § 60 Rn. 7; Hassemer, FS Sarstedt, S. 77; Eser, FS Maurach,<br />

S.260; Müller-<strong>Die</strong>tz, FS R. Lange, S. 303; Maiwald, ZStW 83 (1971), S. 681.<br />

60 Schätzler, Handbuch des Gnadenrechts, S. 29.<br />

61 BGHSt 24, S. 239 (242 f.).<br />

62 Vgl. etwa Vogler, ZStW 89 (1977), S. 784.<br />

63 EGMR 3, S. 151 (166).<br />

64 Ress in: Europäischer Menschenrechtsschutz, S. 277.<br />

65 K. Peters, FS Kern, S. 341; Geppert, GA 1972, S. 181.<br />

66 Schätzler, Handbuch des Gnadenrechts, S. 71; vgl. auch Jescheck, Strafrecht AT4,<br />

§ 88 I 2, sowie Geerds, Gnade, Recht <strong>und</strong> Kriminalpolitik, S. 20; 37: Mängel der<br />

Gesetzgebung.<br />

67 Maurer, Das Begnadigungsrecht im modemen Verfassungs- <strong>und</strong> Kriminalrecht,<br />

S. 159; vgl. auch OLG Oldenburg, NdsRpfl. 1975, S. 125.<br />

68 Müller-<strong>Die</strong>tz, DRiZ 1987, S. 479; ähnlich Geerds, Gnade, Recht <strong>und</strong> Kriminalpolitik,<br />

S. 20; 37.


270 8. Kap.: Entschädigung wegen Schadenszufügung<br />

gen vorliegt. Dann ist aber auch hier wieder darauf hinzuweisen, daß die B<strong>und</strong>esrepublik<br />

Deutschland aus nationalem Interesse heraus gehalten sein muß, eine<br />

Verletzung der EMRK zu verhindern bzw. zu kompensieren, um nicht zudem<br />

noch Gefahr zu laufen, vom EGMR verurteilt zu werden 69.<br />

Der <strong>von</strong> Kühne angeschnittene Gedankengang geht jedoch weiter: Kühne will<br />

Art. 50 EMRK selbst einen materiellen Anspruch auf Entschädigung durch das<br />

Strafgericht entnehmen. Mit anderen Worten: Falls das Strafgericht sich nicht<br />

in der Lage sieht, vollständige Wiedergutmachung für die Verfahrensbelastungen<br />

unter Anwendung des nationalen gesetzlichen Instrumentariums zu gewähren,<br />

soll als Anspruchsgr<strong>und</strong>lage für eine "gerechte Entschädigung" Art. 50 EMRK<br />

herangezogen werden können. <strong>Die</strong>s ist dogmatisch äußerst zweifelhaft, wird aber<br />

gelegentlich angenommen. So hat Ress formuliert, daß in Staaten, in denen (wie<br />

in der B<strong>und</strong>esrepublik) die EMRK innerstaatlich in Geltung steht, der Beschwerdeführer<br />

seinen Anspruch aus Art. 50 EMRK auch direkt vor den nationalen<br />

Gerichten geltend machen könnte 70. Es böte sich auch eine Analogie zu Art. 5 V<br />

EMRK an 71, der dem Betroffenen unmittelbare Ansprüche gewährt 72.<br />

Dem mag im folgenden nicht weiter nachgegangen werden. <strong>Die</strong> beiden <strong>von</strong><br />

Kühne aufgezeigten Wege erscheinen beide nicht unproblematisch, müßten aber<br />

für die Schließung der letzten Lücken im Rechtsfolgenrecht für Belastungen<br />

aufgr<strong>und</strong> <strong>überlange</strong>r Verfahrensdauer nutzbar gemacht werden können: Entweder<br />

könnte Entschädigung durch das Strafgericht gewährt werden gemäß §§ 8, 9<br />

StrEG, analog §§ I, 2 StrEG, analog Art. 50 EMRK oder aber analog §§ 8, 9<br />

StrEG, Art. 6 I, Art. 50 EMRK.<br />

69 Vgl. Schätzler, Handbuch des Gnadenrechts, S. 73 f.<br />

70 Ress in: Europäischer Menschenrechtsschutz, S. 242 f.; wohl auch Vogler, ZStW<br />

89 (1977), S. 784.<br />

71 So wohl Geppert, JK 1983, MRK Art. 6/1.<br />

72 Vgl. BGHZ 45, S. 46; OLG Hamm, NStZ 1989, S. 327; Seebode, NStZ 1989, S. 328.<br />

Schlußbetrachtung<br />

Damit sind praktisch alle Lücken geschlossen. Das Problem der Rechtsfolgen<br />

<strong>überlange</strong>r Verfahrensdauer dürfte sich mit der dargestellten Konzeption dogmatisch<br />

befriedigend <strong>und</strong> sachgerecht lösen lassen. <strong>Die</strong>ses Rechtsfolgensystem stellt<br />

sich als nahezu flächendeckend dar.<br />

Ausgangspunkt muß sein, den Begriff der <strong>überlange</strong>n Verfahrensdauer zu<br />

präzisieren. Der Terminus der Angemessenheit in Art. 6 I EMRK ist vage <strong>und</strong><br />

entzieht sich stringenter Auslegung. Soweit das Verbot <strong>überlange</strong>r Verfahrensdauer<br />

aus StPO <strong>und</strong> GG abgeleitet wird, bestehen ebenfalls zu den Schlagworten<br />

Verfahrenslänge, Verfahrensverzögerungen <strong>und</strong> Verfahrensbelastungen terminologische<br />

Unschärfen.<br />

<strong>Die</strong> Kriterien im Begriff der <strong>überlange</strong>n Verfahrensdauer lassen sich anhand<br />

des Verhältnismäßigkeitsgr<strong>und</strong>satzes einigermaßen akzeptabel operationalisieren:<br />

<strong>Die</strong> Geeignetheit verbietet überflüssige, sachwidrige Maßnahmen, die Erforderlichkeit<br />

das Nichtstun der Strafverfolgungsorgane <strong>und</strong> die Proportionalität die<br />

zum Tatvorwurf übermäßige, selbst wenn nicht auf Verzögerungen beruhende<br />

Verfahrenslänge. In Ergänzung dazu bildet der Gr<strong>und</strong>satz der Zumutbarkeit die<br />

Grenze für hinnehmbare Verfahrensbelastungen.<br />

Durch diese Unterscheidung wird auch der Begriff der <strong>überlange</strong>n, also rechtswidrigen<br />

Verfahrensdauer bestimmt: Sie liegt erstens bei Verzögerungen vor,<br />

die durch jede bei ex-ante-Betrachtung zur Prozeßförderung völlig ungeeignete<br />

Strafverfolgungsmaßnahme ausgelöst werden. Zweitens wird die zeitliche Erforderlichkeit<br />

überschritten, wenn staatlicherseits die Durchführung des <strong>Strafverfahren</strong>s<br />

- unter Berücksichtigung eines Handlungs- <strong>und</strong> Entscheidungsspielraums<br />

- unzulänglich gefördert wird. Drittens wird die Proportionalität der Verfahrensdauer<br />

problematisch, wenn die Verfahrenslänge die Strafandrohung überschreitet.<br />

Und schließlich ist - viertens - Verfahrensdauer dann nicht mehr zumutbar,<br />

wenn durch sie der Beschuldigte "schon bestraft" ist.<br />

Dann, wenn Verfahrensdauer durch ungeeignete Maßnahmen der Strafverfolgungsbehörden<br />

verursacht wird, gibt es kaum Rechtsfolgen. ]ürgen Blomeyer<br />

ist zuzustimmen, daß "diesen Fällen <strong>von</strong> Prozeß-Verzug ganz besonders schwierig<br />

beizukommen ist" 1. Bei nicht richterlicher "qualifizierter Prozeßverzögerung"<br />

sind lediglich Ansprüche außerhalb des <strong>Strafverfahren</strong>s aus Staatshaftung denkbar.<br />

Bei eindeutig falscher richterlicher Sachbehandlung kommt nur ein Anspruch<br />

1 J. Blomeyer, NJW 1977, S. 557.


272 Schlußbetrachtung Schlußbetrachtung 273<br />

auf Nichterhebung <strong>von</strong> Gerichtskosten gemäß § 8 GKG in Betracht. Logisch<br />

bedingt beginnt der Zeitraum, in dem ungeeignete Maßnahmen rechtsfolgenrelevant<br />

sein könnten, mit Einleitung des (Vor-)Ermittlungsverfahrens.<br />

Bei schlichten Verzögerungen durch Nichtstun, also unter dem Gesichtspunkt<br />

der (zeitlichen) Erforderlichkeit, d. h. in dem Bereich, der meistens bei der Erörterung<br />

<strong>überlange</strong>r Verfahrensdauer gemeint ist, sieht es nicht viel besser aus:<br />

Geldwerte Ansprüche können sich eingeschränkt aus § 839 BGB <strong>und</strong> § 8 GKG<br />

ergeben. Strafmilderung kommt entgegen der allgemeinen Ansicht wegen Verzögerungen<br />

nicht ohne gr<strong>und</strong>legende Konsequenzen für das Strafzumessungsrecht<br />

in Betracht. Entgegen der inzwischen herrschenden Meinung ist selbst bei "extremen"<br />

Verzögerungen die Verfahrenseinstellung unzulässig. <strong>Die</strong>s hat zweierlei<br />

Gründe: Sofern zum einen die Einstellung "als eine Art Sanktion" gesehen wird 2,<br />

ist darauf hinzuweisen, daß gerade für diese Fälle extremer Verzögerung am<br />

ehesten dem Beschuldigten Disziplinierungsmöglichkeiten der Strafverfolgungsorgane<br />

zur Verfügung stehen. "Extreme" Verzögerungen können auch nach herrschender<br />

Meinung ein Befangenheitsgesuch begründen, eröffnen den Rechtsweg<br />

nach §§ 23 ff. EGGVG, führen nach wohl nahezu allgemeiner Ansicht zur Zulässigkeit<br />

der Verfassungsbeschwerde, ermöglichen die <strong>Die</strong>nstaufsichtsbeschwerde<br />

<strong>und</strong> dürften tatbestandsmäßig im Rahmen <strong>von</strong> §§ 258a, 336 StGB sein. Ob<br />

dagegen die (drohende) Verfahrenseinstellung "zweifellos zur Beschleunigung<br />

der Strafjustiz beitragen" würde, wie Bruns meint 3 , erscheint fraglich: Immerhin<br />

kann hierdurch auch für die Strafverfolgungsbehörden die Möglichkeit eröffnet<br />

werden, sich eines leidigen Verfahrens zu entledigen 4. Zum anderen ist die ­<br />

subsidiäre - Einstellung deshalb unzulässig, weil Verzögerungen mit "extremen"<br />

Folgen, nämlich mit Beweismittelverlust, im Rahmen des Beweisrechts Berücksichtigung<br />

finden können, wobei schon fahrlässiges Verhalten der Strafverfolgungsorgane<br />

genügen kann. Wird jedoch gar - theoretisch - in der Absicht<br />

verzögert, dadurch die Verurteilung zu erreichen, kann man die Annahme der<br />

Verwirkung des staatlichen Strafanspruchs - genauer gesagt, der staatlichen<br />

Strafverfolgungsbefugnis - diskutieren, wobei allerdings ein Freispruch als<br />

Rechtsfolge abzulehnen ist. Der Zeitraum, in dem (schlichte) Verzögerungen<br />

Rechtsfolgen auslösen können, beginnt schon mit dem Zeitpunkt der tatsächlichen<br />

<strong>und</strong> rechtlichen Möglichkeit der Ermittlungsaufnahme.<br />

Disproportionale Verfahrensdauer, d.h. Verfahrensdauer, die unabhängig <strong>von</strong><br />

ihrer Ursache überlang ist - also auch dann, wenn sie durch den Verfahrensgegenstand<br />

bedingt ist -, hat im geltenden Verjährungsrecht eine umfassende<br />

Regelung gef<strong>und</strong>en. <strong>Die</strong> Unverjährbarkeit gemäß §§ 78 11, IV <strong>und</strong> 78b III StGB<br />

2 Arloth, NJW 1985, S. 418; ähnlich Hillenkamp, IR 1975, S. 134.<br />

3 Bruns, Das Recht der Strafzumessung 2 , S. 182; ähnlich Ulsenheimer, wistra 1983,<br />

S. 14; HWiStR, S. 4.<br />

4 Vgl. etwa Papier, NJW 1990, S. 8; Schmalz, JuraTelegramm 1990, S. 31 f.; Elendt,<br />

Stern 50/1988 vom 8.12.1988, S. 130 ff. (zu LG Düsseldorf, NStZ 1988, S. 427).<br />

ist auch dann, wenn im Einzelfall eine Kollision zu Art. 6 I EMRK gegeben sein<br />

sollte, zu beachten; allenfalls könnte eine Analogie zu § 46 BZRG in Betracht<br />

gezogen werden. Ein fakultativer Strafmilderungsgr<strong>und</strong> liegt in der Verjährungsnähe,<br />

genauer gesagt in der Tatfeme, so daß auch in diesen Fällen gr<strong>und</strong>sätzlich<br />

Strafmilderung möglich ist. Durch Übertragung aus dem Zivilrecht ist es konstruierbar,<br />

wenngleich auch rechtlich fragwürdig <strong>und</strong> tatsächlich kaum vorstellbar,<br />

die Verwirkung der staatlichen Strafverfolgungsbefugnis dann anzunehmen,<br />

wenn der Beschuldigte im berechtigten Vertrauen enttäuscht wurde, er werde,<br />

nachdem er <strong>von</strong> seinem Verfahren nichts gehört hat, nicht (mehr) verfolgt werden.<br />

Der für die Rechtsfolgen der Disproportionalität relevante Zeitraum beginnt schon<br />

mit der Tat.<br />

Schließlich kann Verfahrensdauer unter dem Gesichtspunkt der Zumutbarkeit<br />

relevant werden. Dann ist es möglich, bei der Rechtsfolgenentscheidung die auf<br />

der Verfahrenslänge beruhenden Belastungen zu berücksichtigen, <strong>und</strong> zwar unter<br />

dem Gesichtspunkt des Schon-bestraft-Seins. Entscheidend ist, daß die objektiven<br />

Verfahrensumstände den Beschuldigten subjektiv über Gebühr belastet haben.<br />

Hierfür kommt es aufdie gesamte Verfahrensdauer unabhängig <strong>von</strong> ihrer Ursache<br />

ab Beginn der konkreten Belastungen an. Rückschlüsse darauf, daß bei Verzögerungen<br />

durch die Strafverfolgungsorgane Verfahrensdauer mehr belastete oder<br />

daß durch Verteidigungshandeln des Beschuldigten verursachte Verfahrenslänge<br />

nicht die Belastungen erhöhen würde, sind kaum möglich. Hinsichtlich letzterem<br />

sind nur rechtsmißbräuchliche, <strong>von</strong> der Prozeßordnung nicht mehr gedeckte<br />

Verschleppungen außer Betracht zu lassen; das gilt jedenfalls dann, wenn die<br />

Strafverfolgungsbehörden es nicht versäumt haben, den Verschleppungen des<br />

Beschuldigten entgegenzutreten. Liegen die Voraussetzungen <strong>von</strong> § 60 StGB<br />

vor, ist <strong>von</strong> Strafe abzusehen. Ansonsten ist die Strafe dem Rechtsgedanken<br />

dieser Vorschrift entsprechend zu mildem; eine schematische Anrechnung entsprechend<br />

§ 51 StGB scheidet wegen des fehlenden konstanten Übelcharakters<br />

<strong>von</strong> Verfahrensbelastungen aus. Sofern man § 49 StGB für anwendbar hält, ist<br />

eine Unterschreitung der Strafrahrnenuntergrenze nicht ausgeschlossen. Durch<br />

Anwendung der §§ 153, 153a, 154, 154a StPO neben § 154b StPO sowie durch<br />

die analoge Heranziehung <strong>von</strong> §§ 354, 354a StPO ist de facto in fast allen Fällen<br />

die sofortige Verfahrensbeendigung möglich. Soweit Strafmilderung dennoch<br />

nicht zur Kompensation herangezogen werden kann - bei Freispruch oder nicht<br />

ausreichender Strafmilderungsmöglichkeit-, ist die Zubilligung <strong>von</strong> Entschädigung<br />

geboten. Sinnvollster Ansatzpunkt hierfür ist die analoge Anwendung des<br />

StrEG <strong>und</strong> <strong>von</strong> Art. 50 EMRK. Extreme Belastungen durch die <strong>Dauer</strong> des <strong>Strafverfahren</strong>s<br />

können im Einzelfall sogar zur vorläufigen, evtl. auch endgültigen<br />

Einstellung unter dem Aspekt der Verhandlungsunfähigkeit führen.<br />

Neu an diesem Konzept ist vor allem die Änderung des Blickwinkels weg<br />

vom Handlungsunrecht der Verzögerung hin zum Erfolgsunwert <strong>überlange</strong>r Verfahrensdauer:<br />

Strafmilderung wird nicht wegen verzögernden Handeins gewährt,<br />

18 Scheffler


274 Schlußbetrachtung Schlußbetrachtung 275<br />

sondern weil Belastungen beim Beschuldigten hervorgerufen werden - was<br />

konsequenterweise auch dann zu erfolgen hat, wenn die Verfahrensdauer nicht<br />

auf Verzögerungen beruht. Einstellung als Rechtsfolge durch richterliche Rechtsfortbildung<br />

kommt deshalb nicht in Betracht, weil bei erfolgsorientierter Betrachtungsweise<br />

"extreme" Verzögerungen nur solche mit irreparabler Konsequenz,<br />

also insbesondere Beweisverlust, darstellen, auf die jedoch beweisrechtlich reagiert<br />

werden kann. Auf das Handlungsunrecht des Verzögernden ist gegebenenfalls<br />

straf- <strong>und</strong> disziplinarrechtlich zu reagieren 5.<br />

<strong>Die</strong> Problembereiche dieser Konzeption, die weiterer wissenschaftlicher<br />

Durchdringung bedürfen, liegen nun zum einen darin, daß eine heranziehbare<br />

beweisrechtliche Dogmatik bislang nur ansatzweise, vor allem im Recht des<br />

Indizbeweises, entwickelt ist. Zum anderen müssen auch im Strafzumessungsbereich<br />

des Entwurfs einige dogmatisch nicht unangreifbare Konstruktionen herangezogen<br />

werden: Hingewiesen sei hier auf die extensive Anwendung <strong>von</strong> § 60<br />

StGB (u. U. in Kombination mit § 49 StGB), die sofortige Verfahrensbeendigung<br />

durch §§ 153 ff., §§ 354 f. StPO <strong>und</strong> schließlich die notwendige Ergänzung durch<br />

Entschädigungsmaßnahmen.<br />

Allerdings erlaubt die Konzeption die Lösung oder jedenfalls die Vermeidung<br />

der unlösbaren oder zumindest schwer lösbaren Probleme der herrschenden Meinung.<br />

Das wird bei den zuletzt genannten Punkten deutlich, die auch aufGr<strong>und</strong>lage<br />

des Konzepts der herrschenden Meinung Relevanz hätten, die bisher größte<br />

Schwierigkeiten hat, Verfahren ohne Spruchreife abzuschließen, auf Freispruch<br />

zu reagieren oder "genug" Strafmilderung zuzuerkennen. Das Problem, daß Strafmilderung<br />

bloß "verbal"6 erfolgen könnte, besteht in beiden Konzeptionen. Es<br />

wäre lösbar, wenn revisionsrechtlich gefordert würde, den genauen Umfang der<br />

Strafmilderung im Urteil deutlich zu machen7 oder aber allgemein die Strafzumessung<br />

nachvollziehbarer zu gestalten 8.<br />

In weiteren Punkten verstrickt sich die herrschende Meinung aber in nahezu<br />

unlösbare Probleme. Trotz der praktisch nahezu "unauslotbaren Verantwortlichkeit"<br />

für Verfahrensverzögerungen 9 mag zwar am ehesten noch die im vorgestellten<br />

Konzept zurückgedrängte Abgrenzung <strong>von</strong> Verfahrenslänge <strong>und</strong> -verzögerungen<br />

zumindest theoretisch durchzuführen sein. Hierzu kann wenigstens die Kasuistik<br />

zu §§ 121, 275 StPO herangezogen werden. Schwieriger wird es dagegen<br />

schon, soweit eine Abgrenzung <strong>von</strong> "normalen" zu "extremen" Verfahrensverzögerungen<br />

gefordert wird. Eine weitere, beinahe unlösbare Schwierigkeit der<br />

herrschenden Meinung wird dadurch vermieden, daß es in dieser Konzeption<br />

nicht mehr darauf ankommt, ob der Beschuldigte die Verfahrensdauer "zu vertreten"<br />

hat. <strong>Die</strong> rechtliche Würdigung der Ausübung verfahrensrechtlicher Befugnisse,<br />

noch dazu, wenn sie mit dem prozessualen Verhalten der Strafverfolgungsorgane<br />

in Beziehung gesetzt werden muß, ist äußerst problematisch. Durch das<br />

Abstellen auf Verfahrensbelastungen aufgr<strong>und</strong> <strong>von</strong> Verfahrensdauer unabhängig<br />

<strong>von</strong> ihrer Ursache kann die Problematik jedoch auf die Frage reduziert werden,<br />

wann ausnahmsweise durch Verhalten des Beschuldigten hervorgerufene Belastungen<br />

nicht kompensiert werden sollen - eine aufgr<strong>und</strong> der Dogmatik zum<br />

Strafzumessungs-, Anrechnungs- <strong>und</strong> Kostenrecht beantwortbare Frage. Auch<br />

hier bleibt jedoch Feinarbeit zu leisten.<br />

Jedenfalls: Da sich <strong>überlange</strong> Verfahrensdauer auch in Zukunft nicht verhindern<br />

lassen wird, ist nicht die <strong>von</strong> Bruns kritisierte "Gelassenheit" 10, sondern<br />

die genaue Ausgestaltung eines umfassenden Rechtsfolgensystems geboten.<br />

5 So auch BOH, NJW 1986, S. 75 (76) (zum rechtswidrigen Lockspitzeleinsatz).<br />

6 Ulsenheimer, wistra 1983, S. 14; HWiStR, S. 4.<br />

7 Peukert, EuORZ 1979, S. 26<strong>3.</strong><br />

8 Vgl. zuletzt Montenbruck, Abwägung <strong>und</strong> Umwertung, insbes. S. 56 ff.<br />

9 Bottke, StV 1986, S. 121 Fn. 11.<br />

10 Bruns, Das Recht der Strafzumessung 2 , S. 182.<br />

18*


Anhang 277<br />

Anhang<br />

Auszüge aus nicht (vollständig) veröffentlichten<br />

höchstrichterlichen Entscheidungen zu den<br />

Rechtsfolgen <strong>überlange</strong>r Verfahrensdauer<br />

1. BVerfG (Vorprüfungsausschuß),<br />

Besch!. v. 21.6.1972 - 2 BvR 146/72<br />

"Es verstößt jedenfalls nach der bis zum I. Oktober 1973 geltenden Rechtslage nicht<br />

gegen das Rechtsstaatsprinzip, wenn die Gerichte bei einer gegen Art. 6 Abs. I MRK<br />

verstoßenden Verzögerung des Verfahrens, welche die doppelte Verjährungsfrist (vg!.<br />

§ 78c Abs. 2 Satz 2 StGB in der Fassung des Zweiten Gesetzes zur Reform des Strafrechts)<br />

nur ganz geringfügig überschreitet, das Verfahren nicht einstellen, sondern stattdessen<br />

die lange Verfahrensdauer bei der Strafzumessung zugunsten des Angeklagten<br />

berücksichtigen."<br />

2. BGH, Urt. v. 14.6.1972 - 2 StR 3/72<br />

"Für die neue Hauptverhandlung wird darauf hingewiesen, daß aus Art. 6 Abs. I Satz I<br />

