3. Die überlange Dauer von Strafverfahren - Materiellrechtliche und
3. Die überlange Dauer von Strafverfahren - Materiellrechtliche und
3. Die überlange Dauer von Strafverfahren - Materiellrechtliche und
- Keine Tags gefunden...
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
Schriften zum Strafrecht<br />
Heft 89<br />
<strong>Die</strong> <strong>überlange</strong> <strong>Dauer</strong> <strong>von</strong><br />
<strong>Strafverfahren</strong><br />
<strong>Materiellrechtliche</strong> <strong>und</strong> prozessuale Rechtsfolgen<br />
Von<br />
Dr. inr. Dr. phil. Uwe Scheffler<br />
Privatdozent an der Freien Universität Berlin<br />
Duncker & Humblot . Berlin
<strong>Die</strong> Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme<br />
Schemer, Uwe:<br />
<strong>Die</strong> <strong>überlange</strong> <strong>Dauer</strong> <strong>von</strong> <strong>Strafverfahren</strong> : materiellrechtliche<br />
<strong>und</strong> prozessuale Rechtsfolgen / <strong>von</strong> Uwe Scheffler. - Berlin :<br />
Duncker <strong>und</strong> Humblot, 1991<br />
(Schriften zum Strafrecht ; H. 89)<br />
Zugl.: Berlin, Freie Univ., Habil.-Schr., 1990/91<br />
ISBN 3-428-07244-8<br />
NE:GT<br />
Meinen Eltern<br />
Alle Rechte vorbehalten<br />
© 1991 Duncker & Humblot GmbH, Berlin 41<br />
Fremddatenübemahme: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin 61<br />
Druck: Druckerei Gerike GmbH, Berlin 36<br />
Printed in Germany<br />
ISSN 0558-9126<br />
ISBN 3-428-07244-8
Vorwort<br />
<strong>Die</strong>se Arbeit hat dem Fachbereich Rechtswissenschaft der Freien Universität<br />
Berlin im Wintersemester 1990/91 als Habilitationsschrift vorgelegen.<br />
Literatur <strong>und</strong> Rechtsprechung sind bis November 1990 berücksichtigt; auf<br />
Neueres, insbesondere das Einstellungsurteil des LG Berlin im sog. "Schmücker<br />
Verfahren" 1, habe ich gelegentlich noch in den Fußnoten hingewiesen.<br />
Ich habe vielfältigen Dank abzustatten. <strong>Die</strong>s gilt zuallererst für Herrn Prof.<br />
Dr. Axel Montenbruck, der mir in den Jahren, die ich an seinem Lehrstuhl tätig<br />
war, wohlwollendste Förderung zuteil werden ließ. Ohne seine ständige Anteilnahme<br />
unter Gewährung wissenschaftlichen <strong>und</strong> zeitlichen Freiraums wäre die<br />
Entstehung dieser Arbeit kaum möglich gewesen. Ihm fühle ich mich zutiefst<br />
verpflichtet. Zu danken habe ich auch Herrn Prof. Dr. Klaus Geppert für zahlreiche<br />
Anregungen <strong>und</strong> die schnelle Erstellung des Zweitgutachtens. Ferner gilt mein<br />
Dank meinen Assistentenkollegen, den Herren Gero Meinen <strong>und</strong> Thomas Babel,<br />
die in fre<strong>und</strong>schaftlicher Solidarität so manche durch meine Habilitation bedingte<br />
Mehrlast getragen haben. Herr Assessor Günter Räcke hat durch einige scharfsinnige<br />
Gedanken meine Überlegungen gefördert. Es ist mir insbesondere auch ein<br />
großes Bedürfnis, Frau Sabine Rabbel meine Dankbarkeit dafür auszusprechen,<br />
daß sie die ganzen Jahre über das sich ständig verändernde Manuskript mit<br />
größter Sorgfalt <strong>und</strong> Zuverlässigkeit erstellt hat. Herrn Professor Norbert Simon<br />
<strong>und</strong> seinen Mitarbeitern danke ich für die verlegerische Betreuung.<br />
Meine Eltern haben meinen wissenschaftlichen Werdegang in jeder nur denkbaren<br />
Hinsicht beständig gefördert. Ihnen widme ich dieses Buch.<br />
Berlin, im September 1991<br />
Uwe Scheffler<br />
1 Nunmehr als Dokumentation abgedruckt in StV 1991, S. 371 - 397; ich habe das<br />
Urteil in einem Aufsatz für die JZ ausführlicher besprochen.
,11<br />
Inhaltsübersicht<br />
Einleitung 19<br />
Erster Teil<br />
Gr<strong>und</strong>lagen der Rechtsfolgenbestimmung <strong>überlange</strong>r Verfahrensdauer _<br />
Forschungsstand, Beschl~.unigungsproblematik,<br />
Begriff der Uberlänge 21<br />
1. Kap.: Überblick über den Forschungsstand. Zur Notwendigkeit weiterer Erörterung<br />
der Rechtsfolgen 21<br />
2. Kap.: Schwierigkeiten der Beschleunigung <strong>von</strong> <strong>Strafverfahren</strong>. Zur Relevanz<br />
eines umfassenden Rechtsfolgensystems 49<br />
<strong>3.</strong> Kap.: Aufgliederung des Begriffs der <strong>überlange</strong>n Verfahrensdauer. Zur Ermöglichung<br />
neuer Rechtsfolgenbestimmung 105<br />
Zweiter Teil<br />
<strong>Die</strong> einzelnen Rechtsfolgen <br />
Freispruch, Einstellung, Beweiserleichterung,<br />
Strafmilderung, Entschädigung 131<br />
4. Kap.: Freispruch wegen Verwirkung des Strafanspruchs 134<br />
5. Kap.: Einstellung wegen Verletzung <strong>von</strong> Verfahrensrecht 155<br />
6. Kap.: Beweiserleichterung wegen Unterganges <strong>von</strong> Beweismitteln........... 184<br />
7. Kap.: Strafmilderung wegen Strafzumessungsrelevanz 201<br />
8. Kap.: Entschädigung wegen Schadenszufügung 262<br />
Schlußbetrachtung 271<br />
Anhang: Auszüge aus nicht (vollständig) veröffentlichten höchstrichterlichen<br />
Entscheidungen zu den Rechtsfolgen <strong>überlange</strong>r Verfahrensdauer .... 276<br />
Schrifttumsverzeichnis 283
Inhaltsverzeichnis<br />
Einleitung<br />
19<br />
Erster Teil<br />
Gr<strong>und</strong>lagen der Rechtsfolgenbestimmung <strong>überlange</strong>r Verfahrensdauer <br />
Forschungsstand, Beschleunigungsproblematik,<br />
Begriff der Überlänge 21<br />
Erstes Kapitel<br />
Überblick über den Forschungsstand<br />
Zur Notwendigkeit weiterer Erörterung der Rechtsfolgen 21<br />
A. Entwicklung zur heute herrschenden Meinung 23<br />
I. Der Weg der Rechtsprechung.............................................. 23<br />
1. BGHSt 21, 81 24<br />
2. BGHSt 24, 239 27<br />
<strong>3.</strong> BVerfG (Vorprüfungsausschuß), NJW 1984,967 30<br />
4. BGHSt 35, 137 33<br />
II. Der Diskussionsstand in der Literatur 36<br />
1. Zur Verfahrensdauer allgemein 36<br />
2. Zu den Rechtsfolgen <strong>überlange</strong>r Verfahrensdauer 39<br />
B. Kritik der heute herrschenden Meinung 42<br />
I. Zum qualitativen Umschlagen in den Extremfall <strong>überlange</strong>r Verfahrensdauer<br />
42<br />
11. Zum Vorliegen <strong>von</strong> Verzögerungen....................................... 43<br />
III. Zur dogmatischen Begründung 45<br />
Zweites Kapitel<br />
Schwierigkeiten der Beschleunigung <strong>von</strong> <strong>Strafverfahren</strong><br />
Zur Relevanz eines umfassenden Rechtsfolgensystems 49<br />
A. Verfahrensbeschleunigung durch den Gesetzgeber............................. 49<br />
I. Verhinderung <strong>von</strong> Verzögerungen......................................... 51<br />
I. Fristsetzungen 51<br />
2. Personelle <strong>und</strong> organisatorische Maßnahmen 54<br />
II. Vereinfachungen der Verfahrensstruktur 56<br />
I. Strafprozeßreforrn - Einige Beispiele 56<br />
a) <strong>Die</strong> Argumentation des Gesetzgebers 58<br />
b) Zur empirischen Absicherung 59<br />
c) Zur Problematik <strong>von</strong> Strukturänderungen 61<br />
aa) <strong>Die</strong> Rügepräklusion gemäß § 222 b StPO 62<br />
bb) Das Selbstleseverfahren gemäß § 249 II StPO 63
8 Inhaltsverzeichnis Inhaltsverzeichnis 9<br />
d) Das Problem <strong>von</strong> Fristverlängerungen 66<br />
e) <strong>Die</strong> Nichtverfolgung gemäß § 154 I Nr. 2 StPO 68<br />
2. Reformvorschläge - Einige Beispiele 70<br />
a) Neuerungen für das Strafprozeßrecht 70<br />
b) Übertragungen aus dem Ordnungswidrigkeitenrecht 71<br />
aa) Der Umfang der Beweisaufnahme gemäß § 77 OWiG 72<br />
bb) <strong>Die</strong> Zulassung der Rechtsbeschwerde gemäß § 80 OWiG 74<br />
B. Verfahrensbeschleunigung durch den Beschuldigten........................... 75<br />
I. Obliegenheit des Beschuldigten? 76<br />
11. Befugnis des Beschuldigten 77<br />
I. Anträge (i.w. S.) an das verzögernde Organ........................... 77<br />
a) Antrag <strong>und</strong> Gegenvorstellung 77<br />
b) Ablehnungsgesuch wegen Befangenheit 78<br />
aa) Verfahrensverzögerung 78<br />
bb) Nicht- oder Falschbescheidung 80<br />
2. Rechtsbehelfe (i. w. S.) 82<br />
a) Beschwerde, § 304 StPO 82<br />
b) Antrag auf gerichtliche Entscheidung, §§ 23 ff. EGGVG 85<br />
c) <strong>Die</strong>nstaufsichtsbeschwerde 87<br />
d) Strafanzeige 89<br />
aa) Zur Strafbarkeit des Amtsträgers bei grammatikalischer Auslegung<br />
der §§ 336,258 a StGB 91<br />
bb) Zur Straflosigkeit des Amtsträgers bei restriktiver Interpretation<br />
der §§ 336, 258 a StGB 93<br />
e) Wiederaufnahme des Verfahrens, § 359 StPO 97<br />
f) Verfassungs- <strong>und</strong> Menschenrechtsbeschwerde 98<br />
aa) Verfassungsbeschwerde 99<br />
bb) Menschenrechtsbeschwerde 103<br />
Drittes Kapitel<br />
Aufgliederung des Begriffs der <strong>überlange</strong>n Verfahrensdauer<br />
Zur Ermöglichung neuer Rechtsfolgenbestimmung 105<br />
A. Zur Unterscheidung <strong>von</strong> Verfahrenslänge <strong>und</strong> -verzögerungen 107<br />
I. Untersuchungshaftdauer 108<br />
11. Verfahrensdauer 109<br />
B. Zur Einordnung mit Hilfe des Verhältnismäßigkeitsgr<strong>und</strong>satzes 111<br />
I. Geeignetheit <strong>und</strong> überflüssiges Tun 112<br />
11. Erforderlichkeit <strong>und</strong> Verzögerungen 113<br />
III. Proportionalität <strong>und</strong> <strong>Dauer</strong> 117<br />
I. Verjährung als abschließende Regelung.. 117<br />
2. Aufhebung des Haftbefehls als Hilfserwägung 118<br />
<strong>3.</strong> Entkriminalisierung <strong>von</strong> Bagatellsachen als Konsequenz 119<br />
a) <strong>Die</strong> vereinfachten Kriminalstrafverfahren 120<br />
b) <strong>Die</strong> entkriminalisierten Verfahren 122<br />
IV. Zumutbarkeit <strong>und</strong> Belastungen 124<br />
V. "Vernünftigkeit" <strong>und</strong> Gesamtwürdigung 126<br />
Zweiter Teil<br />
<strong>Die</strong> einzelnen Rechtsfolgen <br />
Freispruch, Einstellung, Beweiserleichterung,<br />
Strafmilderung, Entschädigung 131<br />
Viertes Kapitel<br />
Freispruch wegen Verwirkung des Strafanspruchs 134<br />
A. Zur Verwirkbarkeit des Strafanspruchs 138<br />
I. Verwirkung durch Arglist 141<br />
I. Rügeverwirkung zu Lasten des Beschuldigten 141<br />
2. Verzögerung zwecks Verurteilung 143<br />
11. Verwirkung durch Zeitablauf 145<br />
I. Rechtsbehelfsverwirkung zu Lasten des Beschuldigten............... 146<br />
2. Enttäuschung berechtigten Vertrauens 147<br />
B. Zum Freispruch infolge Srafaufhebungsgr<strong>und</strong>es 151<br />
Fünftes Kapitel<br />
Einstellung wegen Verletzung <strong>von</strong> Verfahrensrecht 155<br />
A. Überlange Verfahrensdauer als Verfahrenshindernis 155<br />
I. Verfahrensdauer <strong>und</strong> Verjährung 156<br />
11. Verfahrensbelastungen <strong>und</strong> Verhandlungsunfähigkeit 160<br />
III. Verfahrensverzögerungen <strong>und</strong> Verfahrenshindernis praeter legern 162<br />
I. Menschenrechtskonvention <strong>und</strong> Einstellung 163<br />
2. Strafprozeßordnung <strong>und</strong> Einstellung 164<br />
B. Schwerwiegende Rechtsstaatswidrigkeit als Verfolgungsverbot 165<br />
I. Der Meinungswandel zum Verfolgungsverbot 165<br />
1. "Ein" Vorprüfungsausschuß des B<strong>und</strong>esverfassungsgerichts 166<br />
2. Der <strong>3.</strong> Strafsenat des B<strong>und</strong>esgerichtshofs.............................. 168<br />
11. Der qualitative Sprung zum Verfolgungsverbot 169<br />
1. Rechtsverweigerung 171<br />
2. Verfahrensstillstand 173<br />
<strong>3.</strong> Willkür 174<br />
4. Irreparabilität 176<br />
a) Beweismittelverlust durch Verzögerungen 177<br />
b) Rechtsverluste durch sonstige Rechtsstaatswidrigkeiten . .. . 179<br />
Sechstes Kapitel<br />
Beweiserleichterung wegen Unterganges <strong>von</strong> Beweismitteln 184<br />
A. Beweisverlust - <strong>Die</strong> Ausgangslage 184<br />
B. Beweisvereitelung - Das Extrem 186<br />
I. <strong>Die</strong> gesetzlichen Anknüpfungspunkte 187<br />
1. Beeinträchtigung des Erinnerungsvermögens, § 136 all StPO 187<br />
2. Beseitigung einer Urk<strong>und</strong>e, § 444 ZPO 188
----~-----~----<br />
10 Inhaltsverzeichnis Inhaltsverzeichnis<br />
II<br />
11. <strong>Die</strong> rechtlichen Parallelen 188<br />
1. Indizbeweis <strong>und</strong> Alibi 190<br />
2. Indizbeweis <strong>und</strong> Blutalkoholkonzentration 191<br />
III. <strong>Die</strong> praktische Umsetzung 193<br />
C. Unterlasselle Beweissicherung - Der Hauptfall 194<br />
I. Freie Beweiswürdigung - <strong>Die</strong> faktische Gleichstellung mit dem Beweisverlust<br />
194<br />
11. Beweiserleichterung - <strong>Die</strong> normative Gleichstellung mit der Beweisvereitelung<br />
197<br />
1. Verspätete Beweiserhebung - <strong>Die</strong> erste Sorgfaltspflichtverletzung 197<br />
2. Verkennung der Sicherungsbedürftigkeit - <strong>Die</strong> zweite Sorgfaltspflichtverletzung<br />
198<br />
Siebtes Kapitel<br />
Strafmilderung wegen Strafzumessungsrelevanz 201<br />
A. Verzögerungen als Strafzumessungsgr<strong>und</strong> 201<br />
I. Flexibilität - Das pragmatische Argument 202<br />
1. Erste Probleme mit der Strafzumessungslösung 202<br />
2. Das Versagen der Strafzumessungslösung 205<br />
11. Strafzumessungsirrelevanz - Der dogmatische Einwand 206<br />
1. Zum schuldabhängigen Milderungsgr<strong>und</strong> 207<br />
2. Zum schuldunterschreitenden Milderungsgr<strong>und</strong> 208<br />
B. Tatfeme als Strafzumessungsgr<strong>und</strong> 211<br />
I. Verringertes Strafbedürfnis <strong>und</strong> Stratböhenbemessung 212<br />
1. Sprunghafter Wegfall? - Das Verhältnis zur Verfolgungsverjährung 214<br />
2. Kontinuierliche Abschwächung? - Das Verhältnis zur Integrationsprävention<br />
217<br />
11. Verbesserte Sozialprognose <strong>und</strong> Strafaussetzung zur Bewährung 218<br />
C. Belastungen als Strafzumessungsgr<strong>und</strong> 219<br />
I. Verzögerungen <strong>und</strong> Belastungen........................................... 220<br />
1. Belastungen als abgeleiteter Strafzumessungsfakor 220<br />
2. Belastungen als selbständiger Strafzumessungsfaktor 223<br />
11. Verfahrensdauer <strong>und</strong> Belastungen 224<br />
1. Anrechnung - Der objektive Maßstab 224<br />
a) Zur Anrechenbarkeit <strong>von</strong> Untersuchungshaft 227<br />
b) Zur Anrechenbarkeit <strong>von</strong> Verfahrensbelastungen 228<br />
2. Schon-bestraft-Sein - Der gemischte Maßstab 230<br />
a) Anwendungsbereich 230<br />
aa) Absehen <strong>von</strong> Strafe 230<br />
bb) Strafmilderung 234<br />
cc) Strafaussetzung zur Bewährung................................ 235<br />
dd) Strafvollstreckungs- <strong>und</strong> -vollzugserleichterungen (Strafmilderung<br />
i. w. S.) 237<br />
b) Rechtsfortbildung 238<br />
III. Verschleppung <strong>und</strong> Belastungen 241<br />
1. Konfrontationsstrategie des Beschuldigten............................. 241<br />
a) Erschleichen <strong>von</strong> Strafmilderung 244<br />
b) Selbstbegünstigung 245<br />
c) Rechtsmißbrauch 247<br />
2. Kooperationsstrategie des Beschuldigten 250<br />
IV. Verfahrensbeendigung <strong>und</strong> Belastungen................................... 254<br />
1. Vor der Hauptverhandlung 255<br />
2. Während der Hauptverhandlung 256<br />
<strong>3.</strong> Nach der Hauptverhandlung............................................ 257<br />
a) Eigene Sachentscheidung des Revisionsgerichts bei Rechtsverletzung,<br />
§ 354 StPO 258<br />
b) Eigene Sachentscheidung des Revisionsgerichts bei Änderung der<br />
Rechtslage, § 354 a StPO 260<br />
Achtes Kapitel<br />
Entschädigung wegen Schadenszufügung 262<br />
A. Allgemeines Staatshaftungsrecht - Überblick über den Anwendungsbereich<br />
bei <strong>überlange</strong>r Verfahrensdauer 263<br />
I. Amtshaftung 263<br />
11. Aufopferung 265<br />
B. Strafrechtsentschädigungsrecht - Ausblick auf Erweiterungsmöglichkeiten<br />
hinsichtlich <strong>überlange</strong>r Verfahrensdauer 267<br />
I. Analoge Anwendung der Anspruchsgr<strong>und</strong>lagen, §§ 1, 2 StrEG 267<br />
II. Analoge Anwendung der Zuständigkeitsregeln, §§ 8, 9 StrEG 268<br />
Schlußbetrachtung 271<br />
Anhang: Auszüge aus nicht (vollständig) veröffentlichten höchstrichterlichen<br />
Entscheidungen zu den Rechtsfolgen <strong>überlange</strong>r Verfahrensdauer .... 276<br />
Schrifttumsverzeichnis 283
a. A.<br />
a. a. O.<br />
Abs.<br />
Abschn.<br />
AcP<br />
AE<br />
ÄndG<br />
a. F.<br />
AG<br />
AG Strafrecht<br />
AK<br />
AlsbE<br />
Alt.<br />
Anh.<br />
Anm.<br />
AnwBI.<br />
AO<br />
AöR<br />
ArbGG<br />
Art.<br />
AT<br />
Aufl.<br />
AuR<br />
BA<br />
Bad.-württ. AGGVG<br />
BAG<br />
BAGE<br />
BAK<br />
BayObLG<br />
BayObLGSt<br />
Bay. StGB<br />
BayVerfGHE<br />
BB<br />
Bd.<br />
BDO<br />
Abkürzungsverzeichnis<br />
anderer Ansicht<br />
am angegebenen Ort<br />
Absatz<br />
Abschnitt<br />
Archiv für die civilistische Praxis<br />
Alternativentwurf<br />
Änderungsgesetz<br />
alte Fassung<br />
Amtsgericht<br />
Arbeitsgemeinschaft Strafrecht<br />
Alternativkommentar<br />
<strong>Die</strong> strafprozessualen Entscheidungen der Oberlandesgerichte,<br />
herausgegeben <strong>von</strong> Alsberg <strong>und</strong> Friedrich<br />
Alternative<br />
Anhang<br />
Anmerkung<br />
Anwaltsblatt<br />
Abgabenordnung<br />
Archiv des öffentlichen Rechts<br />
Arbeitsgerichtsgesetz<br />
Artikel<br />
Allgemeiner Teil<br />
Auflage<br />
Arbeit <strong>und</strong> Recht<br />
= Blutalkohol<br />
Baden-württembergisches Gesetz zur Ausführung des Gerichtsverfassungsgesetzes<br />
B<strong>und</strong>esarbeitsgericht<br />
Entscheidungen des B<strong>und</strong>esarbeitsgerichts<br />
Blutalkoholkonzentration<br />
Bayerisches Oberstes Landesgericht<br />
Entscheidungen des Bayerischen Obersten Landesgerichts in<br />
Strafsachen<br />
Bayerisches Strafgesetzbuch<br />
Entscheidungen des Bayerischen Verfassungsgerichtshofes<br />
Der Betriebs-Berater<br />
Band<br />
B<strong>und</strong>esdisziplinarordnung<br />
bearb.<br />
BEG<br />
Begr.<br />
Bf.<br />
BFH<br />
BGB<br />
BGH<br />
BGHR<br />
BGHSt<br />
BGHZ<br />
BonnKomm<br />
BRat<br />
BRatE<br />
BR-DrS<br />
BSG<br />
BT<br />
BT-DrS<br />
BtMG<br />
BVerfG<br />
BVerfGE<br />
BVerfGG<br />
BVerwG<br />
BZRG<br />
bzw.<br />
ca.<br />
CD<br />
Cilip<br />
DAR<br />
DAV<br />
DB<br />
ders.<br />
d. h.<br />
Diss.<br />
DJT<br />
DJZ<br />
DNotZ<br />
DÖV<br />
dpa<br />
DR<br />
DR<br />
DRB<br />
DRiG<br />
DRiZ<br />
Abkürzungsverzeichnis 13<br />
bearbeitet<br />
B<strong>und</strong>esentschädigungsgesetz<br />
Begründung<br />
Beschwerdeführer<br />
B<strong>und</strong>esfinanzhof<br />
Bürgerliches Gesetzbuch<br />
B<strong>und</strong>esgerichtshof<br />
BGH-Rechtsprechung in Strafsachen<br />
Entscheidungen des B<strong>und</strong>esgerichtshofs in Strafsachen<br />
Entscheidungen des B<strong>und</strong>esgerichtshofs in Zivilsachen<br />
Bonner Kommentar zum Gr<strong>und</strong>gesetz<br />
B<strong>und</strong>esrat<br />
Gesetzesentwurf des B<strong>und</strong>esrates<br />
Drucksachen des Deutschen B<strong>und</strong>esrates<br />
B<strong>und</strong>essozialgericht<br />
Besonderer Teil<br />
Drucksachen des Deutschen B<strong>und</strong>estages<br />
Betäubungsmittelgesetz<br />
B<strong>und</strong>esverfassungsgericht<br />
Entscheidungen des B<strong>und</strong>esverfassungsgerichts<br />
Gesetz über das B<strong>und</strong>esverfassungsgericht<br />
B<strong>und</strong>esverwaltungsgericht<br />
B<strong>und</strong>eszentralregistergesetz<br />
beziehungsweise<br />
circa<br />
Collection of Decisions, Sammlung der Entscheidungen der<br />
Europäischen Kommission für Menschenrechte<br />
Bürgerrechte <strong>und</strong> Polizei<br />
Deutsches Autorecht<br />
Deutscher Anwaltverein<br />
Der Betrieb<br />
derselbe<br />
das heißt<br />
Dissertation<br />
Deutscher Juristentag<br />
Deutsche Juristenzeitung<br />
Deutsche Notar-Zeitschrift<br />
<strong>Die</strong> Öffentliche Verwaltung<br />
Deutsche Presse-Agentur<br />
Decisions and Reports, Sammlung der Entscheidungen <strong>und</strong><br />
Berichte der Europäischen Kommission für Menschenrechte<br />
Deutsches Recht<br />
Deutscher Richterb<strong>und</strong><br />
Deutsches Richtergesetz<br />
Deutsche Richterzeitung
14 Abkürzungsverzeichnis Abkürzungsverzeichnis 15<br />
DuR<br />
DVBl.<br />
E 1962<br />
EGGVG<br />
EGH<br />
EGMR<br />
EGMR<br />
EGOWiG<br />
EGStGB<br />
Einl.<br />
EKMR<br />
EMRK<br />
etc.<br />
EuGRZ<br />
evtl.<br />
EZSt<br />
f.<br />
ff.<br />
FamRZ<br />
FG<br />
Fn.<br />
FS<br />
GA<br />
GebGabe<br />
GebColloquium<br />
gern.<br />
GerS<br />
gesetzl.<br />
GG<br />
ggf.<br />
GKG<br />
GS<br />
GVG<br />
Ha1bbd.<br />
HansOLG<br />
HdB<br />
HESt<br />
h. L.<br />
RR<br />
Hrsg.<br />
hrsg.<br />
Demokratie <strong>und</strong> Recht<br />
Deutsches Verwaltungsblatt<br />
Regierungsentwurf eines Strafgesetzbuches (E 1962),<br />
BT-DrS IV/650<br />
Einführungsgesetz zum Gerichtsverfassungsgesetz<br />
Ehrengerichtshof<br />
Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte<br />
(Deutsche Übersetzung)<br />
Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte<br />
Einführungsgesetz zum Gesetz über Ordnungswidrigkeiten<br />
Einführungsgesetz zum Strafgesetzbuch<br />
Einleitung<br />
Europäische Kommission für Menschenrechte<br />
Europäische Menschenrechtskonvention<br />
et cetera<br />
Europäische Gr<strong>und</strong>rechte-Zeitschrift<br />
eventuell<br />
Entscheidungssammlung zum Straf- <strong>und</strong> Ordnungswidrigkeitenrecht<br />
folgende<br />
fortfolgende<br />
Zeitschrift für das gesamte Familienrecht<br />
Festgabe<br />
Fußnote<br />
Festschrift<br />
Goltdammer's Archiv für Strafrecht<br />
Geburtstagsgabe<br />
Geburtstagscolloquium<br />
gemäß<br />
Der Gerichtssaal<br />
gesetzlich<br />
Gr<strong>und</strong>gesetz<br />
gegebenenfalls<br />
Gerichtskostengesetz<br />
Gedächtnisschrift<br />
Gerichtsverfassungsgesetz<br />
Halbband<br />
Hanseatisches Oberlandesgericht<br />
Handbuch<br />
Höchstrichterliche Entscheidungen. Sammlung <strong>von</strong> Entscheidungen<br />
der Oberlandesgerichte <strong>und</strong> der Obersten Gerichte in<br />
Strafsachen<br />
herrschende Lehre<br />
Höchstrichterliche Rechtsprechung<br />
Herausgeber<br />
herausgegeben<br />
HWiStR<br />
i. d. F.<br />
Information<br />
insbes.<br />
IntKomm<br />
IPBR<br />
i. S. d.<br />
i. S. v.<br />
iur.<br />
i. w. S.<br />
JA<br />
JGG<br />
JherJb.<br />
JK<br />
JMBl. NW<br />
JR<br />
Jura<br />
JurBüro<br />
JuS<br />
Justiz<br />
JVA<br />
JVBl.<br />
JW<br />
JZ<br />
Kap.<br />
KB<br />
KG<br />
KK<br />
Kl.<br />
KMR<br />
KO<br />
KpS<br />
Krim<br />
KrimJ<br />
KritJ<br />
KritV<br />
KV<br />
l.<br />
LAG<br />
Lehrkomm.<br />
Lfg.<br />
LG<br />
1it.<br />
LK<br />
Handwörterbuch des Wirtschafts- <strong>und</strong> Steuerstrafrechts<br />
= in der Fassung<br />
Deutscher Richterb<strong>und</strong>. Information<br />
insbesondere<br />
Internationaler Kommentar zur Europäischen Menschenrechtskonvention<br />
Internationaler Pakt über bürgerliche <strong>und</strong> politische Rechte<br />
im Sinne des / der<br />
im Sinne <strong>von</strong><br />
= juristisch<br />
im weiteren Sinne<br />
Juristische Arbeitsblätter<br />
Jugendgerichtsgesetz<br />
Jherings Jahrbücher für die Dogmatik des bürgerlichen<br />
Rechts<br />
Jura-Kartei<br />
= Justizministerialblatt für das Land Nordrhein-Westfa1en<br />
= Juristische R<strong>und</strong>schau<br />
= Juristische Ausbildung<br />
= Juristisches Büro<br />
= Juristische Schulung<br />
= <strong>Die</strong> Justiz<br />
= Justizvollzugsanstalt<br />
= Justizverwaltungsblatt<br />
= Juristische Wochenschrift<br />
= Juristenzeitung<br />
= Kapitel<br />
Kriminalsoziologische Bibliographie<br />
Kammergericht<br />
Kar1sruher Kommentar<br />
Kläger<br />
Kleinknecht / Müller / Reitberger<br />
Konkursordnung<br />
Kriminalpolizeiliche personenbezogene Sammlung<br />
Kriminalistik<br />
Kriminologisches Journal<br />
Kritische Justiz<br />
Kritische Vierteljahresschrift<br />
Kostenverzeichnis<br />
1etzte(r)<br />
Landesarbeitsgericht<br />
Lehrkommentar<br />
Lieferung<br />
Landgericht<br />
litera<br />
= Leipziger Kommentar zum Strafgesetzbuch
16 Abkürzungsverzeichnis Abkürzungsverzeichnis 17<br />
LM<br />
LR<br />
LwVG<br />
MDR<br />
m. E.<br />
MiStra<br />
MRK<br />
MschrKrim<br />
MStGB<br />
MünchKomm<br />
m. w.N.<br />
Nachtr.<br />
Nachw.<br />
Nds. AGGVG<br />
NdsRpfl.<br />
n. F.<br />
NJW<br />
NJW-RR<br />
Nr.<br />
NS<br />
NStE<br />
NStZ<br />
NuR<br />
NZVR<br />
NZWehrr<br />
ÖJZ<br />
OGH<br />
OGHBZ<br />
OGHSt<br />
OGHZ<br />
OLG<br />
OLGSt (alt)<br />
OLGSt (neu)<br />
OLGZ<br />
Olshausen's Komm.<br />
Lindenmaier / Möhring, Entscheidungen des B<strong>und</strong>esgerichtshofs<br />
Löwe / Rosenberg<br />
Gesetz über das gerichtliche Verfahren in Landwirtschaftssachen<br />
Monatsschrift für Deutsches Recht<br />
meines Erachtens<br />
Anordnung über Mitteilungen in Strafsachen<br />
(Europäische) Menschenrechtskonvention<br />
Monatsschrift für Kriminologie <strong>und</strong> Strafrechtsreform<br />
Militärstrafgesetzbuch<br />
Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch<br />
mit weiteren Nachweisen<br />
Nachtrag<br />
Nachweise<br />
Niedersächsisches Gesetz zur Ausführung des Gerichtsverfassungsgesetzes<br />
Niedersächsische Rechtspflege<br />
neue Fassung<br />
Neue Juristische Wochenschrift<br />
Neue Juristische Wochenschrift - Rechtsprechungs-Report<br />
Zivilrecht<br />
Nummer<br />
Nationalsozialismus<br />
Neue Entscheidungssammlung für Strafrecht<br />
Neue Zeitschrift für Strafrecht<br />
Natur <strong>und</strong> Recht<br />
Neue Zeitschrift für Verkehrsrecht<br />
Neue Zeitschrift für Wehrrecht<br />
Österreichische Juristenzeitung<br />
Oberster Gerichtshof (Österreich)<br />
Oberster Gerichtshof für die Britische Zone<br />
Entscheidungen des Obersten Gerichtshofs für die Britische<br />
Zone in Strafsachen<br />
Entscheidungen des Obersten Gerichtshofs für die Britische<br />
Zone in Zivilsachen<br />
Oberlandesgericht<br />
Entscheidungen der Oberlandesgerichte zum Straf- <strong>und</strong><br />
<strong>Strafverfahren</strong>srecht (alte Folge)<br />
Entscheidungen der Oberlandesgerichte in Straf-, Ordnungswidrigkeiten-<br />
<strong>und</strong> Ehrengerichtssachen (neue Folge)<br />
Entscheidungen der Oberlandesgerichte in Zivilsachen<br />
Olshausen's Kommentar zum Strafgesetzbuch<br />
OVG<br />
OVGE<br />
OWi<br />
OWiG<br />
Polizei<br />
RdJB<br />
RegE<br />
RG<br />
RGB!.<br />
RGSt<br />
RGZ<br />
RiStBV<br />
RIGG<br />
RKG<br />
Rn.<br />
RPfleger<br />
RuP<br />
RzW<br />
S.<br />
SchlHA<br />
SchSch<br />
SchwZStR<br />
SK<br />
sog.<br />
Sp.<br />
StA<br />
StGB<br />
StPÄG<br />
StPO<br />
StrÄndG<br />
StrEG<br />
StrRG<br />
StrRK<br />
st. Rspr.<br />
StV<br />
StVÄG<br />
StVG<br />
StVollzG<br />
StVRG<br />
1. StVRGErgG<br />
StVZO<br />
teilw. abw.<br />
u. a.<br />
u. a.<br />
Oberverwaltungsgericht<br />
Entscheidungen des Oberverwaltungsgerichts<br />
Ordungswidrigkeit<br />
Gesetz über Ordungswidrigkeiten<br />
<strong>Die</strong> Polizei<br />
Recht der Jugend <strong>und</strong> des Bildungswesens<br />
Regierungsentwurf<br />
Reichsgericht<br />
Reichsgesetzblatt<br />
Entscheidungen des Reichsgerichts in Strafsachen<br />
Entscheidungen des Reichsgerichts in Zivilsachen<br />
Richtlinien für das <strong>Strafverfahren</strong> <strong>und</strong> das Bußgeldverfahren<br />
Reichsjugendgerichtsgesetz<br />
Reichskammergericht<br />
Randnummer<br />
Der Deutsche Rechtspfleger<br />
Recht <strong>und</strong> Politik<br />
Rechtsprechung zum Wiedergutmachungsrecht<br />
Seite<br />
Schleswig-Holsteinische Anzeigen<br />
Schönke/Schröder<br />
Schweizerische Zeitschrift für Strafrecht<br />
Systematischer Kommentar<br />
sogenannte(r)<br />
Spalte<br />
Staatsanwaltschaft<br />
Strafgesetzbuch<br />
Gesetz zur Änderung der Strafprozeßordnung<br />
Strafprozeßordnung<br />
Strafrechtsänderungsgesetz<br />
Gesetz über die Entschädigung für Strafverfolgungsmaßnahmen<br />
Gesetz zur Reform des Strafrechts<br />
Strafrechtskommission<br />
ständige Rechtsprechung<br />
Strafverteidiger<br />
<strong>Strafverfahren</strong>sänderungsgesetz<br />
Straßenverkehrsgesetz<br />
Strafvollzugsgesetz<br />
Gesetz zur Reform des <strong>Strafverfahren</strong>srechts<br />
Gesetz zur Ergänzung des Ersten Gesetzes zur Reform des<br />
<strong>Strafverfahren</strong>srechts<br />
Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung<br />
teilweise abweichend<br />
unter anderem<br />
<strong>und</strong> anderen<br />
2 Scheffler
18<br />
u. u.<br />
v.<br />
VereinfVO<br />
VereinhG<br />
Verh.<br />
VersR<br />
VfGH<br />
VG<br />
vgI.<br />
VO<br />
vorI.<br />
VRS<br />
VV<br />
VwGO<br />
wistra<br />
WM<br />
WStG<br />
ZAkDR<br />
ZaöRV<br />
z. B.<br />
ZHR<br />
zit. b.<br />
zit. n.<br />
ZPO<br />
ZRP<br />
ZSchwR<br />
ZStW<br />
Zweitbearb.<br />
ZZP<br />
Abkürzungsverzeichnis<br />
unter Umständen<br />
<strong>von</strong>, vom<br />
Vereinfachungsverordnung<br />
Vereinheitlichungsgesetz<br />
Verhandlungen<br />
Versicherungsrecht<br />
Verfassungsgerichtshof (Österreich)<br />
Verwaltungsgericht<br />
vergleiche<br />
Verordnung<br />
vorletzte(r)<br />
Verkehrsrecht-Sammlung<br />
Verwaltungsvorschriften zum Strafvollzugsgesetz<br />
Verwaltungsgerichtsordnung<br />
Zeitschrift für Wirtschaft, Steuer, Strafrecht<br />
Wertpapier-Mitteilungen<br />
Wehrstrafgesetz<br />
Zeitschrift der Akademie für Deutsches Recht<br />
Zeitschrift für ausländisches öffentliches Recht <strong>und</strong> Völkerrecht<br />
zum Beispiel<br />
Zeitschrift für das gesamte Handels- <strong>und</strong> Wirtschaftsrecht<br />
zitiert bei<br />
zitiert nach<br />
Zivilprozeßordnung<br />
Zeitschrift für Rechtspolitik<br />
Zeitschrift für Schweizerisches Recht<br />
Zeitschrift für die gesamte Strafrechtswissenschaft<br />
Zweitbearbeitung<br />
Zeitschrift für Zivilprozeß<br />
Einleitung<br />
Es war Beccaria, der sich schon 1764 vehement gegen die <strong>überlange</strong> <strong>Dauer</strong><br />
<strong>von</strong> <strong>Strafverfahren</strong> wandte: "Der Prozeß selber muß in möglichst kurzer Zeit<br />
abgeschlossen werden" I. Feuerbach betonte ein halbes Jahrh<strong>und</strong>ert später: "Nicht<br />
zögern ist Richterpflicht"2. Obwohl Hommel1778 meinte, man habe "in Deutschland<br />
eher Ursache, sich über Eilfertigkeit, als Verzögerung, zu beklagen"3, dürfte<br />
wohl eher da<strong>von</strong> auszugehen sein, "daß der Prozeßverschlepp jahrh<strong>und</strong>ertelang<br />
ungeheuerlich gewesen sein muß"4.<br />
Nun ist die Strafjustiz heute <strong>von</strong> solchen Zuständen weit entfernt. Überlange<br />
Verfahrensdauer hat sich erst Anfang der siebziger Jahre zu einem ernsteren<br />
Problem entwickelt 5. Gr<strong>und</strong> hierfür dürfte neben der ansteigenden Verfahrensflut<br />
die seitdem intensivere Betreibung <strong>von</strong> Wirtschaftsstrafverfahren 6, die gestiegene<br />
Aufklärungsschwierigkeit in NS-Sachen7 <strong>und</strong> der Beginn der Terroristenprozesse<br />
sein. Seitdem beschäftigen sich verstärkt Gesetzgebung, Rechtsprechung <strong>und</strong><br />
I Beccaria, Über Verbrechen <strong>und</strong> Strafen, S. 9<strong>3.</strong><br />
2 Feuerbach in: Kleine Schriften vennischten Inhalts, S. 132.<br />
3 Hommel, Des Herrn Marquis <strong>von</strong> Beccaria unsterbliches Werk <strong>von</strong> Verbrechen <strong>und</strong><br />
Strafen, S. 95; kritisch dazu auch Hillenkamp, JR 1975, S. 13<strong>3.</strong><br />
4 Kip, Das sogenannte Mündlichkeitsprinzip, S. 25; vgI. auch Vollkommer, ZZP 81<br />
(1968), S. 121 f.; Baur, Justizaufsicht <strong>und</strong> richterliche Unabhängigkeit, S. 9; Döhring,<br />
Geschichte der deutschen Rechtspflege seit 1500, S. 28.<br />
So hatte Friedrich der Große in einem Reskript vom 31. Oktober 1765 Anlaß zu dem<br />
.Befehl, auf die Beschleunigung <strong>von</strong> Strafsachen ein besonderes Augenmerk zu richten,<br />
"daß die Inquisiten durch Verzögerung der Prozesse nicht zu viel leiden mögen" (zit.<br />
n. Kern, MschrKrimPsych 15 , S. 240 - unrichtig wiedergegeben bei Hillenkamp,<br />
JR 1975, S. 133 Fn. 3-; vgI. auch Baur, a. a. 0., S. 8 f.; Eb. Schmidt, Kammergericht<br />
<strong>und</strong> Rechtsstaat, S. 25; 27; Vollkommer, a. a. 0., S. 110 f.). Das Reichskammergericht<br />
(RKG), allerdings weniger in Strafsachen tätig (vgI. etwa Rüping, Gr<strong>und</strong>riß der<br />
Strafrechtsgeschichte, § 6 1 c bb; Weitze1, Der Kampf um die Appellation ans Reichskammergericht,<br />
S. 34 Fn. 38; unklar Schmidt-v. Rhein, NJW 1990, S. 489), hatte regelmäßig<br />
die Territorialgerichte aufgr<strong>und</strong> der gemeinrechtlichen Beschwerde wegen Justizverweigerung<br />
<strong>und</strong> Justizverzögerung (querela denegatae ve1 protractae justitiae) zu rügen<br />
(vgI. Döhring, a. a. 0., S. 28; Weitzel, a. a. 0., S.44; Vollkommer, a. a. 0., S. 121 f.;<br />
Baur, a. a. 0., S. 6; Gritschneder, DRiZ 1988, S. 453). Aber auch am RKG selbst sah<br />
es nicht besser aus (vgI. Rüping, a. a. 0., § 6 1 c aa; Vollkommer, a. a. 0., S. 121 f.;<br />
Gritschneder, a. a. 0., S. 452). So berichtet Goethe, 1772 Praktikant am RKG <strong>von</strong> der<br />
"nach <strong>und</strong> nach aufschwellenden ungeheuren Anzahl <strong>von</strong> verspäteten Prozessen" (Goethe,<br />
Aus meinem Leben - Dichtung <strong>und</strong> Wahrheit, <strong>3.</strong> Teil, 12. Buch, S. 143).<br />
5 VgI. Hammerstein in: Absprache im Strafprozeß, S.95; Wolfslast, NStZ 1990,<br />
S.41O.<br />
6 Schünemann, Verh. 58. DJT, S. B 16.<br />
7 VgI. RückerI, NS-Verbrechen vor Gericht 2 , S. 269 f.; 273 f.<br />
2*
20 Einleitung<br />
Wissenschaft mit der Thematik. <strong>Die</strong>s geschieht in unterschiedlicher Weise: Der<br />
Gesetzgeber hat sich in, wie Kohlmann meint 8 , "bislang wenig erfolgreichen<br />
Bemühungen" für eine Vereinfachung der Verfahrensstruktur eingesetzt. Von<br />
der Literatur ist die Strafprozeßreform - wenngleich auch gelegentlich kritisch<br />
- begleitet worden, wobei vor allem die Suche nach möglichen Ursachen <strong>überlange</strong>r<br />
Verfahrensdauer den Ausgangspunkt darstellte. Seit einigen Jahren beherrscht<br />
nun mehr <strong>und</strong> mehr das Thema "Verständigung im <strong>Strafverfahren</strong>" die<br />
wissenschaftliche Diskussion; sowohl das Aufkommen <strong>von</strong> Verständigungen soll<br />
danach Folge längerer Verfahrensdauer 9 als auch ihr weiterer Ausbau probates<br />
Mittel gegen lange Verfahrensdauer 10 sein. <strong>Die</strong> Rechtsprechung schließlich hat<br />
sich vor allem - bedingt durch ihre Funktion - mit im Einzelfall in Rede<br />
stehender <strong>überlange</strong>r Verfahrensdauer beschäftigen müssen, wobei es regelmäßig<br />
um die Frage der rechtlichen Konsequenzen für das konkrete <strong>Strafverfahren</strong><br />
gegangen ist.<br />
Das Problem der Rechtsfolgen <strong>überlange</strong>r <strong>Dauer</strong> <strong>von</strong> <strong>Strafverfahren</strong> soll Gegenstand<br />
der nachfolgenden Untersuchung sein. Sie ist insofern gerade auch<br />
darauf ausgerichtet, der Rechtsprechung Hilfestellung anzubieten. Demzufolge<br />
legt sie einen Schwerpunkt auf die kritische Überprüfung der Lösungsansätze<br />
der bisherigen Judikatur. Im 1. Kapitel des 1. Teils, der Gr<strong>und</strong>lagen der Rechtsfolgenbestimmung<br />
<strong>überlange</strong>r Verfahrensdauer vorbehalten ist, wird der Meinungsstand<br />
in Rechtsprechung <strong>und</strong> Literatur erörtert. Im 2. Kapitel sind - zunächst<br />
- die Bemühungen <strong>von</strong> Gesetzgebung <strong>und</strong> Wissenschaft um eine Beschleunigung<br />
<strong>von</strong> <strong>Strafverfahren</strong> zu betrachten. Zu prüfen ist, ob <strong>von</strong> weiteren Änderungen<br />
des Strafprozeßrechts erwartet werden könnte, <strong>überlange</strong> Verfahrensdauer rein<br />
tatsächlich zu verhindern. <strong>Die</strong>s hätte zur Folge, daß das Suchen nach Rechtsfolgen<br />
nur das Ansetzen an den Symptomen eines zu beseitigenden Mißstandes wäre.<br />
Danach ist zu erörtern, inwieweit für den Beschuldigten Möglichkeiten bestehen,<br />
drohender <strong>überlange</strong>r Verfahrensdauer entgegenzutreten, so daß insoweit die<br />
Einräumung umfassender Rechtsfolgen unnötig sein könnte. Im <strong>3.</strong> Kapitel soll<br />
dann der Begriff der <strong>überlange</strong>n Verfahrensdauer präzisiert werden. Es ist zu<br />
fragen, nach welchen Kriterien sich entscheidet, ob ein Verfahren "überlang" ist<br />
<strong>und</strong> deshalb Rechtsfolgen auslösen soll. Im 2. Teil schließlich werden in den<br />
Kapiteln 4-8 die einzelnen in Betracht kommenden Rechtsfolgen zu diskutieren<br />
sein, wobei ein weiter Rechtsfolgenbegriff zugr<strong>und</strong>e zu legen ist: "Rechtsfolgen"<br />
sind danach nicht nur solche des <strong>3.</strong> Abschnitts des StGB (§§ 38 ff.), sondern<br />
auch sonstige, insbesondere prozeßrechtliche Konsequenzen innerhalb des <strong>Strafverfahren</strong>s.<br />
Erster Teil<br />
Gr<strong>und</strong>lagen der Rechtsfolgenbestimmung<br />
<strong>überlange</strong>r Verfahrensdauer<br />
Forschungsstand, Beschleunigungsproblematik, Begriff der Überlänge<br />
Erstes Kapitel<br />
Überblick über den Forschungsstand<br />
Zur Notwendigkeit weiterer Erörterung der Rechtsfolgen<br />
<strong>Die</strong> Schwierigkeit der Rechtsfolgenbestimmung zeigt sich schon bei einem<br />
ersten Blick auf einige "Meilensteine" in der Entwicklung der Rechtsprechung<br />
zur <strong>überlange</strong>n Verfahrensdauer:<br />
- 21.12.1962: Der 4. Strafsenat des BGH erklärt, der Länge des <strong>Strafverfahren</strong><br />
komme "gr<strong>und</strong>sätzlich keine rechtliche Bedeutung" zu 1.<br />
- 12.6.1966: Der 1. Strafsenat des BGH führt aus, eine Verletzung des Beschleunigungsgr<strong>und</strong>satzes<br />
habe "jedenfalls nicht ohne weiteres die Unzulässigkeit<br />
des Verfahrens zur Folge"2.<br />
- 1O. 11. 1971: Für den 2. Senat des BGH ist "nicht Verfahrenseinstellung,<br />
sondern Berücksichtigung bei der Strafzumessung das geeignete Mittel",<br />
<strong>überlange</strong>r Verfahrensdauer Rechnung zu tragen <strong>3.</strong><br />
- 2.7.1974: Der 5. Strafsenat des BGH stellt ein Verfahren nach § 206a StPO<br />
ein, weil es sich "ungewöhnlich lange hingezogen" habe 4.<br />
- 24.11.1983: Ein Vorprüfungsausschuß des BVerfG befindet, "in extrem gelagerten<br />
Fällen" <strong>von</strong> Verfahrensverzögerung läge es nahe, "<strong>von</strong> Verfassungs<br />