MRK zwar, wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat, - entgegen der Ansicht,<br />

die u. a. <strong>von</strong> dem Oberlandesgericht Koblenz vertreten wird (NJW 1972,404) - kein<br />

Verfahrenshindernis hergeleitet werden kann, daß aber eine dieser Vorschrift zuwiderlaufende<br />

Verfahrensverzögerung bei der Strafzumessung angemessen zu berücksichtigen<br />

ist (BGHSt 24, 239)."<br />

<strong>3.</strong> BGH, Besch!. v. 2.7.1974 - 5 StR 48/74<br />

"<strong>Die</strong>ses Verfahren hat sich ungewöhnlich lange hingezogen. <strong>Die</strong> Angeklagten sind<br />

im Mai 1973 wegen Betrugstaten verurteilt worden, die sie in den Jahren 1955 <strong>und</strong><br />

1956 begangen haben. Wie die Durchsicht der Akten ergibt, haben die Angeklagten die<br />

Verschleppung nicht, jedenfalls nicht in nennenswertem Umfang, herbeigeführt.<br />

Mit Recht hat daher das Landgericht bereits Ende 1971 erwogen, ,das Verfahren<br />

wegen eines Verstoßes gegen Art. 6 Abs. I der Konvention zum Schutz der Menschenrechte<br />

<strong>und</strong> Gr<strong>und</strong>freiheiten einzustellen'. Eine solche Beendigung des Verfahrens war<br />

in der Tat schon damals angezeigt. Bis zum Erlaß des Urteils vergingen weitere I V2<br />

Jahre <strong>und</strong> damit insgesamt 17 Jahre seit Begehung der nicht außergewöhnlich schweren<br />

Straftaten. Darin unterscheidet sich dieses Verfahren wesentlich <strong>von</strong> demjenigen, das<br />

der 2. Strafsenat des B<strong>und</strong>esgerichtshofs (BGHSt 24, 239) zu beurteilen hatte. Dort ging<br />

es darum, daß ,die doppelte Verjährungsfrist ... nur geringfügig überschritten war'<br />

(Beschluß des B<strong>und</strong>esverfassungsgerichts in dieser Sache vom 21. 6.1972 - 2 BVR<br />

146/72). Hier sind die Taten erst abgeurteilt worden, nachdem sich das Verfahren über<br />

die dreifache Verjährungsfrist (§ 67 Abs. 2 StGB) <strong>und</strong> annähernd 2 weitere Jahre hingeschleppt<br />

hat.<br />

<strong>Die</strong> Einstellung erstreckt sich nach § 357 StPO auch auf den Mitangeklagten S., der<br />

das Urteil des Landgerichts in Lübeck vom 22. Mai 1973 nicht angefochten hat (BGHSt<br />

24,208).<br />

Der Senat sieht da<strong>von</strong> ab, die notwendigen Auslagen der Landeskasse aufzuerlegen.<br />

Das erscheint ihm nicht angemessen (§ 467 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 StPO)."<br />

4. BGH, Urt. v. 18.2.1976 - 2 StR 566/75<br />

"<strong>Die</strong> Strafkammer hat das Verfahren mit der Begründung eingestellt, das Recht des<br />

Angeklagten auf Durchführung des <strong>Strafverfahren</strong>s innerhalb einer angemessenen Frist<br />

sei seitens der Justiz in unerträglicher Weise verletzt worden; zudem würde es unter<br />

den gegebenen Umständen dem Gr<strong>und</strong>satz der Verhältnismäßigkeit widersprechen, das<br />

Verfahren in dem Bewußtsein fortzusetzen, daß kaum mehr als eine symbolische Strafe<br />

zu erwarten sei; bei dieser Sachlage werde allein die Annahme eines Verfahrenshindernisses<br />

dem Rechtsstaatsprinzip gerecht.<br />

<strong>Die</strong> Staatsanwaltschaft wendet sich mit ihrer - vom Generalb<strong>und</strong>esanwalt vertretenen<br />

- Revision gegen die Einstellung des Verfahrens. Das Rechtsmittel hat Erfolg.<br />

Wie der Senat in seiner Entscheidung BGHSt 24, 239 ff ausgeführt hat, ist das Mittel<br />

des Verfahrenshindernisses seiner Natur nach gänzlich ungeeignet, als gerechter Ausgleich<br />

gegenüber Benachteiligungen zu dienen, die dem Angeklagten durch eine schuldhafte<br />

Verzögerung des Verfahrensabschlusses erwachsen sind (vg!. auch Schäfer in<br />

Löwe/Rosenberg, 2<strong>3.</strong> Aufl., Ein!. Kap. 12 Rdnrn. 91 ff). Ein Verfahrenshindernis setzt<br />

eine bestimmte, für das Verfahren im ganzen uneingeschränkt rechtserhebliche Tatsache<br />

voraus, so zum Beispiel den Ablauf einer Frist. Demgegenüber leitet die Strafkammer<br />

hier das Verfahrenshindernis aus einem Werturteil ab, bei dem person- <strong>und</strong> sachbezogene<br />

Umstände gegeneinander abgewogen werden. Schon aus diesem Gr<strong>und</strong> ist ihre Ansicht<br />

unzutreffend.<br />

Da die Strafverfolgung vor dem I. Januar 1975 immer wieder rechtzeitig unterbrochen<br />

worden ist, besteht auch kein Verfahrenshindernis im Sinne des § 78c Abs.3 Satz 2<br />

StGB 1975 (vg!. Art. 309 Abs. 4 EGStGB).<br />

Das Urteil muß deshalb aufgehoben <strong>und</strong> die Sache an das Landgericht zurückverwiesen<br />

werden.<br />

In der neuen Hauptverhandlung wird angesichts der außergewöhnlich langen Verfahrensdauer<br />

Anlaß zu der Prüfung bestehen, ob nicht eine Einstellung des Verfahrens<br />

gemäß § 153a Abs. 2 StPO gerechtfertigt erscheint."<br />

5. BGH, Urt. v. 19.2.1976 - 2 StR 585/73<br />

(insoweit nicht in BGHSt 26, S. 284 abgedruckt)<br />

"<strong>Die</strong> übermäßige <strong>Dauer</strong> eines <strong>Strafverfahren</strong>s kann - das Landgericht hat das nicht<br />

aus den Augen verloren - einen besonderen Milderungsgr<strong>und</strong> begründen (BGHSt 24,<br />

239). Wenn es sich darum handelt, nachträglich eine Gesamtstrafe zu bilden, müssen<br />

diese Umstände auch für den Zeitabschnitt erhoben werden, der zwischen mündlicher<br />

Verkündung des Urteils <strong>und</strong> dem Eintritt der Rechtskraft der abgeurteilten Sache liegt<br />

<strong>und</strong> der bis zur endgültigen Entscheidung andauert. Auch muß man in diesem Fall die<br />

besondere Last berücksichtigen, die die Aufteilung in Fallgruppen, bestehend aus wiederholter<br />

Begehung ähnlicher Rechtsverletzungen, aufzwei <strong>Strafverfahren</strong> für die Angeklagten<br />

bedeutet hat. Der Senat hat nicht über die Zweckmäßigkeit dieser Aufteilung zu


278 Anhang Anhang 279<br />

urteilen. Er meint deshalb, daß man den Willen des Gesetzes verkenne, wenn man bei<br />

Festsetzung der Strafe diesen Umständen nicht deutlich Rechnung trägt."<br />

der Taten über Gebühr lange verzögerte, ohne daß die Angeklagten hierfür eine Schuld<br />

trifft' ."<br />

6. BGH, Urt. v. 31.<strong>3.</strong>1976 - 3 StR 502/75<br />

"<strong>Die</strong> Strafverfolgung wegen der am <strong>3.</strong> Januar <strong>und</strong> 12. September 1964 begangenen<br />

Taten ist nicht verjährt. Der Beschwerdeführer, der sich auf die absolute Verjährungsfrist<br />

nach § 78 c Abs. 3 Satz 2 StGB beruft, macht zu Unrecht geltend, die Übergangsregelung<br />

in Art. 309 Abs. 4 EGStGB verstoße gegen den Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. I GG); denn<br />

sie trifft lediglich für besondere Sachverhalte Bestimmungen, die <strong>von</strong> der jetzt geltenden<br />

allgemeinen Regel abweichen. Danach tritt die Verjährung in Fällen, in denen sie vor<br />

dem 1. Januar 1975 unterbrochen worden war, frühestens mit dem Ablauf der <strong>von</strong> der<br />

letzten Unterbrechungshandlung an zu berechnenden Verjährungsfrist ein. Vor dem<br />

1. Januar 1975 war die Verjährung nach altem Recht unterbrochen worden u. a. durch<br />

die richterlichen Vernehmungen des Angeklagten am 25. Juli 1967 <strong>und</strong> des Zeugen<br />

S. am 14. September 1970 sowie durch die auf Zustellung der Anklageschrift gerichtete<br />

richterliche Verfügung vom 25. November 1974.<br />

Der lange Zeitablauf seit der Tat rechtfertigt auch nicht im Hinblick auf Art. 6 MRK<br />

die Einstellung des Verfahrens. Aus dieser Vorschrift ist nicht einmal dann ein Verfahrenshindemis<br />

herzuleiten, wenn die <strong>Dauer</strong> des Verfahrens auf Verschulden der Verfolgungsbehörden<br />

beruht (BGHSt 24, 239).<br />

Der langen Verfahrensdauer hat die Strafkammer bei der Strafzumessung aus rechtlich<br />

nicht zu beanstandenden Gründen keine vorrangige Bedeutung beigemessen."<br />

7. BGH, Urt. v. 6.7.1976 - 5 StR 184/76<br />

"Vergeblich berufen sich die Revisionen auf Art. 6 Abs. I MRK <strong>und</strong> meinen, die<br />

,Voraussetzungen für die Durchführung eines Verfahrens waren nach so langem Zeitablauf<br />

nicht gegeben'.<br />

Der lange Zeitablauf seit der Tat rechtfertigt aufgr<strong>und</strong> dieser Vorschrift nicht die<br />

Einstellung des Verfahrens. Aus Art. 6 MRK ist nicht einmal dann ein Verfahrenshindernis<br />

herzuleiten, wenn die <strong>Dauer</strong> des Verfahrens durch die Verfolgungsbehörden verschuldet<br />

wurde. Das hat der 2. Strafsenat bereits in BGHSt 24, 239 ff entschieden. In 2 StR<br />

566/75 vom 18. Februar 1976 (unveröffentlicht) hat er nochmals hervorgehoben, ,das<br />

Mittel des Verfahrenshindernisses ist seiner Natur nach gänzlich ungeeignet, als gerechter<br />

Ausgleich gegenüber Benachteiligungen zu dienen, die dem Angeklagten durch eine<br />

schuldhafte Verzögerung des Verfahrensabschlusses erwachsen sind' (Gegenstand dieses<br />

Verfahrens waren Betrugstaten, die mehr als 21 Jahre vor der Verhandlung begangen<br />

worden waren).<br />

<strong>Die</strong>ser Ansicht hat sich der <strong>3.</strong> Strafsenat am 31. März 1976 uneingeschränkt angeschlossen<br />

(3 StR 502/75).<br />

Der erkennende Senat folgt dem <strong>und</strong> hält an der im Beschlusse vom 2. Juli 1974<br />

niedergelegten Auffassung nicht fest (5 StR 48/74).<br />

Allerdings hat der Tatrichter - wenn die Einstellung des Verfahrens aufgr<strong>und</strong> des<br />

§ 153a Abs. 2 StPO ausscheidet - die unverschuldeten <strong>und</strong> unangemessenen Verzögerungen<br />

des Verfahrens bei der Strafzumessung zu berücksichtigen. <strong>Die</strong>s ist hier geschehen.<br />

Das Landgericht weist vorweg schon ausdrücklich darauf hin <strong>und</strong> berücksichtigt<br />

dementsprechend bei der Zumessung (insbesondere) mildernd, daß ,sich die Aburteilung<br />

8. BGH, Urt. v. 24.2.1977 - 1 StR 554/76<br />

"Aus der ungewöhnlich langen <strong>Dauer</strong> des Verfahrens - Erhebung der Anklagen am<br />

19. August <strong>und</strong> 20. Oktober 1969, Eingang der Sache beim Senat am 26. Januar 1977<br />

-läßt sich zwar kein Verfahrenshindernis herleiten (BGHSt 24,239), so daß der Senat<br />

das Verfahren nicht auf Gr<strong>und</strong> <strong>von</strong> Art. 6 Abs. I Satz I MRK einstellen kann; doch ist<br />

eine dieser Vorschrift zuwiderlaufende Verfahrensverzögerung bei der Strafzumessung<br />

angemessen zu berücksichtigen (BGH a. a. O. S. 242). Es ist schon kaum verständlich,<br />

daß das Amtsgericht, zu dem die Sache zunächst angeklagt war, <strong>von</strong> der Anklage bis<br />

zum Eröffnungsbeschluß vom 2. Oktober 1972 drei Jahre verstreichen ließ; mag auch<br />

in der Folgezeit der Angeklagte zum Teil nicht unschuldig an der weiteren Verzögerung<br />

gewesen sein (das Landgericht, an das die Sache inzwischen verwiesen worden war,<br />

mußte am 9. Mai 1973 das Verfahren vorläufig einstellen, weil der Angeklagte unbekannten<br />

Aufenthalts <strong>und</strong> zur Festnahme ausgeschrieben war), so hat er doch die mit einer<br />

geordneten Rechtspflege nicht mehr zu vereinbarende Verfahrensdauer zum überwiegenden<br />

Teil nicht zu vertreten.<br />

Angesichts dieser besonderen Verfahrenslage genügte es nicht, wenn die Strafkammer<br />

die seit der Tat verstrichene Zeit als einen <strong>von</strong> mehreren Strafmilderungsgründen erwähnte;<br />

sie mußte vielmehr der Verletzung des Anspruchs des Angeklagten auf schleunige<br />

Abwicklung des <strong>Strafverfahren</strong>s bei der Strafzumessung unter dem Gesichtspunkt des<br />

Art. 6 MRK Rechnung tragen (BGH a. a. O. S. 242, 243)."<br />

9. BGH, Urt. v. 5.7.1977 - 5 StR 771/76<br />

"<strong>Die</strong> Strafverfolgung ist nicht verjährt. Der Angeklagte hat in allen Fällen zu grausamen<br />

Tötungen Beihilfe geleistet. Das Mordmerkmal der Grausamkeit ist tatbezogen (BGHSt<br />

24, 106, 108). § 28 Abs. I StGB ist auf solche Merkmale nicht anzuwenden. Das Gesetz<br />

droht für Mord die lebenslange Freiheitsstrafe an. Danach richtet sich auch die Strafe<br />

für den Gehilfen. <strong>Die</strong> nach § 27 Abs. 2 StGB vorgeschriebene Milderung der Strafe<br />

bleibt für die Verjährung außer Betracht (§ 78 Abs. 4 StGB).<br />

<strong>Die</strong> Verjährungsfrist begann nach § I Abs. I des Gesetzes über die Berechnung strafrechtlicher<br />

Verjährungsfristen vom 1<strong>3.</strong> April 1965 (BGB! I S. 315) am 1. Januar 1950<br />

zu laufen <strong>und</strong> ist nach den §§ 67 Abs. I Nr. I StGB 1969 <strong>und</strong> 78 Abs. 3 Nr. I StGB<br />

1975 bisher nicht abgelaufen (vgl. BGHSt 23, 103, 105).<br />

<strong>Die</strong> Strafverfolgung ist auch nicht deshalb verwirkt, weil, wie die Revision meint,<br />

das Verfahren schon früher, insbesondere vor Ablauf der zwischenzeitlich geänderten<br />

Verjährungsfristen, hätte eingleitet <strong>und</strong> durchgeführt werden können. Ein solches Verfahrenshindernis<br />

kennt das geltende Recht nicht ( BGHSt 24, 239; BGH 2 StR 566/75<br />

vom 18. Februar 1976). Den Zeitablauf hat der Tatrichter bei der Strafbemessung angemessen<br />

berücksichtigt."<br />

10. BGH, Beseht. v. 25.10.1977 - 5 StR 616/77<br />

"Das Verfahren hat sich ohne entscheidendes Zutun des Angeklagten erheblich verzögert.<br />

Gr<strong>und</strong> für eine Verfahrenseinstellung, wie sie der Beschwerdeführer beantragt, ist<br />

dieser Umstand nicht (BGHSt 24, 239). Indessen hätte das Landgericht diese Verzögerung


280 Anhang Anhang 281<br />

bei der Strafbemessung, zu der auch die Entscheidung über die Strafaussetzung gehört,<br />

angemessen berücksichtigen müssen. Der Senat hebt deswegen die verhängte Einzelstrafe<br />

<strong>und</strong> die Gesamtstrafe auf."<br />

dieser Zeit Straftaten begangen haben. Unter diesen Umständen durften die Urteilsgründe<br />

über den Zeitablauf zwischen den Taten <strong>und</strong> ihrer Aburteilung bei der Strafzumessung<br />

nicht hinweggehen."<br />

11. BGH, Urt. v. 24.11.1977 - 4 StR 459/77<br />

"Verfolgungsverjährung ist nicht eingetreten. <strong>Die</strong> Verjährung ist in allen Fällen wirksam<br />

durch richterliche Handlungen unterbrochen worden. Im einzelnen handelt es sich<br />

um den Haftbefehl vom 28. Oktober 1970, den Ergänzungsbeschluß hierzu vom 12. Mai<br />

1971, den Durchsuchungsbeschluß vom 26. Oktober 1971 <strong>und</strong> die richterlichen Verfügungen<br />

auf Zustellung der Anklagen vom 6. September 1972, 20. März 1973 <strong>und</strong> vom<br />

6. September 197<strong>3.</strong> <strong>Die</strong> Tatsache, daß die Staatsanwaltschaft die Anklagen später zurückgenommen<br />

<strong>und</strong> in einer neuen mit den gleichen Vorwürfen zusammengefaßt hat, ist<br />

unschädlich, da diese Maßnahmen der Verfolgungsbehörde den ordnungsgemäß ergangenen<br />

richterlichen Unterbrechungshandlungen die Wirkung nicht nehmen konnten.<br />

Ohne Erfolg erstrebt der Angeklagte im Hinblick auf die lange Verhandlungsdauer<br />

unter Berufung auf Art. 6 Abs. I Satz I MRK die Einstellung des Verfahrens. Zwar hat<br />

sich das Verfahren in allen Abschnitten unangemessen lange hingezogen, <strong>und</strong> eine<br />

Aburteilung erst siebeneinhalb Jahre nach Begehung der letzten Tat ist schlechthin<br />

unverständlich. <strong>Die</strong> lange <strong>Dauer</strong> eines <strong>Strafverfahren</strong>s kann aber nicht bewirken, daß<br />

der Angeklagte deshalb vor Eintritt der Verfolgungsverjährung außer Verfolgung zu<br />

setzen ist (vgl. BGHSt 24, 239; neuerdings auch Urteil vom 24. Februar 1977 - I StR<br />

554/76 - <strong>und</strong> Beschluß vom 25. Oktober 1977 - 5 StR 616/77). <strong>Die</strong> mit der langen<br />

Verfahrensdauer verb<strong>und</strong>enen nachteiligen Einwirkungen auf den Angeklagten können<br />

vielmehr nur bei der Strafzumessung berücksichtigt werden., wie es auch hier geschehen<br />

ist. An dieser Rechtsprechung ist festzuhalten."<br />

12. BGH, Urt. v. 5.1.1978 - 2 StR 425/77<br />

"Rechtlich nicht zu beanstanden ist auch die Erwägung, der Angeklagte sei deshalb<br />

nicht weit höher bestraft worden, weil die Hauptverhandlung mehr als sechs Jahre nach<br />

der Tat stattgef<strong>und</strong>en habe <strong>und</strong> die lange <strong>Dauer</strong> des bereits am 20. November 1972<br />

eröffneten Hauptverfahrens überwiegend auf das Verhalten der Justizbehörden zurückzuführen<br />

sei. Daß die beabsichtigte Begutachtung des Angeklagten deswegen nicht hätte<br />

erfolgen können, weil dieser Gericht <strong>und</strong> Staatsanwaltschaft über seinen jeweiligen<br />

Aufenthaltsort im dunkeln ließ, ist nicht festgestellt. Vielmehr hat sich der Angeklagte<br />

bis zum 30. Mai 1973 in Untersuchungshaft bef<strong>und</strong>en; er hat dann in Frankfurt gelebt,<br />

war vom 19. November 1973 bis zum 18. Dezember 1973 wiederum in Untersuchungshaft<br />

<strong>und</strong> ist bis August 1974 den ihm im Mai 1973 gemachten Meldeauflagen nachgekommen.<br />

Wie weit sich dieser Strafmilderungsgr<strong>und</strong> auf die Strafe auswirkt, ist dem insoweit<br />

nicht nachprüfbaren Ermessen des Tatrichters überlassen."<br />

1<strong>3.</strong> BGH, Urt. v. 4.<strong>3.</strong>1980 - 5 StR 14/80<br />

"Während die Schuldsprüche rechtlicher Nachprüfung standhalten, haben die Strafen<br />

keinen Bestand. <strong>Die</strong> Strafzumessungsgründe des angefochtenen Urteils gehen nicht<br />

darauf ein, daß zwischen den Taten <strong>und</strong> ihrer Aburteilung mehr als vier Jahre verstrichen<br />

sind. Es ist nicht ersichtlich, daß es die Angeklagten waren, die das Verfahren verzögert<br />

haben. Während der langen Verfahrensdauer waren die Angeklagten überwiegend in<br />

Freiheit. Den Urteilsgründen ist nicht zu entnehmen, daß die Angeklagten während<br />

14. BGH, Beseht. v. 27.5.1983 - 3 StR 159/83<br />

(bei Mösl, NStZ 1983, S. 494)<br />

"<strong>Die</strong> wirksam auf den Strafausspruch beschränkte Revision des Angeklagten hat mit<br />

der Sachrüge Erfolg. Der zur Tatzeit nicht bestrafte, voll geständige Angeklagte, der<br />

sich durch das R<strong>und</strong>schreiben vom 28. Dezember 1977 an die Geschädigten zu den <strong>von</strong><br />

ihm begangenen Straftaten bekannt hat <strong>und</strong> dessen Mitwirkung bei der Aufklärung des<br />

Sachverhalts die Strafkammer ausdrücklich hervorhebt, stand seit der Durchsuchung<br />

seiner Wohnung am 29. Dezember 1977 unter dem Druck des anhängigen <strong>Strafverfahren</strong>s.<br />

Unter diesen Umständen durfte das Landgericht, worauf die Revision mit Recht<br />

hinweist, in den Strafzumessungsgründen nicht darüber hinweggehen, daß zwischen den<br />

im Dezember 1977 beendeten Taten <strong>und</strong> dem Erlaß des angefochtenen Urteils fast fünf<br />

Jahre vergangen sind (vgl. BGH NStZ 1983, 167; BGH, Urteil vom 4. März 1980­<br />

5 StR 14/80). Das Landgericht hätte darlegen müssen, worauf dies beruht <strong>und</strong> ob die<br />

Voraussetzungen einer Strafmilderung wegen <strong>überlange</strong>r Verfahrensdauer vorliegen (vgl.<br />

hierzu Dreher/Tröndle, StGB 41.Aufl. § 46 Rdn. 35 mit Rechtsprechungsnachw.)."<br />

15. BGH, Urt. v. 6.5.1986 - 5 StR 92/86<br />

(bei Pfeiffer / Miebaeh, NStZ 1987, S. 19)<br />

"Das Schwurgericht hat den Angeklagten wegen am 14. April 1940 in Josefow (Polen)<br />

begangener Beihilfe zum gemeinschaftlichen Mord in 161 Fällen zu vier Jahren Freiheitsstrafe<br />

verurteilt. Der Senat hat auf die Revision des Angeklagten dieses Urteil im<br />

Strafausspruch mit den betreffenden Feststellungen aufgehoben <strong>und</strong> die Revision zum<br />

Schuldspruch verworfen. Das neu erkennende Schwurgericht hat das Verfahren wegen<br />

<strong>überlange</strong>r <strong>Dauer</strong> eingestellt. Hiergegen wendet sich die Revision der Staatsanwaltschaft.<br />

Sie hat Erfolg.<br />

<strong>Die</strong> angegriffene Entscheidung kann schon deshalb nicht bestehenbleiben, weil das<br />

Schwurgericht sie auch damit begründet, der Angeklagte habe in einem für ihn unausweichlichen<br />

Befehlsnotstand gehandelt <strong>und</strong> im Falle einer Befehlsverweigerung um sein<br />

Leben fürchten müssen. <br />

Außerdem begründet eine <strong>überlange</strong> Verfahrensdauer nach der Rechtsprechung des<br />

B<strong>und</strong>esgerichtshofs kein Verfahrenshindernis (BGHSt 24, 239; 27, 274; BGH NStZ<br />

1982, 291 <strong>und</strong> 1983, 135). Der Senat hält an dieser Auffassung, die er schon früher<br />

vertreten hat (Urteil vom 5. Juli 1977 - 5 StR 771/76 - <strong>und</strong> Beschluß vom 25. Oktober<br />

1977 - 5 StR 616/77 -), jedenfalls für die Fälle fest, in denen der Tatrichter dem<br />

Zeitablauf bei der Strafzumessung, in den gesetzlich vorgesehenen Fällen auch durch<br />

Absehen <strong>von</strong> Strafe, oder sonst durch Anwendung <strong>und</strong> Auslegung des Straf- <strong>und</strong> <strong>Strafverfahren</strong>srechts<br />

in angemessener Weise Rechnung tragen kann (vgl. auch den Beschluß<br />

eines Vorprüfungsausschusses des B<strong>und</strong>esverfassungsgerichts vom 24. November 1983<br />

- NJW 1984, 967). Im vorliegenden Fall wird der Tatrichter bei der neuen Entscheidung<br />

die Vorschrift des § 47 Abs. 2 MStGB zu prüfen haben."


282 Anhang<br />

16. BGH, Urt. v. 5.7.1990 -1 StR 135/90<br />

(bei Detter, NStZ 1991, S. 274)<br />

"<strong>Die</strong> Strafzumessung ist nicht zu beanstanden. Das Landgericht hat die Verzögerung<br />

des Verfahrens hinreichend gewertet, auch unter dem Gesichtspunkt des Artikels 6 Abs. 1<br />

Satz 1 MRK."<br />

Schrifttumsverzeichnis<br />

Achenbach, Hans: Anmerkung zu BGH, Beschl. v. 16.<strong>3.</strong>1989 -<br />

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auf dem Gebiet des Strafrechts. In: DRiZ 1966, S. 361 - 366.<br />

- <strong>Die</strong> Rechtsprechung der Strafsenate zum Rechtsschutz gegen Justizverwaltungsakte<br />

auf dem Gebiet des Strafrechts. In: DRiZ 1970, S. 105 - 110.<br />

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Alternativkommentar zum Strafvollzugsgesetz. <strong>3.</strong> Aufl. Hrsg. v. R. Wassermann. Neuwied<br />

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Alternativkommentar zur Strafprozeßordnung. Hrsg. v. R. Wassermann. Neuwied­<br />

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Umwelt <strong>und</strong> Recht. In: NJW 1962, S. 25-27.<br />

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Leipzig 1905.<br />

- <strong>Die</strong> Normen <strong>und</strong> ihre Übertretung. I. Bd. 1. Auf!. Leipzig 1872.<br />

- <strong>Die</strong> Normen <strong>und</strong> ihre Übertretung. I. Bd. 2. Auf!. Leipzig 1890.<br />

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- Ordnungs vorschriften im <strong>Strafverfahren</strong>. In: NStZ 1982, S. 5 - 10.<br />

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- "Zur Frage der Folgen tatprovozierenden Verhaltens polizeilicher Lockspitzel" -<br />

Eine Besprechung des Urteils BGH I StR 148/84 v. 2<strong>3.</strong>5.84. In: StV 1984, S. 388­<br />

394.<br />

Ungeklärte verfahrensrechtliche Fragen des Contergan-Prozesses. In: Festschrift für<br />

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Leitfaden der Strafzumessungsrechts. I. Aufl. Köln - Berlin - Bonn - München 1980.<br />

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Richterliche Rechtsfortbildung oder unzulässige Gesetzesänderungen der Strafdrohung<br />

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Strafzumessungsrecht. Allgemeiner Teil. I. Aufl. Köln - Berlin - Bonn - München<br />

1967.<br />

Strafzumessungsrecht. 2. Aufl. Köln - Berlin - Bonn - München 1974.<br />

- Neues Strafzumessungsrecht? Köln - Berlin - Bonn - München 1988.<br />

- Über die Unterschreitung der Schuldrahmengrenze aus schuldunabhängigen Strafmilderungsgründen<br />

- "Auflockerung" der Spielraumtheorie? In: MDR 1987, S. 177­<br />

182.<br />

- "Widerspruchsvolles" Verhalten des Staates als neuartiges Strafverfolgungsverbot<br />

<strong>und</strong> Verfahrenshindernis, insbesondere beim tatprovozierenden Einsatz polizeilicher<br />

Lockspitzel. In: NStZ 1983, S. 49-56.<br />

Bull, Hans Peter: Rechtsstaat <strong>und</strong> Verfahrensverschleppung. In: NJW 1957, S. 1100 f.<br />

Caesar, Peter: Absprachen im Strafprozeß. In : RuP 1990, S. 45-49.<br />

Calliess, Rolf-Peter / Müller-<strong>Die</strong>tz, Heinz: Strafvollzugsgesetz. Kommentar. 4. Aufl.<br />

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Dahs, Hans: Absprachen im Strafprozeß. In: NStZ 1988, S. 153-159.<br />

<strong>Die</strong> Beschlagnahme <strong>von</strong> Verteidigungsmaterial <strong>und</strong> die Ausforschung der Verteidigung.<br />

In: Gedächtnisschrift für Karlheinz Meyer, Berlin - New York 1990, S. 61-79.<br />

Bewältigung großer Strafprozesse - um welchen Preis? In: NJW 1974, S. 1538­<br />

154<strong>3.</strong><br />

_ Das rechtliche Gehör im Strafprozeß. München - Berlin 1965.<br />

- Handbuch des Strafverteidigers. 5. Aufl. Köln 198<strong>3.</strong><br />

_<br />

Zur Rechtswirksamkeit des nach der Urteilsverkündung "herausgefragten" Rechtsmittelverzichts.<br />

In: Festschrift für Erich Schmidt-Leichner, München 1977, S. 17 - 30.<br />

_ <strong>Die</strong> Relativierung absoluter Revisionsgründe. In: GA 1976, S. 353 - 360.<br />

Dahs sen., Hans/ Dahs, Hans: <strong>Die</strong> Revision im Strafprozeß. 4. Aufl. München 1987.<br />

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Dünnebier, Berlin - New York 1982, S. 447 -464.<br />

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- Geschichte der deutschen Rechtspflege seit 1500. Berlin 195<strong>3.</strong><br />

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19 Scheffle,


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- <strong>Die</strong> hohe Würde des Richteramts (1817). In: ders., Kleine Schriften vermischten<br />

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Fezer, Gerhard: Anmerkung zu BGH, Urt. v. 2<strong>3.</strong>5.1984 - 3 StR 102/84 (BGHSt 32,<br />

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- Reform der Rechtsmittel in Strafsachen. Bericht über die Entstehung der gegenwärtigen<br />

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- <strong>Strafverfahren</strong>srecht I. München 1986.<br />

Flurne, Werner: Steuerwesen <strong>und</strong> Rechtsordnung. In: Rechtsprobleme in Staat <strong>und</strong> Kirche,<br />

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Frisch, Wolfgang: Ausschluß <strong>und</strong> Ablehnung des Staatsanwalts. In: Festschrift für Hans­<br />

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1971.<br />

- Gegenwärtiger Stand <strong>und</strong> Zukunftsperspektiven der Strafzumessungsdogmatik. In:<br />

ZStW 99 (1987), S. 375-388; 751-805.<br />

- Tatbestandsprobleme der Strafvollstreckungsvereitelung. In: NJW 1983, S.2471­<br />

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Frowein, Jochen Abr.: Anmerkung zur Pakelli-Entscheidung des B<strong>und</strong>esverfassungsgerichts.<br />

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- Der fre<strong>und</strong>schaftliche Ausgleich im Individualbeschwerdeverfahren nach der Menschenrechtskonvention<br />

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- Das B<strong>und</strong>esverfassungsgericht <strong>und</strong> die Europäische Menschenrechtskonvention. In:<br />

Festschrift für Wolfgang Zeidler, 2. Bd., Berlin - New York 1987, S. 1763 - 1774.<br />

Entschädigung für Verletzungen <strong>von</strong> Gr<strong>und</strong>rechten. In: Des Menschen Recht zwischen<br />

Freiheit <strong>und</strong> Verantwortung, Festschrift für Kar! Josef Partseh, Ber!in 1989,<br />

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19*


292 Schrifttumsverzeichnis Schrifttumsverzeichnis 293<br />

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York 198<strong>3.</strong><br />

<strong>Die</strong> Herausbildung europäischer Verfassungsprinzipien. In: Rechtsstaat <strong>und</strong> Menschenwürde,<br />

Festschrift für Werner Maihofer, Frankfurt/M. 1988, S. 149-158.<br />

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Heidelberg 1985.<br />

Füllkrug, Michael: Auf geheimen Wegen zum Ermittlungszie!. In: Krim 1987, S. 387­<br />

391.<br />

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des Vorsitzenden (§ 238 Abs. 2 StPO). In: NJW 1963, S. 1230-1236.<br />

Gallas, Wilhelm: Diskussionsbeitrag. In: Niederschriften über die Sitzungen der Großen<br />

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Diskussionsbeitrag. In: Niederschriften über die Sitzungen der Großen Strafrechtskommission,<br />

4. Bd., Bonn 1958, S. 348 f.<br />

- Diskussionsbeitrag. In: Niederschriften über die Sitzungen der Großen Strafrechtskommission,<br />

5. Bd., Bonn 1958, S. 104 f.<br />

Gallrein, Bemhard: Das schleunige Verfahren im Strafprozess. Breslau - Neukirch 1934.<br />

Gatzweiler, Norbert: Der "neue" Strafverteidigertyp <strong>und</strong> seine Umsetzung im DAV. In:<br />

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Gaupp, Rolf <strong>Die</strong>trich: Beweisfragen im Rahmen ärztlicher Haftungsprozesse. Diss. iur.<br />

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Geige!. Der Haftpflichtprozeß. 20. Aufl. Hrsg. v. G. Schlegelmilch. München 1990.<br />

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Gelder, Alfons van: Ein neues Arbeitskampfrecht? In: AuR 1972, S. 97 -11<strong>3.</strong><br />

Geppert, Klaus: Amtsdelikte (§§ 331 ff StGB). In: Jura 1981, S. 42-51; 78-86.<br />

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- Gedanken zur Rechtskraft <strong>und</strong> Beseitigung strafprozessualer Beschlüsse. In: GA<br />

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Strafvereitelung durch Unterkunftsgewährung. JK 1981, StGB § 258/2.<br />

Strafprozessuales Verfahrenshindemis wegen <strong>überlange</strong>r Verfahrensdauer? JK 1983,<br />

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Verfahrenshindernis <strong>von</strong> Verfassungs wegen bei Kenntnis der StA vom Verteid.­<br />

Konzept? JK 1985, StPO § 260 III/l.<br />

- Verwirkung des staat!. Strafanspruchs bei Tatprovokation durch poliz. Lockspitzel?<br />

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719; 894-928.<br />

Giebeler, Ulrich: <strong>Die</strong> Erschöpfung der innerstaatlichen Rechtsbehelfe als Zulässigkeitsvoraussetzung<br />

der Menschenrechtsbeschwerde. Zugleich ein Vergleich mit der entsprechenden<br />

Regel des allgemeinen Völkerrechts <strong>und</strong> des Verfassungsbeschwerderechts.<br />

Diss. iur. Marburg 1972.<br />

Giesler, Detlev: Der Auschluß der Beschwerde gegen richterliche Entscheidungen im<br />

<strong>Strafverfahren</strong>. Bad Honnef 1981.<br />

Gilles, Peter: Zum Bedeutungszuwachs <strong>und</strong> Funktionswandel des Prozeßrechts. In: JuS<br />

1981, S. 402-409.<br />

Glasenapp, H. <strong>von</strong>: Nochmals: Möglichkeiten <strong>und</strong> Grenzen der Beschleunigung des<br />

<strong>Strafverfahren</strong>s. In: NJW 1982, S. 2057 f.<br />

Glitz, Hubertus: Gesetzmäßigkeitsprinzip <strong>und</strong> Übermaßverbot in ihrer Bedeutung für<br />

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Göhler, Eduard: Ordnungswidrigkeitengesetz. Kommentar. 9. Aufl. München 1990.<br />

Gössel, Karl Heinz: Anmerkung zu BGH, Urt. v. 9.12.1983 -<br />

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2 StR 452/8<strong>3.</strong> In: NStZ<br />

- Anmerkung zu KG, Beschl. v. 21.9.1987 - 4 Ws 254/87. In: OLGSt (neu) § 453<br />

StPO Nr. 2, S. 4-9.<br />

Strafrecht. Besonderer Teil. 1. Bd. Heidelberg 1987.<br />

<strong>Strafverfahren</strong>srecht. Stuttgart - Berlin - Köln - Mainz 1977.<br />

- Überlegungen zur Beschleunigung des <strong>Strafverfahren</strong>s. In: GA 1979, S. 241-251.<br />

Goethe, Johann Wolfgang <strong>von</strong>: Aus meinem Leben -<br />

Wien 1819 (Goethe's Werke, 19. Bd.).<br />

Dichtung <strong>und</strong> Wahrheit. <strong>3.</strong> Teil.<br />

Goldschmidt, James: Materielles Justizrecht. (Rechtsschutzanspruch <strong>und</strong> Strafrecht.) In:<br />

Festgabe für Bemhard Hübler, Berlin 1905, S. 85 -152.<br />

- Der Prozeß als Rechtslage. Berlin 1925.<br />

Gollwitzer, Karl Ernst: Einschränkungen des Beweisantragsrechts durch Umdeutung <strong>von</strong><br />

Beweisanträgen in Beweisanregungen. In: StV 1990, S. 420-424.<br />

Gollwitzer, Walter: Gerechtigkeit <strong>und</strong> Prozeßwirtschaftlichkeit. In: <strong>Strafverfahren</strong> im<br />

Rechtsstaat, Festschrift für Theodor Kleinknecht, München 1985, S. 147-171.<br />

Grabitz, Eberhard: Der Gr<strong>und</strong>satz der Verhältnismäßigkeit in der Rechtsprechung des<br />

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Vertrauensschutz als Freiheitsschutz. In: DVB!. 1973, S. 675-684.


294 Schrifttumsverzeichnis Schrifttumsverzeichnis 295<br />

Grauhan, Hans-Friedrich: Bewältigung <strong>von</strong> Großverfahren durch Beschränkung des<br />

Prozeßstoffs. In: GA 1976, S. 225 - 242.<br />

Grethlein, Gerhard: Problematik des Verschlechterungsverbotes im Hinblick auf die<br />

besonderen Maßnahmen des Jugendrechts. Neuwied - Berlin 196<strong>3.</strong><br />

Griebeling, Armin: <strong>Die</strong> Verwirkung prozessualer Befugnisse. Diss. iur. Frankfurt/M.<br />

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Griesbeck, Michael: Venire contra factum proprium. Diss. iur. Würzburg 1978.<br />

Gritschneder, Otto: Das Reichskammergericht (1495 -1806). In: DRiZ 1988, S. 452-455.<br />

Grünwald, Gerald: Anmerkung zu BGH, Beschl. v. 22.10.1975 - 1 StE 1/74 (BGHSt<br />

26, S.228) <strong>und</strong> BVerfG, Beschl. v. 21.1.1976 - 2 BvR 941/75 (BVerfGE 41,<br />

S. 246). In: JZ 1976, S. 767 - 77<strong>3.</strong><br />

- Beweisverbote <strong>und</strong> Verwertungsverbote im <strong>Strafverfahren</strong>. In: JZ 1966, S. 489-501.<br />

- Offene Fragen im System der Hauptstrafen. In: Festschrift für Friedrich Schaffstein,<br />

Göttingen 1975, S. 219-239.<br />

- Menschenrechte im Strafprozeß. In: StV 1987, S. 453-457.<br />

- Der Niedergang des Prinzips der unmittelbaren Zeugenvemehmung. In: Festschrift<br />

für Hanns Dünnebier, Berlin - New York 1982, S. 347 - 364.<br />

- Empfiehlt es sich, besondere strafprozessuale Vorschriften für Großverfahren einzuführen?<br />

In: Verhandlungen des 50. DJT, 1. Bd., München 1974, S. C 7 - C 92.<br />

- <strong>Die</strong> Wahrunterstellung im <strong>Strafverfahren</strong>. In: Festschrift für Richard M. Honig,<br />

Göttingen 1970, S. 53 - 68.<br />

Grunsky, Wolfgang: Arbeitsgerichtsgesetz. Kommentar. 6. Auf!. München 1990.<br />

Günther, Hans-Ludwig: Lebenslang für "heimtückischen Mord"? In: NJW 1982, S. 353­<br />

358.<br />

Günter, Hans-Helmut: <strong>Die</strong> deformierte Reform. In: DRiZ 1987, S. 66.<br />

- Quo vadis <strong>Strafverfahren</strong>srecht? In: DRiZ 1990, S. 106.<br />

Guradze, Heinz: <strong>Die</strong> Angemessenheit der <strong>Dauer</strong> der Untersuchungshaft nach Art. 5.<br />

Abs. 3 der Europäischen Menschenrechtskonvention. In : NJW 1968, S. 2161-2165.<br />

- Anmerkung zu BVerfG, Beschl. v. 14.1.1960 - 2 BvR 243/60. In: NJW 1960,<br />

S.124<strong>3.</strong><br />

- <strong>Die</strong> Europäische Menschenrechtskonvention. Kommentar. Berlin - Frankfurt/M.<br />

1968.<br />

- Kann die Verfassungsbeschwerde auf eine Verletzung der Konvention zum Schutze<br />

der Menschenrechte gestützt werden? In: DÖV 1960, S. 286-288.<br />

Haberstroh, <strong>Die</strong>ter: Unschuldsvermutung <strong>und</strong> Rechtsfolgenausspruch. In: NStZ 1984,<br />

S.289-295.<br />

Habscheid, WaltherJ.: Der Anspruch auf Rechtspflege. In: ZZP 67 (1954), S. 188 -199.<br />

Hachenburg, Max / Bing, Fritz: Juristische R<strong>und</strong>schau. In: DJZ 1932, Sp. 908 -91<strong>3.</strong><br />

Häfele, Hans-Jörg: <strong>Die</strong> Verhandlungsfähigkeit des Beschuldigten im Strafprozeß. Diss.<br />

iur. Tübingen 1959.<br />

Häger, Joachim: Zu den Folgen staatsanwaltlicher in der Hauptverhandlung begangener<br />

Verfahrensfehler. In: Gedächtnisschrift für Karlheinz Meyer, Berlin - New York<br />

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Häsemeyer, Ludwig: <strong>Die</strong> Erzwingung richterlicher Entscheidungen, mögliche Reaktionen<br />

auf Justizverweigerungen. In: Festschrift für Karl Michaelis, Göttingen 1972,<br />

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Häusler, Bernd: Der unendliche Kronzeuge. Szenen aus dem Schmücker-Prozeß. Berlin<br />

1987.<br />

Haffke, Bernhard: Strafrechtsdogmatik <strong>und</strong> Tiefenpsychologie. In: GA 1978, S. 33-57.<br />

Hahn, Carl: <strong>Die</strong> gesamten Materialien zu den Reichs-Justizgesetzen. 2. Bd.: Materialien<br />

zur Zivilprozeßordung. 2. Aufl. Berlin 1881.<br />

Hamann, Andreas: Gr<strong>und</strong>gesetz <strong>und</strong> Strafgesetzgebung. Neuwied - Berlin 196<strong>3.</strong><br />

Hamm, Rainer: Absprachen im <strong>Strafverfahren</strong>? In: ZRP 1990, S. 337 - 342.<br />

- <strong>Die</strong> Besetzungsrüge nach dem <strong>Strafverfahren</strong>sänderungsgesetz 1979. In: NJW 1979,<br />

S.135-138.<br />

Hammerstein, Gerhard: Diskussionsbeitrag. In: Absprache im Strafprozeß - ein Handel<br />

mit der Gerechtigkeit? Bericht über das Symposium am 20. <strong>und</strong> 21. November 1986<br />

in Triberg, Stuttgart 1987, S. 91-101.<br />

Hanack, Ernst-Walter: Anmerkung zu BGH, Urt. v. 1<strong>3.</strong>2.1974 -<br />

25, S. 285). In: JR 1974, S. 383 f.<br />

2 StR 552/73 (BGHSt<br />

- Aufhebung hessischer strafgerichtIicher Entscheidungen durch den B<strong>und</strong>esgerichtshof.<br />

Wiesbaden 1986.<br />

- Das Legalitätsprinzip <strong>und</strong> die Strafrechtsreform. In: Festschrift für Wilhelm Gallas,<br />

Berlin - New York 1973, S. 339-364.<br />

- Zur Problematik der gerechten Bestrafung nationalsozialistischer Gewaltverbrechen.<br />

In: JZ 1967, S. 297-303; 329-338.<br />

Prozeßhindernis des <strong>überlange</strong>n <strong>Strafverfahren</strong>s? In: JZ 1971, S. 705-715.<br />

<strong>Die</strong> Rechtsprechung des B<strong>und</strong>esgerichtshofs zum <strong>Strafverfahren</strong>srecht. In: JZ 1971,<br />

S.89-92.<br />

Vereinbarungen im Strafprozeß, ein besseres Mittel zur Bewältigung <strong>von</strong> Großverfahren?<br />

In: StV 1987, S. 500-504.<br />

Hartung, Fritz: <strong>Die</strong> Einschränkung der Beschränkbarkeit der Beweisaufnahme in arntsgerichtIichen<br />

Strafsachen <strong>und</strong> die Aufhebung der Berufungsbeschränkung in Privatklagesachen.<br />

In: DJZ 1926, Sp. 129 -132.<br />

Hassemer, Winfried: Das "Absehen <strong>von</strong> Strafe" als kriminalpolitisches Instrument. In:<br />

Festschrift für Werner Sarstedt, Berlin - New York 1981, S. 65 -79.<br />

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Formularbuch für den Strafverteidiger, München 1988, S. 1-27.<br />

- Kommentare zum "Soldatenurteil". In: KritJ 23 (1990), S. 359-365.<br />

- Pacta sunt servanda - auch im Strafprozeß? - BGH, NJW 1989, 2270. In: JuS<br />

1989, S. 890-895.