8 Kohlmann, FS Pfeiffer, S. 210.<br />
9 Siehe etwa Schünemann, Verh. 58. DJT, S. B 16.<br />
10 Siehe etwa Schmidt-Hieber, FS Deutsche Richterakademie, S. 193 ff.: "Beschleunigung<br />
des <strong>Strafverfahren</strong>s durch Kooperation".<br />
I BOH, DAR 1963, S. 169.<br />
2 BOHSt 21, S. 81 (84).<br />
3 BOHSt 24, S. 239 (242).<br />
4 BOH, Besch!. v. 2.7.1974 - 5 StR 48/74 (Anhang 3).
22 1. Kap.: Überblick über den Forschungsstand A. Entwicklung zur heute herrschenden Meinung 23<br />
wegen ein Verfahrenshindernis unmittelbar aus dem Rechtsstaatsgebot des<br />
Gr<strong>und</strong>gesetzes abzuleiten" 5.<br />
9.12.1987: Der <strong>3.</strong> Strafsenat des BGH ordnet den Abbruch eines <strong>Strafverfahren</strong>s<br />
wegen "willkürlicher <strong>und</strong> schwerwiegender Verletzung des Beschleunigungsgebots"<br />
an, was sich "nicht notwendig mit der Annahme eines allgemeinen<br />
Verfahrenshindernisses der <strong>überlange</strong>n Verfahrensdauer" decke 6.<br />
Auch ein Blickrichtungswechsel auf drei spätere Urteile in spektakulären Verfahren,<br />
<strong>und</strong> zwar einem NS-Verfahren, einem Terroristenprozeß <strong>und</strong> einer Wirtschaftsstrafsache<br />
(also in Beispielen der drei Hauptgruppen <strong>von</strong> Großverfahren7),<br />
ergibt, daß bislang die Rechtsprechung dogmatisch keinen festen Standpunkt<br />
gef<strong>und</strong>en hat:<br />
1988 hebt der 2. Strafsenat des BGH im sog. Euthanasie-Verfahren gegen<br />
Bunke <strong>und</strong> Ullrich die Verurteilung wegen Beihilfe zum Mord in mindestens<br />
11.000 bzw. 4.500 Fällen zu je vier Jahren Freiheitsstrafe auf: Der Schuldspruch<br />
sei auf 9.200 bzw. 2.340 Mordfälle zu beschränken. Vor allem weil<br />
die Ermittlungsverfahren bereits vor über 28 Jahren eingeleitet wurden, verwies<br />
der BGH zur Rechtsfolgenbestimmung nicht zurück, sondern setzte<br />
selbst (vgl. § 354 I StPO) die Strafe aufdie Mindeststrafe <strong>von</strong> drei Jahren fest 8 •<br />
- Im sog. Schmücker-Verfahren, das als "längster Prozeß der deutschen Justizgeschichte"<br />
bezeichnet wird 9 , erklärte Anfang 1989 der 5. Strafsenat des<br />
BGH nach r<strong>und</strong> dreizehn Jahren Verhandlungsdauer <strong>und</strong> sieben Jahren Untersuchungshaft<br />
für die Hauptangeklagte 10 bei der dritten Urteilsaufhebung, es<br />
lägen keine "besonderen Umstände" vor, die Veranlassung gäben, das Verfahren<br />
durch Einstellung "abzubrechen"; er verwies zur vierten Hauptverhandlung<br />
über den Mordvorwurf zurück 11.<br />
Ende 1989 stellte wiederum der 2. Senat dann im sog. Herstatt-Komplex ein<br />
Verfahren anstatt der an sich gebotenen Zurückverweisung nach § 153 StPO<br />
ein: Zwar habe, sollte sich der Anklagevorwurfbestätigen, der zu zwei Jahren<br />
5 BVerfG (Vorprüfungsausschuß), NJW 1984, S. 967.<br />
6 BGHSt 35, S. 137 (142 f.).<br />
7 Vgl. K. Peters in: Strafprozeß <strong>und</strong> Refonn, S. 82; Rebmann, NStZ 1984, S. 241;<br />
Herrmann, ZStW 85 (1973), S. 256 ff.; Baumann, FS Klug, S. 463 f.<br />
8 BGH, NStZ 1989, S. 238 (239).<br />
9 Vgl. etwa Strate, DuR 1986, S. 363; J. Blau, DuR 1989, S. 251. Das eben erwähnte<br />
Euthanasie-Verfahren dauerte insofern nicht 28 Jahre, als es 16 Jahre wegen Verhandlungsunfähigkeit<br />
der Angeklagten vorläufig eingestellt war (vgl. dazu Renz, Lauter<br />
pflichtbewußte Leute, S. 126). Zuvor kam dieser Titel zunächst dem 1971 beendeten<br />
Contergan-Verfahren zu (LG Aachen, JZ 1971, S. 507 ; Bmns, FS Maurach,<br />
S. 469; Tiedemann in: <strong>Die</strong> Verbrechen in der Wirtschaft', S. 37), dann dem Majdanek<br />
Prozeß (Renz, a.a.O., S. 144). Im Juni 1991 wurde das Schmücker-Verfahren inzwischen<br />
endgültig beendet.<br />
10 Vgl. Grünwald, StV 1987, S. 457.<br />
11 BGH, StV 1989, S. 187 (188).<br />
<strong>und</strong> sechs Monaten Freiheitsstrafe verurteilte Angeklagte nicht nur geringe<br />
Schuld auf sich geladen. Insbesondere aufgr<strong>und</strong> der langen Verfahrensdauer<br />
<strong>und</strong> des jahrelangen Verfahrensdrucks sei jedoch nunmehr trotzdem § 153<br />
StPO anwendbar 12 •<br />
A. Entwicklung zur heute herrschenden Meinung<br />
I. Der Weg der Rechtsprechung<br />
<strong>Die</strong> Entwicklung in der Dogmatik der höchstrichterlichen Rechtsprechung zur<br />
<strong>überlange</strong>n Verfahrensdauer ist also nicht geradlinig verlaufen. Auch die praktische<br />
Bewältigung spektakulärer <strong>Strafverfahren</strong> erweckt den Eindruck, vor allem<br />
auf Lösungen für den Einzelfall orientiert zu sein. Es scheint so, als ob der<br />
konkrete Entscheidungsdruck 13 den BGH in Fällen <strong>überlange</strong>r Verfahrensdauer<br />
gelegentlich veranlaßt hat, zum Erreichen des für richtig gehaltenen Ergebnisses<br />
mehr oder weniger weitreichende Modifikationen bisheriger Rechtsprechung<br />
vorzunehmen 14. Manchmal wird dies wohl dadurch hervorgerufen, daß in einer<br />
früheren höchstrichterlichen Entscheidung ein Satz aufgestellt wurde, der dort<br />
das gewünschte Ergebnis ermöglichte, hier nun aber im Wege steht. Darüber<br />
hinaus kann die Unsicherheit der Rechtsprechung auch zu vagen <strong>und</strong> vorsichtigen<br />
Formulierungen führen, mit denen eine Festlegung der Rechtsentwicklung offenbar<br />
vermieden <strong>und</strong> jede Entscheidungsmöglichkeit für die Zukunft offengehalten<br />
werden soll. Dann ist aber nicht auszuschließen, daß genau diese Rechtsfrage<br />
bald wieder zu entscheiden ist, weil Verteidiger sie bei nächster Gelegenheit für<br />
ihre praktischen Fälle nutzbar zu machen suchen 15 <strong>und</strong> untere Gerichte dies<br />
gelegentlich aufgreifen <strong>und</strong> die Rechtsunsicherheit vergrößern 16. <strong>Die</strong>ses Problem<br />
könnte sich in Zukunft noch verstärkt stellen, da zu den nun schon seit r<strong>und</strong><br />
einem Jahrzehnt existierenden Spezialzeitschriften (NStZ, StV, wistra) einige<br />
strafrechtliche Entscheidungssammlungen (EZSt, NStE, BGHR) getreten sind,<br />
so daß praktisch "keine Entscheidung der obersten Richter mehr der Veröffentlichung"<br />
entgeht l7 •<br />
12 BGH, wistra 1990, S. 65.<br />
13 Vgl. Schlüter, Das Obiter dictum, S. 32 f.<br />
14 Vgl. dazu Hattenhauer, <strong>Die</strong> Kritik des Zivilurteils, S. 128 ff.; E. Schneider, MDR<br />
1971, S. 184.<br />
15 Vgl. Bmns, NStZ 1985, S. 565; Hillenkamp, NJW 1989, S. 2845 Fn. 54.<br />
16 Vgl. Strate, StV 1990, S. 39<strong>3.</strong><br />
17 E. Blankenburg, KritV 1988, S. 111.
-----------------------_ .._--- ..~~<br />
24 1. Kap.: Überblick über den Forschungsstand A. Entwicklung zur heute herrschenden Meinung 25<br />
1. BGHSt 21, 81<br />
Ein solcher Fall findet sich, vollzieht man die Entwicklung der Rechtsprechung<br />
nach, gleich am Anfang der Historie: Nachdem die erwähnte Entscheidung des<br />
4. Strafsenats des BGH 18, Verfahrensdauer sei für die Rechtsfolgen schlechterdings<br />
unbeachtlich, kaum auf Resonanz stieß 19 <strong>und</strong> auch nur relativ entlegen<br />
veröffentlicht wurde, hat 1966 der 1. Strafsenat seine Entscheidung sogar in die<br />
amtliche Sammlung aufnehmen lassen (BGHSt 21,81): Ihr lag die "nicht alltägliche<br />
Revisionsrüge" eines "einfallsreichen Verteidigers" zugr<strong>und</strong>e 20, wonach<br />
das Recht des Beschuldigten "auf alsbaldige <strong>und</strong> schnelle Verhandlung" nach<br />
Art. VII Abs. 91it. ades NATO-Truppenstatuts durch die lange Verfahrensdauer<br />
nicht gewahrt worden sei, was zur Einstellung des Verfahrens zwinge. Das LG<br />
Bad Kreuznach als Instanzengericht hatte dies apodiktisch abgelehnt 21 . Der Senat<br />
führte aus, eine Verletzung des Beschleunigungsgr<strong>und</strong>satzes habe - auch unter<br />
dem Blickwinkel <strong>von</strong> Art. 6 I EMRK, der Gehör innerhalb einer "angemessenen<br />
Frist" garantiert - "jedenfalls nicht ohne weiteres" die Unzulässigkeit des Verfahrens<br />
zur Folge 22 • Zwar möge eine gewisse Verzögerung eingetreten <strong>und</strong> das<br />
staatsanwaltschaftliehe Ermittlungsverfahren etwas unzulänglich gefördert worden<br />
sein; unter Berücksichtigung aller Umstände, insbesondere der Schwere des<br />
Tatvorwurfs (Totschlag), sei es aber zweifelhaft, ob das Recht des Beschuldigten<br />
auf alsbaldige <strong>und</strong> schnelle Verhandlung in nennenswertem Maß verletzt worden<br />
sei 2<strong>3.</strong> Immerhin erging das angefochtene tatrichterliche Urteil auch nur gut eineinhalb<br />
Jahre nach Tat <strong>und</strong> Verhaftung des Beschuldigten 24 •<br />
<strong>Die</strong>se Entscheidung beschäftigte in den nächsten Jahren Literatur <strong>und</strong> Rechtsprechung.<br />
Unklarheiten entstanden nicht zuletzt dadurch, daß der Senat im<br />
Leitsatz der Entscheidung lediglich formulierte: "nicht ohne weiteres", also das<br />
Wort "jedenfalls" wegließ 25. So waren demzufolge zwei Interpretationen möglich<br />
26 : Zum einen die, der 1. Strafsenat habe die Möglichkeit des Verfahrenshindernisses<br />
offen gelassen 27 , aber auch die, er habe prinzipiell, beschränkt auf<br />
besondere Fälle, das Prozeßhindernis der <strong>überlange</strong>n Verfahrensdauer anerkannt.<br />
18 BGH, DAR 1963, S. 169.<br />
19 Zustimmend aber Bruns, Strafzumessungsrechtl, S. 411.<br />
20 Hübner, LM NT. 1 zu NATO-Truppenstatut.<br />
21 Siehe dazu Schwenk, ZStW 79 (1967), S. 721; vgl. auch LG Duisburg, NJW 1965,<br />
S.643 (644), das die Norm überhaupt nicht erwähnt.<br />
22 BGHSt 21, S. 81 (84).<br />
23 BGHSt 21, S. 81 (82).<br />
24 Vgl. Hübner, LM NT. 1 zu NATO-Truppenstatut; Schwenk, ZStW 79 (1967),<br />
S. 721 f.<br />
25 Vgl. dazu Sarstedt / Hamm, <strong>Die</strong> Revision in Strafsachen', Rn. 515; Hattenhauer,<br />
<strong>Die</strong> Kritik des Zivilurteils, S. 145.<br />
26 Ähnlich Schwenk, ZStW 79 (1967), S. 737; JZ 1976, S. 583; Kramer, Menschenrechtskonvention,<br />
S. 59.<br />
So hat etwa kurz daraufdas OLG Stuttgart zwar im konkreten Fall Verzögerungen<br />
verneint, aber in einem obiter dictum aus dieser BGH-Entscheidung gefolgert,<br />
man könne aus einer Verletzung der genannten Bestimmung des NATO-Truppenstatuts<br />
für den Fall ihrer Mißachtung "keineswegs schlechthin" auf die Unzulässigkeit<br />
des folgenden Verfahrens schließen, sondern es müßten irgendwelche<br />
besonderen Umstände vorhanden sein, die ausnahmsweise eine Sperre des weiteren<br />
Verfahrens begründen könnten 28 •<br />
1970 nahm mit dem LG Frankfurt erstmals, soweit ersichtlich, ein Gericht an,<br />
daß aus dem Verbot <strong>überlange</strong>r Verfahrensdauer in Art. 6 I EMRK ein Verfahrenshindernis<br />
gefolgert werden könnte 29. Das LG Frankfurt knüpfte an den 1.<br />
Strafsenat des BGH sowie an eine Bemerkung Tiedemanns bezüglich des Contergan-Verfahrens<br />
an, das dessen Ansicht zufolge wegen Verletzung des Beschleunigungsprinzips<br />
hätte eingestellt werden müssen 30. Noch darüber hinausgehend<br />
äußerte das Landgericht, daß dann, wenn im Einzelfall die <strong>Dauer</strong> eines <strong>Strafverfahren</strong>s<br />
die angemessene Frist in Art. 6 EMRK überschritten hat, die Konsequenz<br />
nur darin bestehen könne, wegen eines Prozeßhindernisses einzustellen. Da Auslegungsrichtlinien<br />
<strong>und</strong> Präzedenzentscheidungen nicht existierten, versuchte das<br />
LG Frankfurt selbst, den Begriff der Angemessenheit i. S. v. Art. 6 I EMRK<br />
auszulegen. Zuvörderst seien sachbezogene Umstände heranzuziehen: Es sei die<br />
für das Verfahren benötigte Zeit in Verhältnis zu setzen zu der Bedeutung des<br />
Verfahrensgegenstands, dem Maß der Schuld des Beschuldigten, der Aussicht<br />
auf zuverlässige <strong>und</strong> vollständige Wahrheitsermittlung, der Straferwartung im<br />
Falle der Verurteilung, dem Umfang der Sache, dem Schwierigkeitsgrad der<br />
Ermittlungen <strong>und</strong> der Führung des Ermittlungsverfahrens 31 • Ergibt nicht schon<br />
diese Prüfung, daß ein <strong>Strafverfahren</strong> unangemessen lang sei, so ist für das LG<br />
Frankfurt weiterhin "personenbezogen" zu untersuchen, ob der Beschuldigte<br />
durch die <strong>Dauer</strong> des Verfahrens ges<strong>und</strong>heitlich <strong>und</strong> wirtschaftlich so sehr betroffen<br />
worden ist, daß dessen Fortsetzung ihm nicht mehr zugemutet werden kann 32.<br />
Ohne Bezug auf diese Entscheidungen stellte kurz darauf das LG Aachen im<br />
"Contergan-Beschluß" etwas mißverständlich fest, ein Verfahrenshindernis bestünde<br />
nicht, weil keine Vorschrift "im vorliegenden Falle" einen Verfahrensabbruch<br />
"gebieten" würde 3<strong>3.</strong><br />
27 So BGHSt 24, S.239 (243); OLG Karlsruhe, NJW 1972, S. 1907 (1909); LG<br />
Frankfurt, JZ 1971, S. 234 (235); LG Krefeld, JZ 1971, S. 733 (735).<br />
28 OLG Stuttgart, NJW 1967, S. 508 (509 f.); vgl. auch OLG Koblenz, NJW 1972,<br />
S. 404 f.; Hillenkamp, JR 1975, S. 137 Fn. 65; Schultz, MDR 1971, S. 191.<br />
29 LG Frankfurt, JZ 1971, S. 234.<br />
30 Tiedemann in: <strong>Die</strong> Verbrechen in der Wirtschaft', S. 37. Vgl. auch Schultz, MDR<br />
1971, S. 191.<br />
31 LG Frankfurt, JZ 1971, S. 234 (236).<br />
32 LG Frankfurt, JZ 1971, S. 234 (236).<br />
33 LG Aachen, JZ 1971, S. 507 (521); siehe auch StA Aachen, DRiZ 1971, S. 45.
26 1. Kap.: Überblick über den Forschungsstand A. Entwicklung zur heute herrschenden Meinung 27<br />
Dem LG Frankfurt widersprach wenige Monate später das LG Krefeld 34: Es<br />
käme nicht auf tat- <strong>und</strong> persönlichkeitsbezogene Umstände an, sondern ausschließlich<br />
darauf, ob die tatsächliche Verfahrensdauer, gemessen an der notwendigen<br />
Verfahrensdauer, unangemessen lang gewesen sei. Ob dies "ohne weiteres"<br />
die Unzulässigkeit des Verfahrens zur Folge hätte, ließ die Kammer mit Hinweis<br />
aufdie Entscheidung des 1. Strafsenats des BGH offen, da dies hier schon deshalb<br />
nicht in Betracht käme, weil der zur Revisionsaufhebung <strong>und</strong> damit zur Verfahrensdauer<br />
führende Verfahrensfehler auch auf das Verhalten der Verteidigung<br />
zurückzuführen sei 35 •<br />
Ende 1971 erwog das LG Lübeck dem Revisionsgericht zufolge, ein Verfahren<br />
wegen Verstoßes gegen Art. 6 I EMRK einzustellen 36 •<br />
Das OLG Koblenz 37 , das den 1. Strafsenat des BGH dahingehend verstand,<br />
daß dieser gr<strong>und</strong>sätzlich schon für bestimmte Fälle das Vorliegen eines Verfahrenshindernisses<br />
bejaht hätte 38, schränkte den Anwendungsspielraum zurgleichen<br />
Zeit gegenüber den genannten Landgerichten dadurch ein, daß ein Prozeßhindernis<br />
erst dann vorliegen sollte, wenn das Beschleunigungsprinzip in so unerträglicher,<br />
in so gravierender <strong>und</strong> unzumutbarer Weise verletzt sei, daß die eingetretene<br />
Verzögerung einer "Rechtsverweigerung" gleichkomme. Das OLG nahm diese<br />
Einschränkung vor, nachdem es das insgesamt über neunjährige Ermittlungs<strong>und</strong><br />
Eröffnungsverfahren als zum Teil verzögert angesehen hatte.<br />
Auch das OLG Karlsruhe knüpfte in seinem Urteil vom 20. 1. 1972 noch an<br />
die Entscheidung des 1. Strafsenats an 39 <strong>und</strong> ließ dahingestellt sein, ob unter<br />
ganz besonderen Umständen eine Verfahrensverzögerung einmal ein Verfahrenshindernis<br />
begründen könnte 40. Das OLG Karlsruhe stand allerdings vor dem<br />
Problem, daß es aufgr<strong>und</strong> jahrelanger Nichtbetreibung des Verfahrens auch bei<br />
dieser Einschränkung Art. 6 I EMRK als an sich verletzt ansah. Es hielt dem<br />
aber entgegen, daß dem Beschuldigten auferlegt sei, wollte er aus einer Verfahrensverzögerung<br />
Rechte herleiten, sein Recht auf Förderung des Verfahrens bei<br />
<strong>von</strong> ihm feststellbaren Verzögerungen mit Entschiedenheit, insbesondere mittels<br />
einer <strong>Die</strong>nstaufsichtsbeschwerde, geltend zu machen.<br />
2. BGHSt 24, 239<br />
<strong>Die</strong> Zurückhaltung der Oberlandesgerichte, auf Verfahrensverzögerungen mit<br />
Einstellungen zu reagieren, wurde durch eine Gr<strong>und</strong>satzentscheidung des 2.<br />
Strafsenats des BGH bestätigt 41 • Auch der 2. Senat stellte fest, "daß die ungewöhnlich<br />
lange <strong>Dauer</strong> des Vorverfahrens zu einem wesentlichen Teil auf unzulängliche<br />
Förderung durch die für seinen Fortgang verantwortlichen Organe<br />
zurückgeführt werden muß", <strong>und</strong> folgerte daraus einen Verstoß gegen Art. 6 I<br />
EMRK. Trotzdem lehnte der BGH jedoch die Möglichkeit des Vorliegens eines<br />
Verfahrenshindernisses gr<strong>und</strong>sätzlich <strong>und</strong> apodiktisch ab. <strong>Die</strong> Berücksichtigung<br />
bei der Strafzumessung sei "das geeignete Mittel", einer Verletzung des Beschleunigungsprinzips<br />
Rechnung zu tragen. <strong>Die</strong> Strafzumessung gewähre einen Spielraum,<br />
der ausreiche, um auf unangemessene Verzögerungen des Verfahrens zu<br />
reagieren. <strong>Die</strong>s könne in den vom Gesetz vorgesehenen Fällen bis zum völligen<br />
Absehen <strong>von</strong> Strafe gehen. Bei Vergehen könne das Verfahren nach § 153 StPO<br />
eingestellt werden, bei Verbrechen sei regelmäßig die Möglichkeit des Zurückgehens<br />
auf die gesetzliche Mindeststrafe ausreichend 42 •<br />
<strong>Die</strong>se überraschende Entscheidung läßt sich vielleicht tatsächlich, wie Kristian<br />
Kühl meint, durch die "Schubkraft" des Art. 6 I EMRK43 <strong>und</strong> durch das Wemhoff<br />
Urteil des EGMR erklären, in dem dieser 1968 erstmalig - <strong>und</strong> zwar gegen die<br />
B<strong>und</strong>esrepublik Deutschland - über eine Verletzung des Beschleunigungsprinzips<br />
zu befinden hatte 44. Der 1. Strafsenat hätte 1966 in seinermehrfach erwähnten<br />
Entscheidung das Vorliegen <strong>überlange</strong>r Verfahrensdauer, hielte er es für strafzumessungsrelevant,<br />
nicht einfach dahingestellt lassen dürfen 45, sofern der Beschwerdeführer,<br />
wie es regelmäßig geschieht 46 , (auch) die allgemeine Sachriige<br />
erhoben hatte 47.<br />
Der 2. Senat vertrat die Auffassung, daß die Entscheidung des 1. Senats nicht<br />
seinem Ergebnis entgegenstehen würde. Es habe sich dort nur um eine beiläufige<br />
Erörterung der Folgen eines Verstoßes gegen das Beschleunigungsprinzip gehandelt;<br />
die Worte "nicht ohne weiteres" sollten nur die vorgreifliche Beantwortung<br />
einer für die Entscheidung unerheblichen Frage vermeiden, nicht aber die Möglichkeit<br />
der Entstehung eines Verfahrenshindernisses im Gr<strong>und</strong>satz bejahen.<br />
34 LG Krefeld, IZ 1971, S. 73<strong>3.</strong><br />
35 LG Krefeld, IZ 1971, S. 733 (735).<br />
36 Vgl. BGH, Beschl. v. 2.7.1974 - 5 StR 48/74 (Anhang 3).<br />
37 OLG Koblenz, NIW 1972, S. 404.<br />
38 Vgl. auch BGH, Urt. v. 14.6.1972 - 2 StR 3/72 (Anhang 2).<br />
39 <strong>Die</strong> Entscheidung des OLG Karlsruhe erging zwar nach der Gr<strong>und</strong>satzentscheidung<br />
des 2. Senats (BGHSt 24, S. 239 vom 10.11.1971); offenbar war dieses Urteil dem OLG<br />
Karlsruhe jedoch noch nicht bekannt. Allerdings wies das OLG ebenfalls auf die <br />
erstmals in dem Urteil des 2. Senats ausgesprochene - Möglichkeit der Strafmilderung<br />
hin.<br />
40 OLG Karlsruhe, NIW 1972, S. 1907.<br />
41 BGHSt 24, S. 239.<br />
42 BGHSt 24, S. 239 (242 f.).<br />
43 K. Kühl, ZStW 100 (1988), S. 642. Kritisch aber Ress in: Europäischer Menschenrechtsschutz,<br />
S. 276.<br />
44 EGMR, IR 1968, S. 46<strong>3.</strong><br />
45 BGHSt 21, S. 81 (82).<br />
46 Vgl. etwa Grethlein, Problematik des Verschlechterungsverbotes im Hinblick auf<br />
die besonderen Maßnahmen des Jugendrechts, S. 29 Fn. 26a; Kodde, Zur Praxis der<br />
Beschlußverwerfung <strong>von</strong> Revisionen (§ 349 Abs. 2 StPO), S. 27. Vgl. aber auch Sarstedt /<br />
Hamm, <strong>Die</strong> Revision in Strafsachen" Rn. 10; Doller, MDR 1977, S. 370.<br />
47 Vgl. BayObLG, StV 1989, S. 394 (395); Ulsamer, FS Zeidler, S. 1804 f.
28 1. Kap.: Überblick über den Forschungsstand A. Entwicklung zur heute herrschenden Meinung 29<br />
So richtig diese Begründung im Ergebnis sein dürfte, so sind im einzelnen<br />
doch erhebliche Zweifel anzumelden. Zunächst spricht gegen die Annahme eines<br />
"unverbindlichen Schlenkers"48 durch den 1. Strafsenat, daß diese Ausführungen<br />
den Inhalt des - noch dazu einzigen - Leitsatzes der Entscheidung darstellen49,<br />
die der 1. Senat zur Veröffentlichung in der amtlichen Sammlung für geeignet<br />
gehalten hat. Zwar sind solche Darlegungen gerade beim 1. Senat nicht unüblich,<br />
wie etwa die Senatsentscheidungen BGHSt 32,345 5 °; 35, 308 51 <strong>und</strong> StV 1986,<br />
374 52 zeigen. Sie dürften aber doch wohlbedacht sein, etwa, um damit ganz<br />
allgemein Hinweise an die Tatrichter zu geben oder um die anderen BGH-Senate<br />
zu beeinflussen5<strong>3.</strong> Zudem mag aus der Formulierung des Leitsatzes - <strong>und</strong> nur<br />
die hat der 2. Senat wiedergegeben - kaum die sprachliche Auslegung möglich<br />
sein, daß hier eine Rechtsfrage offengelassen werden sollte. <strong>Die</strong> Gedankenführung<br />
des 2. Senats dürfte allerdings dann richtig sein, wenn man das beim 1. Senat<br />
in der Begründung auftauchende Wort ,jedenfalls" mit zur Würdigung heranzieht.<br />
Selbst wenn man jedoch eine Unvereinbarkeit zwischen den beiden Entscheidungen<br />
feststellen sollte, wäre auch dann der 2. Strafsenat nicht zu einer Vorlage<br />
an den Großen Strafsenat des BGH gemäß § 136 I GVG genötigt gewesen, da<br />
die Entscheidung des 1. Senats nicht auf dieser Passage beruht 54.<br />
<strong>Die</strong> gegen die Entscheidung des 2. Senats erhobene Verfassungsbeschwerde<br />
verwarf das BVerfG mit der Begründung, die Ablehnung der Verfahrenseinstellung<br />
<strong>und</strong> die Berücksichtigung der langen Verfahrensdauer bei der Strafzumessung<br />
verstoße hier nicht gegen rechtsstaatliche Gr<strong>und</strong>sätze 55 . Allerdings deutet<br />
diese Entscheidung, was in der Literatur regelmäßig übersehen wird 56, schon an,<br />
daß in schwerwiegenderen Fällen anderes gelten könnte. <strong>Die</strong> dagegen eingelegte<br />
Menschenrechtsbeschwerde sah die Kommission als zulässig an 57. Das Verfahren<br />
konnte durch einen fre<strong>und</strong>schaftlichen Ausgleich (vgl. Art. 28 lit. b EMRK)<br />
beendet werden, nachdem dem Beschwerdeführer der Rest der dreijährigen Freiheitsstrafe<br />
nach Verbüßung <strong>von</strong> wenig mehr als einem Drittel im Gnadenwege<br />
bedingt erlassen wurde 58.<br />
48 Kramer, Menschenrechtskonvention, S. 59.<br />
49 Vgl. Bruns, MDR 1987, S. 177; vgl. aber auch Sarstedt/Hamm, <strong>Die</strong> Revision in<br />
Strafsachen 5 , Rn. 8.<br />
50 Vgl. Bruns, StV 1984, S. 389 f.<br />
51 Vgl. G. Blau, BA 1989, S. 4.<br />
52 Vgl. Metzger, GebColloquium Kielwein, S. 97.<br />
53 Vgl. Bruns, StV 1984, S. 389 f.<br />
54 Vgl. BGHSt 9, S. 24 (29); 11, S. 159 (162); 19, S. 7 (9).<br />
55 BVerfG (Vorprüfungsausschuß), Beschl. v. 21.6.1972 -<br />
hang 1).<br />
2 BvR 146/72 (An-<br />
56 Vgl. Vogler, ZStW 89 (1977), S. 781; Peukert, EuGRZ 1979, S. 264 Fn. 20.<br />
57 EKMR, CD 44 (1973), S. 81.<br />
58 Vogler, ZStW 89 (1977), S. 781 f. Siehe auch Peukert, EuGRZ 1979, S. 274.<br />
Nachdem der 2. Senat 1972 in einem Hinweis an den Tatrichter wiederholte,<br />
daß aus Art. 6 I EMRK kein Verfahrenshindernis hergeleitet werden könne,<br />
stellte 1974 der 5. Strafsenat des BGH ein <strong>Strafverfahren</strong> wegen Verstoßes gegen<br />
diese Vorschrift ein, weil die Taten erst abgeurteilt worden seien, "nachdem sich<br />
das Verfahren über die dreifache Verjährungsfrist (§ 67 Abs. 2 StGB) <strong>und</strong> annähernd<br />
2 weitere Jahre hingeschleppt hat" 59. Wenngleich der 5. Senat betonte,<br />
hierin würde sich dieses Verfahren wesentlich <strong>von</strong> demjenigen unterscheiden,<br />
das dem Urteil BGHSt 24, 239 zugr<strong>und</strong>e lag, hätte er gemäß § 136 I GVG die<br />
- für beide Entscheidungen erhebliche - Rechtsfrage, ob aus Art. 6 I EMRK<br />
ein Verfahrenshindernis herleitbar ist, dem Großen Senat vorlegen müssen. Allerdings<br />
hat die Entscheidung des 5. Senats die Rechtsentwicklung nicht beeinflußt.<br />
Selbst nicht veröffentlicht, ist sie, soweit ersichtlich, weder in der Literatur noch<br />
in der (veröffentlichten) Rechtsprechung jemals auch nur erwähnt worden. Lediglich<br />
der 5. Senat selbst zitierte die Entscheidung zwei Jahre später in einem<br />
ebenfalls unveröffentlichten Urteil mit der Bemerkung, er halte an der dort<br />
niedergelegten Auffassung nicht fest 60.<br />
In der Ablehnung der Annahme eines Verfahrenshindernisses <strong>und</strong> der Befürwortung<br />
der Berücksichtigung <strong>von</strong> Verfahrensverzögerungen in der Strafzumessung<br />
schlossen sich in der Folgezeit auch alle anderen Senate des BGH - also<br />
ebenfalls der 1. Senat - dem 2. Strafsenat an 61 . Lediglich der <strong>3.</strong> Strafsenat<br />
akzeptierte in einer Entscheidung, daß die ca. zehnjährige Verfahrensdauer vom<br />
Tatgericht nicht strafmildernd herangezogen wurde 62. Im einzelnen präzisierten<br />
vor allem der 2. <strong>und</strong> der <strong>3.</strong> Senat die "Strafzumessungslösung": Strafmilderung<br />
dürfe es nur im Rahmen der gesetzlichen Voraussetzungen geben63, <strong>überlange</strong><br />
Verfahrensdauer könne aber auch für die Strafaussetzung zur Bewährung Bedeu-<br />
59 BGH, Beschl. v. 2.7.1974 - 5 StR 48/74 (Anhang 3).<br />
60 BGH, Urt. v. 6.7.1976 - 5 StR 184/76 (Anhang 7).<br />
61 1. Senat: GA 1977, S.275; NStZ 1987, S.232; StV 1988, S.487; NStZ 1989,<br />
S.526; wistra 1990, S.20; Urt. v. 24.2.1977 - 1 StR 554/76 (Anhang 8); Urt. v.<br />
5.7.1990 - 1 StR 135/90 (Anhang 16; jetzt auch bei Deuer, NStZ 1991, S. 274).<br />
2. Senat: NStZ 1982, S.291; 1983, S. 135; 1986, S. 162; S.217; 1989, S. 238; NJW<br />
1986, S. 75; StV 1983, S. 502; 1985, S. 322; S. 411; wistra 1990, S. 65; BGHR StPO<br />
§ 154a Abs. 3 Wiedereinbeziehung 1; wohl auch BGHR StGB § 46 Abs. 2 Nachtatverhalten<br />
4 (insoweit nicht in NStZ 1987, S. 171 abgedruckt); Urt. v. 14.6.1972 - 2 StR 3/<br />
72 (Anhang 2); Urt. v. 18.2.1976 - 2 StR 566/75 (Anhang 4); Urt. v. 19.2.1976<br />
2 StR 585/73 (Anhang 5); Urt. v. 5.1. 1978 - 2 StR 425/77 (Anhang 12).<br />
<strong>3.</strong> Senat: BGHSt 27, S. 274; 35, S. 137; StV 1982, S. 266; wistra 1982, S. 108; 1983,<br />
S. 106; bei Mösl, NStZ 1983, S. 494; Urt. v. 31.<strong>3.</strong>1976 - 3 StR 502/75 (Anhang 6).<br />
4. Senat: Urt. v. 24.11.1977 - 4 StR 459/77 (Anhang 11).<br />
5. Senat: BGH, StV 1989, S. 187 (188); bei Pfeiffer/Miebach, NStZ 1987, S. 19; Urt.<br />
v. 6.7.1976 - 5 StR 184/76 (Anhang 7); Urt. v. 5.7.1977 - 5 StR 771/76 (Anhang<br />
9); Beschl. v. 25.10.1977 - 5 StR 616/77 (Anhang 10); Urt. v. 4.<strong>3.</strong>1980 - 5 StR<br />