296 Schrifttumsverzeichnis Schrifttumsverzeichnis 297<br />

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S. 137). In: JuS 1989, S. 147 f.<br />

- Rechtsprechungsübersicht: BGH, Urt. v. 2.<strong>3.</strong>1989 - 2 StR 705/88. In: JuS 1989,<br />

S. 937 f.<br />

- Rechtsprechungsübersicht: OLG Düsseldorf, Beschl. v. 1. 2. 1990 - 1 Ws 112/89.<br />

In: JuS 1990, S. 766 f.<br />

- Vorverurteilung durch die Medien? In: NJW 1985, S. 1921-1929.<br />

Hattenhauer, Hans: <strong>Die</strong> Kritik des Zivilurteils. Frankfurt/M. - Berlin 1970.<br />

Heinicke, Günther: Der Beschuldigte <strong>und</strong> sein Verteidiger in der B<strong>und</strong>esrepublik<br />

Deutschland. München 1984.<br />

Heinitz, Ernst: Probleme der Rechtsbeugung. Berlin 196<strong>3.</strong><br />

- Zweiteilung der Hauptverhandlung? In: Sein <strong>und</strong> Werden im Recht, Festgabe für<br />

Ulrich <strong>von</strong> Lübtow, Berlin 1970, S. 835-845.<br />

Helmken, <strong>Die</strong>rk: Zweifelhafte Rechtstatsachenforschung zur <strong>Dauer</strong> <strong>von</strong> <strong>Strafverfahren</strong>.<br />

In: ZRP 1978, S. 133-135.<br />

Henkel, Heinrich: <strong>Die</strong> Gestalt des künftigen <strong>Strafverfahren</strong>s. In: DJZ 1935, Sp. 530-538.<br />

Strafempfindlichkeit <strong>und</strong> Strafempfänglichkeit des Angeklagten als Strafzumessungsgründe.<br />

In: Rechtsbewahrung <strong>und</strong> Rechtsentwicklung, Festschrift für Heinrich<br />

Lange, München 1970, S. 179 -194.<br />

- <strong>Strafverfahren</strong>srecht. 2. Auf!. Stuttgart - Berlin - Köln - Mainz 1968.<br />

- Zumutbarkeit <strong>und</strong> Unzumutbarkeit als regulatives Rechtsprinzip. In: Festschrift für<br />

Edm<strong>und</strong> Mezger, München - Berlin 1954, S. 249-309.<br />

Henkel, Joachim: Der gesetzliche Richter. Diss. iur. Göttingen 1968.<br />

Henneberg, Ernst: <strong>Die</strong> Auswirkungen des <strong>Strafverfahren</strong>sänderungsgesetzes 1979 auf<br />

die Verfolgung <strong>von</strong> Steuerstrafsachen. In: BB 1979, S. 585 - 592.<br />

Henrichs, Wilhelm: Änderung der ZPO durch die Konvention <strong>von</strong> Rom? In: MDR 1955,<br />

S. 140-14<strong>3.</strong><br />

Herdegen, Gerhard: Aufklärungspflicht - Beweisantragsrecht - Beweisantrag - Beweisermittlungsantrag.<br />

In: Gedächtnisschrift für Karlheinz Meyer, Berlin - New York<br />

1990, S. 187-207.<br />

Herdegen, Matthias: <strong>Die</strong> völkerrechtswidrige Entführung eines Beschuldigten als Strafverfolgungshindernis.<br />

In: EuGRZ 1986, S. 1- <strong>3.</strong><br />

Hergenröder, Carmen Silvia: Das staatsanwaltschaftliehe Verfahren. Frankfurt/M.­<br />

Bern - New York 1986.<br />

Hermes, Georg / Wieland, Joachim: <strong>Die</strong> staatliche Duldung rechtswidrigen Verhaltens.<br />

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Herrmann, Joachim: Diversion <strong>und</strong> Schlichtung in der B<strong>und</strong>esrepublik Deutschland. In:<br />

ZStW 96 (1984), S. 455-501.<br />

- Literaturbericht: Strafprozeßrecht. In: ZStW 95 (1983), S. 104-144.<br />

- <strong>Die</strong> Strafprozeßreform vom 1.1. 1975. In: JuS 1976, S. 413-420.<br />

- Das Versagen des überlieferten Strafprozeßrechts in Monstre-Verfahren. In: ZStW<br />

85 (1973), S. 255-287.<br />

Hertwig, Volker: <strong>Die</strong> Einstellung des <strong>Strafverfahren</strong>s wegen Geringfügigkeit. Göttingen<br />

1982.<br />

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In: AöR 86 (1961), S. 194-244.<br />

- <strong>Die</strong> Rechtsprechung des B<strong>und</strong>esgerichtshofes zu Art. 5 der Europäischen Menschenrechtskonvention.<br />

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Heubel, Horst: Der "fair trial" - ein Gr<strong>und</strong>satz des <strong>Strafverfahren</strong>s? Berlin 1981.<br />

Hiegert, Egon: <strong>Die</strong> Sphäre derOffenk<strong>und</strong>igkeit in der Strafprozeßordnung. Frankfurt/M.­<br />

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Hillenkamp, Thomas: Verfahrenshindemisse <strong>von</strong> Verfassungs wegen. In: NJW 1989,<br />

S. 2841- 2849.<br />

- Verwirkung des Strafanspruches durch Verfahrensverzögerung? In: JR 1975, S. 133­<br />

140.<br />

- Vorsatztat <strong>und</strong> Opferverhalten. Göttingen 1981.<br />

Hippel, Fritz <strong>von</strong>: Wahrheitspflicht <strong>und</strong> Aufklärungspflicht der Parteien im Zivilprozeß.<br />

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Hippel, Robert <strong>von</strong>: Abschaffung der Monstreprozesse. In: MSchrKrim 26 (1935),<br />

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- Lehrbuch des Strafrechts. Berlin 1932.<br />

- Der deutsche Strafprozeß. Marburg 1941.<br />

Deutsches Strafrecht. 1. Bd. Berlin 1925.<br />

Deutsches Strafrecht. 2. Bd. Berlin 1930.<br />

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Hohendorj, Andreas: Nochmals: Zur <strong>Die</strong>nstaufsicht über die Richter. In: NJW 1984,<br />

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für Hilde Kaufmann, Berlin - New York 1986, S. 545-555.


298 Schrifttumsverzeichnis Schrifttumsverzeichnis 299<br />

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über die Strafbemessung (§§ 13-16, 60 StGB). In: JZ 1970, S. 122-128.<br />

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Hübner, Engelbert: Anmerkung zu BGH, Urt. v. 29.10.1974 -<br />

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I StR 475/74 (BGHSt<br />

Hünerfeld, Peter: Tagungsbericht: <strong>Die</strong> Diskussionsbeiträge der Strafrechtslehrertagung<br />

1972 in Kiel. In : ZStW 85 (1973), S. 438-468.<br />

Hummer, Rüdiger: Justizgewährung <strong>und</strong> Justizverweigerung in verfassungsrechtlicher<br />

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Internationaler Kommentar zur Europäischen Menschenrechtskonvention. Bearb. v. H.<br />

Golsong, W. Karl, H. Miehsler, H. Petzold, K. Rogge, Th. Vogler <strong>und</strong> L. Wildhaber.<br />

Stand: I. Lfg. Köln - Berlin - Bonn - München 1986.<br />

lsensee, Josef: Subsidaritätsprinzip <strong>und</strong> Verfassungsrecht. Berlin 1968.<br />

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Jaf?usch, Heinrich: <strong>Die</strong> Praxis der Strafzumessung. Berlin 1956.<br />

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- Strafrecht. Allgemeiner Teil. Berlin - New York 198<strong>3.</strong><br />

Jakobs, Michael eh.: Der Gr<strong>und</strong>satz der Verhältnismäßigkeit. Köln - Berlin - Bonn­<br />

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Janoschek, Christian: Strafprozessuale Durchsuchung <strong>und</strong> Beschlagnahme bei juristischen<br />

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Jehle, Jörg-Martin: Untersuchungshaft zwischen Unschuldsvermutung <strong>und</strong> Wiedereingliederung.<br />

München 1985.<br />

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2 BvR 1190/80. In:<br />

Jescheck, Hans-Heinrich: Anmerkung zu OLG Bremen, Urt. v. 25.2.1953 -<br />

1/5<strong>3.</strong> In: GA 1953, S. 88 f.<br />

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- <strong>Die</strong> europäische Konvention zum Schutze der Menschenrechte <strong>und</strong> Gr<strong>und</strong>freiheiten.<br />

In: NJW 1954, S. 783 -786.<br />

Lehrbuch des Strafrechts. Allgemeiner Teil. 4. Aufl. Berlin 1988.<br />

Der Strafprozeß - Aktuelles <strong>und</strong> Zeitloses. In: JZ 1970, S. 201-207.<br />

<strong>Die</strong> Verwirkung <strong>von</strong> Verfahrensrügen im Strafprozeß. In: JZ 1952, S. 400-40<strong>3.</strong><br />

Jherinf?, Rudolf <strong>von</strong>: Der Geist des Römischen Rechts. 2. Teil, 2. Abt. 1. Aufl. Leipzig<br />

1858.<br />

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Julius, Karl-Peter: <strong>Die</strong> Unerreichbarkeit <strong>von</strong> Zeugen im Strafprozeß. Köln - Berlin­<br />

Bonn - München 1988.<br />

Jung, Heike: Bilanz der Reform des <strong>Strafverfahren</strong>srechts zum 1.1.1975. In: JuS 1975,<br />

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Jungfer, Gerhard: Anmerkung zu LG Bremen, Beschl. v. 20.8.1982 -<br />

42/77. In: StV 1982, S. 462 f.<br />

- Freiheit <strong>und</strong> Form ... In: AnwBl. 1987, S. 76.<br />

41 KLs 74 Js<br />

Kaiser, Günther / Meinberf?, Volker: "Tuschelverfahren" <strong>und</strong> "MiIlionärsschutzparagraph"?<br />

In: NStZ 1984, S. 343 - 350.<br />

Kapahnke, Ulf: Opportunität <strong>und</strong> Legalität im <strong>Strafverfahren</strong>. Diss. iur. Tübingen 1982.<br />

Karlsruher Kommentar zum Gesetz über Ordnungswidrigkeiten. Hrsg. v. K. Boujong.<br />

München 1989.<br />

Karlsruher Kommentar zur Strafprozeßordnung <strong>und</strong> zum Gerichtsverfassungsgesetz mit<br />

Einführungsgesetz. 2. Aufl. Hrsg. v. G. Pfeiffer. München 1987.<br />

Katholnigg, Oskar: Strafgerichtsverfassungsrecht. Kommentar. Köln - Berlin - Bonn­<br />

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Kaufmann, Hilde: Strafanspruch - Strafklagrecht. Göttingen 1968.<br />

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Bern - New York - Paris 1989. (zit.: Verwirkung).<br />

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Wirtschaftsstrafsachen. In: wistra 1984, S. 201- 209.<br />

Kellermann, <strong>Die</strong>ter: Strafverfolgung <strong>von</strong> Umweltstrafsachen. In: KrimBibl 55 (1987),<br />

S.23-39.<br />

Kemmer, Frank: Befangenheit <strong>von</strong> Schöffen durch Aktenkenntnis? Frankfurt/M. - Bern ­<br />

New York - Paris 1989.<br />

Ge­<br />

Kempf, Eberhard: Opferschutzgesetz <strong>und</strong> <strong>Strafverfahren</strong>sänderungsgesetz 1987 -<br />

genreform durch Teilgesetze. In: StV 1987, S. 215-22<strong>3.</strong><br />

Kern, Eduard: Anmerkung zu BGH, Urt. v. 1<strong>3.</strong>12.1955 - 1 StR 354/55; BVerfG, Urt.<br />

v. 20.<strong>3.</strong>1956 - 1 BvR 479/55 (BVerfGE 4, S. 412). In: JZ 1956, S. 409-412.<br />

- <strong>Die</strong> Raschheit der Strafjustiz. In: MschrKrimPsych 15 (1924), S. 237-26<strong>3.</strong><br />

- Der gesetzliche Richter. Berlin 1927.<br />

Kiderlen, Karl Götz: <strong>Die</strong> Verwirkung <strong>von</strong> Verfahrensrügen im Strafprozeß. Diss. iur.<br />

Tübingen 1960.<br />

Kießling, Wilhelm: Verzögerung statt Beschleunigung? In: DRiZ 1977, S. 326-330.<br />

Kindhäuser, Urs: Rügepräklusion durch Schweigen im <strong>Strafverfahren</strong>. In: NStZ 1987,<br />

S.529-535.<br />

Kintzi, Heinrich: Verständigung im <strong>Strafverfahren</strong>. In: JR 1990, S. 309-316.<br />

Kip, Hans-Gerhard: Das sogenannte Mündlichkeitsprinzip. Köln - Berlin 1952.


300 Schrifttumsverzeichnis Schrifttumsverzeichnis 301<br />

Kirchhof, Paul: Gegenwartsfragen an das Gr<strong>und</strong>gesetz. In: JZ 1989, S. 453-465.<br />

- Verfassungsrechtliche Maßstäbe für die Verfahrensdauer <strong>und</strong> für die Rechtsmittel.<br />

In: Staat <strong>und</strong> Völkerrechtsordnung, Festschrift für Karl Doehring, Berlin - Heidelberg<br />

- New York - London - Paris - Tokyo - Hongkong 1989, S. 439 -457.<br />

Kissel, Otto-Rudolf: Gerichtsverfassungsgesetz. Kommentar. München 1981.<br />

- Gibt es eine Untätigkeitsbeschwerde im Rahmen des Verfahrens der Freiwilligen<br />

Gerichtsbarkeit? In: ZZP 69 (1951), S. 3-19.<br />

Klein, Eckart: Der Individualrechtsschutz in der B<strong>und</strong>esrepublik Deutschland bei Verstößen<br />

gegen die Menschenrechte <strong>und</strong> Gr<strong>und</strong>freiheiten der Europäischen Menschenrechtskonvention.<br />

In: Mahrenholz, E. G. / Hilf, M. / Klein, E. (Hrsg.), Entwicklung<br />

der Menschenrechte innerhalb der Staaten des Europarates, Heidelberg 1987, S. 43­<br />

66.<br />

Klein, Hans H.: Rechtsweg <strong>und</strong> Justizverweigerung. In: JZ 1963, S. 591-59<strong>3.</strong><br />

Kleinknecht, Theodor: Anmerkung zu KG, Beschl. v. 9. 11. 1964 -<br />

JR 1966, S. 231.<br />

- <strong>Die</strong> Beweisverbote im Strafprozeß. In: NJW 1966, S. 1537 -1545.<br />

Strafprozeßordnung. Kommentar. 30. Aufl. München 1971.<br />

Strafprozeßordnung. Kommentar. 31. Aufl. München 1974.<br />

Strafprozeßordnung. Kommentar. 32. Aufl. München 1975.<br />

Strafprozeßordnung. Kommentar. 35. Aufl. München 1981.<br />

Strafprozeßordnung. Kommentar. 36. Aufl. München 198<strong>3.</strong><br />

1 Ws 409/64. In:<br />

- / Janischowsky, Georg: Das Recht der Untersuchungshaft. München 1977.<br />

- / Meyer, Karlheinz: Strafprozeßordnung. Kommentar. 39. Aufl. München 1989.<br />

Kleinknecht / Müller / Reitberger. Kommentar zur Strafprozeßordnung. Bearb. v. He.<br />

Müller, W. Sax, R. Paulus <strong>und</strong> G. Fezer. Stand: 6. Lfg. 8. Aufl. Frankfurt/M. 1990.<br />

Kloepjer, Michael: Anmerkung zu VG Berlin, Beschl. v. 25.1.1977 -<br />

14/76. In: DVBI. 1977, S. 740-742.<br />

- Verfahrensdauer <strong>und</strong> Verfassungsrecht. In: JZ 1979, S. 209-216.<br />

Klose, Peter: "Ius puniendi" <strong>und</strong> Gr<strong>und</strong>gesetz. In: ZStW 86 (1974), S. 33-67.<br />

VG Disz.<br />

Klug, Ulrich: Das Verhältnis zwischen der Europäischen Menschenrechts-Konvention<br />

<strong>und</strong> dem Gr<strong>und</strong>gesetz. In: Gedächtnisschrift für Hans Peters, Berlin - Heidelberg ­<br />

New York 1967, S. 434-444.<br />

Kneip, Hans-Otto: Das staatsanwaltschaftliche Ermittlungsverfahren -<br />

den Staatsanwalt. In: ZRP 1989, S. 111.<br />

Koch, Karl-Heinz: Absprachen im Strafprozeß. In: ZRP 1990, S. 249-252.<br />

eine Waffe für<br />

- Publizistischer Mißbrauch staatsanwaltschaftlicher Ermittlungsverfahren. In: ZRP<br />

1989, S. 401-404.<br />

Kodde, Michael: Zur Praxis der Beschlußverwerfung <strong>von</strong> Revisionen (§ 349 Abs.2<br />

StPO). Göttingen 1989.<br />

Kohl, Helmut: Vorverurteilung durch die Medien? In: JZ 1985, S. 668-670.<br />

Kohlhaas, Max: Gedanken zur Reform des Ermittlungsverfahrens der StPO. In: ZRP<br />

1974,S.7-1O.<br />

Kohlmann, Günter: Der Anspruch des Beschuldigten auf schnelle Durchführung des<br />

Ermittlungsverfahrens. In: Festschrift für Reinhart Maurach, Karlsruhe 1972, S. 50 1­<br />

515.<br />

- Der Bürger im Ermittlungsverfahren - wehrlos? In: ZRP 1972, S. 211-21<strong>3.</strong><br />

- "Überlange <strong>Strafverfahren</strong>" - bekannt, bedenklich, aber nicht zu vermeiden? In:<br />

Strafrecht, Untemehmensrecht, Anwaltsrecht, Festschrift für Gerd Pfeiffer, Köln­<br />

Berlin - Bonn - München 1988, S. 203 -22<strong>3.</strong><br />

Kohlrausch, Eduard / Lange, Richard: Strafgesetzbuch mit Erläuterungen. 4<strong>3.</strong> Aufl. Berlin<br />

1961.<br />

Konow, Karl-Otto: Aufopferungsansprüche wegen spruchrichterlicher Maßnahmen. In:<br />

JR 1969, S. 6-8.<br />

Konzen. Horst: Rechtsverhältnisse zwischen Prozeßparteien. Berlin 1976.<br />

Kramer, Bernhard: <strong>Die</strong> Europäische Menschenrechtskonvention <strong>und</strong> die angemessene<br />

<strong>Dauer</strong> <strong>von</strong> <strong>Strafverfahren</strong> <strong>und</strong> Untersuchungshaft. Diss. iur. Tübingen 197<strong>3.</strong> (zit.:<br />

Menschenrechtskonvention).<br />

Krause, Hans G.: Richterliche Unabhängigkeit <strong>und</strong> Rechtsbeugungsvorsatz. In: NJW<br />

1977, S. 285 f.<br />

Krauss, Rupprecht <strong>von</strong>: Der Gr<strong>und</strong>satz der Verhältnismäßigkeit. Hamburg 1955.<br />

Krekeler, Wilhelm: Der Beweiserhebungsanspruch des Beschuldigten im Ermittlungsverfahren<br />

de lege lata <strong>und</strong> de lege ferenda. Diss. iur. München 1990.<br />

Maßnahmen zur Verhinderung der Entstehung <strong>und</strong> der Einwirkung "öffentlicher<br />

Vorverurteilungen" auf das <strong>Strafverfahren</strong>. In: AnwBI. 1985, S. 426 -431.<br />

Der befangene Richter. In: NJW 1981, S. 1633-1638.<br />

<strong>Strafverfahren</strong>srecht <strong>und</strong> Terrorismus. In: AnwBI. 1979, S. 212-217.<br />

Krey, Volker: Gr<strong>und</strong>züge des <strong>Strafverfahren</strong>srechts. In: JA 1983, S. 233-239; 356-363;<br />

506-512; 638-643; 1984, S. 135-143; 288-296; 475-479; 573-578; 1985, S. 61­<br />

66; 273-279.<br />

Strafrecht. Besonderer Teil. 1. Bd. 7. Aufl. Stuttgart - Berlin - Köln 1989.<br />

<strong>Strafverfahren</strong>srecht. I. Bd. Stuttgart - Berlin - Köln - Mainz 1988.<br />

<strong>Strafverfahren</strong>srecht. 2. Bd. Stuttgart - Berlin - Köln 1990.<br />

Krümpelmann, Justus: <strong>Die</strong> Bagatelldelikte. Berlin 1966.<br />

Kühl, Jörn: Prozeßgegenstand <strong>und</strong> Beweisthema im <strong>Strafverfahren</strong>. Baden-Baden 1987.<br />

Kühl, Kristian: Der Einfluß der Europäischen Menschenrechtskonvention auf das Strafrecht<br />

<strong>und</strong> <strong>Strafverfahren</strong>srecht der B<strong>und</strong>esrepublik Deutschland. In: ZStW 100<br />

(1988), S. 406-443; 601-644.<br />

- Unschuldsvermutung, Freispruch <strong>und</strong> Einstellung. Köln - Berlin - Bonn - München<br />

198<strong>3.</strong><br />

Kühne. Hans Heiner: Anmerkung zu BGH, Urt. v. 9.12.1987 -<br />

35, S. 137). In: EuGRZ 1988, S. 305 f.<br />

3 StR 104/87 (BGHSt


302 Schrifttumsverzeichnis<br />

- <strong>Die</strong> Berücksichtigung <strong>und</strong> Kompensation <strong>überlange</strong>r Verfahrensdauer im deutschen<br />

<strong>Strafverfahren</strong>. In: EuGRZ 1983, S. 382 - 384.<br />

Strafprozeßlehre. <strong>3.</strong> Aufl. Heidelberg 1988.<br />

<strong>Strafverfahren</strong>srecht als Kommunikationsproblem. Heidelberg 1978.<br />

Küng-Hofer, Rolf: <strong>Die</strong> Beschleunigung des <strong>Strafverfahren</strong>s unter Wahrung der Rechtsstaatlichkeit.<br />

Bem - Frankfurt/M. - Nancy - New York 1984. (zit.: Beschleunigung).<br />

Küper, Wilfried: Gr<strong>und</strong>- <strong>und</strong> Grenzfragen der rechtfertigenden Pflichtenkollision im<br />

Strafrecht. Berlin 1979.<br />

Küpper, Georg: Strafvereitelung <strong>und</strong> "sozialadäquate" Handlungen. In: GA 1987, S. 385­<br />

402.<br />

Kunert, Karl Heinz: Wie weit schützt die Strafprozeßordnung die Gr<strong>und</strong>rechte des<br />

Beschuldigten? In: MDR 1967, S. 539-542.<br />

Kunig, Philip: Das Rechtsstaatsprinzip. Tübingen 1986.<br />

Kunigk, Fritz: Prozeßführung <strong>und</strong> Strafverteidigung. 2. Aufl. Stuttgart - Berlin - Köln ­<br />

Mainz 1979.<br />

- <strong>Die</strong> staatsanwaltschaftliche Tätigkeit. <strong>3.</strong> Aufl. Stuttgart - Berlin - Köln - Mainz 1975.<br />

Kunz, Karl-Ludwig: Das strafrechtliche Bagatellprinzip. Berlin 1984.<br />

<strong>Die</strong> Einstellung wegen Geringfügigkeit durch die Staatsanwaltschaft. Königstein/Ts.<br />

1980.<br />

- Prävention <strong>und</strong> gerechte Zurechnung. In: ZStW 98 (1986), S. 823 - 838.<br />

Lackner, Karl: Anmerkung zu BGH, Beschl. v. 19.5.1981 - GSSt 1/81 (BGHSt 30,<br />

S. 105). In: NStZ 1981, S. 348 - 350.<br />

- Strafgesetzbuch mit Erläuterungen. 18. Aufl. München 1989.<br />

Lampe, Emst-Joachim: Der Ausschluß des Verteidigers im Entwurfdes Zweiten Gesetzes<br />

zur Reform des <strong>Strafverfahren</strong>srechts. In: JZ 1974, S. 696-699.<br />