14/80 (Anhang 13).<br />
62 BGH, Urt. v. 31.<strong>3.</strong>1976 - 3 StR 502/75 (Anhang 6).<br />
63 BGHSt 27, S. 274.
30 1. Kap.: Überblick über den Forschungsstand A. Entwicklung zur heute herrschenden Meinung 31<br />
tung erlangen 64. Verzögerungen <strong>von</strong> Mitbeschuldigten dürfen dem Beschuldigten<br />
genausowenig entgegengehalten werden 65 wie der durch sein eigenes Leugnen<br />
verursachte Zeitablauf 66 .<br />
Auch <strong>von</strong> den Oberlandesgerichten wurde diese Rechtsprechung nicht in Frage<br />
gestellt. So hat das OLG Koblenz 1978 in Abweichung zu seiner erwähnten<br />
Entscheidung <strong>von</strong> 1971 67 auch die Strafzumessungslösung übemommen 68 . Allerdings<br />
ist gelegentlich eine leichte Distanz spürbar geworden. Das OLG Stuttgart<br />
hat etwa weiterhin nicht ausgeschlossen, daß ein Verfahrenshindernis im Einzelfall<br />
möglich sein könnte 69 . Das OLG Hamm bemerkte, der ihm vorliegende Fall<br />
weise keine Besonderheiten auf, die zu einer vom BGH abweichenden Beurteilung<br />
Anlaß geben könnten 70. Von den Instanzengerichten hat das LG Köln 1975,<br />
wie aus der aufhebenden Entscheidung des 2. Senats des BGH zu entnehmen<br />
ist7 l , ein Verfahren mit der Begründung eingestellt, "das Recht des Angeklagten<br />
auf Durchführung des <strong>Strafverfahren</strong>s innerhalb einer angemessenen Frist sei<br />
seitens der Justiz in unerträglicher Weise verletzt worden" 72.<br />
<strong>3.</strong> BVerfG (Vorprüfungsausschuß), NJW 1984,967<br />
Erst 1983 wurde diese nahezu einhellige Rechtsprechung erstmalig wieder in<br />
Frage gestellt durch ein "Vorbeben" 73: Ein - damals noch so genannter <br />
Vorprüfungsausschuß des BVerfG führte nunmehr in einem obiter dictum aus,<br />
daß die Auffassung des BGH, aus einer Verletzung des Beschleunigungsgebots<br />
könne in keinem Falle ein Verfahrenshindernis hergeleitet werden, verfassungsrechtlichen<br />
Bedenken unterliege. Im Einzelfall sei eine so erhebliche Verletzung<br />
des Rechtsstaatsgebots im <strong>Strafverfahren</strong> möglich, daß ein anerkennenswertes<br />
Interesse an weiterer Strafverfolgung, die allgemein dem verfassungsrechtlich<br />
gebotenen Rechtsgüterschutz dient, nicht mehr besteht <strong>und</strong> eine Fortsetzung des<br />
Verfahrens rechtsstaatlich nicht mehr hinnehmbar ist. In solch extrem gelagerten<br />
64 BGR, StV 1983, S. 502; 1985, S. 322; S. 411. Siehe auch schon BGR, Beschl. v.<br />
25.10.1977 - 5 StR 616/77 (Anhang 10).<br />
65 BGR, NStZ 1982, S. 291 (292).<br />
66 BGR, wistra 1983, S. 106.<br />
67 OLG Koblenz, NJW 1972, S. 404.<br />
68 OLG Koblenz, Beschl. v. 2<strong>3.</strong> I. 1978 (zit. n. Krey, <strong>Strafverfahren</strong>srecht I, Rn. 137<br />
Fn.30).<br />
69 OLG Stuttgart, JZ 1974, S. 268.<br />
70 OLG Ramm, NJW 1975, S. 702.<br />
71 BGR, Urt. v. 18.2.1976 - 2 StR 566/75 (Anhang 4).<br />
72 Im Fall Eckle hat das LG Köln 1977 nicht, wie die Ausführungen des EGMR,<br />
EuGRZ 1983, S. 553 (555), zur Entschädigung nach Art. 50 EMRK zu bedeuten scheinen,<br />
wegen <strong>überlange</strong>r Verfahrensdauer das Verfahren eingestellt; vgl. EGMR, EuGRZ 1983,<br />
S. 371 (377; 379).<br />
73 Rillenkamp, NJW 1989, S. 2842; 2843; 2845.<br />
Fällen sei ein Verfahrenshindernis unmittelbar aus dem Rechtsstaatsgebot des<br />
Gr<strong>und</strong>gesetzes abzuleiten74.<br />
<strong>Die</strong>sen Ausführungen kommt gerade deshalb besondere Bedeutung zu, weil<br />
es sich um ein obiter dictum handelt, was für Karlheinz Meyer sogar eine "offensichtliche<br />
Überschreitung" der "Befugnisse nach § 93a Abs. 3 BVerfGG" darstellt7<br />
s . Der Vorprüfungsausschuß sah sich also offensichtlich aufgr<strong>und</strong> der ständigen<br />
Rechtsprechung des BGH genötigt7 6 , sich zu diesem Punkt zu äußern, was<br />
dann auch mit deutlichen Worten geschehen ist 77 •<br />
Allerdings dürfte dieser Beschluß wohl weniger als Reaktion auf das Eckle<br />
Urteip8 des EGMR <strong>von</strong> 1982 anzusehen sein, durch das die B<strong>und</strong>esrepublik zum<br />
ersten - <strong>und</strong> bisher einzigen - Mal wegen <strong>überlange</strong>r <strong>Dauer</strong> eines <strong>Strafverfahren</strong>s<br />
verurteilt wurde 79. Denn nach den vorsichtigen Ausführungen des erwähnten<br />
Nichtannahmebeschlusses gegen BGHSt 24, 239 80 ließ 1979 ein Vorprüfungsausschuß<br />
des BVerfG zur <strong>überlange</strong>n Verfahrensdauer eines Konkursverfahrens<br />
ausdrücklich offen, ob "über die in §§ 202 ff. KO gesetzlich vorgesehenen Einstellungsmöglichkeiten<br />
hinaus eine Einstellung des Konkursverfahrens in Betracht<br />
kommt oder sogar ... unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten geboten<br />
sein kann" 81. <strong>Die</strong>se Bemerkung könnte eher durch das König-Urteil 82 initiiert<br />
sein 83, das der Dreierausschuß ausdrücklich erwähnt <strong>und</strong> das 1978 die erste<br />
Verurteilung der B<strong>und</strong>esrepublik wegen <strong>überlange</strong>r Verfahrensdauer, nämlich<br />
eines Verwaltungsverfahrens, darstellte.<br />
Der Beschluß des Vorprüfungsausschusses zur <strong>überlange</strong>n <strong>Strafverfahren</strong>sdauer<br />
<strong>von</strong> 1983 wurde durch zwei weitere Nichtannahmebeschlüsse, die zu dem<br />
Problemkreis der völkerrechtswidrigen Verschleppung ergingen, bekräftigt 84 . In<br />
beiden Entscheidungen, die der Dreierausschuß, seit 1986 Kammer genannt, in<br />
jeweils völlig anderer Besetzung traf, tauchte der Satz auf, daß auch in der<br />
Rechtsprechung das Eingreifen eines Verfahrenshindernisses <strong>von</strong> Verfassungs<br />
wegen in Fällen <strong>überlange</strong>r Verfahrensdauer "als möglich erachtet" würde. <strong>Die</strong>s<br />
muß überraschen, weil jedenfalls vor Fassung des ersten der beiden Beschlüsse<br />
seit über zehn Jahren keine Entscheidung mehr - außer eben der des Vorprü-<br />
74 BVerfG (Vorprüfungsausschuß), NJW 1984, S. 967.<br />
75 K. Meyer, FS Kleinknecht, S. 272. Vgl. auch Bruns, StV 1984, S. 389.<br />
76 So auch K. Meyer, FS Kleinknecht, S. 272.<br />
77 Kritisch zu dieser Praxis des BVerfG Sarstedt / Ramm, <strong>Die</strong> Revision in Strafsachen',<br />
Rn. 8 Fn. 21.<br />
78 EGMR, EuGRZ 1983, S. 371.<br />
79 Vgl. dazu K. Kühl, ZStW 100 (1988), S. 605.<br />
80 Siehe oben, 2.<br />
81 BVerfG (Vorprüfungsausschuß), EuGRZ 1979, S. 363 (364).<br />
82 EGMR, EuGRZ 1978, S. 406.<br />
83 Vgl. dazu Ress in: Europäischer Menschenrechtsschutz, S. 276.<br />
84 BVerfG (Vorprüfungsausschuß), NStZ 1986, S. 178 (179); (Kammer), NStZ 1986,<br />
S. 468; vgl. auch NJW 1987, S. 1874.
32 1. Kap.: Überblick über den Forschungsstand A. Entwicklung zur heute herrschenden Meinung 33<br />
fungsausschusses - veröffentlicht worden war85, in der ein Verfahrenshindernis<br />
auch nur für denkbar gehalten wurde.<br />
Wenngleich Entscheidungen des Dreierausschusses gern. § 31 I BVerfGG<br />
keine Bindungswirkung haben, weil in einem summarischen Verfahren lediglich<br />
die Annahme der Verfassungsbeschwerde zur Entscheidung abgelehnt wird 86 ,<br />
haben diese Entscheidungen die gefestigte Rechtsprechung ins Wanken gebracht<br />
<strong>und</strong>, wie auch sonst häufig 87 , die Rechtsentwicklung mitbestimmt.<br />
Unter Berufung auf den Beschluß des Vorprüfungsausschusses des BVerfG<br />
zur <strong>überlange</strong>n Verfahrensdauer stellte 1987 das LG Düsseldorf ein <strong>Strafverfahren</strong><br />
ein 88 , nachdem zuvor (in anderer Sache) schon das OLG Düsseldorf hatte<br />
dahinstehen lassen, ob aufgr<strong>und</strong> des obiter dictum des Vorprüfungsausschusses<br />
ein Verfahrenshindernis denkbar sei 89. Überlange Verfahrensdauer könne ein<br />
unmittelbar aus dem Rechtsstaatsgebot des Gr<strong>und</strong>gesetzes abzuleitendes Verfahrenshindernis<br />
sein, wenn eine extreme, vom Beschuldigten nicht zu vertretende<br />
Verfahrensverzögerung vorliegt. Aus dieser sei zu folgern, daß ein anerkennenswertes<br />
Interesse an weiterer Strafverfolgung nicht mehr besteht. Auch das OLG<br />
Karlsruhe 90 <strong>und</strong> das OLG Koblenz 91 folgten nunmehr der Argumentation des<br />
Vorprüfungsausschusses.<br />
Aber auch in die Rechtsprechung des BGH kam Bewegung, wenngleich sich<br />
die Vermutung <strong>von</strong> Miehsler / Vogler, durch die Entscheidung des Vorprüfungsausschusses<br />
sei die bisherige Ansicht des BGH überholt, zunächst nicht als richtig<br />
erwies 92. Insbesondere der 2. Strafsenat erwähnte den Nichtannahmebeschluß<br />
allenfalls, um darauf hinzuweisen, der Vorprüfungsausschuß habe die Strafzumessungslösung<br />
des BGH gebilligt 93 .<br />
85 Zuletzt OLG Hamm, NJW 1975, S. 702. K. Schäfer in LR24, Ein!. Kap. 12 Rn. 91<br />
Fn. 184, führt hier zu Unrecht das LG Flensburg, MDR 1979, S. 76, an.<br />
86 BVerfGE 23, S. 191 (207); 33, 1 (11); 53, S.336 (348); Schmidt-Bleibtreu in<br />
Maunz / Schmidt-Bleibtreu / Klein / Ulsamer, BVerfGG, § 93b Rn. 14; Pestalozza, VerfassungsprozeBrecht<br />
2 , § 14 vor 1. Soweit die fehlende Bindun~swirkun~ damit be,gründet<br />
wird, die Entscheidung des Vorprüfungsausschusses beruhe mcht auf diesen Erwagun~en<br />
(BGHSt 32, S. 345 ; Pfeiffer in KK StP02, Ein!. Rn. 131) bzw. es handele sich<br />
um ein obiter dictum (RieB in LR24, § 206a Rn. 56), ist dies deshalb nur vom Ergebnis<br />
her richtig.<br />
87 Vg!. dazu Gilles, JuS 1981, S.405; Jekewitz, StV 1982, S. 124; K. Meyer, FS<br />
Kleinknecht, S. 272; Hillenkamp, NJW 1989, S. 2842; Zuck, NJW 1990, S. 2450; dagegen<br />
Schlaich, Das B<strong>und</strong>esverfassungsgericht, S. 125 f.<br />
88 LG Düsseldorf, NStZ 1988, S. 427.<br />
89 OLG Düsseldorf, NJW 1986, S. 2204 (2205); vg!. aber auch NStE Nr. 56 zu § 46<br />
StGB.<br />
90 OLG Karlsruhe, StV 1986, S. 10 (11).<br />
91 OLG Koblenz, GA 1987, S. 367 (368).<br />
92 Miehsler / Vogler in IntKomm, Art. 6 Rn. 329 Fn.1. Richtiger die Einschätzung<br />
<strong>von</strong> Bruns, StV 1984, S. 393: Es sei "Hoffnung auf eine Anderung der Rechtsprechung<br />
zwar gegeben", diese dürfe aber "nicht überschätzt werden"; zurückhaltend auch RieB,<br />
JR 1985, S. 46.<br />
Auch der 1. Senat zeigte sich <strong>von</strong> der Entscheidung offenbar "unbeeindruckt"94,<br />
wenn er ausführt, sie beruhe nicht auf dieser Erwägung <strong>und</strong> der zuständige<br />
Senat des BVerfG habe sich zu dieser Frage noch nicht geäußert 95 . Wie<br />
der 1. zitierte auch der <strong>3.</strong> Senat des BGH die "Auffassung", die "ein" Vorprüfungsausschuß<br />
vertreten hat, um sich <strong>von</strong> dieser sogleich zu distanzieren 96. <strong>Die</strong>ser<br />
womöglich mit abwertender Tendenz gemeinte Hinweis 97 ist insofern nicht präzise,<br />
als durch anders besetzte Dreierausschüsse der Entscheidung zugestimmt<br />
worden ist. Da hierbei nicht nur die Entscheidung einstimmig getroffen werden<br />
muß (vgl. §§ 92a II a. F., 93b I n. F. BVerfGG), sondern auch Einstimmigkeit in<br />
der rechtlichen Begründung gefordert wird 98 , haben somit sieben Richter des<br />
2. Senats des BVerfG dieser Auffassung beigepflichtet: Zeidler, Wand, Träger,<br />
Steinberger, Böckenförde, NiebIer <strong>und</strong>Klein 99. <strong>Die</strong> Vermutung Karlheinz Meyers,<br />
die drei Richter des Vorprüfungsausschusses würden bei einer späteren Senatsentscheidung<br />
zur <strong>überlange</strong>n <strong>Dauer</strong> <strong>von</strong> <strong>Strafverfahren</strong> ein Sondervotum abgeben<br />
müssen 100, dürfte sich als nicht zutreffend erwiesen haben.<br />
Der 5. Senat schließlich stellte 1986 fest, <strong>überlange</strong> Verfahrensdauer begründe<br />
nach der Rechtsprechung des BGH kein Verfahrenshindernis; er halte an dieser<br />
Auffassung trotz des Beschlusses des Vorprüfungsausschusses "jedenfalls für<br />
die Fälle" fest, in denen der Tatrichter dem Zeitablauf bei der Strafzumessung<br />
(i. w. S.) in angemessener Weise Rechnung tragen könne 101. Der 5. Senat sah<br />
sich interessanterweise zu dieser Entscheidung deshalb genötigt, weil 1985 das<br />
LG Frankfurt - wiederum - ein Verfahren wegen <strong>überlange</strong>r Verfahrensdauer<br />
eingestellt hatte. Auch in einer späteren Entscheidung folgte der 5. Senat nicht<br />
dem Vorprüfungsausschuß "angesichts der Schwere des Tatvorwurfs <strong>und</strong> der<br />
Schwierigkeit der Beweislage" 102.<br />
4. BGHSt 35,137<br />
Ende 1987 kam es dann zu einem heftigen Beben: Der <strong>3.</strong> Strafsenat des BGH<br />
stellte ein Verfahren wegen <strong>überlange</strong>r Verfahrensdauer einlOJ, dem "unvorstell-<br />
93 BGH, NJW 1986, S. 75 (76); ähnlich NStZ 1986, S. 162.<br />
94 Krey, <strong>Strafverfahren</strong>srecht I, Rn. 126 Fn. 7a.<br />
95 BGHSt 32, S. 345 (351).<br />
96 BGHSt 35, S. 137 (140); allerdings kommt der <strong>3.</strong> Senat doch zur Verfahrenseinstellung,<br />
siehe dazu unten, 4.<br />
97 Vg!. Bruns, StV 1984, S. 391; Becker, StV 1985, S. 400.<br />
98 Schmidt-Bleibtreu in Maunz / Schmidt-Bleibtreu / Klein / Ulsamer,<br />
§ 93b Rn. 10; Rupprecht, JZ 1970, S. 209 f.<br />
BVerfGG,<br />
99 Vg!. EuGRZ 1984, S. 95; 1986, S. 21; 1987, S. 9<strong>3.</strong><br />
100 K. Meyer, FS Kleinknecht, S. 272 Fn. 30.<br />
101 BGH bei Pfeiffer/Miebach, NStZ 1987, S. 19.<br />
102 BGH, StV 1989, S. 187 (188).<br />
103 BGHSt 35, S. 137.<br />
3 Scheffler
34 1. Kap.: Überblick über den Forschungsstand A. Entwicklung zur heute herrschenden Meinung 35<br />
bare Geschehnisse" 104 zugr<strong>und</strong>e lagen: Entgegen § 347 StPO waren die Akten<br />
vom LG Frankfurt fast fünf Jahre lang nicht an den BGH weitergeleitet worden 105.<br />
Der BGH meinte nun an sich, die Sache (auch) aus sonstigen sachlich-rechtlichen<br />
Gründen zurückverweisen zu müssen. Er sah das Dilemma, daß durch die dann<br />
folgende Hauptverhandlung, die - es lag ein Fall <strong>von</strong> Wirtschaftskriminalität<br />
vor - wiederum erhebliche Zeit in Anspruch nehmen dürfte, das Verfahren<br />
weitere Jahre dauerte. Zudem bestand für den Senat eine gewisse Wahrscheinlichkeit,<br />
daß die erneute Hauptverhandlung mit einem Freispruch enden würde, so<br />
daß er den Weg, das Problem der <strong>überlange</strong>n Verfahrensdauer über die Strafzumessung<br />
zu lösen, verbaut sah. Da dem BGH selbst für eine Einstellung gemäß<br />
§ 153a StPO die Freispruchswahrscheinlichkeit zu groß war <strong>und</strong> die Staatsanwaltschaft<br />
bei dem Landgericht sich gegen eine Einstellung nach § 153 StPO sperrte,<br />
stellte er schlichtweg ohne Angabe einer Rechtsgr<strong>und</strong>lage ein 106.<br />
Aufgr<strong>und</strong> des Geschäftsverteilungsplans des BGH 107 <strong>und</strong> der gesonderten Verfolgung<br />
eines Mitbeschuldigten hatte wenige Wochen nach der Entscheidung<br />
des <strong>3.</strong> Strafsenats der 2. Strafsenat einen letztlich sehr ähnlichen Sachverhalt 108<br />
zu entscheiden 109. Ohne die Entscheidung des <strong>3.</strong> Senats, die dem 2. Senat bekannt<br />
gewesen sein dürfte, auch nur zu erwähnen, traf hier der 2. Senat eine eigene<br />
Sachentscheidung <strong>und</strong> sprach frei. <strong>Die</strong>s mag zwar aufgr<strong>und</strong> im einzelnen nuancierender<br />
tatsächlicher Feststellungen in den beiden tatrichterlichen Urteilen gerechtfertigt<br />
sein, deutet aber doch an, daß der 2. Strafsenat nicht den Weg des <strong>3.</strong> Senats<br />
gehen wollte. Ferner mußte der 2. Senat, um zu dem Ergebnis der Verfahrensbeendigung<br />
zu kommen, in Erweiterung der umstrittenen Rechtsprechung zur Wiedereinbeziehung<br />
ausgeschiedener Tatteile in der Revisionsinstanz 110 unter Hinweis<br />
auf das Beschleunigungsprinzip es ablehnen, die Sache zur Verhandlung über<br />
den ausgeschiedenen Tatteil zurückzuverweisen 111. Auch in einer weiteren Ent-<br />
104 Kühne, EuGRZ 1988, S. 306.<br />
105 Zum Hintergr<strong>und</strong> teilt Leppert, Frankfurter R<strong>und</strong>schau v. 25.8.1988, S. 12, mit:<br />
"... über Jahre nicht verfügbar waren die Akten eines ... Frankfurter Richters, der sich<br />
vorzeitig pensionieren ließ. Immer hatte er an seiner Akte noch etwas verändern oder<br />
verbessern wollen - bis es dem B<strong>und</strong>esgerichtshof in einem Fall zu viel wurde ..."<br />
106 <strong>Die</strong>s mißversteht Hasserner, JuS 1989, S. 146 f., dem zufolge der BGH der Einstellung<br />
§ 153 StPO zugr<strong>und</strong>e gelegt hat.<br />
107 Sämtlichen vor dem LG Frankfurt Angeklagten - die Verantwortlichen der zusammengebrochenen<br />
Selmi-Bank AG, Frankfurt - war u. a. eine Zuwiderhandlung gegen<br />
§ 129 StGB vorgeworfen worden. Daher war die Staatsschutzkammer gern. § 74a I Nr. 4<br />
GVG zuständig mit der Folge, daß nach dem Geschäftsverteilungsplan des BGH der<br />
<strong>3.</strong> Strafsenat zuständig gewesen ist. Zur Zuständigkeit des 2. Strafsenats bezüglich des<br />
einen gesonderten verfolgten Angeklagten kam es dadurch, daß dieser <strong>von</strong> der Schweiz<br />
ausgeliefert werden mußte <strong>und</strong> das schweizerische B<strong>und</strong>esgericht die Auslieferung allein<br />
wegen des Vorwurfs der Untreue bewilligte, so daß es bei der Zuständigkeit des 2. Strafsenats<br />
für die Revisionen des Bezirks des OLG Frankfurt blieb.<br />
108 Vgl. den redaktionellen Hinweis in wistra 1988, S. 230.<br />
109 BGH, wistra 1988, S. 227.<br />
110 BGHSt 21, S. 326 (328 f.).<br />
scheidung vermied der 2. Senat die Erwähnung des Urteils des <strong>3.</strong> Senats 112, traf<br />
aber selbst eine abschließende Sachentscheidung unter äußerst extensiver Interpretation<br />
<strong>von</strong> § 354 I StPO 11<strong>3.</strong> Ob sich etwas anderes aus einem neueren Beschluß<br />
des 2. Strafsenats ergibt, in dem dieser ein Verfahren nach § 153 StPO einstellte<br />
<strong>und</strong> erwähnte, der BGH habe ein Verfahrenshindernis "bisher" verneint, bleibt<br />
abzuwarten 114. Immerhin wird hier das verfahrensbeendende Urteil des <strong>3.</strong> Strafsenats<br />
wenigstens zitiert, der inzwischen Gemeinsamkeiten zwischen beiden Entscheidungen<br />
hervorgehoben hat 115.<br />
Der 1. Strafsenat des BGH erwähnte die Entscheidung BGHSt 35, 137 in<br />
einem Beschluß zwar, jedoch ausschließlich als Beleg dafür, daß nach der ständigen<br />
Rechtsprechung des BGH eine der Vorschrift des Art. 6 I EMRK zuwiderlaufende<br />
Verfahrensverzögerung zugunsten des Angeklagten strafmildernd berücksichtigt<br />
werden müsse, ging jedoch aufdie sonstige dort angesprochene Problematik<br />
mit keinem Wort ein, sondern wies die Sache unter Aufhebung des Strafausspruchs<br />
an das Landgericht zurück 116. In anderen Entscheidungen zur <strong>überlange</strong>n<br />
Verfahrensdauer wurde das Urteil des <strong>3.</strong> Strafsenats überhaupt nicht erwähnt l17 •<br />
Vor allem dieser Senat scheint mit Krey übereinzustimmen, der davor warnt, die<br />
Entscheidung des <strong>3.</strong> Senats überzubewerten: "hard cases make bad law" 118.<br />
Der 5. Senat bekräftigte u. a. unter Berufung auf BGHSt 35, 137 nochmals,<br />
daß ungewöhnlich lange Verfahrensdauer "gr<strong>und</strong>sätzlich" kein Verfahrenshindernis<br />
begründe; er lehnte einzelfallorientiert <strong>und</strong> ohne nähere Begründung ab, das<br />
Verfahren durch Einstellung "abzubrechen", weil die besonderen Umstände, die<br />
den <strong>3.</strong> Senat dazu veranlaßt hätten, im konkreten Fall nicht vorlägen 119.<br />
Das OLG Zweibrücken nahm unter Bezug sowohl auf die Entscheidung des<br />
Vorprüfungsausschusses des B<strong>und</strong>esverfassungsgerichts als auch die des <strong>3.</strong> Senats<br />
des BGH in einem Fall "schwerwiegender Verfahrensverzögerung" ein<br />
Verfahrenshindernis an 120. In dem Verfahren war wegen Fahrens ohne Führerschein<br />
eine Geldstrafe verhängt worden. Im Rechtsmittelverfahren waren, wie<br />
das OLG Zweibrücken berichtet, zahlreiche Verfahrensfehler unterlaufen, so u. a.<br />
die beantragte Wiedereinsetzung in die versäumte Berufungsfrist nicht gewährt<br />
111 BGHR StPO § 154a Abs. 3 Wiedereinbeziehung 1 (insoweit nicht in wistra 1988,<br />
S. 227 abgedruckt).<br />
112 BGH, NStZ 1989, S. 238.<br />
113 Vgl. Daub, KritJ 22 (1989), S. 330.<br />
114 BGH, wistra 1990, S. 65.<br />
115 BGHSt 36, S. 363 (372).<br />
116 BGH, StV 1988, S. 487.<br />
117 BGH, NStZ 1989, S. 526; wistra 1990, S. 20; Urt. v. 5.7.1990 -<br />
(Anhang 16; jetzt auch bei Detter, NStZ 1991, S. 274).<br />
I StR 135/90<br />
118 Krey, <strong>Strafverfahren</strong>srecht II, Rn. 587.<br />
119 BGH, StV 1989, S. 187 (188).<br />
120 OLG Zweibrücken, StV 1989, S. 51.<br />
3*
36 1. Kap.: Überblick über den Forschungsstand A. Entwicklung zur heute herrschenden Meinung 37<br />
<strong>und</strong> Ersatzfreiheitsstrafe vollstreckt worden. Ein Ausgleich über die Strafzumessung<br />
schied insofern <strong>von</strong> vornherein aus. Mit Rücksicht aufdas außergewöhnliche<br />
Ausmaß der durch Justizorgane verursachten Verzögerung <strong>und</strong> der dadurch bedingten<br />
Gesamtdauer des <strong>Strafverfahren</strong>s, das nicht besonders erhebliche Gewicht<br />
des Tatvorwurfs <strong>und</strong> Verfahrensgegenstandes einerseits <strong>und</strong> die beträchtlichen<br />
tatsächlichen, auf den Zeitablauf zurückzuführenden Beweisschwierigkeiten andererseits<br />
sowie aufgr<strong>und</strong> der Prozeßmängel in der ersten Instanz <strong>und</strong> der <br />
durch die Strafvollstreckung <strong>und</strong> sie begleitende Zwangsmaßnahmen verstärkten<br />
- Belastung des Angeklagten durch das Verfahren sah es das OLG als geboten<br />
an, das Verfahren einzustellen.<br />
Andere Gerichte haben in der darauffolgenden Zeit ihnen vorliegende Sachverhalte<br />
immer wieder an den Kriterien des <strong>3.</strong> Senats des BGH geprüft, jedoch<br />
jeweils die Auffassung vertreten, daß die "besonderen Umstände" des dortigen<br />
Falles nicht vorlägen 121.<br />
11. Der Diskussionsstand in der Literatur<br />
1. Zur Verfahrensdauer allgemein<br />
In der Literatur wird die Diskussion um die <strong>überlange</strong> Verfahrensdauer vor<br />
allem <strong>von</strong> der Rechtstatsachenforschung bestimmt.<br />
Nachdem der Gesetzgeber in der Begründung zum 1. StVRG 1974 122 <strong>und</strong> vor<br />
allem zum StVÄG 1979 123 statistisches Material zur <strong>Dauer</strong> <strong>von</strong> <strong>Strafverfahren</strong><br />
vorgelegt hatte, präsentierte 1981 RießI24 umfangreiche, neuere Daten. Einige<br />
aktuelle Zahlen veröffentlichte vor kurzem Caesar l25 . Älteres Datenmaterial<br />
findet sich bei Ritter 126 <strong>und</strong> bei Stein / Schumann / Winter 127. Bei diesen Statistiken<br />
ist zu beachten, daß sie nicht einmal Aussagen über korrelative Zusammenhänge<br />
zwischen Verfahrensdauer <strong>und</strong> bestimmten Verfahrensereignissen zulassen<br />
128. Rechtstatsächliche Untersuchungen, die solche Aussagen erlauben, haben<br />
121 OLG Düsseldorf, MDR 1989, S.935; BayObLG, StV 1989, S.394; LG Köln,<br />
NStZ 1989, S. 442. So auch der <strong>3.</strong> Strafsenat des BGH selbst (BGHSt 36, S. 363
38 1. Kap.: Überblick über den Forschungsstand A. Entwicklung zur heute herrschenden Meinung 39<br />
pflege Tätige vor allem auf Strukturen in StPO <strong>und</strong> GVG hinweisen 143, legen<br />
vornehmlich Strafrechtsdogmatiker zusätzliches Augenmerk auf Verkomplizierungen<br />
im materiellen Strafrecht (Wandel in Richtung Täterstrafrecht, Hinwendung<br />
zu subjektiven Tatbestandsmerkmalen) 144. Unter kriminologischen Gesichtspunkten<br />
wird auch auf einen Wandel in der Kriminalität (Professionalisierung)<br />
<strong>und</strong> in den gesellschaftlichen Auffassungen (Strafrechtsmüdigkeit) 145, in<br />
der Verteidigermentalität 146 sowie in der Belastung <strong>und</strong> Belastbarkeit der Strafverfolgungsbehörden<br />
147 aufmerksam gemacht.<br />
Neben diesen Aussagen zu Phänomenologie <strong>und</strong> Ätiologie ist das Thema der<br />
<strong>überlange</strong>n <strong>Dauer</strong> <strong>von</strong> <strong>Strafverfahren</strong> gelegentlich rechtsvergleichend betrachtet<br />
worden: Erwähnt sei die Freiburger Dissertation <strong>von</strong> Prochnow, der 1971 die<br />
deutschen Reformvorschläge mit dem österreichischen, schweizerischen <strong>und</strong><br />
französischen Recht verglich 148. Daneben findet sich rechtsvergleichendes Material<br />
etwa bei Schwenk, der über das Recht aufalsbaldige <strong>und</strong> schnelle Verhandlung<br />
in den USA <strong>und</strong> Großbritannien berichtet 149. Kohlmann analysiert den Anspruch<br />
des Beschuldigten auf schnelle Durchführung des Ermittlungsverfahrens nach<br />
dem Recht der (ehemaligen) DDR ISO. Einen japanischen Fall <strong>überlange</strong>r Verfahrensdauer<br />
beschreibt Nose 151; ein holländisches <strong>Strafverfahren</strong> erwähnt Peukert<br />
l52 • Umgekehrt haben 1984 Driendl 153 für das österreichische <strong>und</strong> Küng-<br />
143 Vgl. etwa K. Peters in: Strafprozeß <strong>und</strong> Reform, S. 83 ff.; Michaelsen, Krim 1982,<br />
S. 498 ff.; Kohlhaas, ZRP 1972, S. 7 ff.; Bode, DRiZ 1982, S. 454 ff.; Gössel, GA 1979,<br />
S. 241 ff.; G. Schmidt, DRiZ 1971, S. 77 ff.; Sack, NJW 1976, S. 604 ff.; Keller / Schmid,<br />
wistra 1984, S. 201 ff.; Dästner, RuP 1978, S. 219 ff.; v. Glasenapp, NJW 1982,<br />
S. 1057 f.; Dahs, NJW 1974, S. 1542 f.<br />
144 K. Peters in: Strafprozeß <strong>und</strong> Reform, S. 84 f.; Küng-Hofer, Beschleunigung,<br />
S. 6 ff.; Rönnau, <strong>Die</strong> Absprache im Strafprozeß, S. 45; vgl. auch Kohlmann, FS Pfeiffer,<br />
S. 206 ff.; Nestler-Tremel, DRiZ 1988, S.289; Schünemann, FS Pfeiffer, S. 173 f.;<br />
Schroeder, NJW 1983, S. 137.<br />
145 K. Peters in: Strafprozeß <strong>und</strong> Reform, S. 86 f.; Küng-Hofer, Beschleunigung,<br />
S. 10 ff.<br />
146 Vgl. dazu etwa Gatzweiler, FG L. Koch, S. 93 ff.; Franzheim, GA 1990, S. 331 f.;<br />
Hanack, StV 1987, S. 500 ff.; Terhorst, DRiZ 1988, S. 298; Nestler-Tremel, DRiZ 1988,<br />
S.289; Kintzi, JR 1990, S. 313; Römer, FS Schmidt-Leichner, S. 143 ff.; Wolfslast,<br />
NStZ 1990, S. 410; Caesar, RuP 1990, S. 46.<br />
147 Vgl. etwa Rönnau, <strong>Die</strong> Absprache im Strafprozeß, S. 42 ff.; K. Peters in: Strafprozeß<br />
<strong>und</strong> Reform, S. 88 f.<br />
148 Prochnow, <strong>Die</strong> Beschleunigung des <strong>Strafverfahren</strong>s in rechtsvergleichender Betrachtung.<br />
149 Schwenk, ZStW 79 (1967), S. 726 ff.; vgl. auch Küng-Hofer, Beschleunigung,<br />
S. 97 ff.; Nose, ZStW 82 (1970), S. 792 Fn. 28; Vollkommer, ZZP 81 (1968), S. 106;<br />
Adam, DRiZ 1974, S. 261 f.<br />
ISO Kohlmann, FS Maurach, S. 512 ff.; ZRP 1972, S. 212 f.<br />
151 Nose, ZStW 82 (1970), S. 790 f. In einem anderen asiatischen Staat, Indien, soll<br />
1990 das längste <strong>Strafverfahren</strong> nach 33 Jahren eingestellt worden sein (Weser-Kurier<br />
v. 21.12.1990, S. 16).<br />
152 Peukert, EuGRZ 1979, S. 264 Fn. 19.<br />
153 Driendl, Verfahrensökonomie <strong>und</strong> Strafprozeßreform.<br />
Hofer 154 für das schweizerische Recht Untersuchungen vorgelegt, die rechtsvergleichend<br />
die deutsche Rechtslage mit herangezogen haben.<br />
Alle diese Untersuchungen stehen mit der Frage der Rechtsfolgen <strong>überlange</strong>r<br />
Verfahrensdauer nur in indirektem Zusammenhang, da man aus ihnen am ehesten<br />
etwas zur Verfahrensbeschleunigung de lege ferenda, weniger zur rechtlichen<br />
Reaktion de lege lata ableiten kann, zu der sich die meisten Autoren allenfalls<br />
am Rande geäußert haben.<br />
2. Zu den Rechtsfolgen <strong>überlange</strong>r Verfahrensdauer<br />
In der Literatur zu den Rechtsfolgen <strong>überlange</strong>r Verfahrensdauer hat sich,<br />
jedenfalls im Anschluß an den Beschluß des Vorprüfungsausschusses des BVerfG<br />
<strong>von</strong> 1983, die Auffassung durchgesetzt 155, daß in Fällen krassester Verzögerung<br />
Verfahrensbeendigung eintreten müßte 156. So hat etwa Claus Roxin <strong>von</strong> "extrem<br />
gelagerten Fällen, bei denen eine <strong>überlange</strong> Verfahrensdauer hauptsächlich auf<br />
justizinternen Unzulänglichkeiten beruht", gesprochen 157. Für Karl Peters ist ein<br />
Verfahrenshindernis notwendig bei übermäßiger Verfahrensdauer, die zu einem<br />
unmenschlichen Verfahren führen kann, "namentlich wenn sie <strong>von</strong> Justizbehörden<br />
zu vertreten ist" 158. Rogall nennt erhebliche Verfahrensverzögerungen "durch<br />
gravierende Versäumnisse der Strafverfolgungsbehörden" 159. Auch für Kühne,<br />
Hillenkamp <strong>und</strong>Imme Roxin ist die Einstellung in "Extremfällen" <strong>von</strong> Verfahrensverzögerungen<br />
geboten 160.<br />
In den Jahren davor hat die Strafrechtswissenschaft ähnliches nur gelegentlich<br />
anklingen lassen: Bruns etwa sprach <strong>von</strong> "extrem krassen Fällen" 161, Kramer<br />
<strong>von</strong> "seltensten Ausnahmen", <strong>von</strong> "ganz besonderen, geradezu einmaligen Umständen"<br />
162, unter denen ein Verfahrenshindernis einmal in Betracht kommt.<br />
Ansonsten war in der Literatur zunehmend die Tendenz zu beobachten, <strong>von</strong> der<br />
Einstellungslösung weg zur Strafzumessungslösung des BGH zu wechseln. Entgegen<br />
Michael 163 war das Problem zu dieser Zeit nicht in Richtung Einstellung<br />
"in Fluß".<br />
154 Küng-Hofer, Beschleunigung; siehe dazu Scheffler, MschrKrim 68 (1985), S. 67 f.<br />
155 Dagegen aber noch Kleinknecht/Meyer, StP039, Art. 6 MRK Rn. 9; wohl auch<br />
Krey, <strong>Strafverfahren</strong>srecht I, Rn. 126; II, Rn. 587. Vgl. auch Kohlmann, FS Pfeiffer,<br />
S. 211; G. Schäfer, <strong>Die</strong> Praxis des <strong>Strafverfahren</strong>s', § 11 III <strong>3.</strong><br />