- <strong>Die</strong> Durchbrechung der materiellen Rechtskraft bei Strafurteilen. In: GA 1968, S. 33­<br />

49.<br />

Langheineken, Uwe: Der Gr<strong>und</strong>satz der Verhältnismäßigkeit in der Rechtsprechung des<br />

B<strong>und</strong>esverfassungsgerichts, unter besonderer Berücksichtigung der Judikatur zu Art.<br />

12 Abs. 1 Satz 2 GG. Diss. iur. Freiburg 1972.<br />

Lappe, Friedrich: Gerichtskostengesetz. Kommentar. Köln 1975.<br />

Larenz, Karl: Allgemeiner Teil des deutschen Bürgerlichen Rechts. 6. Aufl. München<br />

198<strong>3.</strong><br />

Laufhütte, Heinrich / Möhrenschlager, Manfred: Umweltstrafrecht in neuer Gestalt. In:<br />

ZStW 92 (1980), S. 912-972.<br />

Lautmann, RÜdiger: Justiz - die stille Gewalt. Frankfurt/M. 1972.<br />

Lazarus, Willy: <strong>Die</strong> sog. Schuld-, Strafausschließungs- <strong>und</strong> Strafaufhebungsgründe im<br />

Strafprozeß. Breslau 1911.<br />

Lehmann, Helmuth: Sensationsprozesse. In: DRiZ 1932, S. 12<strong>3.</strong><br />

Lehmann, Karl-Heinz: Zur Aburteilung <strong>von</strong> Demonstranten im beschleunigten Verfahren.<br />

In: DRiZ 1970, S. 287 - 290.<br />

Schrifttumsverzeichnis 303<br />

Leihholz, Gerhard / Rinck, Hans-Justus / Hesselherger, <strong>Die</strong>ter: Gr<strong>und</strong>gesetz für die B<strong>und</strong>esrepublik<br />

Deutschland. Kommentar. Stand: 18. Lfg. 6. Aufl. Köln 1990.<br />

Leihholz, Gerhard / Rupprecht, Reinhard: B<strong>und</strong>esverfassungsgerichtsgesetz. Kommentar.<br />

Köln 1968.<br />

Leipold, <strong>Die</strong>ter: Anmerkung zu BGH, Urt. v. 11.<strong>3.</strong>1968 - III ZR 72/65. In: JZ 1968,<br />

S. 465 f.<br />

Leipziger Kommentar zum Strafgesetzbuch. 8. Aufl. Hrsg. v. H. Jagusch <strong>und</strong> E. Mezger.<br />

Berlin 1957 -1958.<br />

Leipziger Kommentar zum Strafgesetzbuch. 9. Aufl. Hrsg. v. P. Baldus <strong>und</strong> G. Willms.<br />

Berlin 1974-1977.<br />

Leipziger Kommentar zum Strafgesetzbuch. 10. Aufl. Hrsg. v. H.-H. Jescheck, W. Ruß<br />

<strong>und</strong> G. Willms. Berlin - New York 1985 - 1989.<br />

Lenckner, Theodor: Zum Tatbestand der Strafvereitelung. In: Gedächtnisschrift für Horst<br />

Schröder, München 1978, S. 339 - 357.<br />

Leppert, Norbert: Manche tauchen nie wieder auf. Aktenverlust bei der Justiz. In: Frankfurter<br />

R<strong>und</strong>schau v. 25.8.1988, S. 12.<br />

Lerche, Peter: Zum "Anspruch auf rechtliches Gehör". In: ZZP 78 (1965), S. 1-31.<br />

- Übermaß <strong>und</strong> Verfassungsrecht. Köln - Berlin - München - Bonn 1961.<br />

Liehl, Karlhans: <strong>Die</strong> Erfassung der Wirtschaftskriminalität. In: Krim 1982, S. 7 -10.<br />

- <strong>Die</strong> B<strong>und</strong>esweite Erfassung <strong>von</strong> Wirtschaftsstraftaten nach einheitlichen Gesichtspunkten.<br />

Freiburg 1984.<br />

- Steuerhinterziehung <strong>und</strong> ihre staatsanwaltschaftliche Erledigung. In: wistra 1983,<br />

S.85-94.<br />

Lindacher, Walter F.: Untätigkeitsbeschwerde im Verfahren der Freiwilligen Gerichtsbarkeit?<br />

In: DRiZ 1965, S. 198 f.<br />

Lindemann, Klaus: Hausgemachte Überlastung der Zivilgerichte? In: AnwBl. 1983,<br />

S.389-392.<br />

Liszt, Franz <strong>von</strong> / Schmidt, Eberhard: Lehrbuch des Deutschen Strafrechts. 1. Bd. 26. Aufl.<br />

Berlin - Leipzig 1932.<br />

Löwe / Rosenberg. <strong>Die</strong> Strafprozeßordnung <strong>und</strong> das Gerichtsverfassungsgesetz. Großkommentar.<br />

2<strong>3.</strong> Aufl. Hrsg. v. H. Dünnebier. Berlin - New York 1976-1980.<br />

Löwe / Rosenberg. <strong>Die</strong> Strafprozeßordnung <strong>und</strong> das Gerichtsverfassungsgesetz. Großkommentar.<br />

24. Aufl. Hrsg. v. P. Rieß. Berlin - New York ab 1984.<br />

Lorenz, Max: <strong>Die</strong> Regelung der Verjährung im Entwurf des Allgemeinen Teils eines<br />

Strafgesetzbuches. München - Berlin 1959.<br />

- <strong>Die</strong> Verjährung in der deutschen Strafgesetzgebung. München - Berlin 1955.<br />

- <strong>Die</strong> Verjährung im Strafrechte. Prag 1934.<br />

Lücke, Jörg: <strong>Die</strong> Gr<strong>und</strong>sätze der Verhältnismäßigkeit <strong>und</strong> der Zumutbarkeit. In: DÖV<br />

1974, S. 769-771.<br />

- <strong>Die</strong> (Un-)Zumutbarkeit als allgemeine Grenze öffentlich-rechtlicher Pflichten des<br />

Bürgers. Berlin 197<strong>3.</strong>


304 Schrifttumsverzeichnis Schrifttumsverzeichnis 305<br />

Lüderssen, Klaus: Grenzen des Legalitätsprinzips im effizienzorientierten modemen<br />

Rechtsstaat. Schluckt das Verfahrensrecht die sichernden Funktionen des materiellen<br />

Rechts? In: Denninger, E. / Lüderssen, K.: Polizei <strong>und</strong> Strafprozeß im demokratischen<br />

Rechtsstaat, Frankfurt/M. 1978, S. 188-237.<br />

- Zur "Unerreichbarkeit" des V-Mannes. In: Festschrift für Ulrich Klug, 2. Bd., Köln<br />

1983, S. 527 - 538.<br />

- <strong>Die</strong> V-Leute-Problematik ... oder: Zynismus, Borniertheit oder "Sachzwang"? In:<br />

Jura 1985, S. 113-127.<br />

Verbrechensprophylaxe durch Verbrechensprovokation? In: Einheit <strong>und</strong> Vielfalt des<br />

Strafrechts, Festschrift für Karl Peters, Tübingen 1974, S. 349- 371.<br />

<strong>Die</strong> Verständigung im Strafprozeß. In: StV 1990, S. 415-420.<br />

Lüke, Gerhard: Unorthodoxe Gedanken zur Verkürzung der Prozeßdauer <strong>und</strong> Entlastung<br />

der Zivilgerichte. In: Festschrift für Gottfried Baumgärtel, Köln - Berlin - Bonn ­<br />

München 1990, S. 349 - 361.<br />

Maassen, Bernhard M.: Beweismaßprobleme im Schadensersatzprozeß. Köln - Berlin­<br />

Bonn - München 1975.<br />

Mache, Hans Michael: Anmerkung zu BGH, Urt. v. 6.2.1981 -<br />

1981, S.600f.<br />

2 StR 370/80. In: StV<br />

- <strong>Die</strong> Zulässigkeit des Einsatzes <strong>von</strong> agents provocateurs <strong>und</strong> die Verwertbarkeit der<br />

Ergebnisse im Strafprozeß. Frankfurt/M. 1984.<br />

Maeffert, Uwe: Strafjustiz. Vom Niedergang des Rechts auf Verteidigung. Hamburg<br />

1989.<br />

Mahler, Horst: <strong>Die</strong> Angemessenheit der Untersuchungshaftdauer nach der Menschenrechtskonvention.<br />

In: NJW 1969, S. 353 - 355.<br />

Maiwald, Manfred: Das Absehen <strong>von</strong> Strafe nach § 16 StGB. In: ZStW 83 (1971),<br />

S.663-696.<br />

Anmerkung zu OLG Karlsruhe, Urt. v. 7.<strong>3.</strong>1974 - 1 Ss 314/7<strong>3.</strong> In: JZ 1974,<br />

S.773-775.<br />

<strong>Die</strong> Verteidigung der Rechtsordnung - Analyse eines Begriffs. In: GA 1983, S. 49­<br />

72.<br />

Mannheim, Hermann: <strong>Die</strong> Durchbrechung des Legalitätsgr<strong>und</strong>satzes. In: JW 1924,<br />

S. 1646-1650.<br />

Markl, Hermann: Gerichtskostengesetz. Kommentar. 2. Aufl. Berlin - New York 198<strong>3.</strong><br />

Marx, Erwin: Der gesetzliche Richter im Sinne <strong>von</strong> Art. 101 Abs. 1 Satz 2 Gr<strong>und</strong>gesetz.<br />

Berlin 1969.<br />

Matscher, Franz: Das Verfahren vor den Organen der EMRK. In: EuGRZ 1982, S. 489­<br />

503; 517-528.<br />

- Der Rechtsmittelbegriff der EMRK. In: Festschrift für Wilfried Kralik, Wien 1986,<br />

S.257-271.<br />

Maunz / Dürig. Gr<strong>und</strong>gesetz. Kommentar. Bearb. v. Th. Maunz, G. Dürig, R. Herzog,<br />

R. Scholz, P. Lerche, H.-J. Papier, A. Randelzhofer <strong>und</strong> Eb. Schmidt-Aßmann. Stand:<br />

28. Lfg. 6. Aufl. München 1990.<br />

Maunz, Theodor / Schmidt-Bleibtreu, Bruno / Klein, Franz / Ulsamer, Gerhard: B<strong>und</strong>esverfassungsgerichtsgesetz.<br />

Kommentar. Stand: 11. Lfg. 2. Aufl. München 1989.<br />

Maurach, Reinhart: Deutsches Strafrecht. Allgemeiner Teil. 4. Aufl. Karlsruhe 1971.<br />

- / Gössel, Karl Heinz / Zipf, Heinz: Strafrecht. Allgemeiner Teil. 2. Teilbd. 7. Aufl.<br />

Heidelberg 1989.<br />

- / Schroeder, Friedrich-Christian: Strafrecht. Besonderer Teil. 2. Teilbd. 6. Aufl.<br />

Karlsruhe 1981.<br />

- / Zipf, Heinz: Strafrecht. Allgemeiner Teil. 1. Teilbd. 6. Aufl. Heidelberg 198<strong>3.</strong><br />

-- Strafrecht. Allgemeiner Teil. 1. Teilbd. 7. Aufl. Heidelberg 1987.<br />

Maurer, Axel: Das Begnadigungsrecht im modemen Verfassungs- <strong>und</strong> Kriminalrecht.<br />

Frankfurt/M. - Bern - Cirencester/U.K. 1979.<br />

Mayer, Hellmuth: Zum Aufbau des Strafprozesses. In: GerS 104 (1934), S. 302-342.<br />

- Das Strafbefehlsverfahren. In: GerS 96 (1928), S. 397 -435.<br />

- Strafrecht. Allgemeiner Teil. Stuttgart - Köln 195<strong>3.</strong><br />

- Zuchtgewalt <strong>und</strong> Strafrechtspflege. Leipzig 1922.<br />

Mayer, Max Ernst: Der allgemeine Teil der deutschen Strafrechts. 2. Aufl. Heidelberg<br />

192<strong>3.</strong><br />

Mehle, Volkmar: Strafvereitelung durch Wahrnehmung prozessualer Rechte? - Einige<br />

Anmerkungen zum Umgang mit Zeugen -. In: Strafverteidigung <strong>und</strong> Strafprozeß,<br />

Festgabe für Ludwig Koch, Heidelberg 1989, S. 179-189.<br />

Meinberg, Volker: Geringfügigkeitseinstellungen <strong>von</strong> Wirtschaftsstrafsachen. Freiburg<br />

1985.<br />

Mendler, Friedrich: <strong>Die</strong> Rechtzeitigkeit des rechtlichen Gehörs. In: NJW 1961, S. 2103 f.<br />

Menzel, Andreas: Gr<strong>und</strong>fragen der Verwirkung dargestellt insbesondere anhand des<br />

öffentlichen Rechts. Frankfurt/M. - Bern - New York - Paris 1987.<br />

Mes, Peter: Eine Rechtstatsachenforschung zur Beschleunigung des Zivilprozesses. In:<br />

ZRP 1971, S. 90-94.<br />

- Mögliche Ursachen der Prozeßverzögerung. In: AnwBI. 1970, S. 333-34<strong>3.</strong><br />

Metzger, Gerhard: Ablehnung eines Beweisantrages jenseits gesetzlich geregelter Ablehnungsgründe?<br />

In: Dogmatik <strong>und</strong> Praxis des <strong>Strafverfahren</strong>s, Geburtstagscolloquium<br />

für Gerhard Kielwein, Köln - Berlin - Bonn - München 1989, S. 95-100.<br />

Meyer, <strong>Die</strong>ter: <strong>Die</strong> Entscheidung über die Entschädigung für Strafverfolgungsmaßnahmen<br />

durch das Revisionsgericht bei Freisprechung nach § 354 Abs. 1 StPO. In: MDR<br />

1978, S. 284 f.<br />

- Aus der neuesten Rechtsprechung. In: JurBüro 1983, Sp. 25 - 32.<br />

- Strafrechtsentschädigung <strong>und</strong> Auslagenerstattung. Kommentar. 2. Aufl. Frankfurt/M.<br />

1989.<br />

Meyer, Jürgen: Zur prozeßrechtlichen Problematik des V-Mannes. In: ZStW 95 (1983),<br />

S.834-861.<br />

- Rechtvergleichender Querschnitt. In: Eser, A. / Meyer, J. (Hrsg.), Öffentliche Vorverurteilung<br />

<strong>und</strong> faires <strong>Strafverfahren</strong>, Freiburg 1986, S. 323 - 35<strong>3.</strong><br />

20 Scheffle,


306 Schrifttumsverzeichnis Schrifttumsverzeichnis 307<br />

Meyer, Karlheinz: Zur Anfechtung der durch Vollzug erledigten Maßnahmen der Staatsanwaltschaft<br />

im Ermittlungsverfahren. In: Festschrift für Karl Schäfer, Berlin - New<br />

York 1980, S. 119-135.<br />

- Anmerkung zu BGH, Beschl. v. 6.2.1979 - 5 StR 713/78. In: JR 1980, S. 219 f.<br />

- Anmerkung zu BGH, Urt. v. 2<strong>3.</strong>5.1984 - I StR 148/84 (BGHSt 32, S. 345). In:<br />

NStZ 1985, S. 134 f.<br />

- Notwendigkeit <strong>und</strong> Grenzen der Heilung <strong>von</strong> Gr<strong>und</strong>rechtsverletzungen durch die<br />

Strafgerichte. In: <strong>Strafverfahren</strong> im Rechtsstaat, Festschrift für Theodor Kleinknecht,<br />

München 1985, S. 267-286.<br />

Meyer, Maria-Katharina: Zur Rechtsnatur <strong>und</strong> Funktion des Strafantrags. Heidelberg<br />

1984.<br />

Meyer-Goßner, Lutz: Das <strong>Strafverfahren</strong>sänderungsgesetz 1987. In: NJW 1987, S. 1161­<br />

1169.<br />

Mezger, Edm<strong>und</strong>: Strafrecht. Ein Lehrbuch. <strong>3.</strong> Aufl. Berlin - München 1949.<br />

Michael, Andreas: Der Gr<strong>und</strong>satz in dubio pro reo im <strong>Strafverfahren</strong>srecht. Frankfurt/Mo<br />

- Bem 1981.<br />

Michaelsen, Horst D.: Möglichkeiten der Beschleunigung <strong>und</strong> Kosteneinsparung im<br />

Wirtschaftsstrafverfahren. In: Krim 1982, S. 498 - 501.<br />

Michalke, Regina: Anmerkung zu BGH, Urt. V. <strong>3.</strong>8.1988 - 2 StR 360/88. In: StV<br />

1989, S. 235-237.<br />

- Das staatsanwaltschaftliche Ermittlungsverfahren - eine "Waffe für den Umweltschutz"?<br />

In: ZRP 1988, S. 273-275.<br />

- / Hamm, Rainer: Rechtssstaatliche Bedenken gegen Nichtzulassung der Rechtsbeschwerde<br />

im Ordnungswidrigkeitenrecht. In: NJW 1990, S. 2369 f.<br />

Möhlmann, Rolf: Vereinbarungen im <strong>Strafverfahren</strong> - Rechtliche Möglichkeiten kooperativer<br />

Verfahrensbewältigung. In: DRiZ 1990, S. 201- 205.<br />

Möhrenschlager, Manfred: Neuere Entwicklungen im Umweltstrafrecht des Strafgesetzbuches.<br />

In: NuR 1983, S. 209-218.<br />

Mohrbotter, Kurt: Zur strafrechtlichen Verantwortlichkeit des Spruchrichters <strong>und</strong> Staatsanwalts<br />

für den Inhalt der richterlichen Entscheidung. In: JZ 1969, S. 491-495.<br />

Molketin, Rüdiger: Gedanken zur Strafaussetzung nach mehrjähriger Verfahrensdauer<br />

bei folgenschwerer Trunkenheitsfahrt. In: BA 1982, S. 181- 186.<br />

Montenbruck, Axel: Abwägung <strong>und</strong> Umwertung. Berlin 1989.<br />

Anmerkung zu BGH, Urt. v. 11.1.1984- 2 StR 541/8<strong>3.</strong> In: JR 1985, S. 115-119.<br />

In dubio pro reo aus normtheoretischer, straf- <strong>und</strong> strafverfahrensrechtlicher Sicht.<br />

Berlin 1985.<br />

Strafrahmen <strong>und</strong> Strafzumessung. Berlin 198<strong>3.</strong><br />

- / Kuhlmey, Rene / Enderlein, Uwe: <strong>Die</strong> Tätigkeit des Staatsanwalts in Wirtschaftsstrafverfahren<br />

- Einführung in die Probleme. In: JuS 1987, S. 713 - 719; 803 - 808;<br />

967-971.<br />

Moos, Ruth: Das Geständnis im <strong>Strafverfahren</strong> <strong>und</strong> in der Strafzumessung. Diss. iur.<br />

Göttingen 198<strong>3.</strong><br />

Moschüring, Helmut: Inwieweit lassen sich die Vorschläge zur Reform des <strong>Strafverfahren</strong>s<br />

mit dem Bedürfnis nach Verkürzung der Verfahrensdauer vereinbaren? In: RuP<br />

1988, S. 152-160.<br />

Mrozynski. Peter: Aussetzung des Strafrests <strong>und</strong> Resozialisierung. In: IR 1983, S. 133­<br />

140.<br />

Müller, Egon: Einige Bemerkungen zur Bedeutung der Europäischen Menschenrechtskonvention<br />

für das Ermittlungsverfahren in der B<strong>und</strong>esrepublik Deutschland. In:<br />

Strafverteidigung <strong>und</strong> Strafprozeß, Festgabe für Ludwig Koch, Heidelberg 1989,<br />

S.191-197.<br />

Strafverteidigung. In: NIW 1981, S. 1801-1807.<br />

Müller, Holger: Zum Problem der Verzichtbarkeit <strong>und</strong> Unverzichtbarkeit <strong>von</strong> Verfahrensnormen<br />

im Strafprozeß. Göttingen 1984.<br />

Müller, Ingo: 100 Jahre Wahrheit <strong>und</strong> Gerechtigkeit. In: Kritl 10 (1977), S. 11-28.<br />

- Rechtsstaat <strong>und</strong> <strong>Strafverfahren</strong>. Frankfurt/M. 1980.<br />

- Der Vorsatz der Rechtsbeugung. In: NJW 1980, S. 2390-2395.<br />

Müller-<strong>Die</strong>tz, Heinz: Absehen <strong>von</strong> Strafe (§ 60 StGB n. F.). In: Festschrift für Richard<br />

Lange, Berlin - New York 1976, S. 303 - 322.<br />

Recht <strong>und</strong> Gnade. In: DRiZ 1987, S. 474-481.<br />

<strong>Die</strong> Stellung des Beschuldigten im Strafprozeß. In: ZStW 93 (1981), S. 1177 - 1270.<br />

Mümmler, Alfred: Zum Begriff der unrichtigen Sachbehandlung i. S. der §§ 7 GKG <strong>und</strong><br />

16 KostO. In: JVBI. 1971, S. 221-226.<br />

Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch. 2. Aufl. Hrsg. V. K. Rebmann<br />

<strong>und</strong> F. J. Säcker. München 1984 - 1990.<br />

Musielak, Hans-Joachim: <strong>Die</strong> Gr<strong>und</strong>lagen der Beweislast im Zivilprozeß. Berlin - New<br />

York 1975.<br />

- <strong>Die</strong> Rechtsbeugung (§ 336 StGB). Diss. iur. Köln 1960.<br />

Naucke, Wolfgang: Der Begriff der "geringen Schuld" (§ 153 StPO) im Straftatsystem.<br />

In: Festschrift für Reinhart Maurach, Karlsruhe 1972, S. 197-211.<br />

Nelles, Ursula: Der Einfluß der Verteidigung auf Beweiserhebungen im Ermittlungsverfahren.<br />

In: StV 1986, S. 74 - 80.<br />

Nestler-Tremel, Cornelius: Anmerkung zu LG Berlin, Urt. V. 2<strong>3.</strong><strong>3.</strong>1988 -<br />

Js 823/87 KLs (8/88). In: StV 1989, S. 109-112.<br />

(508) I Op<br />

- Der Handel um die Funktionstüchtigkeit der Strafrechtspflege. In: DRiZ 1988, S. 288­<br />

296.<br />

Neumann, Ulfried: Materiale <strong>und</strong> prozedurale Gerechtigkeit im <strong>Strafverfahren</strong>. In: ZStW<br />

101 (1989), S. 52-74.<br />

Niebier, Engelbert: Der Einfluß der Rechtsprechung des B<strong>und</strong>esverfassungsgerichts auf<br />

das Strafprozeßrecht. In: <strong>Strafverfahren</strong> im Rechtsstaat, Festschrift für Theodor Kleinknecht,<br />

München 1985, S. 299 - 318.<br />

Niemöller, Martin: Absprachen im Strafprozeß. In: StV 1990, S. 34 - 38.<br />

- Besetzungsrü!!e <strong>und</strong> "WilIkürformel". In: StV 1987, S. 311- 317.<br />

20'


308 Schrifttumsverzeichnis<br />

- <strong>Die</strong> strafrichterliche Beweiswürdigung in der neueren Rechtsprechung des B<strong>und</strong>esgerichtshofs.<br />

In: StV 1984, S. 431-442.<br />

- / Schuppert, Gunnar Folke: <strong>Die</strong> Rechtsprechung des B<strong>und</strong>esverfassungsgerichts zum<br />

<strong>Strafverfahren</strong>srecht. In: AöR 107 (1982), S. 387 -498.<br />

Nikisch, Arthur: Zivilprozeßrecht. 2. Auf!. Tübingen 1952.<br />

Nose, Hiroyuki: Das Fehlen des "Anklageinteresses" - Ein Vergleich des japanischen<br />