156 So auch Neumann, ZStW 101 (1989), S. 74.<br />
157 C. Roxin, <strong>Strafverfahren</strong>srecht 20 , § 16 C.<br />
158 K. Peters, Strafprozeß" § 28 IV 6.<br />
159 Rogall in SK StPO, vor § 133 Rn. 120.<br />
160 Kühne, Strafprozeßlehre 3 , Rn. 128.1; Hillenkamp, NJW 1989, S.2845; 2848; 1.<br />
Roxin, Rechtsfolgen, S. 268.<br />
161 Bmns, FS Maurach, S. 472; wohl auch Leitfaden des StrafzumessungsrechtsI,<br />
S. 154; ähnlich Priebe, FS v. Simson, S. 309.<br />
162 Kramer, Menschenrechtskonvention, S. 198.
40 1. Kap.: Überblick über den Forschungsstand A. Entwicklung zur heute herrschenden Meinung 41<br />
<strong>Die</strong> frühesten Erörterungen des Themas in der Literatur in den sechziger Jahren<br />
durch Baumann 164 <strong>und</strong> Schwenk 165 gingen dagegen sogar noch da<strong>von</strong> aus, daß<br />
jede <strong>überlange</strong> Verfahrensdauer verfahrensbeendende Wirkung haben könnte.<br />
Dem trat Hanack 1971 - praktisch zeitgleich mit der Gr<strong>und</strong>satzentscheidung<br />
des 2. Senats des BGH, mit der dieser die Strafzumessungslösung konstituierte<br />
- entgegen 166: In ausführlicher Auseinandersetzung mit den Urteilen der Landgerichte<br />
Frankfurt <strong>und</strong> Krefeld verneinte er die Möglichkeit eines Prozeßhindernisses<br />
des <strong>überlange</strong>n <strong>Strafverfahren</strong>s. Nunmehr war auch in der Literatur die<br />
Einstellungslösung auf dem Rückzug l67 . Lediglich v. Stackelberg war 1979 in<br />
einigen kurzen, wenig auf Differenzierung angelegten Bemerkungen noch so zu<br />
verstehen, als schriebe er der Verletzung des Beschleunigungsprinzips gr<strong>und</strong>sätzlich<br />
verfahrensbeendende Wirkung zu 168. Eine Mittelposition nahmen Hillenkamp<br />
<strong>und</strong> Ulsenheimer ein, die ein Verfahrenshindernis bei "gravierenden Verstößen"<br />
bejahten 169.<br />
Ansonsten wurde die Einstellungslösung - weder allgemein noch bezogen<br />
auf schwere, noch auf schwerste Fälle - im Spezialschrifttum praktisch nicht<br />
mehr vertreten 170. <strong>Die</strong> Kommentar- <strong>und</strong> Lehrbuchliteratur schloß sich dem BGH<br />
sogar nahezu geschlossen an 171. Symptomatisch war etwa der Wandel <strong>von</strong> Karl<br />
Peters <strong>und</strong> Kleinknecht. Während Karl Peters noch Ende der siebziger Jahre die<br />
Annahme eines Prozeßhindernisses für "richtig" bei einer "eindeutigen" Verfahrensverzögerung<br />
hielt <strong>und</strong> die Entscheidung des 2. Strafsenats des BGH kritisierte<br />
172, hielt er 1981 dessen Weg nur in Ausnahmefällen nicht für hinreichend 17<strong>3.</strong><br />
Auch Kleinknecht formulierte 1971 in der 30. Aufl. seines Kommentars noch<br />
unter Hinweis auf das LG Frankfurt, bei insgesamt unerträglicher Verletzung<br />
des Beschleunigungsgebots käme die Unzulässigkeit des Verfahrens in Betracht<br />
174, während er dann in der 31. Aufl. <strong>von</strong> 1974 nur noch ausführte, daß<br />
auch die starke Verletzung des Beschleunigungsgebots keine verfahrensbeendende<br />
Wirkung habe 175.<br />
163 Michael, Der Gr<strong>und</strong>satz in dubio pro reo im <strong>Strafverfahren</strong>srecht, S. 172.<br />
164 Baumann, FS Eb. Schmidt, S. 540 f.<br />
165 Schwenk, ZStW 79 (1967), S. 721 ff.<br />
166 Hanack, JZ 1971, S. 705 ff.<br />
167 Vgl. D. Meyer, JurBüro 1983, Sp. 32; ähnlich Fezer, Strafprozeßrecht I, S. 185.<br />
A. A. Geppert, JK 1983, MRK Art. 6/1; teilweise abweichend Ulsenheirner, wistra<br />
1983, S. 12 Fn. 4: "Von einer ,h. L.' bzw. ,Mindermeinung' kann man kaum sprechen".<br />
168 v. Stackelberg, FS Bockelmann, S. 768 f. Siehe auch Bruns, Leitfaden des Strafzumessungsrechtsi,<br />
S. 154 f.<br />
169 Hillenkamp, JR 1975, S. 140; Uisenheimer, wistra 1983, S. 14.<br />
170 Vgl. Volk, Prozeßvoraussetzungen, S. 227 ff.; Vogler, ZStW 89 (1977), S. 783;<br />
Kloepfer, JZ 1979, S. 215 Fn. 53; Müller-<strong>Die</strong>tz, ZStW 93 (1981), S. 1245; Herrmann,<br />
ZStW 95 (1983), S. 131; Uisamer, FS Faller, S. 382 ff.<br />
171 Vgl. die Nachweise bei Uisenheimer, wistra 1983, S. 12 Fn. 4.<br />
172 K. Peters, JR 1978, S. 247 f.; in: Strafprozeß <strong>und</strong> Reform, S. 9<strong>3.</strong><br />
173 K. Peters, Strafprozeß3, § 28 IV 6.<br />
174 Kleinknecht, StP030, Art. 6 MRK Anm. 6.<br />
Ohnehin fällt das Fehlen monographischen Schrifttums zu den Rechtsfolgen<br />
<strong>überlange</strong>r Verfahrensdauer auf. Abgesehen <strong>von</strong> der Dissertation Kramers, der<br />
1973 sich mit Art. 5 III <strong>und</strong> 6 I EMRK <strong>und</strong> deren Rechtsfolgen beschäftigte 176,<br />
tat sich bis Ende der achtziger Jahre nichts. Erst dann fragte Imme Roxin nach<br />
den "Rechtsfolgen schwerwiegender Rechtsstaatsverstöße", zu denen sie auch<br />
<strong>überlange</strong> Verfahrensdauer gerechnet hat 177. Katzorke diskutierte umfassend die<br />
Rechtsfolgen der Strafanspruchsverwirkung auch für den Bereich <strong>überlange</strong>r<br />
Verfahrensdauer 178.<br />
Beide Untersuchungen stellen jedenfalls die bisher umfassendsten Überlegungen<br />
zu einer theoretischen Einordnung des Problems <strong>überlange</strong>r Verfahrensdauer<br />
dar, die den relevantesten Beitrag der Literatur zu der Rechtsfolgenproblematik<br />
in den letzten Jahren verkörpert: Nachdem Ulsenheimer 1983 als erster 179 Parallelen<br />
zum rechtswidrigen V-Mann-Einsatz aufzeigte l80 , die die Rechtsprechung<br />
inzwischen aufgegriffen hat 181, wird nunmehr immer häufiger die <strong>überlange</strong><br />
Verfahrensdauer mit Fallgruppen (vermeintlich) "schwerster Rechtsstaatswidrigkeit"<br />
verglichen <strong>und</strong> verb<strong>und</strong>en 182. Erwähnt seien hier vor allem die völkerrechtswidrige<br />
Ergreifung, die rechtswidrige Kenntniserlangung der Strafverfolgungsbehörden<br />
vom Verteidigungskonzept, Beweismanipulationen durch die Strafverfolgungsbehörden,<br />
die öffentliche Vorverurteilung in Massenmedien, die Einflußnahme<br />
seitens der Justizverwaltung, die staatliche Duldung rechtswidrigen<br />
Verhaltens <strong>und</strong> schließlich die Verletzung des Gleichheitsgr<strong>und</strong>satzes bei der<br />
Einleitung der Strafverfolgung 18<strong>3.</strong> Als nächste Fallgruppe dürfte der Bruch einer<br />
"Zusage" durch die Strafverfolgungsbehörden diskutiert werden 184.<br />
175 Kleinknecht, StP031, Art. 6 MRK Anm. 6.<br />
176 Vgl. Kramer, Menschenrechtskonvention, S. 183 ff.; 235 ff.<br />
177 Vgl. I. Roxin, Rechtsfolgen, S. 246 ff.<br />
178 Vgl. Katzorke, Verwirkung, S. 64 ff.; 83 ff.; 196 ff.<br />
179 I. Roxin, Rechtsfolgen, S. 90; Geppert, JK 1983, MRK Art. 6/1.<br />
180 Uisenheimer, wistra 1983, S. 1<strong>3.</strong><br />
181 Vgl. BVerfG (Vorprüfungsausschuß), NStZ 1986, S. 178 (179); (Kammer), NStZ<br />
1986, S. 468; BGH, NJW 1986, S. 75 (76); NStZ 1986, S. 16<strong>3.</strong><br />
182 Rieß, JR 1985, S. 45 ff.; Hassemer, NJW 1985, S. 1928; Arloth, NJW 1985,<br />
S. 417 f.; Becker, StV 1985, S. 399 ff.; Bruns, NStZ 1985, S. 565; Geppert, JK 1985,<br />
StPO § 260 III/1; Volk, StV 1986, S. 34 ff.; Creutz, ZRP 1988, S. 417; Hillenkamp,<br />
NJW 1989, S. 2842 ff.; Seelmann, GebColloquium Kielwein, S. 25 ff.; Neumann, ZStW<br />
101 (1989), S. 74.<br />
183 <strong>Die</strong> Einordnung der Verletzung des Gleichheitsgr<strong>und</strong>satzes in diesen Zusammenhang<br />
durch Hillenkarnp (NJW 1989, S. 2845) erstaunt insofern, als daß trotz der Einstellungsbegehren<br />
in einigen Entscheidungen (BVerfG , NStZ 1982,<br />
S.430; HansOLG Hamburg, NStZ 1988, S. 467; OLG Düsseldorf, NJW 1989, S. 466;<br />
vgl. auch OLG Celle, MDR 1978, S. 954
42 1. Kap.: Überblick über den Forschungsstand B. Kritik der heute herrschenden Meinung 43<br />
In diesem Zusammenhang ist das Thema zu erwähnen, das die Strafrechtswissenschaft<br />
zur Zeit wohl am meisten beschäftigt: die "Verständigung im <strong>Strafverfahren</strong>",<br />
die sich wohl seit Mitte der siebziger Jahre nicht zuletzt als Folge<br />
<strong>überlange</strong>r Verfahrensdauer in der Rechtswirklichkeit ausgebreitet hat 185. <strong>Die</strong><br />
Stellungnahmen hierzu sind nahezu unüberschaubar 186. Einigkeit herrscht jedoch<br />
in einem Punkt: Man kann "Verständigung" nicht als eine Art Rechtsfolge <strong>überlange</strong>r<br />
Verfahrensdauer begreifen. Selbst wenn man - was äußerst zweifelhaft<br />
wäre - die Bereitschaft der Strafverfolgungsorgane zur Verständigung bei (drohender)<br />
<strong>überlange</strong>r Verfahrensdauer forderte 187, kann weder vom Beschuldigten<br />
ein entsprechendes Vorgehen verlangt noch das Gelingen der "Verständigung"<br />
den Beteiligten "befohlen" werden.<br />
B. Kritik der heute herrschenden Meinung<br />
I. Zum qualitativen Umschlagen<br />
in den Extremfall <strong>überlange</strong>r Verfahrensdauer<br />
Hat es somit den Anschein, als habe sich in Rechtsprechung <strong>und</strong> Literatur<br />
eine herrschende Meinung gebildet, die das "Entweder-Oder" zwischen Strafzumessungs-<br />
<strong>und</strong> Einstellungslösung zu einem "Sowohl-als-Auch" verbindet, so<br />
bleiben doch einige Fragen offen - Fragen, aufgr<strong>und</strong> derer diese kompromißbehaftete<br />
These in Zweifel zu ziehen ist.<br />
<strong>Die</strong> erste Frage ist: Wann liegt denn eigentlich ein solcher Extremfall vor, der<br />
zur Einstellung führen soll? <strong>Die</strong> Festlegung der Grenze für einen qualitativen<br />
Sprung zwischen "etwas rechtswidrig" <strong>und</strong> "sehr rechtswidrig" macht der Strafprozeßrechtwissenschaft<br />
<strong>und</strong> der Rechtsprechung nun bekanntlich größte Probleme.<br />
Bisher bleiben die Konturen des Extremfalles "im Ideenhimmel angesiedelt"<br />
188. Selbst der BGH hat anerkannt, daß es nicht möglich sei, "zwischen<br />
schwereren <strong>und</strong> leichteren Gesetzesverletzungen eine scharfe Grenze zu ziehen"<br />
189. Beispielhaft sei hingewiesen etwa auf die "unrichtige Sachbehandlung"<br />
185 Schünemann, Verh. 58. DJT, S. B 16.<br />
186 Vgl. die Bibliographie bei Niemöller, StV 1990, S. 38 sowie Rönnau, <strong>Die</strong> Absprache<br />
im Strafprozeß; Wagner / Rönnau, GA 1990, S. 387 ff.; RuP 1990, S. 161 ff.; Schünemann,<br />
Verh. 58. DJT, S. B 1 ff.; Niemöller, StV 1990, S. 34 ff.; Lüderssen, StV 1990,<br />
S. 415 ff.; Wolfslast, NStZ 1990, S. 409 ff.; Caesar, RuP 1990, S. 45 ff.; K.-H. Koch,<br />
ZRP 1990, S. 249 ff.; Hamm, ZRP 1990, S. 337 ff.; Schmidt-Hieber, DRiZ 1990,<br />
S. 321 ff.; NJW 1990, S. 1884 ff.; Möh1mann, DRiZ 1990, S. 201 ff.; Kintzi, JR 1990,<br />
S. 309 ff.; Weigend, JZ 1990, S. 774 ff.<br />
187 Vgl. Siolek, DRiZ 1989, S. 32<strong>3.</strong> Siehe jetzt auch BGH, NStZ 1991, S. 346 (347 0.<br />
188 Hillenkamp, NJW 1989, S. 2845; ähnlich Kohlmann, FS Pfeiffer, S. 211.<br />
189 BGH, LM Nr. 25 zu § 24 LwVG; NJW-RR 1986, S. 1263 (1264); ebenso<br />
BayObLGSt 1988, S. 120 (123); vgl. dazu Bohnert, Beschränkungen der strafprozessualen<br />
Revision durch Zwischenverfahren, S. 5<strong>3.</strong><br />
bei § 8 GKG 190, die "unvertretbare" Rechtsauslegung bei § 338 Nr. 1 StPO 191,<br />
den "groben Rechtsfehler" bei § 24 Abs. 2 StPO 192, die "Beugung des Rechts"<br />
bei § 336 StGB 193 oder die "greifbare Gesetzeswidrigkeit" etwa bei § 55 JGG 194.<br />
So finden sich selbst in der Rechtsprechung die unterschiedlichsten Versuche,<br />
über Kategorien wie Rechtsverweigerung 195, Verfahrensstillstand 196, Willkür 197<br />
<strong>und</strong> Irreparabilität 198 die qualitative Abgrenzung bei Verfahrensverzögerungen<br />
zu leisten.<br />
Einen interessanten Weg, dieses Umschlagen inhaltlich festzulegen, ist neuerdings<br />
Imme Roxin gegangen 199. Für sie ist ein Verfahren dann einzustellen, wenn<br />
der Zeitraum der Verfahrensverzögerungen den Regelstrafrahmen des begangenen<br />
- besser wohl: vorgeworfenen - Delikts bereits ausschöpft. <strong>Die</strong>se Lösung<br />
wirkt allerdings - andere Bedenken zunächst zurückgestellt - nur so lange,<br />
wie Hillenkamp meint 200, "bestechend klar", wie die Feststellung <strong>von</strong> Verfahrensverzögerungen<br />
ein "simples Rechenexempel"201 sein sollte.<br />
11. Zum Vorliegen <strong>von</strong> Verzögerungen<br />
Genau hier liegt aber ein entscheidendes Problem. Ungeklärt ist zunächst<br />
einmal, wann überhaupt Verzögerungen vorliegen. Es fällt schon die negative<br />
Abgrenzung schwer, daß Verfahrensverzögerungen, die der Beschuldigte selbst<br />
verursacht hat, nicht geeignet seien, die Feststellung einer seine Rechte verletzenden<br />
<strong>überlange</strong>n Verfahrensdauer zu begründen. Gilt dies nur dann, so ist zu<br />
190 Siehe dazu unten, 8. Kap. A 11.<br />
191 Siehe dazu unten, 5. Kap. B 11 <strong>3.</strong><br />
192 Siehe dazu unten, 2. Kap. Bill b aa.<br />
193 Siehe dazu unten, 2. Kap. B 11 2 d aa.<br />
194 Vgl. BayObLG, NStZ 1989, S. 194 (195); vgl. auch BGH, NJW 1990, S.838<br />
(840) m. w.N.<br />
195 Vgl. BGHSt 21, S. 81 (83); OLG Kob1enz, NJW 1972, S. 404 (405); OLG Zweibrücken,<br />
StV 1989, S. 51 (52).<br />
196 Vgl. OLG Zweibrücken, StV 1989, S. 51 (52); LG Köln, NStZ 1989, S. 442 (443).<br />
197 Vgl. BGHSt 35, S. 137 (138; 140; 141); OLG Celle, NJW 1963, S. 1320 (1321);<br />
OLG Düsseldorf, NJW 1986, S. 2204 (2205); MDR 1989, S. 935; BayObLG, StV 1989,<br />
S.394.<br />
198 Vgl. BGHSt 35, S. 137 (142).<br />
199 1. Roxin, Rechtsfolgen, S. 255 ff.; zustimmend Schroth, NJW 1990, S. 31; wohl<br />
auch C. Roxin, <strong>Strafverfahren</strong>srecht 21 , § 16 C. Siehe auch Wolter in SK StGB, vor<br />
§ 151 Rn. 210.<br />
200 Hillenkamp, NJW 1989, S. 2847 Fn. 71.<br />
201 I. Roxin, Rechtsfolgen, S. 262; ähnlich Uisamer, FS Faller, S. 384; dagegen BoUke,<br />
StV 1986, S. 121 Fn. 11: Im Einzelfall unauslotbare Verantwortlichkeit für eine lange<br />
Verfahrensdauer. Gegen eine "strenge Mathematisierbarkeit" auch Kühne, EuGRZ 1983,<br />
S.38<strong>3.</strong>
44 1. Kap.: Überblick über den Forschungsstand B. Kritik der heute herrschenden Meinung 45<br />
fragen, wenn dem Beschuldigten Prozeßverschleppung (vgI. §§ 26a I Nr. 3,<br />
244 III Satz 2 vorI. Alt., 245 11 1. Alt. StPO) vorgeworfen werden kann? Oder<br />
auch dann, wenn der Beschuldigte die Verzögerungen etwa durch Flucht, durch<br />
Verwischen seiner Spuren oder durch Vortäuschen <strong>von</strong> Verhandlungsunfähigkeit<br />
herbeigeführt hat202? Oder darfdem Beschuldigten auch jedes prozessual unzulässige<br />
Handeln angelastet werden, aber nicht anderes, wenn auch objektiv verzögerndes<br />
<strong>und</strong> aussichtsloses Verhalten (z. B. Schweigen, Leugnen, Stellen <strong>von</strong><br />
Beweisanträgen USW.)203? Oder ist letzteres ihm dann zuzuordnen, wenn er keine<br />
"hinreichende Veranlassung" hatte 204 ? Oder gilt dies gar für alle im Ergebnis<br />
unbegründeten Prozeßhandlungen 20S? Oder sogar auch für zulässiges <strong>und</strong> begründetes<br />
Prozeßverhalten des Beschuldigten 206 ? Oder sind Verzögerungen nur dann<br />
relevant, wenn der Beschuldigte ihnen nicht mit Entschiedenheit entgegengetreten<br />
ist 207 ?<br />
Aber selbst dies außer acht gelassen, ist der zeitliche Umfang der Verzögerungen<br />
nicht einfach zu bestimmen: Es kann nicht darauf ankommen, wie schnell<br />
ein <strong>Strafverfahren</strong> theoretisch <strong>und</strong> isoliert betrachtet hätte stattfinden können 208<br />
- was ohnehin hinsichtlich des Entschließungszeitraums der Strafverfolgungsbehörden<br />
nicht quantifizierbar ist 209 . Strafsachen sind nicht nach dem Prinzip: "Wer<br />
zuerst kommt, mahlt zuerst!" zu bearbeiten 210. <strong>Die</strong>s verbietet sich sogar; so sind<br />
beispielsweise nach Nr. 5 IV RiStBV Haftsachen, Strafsachen, die besonderes<br />
Aufsehen erregt haben, <strong>und</strong> Strafsachen mit kurzer Verjährungsfrist "besonders<br />
zu beschleunigen". Rechtsmittelsachen sind stets als Eilsachen zu behandeln<br />
(Nr. 153 RiStBV).<br />
Betrachtet man Einzelfragen, entsteht endgültig Konfusion: Wie sind Personalmangel<br />
oder Überlastung <strong>von</strong> Gericht bzw. Justizverwaltung zu würdigen 211 ?<br />
Muß etwa die durchschnittliche Arbeitsbelastung empirisch ermittelt werden,<br />
wie Kohlmann meint 212 ? Können Verzögerungen im Verlaufdes weiteren Verfah-<br />
202 LG Frankfurt, JZ 1971, S. 234 (236); Geppert, JK 1983, MRKArt. 6/1; vgl. auch<br />
BGH, GA 1977, S. 275 (276).<br />
203 Vgl. BGH, wistra 1983, S. 106; Geppert, JK 1983, MRK Art. 6/1.<br />
204 Priebe, FS v. Simson, S. 304.<br />
205 So offenbar Molketin, BA 1982, S. 184.<br />
206 BVerfG (VorpTÜfungsausschuß), NJW 1984, S.967; OLG Koblenz, VRS 59,<br />
S. 339 (340).<br />
207 OLG Karlsruhe, NJW 1972, S. 1907 (1908); dagegen ausdrücklich OLG Stuttgart,<br />
JZ 1974, S. 268 (269).<br />
208 Vgl. BVerfG (Vorprüfungsausschuß), EuGRZ 1982, S. 75 (76).<br />
209 Vgl. BGH, StV 1988, S. 441; Schairer, Der befangene Staatsanwalt, S. 133; Thiel,<br />
<strong>Die</strong> Verfolgungspflicht im Rahmen verdeckter Ermittlungen, S. 58.<br />
210 Vgl. Frowein / Peukert, EMRK, Art. 6 Rn. 108; selbst Zivilsachen nicht, vgl. J.<br />
Blomeyer, NJW 1977, S. 558; Kloepfer, JZ 1979, S. 215. Vgl. auch Weber-Grellet, NJW<br />
1990, S. 1777.<br />
211 Siehe dazu unten, <strong>3.</strong> Kap. B H.<br />
212 Kohlmann, FS Maurach, S. 511.<br />
rens durch besonders zügige Verfahrensabwicklung wieder ausgeglichen werden2l3?<br />
Liegen überhaupt Verzögerungen vor, wenn etwa eine Hauptverhandlung<br />
überdurchschnittlich lange vorbereitet wird mit dem Ziel, das Verfahren in dieser<br />
Instanz zum Abschluß zu bringen, also Verzögerungen durch Rechtsmittel zu<br />
vermeiden 214 ? Was ist, wenn ein Gesamtkomplex in "aufgelöster Verfahrensweise"<br />
erledigt wird, so daß jedes Verfahren, isoliert betrachtet, nicht verzögert<br />
wird, die Zergliederung aber die Erledigung des Gesamtkomplexes verzögert 21S ?<br />
Liegt auch zu berücksichtigende Überlänge vor, wenn bei auf Verschleppungsabsicht<br />
beruhenden Anträgen eine verzögerte Bearbeitung durch die Strafverfolgungsbehörden<br />
auftritt 216 ?<br />
Hat demzufolge optimale Strafmaßverteidigung dahin zu führen, daß letztendlich<br />
sich Gericht <strong>und</strong> Staatsanwaltschaft zu verteidigen haben, was die Notwendigkeit<br />
oder Schnelligkeit bestimmter Verfolgungshandlungen angeht? Sind verbleibende<br />
Zweifel an der ordnungsgemäßen Ermittlungs- <strong>und</strong> Prozeßtätigkeit<br />
dann zugunsten des Beschuldigten zu berücksichtigen 217 ? Kann es vom Beschuldigten<br />
<strong>und</strong> seinem Verteidiger erwartet werden, in der Hauptverhandlung oder<br />
im Revisionsverfahren ihre Verteidigungsstrategie zu offenbaren, um darzulegen,<br />
daß der Zeitraum, der aufgr<strong>und</strong> bestimmter Verteidigungshandlungen verflossen<br />
ist, nicht dem Beschuldigten angelastet werden darf? Kann es dazu kommen,<br />
daß die im Strafprozeß nur bedingt bekannte Verspätung <strong>von</strong> Prozeßhandlungen<br />
de facto über die Strafzumessung eingeführt wird?<br />
IH. Zur dogmatischen Begründung<br />
Schließlich schafft es die Kompromißlösung aber auch nicht, in dem Argumentationspatt<br />
zwischen Strafzumessungs- <strong>und</strong> Einstellungslösung die Vorzüge der<br />
beiden unter Vermeidung ihrer Nachteile zu verbinden:<br />
Was zunächst die dogmatische Zulässigkeit angeht, so hat schon der 2. Senat<br />
des BGH in seiner Gr<strong>und</strong>satzentscheidung gefolgert, daß das Mittel des Verfahrenshindernisses<br />
seiner Natur nach gänzlich ungeeignet sei, auf<strong>überlange</strong> Verfahrensdauer<br />
zu reagieren. Es könne immer nur dort eingreifen, wo in sinnvoller<br />
Weise an eine bestimmte, für das Verfahren im ganzen uneingeschränkt rechtserhebliche<br />
Tatsache angeknüpft werden könne, wie es etwa beim Ablauf einer<br />
Frist der Fall sei. Eine Vernachlässigung des Beschleunigungsgebots sei jedoch<br />
für sich keine Tatsache, welche in diesem Sinne der Eigenart des Prozeßhindernis-<br />
213 Siehe dazu unten, 5. Kap. B H 4.<br />
214 Vgl. W. Gollwitzer, FS Kleinknecht, S. 153; Bender / Heissler, ZRP 1978, S. 30;<br />
Helmken, ZRP 1978, S. 134.<br />
215 Vgl. K. Peters in: Strafprozeß <strong>und</strong> Reform, S. 8<strong>3.</strong><br />
216 Vgl. Peukert, EuGRZ 1979, S. 272; Ulsamer, FS Faller, S. 378 f.<br />
217 Vgl. Michael, Der Gr<strong>und</strong>satz In dubio pro reo im <strong>Strafverfahren</strong>srecht, S. 172.
46 1. Kap.: Überblick über den Forschungsstand B. Kritik der heute herrschenden Meinung 47<br />
ses gemäß sein könnte. Es könne für eine so weitgehende Rechtsfolge nicht auf<br />
die Verfahrensverzögerung schlechthin, sondern nur auf die Unangemessenheit<br />
der Verzögerung ankommen, also auf ein Werturteil 2IR • In der Literatur ist diese<br />
Ansicht gelegentlich als methodisch naiv, vordergründig <strong>und</strong> trivial abgelehnt<br />
worden 219. Vielmehr sei umgekehrt die Strafzumessungslösung unhaltbar, da<br />
<strong>überlange</strong> Verfahrensdauer nicht das Unrecht der Tat des Beschuldigten berühre<br />
220 . Dementsprechend sprach Hillenkamp <strong>von</strong> der Abschiebung des Problems<br />
in die Strafzumessung 221 , die einen "zweifelhaften Komprorniß" darstelle 222 <strong>und</strong><br />
dogmatisch wenig zutreffend seim. Dahs nannte die Strafzumessungslösung eine<br />
"Krücke", die eines Rechtsstaats unwürdig sei 224, Schwenk die Strafmilderung<br />
eine "willkürlich gewählte Folgerung" 225.<br />
<strong>Die</strong>ses Argumentationspatt wird noch dadurch bestätigt, daß neuerdings beide<br />
Lösungen Befürworter finden unter Aufweichung ihrer dogmatischen Gestalt:<br />
Während Rieß für die Einstellungslösung ins Gespräch bringt, ob nicht "außerhalb<br />
des Begriffs des Verfahrenshindernisses" das Rechtsinstitut des"Verfolgungsverbotes"<br />
selbständig entwickelt werden könnte 226, verteidigt etwa der 2. Strafsenat<br />
die Strafzumessungslösung damit, schuldunabhängige Gesichtspunkte könnten<br />
hier selbst zur Schuldunterschreitung der Strafe führen 227; der 1. Senat wiederum<br />
formulierte, die Berücksichtigung verfahrensrechtlicher Vorgänge sei "geboten",<br />
um "Verletzungen der Menschenrechtskonvention durch Strafmilderung auszugleichen"<br />
228.<br />
Ein weiterer dogmatischer Einwand betrifft die Strafzumessungslösung insofern,<br />
als sie dem Freigesprochenen keine Kompensation für eine Verletzung des<br />
Beschleunigungsprinzips gewährt 229 . Dem hält der BGH entgegen, daß dem<br />
218 BGHSt 24, S. 239 (240); ähnlich 32, S. 345 (351 f.); NStZ 1983, S. 135; Urt. v.<br />
18.2.1976 - 2 StR 566/75 (Anhang 4); LG Köln, NStZ 1989, S. 442 (443); K. Schäfer<br />
in LR24, Ein!. Kap. 11 Rn. 9; Heubel, Der "fair trial", S. 121; Reinecke, <strong>Die</strong> Fernwirkung<br />
<strong>von</strong> Beweisverwertungsverboten, S. 199; Hillenkamp, NJW 1989, S.2846. Dagegen<br />
aber Paulus in KMR, § 206a Rn. 36.<br />
219 Volk, ProzeBvoraussetzungen, S.215; Schünemann, StV 1985, S.427; ähnlich<br />
Geppert, JK 1983, MRK Art. 6/1.<br />
220 Horn in SK StGB, § 46 Rn. 136; 146; Frisch, ZStW 99 (1987), S. 379 f.; Bruns,<br />
MDR 1987, S. 181; Kühne, EuGRZ 1983, S. 384; I. Roxin, Rechtsfolgen, S. 18<strong>3.</strong><br />
221 Hillenkamp, JR 1975, S. 139; zustimmend Ulsenheimer, wistra 1983, S. 14; ähnlich<br />
Bruns, StV 1984, S. 39<strong>3.</strong><br />
222 Hillenkamp, JR 1975, S. 134.<br />
213 Hillenkamp, JR 1975, S. 138; ähnlich I. Roxin, Rechtsfolgen, S. 182 f.<br />
224 Dahs, NJW 1974, S. 154<strong>3.</strong><br />
225 Schwenk, JZ 1976, S. 58<strong>3.</strong><br />
226 RieB, JR 1985, S. 48; vg!. auch BGHSt 35, S. 137 (143).<br />
227 BGH, NStZ 1986, S. 162; StV 1988, S. 296; vg!. auch NJW 1986, S. 75 (76); StV<br />
1988, S. 295.<br />
228 BGH, NStZ 1989, S. 526; ähnlich StV 1989, S. 487 (488); wistra 1990, S. 20.<br />
229 Hillenka.np, JR 1975, S. 139; NJW 1989, S. 2846 f. Fn. 67.<br />
Unschuldigen bei Verfahrenseinstellung die "Genugtuung des Freispruchs" versagt<br />
bliebe 230. Geppert kontert dieses Argument damit, daß eben dies bei der<br />
Verfahrenseinstellung wegen Verfolgungsverjährung ebenso der Fall wäre 231 .<br />
Vielmehr würden die Strafverfolgungsbehörden, wie das LG Frankfurt formulierte,<br />
im Fall des Weiterprozessierens "mit jeder weiteren Prozeßhandlung ein<br />
ausdrücklich normiertes Menschenrecht des Angeklagten verletzen, obwohl ihnen<br />
dies bewußt wäre; sie müßten mit anderen Worten wissentlich <strong>und</strong> willentlich<br />
Recht verletzen" 232. Darüber hinaus wird darauf hingewiesen, daß dieses Problem<br />
schon rein rechtstatsächlich gering sei: Zunächst stelle sich die Unschuld nur<br />
äußerst selten erst nach <strong>überlange</strong>r Verfahrensdauer heraus 233; insbesondere würde<br />
bei dem nur nicht überführten Betroffenen kaum einmal der Wunsch nach<br />
Rehabilitierung stärker sein als der nach Beendigung des Verfahrens 234 . Zudem<br />
sei die einhellige Rechtsprechung, daß der Freispruch vor der Einstellung Vorrang<br />
hat 235, dahingehend zu erweitern, daß das Verfahren auch dann fortgeführt werden<br />
kann, wenn die Möglichkeit eines Freispruchs naheliegt <strong>und</strong> die noch erforderliche<br />
Sachaufklärung mit präsenten Beweismitteln <strong>und</strong> ohne nennenswerte Verzögerung<br />
erreichbar ist 236 . Noch weitergehend sei daran zu denken, daß diese als<br />
nobile officium bezeichnete Möglichkeit gerade bei Verstößen gegen das Beschleunigungsprinzip,<br />
also Verstößen gegen gerade die Pflicht, die hier die Verfahrensfortführung<br />
verbieten soll, zu einem Recht des Beschuldigten erstarken<br />
könnte 237. Schließlich beschloß der 50. Deutsche Juristentag 238 auf Vorschlag<br />
<strong>von</strong> Bruns 239 , die zukünftige Gewährung einer "prozeßhindernden Einrede der<br />
<strong>überlange</strong>n Verfahrensdauer" zu prüfen, also faktisch dem Beschuldigten eine<br />
Art Wahlrecht zuzubilligen 240.<br />
Doch das entscheidende Argument der Befürworter der Strafzumessungslösung<br />
stellt sich als ein pragmatisches dar: Das "Alles oder Nichts" der Einstellungslö-<br />
230 BGHSt 24, S.239 (241); ähnlich OLG Karlsruhe, NJW 1972, S. 1907 (1908);<br />
Hanack, JZ 1971, S. 714; Rüping, Das <strong>Strafverfahren</strong>2, S. 110.<br />
231 Geppert, JK 1983, MRK Art. 6/1.<br />
232 LG Frankfurt, JZ 1971, S. 234 (235); ähnlich Hillenkamp, JR 1975, S. 139; Schroth,<br />
NJW 1990, S. 31.<br />
233 I. Roxin, Rechtsfolgen, S. 265.<br />
234 Hillenkamp, JR 1975, S. 140; Ulsenheimer, wistra 1983, S. 14.<br />
235 RGSt 70, S. 193 (196); BGHSt 13, S. 75 (80); S. 268 (273); 20, S. 333 (335);<br />
OLG Düsseldorf, NJW 1950, S. 360; 1982, S. 2614 (2615); 1989, S. 51; BayObLGSt<br />
1963, S. 44 (47); NJW 1989, S. 1621 (1622); OLG Celle, NJW 1968, S. 2119 (2120);<br />
OLG Oldenburg, NJW 1982, S. 1166; KG, NStZ 1983, S. 561; JR 1990, S. 124. Ausführlich<br />
dazu K. Kühl, Unschuldsvermutung, Freispruch <strong>und</strong> Einstellung, S. 87 f.<br />
236 K. Schäfer in LR24, Ein!. Kap. 11 Rn. 56; W. Gollwitzer in LR24, § 245 Rn. 86;<br />
§ 260 Rn. 100; Sax in KMR, Ein!. IX Rn. 19; Kleinknecht 1Meyer, StP039, § 244 Rn. 1<strong>3.</strong><br />
237 Hillenkamp, JR 1975, S. 140; ähnlich I. Roxin, Rechtsfolgen, S.266; Schroth,<br />
NJW 1990, S. 31; wohl auch Kleinknecht/Meyer, StP039, § 244 Rn. 1<strong>3.</strong><br />
238 Verh. 50. DJT, S. K 271.<br />
239 Bruns, Verh. 50. DJT, S. K 83; K 87.<br />
240 Ähnlich auch Kramer, Menschenrechtskonvention, S. 195: Widerspruchsrecht.
48 I. Kap.: Überblick über den Forschungsstand<br />
sung, wie es der 2. BGH-Senat genannt hat 241 , erscheint unbillig. <strong>Die</strong> Strafzumessungslösung<br />
stelle, wie Zipf es ausdrückt, "wegen ihrer flexiblen Lösungsmöglichkeit<br />
eine angemessene Bewältigung des Problems" der Verfahrensverzögerungen<br />
dar 242 ; sie sei, so die bezeichnende Formulierung Kloepfers, "zu bevorzugen"<br />
24<strong>3.</strong> Zwar läßt sich gegen diese Argumentation einwenden, daß der<br />
Strafzumessungslösung die Gefahr innewohnt, nicht statt des "Alles oder Nichts"<br />
dem Beschuldigten "Etwas" zu bieten, sondern "Strafrabatt" lediglich "verbal"<br />
zu gewähren244; hierbei handelt es sich allerdings um ein prinzipielles Problem<br />
der Strafzumessung 245. Es bleibt aber doch das Ergebnis, daß die neue, kombinierte<br />
Lösung nicht die dogmatischen Probleme löst, sondern sie eher vertieft als<br />
Preis dafür, das "Etwas oder Alles" der Strafzumessungsvariante mit dem<br />
"Nichts" der Einstellungsvariante pragmatisch zu verbinden - <strong>und</strong> damit den<br />
Weg über die Strafzumessung um die dort vermißte "Nullösung" 246 zu erweitern.<br />
Zweites Kapitel<br />
Schwierigkeiten der Beschleunigung <strong>von</strong> <strong>Strafverfahren</strong><br />
Zur Relevanz eines umfassenden Rechtsfolgensystems<br />
Das Problem der Rechtsfolgen <strong>überlange</strong>r <strong>Dauer</strong> <strong>von</strong> <strong>Strafverfahren</strong> ist also<br />
nach wie vor existent. Auf seine Lösung ist diese Untersuchung ausgerichtet.<br />
In diesem Kapitel sind zunächst einige Überlegungen anzustellen, ob durch<br />
Rechtsänderungen de lege ferenda das <strong>Strafverfahren</strong> an sich beschleunigt werden<br />
könnte. Hier ließe sich - allerdings nur rein theoretisch - das Übel an der<br />
Wurzel packen, gelänge es, <strong>überlange</strong> Verfahrensdauer gr<strong>und</strong>sätzlich unmöglich<br />
zu machen. Weiterhin ist zu erörtern, inwieweit prozessuale Möglichkeiten des<br />
Beschuldigten, Verzögerungen seines Verfahrens entgegenzuwirken, bestehen.<br />
<strong>Die</strong> Relevanz der Rechtsfolgenbestimmung <strong>überlange</strong>r Verfahrensdauer ergibt<br />
sich gerade dann, wenn eine Verfahrensbeschleunigung durch Initiative des Gesetzgebers<br />
mittels Rechtsänderungen oder durch Initiative des Beschuldigten<br />
mittels Rechtswahrnehmung nur unbefriedigend möglich ist. Es besteht dann zur<br />
Einräumung weitgehender Rechtsfolgen <strong>überlange</strong>r Verfahrensdauer weder die<br />
Alternative "Einschreiten des Gesetzgebers" 1 noch die der Wahrnehmung <strong>von</strong><br />
prozessualen Möglichkeiten durch den Beschuldigten 2.<br />
A. Verfahrensbeschleunigung durch den Gesetzgeber<br />
241 BGHSt 24, S. 239 (241).<br />
242 Zipf, Strafprozeßrecht 2 , S. 89.<br />
243 Kloepfer, JZ 1979, S. 215 Rn. 5<strong>3.</strong><br />
244 Ulsenheimer, wistra 1983, S. 14; HWiStR, S. 4; ähnlich Kohlmann, FS Pfeiffer,<br />
S. 211 f.; Schroth, NJW 1990, S. 31; Peukert, EuGRZ 1979, S. 263; Ress in: Europäischer<br />
Menschenrechtsschutz, S.283; vgl. auch Hillenkamp, JR 1975, S. 139; Schünemann,<br />
StV 1985, S. 426.<br />
245 Vgl. etwa Bruns, Das Recht der Strafzumessung 2 , S. 263 f.; Montenbruck, Abwägung<br />
<strong>und</strong> Umwertung, S. 46; We. Schmid, <strong>Die</strong> Verwirkung <strong>von</strong> Verfahrensrügen, S. 320;<br />
H. Weber, NJW 1961, S. 1388 f.<br />
246 Hillenkamp, NJW 1989, S. 2846 Fn. 67.<br />
Das Beschleunigungsprinzip ist in der Strafprozeßordnung - anders als etwa<br />
in § 9 I Satz 1 ArbGG3 - nicht ausdrücklich ausgesprochen. <strong>Die</strong> Einfügung<br />
einer entsprechenden Vorschrift lehnte der Gesetzgeber 1974 mit der Begründung<br />
ab, "die Tragweite <strong>und</strong> Bedeutung einer solchen Vorschrift" sei nur aus den<br />
Einzelvorschriften zu erschließen, was Wissenschaft <strong>und</strong> Rechtsprechung zu<br />
überlassen sei 4 . Nach allgemeiner Ansicht ist der Beschleunigungsgr<strong>und</strong>satz<br />
I So aber Kohlmann, FS Pfeiffer, S. 208 ff.; Hillenkamp, JR 1975, S. 13<strong>3.</strong><br />
2 Vgl. etwa C. Roxin, <strong>Strafverfahren</strong>srecht 21 , § 16 C; Müller-<strong>Die</strong>tz, ZStW 93 (1981),<br />
S. 1246; Priebe, FS v. Simson, S. 288.<br />
3 § 9 I Satz I ArbGG: "Das Verfahren ist in allen Rechtszügen zu beschleunigen".<br />
4 Begr. RegE 1. StVRG, BT-DrS 7/551, S. 37. Für eine solche Vorschrift Kohlmann,<br />
FS Maurach, S. 511 f.; Asbrock, Gr<strong>und</strong>züge <strong>und</strong> Besonderheiten eines <strong>Strafverfahren</strong>s<br />
<strong>und</strong> einer Gerichtsverfassung für Jungerwachsene, S. 165 ff.<br />
4 Scheffler
52 2. Kap.: Schwierigkeiten der Beschleunigung <strong>von</strong> <strong>Strafverfahren</strong> A. Verfahrensbeschleunigung durch den Gesetzgeber 53<br />
Wichtigstes gesetzgeberisches Beispiel für eine solche Fristsetzung im Rahmen<br />
der Strafprozeßreform bildet der durch das StPÄG <strong>von</strong> 1964 eingefügte § 121<br />
StPO, der Art. 5 III EMRK jedenfalls partiell realisieren soll 27. Gemäß § 121<br />
StPO ist bis zu einem auf Freiheitsentziehung lautenden Urteil der Vollzug der<br />
Untersuchungshaft über sechs Monate hinaus <strong>von</strong> der Anordnung des Oberlandesgerichts<br />
auf Vorlage <strong>von</strong> Amts wegen abhängig <strong>und</strong> nur aus "wichtigem Gr<strong>und</strong>"<br />
zulässig.<br />
Im Anschluß daran könnte erwogen werden, Vorschriften zu schaffen, nach<br />
denen für einzelne Abschnitte des Verfahrens, insbesondere für das Ermittlungsverfahren,<br />
gesetzliche Fristen gesetzt werden, nach deren Ablauf die Akten etwa<br />
dem Oberlandesgericht vorzulegen wären, das ausnahmsweise eine Fristverlängerung<br />
genehmigen könnte 28 • <strong>Die</strong> Einführung solcher Vorschriften ist gelegentlich<br />
schon in Betracht gezogen worden 29 • Eine Variante findet sich im Beamtendisziplinarrecht<br />
(§ 66 BDO), wo nach Ablauf einer Sechsmonatsfrist seit Verfahrenseinleitung<br />
der Beamte die Entscheidung des B<strong>und</strong>esdiszplinargerichts beantragen<br />
kann, das bei Feststellung einer "unangemessenen Verzögerung" eine Frist zu<br />
bestimmen hat. In diesem Kontext ist auch auf § 138a III Nr. 3 StPO hinzuweisen,<br />
wonach - im Zusammenhang mit dem Verteidigerausschluß - innerhalb eines<br />
Jahres das Hauptverfahren zu eröffnen ist <strong>und</strong> wegen der besonderen Schwierigkeit<br />
oder des besonderen Umfanges der Sache oder eines anderen wichtigen<br />
Gr<strong>und</strong>es diese Frist um maximal ein Jahr verlängert werden kann 30 •<br />
Bei näherem Hinsehen zeigt sich jedoch, daß eine solche rechtliche Regelung<br />
ein "nicht ungefährliches gesetzestechnisches Instrument" darstellt 3l . <strong>Die</strong> erste<br />
Schwierigkeit besteht schon darin, daß eine solche Regelung nur dann sinnvoll<br />
ist, wenn eine wirksame Sanktionierung bei Verletzung gesichert wird 32. Eine<br />
26 Sarstedt in: Rechtsstaat als Aufgabe, S. 224 f. Vgl. auch Sendler, DVBI. 1982,<br />
S. 923 ff.<br />
27 Begr. RegE StPÄG 1964, BT-DrS IV/178, S. 25. Vgl. dazu K. Kühl, ZStW 100<br />
(1988), S. 611.<br />
28 Kritisch zur Möglichkeit der Fristverlängerung Vollkommer, ZZP 81 (1968), S. 111.<br />
29 Kohlmann, FS Maurach, S. 512 ff.; G. Schmidt, DRiZ 1971, S. 79; I. Roxin, Rechtsfolgen,<br />
S. 169; Kühne, Strafprozeßlehre3, Rn. 128; vgl. auch Küng-Hofer, Beschleunigung,<br />
S. 205.<br />
Eine entsprechende Vorschrift enthielt § 103 StPO-DDR:<br />
,,(1) Alle Ermittlungsverfahren sind innerhalb einer Frist <strong>von</strong> höchstens drei Monaten<br />
abzuschließen.<br />
(2) Der Generalstaatsanwalt setzt für die einzelnen Arten der Ermittlungsverfahren<br />
Fristen fest. Kann ausnahmsweise wegen des Umfanges der Sache oder wegen der<br />
Schwierigkeit der Ermittlungen die Frist nicht eingehalten werden, ist die Genehmigung<br />
des zuständigen Staatsanwalts zur Überschreitung der Frist einzuholen. Eine Überschreitung<br />
der Höchstfrist <strong>von</strong> drei Monaten ist nur mit Zustimmung des Staatsanwalts des<br />
Bezirkes zulässig."<br />
30 Vgl. Begr. RegE StVÄG 1979, BT-DrS 8/976, S. 38.<br />
31 Driendl, Verfahrensökonomie <strong>und</strong> Strafprozeßreform, S. 304.<br />
32 Driendl, Verfahrensökonomie <strong>und</strong> Strafprozeßreform, S. 304.<br />
solche Sanktionierung, etwa die Einräumung eines Verfahrenshindemisses oder<br />
eines Revisionsgr<strong>und</strong>es, dürfte jedoch zumindest den Beschuldigten beflügeln<br />
können, zur Verfahrensverlängerung beizutragen 33 • Das nächste Problem wäre,<br />
bei der Fristsetzung dem Rechnung zu tragen, daß Verfahren infolge der jeweiligen<br />
Deliktsstruktur unterschiedlichen Zeitraum benötigen 34. Da dies mit der<br />
Schwere des Vorwurfs zusammenhängen dürfte, ließe sich zwar entsprechend<br />
§ 78 III StGB ein abgestufter Zeitrahmen vorstellen; allerdings mag hier auch<br />
der Einwand Kohlmanns Beachtung finden, daß dies zu einer "kaum zu bewältigenden<br />
Unübersichtlichkeit" führen könnte 35 •<br />
Entscheidend aber dürfte sein, daß eine solche Regelung dem Anspruch auf<br />
unverzögertes Verfahren nur bedingt gerecht werden kann, weil selbst Fristen<br />
primär auf die absolute Verfahrensdauer, kaum aber auf Verzögerungen ausgerichtet<br />
sind: Sofern der zeitliche Rahmen, was wohl erforderlich wäre, relativ<br />
großzügig gesetzt wird, können Verfahrensverzögerungen im Sinne des unnötigen<br />
vollständigen Ausschöpfens des Zeitrahmens überhaupt nicht verhindert werden<br />
36. Umgekehrt stünde dann zu befürchten, wenn der zeitliche Rahmen sich<br />
als eng erweist - sei es, daß die Sache außerordentlich kompliziert ist, sei es,<br />
daß ein Teil der Frist durch Verzögerungen fruchtlos verstrichen ist-, daß der<br />
nun entstandene Zeitdruck sich zu Lasten der Rechtsfindung auswirkt 37 • Einedurch<br />
wen auch immer - "individuell" bemessene Frist, wie Küng-Hofer sie<br />
anspricht, ist mit diesem aus rechtsstaatlichen Gründen abzulehnen38.<br />
Nicht weniger problematisch würde sich die Vorlage darstellen. Hier stünde<br />
zu befürchten, daß selbst bei unverzögerter Vorlage - also insoweit dann strukturbedingt<br />
- aufgr<strong>und</strong> der notwendigen Einarbeitung des Vorlagegerichts <strong>und</strong><br />
des erforderlichen Einholens <strong>von</strong> Stellungnahmen nicht unerheblich Zeit verstreicht,<br />
wie dies schon hinsichtlich § 121 StPO vorgetragen wurde 39 •<br />
33 Driendl, Verfahrensökonomie <strong>und</strong> Strafprozeßreform, S. 304.<br />
34 Kohlmann, FS Maurach, S. 512; Eb. Schmidt, NJW 1968, S. 2209; Driendl, Verfahrensökonomie<br />
<strong>und</strong> Strafprozeßreform, S. 303 f.<br />
35 Kohlmann, FS Maurach, S. 512. Vgl. auch Asbrock, Gr<strong>und</strong>züge <strong>und</strong> Besonderheiten<br />
eines <strong>Strafverfahren</strong>s <strong>und</strong> einer Gerichtsverfassung für Jungerwachsene, S. 169 f.<br />
36 Vgl. Driendl, Verfahrensökonomie <strong>und</strong> Strafprozeßreform, S.304; Küng-Hofer,<br />
Beschleunigung, S. 126; Prochnow, <strong>Die</strong> Beschleunigung des <strong>Strafverfahren</strong>s in rechtsvergleichender<br />
Betrachtung, S. 259; Kern, MschrKrimPsych 15 (1924), S. 240 f.; VolIkommer,<br />
ZZP 81 (1968), S. 111.<br />
37 Kern, MschrKrimPsych 15 (1924), S. 240 f.; Küng-Hofer, Beschleunigung, S. 184.<br />
38 Küng-Hofer, Beschleunigung, S. 126.<br />
39 Vgl. Sarstedt, Justiz 1963, S. 187 f.; in: Rechtsstaat als Aufgabe, S.227; Eb.<br />
Schmidt, NJW 1968, S. 2209; K. Peters in: Strafprozeß <strong>und</strong> Reform, S. 92; G. Schmidt,<br />
DRiZ 1971, S. 79; Heinitz, FG v. Lübtow, S. 838.
54 2. Kap.: Schwierigkeiten der Beschleunigung <strong>von</strong> <strong>Strafverfahren</strong> A. Verfahrensbeschleunigung durch den Gesetzgeber 55<br />
2. Personelle <strong>und</strong> organisatorische Maßnahmen<br />
Gelegentlich wird vorgeschlagen, die Staatsanwaltschaft etwa durch Listen<br />
über die Bearbeitungsdauer oder Aktenkontrollen zu unverzögerter Arbeit anzuhalten<br />
40. Mag eine solche Kontrolle, soweit sie über Selbstverständlichkeiten<br />
hinausgeht, schon zweifelhaft sein, so ist sie wegen Art. 97 I GG noch fraglicher<br />
bezüglich der richterlichen Tätigkeit 4 \, für die sie Küng-Hofer anregt 42 . Soweit<br />
darüber hinaus sogar vorgeschlagen wird, jedenfalls die Ermittlungsbehörde habe<br />
innerhalb bestimmter Fristen Berichte über die anhängigen <strong>Strafverfahren</strong> an die<br />
Aufsichtsbehörde einzureichen43, so erscheint es möglich, daß hierdurch das<br />
Verfahren gerade aufgehalten statt gefördert wird 44 . Zudem könnte die Gefahr<br />
bestehen, daß der "leichte" Fall vorgezogen oder der "schwere" Fall verfrüht<br />
erledigt wird, um einen "Punkt" in der Statistik zu gewinnen, während andere<br />
(weiter) verzögert werden, was sich in umfangreichen, komplizierten Sachen<br />
zudem eher kaschieren lassen dürfte 45 .<br />
<strong>Die</strong>se Kontrollen gehören zum Bereich der Justizverwaltungsmaßnahmen zur<br />
Vermeidung <strong>von</strong> Verfahrensverzögerungen, unterscheiden sich aber <strong>von</strong> den im<br />
folgenden angedeuteten dadurch, daß ihre Ergreifung zur Förderung des konkreten<br />
Falles vorgetragen wird <strong>und</strong> nicht nur allgemein zur weniger verzögerten<br />
Verfahrenserledigung. Hier ist der Übergang fließend zwischen Maßnahmen, die<br />
des Gesetzgebers direkt (Gerichtsverfassungsrecht) oder indirekt (Haushaltsrecht)<br />
bedürfen oder bloß administrativen Charakter haben.<br />
Gelegentlich wird angeregt, etwa durch MehreinsteIlungen im Bereich der<br />
Gerichte, Staatsanwaltschaften <strong>und</strong> Justizverwaltungen Überlastungen entgegenzuwirken<br />
<strong>und</strong> diesbezügliche Verzögerungen zu vermeiden 46 . Dem stehen allerdings<br />
häufiger geäußerte Zweifel gegenüber, inwieweit tatsächlich generell Überlastungen<br />
der Strafverfolgungsbehörden über Einzelfälle hinaus vorliegen 47. Dem<br />
40 K. Peters in: Strafprozeß <strong>und</strong> Reform, S. 107 f.; Küng-Hofer, Beschleunigung,<br />
S. 204 f.; 29<strong>3.</strong><br />
41 Vgl. K. Peters in: Strafprozeß <strong>und</strong> Reform, S. 107, sowie Scheffler, MschrKrim<br />
68 (1985), S. 68, einerseits <strong>und</strong> BGH, DRiZ 1978, S. 185 f. (<strong>und</strong> neuerdings DRiZ 1991,<br />
S. 20 ff.), andererseits.<br />
42 Küng-Hofer, Beschleunigung, S. 29<strong>3.</strong><br />
43 Küng-Hofer, Beschleunigung, S. 204 f.<br />
44 Vgl. Scheffler, MschrKrim 68 (1985), S. 68.<br />
45 Vgl. J. Blomeyer, NJW 1977, S. 557; Stötter, NJW 1968, S. 523; Hohendorf, NJW<br />
1984, S. 958; Eisenberg, Kriminologie3, § 40 Rn. 4; vgl. auch BGH. DRiZ 1978, S. 185.<br />
46 Küng-Hofer, Beschleunigung, S. 290; Berz, NJW 1982, S. 735; Böttcher, DRiZ<br />
1983, S. 132; Caesar, RuP 1990, S. 46.<br />
47 Vgl. Sarstedt in: Rechtsstaat als Aufgabe, S. 218; Stein / Schumann / Winter in:<br />
Der Prozeß der Kriminalisierung, S. 120; Voss, DRiZ 1988, S. 466; E. Schneider, MDR<br />
1989, S. 871; Maeffert, Strafjustiz, S. 9 ff.; Ehrig, StV 1990, S. 139; Lindemann, AnwBI.<br />
1983, S. 389 ff.; Sendler, DVBI. 1982, S. 923 ff.; Hieronimi, NJW 1984, S. 108 f. Vgl.<br />
aber Hamm, ZRP 1990, S. 340: "Daß die Strafjustiz überlastet ist, bestreitet niemand".<br />
verwandt sind Vorstellungen, eine höhere Leistungsfähigkeit der Strafverfolgungsbehörden<br />
- also vor allem die Vermeidung unnötiger Maßnahmen, aber<br />
auch die schnelle, weil kompetentere Verfahrensführung - dadurch zu erreichen,<br />
daß die Juristenausbildung verbessert wird 48 . Es wird ferner vorgeschlagen, vermehrt<br />
Spezialkammern zu schaffen 49, Richter <strong>und</strong> Staatsanwälte über die Geschäftsverteilung<br />
mehr ihren Fähigkeiten entsprechend einzusetzen 50 <strong>und</strong> unnötige<br />
Versetzungen mit der Notwendigkeit der Neueinarbeitung zu vermeiden51.<br />
Nun mag gegen solche Vorschläge gr<strong>und</strong>sätzlich nichts einzuwenden sein, jedenfalls<br />
so lange nicht, wie nicht mit dem Ziel der Beschleunigung das Kind mit<br />
dem Bade ausgeschüttet <strong>und</strong> die gesamte Gerichtsverfassung zur Disposition<br />
gestellt wird 52.<br />
Sämtlichen dieser Vorschläge kommt jedoch nur geringe Bedeutung deshalb<br />
zu, weil sie das Problem <strong>überlange</strong>r Verfahrensdauer nicht lösen können. Sie<br />
können nur Konstellationen schaffen, in denen seltener verzögert wird, Verzögerungen<br />
an sich jedoch nicht unterbinden.<br />
<strong>Die</strong>ser Einwand hat allerdings kaum Bedeutung für rein organisatorische <strong>und</strong><br />
technische Verbesserungen: Daß Aktenbewegungen im Bereich der Justiz einfach<br />
zu lange dauern (<strong>und</strong> durch den Einsatz <strong>von</strong> EDV zumindest eingeschränkt oder<br />
durch das Anlegen <strong>von</strong> Aktendoppeln vermieden werden könnten53), ist ein<br />
Gr<strong>und</strong> für lange Verfahrensdauer 54 . Das Anlegen <strong>von</strong> Doppelakten wird übrigens<br />
schon in Nr. 1211,54 III, 56 III RiStBV genannt. Das bedeutet nun aber: Gegen<br />
Verfahrensverzögerungen bleibt der Praxis nicht viel mehr zu raten als - in<br />
leichter Abwandlung einer sarkastischen Formulierung Tiedemanns - "sie solle<br />
sich noch ein paar Fotokopierer kaufen"55.<br />
48 Küng-Hofer, Beschleunigung, S. 18; K. Peters in: Strafprozeß <strong>und</strong> Reform, S. 89 f.;<br />
108.<br />
49 Küng-Hofer, Beschleunigung, S. 291; K. Peters in: Strafprozeß <strong>und</strong> Reform, S. 103;<br />
Gössel, GA 1979, S. 248.<br />
50 K. Peters in: Strafprozeß <strong>und</strong> Reform, S. 107.<br />
5\ K. Peters in: Strafprozeß <strong>und</strong> Reform, S. 107; Michaelsen, Krim 1982, S. 499; vgl.<br />
auch Böttcher, DRiZ 1983, S. 129.<br />
52 So aber Michaelsen, Krim 1982, S. 499; vgl. auch Gössel, GA 1979, S. 250, sowie<br />
für die Zivilgerichtsbarkeit Stiefel, ZRP 1989, S. 324 f.; Stötter, NJW 1968, S.523;<br />
Lüke, FS Baumgärtel, S. 352 ff.<br />
53 Küng-Hofer, Beschleunigung, S. 13; 198 f.; 290; Prochnow, <strong>Die</strong> Beschleunigung<br />
des <strong>Strafverfahren</strong>s in rechtsvergleichender Betrachtung, S. 144 ff.; Gössel, GA 1979,<br />
S. 241 f.; Dahs, NJW 1974, S. 1542; Jescheck, JZ 1970, S. 204; Böttcher, DRiZ 1983,<br />
S.129.<br />
54 Vgl. etwa OLG Karlsruhe, NJW 1973, S. 380 (381); OLG Köln, NJW 1973, S. 1009<br />
(1010); OLG Frankfurt, MDR 1973, S. 780; StV 1983, S. 380; OLG Stuttgart, StV 1983,<br />
S. 70; HansOLG Hamburg, StV 1983, S. 289 (290).<br />
55 Tiedemann, zit. n. Hünerfeld, ZStW 85 (1973), S. 444 ("<strong>Die</strong> Praxis solle sich noch<br />
ein paar Tonbänder kaufen").
56 2. Kap.: Schwierigkeiten der Beschleunigung <strong>von</strong> <strong>Strafverfahren</strong><br />
11. Vereinfachungen der Verfahrensstruktur<br />
Regelmäßig werden in der Literatur allerdings solche Überlegungen mit Vorschlägen<br />
zu Gesetzesänderungen vermengt, die nicht darauf zielen, Verzögerungen<br />
durch die Strafverfolgungsbehörden zu verhindern, sondern darauf, die Verfahrensstruktur<br />
zu vereinfachen, um die Verfahrensdauer allgemein zu verkürzen.<br />
Sie können Verzögerungen höchstens kaschieren, sofern sie es ermöglichen,<br />
Verfahren trotz Verzögerungen noch in einem relativ kurzen Zeitraum abzuschließen.<br />
Insofern hat sich der Gesetzgeber gelegentlich zu Unrecht zur Legitimation<br />
<strong>von</strong> Verfahrensvereinfachungen auf die Rechtsprechung zu Verfahrensverzögerungen<br />
berufen 56. Auch die Vermutung, Verfahrensvereinfachungen würden<br />
<strong>überlange</strong> Verfahrensdauer deshalb nicht beseitigen, weil die Strafverfolgungsbehörden<br />
zu wenig Gebrauch <strong>von</strong> dem neu angebotenen Instrumentarium machen<br />
würden5 7, berücksichtigt nicht ihre Wirkungslosigkeit in bezug auf Verzögerungen.<br />
Innerhalb dieser Vereinfachungen sind theoretisch zwei Möglichkeiten zu<br />
unterscheiden: Es geht häufig nicht nur darum, durch mehr oder weniger große<br />
Eingriffe in die Struktur des Strafprozesses diesen zu straffen, sondern es wird<br />
auch beabsichtigt, eine Beschleunigung durch Einschränkung <strong>von</strong> Aktivitäten<br />
des Beschuldigten zu erreichen. Auch hier ist der Übergang zwischen der Eindämmung<br />
<strong>von</strong> (rechtsmißbräuchlichen) Verschleppungen <strong>und</strong> der Beschneidung <strong>von</strong><br />
Beschuldigtenrechten fließend. Praktisch lassen sich diese Varianten aber, wie<br />
Strafprozeßreform <strong>und</strong> Reformvorschläge zeigen, kaum auseinanderhalten.<br />
Ein frühes Beispiel einer solchen vereinfachenden Gesetzesänderung war die<br />
va zur Sicherung <strong>von</strong> Wirtschaft <strong>und</strong> Finanzen vom 6. 10.1931 58 , die für Strafsachen,<br />
bei denen mit einer Verhandlungsdauer <strong>von</strong> mehr als sechs Tagen zu<br />
rechnen war, die durch die Emminger-Reform abgeschaffte erstinstanzliche Zuständigkeit<br />
der Strafkammer wieder begründete mit der Folge des erneuten Wegfalls<br />
der zweiten Tatsacheninstanz 59 .<br />
A. Verfahrensbeschleunigung durch den Gesetzgeber 57<br />
fung, "das Verfahren zu beschleunigen <strong>und</strong> zu straffen <strong>und</strong> damit dem<br />
Anspruch des Beschuldigten auf Durchführung des Verfahrens in einer angemessenen<br />
Zeit gerecht zu werden" 60. <strong>Die</strong>se Linie setzte sich im StVÄG 1979 fort.<br />
Gesetzgeberische Absicht beim StVÄG 1979 war es vor allem, den Verfahrensablauf<br />
zu vereinfachen, so daß eine Beschleunigung des Strafprozesses erreicht<br />
werden könne 6 \. Schließlich wurde mit dem StVÄG <strong>von</strong> 1987 das primäre Ziel<br />
verfolgt, die Strafgerichtsbarkeit <strong>und</strong> die Staatsanwaltschaft durch Verfahrensvereinfachung<br />
zu entlasten, da der Geschäftsanteil weiter gestiegen sei <strong>und</strong> die<br />
Kompliziertheit vieler Verfahren zugenommen habe 62 .<br />
Durch dieses Gesetz sollte nun ein gewisser Abschluß der Gesetzesänderungen<br />
zwecks Vereinfachung erreicht sein 63 . Der Gesetzgeber meinte, vielfach sei nun<br />
dergesetzgeberische Spielraum für zugleich effiziente <strong>und</strong> die Gr<strong>und</strong>bedingungen<br />
eines rechtsstaatlichen Verfahrens wahrende Rechtsänderungen ausgeschöpft 64 •<br />
<strong>Die</strong>se Auffassung hatte freilich Berz schon nach Inkrafttreten des StVÄG <strong>von</strong><br />
1979 vertreten 6 5, während anderen sogar schon das 1. StVRG zu weit ging 66 <br />
ein Beleg dafür, daß sich (bloße) Änderungen der Prozeßstruktur <strong>und</strong> Einschränkungen<br />
der Rechtsstellung des BeSChuldigten nur theoretisch trennen lassen.<br />
Unter empirischen Gesichtspunkten ist jedenfalls aufschlußreich, inwieweit<br />
der Gesetzgeber schon in diesen drei Beschleunigungsgesetzen den Beweis der<br />
Möglichkeit des Gelingens der "Quadratur des Zirkels"67 - Prozeßbeschleunigung<br />
unter Aufrechterhaltung aller rechtsstaatlichen Garantien - schuldig geblieben<br />
ist. Gegen einen nicht unerheblichen Teil der Reformen könnten aus verschiedenen<br />
Gesichtspunkten erhebliche Bedenken anzumelden sein. <strong>Die</strong>s soll im folgenden<br />
(nur) an einigen ausgewählten Beispielen überprüft werden: Erweist sich,<br />
daß schon die durchgeführte Strafprozeßreform das erklärte Ziel der Verfahrensbeschleunigung<br />
unter Wahrung der Beschuldigtenrechte in verschiedenen Punkten<br />
verfehlt hat, ist ein gewichtiges Indiz dafür gegeben, daß weitere Änderungen<br />
der Verfahrensstruktur keinen sinnvollen Weg darstellen können, wenigstens die<br />
Verfahrensdauer allgemein zu verkürzen. <strong>Die</strong> Frage nach den Rechtsfolgen <strong>überlange</strong>r<br />
Verfahrensdauer erhielte gesteigerte praktische Relevanz.<br />
1. Strafprozeßreform - Einige Beispiele<br />
Vereinfachungsbestrebungen beherrschen die Strafprozeßreform seit 1974, in<br />
der zahlreiche, (auch) in der Wissenschaft diskutierte Beschleunigungsvorschläge<br />
realisiert wurden. Beispiele finden sich insbesondere im 1. StVRG <strong>von</strong> 1974 <strong>und</strong><br />
den StVÄGen <strong>von</strong> 1979 <strong>und</strong> 1987: Hauptziel des 1. StVRG war es laut Begründung<br />
des Regierungsentwurfes neben der Verbesserung der Verbrechensbekämp-<br />
56 Vg\. Begr. RegE 1. StVRG, BT-DrS 7/551, S. 37.<br />
57 So aber Kohlmann, FS Pfeiffer, S. 210.<br />
58 RGB\. I, S. 537 (563).<br />
59 Ausführlich dazu Fezer, Reform der Rechtsmittel, S. 35 f.<br />
60 Begr. RegE 1. StVRG, BT-DrS 7/551, S. 31; ähnlich S. 34; 36.<br />
6\ Begr. RegE StVÄG 1979, BT-DrS 8/976, S. 16.<br />
62 Begr. RegE StVÄG 1987, BT-DrS 10/1313, S. 10.<br />
63 Meyer-Goßner, NJW 1987, S. 1169.<br />
64 Begr. RegE StVÄG 1987, BT-DrS 10/1313, S. 11; vg\. auch Begr. BRatE StrÄndG,<br />
BT-DrS 10/272, S. 5. Siehe jetzt aber den Entwurf eines Gesetzes zur Entlastung der<br />
Rechtspflege, BR-DrS 314/91, S. 49; 52; 106; 118.<br />
65 Berz, NJW 1982, S. 735.<br />
66 Siehe etwa I. Müller, Rechtsstaat <strong>und</strong> <strong>Strafverfahren</strong>, S. 110 ff.; Schmidt-Leichner,<br />
NJW 1975, S. 417 ff.; Dästner, RuP 1978, S. 225.<br />
67 VgI. Hünerfeld, ZStW 85 (1973), S.443; ähnlich Kloepfer, JZ 1979, S. 210 f.
58 2. Kap.: Schwierigkeiten der Beschleunigung <strong>von</strong> <strong>Strafverfahren</strong> A. Verfahrensbeschleunigung durch den Gesetzgeber 59<br />
a) <strong>Die</strong> Argumentation des Gesetzgebers<br />
Es fällt schon beim oberflächlichen Lesen der Gesetzesbegründungen auf, daß<br />
der Gesetzgeber in äußerst problematischer Weise Art. 6 I EMRK, der einen<br />
Anspruch des Beschuldigten regelt, zur Legitimation für Maßnahmen heranzieht,<br />
die die Rechtsstellung des Beschuldigten schmälern 68 . Dem Gesetzgeber dürfte<br />
dies auch bewußt gewesen sein: So führt er etwa in der Begründung zum<br />
I. StVRG zunächst aus, die Beschleunigung diene den Interessen des Beschuldigten,<br />
weil die Verpflichtung zur Achtung der Würde des Menschen es gebiete,<br />
ihn nicht länger als unerläßlich der Ungewißheit über den Ausgang des Verfahrens<br />
auszusetzen - um dann fortzufahren, es würde der Abschreckungseffekt erhöht,<br />
wenn sich niemand mehr Chancen errechnen könne, daß durch eine lange Verfahrensdauer<br />
die Wahrheitsfindung erschwert <strong>und</strong> die Vollstreckung des Urteils<br />
hinausgeschoben würde 69 . In der Begründung zum StVÄG 1979 formulierte der<br />
Gesetzgeber dann nur noch, ohne Art. 6 I EMRK zu erwähnen, die Verfahrensbeschleunigung<br />
diene dem "wohlverstandenen" Interesse des Beschuldigten 70.<br />
Durch diese "Objektivierung" des Interesses 71 wird eingestanden, daß die realen<br />
Interessen des Beschuldigten häufig anders liegen können 72. <strong>Die</strong>s zeigt sich auch<br />
dann, wenn in der Begründung wenige Sätze später als (Mit-)Ursache langer<br />
Verfahrensdauer die exzessive Ausnutzung prozessualer Möglichkeiten durch<br />
den Beschuldigten <strong>und</strong> seinen Verteidiger angedeutet7 3 <strong>und</strong> <strong>von</strong> der erstrebten<br />
"störungsfreien Durchführung" geredet wird 74 .<br />
Beispielhaft kann auf die Verfahrensumstrukturierung durch das 1. StVRG<br />
<strong>von</strong> 1974 hingewiesen werden. Durch den Wegfall der gerichtlichen Voruntersuchung,<br />
der staatsanwaltschaftlichen Schlußanhörung <strong>und</strong> des Schlußgehörs sowie<br />
die Einführung der Verpflichtung <strong>von</strong> Beschuldigten, Zeugen <strong>und</strong> Sachverständigen,<br />
auch den Ladungen der Staatsanwaltschaft Folge zu leisten, entstand wohl<br />
68 So auch Rüping, ZStW 91 (1979), S. 361; Heinicke, Der Beschuldigte <strong>und</strong> s.ein<br />
Verteidiger, S. 437; vgl. auch K. Kühl, ZStW 100 (1988), S. 622; RÖI?~r, FS Schrmdt<br />
Leichner, S. 141. Siehe auch Blumers / Göggerle, Handbuch des Verteidigers <strong>und</strong> Beraters<br />
im Steuerstrafverfahren2, Rn. 171: Es gebe zwei Beschleunigungsgebote, nämlich<br />
den Anspruch des einzelnen Beschuldigten auf schnelle Verfahrensdurchführung<br />
(Art. 6 I EMRK) <strong>und</strong> das Gebot der schnellen Realisierung des staatlichen Bestrafungsanspruchs.<br />
Ähnlich auch Hiegert, <strong>Die</strong> Sphäre der Offenk<strong>und</strong>igkeit in der Strafprozeßordnung,<br />
S. 262. Im Entwurf eines Gesetzes zur Entlastung der Rechtspflege, BR-DrS 314/<br />
91, S. 46, findet sich dennoch wieder die Berufung auf Art. 6 I EMRK.<br />
69 Begr. RegE 1. StVRG, BT-DrS 7/551, S. 34 f.<br />
70 Begr. RegE StVÄG 1979, BT-DrS 8/976, S. 16.<br />
71 Ostendorf, AK JGG, § 56 Rn. 8; ähnlich Eisenberg, JGG3, § 56 Rn. 10; siehe auch<br />
zum Begriff BGHSt 7, S. 17 (20 f.) (zu § 356 StGB); Schünemann, Verh. 58. DJT,<br />
S. B 46.<br />
72 Vgl. K. Kühl, ZStW 100 (1988), S. 622.<br />
73 Begr. RegE StVÄG 1979, BT-DrS 8/976, S. 16 f.<br />
74 Begr. RegE StVÄG 1979, BT-DrS 8/976, S. 17.<br />
unbestritten ein staatsanwaltschaftlicher Machtzuwachs, der Kritiker sogar auf<br />
die Barrikaden trieb: Dahs etwa sprach <strong>von</strong> der "Aufgabe bewährter Kontrollmechanismen<br />
<strong>und</strong> Rechtsgarantien"7S, <strong>und</strong> lngo Müller äußerte sogar, die Staatsanwaltschaft<br />
erhalte hiermit eine "Machtfülle, die man 1950 noch als typisch<br />
nationalsozialistische gebrandmarkt hatte"76. Der Gesetzgeber dagegen formulierte,<br />
diese Umgewichtung diene "auch dem Beschuldigten", da nunmehr "noch<br />
besser als bisher ungerechtfertigte Anklageerhebungen vermieden werden" könnten<br />
77.<br />
Ein weiteres Beispiel stellt die Aufhebung <strong>von</strong> § 328 11 a. F. StPO durch das<br />
StVÄG <strong>von</strong> 1987 dar, der dem Berufungsgericht die Zurückverweisung der Sache<br />
bei Verfahrensfehlern erlaubte. Hier formuliert der Gesetzgeber lapidar, eine<br />
Einbuße an Rechtsschutz für den Beschuldigten sei nicht gegeben 78. Kein Wort<br />
findet sich dazu, daß § 328 11 a. F. StPO sehr wohl dem Rechtsschutz des<br />
Beschuldigten diente: <strong>Die</strong>se Norm sollte eine ordnungsgemäße Justizgewährung<br />
in der ersten Instanz absichern <strong>und</strong> verhindern, daß der Beschuldigte eine mit<br />
einem schweren Verfahrensmangel behaftete Entscheidung hinnehmen <strong>und</strong> dadurch<br />
eine Instanz verlieren muß. Nur in diesen seltenen Fällen sollte ausnahmsweise<br />
zurückverwiesen werden 79.<br />
b) Zur empirischen Absicherung<br />
<strong>Die</strong> Beschränkung der Zurückverweisung auf Ausnahmefälle deutet an, daß<br />
sich die Bedenken gegen die Aufhebung <strong>von</strong> § 328 11 a. F. StPO noch aus einem<br />
anderen Gesichtspunkt heraus verstärken: Wie der Gesetzgeber selbst feststellt,<br />
ist eine Zurückverweisung gemäß dieser Vorschrift nur in lediglich 0,4 % aller<br />
Berufungsurteile vorgekommen 8o . Bedenkt man nun, daß nur 12 % der amtsgerichtlichen<br />
<strong>Strafverfahren</strong> in die Berufungsinstanz gegangen sind, kann man sich<br />
des Eindrucks nicht erwehren, daß hier mit Kanonen auf Spatzen geschossen<br />
worden ist 81, zumal der geringe Beschleunigungseffekt noch dadurch aufgehoben<br />
sein könnte, daß § 328 11 a. F. StPO ein Disziplinierungsmittel des Amtsrichters<br />
dahingehend darstellte, auch in Sachen, bei denen er annahm, daß sie in die<br />
75 Dahs, NJW 1974, S. 1539.<br />
76 I. Müller, KritJ 10 (1977), S. 20; noch weitergehend Schumacher, Kontinuität <strong>und</strong><br />
Diskontinuität im <strong>Strafverfahren</strong>srecht, S.44: "Der Staatsanwaltschaft wurden damit<br />
Kompetenzen eingeräumt, die sie nicht einmal im Dritten Reich hatte".<br />
77 Begr. RegE 1. StVRG, BT-DrS 7/551, S. 37.<br />
78 Begr. RegE StVÄG 1987, BT-DrS 10/1313, S. 30 f. Kritisch dazu auch BGH,<br />
wistra 1989, S. 353 f.<br />
79 Werle, ZRP 1983, S. 199; W. Gollwitzer in LR23, § 328 Rn. 23; 25. Vgl. auch<br />
BayObLGSt 1957, S. 11 (13).<br />
80 Begr. RegE StVÄG 1987, BT-DrS 10/1313, S. 31.<br />
81 Ähnlich Kempf, StV 1987, S. 222; Werle, ZRP 1983, S. 20<strong>3.</strong>
60 2. Kap.: Schwierigkeiten der Beschleunigung <strong>von</strong> <strong>Strafverfahren</strong> A. Verfahrensbeschleunigung durch den Gesetzgeber 61<br />
Berufungsinstanz gehen würden, eine ordnungsgemäße Hauptverhandlung durchzuführen82.<br />
Folge der Gesetzesänderung kann somit auch die Erhöhung der<br />
Berufungsquote sein8<strong>3.</strong><br />
Nun hat zwar der Gesetzgeber selbst betont, die Entlastungsmaßnahmen des<br />
StVÄG 1987 hätten für sich allein betrachtet nur eine geringe Entlastungswirkung<br />
84. <strong>Die</strong>sem ist auch etwa für die Vorverlegung des Präklusionszeitpunktes<br />
für Befangenheitsgesuche in § 25 I StPO zuzustimmen85. Aber diese Tendenz<br />
ist auch schon in den früheren Gesetzen zu erkennen: Grünwald weist etwa zu<br />
Recht darauf hin, daß die Begründung für die im 1. StVRG vorgesehene Zeugnispflicht<br />
vor der Staatsanwaltschaft, sie diene der ökonomischen <strong>und</strong> schnellen<br />
Verfahrensdurchführung, schon deshalb wenig überzeugend ist, weil nicht ermittelt<br />
worden ist, wie häufig denn Zeugen überhaupt die Aussage vor der Staatsanwaltschaft<br />
ablehnen 86. Denn die bloße Argumentation, es sei immerhin auch <strong>von</strong><br />
Vorteil, auch nur bisweilen auftretende Zeitverluste auszuschließen, ist fragwürdig,<br />
weil regelmäßig dieser Vorteil durch die Beeinträchtigung anderer Interessen<br />
erkauft wird 87.<br />
So wird, um ein weiteres Beispiel zu nennen, durch das 1. StVRGErgG <strong>von</strong><br />
1974 in § 137 I StPO die Zahl der <strong>von</strong> einem Beschuldigten zu wählenden<br />
Verteidiger auf drei herabgesetzt, um Prozeßverschleppung <strong>und</strong> Prozeßvereitelung<br />
zu verhindern 88. Der Gedanke der Beschränkung der Verteidigeranzahl<br />
tauchte im Gesetzgebungsverfahren erst spät auf89 <strong>und</strong> stellte eine Reaktion auf<br />
die Terroristenverfahren dar 90 (so waren im sog. Baader-Meinhof-Verfahren zu<br />
einem Zeitpunkt für den Beschuldigten Baader 22 Anwälte, für Ensslin <strong>und</strong><br />
Meinhof je 16, für Meins 14 <strong>und</strong> für Raspe 17 Anwälte als Verteidiger bevollmächtigt,<br />
infolge der seinerzeit zulässigen Mehrfachverteidigung insgesamt 32<br />
Anwälte91). Auch hier wurde ohne empirische Absicherung dahingehend, wie<br />
häufig eine größere Anzahl <strong>von</strong> Verteidigern für einen Beschuldigten auftritt 92<br />
82 Vgl. Steindorf in KK OWiG, § 79 Rn. 153 (zu § 79 VI 2. Alt. OWiG).<br />
83 Vgl. Werle, ZRP 1983, S. 202 f.<br />
84 Begr. RegE StVÄG 1987, BT-DrS 10/1313, S. 12.<br />
85 Vgl. weitergehend Kempf, StV 1987, S. 220: "keinerlei Beschleunigungseffekt";<br />
Brüssow, FG L. Koch, S. 00: "allenfalls ... Verzögerung des Verfahrens".<br />
86 Grünwald, Verh. 50. DJT, S. C 1<strong>3.</strong><br />
87 Grünwald, Verh. 50. DJT, S. C 1<strong>3.</strong><br />
88 Rechtsausschußbericht zum RegE 2. StVRG, BT-DrS 7/2989, S. <strong>3.</strong><br />
89 Siehe Stellungsnahme BRat zum RegE 2. StVRG, BR-DrS 348/74, S. 4.<br />
90 Laufhütte in KK2, § 137 Rn. 2; H. W. Schmidt, MDR 1977, S. 529; Herrmann,<br />
JuS 1976, S. 417; Schmidt-Leichner, NJW 1975, S. 419; vgl. auch Witte, DRiZ 1978,<br />
S. 291; Rebmann, DRiZ 1979, S. 366.<br />
91 Löchner, FS Rebmann, S. 311. In drei weiteren Verfahren dieses Komplexes waren<br />
13,15 <strong>und</strong> 16 Verteidiger für jeweils einen Beschuldigten tätig (vgl. BVerfGE 39, S. 156<br />
(159 f.); Vogel, NJW 1978, S. 1224; Küng-Hofer, Beschleunigung, S. 163 f.; Witte,<br />
DRiZ 1978, S. 291).<br />
<strong>und</strong> inwieweit dadurch Verfahren verzögert werden, Eingriffe in die Verfahrensstruktur<br />
vorgenommen, die unter den Gesichtspunkten der Waffengleichheit93<br />
<strong>und</strong> der anwaltlichen Berufsfreiheit 94 angegriffen worden sind <strong>und</strong> jedenfalls in<br />
Großverfahren berechtigte Interessen des Beschuldigten beeinträchtigen dürften<br />
95. Besonders auffällig ist der Widerspruch zu der gleichzeitigen, aber länger<br />
geplanten 96 Änderung des § 146 StPO. Hierdurch wurde, obwohl es in der Vergangenheit<br />
wohl nicht zu Schwierigkeiten gekommen war 97 , die Mehrfachverteidigung<br />
umfassend verboten mit der Folge, daß für den praktisch häufigen Fall<br />
fehlender konkreter Interessenkollision die verzögernde Konstellation dort erst<br />
geschaffen wurde 98 , zu deren Vermeidung in § 137 I StPO die Verteidigerzahl<br />
beschränkt worden ist: vielfache Ausübung <strong>von</strong> Akteneinsichts-, Frage-, Antrags-,<br />
Erklärungs- <strong>und</strong> Schlußvortragsrecht 99 . Das BVerfG hat beide Normen<br />
für verfassungsgemäß erklärt 100, die EKMR eine gegen § 137 I StPO gerichtete<br />
Menschenrechtsbeschwerde als unbegründet zurückgewiesen 101.<br />
c) Zur Problematik <strong>von</strong> Strukturänderungen<br />
Exemplarisch für eine weitere Variante der Gesetzgebung sind die Rügepräklusion<br />
gemäß § 222b StPO <strong>und</strong> das Selbstleseverfahren gemäß § 249 11 StPO zu<br />
nennen. Beiden Normen ist gemein, daß sie tief in die Struktur des Strafprozesses<br />
eingreifen <strong>und</strong> damit Probleme aufwerfen, die jede mögliche Beschleunigungswirkung<br />
in Frage stellen 102. Denn Änderungen des Verfahrensrechts schlagen<br />
92 Nach Löchner, FS Rebmann, S. 316, bildete die Vertretung eines Beschuldigten<br />
durch (nur) drei Verteidiger "in der langjährigen Geschichte des Strafprozesses die<br />
Ausnahme". Selbst im Contergan-Verfahren traten für 7 Beschuldigte lediglich 18 Verteidiger<br />
auf (Herrmann, ZStW 85 , S. 258; JuS 1976, S. 417 Fn. 65). Im Fall Eckle<br />
waren vorübergehend vier Wahlverteidiger gemeldet (vgl. EGMR, EuGRZ 1983, S. 371<br />
:c372». Vgl. aber auch C.-F. Rahn, DuR 1988, S. 268, wonach in einem <strong>Strafverfahren</strong><br />
10 der Türkei 16 Beschuldigte zunächst <strong>von</strong> 180, später sogar <strong>von</strong> "fast 450" Rechtsanwälten<br />
verteidigt wurden.<br />
93 Krekeler, AnwBI. 1979, S. 214; Herrmann, JuS 1976, S. 417.<br />
94 Quack, NJW 1975, S. 1339.<br />
95 Lüderssen in LR24, § 137 Rn. 77; Schmidt-Leichner, NJW 1975, S. 419 f.; wohl<br />
auch u. ~eber, GA 1975, S. 297 f. A. A. G. Schmidt, JR 1974, S. 325; Küng-Hofer,<br />
Beschleumgung, S. 164: Auch hier genügten zwei Verteidiger höchstens.<br />
96 Vgl. RegE 2. StVRG, BT-DrS 7/2526, S. 6. Vgl. aber auch Dünnebier, FS Pfeiffer,<br />
S. 272 f.; 283 f.; Lüderssen in LR24, § 146 Rn. 4 f.<br />
97 Zuck, NJW 1975, S.435; Herrmann, JuS 1976, S. 418; Dünnebier, FS Pfeiffer,<br />
S. 271 f.; 283 f.<br />
98 Vgl. Zuck, NJW 1975, S. 434 f.; I. Müller, Rechtsstaat <strong>und</strong> <strong>Strafverfahren</strong> S. 104·<br />
Küng- Hofer, Beschleunigung, S. 165; K. Peters in: Strafprozeß <strong>und</strong> Reform, S. 91 f. '<br />