<strong>und</strong> deutschen <strong>Strafverfahren</strong>srechts. In: ZStW 82 (1970), S. 782- 80<strong>3.</strong><br />

Noske, Thomas: <strong>Die</strong> Prozeßökonomie als Bestandteil des verfassungsrechtlichen Gr<strong>und</strong>satzes<br />

der Verhältnismäßigkeit. Diss. iur. Mainz 1989.<br />

Nowakowski, Friedrich: Freiheit, Schuld, Vergeltung. In: Festschrift für Theodor Ritter,<br />

Aalen 1957, S. 55 - 88.<br />

Oestreich, Arno / Winter, Gerhard: Gerichtskostengesetz. Kommentar. Stand: 4. Lfg.<br />

4. Auf!. Frankfurt/M. 1990.<br />

Oetker, Friedrich: Mündlichkeit <strong>und</strong> Unmittelbarkeit im <strong>Strafverfahren</strong> unter besonderer<br />

Berücksichtigung der Monstreprozesse. In: GerS 105 (1935), S. I - 25.<br />

- Strafanspruch <strong>und</strong> strafprozessualer Parteibegriff. In: GerS 108 (1936), S. 1- 19.<br />

Olshausen's Kommentar zum Strafgesetzbuch für das Deutsche Reich. 11. Auf!. Bearb.<br />

v. K. Lorenz, H. Freiesleben, E. Niethammer, C. Kirchner <strong>und</strong> G. Gutjahr. Berlin<br />

1927.<br />

Olzen, Dirk: <strong>Die</strong> Wahrheitspflicht der Parteien im Zivilprozeß. In: ZZP 98 (1985),<br />

S.403-426.<br />

Oppitz, Ulrich-<strong>Die</strong>ter: <strong>Strafverfahren</strong> <strong>und</strong> Strafvollstreckung bei NS-Gewaltverbrechen.<br />

2. Auf!. Ulm 1979.<br />

Ossenhühl, Fritz: Staatshaftungsrecht. <strong>3.</strong> Auf!. München 198<strong>3.</strong><br />

- Zumutbarkeit als Verfassungsmaßstab. In: Freiheit <strong>und</strong> Verantwortung im Verfassungsstaat,<br />

Festgabe für die Gesellschaft für Rechtspolitik, München 1984, S. 315­<br />

327.<br />

Ostendorj; Heribert: Alternativkommentar zum Jugendgerichtsgesetz. Neuwied - Darmstadt<br />

1897.<br />

Unschuldsvermutung <strong>und</strong> Bewährungswiderruf. In: StV 1990, S. 230-232.<br />

Ostermeyer, Helmut: Kollektivschuld im Strafrecht. Der Contergan-Prozeß zeigt die<br />

Grenzen der Strafjustiz. In: ZRP 1971, S. 75 f.<br />

Ostler, Fritz: Gesetzlicher Richter <strong>und</strong> willkürliche Entziehung. In: JR 1957, S. 454 -456.<br />

Ouo, Harro: Gr<strong>und</strong>kurs Strafrecht. <strong>Die</strong> einzelnen Delikte. 2. Auf!. Berlin - New York<br />

1984.<br />

Gr<strong>und</strong>kurs Strafrecht. Allgemeine Strafrechtslehre. <strong>3.</strong> Auf!. Berlin - New York 1988.<br />

- Pflichtenkollision <strong>und</strong> Rechtswidrigkeitsurteil. <strong>3.</strong> Auf!. Marburg 1978.<br />

Paeffgen, Hans-Ullrich: (Obergerichtliche) Rechtsprechung in Haft-Sachen. In: NStZ<br />

1990, S. 531-536.<br />

- Vorüberlegungen zu einer Dogmatik des Untersuchungshaft-Rechts. Köln - Berlin­<br />

Bonn - München 1986.<br />

Schrifttumsverzeichnis 309<br />

Palandt. Bürgerliches Gesetzbuch. Kommentar. 49. Auf!. Bearb. v. U. <strong>Die</strong>derichsen, W.<br />

Edenhofer, H. Heinrichs, A. Heldrich, H. Putzo <strong>und</strong> H. Thomas. München 1990.<br />

Papier, Hans-Jürgen: Justizgewährungsanspruch. In: Isensee, J. / Kirchhof, P. (Hrsg.),<br />

Handbuch des Staatsrechts, Bd. VI, Heidelberg 1989, S. 1221-1232.<br />

- Rechtsschutzgarantie gegen die öffentliche Gewalt. In: Isensee, J. / Kirchhof, P.<br />

(Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Bd. VI, Heidelberg 1989, S. 1233 -1270.<br />

- Richterliche Unabhängigkeit <strong>und</strong> <strong>Die</strong>nstaufsicht. In: NJW 1990, S. 8-14.<br />

Parigger, Manfred: <strong>Die</strong> ~usschließung des Strafverteidigers de lege lata - de lege<br />

ferenda. In: Strafverteidigung <strong>und</strong> Strafprozeß, Festgabe für Ludwig Koch, Heidelberg<br />

1989, S. 199-214.<br />

Pasc.~~ann.s,Norbert: <strong>Die</strong> staatsanwaltschaftliche Verfahrenseinstellung wegen Geringfugigkeit<br />

nach §§ 153, 153 a StPO - Entscheidungsgrenzen <strong>und</strong> Entscheidungskontrolle.<br />

Frankfurt/M. - Bem - New York - Paris 1988.<br />

Paulus, Rainer: Anmerkung zu OLG Celle, Beschl. v. 17.5.1984 -<br />

NStZ 1985, S. 519-521.<br />

1 Ws 161/84. In:<br />

Pawlowski, Hans-Martin: Allgemeiner Teil des BGB. <strong>3.</strong> Auf!. Heidelberg 1987.<br />

Pestalozza, Christian: Verfassungsprozeßrecht. 2. Auf!. München 1982.<br />

Peters, Egbert: Beweisvereitelung <strong>und</strong> Mitwirkungspflicht des Beweisgegners. In: ZZP<br />

82 (1969), S. 200-224.<br />

- Der sogenannte Freibeweis im Zivilprozeß. Köln - Berlin - Bonn - München 1962.<br />

Peters, Karl: Anmerkung zu BGH, Urt. v. 12.10.1977 - 3 StR 287/77 (BGHSt 27,<br />

S. 274). In: JR 1978, S. 247 f.<br />

- Beiträge zum Wiederaufnahmerecht. In: Tübinger Festschrift für Eduard Kern, Tübingen<br />

1968, S. 335-361.<br />

- Beschleu~igung des <strong>Strafverfahren</strong>s <strong>und</strong> die Grenzen der Verfahrensbeschleunigung.<br />

In: SchreIber, H.-L. (Hrsg.), Strafprozeß <strong>und</strong> Reform, Neuwied - Darmstadt 1979,<br />

S.82-1I2.<br />

Beweisverbote im deutschen <strong>Strafverfahren</strong>. In: Verhandlungen des 46. DJT, 1. Bd.,<br />

München - Berlin 1966, S. 91-16<strong>3.</strong><br />

Fehlerquellen im Strafprozeß. <strong>3.</strong> Bd. Karlsruhe 1974.<br />

- <strong>Die</strong> Problematik der vorläufigen Einstellung nach § 154 Abs. 2 StPO. In: StV 1981,<br />

S. 411 f.<br />

Strafprozeß. 2. Auf!. Karlsruhe 1966.<br />

Strafprozeß. <strong>3.</strong> Auf!. Karlsruhe 1981.<br />

- Strafprozeß. 4. Auf!. Heidelberg 1985.<br />

Peukert, Wolfgang: <strong>Die</strong> <strong>überlange</strong> Verfahrensdauer (Art. 6 Abs. 1 EMRK) in der Rechtsprechung<br />

der Straßburger Instanzen. In: EuGRZ 1979, S. 261-27<strong>3.</strong><br />

Pfeiffer, Gerd: Zulässiges <strong>und</strong> unzulässiges Verteidigerhandeln. In: DRiZ 1984, S. 341­<br />

349.<br />

Pföhler, Jürgen: Zur Unanwendbarkeit des strafrechtlichen Rückwirkungsverbots im<br />

Strafprozeßrecht in dogmenhistorischer Sicht. Berlin 1988.


------_._---<br />

310 Schrifttumsverzeichnis<br />

Pieck, Werner: Der Anspruch auf ein rechtsstaatliches Gerichtsverfahren - Art. 6 Abs. I<br />

der Europäischen Menschenrechtskonvention in seiner Bedeutung für das deutsche<br />

Verfahrensrecht. Berlin 1966.<br />

Preisendanz, Holger: Strafgesetzbuch. Kommentar. 30. Aufl. Berlin 1978.<br />

Priebe, Reinhard: <strong>Die</strong> <strong>Dauer</strong> <strong>von</strong> Gerichtsverfahren im Lichte der Europäischen Menschenrechtskonvention<br />

<strong>und</strong> des Gr<strong>und</strong>gesetzes. In: Gr<strong>und</strong>rechtsschutz im nationalen<br />

<strong>und</strong> internationalen Recht, Festschrift für Werner <strong>von</strong> Simson, Baden-Baden 1983,<br />

S.287-31O.<br />

Priestoph, Matthias: Beschleunigte Verurteilung festgestellter Fußbalirowdies am Beispiel<br />

Berlin. In: <strong>Die</strong> Polizei 1979, S. 296-299.<br />

Prochnow, Heinz-Erich: <strong>Die</strong> Beschleunigung des <strong>Strafverfahren</strong>s in rechtsvergleichender<br />

Betrachtung. Diss. iur. Freiburg/Brsg. 1971.<br />

Prölss, Jürgen: Beweiserleichterungen im Schadensersatzprozeß. Karlsruhe 1966.<br />

- Der Einwand der "unclean hands" im Bürgerlichen Recht sowie im Wettbewerbs<strong>und</strong><br />

Warenzeichenrecht. In: ZHR 132 (1969), S. 35-85.<br />

Prütting, Hanns: Gegenwartsprobleme der Beweislast. München 198<strong>3.</strong><br />

Puppe, Ingeborg: Der halbherzige Rücktritt. In: NStZ 1984, S. 488-491.<br />

- Verführung als Sonderopfer. In: NStZ 1986, S. 404-406.<br />

Quack, Karlheinz: Sinn <strong>und</strong> Grenzen anwaltlicher Unabhängigkeit heute. In: NJW 1975,<br />

S. 1337 -134<strong>3.</strong><br />

Rahn, Christian-Fr.: Ein Jahrh<strong>und</strong>ertprozeß. Das Verfahren gegen Kutlu <strong>und</strong> Sargin. In:<br />

DuR 1988, S. 264-268.<br />

Rahn, <strong>Die</strong>trich: Mustertexte zum Strafprozeß. 4. Aufl. München 1987.<br />

Randelzhojer, Albrecht / Wilke, <strong>Die</strong>ter: <strong>Die</strong> Duldung als Form flexiblen Verwaltungshandeins.<br />

Berlin 1981.<br />

Ranft, Otfried: <strong>Die</strong> Präklusion der Besetzungsrüge gemäß der Strafprozeßnovelie 1979<br />

<strong>und</strong> das Recht auf den gesetzlichen Richter. In: NJW 1981, S. 1473-1480.<br />

Rasehorn, Theo: <strong>Die</strong> verspätete Vernehmung des Beschuldigten in Verkehrsübertretungsverfahren.<br />

In: NJW 1964, S. 576-580.<br />

Rausche, Jens: <strong>Die</strong> Bedeutung des Art. 103 Abs. 1 GG für die Stellung des Angeklagten<br />

in der Hauptverhandlung der Tatsacheninstanz. Diss. iur. Hamburg 1967.<br />

Rebmann, Kurt: Strafprozessuale Bewältigung <strong>von</strong> Großverfahren. In: NStZ 1984,<br />

S.241-248.<br />

- Terrorismus <strong>und</strong> Rechtsordnung. In: DRiZ 1979, S. 363-370.<br />

Reinecke, Jan: <strong>Die</strong> Fernwirkung <strong>von</strong> Beweisverwertungsverboten. München 1990.<br />

Rengier, Rudolf: Der Große Senat für Strafsachen auf dem Prüfstand. In: NStZ 1982,<br />

S.225-230.<br />

Renz, Ulrich: Lauter pflichtbewußte Leute. Szenen aus NS-Prozessen. Köln 1989.<br />

Ress, Georg: Verfassungsrechtliche Auswirkungen der Fortentwicklung völkerrechtlicher<br />

Verträge - Überlegungen zum Verhältnis des Gr<strong>und</strong>gesetzes zur Europäischen<br />

Wirtschaftsgemeinschaft <strong>und</strong> zur Europäischen Menschenrechtskonvention. In: Festschrift<br />

für Wolfgang Zeid1er, 2. Bd., Berlin - New York 1987, S. 1775-1797.<br />

Schrifttumsverzeichnis 311<br />

- Der Gr<strong>und</strong>satz der Verhältnismäßigkeit im deutschen Recht. In: Der Gr<strong>und</strong>satz der<br />

Verhältnismäßigkeit in europäischen Rechtsordungen, Heidelberg 1985, S. 5-51.<br />

- <strong>Die</strong> Europäische Menschenrechtskonvention <strong>und</strong> die Vertragsstaaten: <strong>Die</strong> Wirkungen<br />

der Urteile des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte im innerstaatlichen<br />

Recht <strong>und</strong> vor innerstaatlichen Gerichten. In: Maier, I. (Hrsg.), Europäischer Menschenrechtsschutz,<br />

Heidelberg 1982, S. 227 -287.<br />

Rieß, Peter: Anmerkung zu BGH, Urt. v. 2.6. 1981 - 5 StR 175/81 (BGHSt 30, S. 149).<br />

In: JR 1982, S. 256 f.<br />

- Anmerkung zu BGH, Urt. v. 2.12.1986 - I StR 433/86. In: JR 1987, S. 389-39<strong>3.</strong><br />

- Anmerkung zu HansOLG Hamburg, Besch!. v. 18.10.1982 - 2 Ws 292/82. In: JR<br />

1983, S. 260 f.<br />

Anmerkung zu OLG Karlsruhe, Besch!. v. 30.4.1982 -<br />

1982, S. 435 f.<br />

4 VAs 22/82. In: NStZ<br />

Statistische Beiträge zur Wirklichkeit des <strong>Strafverfahren</strong>s. In: Festschrift für Werner<br />

Sarstedt, Berlin - New York 1981, S. 253-328.<br />

- Einige statistische Bemerkungen <strong>und</strong> Hinweise zur Revisionstätigkeit des B<strong>und</strong>esgerichtshofes<br />

in Strafsachen. In: AG Strafrecht des DAV 3 (1986), S. 40 -77.<br />

- <strong>Die</strong> Besetzungsrügepräklusion (§§ 222a, 222b StPO) auf dem Prüfstand der Rechtsprechung.<br />

In: JR 1981, S. 89-95.<br />

- <strong>Die</strong> Durchführung der Hauptverhandlung ohne den Angeklagten. In: JZ 1975, S. 265­<br />

272.<br />

- Legalitätsprinzip - Interessenabwägung - Verhältnismäßigkeit. In: Festschrift für<br />

Hanns Dünnebier, Berlin - New York 1982, S. 149-169.<br />

- <strong>Die</strong> Urteilsabsetzungsfrist (§ 275 I StPO). In: NStZ 1982, S. 441-446.<br />

- Vereinfachte Verfahrensarten für die kleinere Kriminalität. In: Schreiber, H.-L.<br />

(Hrsg.), Strafprozeß <strong>und</strong> Reform, Neuwied- Darmstadt 1979, S. 113-149.<br />

- Verfahrenshindernisse <strong>von</strong> Verfassungs wegen? In: JR 1985, S. 45-48.<br />

- Vereinfachte Verfahrensvorschriften für den Einzelrichter in Strafsachen. In: JR<br />

1975, S. 224-229.<br />

- / Thym, Jörg: Rechtsschutz gegen strafprozessuale Zwangsmaßnahmen. In: GA 1981,<br />

S.189-212.<br />

Riezler, Erwin: Berufung auf eigenes Unrecht. In: JherJb. 89 (1941), S. 177 - 276.<br />

Rimmelspacher, Bruno: Zur Prüfung <strong>von</strong> Amts wegen im Zivilprozeß. Göttingen 1966.<br />

Ritter, Kurt-Lennart: Der praktische Gang der Strafrechtspflege. Bonn 1960.<br />

Röhl, HelImut: Das rechtliche Gehör. In: NJW 1964, S. 273 - 279.<br />

Römer, Josef: Empfiehlt es sich, besondere strafprozessuale Vorschriften für Großverfahren<br />

einzuführen? In: Verhandlungen des 50. DJT, 2. Bd., München 1974,<br />

S.K7-K41.<br />

- Kooperatives Verhalten der Rechtspflegeorgane im <strong>Strafverfahren</strong>? In: Festschrift<br />

für Erich Schmidt-Leichner, München 1977, S. 133 -144.<br />

Rönnau, Thomas: <strong>Die</strong> Absprache im Strafprozeß. Baden-Baden 1990.


312 Schrifttumsverzeichnis<br />

Rogall, Klaus: Der Beschuldigte als Beweismittel gegen sich selbst. Berlin 1977.<br />

- Hypothetische Ermittlungsverläufe im Strafprozeß. In: NStZ 1988, S. 385 -39<strong>3.</strong><br />

Rosenberg, Leo: <strong>Die</strong> Beweislast. 5. Aufl. München 1965.<br />

- / Schwab, Karl Heinz: Zivilprozeßrecht. 14. Aufl. München 1986.<br />

RosenthaI, Claudia: § 121 StPO - <strong>Die</strong> Verkürzung der <strong>Dauer</strong> der Untersuchungshaft<br />

durch die Beschleunigung des Verfahrens. Diss. iur. München 1975.<br />

Rothenfluth, Walter: <strong>Die</strong> <strong>Dauer</strong> des Strafprozesses. In: SchwZStR 100 (1983), S. 366­<br />

38<strong>3.</strong><br />

Rottleuthner, Hubert / Rottleuthner-Lutter, Margret: <strong>Die</strong> <strong>Dauer</strong> <strong>von</strong> Gerichtsverfahren.<br />

Baden-Baden 1990.<br />

- Zur Wirksamkeit der ZPO-Vereinfachungsnovelle. In: DRiZ 1987, S. 139-144.<br />

Rottleuthner-Lutter, Margret: Evaluation mit Hilfe der Box-Jenkins-Methode. Frankfurt/Mo<br />

- Bern - New York 1986.<br />

Roxin, Claus: <strong>Strafverfahren</strong>srecht. 19. Aufl. München 1985.<br />

<strong>Strafverfahren</strong>srecht. 20. Aufl. München 1987.<br />

<strong>Strafverfahren</strong>srecht. 21. Aufl. München 1989.<br />

Roxin, Imme: <strong>Die</strong> Rechtsfolgen schwerwiegender Rechtsstaatsverstöße in der Strafrechtspflege.<br />

München 1988. (zit.: Rechtsfolgen).<br />

Rudolph, Kurt: Beschleunigung des Zivilprozesses. In: Justiz,<strong>und</strong> Recht, Festschrift für<br />

die Deutsche Richterakademie, Heidelberg 1983, S. 151-17<strong>3.</strong><br />

Rudolphi, Hans-Joachim: Strafvereitelung durch Verzögerung der Bestrafung <strong>und</strong> Selbstbegünstigung<br />

durch Vortäuschen einer Straftat - BayObLG, NJW 1978,256<strong>3.</strong> In:<br />

JuS 1979, S. 859 - 86<strong>3.</strong><br />

- Das <strong>Strafverfahren</strong>sänderungsgesetz 1979. In: JuS 1978, S. 864-867.<br />

- Zum Wesen der Rechtsbeugung. In: ZStW 82 (1970), S. 610-632.<br />

RückeI, Christoph: Verteidigertaktik bei Verständigungen <strong>und</strong> Vereinbarungen im <strong>Strafverfahren</strong>.<br />

In: NStZ 1987, S. 297 - 304.<br />

Rückerl, Adalbert: NS-Verbrechen vor Gericht. 2. Aufl. Heidelberg 1984.<br />

Rüping, Hinrich: Beendigung der Tat <strong>und</strong> Beginn der Verjährung. In: GA 1985, S. 437­<br />

448.<br />

- Gr<strong>und</strong>riß der Strafrechtsgeschichte. München 1981.<br />

- Der Gr<strong>und</strong>satz des rechtlichen Gehörs <strong>und</strong> seine Bedeutung im <strong>Strafverfahren</strong>. Berlin<br />

1976.<br />

- <strong>Die</strong> Mitverantwortung des Staates als Strafverfolgungsverbot. Köln 198<strong>3.</strong><br />

- Der Schutz der Menschenrechte im <strong>Strafverfahren</strong> - Wesentliche Erfordernisse<br />

eines gerechten <strong>Strafverfahren</strong>s. In: ZStW 91 (1979), S. 351-36<strong>3.</strong><br />

- Das <strong>Strafverfahren</strong>. 2. Aufl. München 198<strong>3.</strong><br />

- / Dornseifer, Gerhard: Dysfunktionales Verhalten im Prozeß. In: JZ 1977, S. 417-<br />

420.<br />

Rupprecht. Reinhard: Vorprüfung der Verfassungsbeschwerde. In: JZ 1970, S. 207 - 212.<br />

Schrifttumsverzeichnis 313<br />

Sachs, Michael: Effektive Rechtsschutzgewährleistung in einer einheitlichen Verwaltungsprozeßordnung.<br />

In: ZRP 1982, S. 227 - 232.<br />

Sack, Hans-Jürgen: Beschleunigung <strong>von</strong> <strong>Strafverfahren</strong> durch Aufteilung <strong>und</strong> Beschränkung<br />

des Prozeßstoffs. In: NJW 1976, S. 604 -606.<br />

Salditt, Franz: Anmerkung zu BGH, Urt. v. 9.12.1988 - 2 StR 279/88 (BGHSt 36,<br />

S. 44). In: NStZ 1989, S. 332 f.<br />

SaIger, Hannskarl: <strong>Die</strong> Bedeutung des Tatzeit-Blutalkoholwertes für die Beurteilung der<br />

erheblich verminderten Schuldfähigkeit. In: Strafrecht, Unternehmensrecht, Anwaltsrecht,<br />

Festschrift für Gerd Pfeiffer, Köln - Berlin - Bonn - München 1988, S. 379­<br />

395.<br />

Samson, Erich: Strafvereitelung auf Zeit. In: JA 1982, S. 181 - 184.<br />

Sarstedt, Werner: Fragen zur Rechtsbeugung. In: Festschrift für Ernst Heinitz, Berlin<br />

1972, S. 427-444.<br />

- Reform der Untersuchungshaft. In: <strong>Die</strong> Justiz 1963, S. 184-191.<br />

- <strong>Die</strong> Überlastung des Richters (1957). In: ders., Rechtsstaat als Aufgabe, Berlin-<br />

New York 1987, S. 213-216.<br />

- Überlastung der Strafjustiz (1971). In: ders., Rechtsstaat als Aufgabe, Berlin - New<br />

York 1987, S. 217-228.<br />

- / Hamm, Rainer: <strong>Die</strong> Revision in Strafsachen. 5. Aufl. Berlin - New York 198<strong>3.</strong><br />

Sauer, Wilhelm: Gr<strong>und</strong>lagen des Prozeßrechts. 2. Aufl. Stuttgart 1929.<br />

- Gr<strong>und</strong>lagen des Strafrechts. 1. Aufl. Berlin-Leipzig 1921.<br />

- Allgemeine Strafrechtslehre. <strong>3.</strong> Aufl. Berlin 1955.<br />

Sax, Walter: Gr<strong>und</strong>sätze der Strafrechtspflege. In: Bettermann, K. A. / Nipperdey, H. C.<br />

/ Scheuner, U. (Hrsg.), <strong>Die</strong> Gr<strong>und</strong>rechte, <strong>3.</strong> Bd., 2. Halbbd., Berlin 1959, S. 909-1014.<br />

Schäfer, Gerhard: <strong>Die</strong> Praxis des <strong>Strafverfahren</strong>s. 4. Aufl. Stuttgart - Berlin - Köln ­<br />

Mainz 1986.<br />

- Praxis der Strafzumessung. München 1990.<br />

Schäfer, Karl: Referat. In: Niederschriften über die Sitzungen der Großen Strafrechtskommission,<br />

2. Bd., Bonn 1958, S. 332-34<strong>3.</strong><br />

Schätzler, Johann-Georg: Anmerkung zu OLG Düsseldorf, Beschl. V. 12.1.1989 ­<br />

5 Ss 337/88 - 63/88 IV. In: GA 1990, S. 36-38.<br />

- Gesetz über die Entschädigung für Strafverfolgungsmaßnahmen (StrEG). Kommentar.<br />

2. Aufl. München 1982.<br />

- Handbuch des Gnadenrechts. München 1976.<br />

Schaffstein, Friedrich: Der Begriff "Strafanspruch" <strong>und</strong> sein rechtspolitischer Gehalt.<br />

In: DJZ 1934, Sp. 1174-1179.<br />

- <strong>Die</strong> Zulässigkeit der alternativen Tatbestandsfeststellung im Strafprozeßrecht. In:<br />

JW 1934, S. 531 f.<br />

Schairer, Martin: Der befangene Staatsanwalt. Berlin 198<strong>3.</strong><br />

Schaupp-Haag, Judith: <strong>Die</strong> Erschöpfung des innerstaatlichen Rechtsweges nach Art. 26<br />

EMRK <strong>und</strong> das deutsche Recht. Frankfurt/M. - Bern - New York 1987.