99 Vgl. G. Schmidt, JR 1974, S. 325 Fn. 29; Zuck, NJW 1975, S. 435; K. Peters in:<br />
Strafprozeß <strong>und</strong> Reform, S. 91 f.<br />
100 BVerfGE 39, S. 156.<br />
101 Witte, DRiZ 1978, S. 291.<br />
102 Vgl. W. Gollwitzer, FS Kleinknecht, S. 171.
62 2. Kap.: Schwierigkeiten der Beschleunigung <strong>von</strong> <strong>Strafverfahren</strong> A. Verfahrensbeschleunigung durch den Gesetzgeber 63<br />
notwendig auch auf das Verhalten der Prozeßbeteiligten durch. So wird der<br />
Beschuldigte, dessen Rechtsstellung beeinträchtigt wird, Wege suchen, dies auszugleichen<br />
mit der Folge, daß der bezweckte Beschleunigungseffekt in das Gegenteil<br />
verkehrt werden kann 10<strong>3.</strong><br />
aa) <strong>Die</strong> Rügepräklusion gemäß § 222b StPO<br />
Auf die verfassungsrechtliche Problematik der Rügepräklusion gemäß § 222b<br />
StPO soll hier, nachdem ein Vorprüfungsausschuß des BVerfG sie für gr<strong>und</strong>gesetzmäßig<br />
gehalten hat 104, nicht näher eingegangen werden. Es genügt in diesem<br />
Zusammenhang, mitRamm <strong>und</strong> Krekeler 105 daraufhinzuweisen, daß die Rügepräklusion<br />
mit dem ansonsten unbestrittenen Gr<strong>und</strong>satz kollidiert, daß der Beschuldigte<br />
sein Rügerecht bei Vorschriften, deren Verletzung als absoluter Revisionsgr<strong>und</strong><br />
ausgestaltet ist, nicht verlieren kann 106. <strong>Die</strong> Tatsache, daß bei Eintritt der<br />
Rügepräklusion der Beschuldigte nicht <strong>von</strong> seinem gesetzlichen Richter abgeurteilt<br />
wird, kann auch nicht durch Fiktionen wie die Ulrich Webers überdeckt<br />
werden, daß bei nicht rechtzeitiger Rüge eben die ursprünglich fehlerhaft besetzte<br />
Richterbank zum gesetzlichen Richter würde 107. <strong>Die</strong> Problematik der Vorschrift<br />
liegt gerade darin, daß sie der Beschleunigung dienen soll, indem sie die Zahl<br />
der Besetzungsrügen einschränkt. Sie ist also, wie Sarstedt / Ramm zu Recht<br />
feststellen, geradezu darauf angelegt, den Beschuldigten in einer Reihe <strong>von</strong> Fällen<br />
seinem gesetzlichen Richter zu entziehen 108. <strong>Die</strong> Begründung des StVÄG 1979<br />
verklärt dies, indem formuliert wird, die Präklusionsvorschriften würden dem<br />
Recht des Beschuldigten, sich nur vor seinem gesetzlichen Richter verantworten<br />
zu müssen, "besser Rechnung tragen". Wenige Sätze später wird jedoch zugestanden,<br />
daß die Präklusion für den Beschuldigten Erschwernisse, wenngleich "keine<br />
unzumutbaren", hervorrufen würde 109.<br />
Was allerdings die tatsächliche Beschleunigungswirkung der Besetzungsrügepräklusion<br />
angeht, so dürfte sie jedenfalls in größeren Strafsachen eher zu erheblichen<br />
Verfahrensverzögerungen führen, weil die Rüge nunmehr prophylaktisch<br />
im Hinblick auf eine etwaige Revision erhoben werden muß 110. Hierdurch kann<br />
nicht ausbleiben, daß die Hauptverhandlungen weiter belastet werden 111: Verteidiger<br />
werden auch dann Besetzungsrügen erheben, wenn sie da<strong>von</strong> ausgehen, daß<br />
die Revisionsgerichte ihnen nicht folgen würden: Es ist möglich, daß der Tatrichter,<br />
dem die gerichtsverfassungsrechtliche Materie nicht so vertraut ist, der Rüge<br />
stattgibt. Oder aber er lehnt sie ab <strong>und</strong> ist nun eher geneigt, auf Vorstellungen<br />
der Verteidigung hinsichtlich des Verfahrensergebnisses einzugehen, um die<br />
Besetzung revisionsrechtlicher Überprüfung zu entziehen, da die revisionsgerichtliche<br />
Urteilsaufhebung als Beeinträchtigung für Karriere <strong>und</strong> Prestige des Richters<br />
gilt 112. Konsequenz ist die "Renaissance der Besetzungsrüge" 11<strong>3.</strong><br />
bb) Das Selbstleseverfahren gemäß § 249 11 StPO<br />
Ein weiteres Lehrstück für diese Problematik stellt das Selbstleseverfahren<br />
gemäß § 24911 StPO i. d. F. des StVÄG 1987 dar, in dessen Beschleunigungswirkung<br />
große Hoffnungen gesetzt worden sind 114. Auch diese Norm ist exemplarisch<br />
für zwei gravierende Mängel der Gesetzesänderungen zwecks Vereinfachung:<br />
Zum einen greifen diese Änderungen tiefer in das Gefüge des <strong>Strafverfahren</strong>s,<br />
in Mündlichkeits- <strong>und</strong> Unmittelbarkeitsprinzip ein, als der Gesetzgeber es wahrhaben<br />
will 115 • Zum anderen sind die geänderten Normen häufig so unklar <strong>und</strong><br />
ungeschlossen konzipiert <strong>und</strong> formuliert, daß sie Probleme aufwerfen, die entweder<br />
ihrer Anwendung entgegenstehen 116 oder aber selbst zum Gegenstand <strong>von</strong><br />
Erörterungen im Prozeß werden, so daß der erhoffte Beschleunigungseffekt aufgezehrt<br />
wird 117.<br />
103 Werle, ZRP 1983, S. 201; 203; vgl. auch K. Peters in: StrafprozeB <strong>und</strong> Refonn,<br />
S. 102; Prochnow, <strong>Die</strong> Beschleunigung des <strong>Strafverfahren</strong>s in rechtsvergleichender Betrachtung,<br />
S. 8.<br />
104 BVerfG (VorprüfungsausschuB), NStZ 1984, S. 370 f.<br />
lOS Hamm, NJW 1979, S. 137 f.; Krekeler, AnwBI. 1979, S. 216. A. A. Ho. Müller,<br />
Zum Problem der Verzichtbarkeit, S. 118 ff., unter Berufung auf die richtige, aber sehr<br />
umstrittene Ansicht, das Gericht selbst könne auch noch nach Ablauf der Präklusionsfrist<br />
seine Besetzung prüfen, sei also an den "Verzicht" nicht geb<strong>und</strong>en.<br />
106 Vgl. OLG Frankfurt,JR 1987, S. 81; We. Schmid, <strong>Die</strong> Verwirkung <strong>von</strong> Verfahrensrügen,<br />
S.99; Ho. Müller, Zum Problem der Verzichtbarkeit, S. 116 f.; Kiderlen, <strong>Die</strong><br />
Verwirkung <strong>von</strong> Verfahrensrügen, S. 38; 85; Schlüchter, JR 1987, S. 82; Jescheck, GA<br />
1953, S. 89. A. A. nur K. Peters, StrafprozeB\ § 75 II 7; 8.<br />
107 U. Weber, GA 1975, S. 304; dagegen auch KieBling, DRiZ 1977, S. 330; Ranft,<br />
NJW 1981, S. 1478; Seebode, JR 1986, S. 475.<br />
108 Sarstedt / Hamm, <strong>Die</strong> Revision in Strafsachen', Rn. 195.<br />
109 Begr. RegE StVÄG 1979, BT-DrS 8/976, S. 26.<br />
110 1. Müller, Rechtsstaat <strong>und</strong> <strong>Strafverfahren</strong>, S. 123; Kießling, DRiZ 1977, S. 326 ff.;<br />
Rudolphi, JuS 1978, S. 866 f.; ähnlich Benz, ZRP 1977, S. 251; Weiss, AnwBI. 1981,<br />
S. 326; dagegen aber ausdrücklich RieB, JR 1981, S. 89 ff. (vgl. aber auch JR 1982,<br />
S.256).<br />
111 Vgl. E. Müller, NJW 1981, S. 1805; Schroeder, NJW 1983, S. 142.<br />
112 Schünemann, Verh. 58. DJT, S. B 33; Lautmann, Justiz - die stille Gewalt,<br />
S. 166; H. Weber, NJW 1961, S. 1388 f.<br />
113 Jungfer, StV 1982, S.462; zurückhaltender RieB, JR 1982, S. 256. Dreher, FS<br />
Kleinknecht, S. 100, verkennt die Problematik, wenn er meint, die Besetzungsrüge "lohne"<br />
sich jetzt nicht mehr.<br />
114 Siehe Meyer-GoBner, NJW 1987, S. 116<strong>3.</strong> Vgl. aber auch Günter, DRiZ 1987,<br />
S.66.<br />
115 Siehe Begr. RegE StVÄG 1987, BT-DrS 10/1313, S. 28; dagegen aber Geppert,<br />
Der Gr<strong>und</strong>satz der Unmittelbarkeit im deutschen <strong>Strafverfahren</strong>, S. 191 ff.; Kleinknecht /<br />
Meyer, StP039, § 249 Rn. 17; Mayr in KK StP02, § 249 Rn. 3<strong>3.</strong><br />
116 So die Begr. RegE StVÄG 1987 zu § 249 11 StPO i. d. F. des StVÄG 1979 (BT<br />
DrS 10/1313, S. 28).
64 2. Kap.: Schwierigkeiten der Beschleunigung <strong>von</strong> <strong>Strafverfahren</strong> A. Verfahrensbeschleunigung durch den Gesetzgeber 65<br />
Schon mit dem StVAG 1979 war durch die Einfügung <strong>von</strong> § 249 II a. F. StPO<br />
beim Urk<strong>und</strong>enbeweis die bis dahin zwingend vorgeschriebene Verlesung aufgelockert<br />
worden, was Kar! Peters als "gesetzliche Fehlleistung" 118 bezeichnete<br />
<strong>und</strong> für Geppert ein durch keinerlei Verfahrensbeschleunigung auszugleichender<br />
,,(partieller) Rückfall in Zeiten <strong>von</strong> Geheimverfahren <strong>und</strong> Geheimjustiz" 119 war.<br />
Durch die Erweiterung der Norm ist es seitdem ausreichend, daß die Richter<br />
<strong>und</strong> Schöffen vom Wortlaut der Urk<strong>und</strong>e "Kenntnis genommen haben". Nach<br />
der nochmaligen Ausdehnung der Vorschrift durch das StVÄG 1987 kann der<br />
Vorsitzende nunmehr sogar ohne Verzichtserklärung der Beteiligten das Selbstleseverfahren<br />
anordnen; erst auf unverzüglichen Widerspruch der Verfahrensbeteiligten<br />
müßte Gerichtsbeschluß ergehen. Nun böte sich die Interpretation der<br />
Vorschrift an, daß diese "Anordnung" innerhalb der Beweisaufnahme zu ergehen<br />
hat <strong>und</strong> daraufhin die Schöffen Kenntnis nehmen müssen. Dann wäre allerdings<br />
zumindest in kurzen Hauptverhandlungen kein Beschleunigungseffekt mehr zu<br />
erwarten: Denn die Schöffen dürfen die Urk<strong>und</strong>en nicht während der Hauptverhandlung<br />
lesen 120, wohl auch nicht in den Sitzungspausen 121, sondern nur zwischen<br />
den Sitzungstagen 122. <strong>Die</strong>ser Interpretation ist der Gesetzgeber jedoch<br />
entgegengetreten: Es sei - entgegen § 249 II Satz 3 Halbsatz 2 StPO i. d. F.<br />
des StVÄG 1979 - nunmehr zulässig, daß auch die Schöffen schon vor Verlesung<br />
des Anklagesatzes Kenntnis <strong>von</strong> der Urk<strong>und</strong>e nehmen 12<strong>3.</strong> Das bedeutet zunächst<br />
einmal, daß die "Anordnung" im Sinne <strong>von</strong> § 249 II StPO sich nicht schon auf<br />
das Lesen beziehen kann, sondern nur noch darauf, daß das schon Gelesene<br />
nunmehr als Inbegriff der Hauptverhandlung anzusehen ist 124. Welchen Sinn hat<br />
dann aber das Widerspruchsrecht der Prozeßbeteiligten? Hat ein solcher Widerspruch<br />
Erfolg - etwa, weil der Vorsitzende ein Verlesungs- oder Verwertungsverbot<br />
nicht beachtet hat -, soll also <strong>von</strong> den Schöffen erwartet werden, daß<br />
sie das Gelesene aus ihrem Kopf streichen. Befangenheitsgesuche gegen die<br />
Schöffen dürften zu erwarten sein: Wenngleich ihnen auch ansonsten häufiger<br />
im Rahmen ihrer Beweiswürdigung die Berücksichtigung normativer Beweisregeln<br />
(in dubio pro reo, Schweigen des Beschuldigten) zugemutet wird, sollen<br />
117 So die Begr. RegE StVÄG 1979 zur Ablehnung der - nunmehr doch Gesetz<br />
gewordenen - Verzichtsmöglichkeit auf die Verlesung gegen den Willen der Verfahrensbeteiligten<br />
(BT-DrS 8/976, S. 54); ähnlich Geppert, Der Gr<strong>und</strong>satz der Unmittelbarkeit<br />
im deutschen Strar'verfahren, S. 192. Vgl. auch Brüssow, AG Strafrecht des DAV<br />
4 (1988), S. 95 f.<br />
118 K. Peters, StrafprozeB4, § 39 III 6.<br />
119 Geppert, Der Gr<strong>und</strong>satz der Unmittelbarkeit im deutschen <strong>Strafverfahren</strong>, S. 19<strong>3.</strong><br />
120 Schroeder, NIW 1979, S. 1530; Paulus in KMR, § 249 Rn. 27; teilw. abweichend<br />
W. Gollwitzer in LR24, Nachtr. § 249 Rn. 24; vgl. BGH, JR 1963, S. 228.<br />
121 Paulus in KMR, § 249 Rn. 27; Kleinknecht/Meyer, StP039, § 249 Rn. 22; a.A.<br />
W. Gollwitzer in LR24, Nachtr. § 249 Rn. 25.<br />
122 Dagegen Henneberg, BB 1979, S. 588 f.<br />
123 Begr. RegE StVÄG 1987, BT-DrS 10/1313, S. 29.<br />
124 So auch RieB, IR 1987, S. 393; a.A. wohl Paulus in KMR, § 249 Rn. 30 f.<br />
sich Befangenheitsgesuche damit begründen lassen, daß der Beschuldigte befürchten<br />
muß, Schöffen - noch eher als Berufsrichter - könnten die gewonnenen,<br />
aber unverwertbaren Eindrücke doch bei der Überzeugungsbildung verwerten<br />
125. Für Grünwald liegt bei einer solchen Konstellation "geradezu ein Musterfall<br />
der Besorgnis der Befangenheit" vor 126.<br />
Noch problematischer ist die angenommene Zulässigkeit der Kenntnisnahme<br />
der Urk<strong>und</strong>en durch die Schöffen vor der Hauptverhandlung, also auch schon<br />
vor der Beweisaufnahme. § 249 II StPO i. d. F. des StVÄG 1979 hatte dies<br />
gerade mit der ausdrücklichen Begründung als "unverzichtbar" verboten, daß<br />
sonst nicht gewährleistet sei, "daß der Schöffe den Inhalt der Urk<strong>und</strong>e verstehen,<br />
in den Zusammenhang einordnen <strong>und</strong> gleichzeitig unbefangen sein Amt wahrnehmen<br />
kann" 127. Das nunmehr zulässige Verfahren verstößt - jedenfalls ohne die<br />
Einwilligung des Beschuldigten - damit gegen §§ 243 IV, 244 I StPOI28, wie<br />
sie die Rechtsprechung verstanden hat 129: Denn schon vor der Einlassung des<br />
Beschuldigten wird durch das Lesen - jedenfalls faktisch - ein Teil der Beweisaufnahme<br />
durchgeführt. Mit den Worten des BGH: "<strong>Die</strong> Vorschrift, daß die<br />
Beweisaufnahme der Vernehmung des Angeklagten nachzufolgen habe, gehört<br />
zu den wesentlichen, dem Schutz des Angeklagten dienenden Verfahrensregeln,<br />
indem sie diesem die Möglichkeit einräumt, seine Verteidigung vorweg zusammenhängend<br />
zu führen <strong>und</strong> das Gericht zu veranlassen, daß bei der nachfolgenden<br />
Beweisaufnahme die <strong>von</strong> ihm geltendgernachten Gesichtspunkte berücksichtigt<br />
werden. <strong>Die</strong> nachträgliche Befragung des Angeklagten gemäß § 257 StPO ist<br />
kein ausreichender Ersatz für die Gelegenheit zur zusammenhängenden Widerlegung<br />
der Verdachtsmomente <strong>und</strong> zur geschlossenen Darstellung der entlastenden<br />
Gesichtspunkte vor der Beweisaufnahme" 130.<br />
Des weiteren ergibt sich ein Spannungsverhältnis zu der Rechtsprechung 13l,<br />
daß es unzulässig sei, wenn ein Schöffe Kenntnis vom einstweiligen Ermittlungsergebnis<br />
(bzw. vom rechtsfehlerhaft Elemente da<strong>von</strong> enthaltenden Anklagesatz)<br />
125 So wohl auch Kempf, StV 1987, S. 222; vgl. BGH, StV 1984, S. 414 f.; Grünwald,<br />
JZ 1966, S. 500 f.; Gössel, NStZ 1984, S. 421. Das Problem sieht auch RieB, JR 1987,<br />
S. 392 f.; vgl. zum Ganzen Arzt, FS K. Peters, S. 231 f.; Schreiber, FS Welzel, S. 943 f.;<br />
953; Kemmer, Befangenheit <strong>von</strong> Schöffen durch Aktenkenntnis?, S. 62 ff.; Häger, GS<br />
K. Meyer, S. 172 ff.<br />
126 Grünwald, JZ 1966, S. 501.<br />
127 Begr. RegE StVAG 1979, BT-DrS 8/976, S. 54.<br />
128 Zweifelnd auch Danckert, StV 1988, S. 282.<br />
129 BGHSt 13, S. 358 (360 f.); 19, S. 93 (96 f.); NJW 1957, S. 1527 f. (insoweit nicht<br />
in BGHSt 10, S. 342 abgedruckt); StV 1982, S. 457 f.; 1990, S. 245; NStZ 1986, S. 370<br />
(371); BayObLGSt 1953, S. 130 f.; W. Gollwitzer in LR24, § 243 Rn. 2; 6.<br />
130 BGHSt 19, S. 93 (97); ähnlich NJW 1957, S. 1527 f. (insoweit nicht in BGHSt<br />
10, S. 342 abgedruckt); StV 1982, S. 457 (458); BayObLGSt 1953, S. 130 f.<br />
131 RGSt 69, S. 120 ff.; BGHSt 13, S. 73 ff.; offengelassen <strong>von</strong> BGH, GA 1976,<br />
S. 368 f.; IR 1987, S. 389.<br />
5 Scheffler
66 2. Kap.: Schwierigkeiten der Beschleunigung <strong>von</strong> <strong>Strafverfahren</strong> A. Verfahrensbeschleunigung durch den Gesetzgeber 67<br />
erhält 132; auch hierdurch soll die unbefangene Überzeugungsbildung aus dem<br />
Inbegriff der Hauptverhandlung gesichert werden 13<strong>3.</strong><br />
d) Das Problem <strong>von</strong> Fristverlängerungen<br />
Ein weiteres Problem in der Gesetzgebung stellt das Paradoxon Beschleunigung<br />
durch Fristverlängerung dar 134. Überspitzt formuliert, bedeuten legislatorische<br />
Erweiterungen der den Strafverfolgungsbehörden gesetzten Fristen regelmäßig<br />
nichts anderes als deren teilweises Freistellen vom Makel des verzögerlichen<br />
Handeins 135. Allerdings ist möglich, daß durch die Verlängerung <strong>von</strong> Fristen des<br />
Beschuldigten sogar Verfahrensbeschleunigung erreicht werden kann 136. So ist<br />
z. B. die durch das StVÄG 1987 auf zwei Wochen ausgedehnte Einspruchsfrist<br />
gegen einen Strafbefehl gemäß § 410 I StPO ein solcher Fall: In der Praxis hatte<br />
die frühere, äußerst knappe Einwochenfrist zu unzähligen Wiedereinsetzungsanträgen<br />
geführt, die nicht nur zu einer Verzögerung geführt haben, wenn ihnen<br />
stattgegeben wurde, sondern auch im Falle der Verwerfung des Einspruchs häufig<br />
kaum geringeren Arbeitsaufwand machten als die Sachentscheidung der zumeist<br />
einfach gelagerten Fälle 137.<br />
Ein Gegenbeispiel stellt jedoch die Verlängerung der Unterbrechungsfrist für<br />
die Hauptverhandlung in Großverfahren (§ 229 StPO) dar. Durch das StVRG<br />
<strong>von</strong> 1974 wurde zunächst die Möglichkeit einer Unterbrechung der Hauptverhandlung<br />
für 30 Tage geschaffen, durch das StVÄG <strong>von</strong> 1987 wurde diese<br />
Möglichkeit noch erweitert <strong>und</strong> für den Fall der Erkrankung des Angeklagten<br />
eine bis zu sechswöchige Fristhemmung eingeführt (§ 229 III StPO). Rein theoretisch,<br />
in der extremen Konstellation, kann nun eine Hauptverhandlung für fast<br />
ein Vierteljahr unterbrochen werden 138, was bezeichnenderweise weder im Gesetzestext<br />
noch in der Gesetzesbegründung klar ausgesprochen wird. Es mag hier<br />
dahingestellt bleiben, ob diese Ausweitung der Unterbrechungsfristen sinnvoll<br />
ist. Vergegenwärtigt man sich jedoch die Kritik, die etwa Robert v. Hippel an<br />
der Erweiterung der Unterbrechungsfrist <strong>von</strong> drei aufzehn Tage durch die Notverordnung<br />
vom 14. Juli 1932 äußerte, so tritt die Problematik der nunmehr erweiterten<br />
Fristverlängerungen deutlich hervor: FürRobert v. Hippel war die Fortsetzung<br />
der Hauptverhandlung erst am elften Tag eine "üble Gefährdung der geistigen<br />
Beherrschung des Stoffes der mündlichen Verhandlung <strong>und</strong> damit der Brauchbarkeit<br />
des Mündlichkeitsprinzips", wodurch eine "Förderung des Krebsschadens<br />
uferloser Monstreprozesse" eintrete 139, ein Anreiz zu verlängerter Prozeßdauer<br />
gegeben sei 140. Für den Gesetzgeber haben die Änderungen <strong>von</strong> § 229 StPO<br />
jedoch eine Maßnahme für die Verfahrensbeschleunigung dargestellt, da sie die<br />
Wiederholung einer vieltägigen Hauptverhandlung verhindern sollen 141. Es mutet<br />
fast grotesk an, wenn der Gesetzgeber formuliert, daß die nicht völlige Aufgabe<br />
der zeitlichen Beschränkung für Unterbrechungen "Ausfluß des Konzentrationsprinzips"<br />
sei <strong>und</strong> "Verfahrensverschleppungen" verhindere 142. Letztendlich gibt<br />
der Gesetzgeber hiermit zu, daß die Neufassung <strong>von</strong> § 229 StPO, wie auch Kempj<br />
ausgeführt hat, gerade unter dem Gesichtspunkt einer Beschleunigung <strong>und</strong> Straffung<br />
<strong>von</strong> Verfahren kontraindiziert ist 14<strong>3.</strong><br />
Ein weiteres Beispiel bildet die Änderung <strong>von</strong> § 275 StPO durch das 1. StVRG.<br />
Durch dieses Gesetz wurde die bis 1921 dreitägige, dann auf eine Woche verlängerte<br />
Urteilsabsetzungsfrist gleich auf mindestens fünf Wochen verlängert. Der<br />
Gesetzgeber sah hierin deshalb eine Maßnahme zur Verfahrensbeschleunigung,<br />
weil die früheren Fristen kaum eingehalten wurden, die Rechtsprechung 144 aber<br />
§ 275 I a. F. StPO als bloße Ordnungsvorschrift ansah 145. Das Beschleunigungsprinzip<br />
mußte nun dafür herhalten, daß die Frist "großzügig bemessen" 146 wurde,<br />
weil durch die Ausgestaltung als absoluter Revisionsgr<strong>und</strong> nunmehr die Wiederholung<br />
der gesamten Hauptverhandlung droht, was nach altem Recht die seltene<br />
Ausnahme war. Ein weiterer Gr<strong>und</strong> für die Ausweitung der Frist auf (mindestens)<br />
fünf Wochen war für den Gesetzgeber die gleichzeitige Erweiterung des § 267 IV<br />
StPO auf Urteile, die durch Fristablauf rechtskräftig geworden sind, was wiederum<br />
der Entlastung der Gerichte dienlich sein soll 147 • Der Gesetzgeber sieht das<br />
Problem, daß in der neugefaßten Vorschrift ein Anreiz bestehen könnte, das<br />
132 <strong>Die</strong>sen Zusammenhang sehen auch Rieß, JR 1987, S. 392 f.; Danckert, StV 1988,<br />
S.282.<br />
l33 Ausführlich zur Möglichkeit eines Befangenheitsgesuches Kemmer, Befangenheit<br />
<strong>von</strong> Schöffen durch Aktenkenntnis?, S. 114 ff., sowie zuletzt Häger, GS K. Meyer,<br />
S. 172 ff.<br />
134 Kritisch auch Schmidt-Leichner, NJW 1975, S. 418 f.; W. Gollwitzer, FS Kleinknecht,<br />
S. 166 ff.; Jung, JuS 1975, S. 263; K. Peters in: Strafprozeß <strong>und</strong> Reform, S. 100;<br />
Tiedemann, Verh. 49. DJT, S. C 103; ausführlich I. Müller, Rechtsstaat <strong>und</strong> <strong>Strafverfahren</strong>,<br />
S. 110 ff.<br />
l35 Vgl. Kühne, <strong>Strafverfahren</strong>srecht als Kommunikationsproblem, S. 73 Fn. 42.<br />
136 Vgl. Rudolph, FS Deutsche Richterakademie, S. 171. Vgl. auch Hohendorf, NJW<br />
1984, S. 958.<br />
137 Vgl. W. Gollwitzer, FS Kleinknecht, S. 164 f.<br />
138 Vgl. Krey, <strong>Strafverfahren</strong>srecht II, Rn. 63<strong>3.</strong><br />
139 Rob. v. Hippe!, Der deutsche Strafprozeß, § 52 VI 3 a.<br />
140 Rob. v. Hippe!, MSchrKrimPsych 26 (1935), S. 246. ..<br />
141 Begr. RegE 1. StVRG, BT-DrS 7/551, S. 47 f.; Begr. RegE StVAG 1987, BT<br />
DrS 10/1313, S. 24.<br />
142 Begr. RegE StVÄG 1987, BT-DrS 10/1313, S. 24. Gegen eine zeitliche Begrenzung<br />
Bode, DRiZ 1982, S. 455 ff.<br />
143 Kempf, StV 1987, S. 221; ähnlich Brüssow, AG Strafrecht des DAV 4 (198~),<br />
S. 95. Vgl. auch Baur, Wege zu einer Konzentration der mündlichen Verhandlung Im<br />
Prozeß, S. 13 f.<br />
144 Siehe etwa BGHSt 21, S. 4 (5); NJW 1951, S. 970; MDR 1953, S. 309.<br />
145 Begr. RegE 1. StVRG, BT-DrS 7/551, S. 49.<br />
146 Begr. RegE 1. StVRG, BT-DrS 7/551, S. 84.<br />
147 Begr. RegE 1. StVRG, BT-DrS 7/551, S. 48; 81.<br />
5*
68 2. Kap.: Schwierigkeiten der Beschleunigung <strong>von</strong> <strong>Strafverfahren</strong> A. Verfahrensbeschleunigung durch den Gesetzgeber 69<br />
Urteil nicht unmittelbar nach der Hauptverhandlung, sondern erst nach Ablauf<br />
der einwöchigen Rechtsmittelfrist abzusetzen 148: <strong>Die</strong> Fünfwochenfrist soll dem<br />
Rechnung tragen, indem die Zeit bis zum Ablauf der Frist zur Rechtsmitteleinlegung<br />
"außer Betracht bleiben" kann, da sich in vielen Fällen erst danach entscheide,<br />
ob das Urteil aufgr<strong>und</strong> des neuen § 267 IV StPO abgekürzt begründet werden<br />
könne 149. 1m Ergebnis bedeutet das, daß die abgeschaffte einwöchige Urteilsabsetzungsfrist<br />
nunmehr mit Billigung des Gesetzgebers als eine Art Erklärungsfrist<br />
vor der Urteilsabsetzung verstanden werden kann 150.<br />
e) <strong>Die</strong> Nichtverfolgung gemäß § 154 I Nr. 2 StPO<br />
Abschließend ist in diesem Zusammenhang noch ein Blick auf eine Vorschrift<br />
zu werfen, die - jedenfalls auf den ersten Blick - Verfahrensbeschleunigung<br />
in Großverfahren ohne Rechtsverlust des Beschuldigten zu gewährleisten scheint,<br />
wenngleich auch häufiger als ihr sogar "ausschließlicher" Zweck die Entlastung<br />
der Strafverfolgungsorgane genannt wird 151: Durch das StVÄG <strong>von</strong> 1979 wurden<br />
die §§ 154, 154a StPO ausgeweitet. Insbesondere wurde mit § 154 I Nr. 2 StPO<br />
die Möglichkeit des Absehens <strong>von</strong> Verfolgung wegen einer Tat geschaffen, deren<br />
Aburteilung nicht in "angemessener Frist" erwartet werden kann. Hierdurch sollte<br />
der Prozeßstoff vor allem <strong>von</strong> Großverfahren auf die wesentlichen Tatvorwürfe<br />
konzentriert <strong>und</strong> somit die Durchführung dieser Verfahren vereinfacht <strong>und</strong> beschleunigt<br />
werden 152.<br />
Nun mögen zwar die Befürchtungen lebensfremd sein, der Beschleunigungseffekt<br />
könnte deshalb verpuffen, weil nunmehr Täter es geradezu beabsichtigen<br />
könnten, durch geschickte Anlage ihrer Straftat den Verfolgungsverzicht zu erschleichen<br />
153; realistischer könnten jedoch die <strong>von</strong> Dahs geäußerten Bedenken<br />
sein, die Vorschrift sei deshalb zur Beschleunigung ungeeignet, weil sie einen<br />
"Anreiz für den Beschuldigten zu nachhaltiger Obstruktion" im <strong>Strafverfahren</strong><br />
bieten könnte 154. Auch die Staatsanwaltschaft könnte durch die Vorschrift geradezu<br />
dazu veranlaßt werden, zunächst einmal alles irgendwie in Betracht Kommende<br />
anzuklagen, um genügend "Manövriermasse" bei einer eventuellen "Verständigung"<br />
mit dem Beschuldigten zu haben 155. Schließlich ist der Hinweis Karl<br />
Peters', daß die Wiederaufnahme voreilig ausgeschiedener Verfahrensteile zu<br />
Verfahrensverzögerungen führt, zu beachten 156.<br />
Abgesehen da<strong>von</strong> kann selbst diese Vorschrift, die den Beschuldigten nur zu<br />
entlasten scheint, ihn in bestimmten Fällen auch schlechter stellen, was vor allem<br />
damit zusammenhängt, daß die Beschränkung der Strafverfolgung auch gegen<br />
seinen Willen zulässig ist. So ist zunächst einmal zu befürchten, daß § 154 StPO<br />
den Beschuldigten um den (endgültigen) Freispruch hinsichtlich der vorläufig<br />
eingestellten Verfahrensteile mit der Kostenfolge des § 467 IV StPO bringen<br />
kann 157. Des weiteren besteht die Gefahr - auf die vor allem Karl Peters<br />
hinweist 158 -, daß sich die Haltlosigkeit (auch) der weiterverfolgten Vorwürfe<br />
aus den ausgeschiedenen Verfahrensteilen hätte ergeben können, die der Beschuldigte<br />
nur eingeschränkt etwa über das Beweisantragsrecht (wieder) zum Gegenstand<br />
der Hauptverhandlung machen kann. Außerdem dürfen die nach § 154<br />
StPO ausgeschiedenen Verfahrensteile - nach einem rechtlichen Hinweis <br />
zur Strafschärfung herangezogen werden 159. Zwar ist erforderlich, daß diese Teile<br />
prozeßordnungsgemäß zur Überzeugung des Gerichts festgestellt worden sind 160.<br />
<strong>Die</strong>s kann jedoch nur, soll § 154 I Nr. 2 StPO nicht leerlaufen, durch Begnügung<br />
mit einfacheren Formen der Überzeugungsbildung geschehen 161. Schließlich ist<br />
denkbar, daß der Beschuldigte im Falle der späteren Wiederaufnahme der ausgeschiedenen<br />
Teile Entlastungsmöglichkeiten eingebüßt hat 162.<br />
148 Begr. RegE 1. StVRG, BT-DrS 7/551, S. 82.<br />
149 Begr. RegE 1. StVRG, BT-DrS 7/551, S. 84.<br />
150 Kritisch auch 1. Müller, Rechtsstaat <strong>und</strong> <strong>Strafverfahren</strong>, S. 112. Allerdings wird<br />
in der Gesetzesbegründung an anderer Stelle ausgeführt, daß sich aus § 275 I Satz I<br />
StPO ergebe, daß die in Satz 2 vorgesehenen Höchstfristen nicht voll ausgeschöpft<br />
werden dürfen (Begr. RegE 1. StVRG, BT-DrS 7/551, S. 37; 84). Jedoch wird § 275 I<br />
Satz I StPO vom absoluten Revisionsgr<strong>und</strong> des § 338 Nr. 7 StPO nicht erfaBt <strong>und</strong> § 337<br />
StPO kann mangels Beruhenkönnens nie der Revision zum Erfolg verhelfen (Rieß, NStZ<br />
1982, S. 442), so daß ein Verstoß gegen Satz I "unschädlich" ist (He. Müller in KMR,<br />
§ 275 Rn. 17).<br />
151 OLG München, NJW 1975, S. 68 (70); Meyer-Goßner in LR23, § 154 Rn. 1; G.<br />
Schäfer, <strong>Die</strong> Praxis des <strong>Strafverfahren</strong>s4, § 18 II 3 c.<br />
152 Begr. RegE StVÄG 1979, BT-DrS 8/976, S. 39.<br />
153 So aber Römer, Verh. 50. DJT, S. K 15 f.; Sack, NJW 1976, S. 606; kritisch dazu<br />
auch Grauhan, GA 1976, S. 238.<br />
154 Dahs, NJW 1974, S. 1540; vgl. auch Schünemann, Verh. 58. DJT, S. B 109.<br />
155 Schünemann, Verh. 58. DJT, S. B 109; ähnlich Schmidt-Hieber, Verständigung<br />
im <strong>Strafverfahren</strong>, Rn. 69 f.<br />
156 K. Peters in: StrafprozeB <strong>und</strong> Reform, S. 96; vgl. auch Schmidt-Hieber, Verständigung<br />
im <strong>Strafverfahren</strong>, Rn. 69.<br />
157 K. Peters, StV 1981, S. 411 f.; vgl. auch RieB in LR24, § 154 Rn. 5; Kapahnke,<br />
Opportunität <strong>und</strong> Legalität im <strong>Strafverfahren</strong>, S. 111 f.<br />
158 K. Peters, StrafprozeB4, § 23 IV 1 c cc; in: Strafprozeß <strong>und</strong> Reform, S. 96; StV<br />
1981, S. 411 f.<br />
159 Siehe etwa BGHSt 30, S. 147; S. 197; 31, S. 302.<br />
160 Vgl. statt vieler RieB in LR24, § 154 Rn. 56 m. W.N.<br />
161 Haberstroh, NStZ 1984, S. 292; vgl. auch Vogler, FS Kleinknecht, S. 438 f.; Sarstedt<br />
/ Hamm, <strong>Die</strong> Revision in Strafsachen', Rn. 465 ff.; Kapahnke, Opportunität <strong>und</strong><br />
Legalität im <strong>Strafverfahren</strong>, S. 150.<br />
162 Vgl. K. Peters in: Strafprozeß <strong>und</strong> Reform, S. 96.
·_------_..----- ----- .._-<br />
70 2. Kap.: Schwierigkeiten der Beschleunigung <strong>von</strong> <strong>Strafverfahren</strong><br />
2. Reformvorschläge - Einige Beispiele<br />
a) Neuerungen für das Strafprozeßrecht<br />
Schon dieser beispielhafte Überblick über verwirklichte Änderungen des <strong>Strafverfahren</strong>srechts<br />
dürfte zu starker Skepsis berechtigen, ob <strong>und</strong> inwieweit die<br />
StPO bedenkenfrei geändert, das Verfahren vereinfacht <strong>und</strong> damit beschleunigt<br />
werden könnte, ohne in rechtsstaatlich bedenklicher Weise in die Verfahrensstruktur<br />
zu Lasten des Beschuldigten einzugreifen. <strong>Die</strong>s wäre wohl überhaupt nur<br />
dann möglich, wenn man "traditionell Überkommenes" <strong>und</strong> "rechtsstaatlich Gebotenes"<br />
im Strafprozeßrecht unterscheiden könnte 16<strong>3.</strong> Ansonsten besteht die<br />
große Gefahr, wie schon Feuerbach betonte, daß der Gesetzgeber, indem er "die<br />
Processe abkürzt, auch das Recht verkürze" 164. Unter diesem Blickwinkel sind<br />
auch die unterschiedlichen in der Literatur angeregten Vereinfachungsvorschläge<br />
zu sehen, die in der Strafprozeßreform nicht näher diskutiert worden sind. Ohne<br />
Anspruch auf Vollzähligkeit sind hier zu nennen:<br />
die Einführung der Vorabanklage 16S,<br />
die Schaffung einer speziellen Verfahrensart für Bagatellkriminalität l66 ,<br />
die Einführung einer Berufungsbegründungspflicht 167,<br />
die Verschärfung der Revisionsbegründungspflicht 168,<br />
die (weitere) Einschränkung der Richterablehnung 169,<br />
die Abschaffung der schriftlichen Absetzung der Urteilsgründe 170.<br />
In diesem Zusammenhang ist auch die in letzter Zeit in den Mittelpunkt des<br />
Interesses im Strafprozeßrecht gerückte "Verständigung im <strong>Strafverfahren</strong>" zu<br />
erwähnen, die zweifellos außerordentlich verfahrensabkürzend wirken kann. Hier<br />
ist die Diskussion im Fluß, so daß eine endgültige Einschätzung verfrüht wäre.<br />
Zweierlei läßt sich aber sagen: Zum einen dürfte es sehr zweifelhaft sein, inwieweit<br />
Verständigungen nicht auch die Tendenz innewohnt, die Rechtsstellung des<br />
Beschuldigten zu beeinträchtigen. Schünemann hat vor kurzem die Bedenken im<br />
Hinblick aufUnschuldsvermutung, Verbot der Verdachtsstrafe, Fair-trial-Gr<strong>und</strong>-<br />
163 Vogel, NJW 1978, S. 1221.<br />
164 Feuerbach, Betrachtungen über die Oeffentlichkeit <strong>und</strong> Mündlichkeit der Gerechtigkeitspflege<br />
11, S. 109; vgl. auch in: Kleine Schriften vermischten Inhalts, S. 132.<br />
165 Dazu Dästner, RuP 1978, S. 221 ff.<br />
166 Gössel, GA 1979, S. 243 f. Vgl. auch Wolter, GA 1989, S. 397 ff.<br />
167 Bender / Heissler, ZRP 1978, S. 31; Helmken, ZRP 1978, S. 134.<br />
168 Gössel, GA 1979, S. 245 ff.<br />
169 Bode, DRiZ 1982, S. 455.<br />
170 K. Peters in: Strafprozeß <strong>und</strong> Reform, S. 101; Herrmann, ZStW 85 (1973), S. 287;<br />
vgl. auch Hünerfeld, ZStW 85 (1973), S. 440; 442; 448; Küng-Hofer, Beschleunigung,<br />
S. 20 f.; 242 f.; Gössel, GA 1979, S. 250 f.<br />
A. Verfahrensbeschleunigung durch den Gesetzgeber 71<br />
satz, Willensentschließungsfreiheit <strong>und</strong> richterliche Unbefangenheit zusammengestellt<br />
171. Zum anderen setzt eine verfahrensabkürzende Verständigung voraus,<br />
daß objektiv Raum für einen "Vergleich" besteht <strong>und</strong> daß subjektiv Vergleichsbereitschaft<br />
bei allen Beteiligten vorhanden ist. Ein "Allheilmittel" kann die "Verständigung"<br />
also mit Sicherheit nicht sein.<br />
Andere, zumeist weniger weitgehende Änderungsvorschläge fehlten schon im<br />
Regierungsentwurf zum StVÄG <strong>von</strong> 1987 mit der Begründung, sie erschienen<br />
teilweise bei genauerer Betrachtung als nicht hinreichend effizient, sie würden<br />
zum Teil die Wahrheitsfindung gefährden oder aber die legitimen Verteidigungsinteressen<br />
des Beschuldigten zu sehr beeinträchtigen 172. Hiermit wird insbesondere<br />
auf die Vorschläge angespielt, die die 52. Konferenz der Iustizminister <strong>und</strong><br />
-senatoren 1981 unterbreitete 173 <strong>und</strong> die in wesentlichen Gr<strong>und</strong>zügen etwa die<br />
Strafrechtskommission des Deutschen Richterb<strong>und</strong>es unterstützte 174. <strong>Die</strong>se Vorschläge<br />
sahen unter anderem Einschränkungen des Antragsbegründungs-, Frage<strong>und</strong><br />
Erklärungsrechts (§§ 238 I, 241, 257 StPO), die Veränderung des amtsgerichtlichen<br />
Verfahrens <strong>und</strong> Einschränkungen im Haftprüfungsrecht vor.<br />
b) Übertragungen aus dem Ordnungswidrigkeitenrecht<br />
Dürften solche Vorschläge in näherer Zukunft auch kaum Umsetzungschancen<br />
haben 175, so lohnt sich doch eine nähere Untersuchung zweier weiterer Vorschläge<br />
der genannten Konferenz, weil diese im Bereich des Ordnungswidrigkeitenrechts<br />
realisiert sind, nämlich Einschränkungen des Beweisantrags- sowie des Rechtsmittelrechts.<br />
Das Ordnungswidrigkeitenrecht könnte hier, wie gelegentlich prognostiziert<br />
wird, zur "Einstiegsdroge" werden 176:<br />
Durch Art. 3 EGOWiG <strong>von</strong> 1968 wurden die kleineren Verkehrsdelikte <strong>von</strong><br />
strafbewehrten Übertretungen in bußgeldpflichtige Ordnungswidrigkeiten umgewandelt;<br />
gleiches passierte durch Art. 13 EGStGB 1974 hinsichtlich weiterer<br />
171 Schünemann, Verh. 58. DJT, S. B 93 ff.; vgl. auch Dencker / Hamm, Der Vergleich<br />
im Strafprozeß, S. 124 ff. Siehe jetzt auch BGH, NStZ 1991, S. 346 (347 f.).<br />
172 Begr. RegE StVÄG 1987, BT-DrS 10/1313, S. 11 f.<br />
173 Beschluß der 52. Konferenz der Justizminister <strong>und</strong> -senatoren, StV 1982, S. 325 ff.<br />
174 StrRK des DRB, Information 1982, S. 47 ff.<br />
. 175 Vgl. dazu Günther, DRiZ 1990, S. 106; Caesar, RuP 1990, S. 46. <strong>Die</strong>se Vorschläge<br />
smd auch fast ausnahmslos nicht im Entwurf eines Gesetzes zur Entlastung der Rechtspflege<br />
wieder aufgetaucht (BR-DrS 314/91).<br />
176 Brüssow, AG Strafrecht des DAV 4 (1988), S.80; FG L. Koch, S.6<strong>3.</strong> <strong>Die</strong>se<br />
Prognose hat sich unerwartet schnell bestätigt: <strong>Die</strong> Sonderkonferenz der Justizminister<br />
<strong>und</strong> -~enatoren beschloß am 24.4.1991 in Berlin (u. a.) entsprechende Änderungen des<br />
Bewelsantrags- <strong>und</strong> Rechtsmittelrechts, die inzwischen Gegenstand eines Gesetzesantrags<br />
der Länder sind (BR-DrS 3145/91, insbes. S. 99 f.; 118). Siehe dazu ZRP 1991,<br />
S. 274 ff.; StV 1991, S. 280 ff.; DRiZ 1991, S. 221 ff.
72 2. Kap.: Schwierigkeiten der Beschleunigung <strong>von</strong> <strong>Strafverfahren</strong> A. Verfahrensbeschleunigung durch den Gesetzgeber 73<br />
kleiner Straftaten 177. Verfahrensrechtliche Folge da<strong>von</strong> ist, daß zwar prinzipiell<br />
(vgl. § 46 I OWiG) bei der Verfolgung dieser Delikte nach wie vor die StPO<br />
gilt, "jedoch mit Abweichungen, die auf eine erhebliche Vereinfachung des<br />
Verfahrens bei OWi abzielen" 178. Der Preis der Entkriminalisierung ist der Abbau<br />
schützender Vorschriften: "Wesentliche Vereinfachungen" wollte der Gesetzgeber<br />
etwa durch Beschränkungen der Beweisaufnahme <strong>und</strong> des Rechtsmittelzuges<br />
erreichen 179. Beide Bereiche erweisen sich bei Übernahme in das Strafprozeßrecht<br />
als höchst brisant: Mag man noch bereit sein, Einschränkungen im Tausch für<br />
die Entkriminalisierung zu akzeptieren, so wird in der gesetzgeberischen Diskussion<br />
dieser Zusammenhang nunmehr umgedreht mit der Argumentation, daß das,<br />
was sich im Ordnungswidrigkeitenrecht bewährt habe, auch für (kleinere) Strafsachen<br />
geeignet wäre 180.<br />
aa) Der Umfang der Beweisaufnahme gemäß § 77 OWiG<br />
Im Bereich des Ordnungswidrigkeitenrechts ist - noch verschärft durch das<br />
OWiGÄndG <strong>von</strong> 1987 - das Beweisantragsrecht gegenüber dem der StPO<br />
eingeschränkt: "Vor allem kann das strenge Beweisrecht nach § 244 Abs. 3 StPO<br />
im Bußgeldverfahren, insbesondere wegen weniger bedeutsamer Ordnungswidrigkeiten,<br />
zu solchen Verfahrensverzögerungen <strong>und</strong> -erschwerungen führen, daß<br />
der dadurch bedingte Aufwand an Personal <strong>und</strong> Sachmitteln nicht mehr in einem<br />
angemessenen Verhältnis zu der Bedeutung der Sache steht."181 Infolgedessen<br />
beschränkt § 77 OWiG sowohl die Aufklärungspflicht als auch das Beweisantragsrecht<br />
gegenüber der StPO; entgegen § 246 StPO ist etwa der Ablehnungsgr<strong>und</strong><br />
der Verspätung eingeführt worden.<br />
<strong>Die</strong> 52. Konferenz der Justizminister <strong>und</strong> -senatoren beschloß nun "zur Entlastung<br />
der Gerichte <strong>und</strong> Staatsanwaltschaften" folgenden, wörtlich mit § 77 a. F.<br />
OWiG übereinstimmenden Änderungsvorschlag unter Verzicht auf das formelle<br />
Beweisantragsrecht bezüglich § 244 StPO für das amtsgerichtliche <strong>Strafverfahren</strong>:<br />
"Das Gericht bestimmt unbeschadet des § 244 Abs. 2 StPO den Umfang<br />
der Beweisaufnahme" 182. Folge der Angleichung wäre, daß ein Beweisantrag<br />
auch dann abgelehnt werden könnte, wenn die Erhebung des Beweises zur Erfor-<br />
177 Siehe dazu die Übersicht bei Lüderssen in: Polizei <strong>und</strong> Strafprozeß, S. 211 f.<br />
178 Göhler, OWiG9, Ein!. Rn. 12.<br />
179 Begr. RegE OWiG 1968, BT-DrS V/1269, S. 36.<br />
180 Vg!. etwa Rieß in: Strafprozeß <strong>und</strong> Reform, S. 118.<br />
181 Begr. RegE OWiGÄndG 1987, BT-DrS 10/2652, S. 11.<br />
182 Beschluß der 52. Konferenz der Justizminister <strong>und</strong> -senatoren, StV 1982, S. 325;<br />
zustimmend StrRK des DRB, Information 1982, S. 47. Vg!. auch Kunz, Das strafrechtliche<br />
Bagatellprinzip, S.342; Rieß, JR 1975, S.228; Rebmann, NStZ 1984, S.245;<br />
v. Glasenapp, NJW 1982, S. 2057 f.; Böttcher, DRiZ 1983, S. 130; Meyer-Goßner, NJW<br />
1987, S. 1169; siehe auch § 384 III StPO.<br />
schung der Wahrheit dem Gericht nicht erforderlich erscheint 18<strong>3.</strong> Auch die Aufhebung<br />
<strong>von</strong> § 246 StPO wurde auf der Konferenz diskutiert 184.<br />
<strong>Die</strong> Befürchtung, solche Vorschläge zeigten die Gefahr eines "Dammbruchs"<br />
infolge der Vereinfachungen des Ordnungswidrigkeitenrechts im Kriminalstrafrecht,<br />
ohne den Preis der Entkriminalisierung zahlen zu wollen, versucht Rieß<br />
mit dem Hinweis auf die Entstehungsgeschichte des Beweisantragsrechts zu<br />
entkräften 185. Genaueres Hinsehen läßt diesen Gedanken jedoch als zweifelhaft<br />
erscheinen: Seit der "Geburtsst<strong>und</strong>e des Beweiserhebungsanspruchs" 186 mit der<br />
Entscheidung RGSt 1,61 187 entwickelte die Rechtsprechung des Reichsgerichts<br />
kontinuierlich den heute in § 244 III StPO kodifizierten numerus clausus der<br />
Ablehnungsgründe 188. Mit Gesetz zur Abänderung der Strafprozeßordnung vom<br />
21. 12. 1925 galt für das gesamte Strafrecht (mit Ausnahme der Übertretungstatbestände)<br />
im großen <strong>und</strong> ganzen das heutige Beweisantragsrecht gemäß § 244 III<br />
StPO 189. Es wurde zunächst durch die AusnahmeVO vom 14.6.1932 190 aufgr<strong>und</strong><br />
der wirtschaftlichen Notlage des Reiches eingeschränkt 191 <strong>und</strong> letztendlich im<br />
Dritten Reich völlig abgeschafft 192. Das Vereinheitlichungsgesetz <strong>von</strong> 1950 kehrte<br />
jedoch dann ausdrücklich zur Rechtslage <strong>von</strong> 1925 zurück 193, <strong>und</strong> zwar nicht<br />
nur, um die Änderungen der NS-Zeit zu beseitigen, sondern auch, um "namentlich<br />
die noch nicht aufgehobenen Teile der Notverordnungen <strong>von</strong> 1931 <strong>und</strong> 1932"<br />
zu bereinigen 194. Deshalb ist Rieß' Anregung <strong>von</strong> der "Wiederbelebung einzelner<br />
Gedanken des früheren Rechts" <strong>und</strong> ihre "Einbettung in ein umfassendes Konzept"<br />
nicht damit begründbar, daß in der Geschichte der StPO die Beschränkung<br />
des Beweisantragsrechts "keinen ganz neuen Gedanken" darstellt, der lediglich<br />
"nie mit der wünschenswerten Klarheit verwirklicht worden" sei 195. Vielmehr<br />
183 Vgl. BGHSt 12, S. 333 (334 f.).<br />
184 Beschluß der 52. Konferenz der Justizminister <strong>und</strong> -senatoren, StV 1982, S. 325;<br />
vg!. auch Rebmann, NStZ 1984, S. 246 f.; Kintzi, JR 1990, S. 316; Strate, StV 1990,<br />
S.392.<br />
185 Rieß, JR 1975, S. 226.<br />
186 Alsberg, Der Beweisantrag im StrafprozeßI, S. 59.<br />
187 Vg!. dazu Alsberg / Nüse / Meyer, Der Beweisantrag im Strafprozeß5, S. 4 Fn. 13;<br />
S.21.<br />
188 Vorübergehende Einschränkungen erfuhr diese Entwicklung durch die "VO über<br />
Sondergerichte gegen Schleichhandel <strong>und</strong> Preistreiberei - Wuchergerichte" <strong>von</strong> 1919<br />
1924 <strong>und</strong> durch die faktischen Auswirkungen der Zuständigkeitsänderungen durch die<br />
sog. "Emminger-VO" <strong>von</strong> 1924.<br />
189 Ausführlich dazu Hartung, DJZ 1926, Sp. 129 ff.<br />
190 RGB!. I, S. 285.<br />
191 Alsberg / Nüse / Meyer, Der Beweisantrag im Strafprozeß5, S. 5 f.<br />
192 Ausführlich dazu Alsberg / Nüse / Meyer, Der Beweisantrag im Strafprozeß5,<br />
S. 7 ff.<br />
193 Begr. RegE VereinhG, BT-DrS 1/530, S. 47.<br />
194 Begr. RegE VereinhG, BT-DrS 1/530, S. 3<strong>3.</strong><br />
195 Rieß, JR 1975, S. 226.
74 2. Kap.: Schwierigkeiten der Beschleunigung <strong>von</strong> <strong>Strafverfahren</strong> B. Verfahrensbeschleunigung durch den Beschuldigten 75<br />
könnten bei historischer Betrachtung, wie Berz hervorhebt, die "Erfahrungen im<br />
Dritten Reich" Warnung sein 196.<br />
bb) <strong>Die</strong> Zulassung der Rechtsbeschwerde gemäß § 80 OWiG<br />
Eine Übernahme der Regelung des § 77 OWiG für das amtsgerichtliche <strong>Strafverfahren</strong><br />
hätte zudem noch eine problematische Folge: Wird in erster Instanz<br />
beschleunigt, indem der Umfang der Beweisaufnahme gering gehalten wird, so<br />
würde der Beschuldigte die verhinderte Beweiserhebung in der Berufungsinstanz<br />
nachholen wollen. Werte beschreibt anschaulich, wie die durch die Emminger<br />
VO entstandene vergleichbare Rechtslage zu einem Anstieg der Berufungen<br />
führte 197. Im Ordnungswidrigkeitenrecht wird diese Konsequenz nun dadurch<br />
vermieden, daß zusätzlich zur Beweisaufnahme auch der Rechtsmittelzug drastisch<br />
beschnitten wird: Im Unterschied zu kleinen Strafsachen gibt es keine<br />
Berufung, <strong>und</strong> auch der Zugang zur revisionsähnlichen Rechtsbeschwerde ist<br />
für den Betroffenen nur bei Geldbußen <strong>von</strong> mehr als 200,- DM unbeschränkt<br />
(§ 79 I Nr. 1 OWiG). Darunter ist die Rechtsbeschwerde an die Zulassung wegen<br />
Rechtsfortbildung, Sicherung einheitlicher Rechtsprechung oder Versagung<br />
rechtlichen Gehörs geb<strong>und</strong>en (§ 80 I OWiG). Durch das OWiGÄndG <strong>von</strong> 1987<br />
ist die Zulassung bei Geldbußen unter 80,- DM sogar noch weiter eingeschränkt<br />
worden (§ 80 11 OWiG). <strong>Die</strong> bloße "Wahrung der Rechte des Betroffenen" ist<br />
für die Zulassung der Rechtsbeschwerde bedeutungslos 198.<br />
Auch die Ausweitung dieser Einschränkungen spielte in der Strafprozeßreformdiskussion<br />
eine Rolle: Nicht nur die oben erwähnte Justizminister- <strong>und</strong> -senatorenkonferenz,<br />
sondern auch der B<strong>und</strong>esrat hat vorgeschlagen, die Revision bei<br />
erstinstanzlicher Amtsgerichtszuständigkeit an eine Zulassung zu binden, deren<br />
Ausgestaltung an das OWiG angelehnt werden könnte 199.<br />
Daß die Kombination <strong>von</strong> Beschränkung des Umfangs der Beweisaufnahme<br />
<strong>und</strong> Einschränkung der Revision nicht nur abstrakt zu einer Beschneidung der<br />
196 Berz, NJW 1982, S. 734; dagegen v. Glasenapp, NJW 1982, S. 2058. Vgl. auch<br />
Schünemann, Verh. 58. DJT, S. B 48: "die Aufrichtung ... des aufgeklärten Absolutismus<br />
im <strong>Strafverfahren</strong>"; G. Herdegen, GS K. Meyer, S. 194: "Amputation des Beweisantragsrechts,<br />
die nicht einmal aufrecht erhielte, was die StPO in ihrer Erstfassung (in § 243<br />
Abs. 2) bot".<br />
197 Werle, ZRP 1983, S. 201; ähnlich Kern, MschrKrimPsych 15 (1924), S. 247.<br />
198 Begr. RegE OWiG 1968, BT-DrS V/1269, S. 95; BGHSt 24, S. 15 (21); OLG<br />
Hamm, VRS 62, S. 294 (295); OLG Celle, MDR 1988, S. 521; OLG Koblenz, NJW<br />
1990, S.2398; Steindorf in KK OWiG, § 80 Rn. 1; Michalke 1Hamm, NJW 1990,<br />
S.2369.<br />
199 Beschluß der 52. Konferenz der Justizminister <strong>und</strong> -senatoren, StV 1982, S. 326;<br />
Stellungnahme BRat zum RegE StVÄG 1987, BT-DrS 10/1313, S. 52 f.; zustimmend<br />
StrRK des DRB, DRiZ 1986, S. 394 (anders noch Information 1982, S.48); so auch<br />
schon K. Peters in: Strafprozeß <strong>und</strong> Reform, S. 105.<br />
Verteidigungsmöglichkeiten insgesamt in unvertretbarer Weise führte 200, sondern<br />
sogar konkret zu geänderter amtsgerichtlicher Verfahrenspraxis zu Lasten des<br />
Beschuldigten führen soll 201 , hat die Konferenz der Justizminister <strong>und</strong> - senatoren<br />
in kaum zu überbietender Deutlichkeit ausgesprochen 202: Durch die Verringerung<br />
der Revisibilität <strong>von</strong> Verfahrensverstößen würde der Tatrichter in die Lage<br />
versetzt, "bei aller Gewissenhaftigkeit etwas freier <strong>und</strong> einzelfallangepaßter<br />
zu verhandeln, als es bei ,revisionssicherer' Verfahrensweise möglich ist" <br />
v. Jherings Wort 203 <strong>von</strong> der Form als geschworener Feindin der Willkür scheint<br />
vergessen 204; v. Savignys Satz 2 0s, das "einzig zuverlässige Mittel, die Beobachtung<br />
wenigstens der wesentlichen Prozeßvorschriften zu sichern", bestehe darin,<br />
"an die Nichtbefolgung die Nichtigkeit des Verfahrens" (oder jedenfalls die<br />
Aufhebung des Urteils in der Revisionsinstanz 206 ) zu knüpfen, besitzt noch immer<br />
Aktualität 207.<br />
B. Verfahrensbeschleunigung durch den Beschuldigten<br />
<strong>Die</strong> gesetzgeberischen Aktivitäten der siebziger <strong>und</strong> achtziger Jahre zur Verfahrensbeschleunigung<br />
haben das Problem langer Verfahrensdauer fast ausschließlich<br />
nur insoweit berührt, als es um die Verfahrenslänge, nicht aber um Verfahrensverzögerungen<br />
ging. <strong>Die</strong> Reformen sind überdies skeptisch zu beurteilen,<br />
weil sie häufiger kaum zur Verfahrensbeschleunigung geeignet erscheinen oder<br />
einseitig mit der Einschränkung <strong>von</strong> Verfahrensrechten des Beschuldigten einhergehen.<br />
Gesetzesänderungen, um staatliche Verzögerungen zu vermeiden, bieten<br />
sich jedenfalls bei erster Betrachtung kaum an. Es soll bei dem kursorischen<br />
Überblick bleiben, da die Bedeutung <strong>von</strong> Rechtsänderungen für die Rechtsfolgenbestimmung<br />
<strong>überlange</strong>r Verfahrensdauer - zudem - nur indirekter Art ist: Sie<br />
200 Werle, ZRP 1983, S. 200; 20<strong>3.</strong><br />
201 Vgl. Brüssow, FG L. Koch, S. 68 f.<br />
202 Beschluß der 52. Konferenz der Justizminister <strong>und</strong> -senatoren, StV 1982, S. 326.<br />
Ähnlich jetzt auch wieder in dem <strong>von</strong> der gleichen Konferenz 1991 vorbereiteten Entwurf<br />
eines Gesetzes zur Entlastung der Rechtspflege, BR-DrS 314/91, S. 108; 118 f.<br />
203 v. Jhering, Der Geist des Römischen Rechts 11 121, § 45, S. 497.<br />
204 Vgl. aber I. Müller, Rechtsstaat <strong>und</strong> <strong>Strafverfahren</strong>, S. 2; Tönnies, ZRP 1990,<br />
S. 294; Jungfer, AnwBI. 1987, S. 76.<br />
205 v. Savigny, <strong>Die</strong> Prinzipienfrage in Beziehung auf eine neue Strafprocess-Ordnung,<br />
S.99 (zit. n. We. Schmid, <strong>Die</strong> Verwirkung <strong>von</strong> Verfahrensrügen, S. 320).<br />
206 Vgl. Bohnert, NStZ 1982, S. 8; Kindhäuser, NStZ 1987, S. 532.<br />
207 Vgl. auch We. Schmid, <strong>Die</strong> Verwirkung <strong>von</strong> Verfahrensrügen, S. 320; Hillenkamp,<br />
JR 1975, S. 134; NJW 1989, S. 2848 Fn. 81; Seebode, JR 1986, S. 477 f.; Puppe, NStZ<br />
1986, S. 406.<br />
Ein weiteres Beispiel für die Aktualität dieses Gedankens findet sich etwa in dem<br />
(handlungsanleitenden) Beitrag <strong>von</strong> (Staatsanwalt) Füllkrug, Krim 1987, S. 387 ff., in<br />
dem er darauf "hinweist", daß es praktisch keine Konsequenzen hat, wenn bei polizeilichen<br />
Untersuchungen die Gefahr im Verzug zu Unrecht angenommen wird (S. 389 f.).
76 2. Kap.: Schwierigkeiten der Beschleunigung <strong>von</strong> <strong>Strafverfahren</strong> B. Verfahrensbeschleunigung durch den Beschuldigten 77<br />
stellen keine näher in Betracht zu ziehende umfassende Alternative dar, sondern<br />
können höchstens flankieren. <strong>Die</strong> Rechtsfolgenbestimmung bleibt unabdingbar.<br />
Letzteres könnte allerdings dann in Frage zu stellen sein, wenn dem Beschuldigten<br />
Möglichkeiten eingeräumt sind, Verzögerungen seines Verfahrens entgegenzuwirken,<br />
also gewissermaßen seinen "Primäranspruch" auf Beschleunigung<br />
durchzusetzen. Hier geht es nicht (erst) um die Rechtsfolgen <strong>von</strong> Verzögerungen,<br />
sondern (schon) um deren Vermeidung. Sollte es einen praktikablen Rechtsbehelf<br />
geben, um Verzögerungen zu verhindern, so bliebe zwar, daß dieser regelmäßig<br />
erst dann greifen kann, wenn schon - erste - Verzögerungen eingetreten sind;<br />
abgesehen da<strong>von</strong> aber wäre in diesem Fall der Frage nach den Rechtsfolgen<br />
praktische Bedeutung genommen, als der Beschuldigte insoweit <strong>überlange</strong> Verfahrensdauer<br />
weitgehend vermeiden könnte. Sogar die theoretische Relevanz<br />
wäre eingeschränkt, sollte dem Beschuldigten gar auferlegt sein, sofern aus einer<br />
Verfahrensverzögerung Konsequenzen folgen sollen, sein Recht auf Förderung<br />
des Verfahrens bei <strong>von</strong> ihm feststellbaren Verzögerungen zuvor mit Entschiedenheit<br />
geltend zu machen.<br />
I. Obliegenheit des Beschuldigten?<br />
<strong>Die</strong> Auffassung, der Beschuldigte sei zum Ergreifen <strong>von</strong> Rechtsbehelfen verpflichtet,<br />
will er aus den Verzögerungen Rechtsfolgen herleiten, hat in einer<br />
vereinzelten Entscheidung das OLG Karlsruhe vertreten 208. Dem ist nicht nur<br />
schon kurz darauf das OLG Stuttgart entgegengetreten209, sondern auch ansonsten<br />
wird diese Auffassung entschieden abgelehnt 210, sofern nicht sogar mit Selbstverständlichkeit<br />
über sie hinweggegangen wird. <strong>Die</strong> Begründung hierfür liegt auf<br />
der Hand. Mangels Mitwirkungspflicht könne dem Beschuldigten im <strong>Strafverfahren</strong><br />
keine "Beschleunigungsobliegenheit" 211 auferlegt sein.<br />
Das OLG Karlsruhe beruft sich demgegenüber auf die Verfahrensgarantie bei<br />
Konventionsverletzungen des Art. 13 EMRK. Danach habe sich die EMRK als<br />
Rechtsfolge <strong>überlange</strong>r Verfahrensdauer für ein (nationales) Beschwerderecht<br />
entschieden 212. Nun ist diese Auffassung so unhaltbar. Es liegt die Verwechselung<br />
<strong>von</strong> Rechtsbehelf <strong>und</strong> Rechtsfolge vor. Art. 13 EMRK könnte allenfalls so interpretiert<br />
werden, daß er die Durchsetzbarkeit des materiellen Anspruchs aus<br />
Art. 6 I EMRK vor den nationalen Gerichten einschränkt. <strong>Die</strong>s scheitert jedoch<br />
208 OLG Karlsruhe, NJW 1972, S. 1907 (1908).<br />
209 OLG Stuttgart, JZ 1974, S. 268 (269).<br />
210 Vgl. etwa Miehsler / Vogler, IntKomm, Art. 6 Rn. 323; Schaupp-Haag, <strong>Die</strong> Erschöpfung<br />
des innerstaatlichen Rechtsweges, S. 36.<br />
211 Priebe, FS v. Simson, S. 304.<br />
212 OLG Karlsruhe, NJW 1972, S. 1907 (1908). Vgl. auch Schwenk, ZStW 79 (1967),<br />
S. 731 ff.<br />
daran, daß Art. 13 EMRK selbst ein konventionsgeschütztes Gr<strong>und</strong>recht auf<br />
Beschwerdemöglichkeit vor den nationalen Instanzen darstellt 2l3 • <strong>Die</strong> vorherige<br />
Einlegung einer Beschwerde spielt nur insofern eine Rolle, als Art. 26 EMRK<br />
für die Menschenrechtsbeschwerde zu den europäischen Organen zur Rechtswegerschöpfung<br />
die Beschwerdeeinlegung fordert, um dem völkergewohnheitsrechtlichen<br />
Anspruch des Staates, behauptete Menschenrechtsverletzungen selbst zu<br />
beseitigen, Rechnung zu tragen 214.<br />
Schwieriger wird es freilich, wenn man auf das BVerwG hinweist, das im<br />
Disziplinarverfahren gegen einen Beamten auf die - unterlassene - Anrufung<br />
des B<strong>und</strong>esdisziplinargerichts nach § 66 BDO abstellte 215. Auch das BVerfG<br />
erklärte eine wegen <strong>überlange</strong>r Verfahrensdauer angegriffene Disziplinarmaßnahme<br />
für verfassungsgemäß, weil "nicht unberücksichtigt" blieben könne, daß der<br />
Beschuldigte "die ihm im Gesetz eingeräumten Möglichkeiten" ungenutzt ließ216.<br />
Nun ist dem BVerfG schon Martin Hirsch in seinem Sondervotum mit dem<br />
Hinweis auf die mangelnde Mitwirkungspflicht im Amtsermittlungsverfahren<br />
entgegengetreten 217 • Aber selbst wenn man dem nicht folgte, zeigt sich, daß das<br />
deutsche Strafprozeßrecht, anders als das Beamtendisziplinarrecht mit § 66 BDO,<br />
nicht über praktikable Rechtsbehelfe gegen Verzögerungen verfügt.<br />
11. Befugnis des Beschuldigten<br />
1. Anträge (i. w. S.) an das verzögernde Organ<br />
a) Antrag <strong>und</strong> Gegenvorstellung<br />
Der Beschuldigte hat bei Verzögerungen zwar in jedem Verfahrensstadium<br />
die - selbstverständliche - Befugnis, einen Antrag auf Verfahrensbeschleunigung<br />
(genauer gesagt: "Anregung zum gesetzmäßigen Handeln" 218) an das verzögernde<br />
Strafverfolgungsorgan zu stellen 219. Zudem besteht die Möglichkeit der<br />
Gegenvorstellung, also der Aufforderung an die Stelle, die die (verzögernde)<br />
Entscheidung erlassen hat, diese <strong>von</strong> Amts wegen aufzuheben oder abzuändern 220.<br />
213 Matscher, FS Kralik, S. 265.<br />
214 Guradze, EMRK, Art. 26 Anm. 1; Frowein / Peukert, EMRK, Art. 26 Rn. 1; Ulsamer,<br />
FS Zeidler, S. 1813 f.<br />
215 BVerwGE 46, S. 122 (124).<br />
216 BVerfGE 46, S. 17 (30).<br />
217 BVerfGE (Abweichende Meinung) 46, S. 31 (32 f.).<br />
218 Vgl. BVerfGE 16, S. 119 (122).<br />
219 Vgl. BGHSt 35, S. 137 (138).<br />
220 BGH, VersR 1982, S. 598; Frisch in SK StPO, vor § 296 Rn. 32; W. Gollwitzer<br />
in LR24, vor § 296 Rn. 8; Kleinknecht / Meyer, StP039, vor § 296 Rn. 23; Albers in<br />
Baumbach / Lauterbach 48 , vor § 567 Anm. 1 C; Woesner, NJW 1960, S. 2130; Bauer,<br />
<strong>Die</strong> Gegenvorstellung im Zivilprozeß, S. 21; E. Schumann, FS Baumgärtel, S. 492.
78 2. Kap.: Schwierigkeiten der Beschleunigung <strong>von</strong> <strong>Strafverfahren</strong> B. Verfahrensbeschleunigung durch den Beschuldigten 79<br />
Nun sind die Erfolgsaussichten, hierdurch tatsächlich Verzögerungen entgegenzuwirken,<br />
wohl eher skeptisch zu beurteilen. Allerdings könnten sie - was bisher<br />
nicht näher untersucht worden ist - als Instrumentarium zumindest gegen richterliche<br />
Verzögerungen dergestalt nutzbar gemacht werden, daß sie quasi nur als<br />
"Vorverfahren" eingesetzt werden: Da bei Anträgen (vgl. § 34 StPO) <strong>und</strong> nach<br />
herrschender Meinung auch bei Gegenvorstellungen 221 ein Anspruch auf Prüfung<br />
<strong>und</strong> Verbescheidung besteht, kann im Falle der Nichtbescheidung oder rechtsfehlerhaften<br />
Bescheidung der Weg zur Richterablehnung eröffnet sein.<br />
b) Ablehnungsgesuch wegen Befangenheit<br />
aa) Verfahrensverzögerung<br />
Der einzige Ablehnungsgr<strong>und</strong> des § 24 StPO ist - abgesehen vom Ausschluß<br />
nach §§ 22, 23 StPO - das "Mißtrauen gegen die Unparteilichkeit eines Richters",<br />
§ 24 11 StPO. Es geht nicht um den Ablehnungsgr<strong>und</strong> der Verzögerung 222,<br />
sondern darum, ob durch die verzögerte Verfahrensweise ein Indiz für die parteiliche<br />
Einstellung des Richters gegeben ist 223 . Konsequenz dieser nur mittelbaren<br />
Relevanz der Verzögerungen ist eine gewisse Widersprüchlichkeit insofern, als<br />
ein durch sie initiiertes Ablehnungsgesuch (zunächst) weitere Verfahrensverzögerungen<br />
hervorruft 224. Schon dies stellt die Eignung dieses Rechtsinstituts bei<br />
Verzögerungen in Frage.<br />
Rechtsfehler des Richters können an sich kein Ablehnungsrecht auslösen. Sie<br />
sind nicht im Ablehnungsverfahren, sondern im Rechtsmittelverfahren zu überprüfen<br />
225. Allerdings wird betont, daß im Falle "grober Rechtsfehler" 226 oder bei<br />
einem "massiven Verstoß"227 ein Befangenheitsgesuch begründet sein könnte,<br />
wenn die Rechtsauffassung des abgelehnten Richters "nicht mehr hingenommen<br />
werden kann" 228, "rechtlich im Ergebnis völlig unhaltbar" sei 229 oder "den An-<br />
221 Kleinknecht / Meyer, StP039, vor § 296 Rn. 26; Frisch in SK StPO, vor § 296<br />
Rn. 35; W. Gollwitzer in LR24, vor § 296 Rn. 9; Schwentker, Der Ausschluß der Beschwerde<br />
nach § 305 StPO, S. 154; Woesner, NJW 1960, S. 2132; a.A. Ruß in KK<br />
StP02, vor § 296 Rn. 4; Paulus in KMR, vor § 296 Rn. 30.<br />
222 So aber etwa Bay. StGB <strong>von</strong> 1813, Teil II Art. 33 Nr. 5, wonach ein Ablehnungsrecht<br />
besteht, wenn sich der Richter einer "auffallenden Verzögerung ... schuldig oder<br />
verdächtig gemacht hat".<br />
223 BGH, NJW 1952, S. 1425 (1426), Arzt, Der befangene Strafrichter, S. 99; Schairer,<br />
Der befangene Staatsanwalt, S. 130 ff.; Bohnert, Beschränkungen der strafprozessualen<br />
Revision durch Zwischenverfahren, S. 78 f.<br />
224 Vgl. dazu Arzt, Der befangene Strafrichter, S. 6; 98 (mit entstellendem Druckfehler);<br />
Hillenkamp, JR 1975, S. 139.<br />
225 Wassermann in AK StPO, § 24 Rn. 16.<br />
226 Pfeiffer in KK StP02, § 24 Rn. 37.<br />
227 BGH, StV 1985, S. 2 (3).<br />
228 BGH, StV 1984, S. 99 (101).<br />
schein der Willkür erweckt" 230. <strong>Die</strong>se Rechtsprechung durchbricht jedoch nicht<br />
den Gr<strong>und</strong>satz, daß nur der Anschein der Unparteilichkeit die Ablehnung begründen<br />
könnte. Vielmehr wird auch in diesen Fällen konsequent an dem Kriterium<br />
des "Mißtrauens gegen die Unparteilichkeit" festgehalten. Denn bei schwersten<br />
Rechtsverletzungen durch den Richter kann der verständige Beschuldigte die<br />
Befürchtung hegen, der Rechtsverstoß könnte auf der Parteilichkeit ihm gegenüber<br />
fußen, weil ein solch eklatanter Rechtsverstoß einem Richter nicht einfach<br />
bloß unterlaufen dürfte. Als Erklärung <strong>von</strong> groben Fehlern bietet sich für den<br />
verständigen Beschuldigten also neben dem Rechtsirrtum der gegen ihn gerichtete<br />
Rechtsbruch an. <strong>Die</strong>se Indizkonstruktion hat besonders deutlich das BayObLG<br />
zum Ausdruck gebracht, wenn es formuliert, daß schwerste Verfahrensfehler<br />
unabhängig <strong>von</strong> ihren tatsächlichen Gründen den für die Ablehnung hinreichenden<br />
Verdacht erwecken können, ursächlich sei die parteiliche Einstellung des<br />
Richters oder seine Voreingenommenheit in der Sache 231.<br />
<strong>Die</strong>se Interpretation wird auch <strong>von</strong> der ZPO gestützt. § 42 11 ZPO läßt die<br />
Richterablehnung wortgleich mit § 24 11 StPO nur für den Fall des "Mißtrauens<br />
gegen die Unparteilichkeit" des Richters zu. § 1032 I ZPO bestimmt, daß ein<br />
Schiedsrichter "aus denselben Gründen <strong>und</strong> unter denselben Voraussetzungen"<br />
abgelehnt werden kann. Weiter heißt es in § 103211 ZPO: "<strong>Die</strong> Ablehnung kann<br />
außerdem erfolgen, wenn ein ... Schiedsrichter die Erfüllung seiner Pflichten<br />
ungebührlich verzögert." Demzufolge dürfte auf § 1032 11 ZPO - entgegen<br />
Arzt 232 - die Zulässigkeit der Verfahrensverzögerung als Ablehnungsgr<strong>und</strong> im<br />
<strong>Strafverfahren</strong> kaum gestützt werden können. Im Gegenteil scheint der Umkehrschluß<br />
zulässig, daß Verfahrensverzögerungen jedenfalls nach dem Willen des<br />
Gesetzgebers gerade nicht die Befangenheit des Richters begründen können<br />
sollen. Im übrigen dürfte im Verwaltungs- oderZivilprozeß die Sorge des verständigen<br />
Klägers, der Richter könnte aus Parteilichkeit für den Beklagten den Prozeß<br />
verzögern, um dadurch den <strong>von</strong> ihm angefochtenen Status quo aufrechtzuerhalten<br />
233, näher liegen als ein Verdacht des verständigen, durch die Unschuldsvermutung<br />
vor Rechtsfolgen (allerdings nicht vor verfahrenssichernden Maßnahmen<br />
<strong>und</strong> Belastungen) geschützten Beschuldigten, der Richter wolle ihm durch Verzögerung<br />
des gegen ihn gerichteten <strong>Strafverfahren</strong>s schaden.<br />
229 OLG Koblenz, GA 1977, S. 314 (315); ähnlich BGH, NStZ 1984, S. 419 (420).<br />
Siehe jetzt auch OLG Köln, StV 1991, S. 292.<br />
230 BayObLG, DRiZ 1977, S.244 (245); ähnlich BGH, NStZ 1984, S.419 (420);<br />
StV 1990, S. 241.<br />
231 BayObLG, DRiZ 1977, S. 244 (245); ähnlich Tolksdorf, Mitwirkungsverbot für<br />
den befangenen Staatsanwalt, S. 111; Strate, FG L. Koch, S. 274 f. Vgl. auch BGH, StV<br />
1985, S. 2 (3); OLG Zweibrücken, MDR 1982, S. 940.<br />
232 Arzt, Der befangene Strafrichter, S. 97.<br />
233 Vgl. J. Blomeyer, NJW 1977, S. 558. Umgekehrt bei einstweiligem Rechtsschutz,<br />
vgl. Priebe, FS v. Simson, S. 302.