314 Schrifttumsverzeichnis Schrifttumsverzeichnis 315<br />

Schautz, Walter: Strafrechtliche Grenzen des Verteidigerhandeins, insbesondere im Hinblick<br />

auf die Strafvereitelung, § 258 StGB. Diss. iur. Würzburg 1988.<br />

Scheffler, Uwe: Anmerkung zu BGH, Urt. v. 18.4.1990 -<br />

1990, S. 319-321.<br />

3 StR 252/88. In: wistra<br />

- Buchbesprechung: Küng-Hofer, R., <strong>Die</strong> Beschleunigung des <strong>Strafverfahren</strong>s unter<br />

Wahrung der Rechtsstaatlichkeit. In: MschrKrim 68 (1985), S. 67 f.<br />

- Gr<strong>und</strong>legung eines kriminologisch orientierten Strafrechtssystems. Frankfurt/M.­<br />

Bern - New York - Paris 1987.<br />

- Der Hilfsbeweisantrag <strong>und</strong> seine Bescheidung in der Hauptverhandlung. In: NStZ<br />

1989, S. 158-160.<br />

- Kriminologische Kritik des Schuldstrafrechts. Frankfurt/M. - Bern - New York 1985.<br />

- Legitimation <strong>und</strong> Funktion des Beschleunigungsprinzips im Jugendstrafrecht. In:<br />

RdJB 1981, S. 451-464.<br />

Schenke, Wolf-Rüdiger: Rechtsschutz bei strafprozessualen Eingriffen <strong>von</strong> Staatsanwaltschaft<br />

<strong>und</strong> Polizei. In: NJW 1976, S. 1816-182<strong>3.</strong><br />

Schewe, Günter: <strong>Die</strong> "mögliche" Blutalkoholkonzentration <strong>von</strong> 2 %0 als "Grenzwert der<br />

absoluten verminderten Schuldfähigkeit"? In: JR 1987, S. 179 -185.<br />

Schindler, <strong>Die</strong>trich: <strong>Die</strong> innerstaatlichen Wirkungen der Entscheidungen der europäischen<br />

Menschenrechtsorgane. In: Festschrift für Max Guldener, Zürich 1973, S. 273­<br />

290.<br />

Schlaich, Klaus: Das B<strong>und</strong>esverfassungsgericht -<br />

München 1985.<br />

Stellung, Verfahren, Entscheidungen.<br />

Schlüchter, Ellen: Anmerkung zu OLG Frankfurt, Beschl. v. 14.2.1986 - 1 Ss 7/86.<br />

In: JR 1987, S. 81-8<strong>3.</strong><br />

- Das <strong>Strafverfahren</strong>. 2. Auf!. Köln - Berlin - Bonn - München 198<strong>3.</strong><br />

- Wider die Verwirkung <strong>von</strong> Verfahrensrügen im Strafprozeß. In: Gedächtnisschrift<br />

für Karlheinz Meyer, Berlin - New York 1990, S. 445-467.<br />

Schlüter, Wilfried: Das Obiter dictum. München 197<strong>3.</strong><br />

Schmalz, <strong>Die</strong>ter: Strafprozeß <strong>und</strong> Staatsrecht: Überlänge <strong>von</strong> Gerichts-, insbesondere<br />

<strong>Strafverfahren</strong>. In: JuraTelegramm 1990, S. 30-32.<br />

Schmid, Werner: <strong>Die</strong> "Verwirkung" <strong>von</strong> VerfahrensfÜgen im Strafprozeß. Frankfurt/M.<br />

1967.<br />

Schmidhäuser, Eberhard: Zur Frage nach dem Ziel des Strafprozesses. In: Festschrift<br />

für Eberhard Schmidt, Göttingen 1961, S. 511-524.<br />

Objektive Strafbarkeitsbedingungen. In: ZStW 71 (1959), S. 545-564.<br />

Strafrecht. Allgemeiner Teil. 2. Auf!. Tübingen 1975.<br />

Strafrecht. Besonderer Teil. Tübingen 1980.<br />

Der Verdeckungsmord <strong>und</strong> das Urteil BGH - 2 StR 559/87. In: NStZ 1989, S. 55­<br />

58.<br />

Schmidt, Eberhard: Begnadigung <strong>und</strong> Amnestie. In: Anschütz, G. / Thoma, R. (Hrsg.),<br />

Handbuch des Deutschen Strafrechts, 2. Bd., Tübingen 1932, S. 563 -571.<br />

- Einführung in die Geschichte der deutschen Strafrechtspf!ege. <strong>3.</strong> Auf!. Göttingen<br />

1965.<br />

- Kammergericht <strong>und</strong> Rechtsstaat. Berlin 1968.<br />

- <strong>Die</strong> oberlandesgerichtliche Kontrolle der <strong>Dauer</strong> der Untersuchungshaft (StPO §§ 121,<br />

122). In: NJW 1968, S. 2209-2219.<br />

- Lehrkommentar zur Strafprozeßordnung <strong>und</strong> zum Gerichtsverfassungsgesetz. Teil I.<br />

2. Auf!. Göttingen 1964.<br />

- Lehrkommentar zur Strafprozeßordnung <strong>und</strong> zum Gerichtsverfassungsgesetz. Teil 11.<br />

Göttingen 1957.<br />

- Das deutsche Richtergesetz. In: JZ 1963, S. 73 - 81.<br />

Schmidt, Gerhard: Großverfahren <strong>und</strong> Strafprozeßrecht. In: JR 1974, S. 320- 325.<br />

- Vorschläge zur Beschleunigung <strong>und</strong> Straffung des <strong>Strafverfahren</strong>s. In: DRiZ 1971,<br />

S.77-79.<br />

Schmidt, Hans Wolfgang: Gr<strong>und</strong>sätze der Rechtsprechung des BGH zu § 137 Abs. 1<br />

Satz 2 <strong>und</strong> § 146 StPO. In: MDR 1977, S. 529- 532.<br />

Schmidt-Aßmann, Eberhard: Konzentrierter oder phasenspezifischer Rechtsschutz? In:<br />

DVBl. 1981, S. 334-339.<br />

Privileg des Wohlstandskriminel­<br />

Schmidt-Hieber, Werner: Absprache im Strafprozeß -<br />

len? In: NJW 1990, S. 1884 - 1888.<br />

- Absprachen im Strafprozeß - Rechtsbeugung <strong>und</strong> Klassenjustiz? In: DRiZ 1990,<br />

S.321-326.<br />

- Beschleunigung des <strong>Strafverfahren</strong>s durch Kooperation? In: Justiz <strong>und</strong> Recht, Festschrift<br />

für die Deutsche Richterakademie, Heidelberg 1983, S. 193 -207.<br />

- Buchbesprechung: Dencker, F. / Hamm, R., Der Vergleich im Strafprozeß. In: NJW<br />

1989, S. 284.<br />

- Hinweis auf die strafmildernden Wirkungen eines Geständnisses? In: Festschrift für<br />

Rudolf Wassermann, Neuwied - Darmstadt 1985, S. 995 -1005.<br />

- Verständigung im <strong>Strafverfahren</strong>. München 1986.<br />

- Verständigung im <strong>Strafverfahren</strong>. In: Absprache im Strafprozeß - ein Handel mit<br />

der Gerechtigkeit? Bericht über das Symposium am 20. <strong>und</strong> 21. November 1986 in<br />

Triberg, Stuttgart 1987, S. 50-65.<br />

Schmidt-Leichner, Erich: <strong>Strafverfahren</strong>srecht 1975 -<br />

NJW 1975, S. 417-422.<br />

Fortschritt oder Rückschritt? In:<br />

Schmidt-Räntsch, Günther / Schmidt-Räntsch, Jürgen: Deutsches Richtergesetz. Kommentar.<br />

4. Auf!. München 1988.<br />

Schmidt-Räntsch, Ruth: <strong>Die</strong>nstaufsicht über Richter. Bielefeld 1985.<br />

Schmidt-Speicher, Ursula: Hauptprobleme der Rechtsbeugung unter besonderer Berücksichtigung<br />

der historischen Entwicklung des Tatbestandes. Berlin 1982.<br />

Schmidt-<strong>von</strong> Rhein, Georg: Das Reichskammergericht in Wetzlar. In: NJW 1990, S. 489­<br />

494.<br />

Schnapp, Friedrich E.: <strong>Die</strong> Verhältnismäßigkeit des Gr<strong>und</strong>rechtseingriffs. In: JuS 1983,<br />

S.850-855.


316 Schrifttumsverzeichnis Schrifttumsverzeichnis 317<br />

Schneider, Egon: Anmerkung zu BGH, Urt. v. 1<strong>3.</strong>2.1974 - 2 StR 552/73 (BGHSt 25,<br />

S. 285). In: MDR 1974, S. 944 f.<br />

- <strong>Die</strong> Beweisvereitelung. In: MDR 1969, S. 4-10.<br />

- Nichterhebung <strong>von</strong> Kosten nach § 7 GKG. In: JurBüro 1975, Sp. 869-878.<br />

- Überlastung <strong>und</strong> Entlastung der Justiz. In: MDR 1989, S. 870-872.<br />

- Urteilskritik. In: MDR 1971, S. 182-185.<br />

Schneider, Hans: Zur Verhältnismäßigkeits-Kontrolie insbesondere bei Gesetzen. In:<br />

B<strong>und</strong>esverfassungsgericht <strong>und</strong> Gr<strong>und</strong>gesetz, Festgabe für das B<strong>und</strong>esverfassungsgefleht,<br />

2. Bd., Tübingen 1976, S. 390-404.<br />

Schänke, Adolf: Beweislast, tatsächliche Vermutungen <strong>und</strong> schuldhafte Vereitelung der<br />

Beweisführung. In: ZAkDR 1939, S. 193 f.<br />

- / Kuchinke, Kurt: Zivilprozeßrecht. 9. Auf!. Karlsruhe 1969.<br />

Schönke / Schröder. Strafgesetzbuch. Kommentar. 2<strong>3.</strong> Auf!. Bearb. v. Th. Lenckner, P.<br />

Cramer, A. Eser <strong>und</strong> W. Stree. München 1988.<br />

Scham, Hubert: <strong>Die</strong> Europäische Konvention zum Schutze der Menschenrechte <strong>und</strong><br />

Gr<strong>und</strong>freiheiten. Kommentar. Frankfurt/M. 1965.<br />

- Der Schutz der Menschenwürde im <strong>Strafverfahren</strong>. Neuwied - Berlin 196<strong>3.</strong><br />

Schreiber, Hans-Ludwig: Akteneinsicht für Laienrichter? Zu den Gr<strong>und</strong>sätzen <strong>von</strong> Mündlichkeit<br />

<strong>und</strong> Unmittelbarkeit im Strafprozeß. In: Festschrift für Hans Welzel, Berlin _<br />

New York 1974, S. 941-956.<br />

- Parteispenden <strong>und</strong> Strafrecht. In: Gedächtnisschrift für Armin Kaufmann Köln-<br />

Berlin - Bonn - München 1989, S. 819-838.<br />

'<br />

- Probleme der Rechtsbeugung. In: GA 1972, S. 193-208.<br />

Schroeder, Friedrich-Christian: Anmerkung zu LG Hannover, Urt. v. 7.10.1975 _<br />

12 Kls 4/7<strong>3.</strong> In: NJW 1976, S. 980.<br />

- Kritische Bemerkungen zum <strong>Strafverfahren</strong>sänderungsgesetz 1989. In: NJW 1979<br />

S. 1527 -1530. '<br />

- Grenzen der Rationalisierung des <strong>Strafverfahren</strong>s. In: NJW 1983, S. 137 -142.<br />

- Legalitäts- <strong>und</strong> Opportunitätsprinzip heute. In: Einheit <strong>und</strong> Vielfalt des Strafrechts<br />

Festschrift für Karl Peters, Tübingen 1974, S. 411-427.<br />

'<br />

- Strafprozeßrecht. Fälle <strong>und</strong> Lösungen nach höchstrichterlichen Entscheidungen.<br />

1. Aufl. Karlsruhe 1969.<br />

- Strafprozeßrecht. Fälle <strong>und</strong> Lösungen nach höchstrichterlichen Entscheidungen.<br />

2. Aufl. Heidelberg 198<strong>3.</strong><br />

Schröder, Horst: Anmerkung zu BGH, Urt. v. 2<strong>3.</strong>7.1970 - 4 StR 241/70 (BGHSt 23,<br />

S. 307). In: JR 1971, S. 28 f.<br />

- Zur Verteidigung der Rechtsordnung. In: JZ 1971, S. 241 - 244.<br />

Schrath, Ulrich: Buchbesprechung: Bruns, H.-J., Neues Strafzumessungsrecht? In:<br />

MschrKrim 72 (1989), S. 492.<br />

- Strafrechtliche <strong>und</strong> strafprozessuale Konsequenzen aus der Überlänge <strong>von</strong> <strong>Strafverfahren</strong>.<br />

In: NJW 1990, S. 29-31.<br />

Schubarth, Martin: Faustrecht statt Auslieferungsrecht? In: StV 1987, S. 173 - 175.<br />

Schubert, Wemer: Anmerkung zu BGH, Urt. v. 6.12.1988 -<br />

1989, S. 280.<br />

XI ZR 19/88. In: JR<br />

Schünemann, Bemd: Absprachen im <strong>Strafverfahren</strong>? Gr<strong>und</strong>lagen, Gegenstände <strong>und</strong><br />

Grenzen. In: Verhandlungen des 58. DJT, 1. Bd., München 1990, S. B I-B 178.<br />

- Anmerkung zu LG Hamburg, Beschl. v. 16.1.1981 - (90) 3/80 Ks - 147 Js<br />

8/75. In: NStZ 1981, S. 143 f.<br />

- Der polizeiliche Lockspitzel- Kontroverse ohne Ende? In: StV 1985, S. 424-431.<br />

- Reflexionen über die Zukunft des deutschen <strong>Strafverfahren</strong>s. In: Strafrecht, Untemehmensrecht,<br />

Anwaltsrecht, Festschrift für Gerd Pfeiffer, Köln - Berlin - Bonn - München<br />

1988, S. 461-484.<br />

- Das beschleunigte Verfahren im Zwiespalt <strong>von</strong> Gerechtigkeit <strong>und</strong> Politik. In: NJW<br />

1968, S. 975 f.<br />

- Prozeßrechtliche Vorgaben für die Kommunikation im Strafprozeß. In: Absprache<br />

im Strafprozeß - ein Handel mit der Gerechtigkeit? Bericht über das Symposium<br />

am 20. <strong>und</strong> 21. November 1986 in Triberg, Stuttgart 1987, S. 24-49.<br />

Schultz, Günther: Blick in die Zeit. In: MDR 1971, S. 191-19<strong>3.</strong><br />

Schutz, Joachim: Anmerkung zu BGH, Urt. v. 6.12.1983 -<br />

1985, S. 312 f.<br />

5 StR 677 /8<strong>3.</strong> In: StV<br />

Schumacher, Ulrich: Kontinuität <strong>und</strong> Diskontinuität im <strong>Strafverfahren</strong>srecht. Köln 1987.<br />

Schumann, Ekkehard: <strong>Die</strong> Gegenvorstellung im Zivi1prozeßrecht. In: Festschrift für<br />

Gottfried Baumgärtei, Köln - Berlin - Bonn - München 1990, S. 491-502.<br />

- Menschenrechtskonvention <strong>und</strong> Wiederaufnahme des Verfahrens. In: NJW 1964,<br />

S. 753 -756.<br />

- Menschenrechtskonvention <strong>und</strong> Zivilprozeß. In: Festschrift für Karl Heinz Schwab,<br />

München 1990, S. 449-46<strong>3.</strong><br />

- <strong>Die</strong> Prozeßökonomie als rechtsethisches Prinzip. In: Festschrift für Karl Larenz,<br />

München 1973, S. 271-287.<br />

- Verfassungs- <strong>und</strong> Menschenrechtsbeschwerde gegen richterliche Entscheidungen.<br />

Berlin 196<strong>3.</strong><br />

Schumann, Heribert: Verfahrenshindemis bei Einsatz <strong>von</strong> V-Leuten als agents provocateurs?<br />

In: JZ 1986, S. 66-72.<br />

Schwarz, Ouo: Das neue Strafrecht. In: DJZ 1934, Sp. 43 - 50.<br />

Schwenk, Edm<strong>und</strong> H.: <strong>Die</strong> strafprozessualen Bestimmungen des NATO-Truppenstatus,<br />

des Zusatzabkommens <strong>und</strong> des Unterzeichnungsprotokolls zum Zusatzabkommen.<br />

In: NJW 1963, S.1425-1430.<br />

- Strafprozessuale Probleme des NATO-Truppenstatuts. In: JZ 1976, S. 581- 58<strong>3.</strong><br />

- Das Recht des Beschuldigten auf alsbaldige Hauptverhandlung. In: ZStW 79 (1967),<br />

S.721-740.<br />

Schwentker, Wolfgang: Der Ausschluß der Beschwerde nach § 305 StPO. Pfaffenweiler<br />

1990.


318 Schrifttumsverzeichnis Schrifttumsverzeichnis 319<br />

Schwind / Böhm. Strafvollzugsgesetz. Großkommentar. Hrsg. v. H.-D. Schwind <strong>und</strong> A.<br />

Böhm. Berlin - New York 198<strong>3.</strong><br />

Seebade, Manfred: Anmerkung zu BGH, Urt. v. 1<strong>3.</strong>8.1985 -<br />

33, S. 290). In: JR 1986, S. 474-478.<br />

1 StR 330/85 (BGHSt<br />

- Anmerkung zu OLG Hamm, Beschl. v. 22.4.1988 - 11 W 133/87. In: NStZ 1989,<br />

S. 328 f.<br />

- Zur Bedeutung der Gesetzgebung für die Haftpraxis. In: StV 1989, S. 118 - 122.<br />

- Das Verbrechen der Rechtsbeugung. Neuwied-Berlin 1969.<br />

Seelmann, Kurt: Zur materiell-rechtlichen Problematik des V-Mannes. In: ZStW 95<br />

(1983), S. 797-83<strong>3.</strong><br />

- Staatliches venire contra factum proprium als strafprozessuales Problem. In: Dogmatik<br />

<strong>und</strong> Praxis des <strong>Strafverfahren</strong>s, Geburtstagscolloquium für Gerhard Kielwein,<br />

Köln - Berlin - Bonn - München 1989, S. 25-30.<br />

- Der anonyme Zeuge - ein erstrebenswertes Ziel der Gesetzgebung? In: StV 1984,<br />

S.477-48<strong>3.</strong><br />

Seetzen, Uwe: Untersuchungshaft <strong>und</strong> Verfahrensverzögerung insbesondere nach erstinstanzlicher<br />

Hauptverhandlung. In: ZRP 1975, S. 29-32.<br />

- Zur Verhandlungs(un)fähigkeit. In: DRiZ 1974, S. 259-261.<br />

Seibert, Helga: Europäische Menschenrechtskonvention <strong>und</strong> B<strong>und</strong>esverfassungsgericht.<br />

In: <strong>Die</strong> Freiheit der Anderen, Festschrift für Martin Hirsch, Baden-Baden 1981,<br />

S.519-527.<br />

Sendler, Horst: Möglichkeiten der Beschleunigung des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens.<br />

In: DVBl. 1982, S. 923 - 93<strong>3.</strong><br />

- Zu wenig durch zu viel Rechtsschutz im Verwaltungsprozeß? Oder: Wäre weniger<br />

mehr? In: Justiz <strong>und</strong> Recht, Festschrift für die Deutsche Richterakademie, Heidelberg<br />

1983, S.175-192.<br />

Shin, Dong Woon: Anklagepflicht <strong>und</strong> Opportunitätsprinzip im deutschen <strong>und</strong> koreanischen<br />

Recht. Pfaffenweiler 1984.<br />

Siebert, Wolfgang: Verwirkung <strong>und</strong> Unzulässigkeit der Rechtsausübung. Marburg 1934.<br />

Sieg, Hans 0.: <strong>Die</strong> staatlich provozierte Straftat. In: StV 1981, S. 636-638.<br />

- Unzulässige Tatprovokation nur Beweisverwertungsverbot? In: MDR 1987, S. 368 f.<br />

Siegert, Karl: Zum Kampf gegen die Riesenprozesse. In: DRiZ 1932, S. 203-205.<br />

Siolek, Wolfgang: Verständigung im <strong>Strafverfahren</strong> -<br />

In: DRiZ 1989, S. 321-330.<br />

eine verfassungswidrige Praxis!<br />

Soergel. Bürgerliches Gesetzbuch mit Einführungsgesetz <strong>und</strong> Nebengesetzen. Kommentar.<br />

11. Auf!. Bearb. v. H.J. Abraham u. a. Stuttgart - Berlin - Köln - Mainz 1978­<br />

1986.<br />

Soergel. Bürgerliches Gesetzbuch mit Einführungsgesetz <strong>und</strong> Nebengesetzen. Kommentar.<br />

12. Auf!. Bearb. v. J. F. Baur u. a. Stuttgart - Berlin - Köln - Mainz ab 1988.<br />

Sommer, Wolf-Eckart: Straßenplanung durch Bebauungsplan <strong>und</strong> die Rechtsstellung des<br />

Anliegers. In: DVBl. 1973, S. 481-484.<br />

Sommermann, Karl-Peter: Völkerrechtlich garantierte Menschenrechte als Maßstab der<br />

Verfassungskonkretisierung - <strong>Die</strong> Menschenrechtsfre<strong>und</strong>lichkeit des Gr<strong>und</strong>gesetzes.<br />

In: AöR 114 (1989), S. 391-422.<br />

Spaniol, Margret: Das Recht auf Verteidigerbeistand im Gr<strong>und</strong>gesetz <strong>und</strong> in der Europäischen<br />

Menschenrechtskonvention. Berlin 1990.<br />

Spendei, Günter: Der BGH <strong>und</strong> das Mordmerkmal "Heimtücke". In: StV 1984, S. 45 -48.<br />

- "Heimtücke" <strong>und</strong> gesetzliche Strafe bei Mord. In: JR 1983, S. 269-27<strong>3.</strong><br />

- Rechtsbeugung im Jugendstrafverfahren. In: JR 1985, S. 485-490.<br />

Stackelberg, Curt Freiherr <strong>von</strong>: Anmerkung zu OLG Bremen, Beschl. v. 17.2.1960­<br />

Ws 15/60. In: NJW 1960, S. 1265 f.<br />

- Verjährung <strong>und</strong> Verwirkung des Rechts auf Strafverfolgung. In: Festschrift für Paul<br />

Bockelmann, München 1979, S. 759-769.<br />

- / Stackelberg jun., Curt Freiherr <strong>von</strong>: <strong>Die</strong> Verfahren der deutschen Verfassungsbeschwerde<br />

<strong>und</strong> der europäischen Menschenrechtsbeschwerde. Köln - Berlin - Bonn ­<br />

München 1988.<br />

Staudinger. Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch mit Einführungsgesetz <strong>und</strong> Nebengesetzen.<br />

12. Auf!. Bearb. v. H. Amann u. a. Berlin ab 1978.<br />

Stein, Ekkehart / Schumann, Karl F. / Winter, Gerd: Organisatorische Probleme des Strafprozesses.<br />

In: Steinert, H. (Hrsg.), Der Prozeß der Kriminalisierung, München 1973,<br />

S. 112-12<strong>3.</strong><br />

Stein / Jonas. Kommentar zur Zivilprozeßordnung. 20. Auf!. Bearb. v. W. Grunsky, D.<br />

Leipold, W. Münzberg, P. Schlosser <strong>und</strong> E. Schumann. Tübingen 1977 -1989.<br />

Steinberg, Wilhelm: Das Problem der Zumutbarkeit im Steuerrecht. In: BB 1968, S. 433-<br />

438.<br />

Stiefel, Karl Herrnann: Zur Entlastung der Zivilgerichtsbarkeit. In: ZRP 1989, S. 324 f.<br />

Stötter, Viktor: Lange Prozeßdauer <strong>und</strong> ihre Ursachen. In: NJW 1968, S. 521-526.<br />

Strate, Gerhard: Anmerkung zu BGH, Urt. v. 7.6.1989 - 2 StR 66/89 (BGHSt 36,<br />

S. 210). In: NStZ 1989, S. 439 f.<br />

- Anmerkung zu BGH, Urt. v. 15.2.1990 - 4 StR 658/89. In: StV 1990, S. 392 f.<br />

- Richterliche Befangenheit <strong>und</strong> rechtliches Gehör. In: Strafverteidigung <strong>und</strong> Strafprozeß,<br />

Festgabe für Ludwig Koch, Heidelberg 1989, S. 261-275.<br />

- Urteil im Schmücker-Prozeß. In: DuR 1986, S. 363-365.<br />

Stratenwerth, Günter: Objektive Strafbarkeitsbedingungen im Entwurf eines StGB 1959.<br />

In: ZStW 71 (1959), S. 565-578.<br />

- Tatschuld <strong>und</strong> Strafzumessung. Tübingen 1972.<br />

Stree, Walter: Anmerkung zu BGH, Urt. v. 1<strong>3.</strong>2.1974 - 2 StR 552/73 (BGHSt 25,<br />

S. 285). In: JA 1974, S. 299 f.<br />

- Begünstigung, Strafvereitelung <strong>und</strong> Hehlerei. In: JuS 1976, S. 137 - 145.<br />

Streng, Franz: Mittelbare Strafwirkungen <strong>und</strong> Strafzumessung. In: NStZ 1988, S. 485 ­<br />

487.<br />

Strubei, Bemd-Jochen / Sprenger, Wolfgang: <strong>Die</strong> gerichtliche NachpfÜfbarkeit staatsanwaltschaftlicher<br />

Verfügungen. In: NJW 1972, S. 1734-1739.


320 Schrifttumsverzeichnis<br />

Stürner, Rolf: <strong>Die</strong> Aufklärungspflicht der Parteien des Zivilprozesses. Tübingen 1976.<br />

Systematischer Kommentar zum Strafgesetzbuch. Allgemeiner Teil. Bearb. v. H.-J.<br />

Rudolphi, E. Horn <strong>und</strong> E. Samson. Stand: 12. Lfg. 5. Aufl. Frankfurt/M. 1989.<br />

Systematischer Kommentar zum Strafgesetzbuch. Besonderer Teil. Bearb. v. H.-J. Rudolphi,<br />

E. Horn <strong>und</strong> E. Samson. Stand: 26. Lfg. 4. Aufl. Frankfurt/M. 1989.<br />

Systematischer Kommentar zur Strafprozeßordnung. Bearb. v. H.-J. Rudolphi, W. Frisch,<br />

H.-U. Paeffgen, K. Rogall, E. Schlüchter <strong>und</strong> J. Wolter. Stand: 4. Lfg. Frankfurt/M.<br />

1990.<br />

Ein Teilaspekt rechtsmißbräuchli-<br />

Teichmann, Amdt: Venire contra factum proprium -<br />

chen HandeIns. In: JA 1985, S. 497-502.<br />

Tenckhojf, Jörg: Anmerkung zu BGH v. 7.6. 1977 - 1 StR 283/77. In: JR 1978, S. 348 f.<br />

- <strong>Die</strong> Wahrunterstellung im Strafprozeß. Berlin 1980.<br />

Terhorst, Bruno: Informelle Absprachen im Strafprozeß. In: DRiZ 1988, S. 296-298.<br />

Teske, D.: Erläuterung zu BGH, Urt. v. 2<strong>3.</strong>7.1985 - 5 StR 166/85 (BGHSt 33, S. 283).<br />

In: JA 1986, S. 108 f.<br />

Theune, Werner: Zum Strafzumessungs- <strong>und</strong> Maßregelrecht. In: NStZ 1986, S. 493 -498.<br />

Thiel, Dagmar: <strong>Die</strong> polizeiliche Verfolgungspflicht im Rahmen verdeckter Ermittlungen.<br />

Pfaffenweiler 1989.<br />

Tiedemann, Klaus: Zeitliche Grenzen des Strafrechts. In: Einheit <strong>und</strong> Vielfalt des Strafrechts,<br />

Festschrift für Karl Peters, Tübingen 1974, S. 193 - 208.<br />

- Welche strafrechtlichen Mittel empfehlen sich für eine wirksamere Bekämpfung der<br />

Wirtschaftskriminalität? In: Verhandlungen des 49. DJT, 1. Bd., München 1972,<br />

Teil C.<br />

- Wirtschaftsstrafrecht als Aufgabe. In: ders. (Hrsg.), <strong>Die</strong> Verbrechen in der Wirtschaft,<br />

1. Aufl. Karlsruhe 1970, S. 9-39.<br />

Tönnies, Sibylle: Fair trial oder Kann die Flucht in die Generalklausel gegen Kabinettsjustiz<br />

helfen? In: ZRP 1990, S. 292-295.<br />

Tolksdorj, Klaus: Mitwirkungsverbot für den befangenen Staatsanwalt. Berlin 1989.<br />

Tondorj, Günter: Buchbesprechung: Beulke, W., <strong>Die</strong> Strafbarkeit des Verteidigers. In:<br />

StV 1990, S. 285 f.<br />

Triffterer, Otto: Können Mord-Gehilfen der Nationalsozialisten heute noch bestraft werden?<br />

In: NJW 1980, S. 2049-2055.<br />

Tröndle, Herbert: Anmerkung zu BGH, Beschl. v. <strong>3.</strong>5.1978 -<br />

28, S. 29). In: JR 1979, S. 73 f.<br />

3 StR 143/78 (BGHSt<br />

Verwaltungshandeln <strong>und</strong> Strafverfolgung - konkurrierende Instrumente des Umweltrechts?<br />

In: Gedächtnisschrift für Karlheinz Meyer, Berlin - New York 1990,<br />

S.607-631.<br />

Ule, earl Hermann: Rechtstatsachen zur <strong>Dauer</strong> des Verwaltungs-(Finanz-)prozesses.<br />

Berlin 1977.<br />

Ulsamer, Gerhard: Art. 6 Menschenrechtskonvention <strong>und</strong> die <strong>Dauer</strong> <strong>von</strong> <strong>Strafverfahren</strong>.<br />

In: Festschrift für Hans Joachim Faller, München 1984, S. 373 - 385.<br />

Schrifttumsverzeichnis 321<br />

- Europäische Menschenrechtskonvention <strong>und</strong> deutsche Strafverfolgungspraxis. In:<br />

Festschrift für Wolfgang Zeidler, 2. Bd., Berlin - New York 1987, S. 1799-1815.<br />

Ulsenheimer, Klaus: Gr<strong>und</strong>fragen des Rücktritts vom Versuch in Theorie <strong>und</strong> Praxis.<br />

Berlin - New York 1976.<br />

- Zur Problematik der <strong>überlange</strong>n Verfahrensdauer <strong>und</strong> richterlichen Aufklärungspflicht<br />

im Strafprozeß sowie zur Frage der Steuerhinterziehung durch Steuerumgehung.<br />

In: wistra 1983, S. 12-17.<br />

- Zur Regelung des Verteidigerausschlusses in §§ 138a-d, 146 n. F. StPO. In: GA<br />

1975, S. 103-120.<br />

- Verfahrensdauer, <strong>überlange</strong>. In: Krekeler, W. / Tiedemann, K. / Ulsenheimer, K. /<br />

Weinmann, G. (Hrsg.): Handwörterbuch des Wirtschafts- <strong>und</strong> Steuerstrafrechts, Köln<br />

1985.<br />

Veen, Heiner ter: Das unerreichbare Beweismittel <strong>und</strong> seine prozessualen Folgen ­<br />

eine Übersicht zur Rechtsprechung des BGH <strong>und</strong> anderer Obergerichte. In: StV<br />

1985, S. 295 - 305.<br />

Vogel, Hans-Jochen: <strong>Strafverfahren</strong>srecht <strong>und</strong> Terrorismus -<br />

1978, S. 1217-1228.<br />

eine Bilanz. In: NJW<br />

Vogler, Theo: Straf- <strong>und</strong> strafverfahrensrechtliche Fragen in der Spruchpraxis der Europäischen<br />

Kommission <strong>und</strong> des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte. In:<br />

ZStW 89 (1977), S. 761-795.<br />

- <strong>Die</strong> Untersuchungshaft in der Spruchpraxis des Europäischen Gerichtshofes <strong>und</strong><br />

der Europäischen Kommission für Menschenrechte. In: Jescheck, H.-H. / Krümpelmann,<br />

J. (Hrsg.), <strong>Die</strong> Untersuchungshaft im deutschen, ausländischen <strong>und</strong> internationalen<br />

Recht, Bonn 1971, S. 873-884.<br />

- <strong>Die</strong> strafschärfende Verwertung strafbarer Vor- <strong>und</strong> Nachtaten bei der Strafzumessung<br />

<strong>und</strong> die Unschuldsvermutung (Art. 6 Abs. 2 EMRK). In: <strong>Strafverfahren</strong> im<br />

Rechtsstaat, Festschrift für Theodor Kleinknecht, München 1985, S. 429-44<strong>3.</strong><br />

- <strong>Die</strong> Wiederaufnahme des <strong>Strafverfahren</strong>s bei Verstößen gegen die Konvention zum<br />

Schutze der Menschenrechte <strong>und</strong> Gr<strong>und</strong>freiheiten (MRK). In: Jescheck, H.-H. /<br />

Meyer, J. (Hrsg.), <strong>Die</strong> Wiederaufnahme des <strong>Strafverfahren</strong>s im deutschen <strong>und</strong> ausländischen<br />

Recht, Bonn 1974, S. 713-727.<br />

- Strafprozessuale Wirkungen völkerrechtswidriger Entführungen <strong>von</strong> Straftätern aus<br />

dem Ausland. In: Festschrift für <strong>Die</strong>trich Oehler, Köln - Berlin - Bonn - München<br />

1985, S. 379-39<strong>3.</strong><br />

Volk, Klaus: Anmerkung zu BGH, Urt. v. 29.<strong>3.</strong>1983 - 1 StR 50/8<strong>3.</strong> In: NStZ 1983,<br />

S. 423 f.<br />

- In dubio pro reD <strong>und</strong> Alibibeweis - BGHSt 25,285. In: JuS 1975, S. 25-29.<br />

- Prozeßvoraussetzungen im Strafrecht. Ebelsbach 1978.<br />

- Verfahrensfehler <strong>und</strong> Verfahrenshindernisse. In: StV 1986, S. 34-37.<br />

Val/kammer, Max: <strong>Die</strong> lange <strong>Dauer</strong> der Zivilprozesse <strong>und</strong> ihre Ursachen. In: ZZP 81<br />

(1968), S. 102-135.<br />

Vormbaum, Thomas: <strong>Die</strong> Lex Emminger vom 4. Januar 1924. Berlin 1988.<br />

- Der strafrechtliche Schutz des Strafurteils. Berlin 1987.<br />

21 Scheffler


322 Schrifttumsverzeichnis Schrifttumsverzeichnis 323<br />

Voss, Rainer: Wirklich überlastet? In: DRiZ 1988, S. 466.<br />

Wacker, Hans: <strong>Die</strong> Rechtsbeugung. Diss. iur. Kiel 1931.<br />

Wagner, Beatrice: Anmerkung zu EuGH, Urt. v. 1<strong>3.</strong>7.1983 -Zimmermann <strong>und</strong> Steiner<br />

gegen die Schweiz. In: EuGRZ 1983, S. 484 f.<br />

Wagner, Heinz: Amtsverbrechen. Berlin 1975.<br />

- <strong>Die</strong> selbständige Bedeutung des Schuldspruchs im Strafrecht, insbesondere beim<br />

Absehen <strong>von</strong> Strafe gemäß § 16 StGB. In: GA 1972, S. 33-5<strong>3.</strong><br />

- / Rönnau, Thomas: Das "einvernehmliche" Verfahren im Strafprozeß. In: RuP 1990,<br />

S. 161-169.<br />

- - <strong>Die</strong> Absprachen im Strafprozeß. Ein Beitrag zur Gesamtreform des <strong>Strafverfahren</strong>s<br />

mit Gesetzesvorschlägen. In: GA 1990, S. 387 -406.<br />

Wagner, Joachim: Strafprozeßführung über Medien. Baden-Baden 1987.<br />

Wahrendorf, Volker: <strong>Die</strong> Prinzipien der Beweislast im Haftungsrecht. Köln - Berlin­<br />

Bonn - München 1976.<br />

Walder, Hans: Schuldspruch trotz Verfolgungsverjährung? In: Gedächtnisschrift für Peter<br />

NoH, Zürich 1984, S. 313-317.<br />

Walter, Gerhard: Freie Beweiswürdigung. Tübingen 1979.<br />

Walter, Michael: <strong>Die</strong> Rücknahme kriminalrechtlicher Eingriffe als Leitgedanke künftiger<br />

Reformen. In: Hirsch, H. J. (Hrsg.), Deutsch-Spanisches Strafrechtskolloquium 1986,<br />

Baden-Baden 1987, S. 181-191.<br />

Walther, Edelbert: "Verwirkung" <strong>von</strong> Verfahrensrügen? Diss. iur. Münster 1960.<br />

Warburg, Justus R. G.: <strong>Die</strong> Entscheidung über die Kosten der Revision nach erfolgreicher<br />

Verfahrensrüge des Angeklagten im Strafprozeß. In: NJW 1973, S. 23-25.<br />

Warda, Günter: Hauptverhandlung mit dem verhandlungsunfähigen, aber verhandlungswilligen<br />

Angeklagten? In: Festschrift für Hans-Jürgen Bruns, Köln - Berlin - Bonn ­<br />

München 1979, S. 415-455.<br />

Wasmuth, Johannes / Koch, Matthias: Rechtfertigende Wirkung der behördlichen Duldung<br />

im Umweltstrafrecht. In: NJW 1990, S. 2434-2441.<br />

Wasserburg, Klaus: <strong>Die</strong> Wiederaufnahme des <strong>Strafverfahren</strong>s. Stuttgart - Berlin - Köln-<br />

Mainz 198<strong>3.</strong><br />

Wassmann, Hans-Jörg: Strafverteidigung <strong>und</strong> Strafvereitelung. Diss. iur. Hamburg 1982.<br />

Weber, Hans: Das veraltete Revisionsverfahren im Strafprozeß. In: NJW 1961, S. 1388 f.<br />

Weber, Hellmuth <strong>von</strong>: Anmerkung zu OGH BZ, Urt. v. 15.11. 1949 -<br />

NJW 1950, S 272-274.<br />

- Das Absehen <strong>von</strong> Strafe. In: MDR 1956, S. 705 -707.<br />

StS 227/49. In:<br />

- <strong>Die</strong> strafrechtliche Bedeutung der europäischen Menschenrechtskonvention. In:<br />

ZStW 65 (1953), S. 334 - 350.<br />

Weber, Ulrich: Der Mißbrauch prozessualer Rechte im <strong>Strafverfahren</strong>. In: GA 1975,<br />

S.289-305.<br />

Weber-Grellet, Heinrich: (Irr-)Wege aus der Justizmisere. In: NJW 1990, S. 1777 f.<br />

Weider, Hans-Joachim: Anmerkung zu BGH, Beschl. v. 8.8.1989 -<br />

StV 1990, S. 108.<br />

1 StR 369/89. In:<br />

- Anmerkung zu BGH, Urt. v. 16.<strong>3.</strong>1983 - 2 StR 543/82 (BGHSt 31, S. 290). In:<br />

StV 1983, S. 227-229.<br />

Weidmann, Klaus W.: Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte auf dem Weg<br />

zu einem europäischen Verfassungsgerichtshof. Frankfurt/M. - Bern - New York<br />

1985.<br />

Weigend, Thomas: Abgesprochene Gerechtigkeit. In: JZ 1990, S. 774-782.<br />

Weihrauch, Matthias: Verteidigung im Ermittlungsverfahren. 2. Aufl. Heidelberg 1985.<br />

Weiss, Alois: "Mißbrauch" <strong>von</strong> Anwaltsrechten zur "Prozeßsabotage"? In: AnwBl. 1981,<br />

S. 321- 326.<br />

WeÜzel, Jürgen: Der Kampf um die Appellation ans Reichskammergericht. Köln - Wien<br />

1976.<br />

Wetzei, Hans: Das Deutsche Strafrecht. 11. Aufl. Berlin 1969.<br />

Werle, Gerhard: "Sparsamer" Strafprozeß? In: ZRP 1983, S. 197 - 20<strong>3.</strong><br />

Wieacker, Franz: Zur rechtstheoretischen Präzisierung des § 242 BGB. Tübingen 1956.<br />

Wieczorek, Bernhard: Zivilprozeßordnung <strong>und</strong> Nebengesetze. 2. Aufl. Teilw. bearb. v.<br />

G. F. Rössler <strong>und</strong> R. A. Schütze. Berlin - New York 1976-1988.<br />

Wieling, Hans J.: Buchbesprechung: Dette, H. W., Venire contra factum proprium nulli<br />

conceditur. In: AcP 187 (1987), S. 95-102.<br />

- Venire contra factum proprium <strong>und</strong> Verschulden gegen sich selbst. In: AcP 176<br />

(1976), S. 334-355.<br />

Willms, Günther: Anmerkung zu BGH, Urt. v. 1<strong>3.</strong>2.1974 - 2 StR 552/73 (BGHSt 25,<br />

S. 285). In: LM Nr. 61 zu § 261 StPO.<br />

Winterfeld, Achim <strong>von</strong>: Abbau des gesetzlichen Richters? In: NJW 1972, S. 1399-1402.<br />

Witt, Jürgen: Verhältnismäßigkeitsgr<strong>und</strong>satz - Untersuchungshaft, körperliche Eingriffe<br />

<strong>und</strong> Gutachten über den Geisteszustand. Diss. iur. Mainz 1968.<br />

WÜte, Leo: Rechtsstaat <strong>und</strong> Terrorismus. In: DRiZ 1978, S. 289 - 29<strong>3.</strong><br />

WÜtig, Peter: Zum Standort des Verhältnismäßigkeitsgr<strong>und</strong>satzes im System des Gr<strong>und</strong>gesetzes.<br />

In: DÖV 1968, S. 817 - 825.<br />

Woesner, Horst: <strong>Die</strong> Gegenvorstellung im <strong>Strafverfahren</strong>. In: NJW 1960, S. 2129-2132.<br />

Woljf, Adalbert: Verwirken der Verfahrensrüge durch den Angeklagten. In: NJW 1953,<br />

S. 1656-1658.<br />

Wolfslast, Gabriele: Absprachen im Strafprozeß. In: NStZ 1990, S.409-416.<br />

Wolter, Jürgen: Informelle Erledigungsarten <strong>und</strong> summarische Verfahren bei geringfügiger<br />

<strong>und</strong> minderschwerer Kriminalität. In: GA 1989, S. 397 -429.<br />

- <strong>Strafverfahren</strong>srecht <strong>und</strong> Strafprozeßreform. In: GA 1985, S. 49-92.<br />

Ziegler, Ursula: <strong>Die</strong> Aussagegenehmigung im Beamtenrecht. Baden-Baden 1989.<br />

Zielinski, <strong>Die</strong>thart: Strafantrag - Strafantragsrecht. Zur Frage der Funktion des Strafantrags<br />

<strong>und</strong> seinen Wirksamkeitsvoraussetzungen. In: Gedächtnisschrift für Hilde Kaufmann,<br />

Berlin - New York 1986, S. 875-890.<br />

21*


324 Schrifttumsverzeichnis<br />

Zierl, Gerhard: Der Vergleich im <strong>Strafverfahren</strong> -<br />

Bewährung". In: AnwBI. 1985, S. 505.<br />

Oder ,;rausche Geständnis gegen<br />

Zimmerli, Ulrich: Der Gr<strong>und</strong>satz der Verhältnismäßigkeit im öffentlichen Recht. In:<br />

ZSchwR 97 II (1978), S. 1-131.<br />

Zipf, Heinz: Anmerkung zu OLG Karlsruhe, Urt. v. 7.<strong>3.</strong>1974 -<br />

1975, S. 162-164.<br />

I Ss 314/7<strong>3.</strong> In: JR<br />

- Anmerkung zu OLG Karlsruhe, Urt. v. 8.8.1974 - 1 Ws 249/74. In: JR 1975,<br />

S. 296 f.<br />

- Strafantrag, Privatklage <strong>und</strong> staatlicher Strafanspruch. In: GA 1969, S. 234 - 246.<br />

- <strong>Die</strong> Strafmaßrevision. München 1969.<br />

- Strafprozeßrecht. 2. Auf!. Berlin - New York 1977.<br />

- <strong>Die</strong> "Verteidigung der Rechtsordnung". In: Festschrift für Hans-Jürgen Bruns, Köln-<br />

Berlin - Bonn - München 1978, S. 205-221.<br />

ZöHer. Zivilprozeßordnung. Kommentar. 16. Auf!. Bearb. v. R. Geimer, P. Gummer,<br />

K. Herget, P. Philippi, E. Schneider, D. Stephan, K. Stöber <strong>und</strong> M. VoHkommer.<br />

Köln 1990.<br />

Zörb, Klaus P.: Untersuchungshaftentschädigung für Ausländer nach UHaftEntschG<br />

oder Europäischer Menschenrechtskonvention? In: NJW 1970, S. 2146 f.<br />

Zuck, Rüdiger: Einige verfassungsrechtliche Bemerkungen zum Gr<strong>und</strong>satz "ein Verteidiger<br />

- ein Beschuldigter" (§ 146 StPO n. F.). In: NJW 1975, S. 434 f.<br />

- Neue Tendenzen in der Kammerrechtsprechung des BVerfG. In: NJW 1990,<br />

S. 2449 f.

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