80 2. Kap.: Schwierigkeiten der Beschleunigung <strong>von</strong> <strong>Strafverfahren</strong> B. Verfahrensbeschleunigung durch den Beschuldigten 81<br />
Allerdings hat Arztdie Ansicht vertreten, daß es darüber hinaus auch Rechtsverletzungen<br />
gebe, die ohne weiteres, also ohne daß sie Indizfunktion für die parteiliche<br />
Haltung des Richters haben, zur Ablehnung berechtigen können 234. Hier<br />
würde also nicht nur vennutet, sondern gewissennaßen fingiert, daß die Rechtsverletzung<br />
auf Parteilichkeit beruhe. Eine Erweiterung der Ablehnungsgründe<br />
sei dann erforderlich, wenn es sich um schwerwiegende Rechtsverletzungen<br />
handelt, gegen die der Beschuldigte sich jedoch mit der Revision nicht genügend<br />
zur Wehr setzen kann. Ablehnungsgr<strong>und</strong> sei hier eine (andere) schwere Störung<br />
des Vertrauensverhältnisses zwischen Beschuldigtem <strong>und</strong> Richter.<br />
Selbst wenn man prinzipiell Arzt insoweit folgte, zeigt sich doch, daß jedenfalls<br />
Verfahrensverzögerungen sich in diese Kategorie nicht einordnen lassen. Zwar<br />
ist die Schwierigkeit, Verfahrensverzögerungen revisionsrechtlich zu rügen,<br />
zweifelsohne gegeben 235 ; das Kriterium der schwerwiegenden Rechtsverletzung<br />
haftet Verfahrensverzögerungen - entgegen Arzt 236 - jedoch nicht per se an.<br />
So wäre man auch hier gezwungen, innerhalb <strong>von</strong> Verfahrensverzögerungen<br />
qualitativ zu unterscheiden, wie es im Rahmen der Indizkonstruktion erforderlich<br />
ist. Demzufolge erscheint es zweifelhaft, warum gerade bei dem Rechtsfehler<br />
Verfahrensverzögerung genau für die Fälle ein Systembruch erfolgen soll, bei<br />
denen die Befangenheit indiziert werden kann. Zumindest bei eindeutig unvertretbaren,<br />
erheblichen <strong>und</strong> vorwerfbaren Verfahrensverzögerungen dürfte auch auf<br />
Gr<strong>und</strong>lage der Indizkonstruktion die Befangenheit sehr nahe liegen 237.<br />
Allerdings bleibt als Gegeneinwand aufrechtzuerhalten, daß auf Gr<strong>und</strong>lage<br />
der Indizkonstruktion Nonnverstoß <strong>und</strong> Ablehnungsgr<strong>und</strong> sowohl konstruktiv<br />
verschieden als auch prozessual auseinanderzuhalten sind 238, oder anders ausgedrückt:<br />
Zwar mag bei Verfahrensverzögerungen das Befangenheitsrecht praktikabel<br />
gemacht werden können; ein "gegen" Verzögerungen gerichtetes prozessuales<br />
Mittel stellt es jedoch nicht dar.<br />
bb) Nicht- oder Falschbescheidung<br />
Auf der Gr<strong>und</strong>lage der Indizkonstruktion dürfte Weitergehendes dann gelten,<br />
wenn der Beschuldigte sich mit seinem Ablehnungsgesuch nicht gegen die Verfahrensverzögerungen<br />
an sich wendet, sondern gegen die Untätigkeit des Gerichts,<br />
nachdem er im Hinblick auf das Beschleunigungsprinzip die Verfahrens-<br />
fortführung oder die Unterlassung verzögernder Maßnahmen beantragt (oder<br />
Gegenvorstellung erhoben) hat.<br />
Das OLG Hamm hat sich zu § 42 ZPO mit der Möglichkeit der Ablehnung<br />
wegen Befangenheit in einem Fall beschäftigt, in dem der Vorsitzende an ihn<br />
gerichtete Erinnerungsschreiben einer Partei nicht beantwortet hatte <strong>und</strong> für die<br />
Partei nicht ersichtlich war, worauf die Verzögerung beruhte 239 • Es hat in diesem<br />
Fall das Gesuch für begründet erachtet. <strong>Die</strong>se Entscheidung ist richtig. Sie paßt<br />
nahtlos in das System des Ablehnungsrechts. Anders als bei bloßen Verfahrensverzögerungen,<br />
die auf Nachlässigkeiten beruhen <strong>und</strong> eine bloß abstrakte Pflicht<br />
zum zügigen Handeln, die nicht z. B. durch konkrete Fristen präzisiert wird 240,<br />
verletzen, kann ein verständiger Beschuldigter Sorge um die Unparteilichkeit<br />
des Richters dann haben, wenn er sich ausdrücklich gegen bestimmte Verzögerungen<br />
wendet <strong>und</strong> die schleunige Fortführung des Verfahrens begehrt, insoweit<br />
jedoch nicht einmal beschieden wird. Dem Richter verbleibt die Möglichkeit, in<br />
seiner dienstlichen Äußerung diesen Verdacht zu entkräften 241.<br />
Wird ein entsprechendes Begehren dagegen (ablehnend) beschieden, so kann<br />
Befangenheit dann zu besorgen sein, wenn die Begründung - ggf. im Zusammenhang<br />
mit der dienstlichen Erklärung des abgelehnten Richters - erkennen läßt,<br />
daß die Verfahrensverzögerungen auf einer nicht mehr hinnehmbaren Verkennung<br />
des Beschleunigungsprinzips beruhen. Denn dann liegt ein Rechtsfehler<br />
solcher Qualität vor, daß der verständige Beschuldigte an einem bloßen Irrtum<br />
des Richters zweifeln darf. Gleiches würde natürlich dann gelten, wenn die<br />
Begründung unzutreffende Ausführungen enthielte, um einen Verstoß gegen das<br />
Beschleunigungsprinzip zu kaschieren. Hierbei käme es weniger auf die Erheblichkeit<br />
der Verzögerung als auf den (indizierten) inneren Beweggr<strong>und</strong> des Richters<br />
an.<br />
Bei Ablehnung solcher Befangenheitsgesuche könnte die Revision auf § 338<br />
Nr. 3 StPO gestützt werden mit der Folge, daß die Verfahrensverzögerung zu<br />
einem absoluten Revisionsgr<strong>und</strong> wird, freilich auch mit dem Nachteil, daß in<br />
diesem Fall das verzögerte <strong>und</strong> zudem unnütze Verfahren bis zu der aufzuhebenden<br />
Entscheidung durchgeführt werden müßte 242.<br />
234 Arzt, Der befangene Strafrichter, S. 96 ff.<br />
235 So auch Bruns, NStZ 1985, S. 565; Arzt, der befangene Strafrichter, S. 97.<br />
236 Arzt, Der befangene Strafrichter, S. 14.<br />
237 So Hartmann in Baumbach / Lauterbach 48 , § 42 Anm. 2 B; ähnlich Strate, FG L.<br />
Koch, S.27<strong>3.</strong> Vg!. auch BGH, NJW 1952, S. 1425 (1426); Schairer, Der befangene<br />
Staatsanwalt, S. 13<strong>3.</strong><br />
238 Bohnert, Beschränkungen der strafprozessualen Revision durch Zwischenverfahren,<br />
S. 79; zustimmend Erker, Das Beanstandungsrecht gern. § 23811 StPO, S. 126 Fn. 80.<br />
239 OLG Hamm, JMB!. NW 1976, S. 111; zustimmend Hartmann in Baumbach /<br />
Lauterbach 48 , § 42 Anm. 2 B.<br />
240 Vg!. BGH, NJW 1952, S. 1425 (1426); Schairer, Der befangene Staatsanwalt,<br />
S.13<strong>3.</strong><br />
241 Vg!. Strate, FG L. Koch, S. 275.<br />
242 Vg!. Arzt, Der befangene Strafrichter, S. 1<strong>3.</strong><br />
6 Scheffle,
.._-_..._--~-----------<br />
82 2. Kap.: Schwierigkeiten der Beschleunigung <strong>von</strong> <strong>Strafverfahren</strong> B. Verfahrensbeschleunigung durch den Beschuldigten 83<br />
2. Rechtsbehelfe (i. w. S.)<br />
a) Beschwerde, § 304 StPO<br />
Das prinzipielle Problem <strong>von</strong> Berufung <strong>und</strong> Revision bei Verfahrensverzögerungen,<br />
daß sie eine Entscheidung des Instanzengerichts voraussetzen, um deren<br />
nicht rechtzeitiges Erlassen es gerade geht 24 3, ließe sich durch die Einräumung<br />
einer Beschwerdemöglichkeit vermeiden. Es ist jedoch zweifelhaft, ob die Beschwerde<br />
gemäß § 304 StPO als praktikabler Rechtsbehelf genutzt werden kann.<br />
Zwar ist sie gr<strong>und</strong>sätzlich gegen richterliche Beschlüsse oder Verfügungen des<br />
Vorsitzenden zulässig. Weiterhin ist sie nach herrschender Ansicht auch gegen<br />
unterlassene Entscheidungen statthaft 244; dies setzt allerdings voraus, daß in dem<br />
Unterlassen eine Stellungnahme im Sinne einer stillschweigenden Ablehnung<br />
zum Ausdruck kommt245. <strong>Die</strong>s mag zwar bei beschlußmäßiger Versagung der<br />
Entscheidung der Fall sein 246, ist aber ansonsten schwer vorstellbar. Reine Untätigkeiten<br />
an sich fallen jedenfalls nicht darunter 247 ; auch eine Beschwerde "gegen<br />
die stillschweigende Entscheidung", daß das erkennende Gericht "nicht entscheiden<br />
will", ist unzulässig 248 • Schon gr<strong>und</strong>sätzlich ist damit die Verfahrensbeschwerde<br />
nur bei verzögernden Prozeßhandlungen <strong>und</strong> gegen die Ablehnung <strong>von</strong><br />
auf die Beschleunigung zielenden Anträgen denkbar.<br />
Als weitere Hürde stellt sich § 305 Satz 1 StPO dar, der die Beschwerde gegen<br />
Entscheidungen des erkennenden Gerichts einschränkt 249 : Nach Eröffnung bleibt<br />
eine Beschwerde nur noch dann möglich, wenn etwa eine Aussetzung nicht<br />
ausschließlich dazu bestimmt <strong>und</strong> geeignet ist, die Urteilsfällung vorzubereiten,<br />
diese also das Verfahren unnötig verzögert 250, oder der Vorsitzende den Verhandlungstermin<br />
so weit hinausschiebt, daß es einer Aussetzung des Verfahrens gleich-<br />
243 Vg!. allgemein Papier, HdB Staatsrecht VI, § 153 Rn. 2<strong>3.</strong><br />
244 OLG Nümberg, HESt 2, S. 152; BayObLG, NJW 1958, S. 1693; KG, GA 1978,<br />
S.81 (82); OLG Hamm, JMB!. NW 1981, S.69 (70); W. Gollwitzer in LR24, § 304<br />
Rn. 8; Engelhardt in KK StP02, § 304 Rn. 3; Ellers~~k, <strong>Die</strong> Beschwerde im Strafprozeß,<br />
S. 65. Siehe auch hierzu (<strong>und</strong> zum folgenden) in Ubereinstimmung mit dem Text LG<br />
Stuttgart, NStZ 1991, S. 204.<br />
245 OLG Nürnberg, HESt 2, S. 152; Paulus in KMR, § 304 Rn. 1; Kleinknecht / Meyer,<br />
StP039, § 309 Rn. 5; Ellersiek, <strong>Die</strong> Beschwerde im Strafprozeß, S. 65; Erker, Das Beanstandungsrecht<br />
gern. § 238 II StPO, S. 69.<br />
246 Paulus in KMR, § 304 Rn. 1.<br />
247 OLG Hamm, JMB!. NW 1981, S. 69 (70); vg!. auch RGSt 19, S. 333 (337 f.).<br />
248 Vg!. BFH, JZ 1963, S. 261; Hummer, Justizgewährung <strong>und</strong> Justizverweigerung<br />
in verfassungsrechtlicher Sicht, S. 142.<br />
249 Kritisch dazu Bohnert, GA 1982, S. 169 f.; Paulus, NStZ 1985, S. 520 f.<br />
250 OLG Frankfurt, NJW 1966, S. 992; KG, JR 1966, S. 230; OLG Stuttgart, NJW<br />
1973, S. 2309 (2310); OLG Karlsruhe, GA 1974, S. 285; NStZ 1985, S. 227; W. Gollwitzer<br />
in LR24, § 305 Rn. 17; Engelhardt in KK StP02, § 305 Rn. 9; Paulus in KMR, § 305<br />
Rn. 12; Kleinknecht, JR 1966, S. 231; weitergehend Giesler, Der Ausschluß der Beschwerde,<br />
S. 116 f. Ausführlich Schwentker, Der Ausschluß der Beschwerde nach § 305<br />
StPO, S. 186 ff.<br />
kommt 251 • Möglich ist also die Beschwerde nach Eröffnung nur bei Entscheidungen,<br />
die nicht bloß das Verfahren unzulänglich fördern, sondern die den Erlaß<br />
des Urteils regelrecht hemmen <strong>und</strong> hindern <strong>und</strong> insofern mit der Urteilsfällung<br />
in keinem inneren Zusammenhang stehen: Nur bei überflüssigem Prozeßhandeln<br />
ist die Beschwerde überhaupt denkbar. Freilich würde die allgemeine Anerkennung<br />
der Beschwerdemöglichkeit bei der Behauptung verzögernder Maßnahmen<br />
gegen Sinn <strong>und</strong> Zweck <strong>von</strong> § 305 StPO verstoßen, der gerade Verzögerungen<br />
durch die Unanfechtbarkeit vorbereitender Entscheidungen verhindern will 252.<br />
Demzufolge kann eine Beschwerde nur zulässig sein, wenn die Entscheidung<br />
des Gerichts <strong>von</strong> vornherein ungeeignet ist, die Urteilsfällung vorzubereiten 25<strong>3.</strong><br />
Der Beschuldigte kann also nicht etwa eine Aussetzung zur Heranschaffung eines<br />
Beweismittels mit der Behauptung anfechten, daß die Beweisfragen für das Urteil<br />
unerheblich seien 254.<br />
Noch ungünstiger sieht es für die Beschwerde gegen Entscheidungen im Eröffnungsverfahren<br />
aus. Hier sind die Entscheidungen des Gerichts nach §§ 201,<br />
202 StPO <strong>von</strong> der Beschwerde ausgenommen. Gleiches gilt gemäß § 210 I StPO<br />
für den Eröffnungsbeschluß; gleichzeitige Entscheidungen gelten schon als Entscheidungen<br />
des erkennenden Gerichts 255 • Soweit eine unterbliebene Entscheidung<br />
nicht beschwerdefähig wäre, kann auch deren Nichterlaß nicht mit der<br />
Beschwerde angegangen werden 256.<br />
Nach Urteilsfällung verwehrt § 305 StPO nicht mehr die Beschwerde. <strong>Die</strong>se<br />
wäre also insoweit in Fällen, in denen Verzögerungen durch das erkennende<br />
Gericht nach Verurteilung geschehen, zulässig, sofern man in der Unterlassung<br />
eine stillschweigende Ablehnung sehen kann. Anderes mag dann gelten, wenn<br />
Revision gegen das Urteil eingelegt ist <strong>und</strong> über die Verzögerung ohnehin vom<br />
Rechtsmittelgericht zu entscheiden ist 257, was vor allem bei einer Verletzung der<br />
Urteilsabsetzungsfrist in § 275 I StPO relevant werden kann, aber auch im Bereich<br />
<strong>von</strong> § 347 StPO angenommen werden könnte 258 •<br />
Ob dieses unbefriedigende Zwischenergebnis nun ein gewichtiges Argument<br />
dafür darstellt, die Einführung einer Untätigkeitsbeschwerde gegen den Richter<br />
251 BayObLG, DJZ 1917, Sp. 248; OLG Nürnberg, OLGSt (alt) § 305 StPO, S. 15;<br />
LG Hildesheim, NStZ 1988, S.569; W. Gollwitzer in LR24, § 305 Rn. 16; Engelhardt<br />
in KK StP02, § 305 Rn. 6.<br />
252 Vg!. Eb. Schmidt, Lehrkomm. II, § 305 Rn. 1; Häsemeyer, FS Michaelis, S. 149.<br />
253 OLG Braunschweig, NJW 1955, S. 565; OLG Stuttgart, NJW 1973, S. 2309 (2310);<br />
Engelhardt in KK StP02, § 305 Rn. 9.<br />
254 Vg!. Häsemeyer, FS Michaelis, S. 149; unklar KG, JR 1966, S. 230 (231).<br />
255 BayObLGSt 1955, S. 113 (114); Engelhardt in KK StP02, § 305 Rn. 2; Giesler,<br />
Der Ausschluß der Beschwerde, S. 120.<br />
256 BayObLG, NJW 1958, S. 1693 (1694); OLG Hamm, JMB!. NW 1981, S. 69 (70);<br />
Engelhardt in KK StPO', § 304 Rn. <strong>3.</strong><br />
257 Vg!. W. Gollwitzer in LR'4, § 304 Rn. 3<strong>3.</strong><br />
258 BayObLG, StV 1989, S. 394 (395); vg!. auch BGHSt 35, S. 137.<br />
6*
84 2. Kap.: Schwierigkeiten der Beschleunigung <strong>von</strong> <strong>Strafverfahren</strong> B. Verfahrensbeschleunigung durch den Beschuldigten 85<br />
zu befürworten, ist zurückhaltend zu beurteilen. Zwar kennt das geltende Recht<br />
eine Untätigkeitsklage aufdas dreimonatige Unterlassen <strong>von</strong> Verwaltungshandeln<br />
hin in §§ 27 EGGVG, 75 VwGO, 113 StVollzG, auf das einjährige Unterlassen<br />
hin in § 216 BEG. Im Beamtendisziplinarrecht kann der Beamte gemäß § 66<br />
BDO nach Ablauf <strong>von</strong> sechs Monaten seit Verfahrenseinleitung ohne Vorlage<br />
der Anschuldigungsschrift (bzw. Verfahrenseinstellung) die Entscheidung des<br />
B<strong>und</strong>esdisziplinargerichts beantragen.<br />
<strong>Die</strong> Einführung einer solchen Untätigkeitsbeschwerde ist insbesondere <strong>von</strong><br />
Häsemeyer diskutiert worden 259 • Danach könnte nach Ablauf einer bestimmten,<br />
festgelegten Untätigkeitsfrist das Beschwerdegericht eingeschaltet werden. Bei<br />
begründeter Beschwerde sieht Häsemeyer drei Möglichkeiten: Zunächst wäre an<br />
eine Anweisung an den Erstrichter zu denken 260; hier dürfte fraglich erscheinen,<br />
inwieweit dieses Verfahren tatsächlich Erfolg verspricht. Als zweites sieht Häsemeyer<br />
die Möglichkeit der Überleitung des Verfahrens in die Rechtsmittelinstanz,<br />
was jedoch den Verlust einer Instanz zur Folge hätte. Demzufolge schlägt Häsemeyer<br />
entsprechend dem Befangenheitsrecht die Verweisung an den zur Vertretung<br />
berufenen Richter bzw. die entsprechende Spruchkammer vor.<br />
Eine solche Untätigkeitsbeschwerde wäre unter zwei Gesichtspunkten unbefriedigend:<br />
Zum einen könnte auch hier wegen des Gr<strong>und</strong>gedankens <strong>von</strong> § 305<br />
Satz 1 StPO nur die schlichte Untätigkeit, verzögerndes Handeln lediglich in<br />
den erwähnten Ausnahmefällen gerügt werden 261. Zum anderen wäre die Festlegung<br />
einer bestimmten Frist, etwa der Dreimonatsfrist, nicht geeignet, Verzögerungen<br />
Einhalt zu bieten262: Bei einer kürzeren Frist bestünde die Gefahr, daß<br />
auf den Richter ein unzumutbarer <strong>und</strong> sachwidriger Entscheidungszwang ausgeübt<br />
wird 26<strong>3.</strong> Bei Festlegung einer längeren Frist <strong>von</strong> z. B. drei Monaten aber<br />
könnte sich die Untätigkeitsbeschwerde gerade bei hartnäckiger Verzögerung als<br />
zu stumpfes Schwert erweisen, weil durch jede noch so ungeeignete Tätigkeit,<br />
sofern sie sich nicht nur als bloßer Rechtsrnißbrauch, als Scheinmaßnahme darstellt,<br />
die Frist <strong>von</strong> vorne laufen würde. Legte man aber keine Frist fest, sondern<br />
würde man, wie Kissel es für das FGG-Verfahren vorschlug 264, nur <strong>von</strong> der<br />
Angemessenheit der Frist sprechen, so bedeutete dies die Vermengung mit dienstaufsichtsrechtlichen<br />
Fragen 265, was, wie noch zu zeigen sein wird, besonders im<br />
Bereich richterlicher Tätigkeit nicht angängig ist.<br />
259 Häsemeyer, FS Michaelis, S. 143 ff.; vgl. auch Echterhölter, JZ 1956, S. 146.<br />
260 Vgl. dazu Kleinknecht, StP035, § 309 Rn. 4: Das Beschwerdegericht könne, vgl.<br />
§ 28 II EGGVG, § 115 II StVollzG, die Verpflichtung des zuständigen Richters aussprechen,<br />
den Beschwerdeführer in bestimmter Weise zu bescheiden, wenn die Unterlassung<br />
rechtswidrig war <strong>und</strong> die Sache entscheidungsreif ist; dagegen ausdrücklich OLG Hamm,<br />
JMBl. NW 1981, S. 69 (70 f.). Siehe jetzt auch LG Stuttgart, NStZ 1991, S. 204.<br />
261 Vgl. Häsemeyer, FS Michaelis, S. 149.<br />
262 Vgl. auch oben, AlL<br />
263 So auch Häsemeyer, FS Michaelis, S. 146.<br />
264 Kissel, ZZP 69 (1951), S. 16; vgl. auch Küng-Hofer, Beschleunigung, S. 126.<br />
b) Antrag auf gerichtliche Entscheidung, §§ 23 ff. EGGVG<br />
Kohlmann hat die Ansicht vertreten, bei Verzögerungen der Staatsanwaltschaft<br />
im Vorverfahren sei der Anspruch auf schnelle Durchführung des Ermittlungsverfahrens<br />
aufgr<strong>und</strong> <strong>von</strong> Art. 19 IV GG vor den ordentlichen Gerichten einklagbar,<br />
was gemäß §§ 23 ff. EGGVG zu geschehen habe 266. Zwar sei die Ermittlungstätigkeit<br />
als solche kein Verwaltungshandeln; der Beschuldigte könne jedoch einen<br />
Antrag auf Beendigung des Ermittlungsverfahrens stellen, was ein Justizverwaltungsakt<br />
sei. Der Rechtsweg könne dann beschritten werden, wenn entweder die<br />
Staatsanwaltschaft den Antrag ablehnte - § 23 11 EGGVG - oder ihn binnen<br />
drei Monaten nicht bescheide - § 27 EGGVG. Als dogmatisches Problem sieht<br />
Kohlmann lediglich, daß entgegen dem Wortlaut <strong>von</strong> § 23 11 EGGVG der Beschuldigte<br />
nicht den Erlaß eines bestimmten, sondern eines VOn zwei möglichen<br />
Verwaltungsakten, nämlich entweder die Einstellung (§ 170 11 StPO) oder den<br />
Vermerk des Abschlusses der Ermittlungen nach § 169a I StPO begehren muß.<br />
Im Ergebnis besteht demgegenüber in Literatur <strong>und</strong> Rechtsprechung Einigkeit,<br />
daß der Rechtsweg nach §§ 23 ff. EGGVG nicht gangbar ist. Zum einen wird<br />
<strong>von</strong> der oberlandesgerichtlichen Rechtsprechung <strong>und</strong> einem Teil der Literatur<br />
die Auffassung vertreten, daß die staatsanwaltschaftliche Tätigkeit im Ermittlungsverfahren<br />
nicht Justizverwaltungshandeln sei, sondern Prozeßhandlungen<br />
vorlägen, die nur der richterlichen Kontrolle im <strong>Strafverfahren</strong> selbst unterstellt<br />
seien 267 • Zum anderen hebt eine Ansicht im Schrifttum darauf ab, daß lediglich<br />
unanfechtbare, weil unselbständige Einzelrnaßnahmen vorlägen 268 • Hingewiesen<br />
wird auf § 62 I Satz 2 OWiG, wonach die Anrufung des Strafrichters gegen<br />
Maßnahmen der Verwaltungsbehörden als Verfolgungsbehörde im Bußgeldverfahren<br />
wegen Ordnungswidrigkeiten ausgeschlossen ist bei Maßnahmen, die nur<br />
zur Vorbereitung der Entscheidung getroffen werden, ob ein Bußgeldbescheid<br />
erlassen oder das Verfahren eingestellt wird, <strong>und</strong> die keine selbständige Bedeutung<br />
haben 269.<br />
Rieß sieht es als eine sek<strong>und</strong>äre Frage an, wie man die Nichtanwendbarkeit<br />
der §§ 23 ff. EGGVG auf die Führung des staatsanwaltschaftlichen Ermittlungs-<br />
265 Vgl. Häsemeyer, FS Michaelis, S. 145 f. Siehe jetzt auch LG Stuttgart, NStZ<br />
1991, S. 204.<br />
266 Kohlmann, FS Maurach, S. 514 f.<br />
267 OLG Karlsruhe, NJW 1976, S. 1418; Justiz 1980, S. 94; NStZ 1982, S. 434; OLG<br />
Hamm, NStZ 1983, S. 38; OLG Stuttgart, Justiz 1987, S. 199; Kissel in KK StP0 2 , § 23<br />
EGGVG Rn. 32; Altenhain, DRiZ 1970, S. 106; Bottke, StV 1986, S. 121; 123; dagegen<br />
etwa Schenke, NJW 1976, S. 1817 ff.; Frisch in SK StPO, vor § 296 Rn. 1<strong>3.</strong><br />
268 Vgl. etwa K. Meyer, FS K. Schäfer, S. 121 ff.; Kleinknecht / Meyer, StP039, § 23<br />
EGGVG Rn. 9; K. Schäfer in LR2J, § 23 EGGVG Rn. 38 f.; Katholnigg, Strafgerichtsverfassungsrecht,<br />
§ 23 EGGVG Rn. 14.<br />
269 OLG Karlsruhe, NStZ 1982, S.434 (435); K. Schäfer in LR2J, § 23 EGGVG<br />
Rn. 38; RieB, NStZ 1982, S. 436.
86 2. Kap.: Schwierigkeiten der Beschleunigung <strong>von</strong> <strong>Strafverfahren</strong> B. Verfahrensbeschleunigung durch den Beschuldigten 87<br />
verfahrens insgesamt dogmatisch begründet 270. Es sei entscheidend, daß die<br />
Bejahung der Zulässigkeit des Rechtswegs nach §§ 23 ff. EGGVG bei Verzögerungen<br />
durch die Staatsanwaltschaft im Ermittlungsverfahren die Gr<strong>und</strong>strukturen<br />
des <strong>Strafverfahren</strong>s aus den Angeln heben <strong>und</strong> die gr<strong>und</strong>sätzliche Rollenverteilung<br />
im Strafprozeß in Frage stellen würde 271 : Nicht die Staatsanwaltschaft,<br />
sondern das Gericht trüge die Verantwortung für das strafprozessuale Ermittlungsverfahren.<br />
Dessen gerichtliche Überprüfung sei bei Anklageerhebung im<br />
eigentlichen <strong>Strafverfahren</strong> <strong>und</strong> bei Einstellung nach § 170 11 StPO im Klageerzwingungsverfahren<br />
vorgesehen. Bei strafprozessualen Zwangsmaßnahmen der<br />
Staatsanwaltschaft bestehe ein richterliches Rechtsschutzinstrumentarium (bei<br />
dem freilich bezweifelt werden kann, inwieweit es im Lichte <strong>von</strong> Art. 19 IV GG<br />
genügt 272).<br />
Insoweit schlägt hier auch der Gedanke durch, der bei Prozeßhandlungen des<br />
erkennenden Gerichts zum Ausschluß der Beschwerde führt (§ 305 StPO): Das<br />
Verfahren würde zerrissen <strong>und</strong> der Prozeßverschleppung Tür <strong>und</strong> Tor geöffnet<br />
werden 27 3, wenn jede Handlung - oder jedes Unterlassen - der Staatsanwaltschaft<br />
zum Gegenstand (oberlandes-)gerichtlicher Überprüfung werden könnte.<br />
<strong>Die</strong> Tätigkeit der Staatsanwaltschaft könnte "gelähmt" werden 27 4, wenn ihre<br />
vorbereitenden Handlungen nicht erst mit ihrer Abschlußentscheidung zusammen<br />
angefochten werden dürfen.<br />
Eine Ausnahme soll dann gelten, wenn das Ermittlungsverfahren "offenbar<br />
aus Gründen fortgeführt wird, die unter keinem Gesichtspunkt mehr nachvollziehbar<br />
sind, mithin objektiv willkürliches Handeln der StA zum Nachteil des Beschuldigten<br />
in Rede steht"275. Ob ein solcher Fall nur in der Theorie existieren<br />
kann, mag zweifelhaft sein. Immerhin hatte das VG Berlin sich mit Verzögerungen<br />
in einem disziplinarrechtlichen Vorermittlungsverfahren zu befassen 276, das<br />
Kloepfer Anlaß dazu gab, <strong>von</strong> "formenmißbräuchlich" <strong>und</strong> "schikanös" zu sprechen<br />
277 .<br />
c) <strong>Die</strong>nstaufsichtsbeschwerde<br />
Auch der Ausweg, der Beschuldigte könnte seinem Anspruch auf unverzögerte<br />
Durchführung des <strong>Strafverfahren</strong>s mittels des Ablehnungsrechts Nachdruck verleihen,<br />
versagt bei <strong>von</strong> der Staatsanwaltschaft verursachten Verzögerungen, also<br />
insbesondere im Ermittlungsverfahren. Es kann hier nicht der Ort sein zu diskutieren,<br />
ob etwa der Gr<strong>und</strong>satz des fairen Verfahrens ein solches Ablehnungsrecht<br />
erfordert 278. Das geltende Recht enthält die Ausschließungsmöglichkeit des<br />
Staatsanwalts wegen Befangenheit ausdrücklich nur in § 7 11 Nds. AGGVG279.<br />
Demzufolge hat sich die Rechtsprechung bislang durchweg geweigert, ein Ablehnungsrecht<br />
anzuerkennen.<br />
Einigkeit dürfte aber dahingehend bestehen, daß der Beschuldigte das Recht<br />
hat, die Ablösung eines ihm befangen erscheinenden Staatsanwalts beim vorgesetzten<br />
Beamten der Staatsanwaltschaft zu beantragen <strong>und</strong> daß dessen Verpflichtung<br />
besteht, einen Staatsanwalt abzulösen, wenn ihm gegenüber die Besorgnis<br />
der Befangenheit besteht 280 . <strong>Die</strong>s wird allgemein aus der richtergleichen Bindung<br />
des Staatsanwalts an Wahrheit <strong>und</strong> Gerechtigkeit 28 I , speziell aus der funktionalen<br />
Gleichschaltung mit dem Richter im Vorverfahren 282 abgeleitet.<br />
Damit verschiebt sich das Problem zur Frage der <strong>Die</strong>nstaufsicht 28<strong>3.</strong> Hier dürfte,<br />
unabhängig vom "Umweg" über die Befangenheitsdogmatik, kein Zweifel bestehen,<br />
daß die unverzögerte Durchführung des (Ermittlungs-)Verfahrens <strong>Die</strong>nstpflicht<br />
der Staatsanwaltschaft ist 284 mit der Folge, daß im Rahmen der <strong>Die</strong>nstaufsicht<br />
gemäß § 147 GVG der Staatsanwalt zur beschleunigten Verfahrensdurchführung<br />
angewiesen (vgl. § 146 GVG) oder abgelöst (vgl. § 145 GVG) werden kann.<br />
Einer weitverbreiteten Ansicht zufolge bietet sich die <strong>Die</strong>nstaufsichtsbeschwerde<br />
als Rechtsbehelf gegen Verfahrensverzögerungen durch den Richter an, da<br />
nach § 26 11 DRiG der Richter explizit zur unverzögerten Erledigung seiner<br />
270 Rieß, NStZ 1982, S. 435; vgl. auch Frisch in SK StPO, vor § 296 Rn. 15.<br />
271 Rieß, NStZ 1982, S. 435 f.<br />
272 Dazu Rieß / Thym, GA 1981, S. 189 ff.; K. Amelung, Rechtsschutz gegen strafprozessuale<br />
Gr<strong>und</strong>rechtseingriffe, S. 25 ff.; Frisch in SK StPO, vor § 296 Rn. 15.<br />
273 Vgl. W. Gollwitzer in LR'4, § 305 Rn. 2; Schwentker, Der Ausschluß der Beschwerde<br />
nach § 305 StPO, S.29; siehe auch BVerfG (Vorprüfungsausschuß), NStZ 1984,<br />
S.228.<br />
274 OLG Karlsruhe, NStZ 1982, S. 434; K. Schäfer in LR'3, § 23 EGGVG Rn. 39; K.<br />
Meyer, FS K. Schäfer, S. 120f. Vgl. auch Strubel/Sprenger, NJW 1972, S. 1739, mit<br />
dem zweifelhaften Vorschlag, dann müsse eben "das Verfahren nach § 23 EGGVG<br />
beschleunigt" werden.<br />
275 BVerfG (Vorprüfungsausschuß), NStZ 1984, S. 228 (229); OLG Frankfurt, NStZ<br />
1989, S. 96 (97). Vgl. auch Kloepfer, DVBl. 1977, S. 741 f.<br />
276 VG Berlin, DVBl. 1977, S. 739.<br />
177 Kloepfer, DVBl. 1977, S. 741 f.<br />
278 Vgl. dazu BGH, NJW 1980, S. 845 f.; NStZ 1984, S. 419.<br />
279 Inhaltlich ähnlich, wenngleich auch nicht ganz so weitgehend: § 11 Bad.-württ.<br />
AGGVG; zur verfassungsrechtlichen Problematik der Vorschriften siehe Frisch, FS Bmns,<br />
S. 389 f.<br />
280 Vgl. OLG Hamm, NJW 1969, S. 808 f.; Frisch, FS Bruns, S. 392 f.; C. Roxin, <strong>Strafverfahren</strong>srecht'l,<br />
§ 10 A III 5; Tolksdorf, Mitwirkungsverbot für den befangenen Staatsanwalt,<br />
S. 121 f.; Bruns, GebGabe Grützner, S. 44 f.<br />
281 Vgl. etwac. Roxin, <strong>Strafverfahren</strong>srecht 21 , § 10 A III 5.<br />
282 Vgl. etwa Frisch, FS Bmns, S. 409 f.<br />
283 Tolksdorf, Mitwirkungsverbot für den befangenen Staatsanwalt, S. 121; Bruns, Geb<br />
Gabe Grützner, S. 45.<br />
284 Vgl. BGH, NStZ 1982, S. 291 (292); OLG Koblenz, NJW 1972, S. 1907 (1908);<br />
BGHZ20,S. 178(181 f.);AnwBI.1958,S. 152;StV 1988,S. 441; Kohlmann,FSMaurach,<br />
S. 505; J. Blomeyer, NJW 1977, S. 558 Fn. 9; K. Peters, Strafprozeß4, § 23 IV I a; vgl. auch<br />
Nr. 7 Abs. 1Satz 1RiStBV 1970: "<strong>Die</strong> Ermittlungen sind schnell <strong>und</strong> zielbewußt durchzuführen".
88 2. Kap.: Schwierigkeiten der Beschleunigung <strong>von</strong> <strong>Strafverfahren</strong> B. Verfahrensbeschleunigung durch den Beschuldigten 89<br />
Amtsgeschäfte ermahnt werden kann 285 • <strong>Die</strong>se Auffassung ist jedoch Zweifeln<br />
ausgesetzt, weil sich das Verhältnis <strong>von</strong> richterlicher Unabhängigkeit <strong>und</strong> <strong>Die</strong>nstaufsicht<br />
komplizierter gestaltet, als es § 26 11 DRiG nahelegt: <strong>Die</strong> <strong>Die</strong>nstaufsicht<br />
besteht nur insoweit, als die richterliche Tätigkeit mit der Rechtsfindung in der<br />
einzelnen Sache in keinem Zusammenhang steht. Nur dann besteht unter dem<br />
Gesichtspunkt richterlicher Unabhängigkeit kein Anlaß, der dienstaufsichtsführenden<br />
Stelle jede Einflußmöglichkeit zu versagen 286. Sie kann jedoch nur gr<strong>und</strong>sätzlich<br />
die zeitliche <strong>Dauer</strong> der richterlichen Amtsausübung überwachen 287. Jeder<br />
Eingriff, sogar jede speziell auf das konkrete Verfahren zielende Ermahnung ist<br />
der <strong>Die</strong>nstaufsicht versagt; sie darf den Richter insbesondere nicht ermahnen,<br />
ein ganz bestimmtes Verfahren umgehend zu bearbeiten288. <strong>Die</strong> <strong>Die</strong>nstaufsicht<br />
ist nur befugt, dem Richter anläßlich eines Einzelfalls die ordnungswidrige Ausübung<br />
seiner Tätigkeit vorzuhalten <strong>und</strong> ihn für die Zukunft durch eine Ermahnung<br />
allgemein dazu anzuhalten, seine Amtsgeschäfte ordnungsgemäß zu erledigen 289.<br />
Folglich versagt die <strong>Die</strong>nstaufsicht völlig, wenn der Richter ansonsten hinsichtlich<br />
der Zahl seiner Erledigungen ständig über dem Durchschnitt liegt 290. Zudem<br />
scheidet die <strong>Die</strong>nstaufsichtsbeschwerde bei prozeßverzögernder fehlerhafter<br />
Sachbehandlung durch überflüssige Maßnahmen aus 291.<br />
Weitergehendes soll in Ausnahmefällen dann gelten, wenn der Richter sich<br />
"offensichtlich" prozeßordnungswidrig oder fehlerhaft verhält 292.<br />
285 Vg!. Schroeder, Strafprozeßrechtl, S. 10; Kramer, Menschenrechtskonventi~n,<br />
S. 193; Dütz, Rechtsstaatlicher Oerichtsschutz im Privatrecht, S. 291; wohl auch C. Roxm,<br />
<strong>Strafverfahren</strong>srecht 21 , § 16 C. Ähnlich Hillenkamp, JR 1975, S. 139, der den Hinweis auf<br />
die <strong>Die</strong>nstaufsichtsbeschwerde für rechtlich unanfechtbar <strong>und</strong> nur psychologisch unrealistisch<br />
hält. Vg!. auch BOHSt 35, S. 137 (138).<br />
286 Vg!. BOHZ 51, S. 280 (287); 85, S. 145 (162); 90, S. 41 (45 f.); DRiZ 1971, S. 317;<br />
1985,S. 181 (182 f.).<br />
287 BOHZ 51, S. 280 (286 f.); 90, S.41 (45); DRiZ 1978, S. 185 f.; 1985, S. 181<br />
(182 f.); NJW 1987, S. 1197 (1198); jetzt auch DRiZ 1991, S.20 (21); OLO Köln,<br />
OLOZ 1970, S. 119; R. Schmidt-Räntsch, <strong>Die</strong>nstaufsicht über Richter, S. 123; Häsemeyer,<br />
FS Michaelis, S. 141 f.; unklar Albers in Baumbach / Lauterbach 48 , § 26 DRiG<br />
Anm.3 B b bb; a.A. offenbar OLO Hamm, JMB!. NW 1981, S. 69 (71); H. Klein, JZ<br />
1963, S. 591. Sehr weitgehend Kleinknecht / Meyer 36 , § 26 DRiO Rn. I, unter u~~utreffender<br />
Berufung auf BGH, DRiZ 1974, S. 163: Einflußnahme bei "vermeintlicher Uberlastung"<br />
zulässig. Sehr kritisch Hieronimi, NJW 1984, S. 108 f.<br />
288 So ausdrücklich BGH, NJW 1987, S. 1197 (1198); Papier, NJW 1990, S. 12. Kritisch<br />
Baur, FS Schwab, S. 56 f.<br />
289 BOHZ 51, S. 280 (286); 90, S. 41 (45); DRiZ 1985, S. 181 (182); Schmidt- Räntsch /<br />
Schmidt-Räntsch, DRi04, § 26 Rn. 28. Ausführliche Kasuistik bei Papier, NJW 1990,<br />
S. 11 f.<br />
290 Joachim,DRiZ 1965,S. 186.<br />
291 OLO Hamm, JMB!. NW 1981, S. 69 (71); Vollkommer, ZZP 81 (1968), S. 132; Papier,<br />
NJW 1990, S. 11.<br />
292 BOHZ46, S. 147 (150); 47, S. 275 (287); 67, S. 184 (187 f.); 70, S. 1 (4); 90, S. 41<br />
(46); 100, S. 271 (276); Schmidt-Räntsch / Schmidt-Räntsch, DRi0 4 , § 26 Rn. 23; Kleinknecht<br />
/ Meyer 36 , § 26 DRiO Rn. 1; Papier, NJW 1990, S. 11; kritisch Eb. Schmidt, Lehrkomm.<br />
I, Rn. 531; JZ 1963, S. 79; Hohendorf, NJW 1984, S. 959 f.<br />
Von einer <strong>Die</strong>nstaufsichtsbeschwerde gegen den Richter kann der Beschuldigte<br />
ansonsten mithin allenfalls mittelbare Wirkung erwarten, die darauf fußt, daß<br />
dem Richter prinzipiell anläßlich der konkreten Verfahrensverzögerung ein Disziplinarverfahren<br />
drohen kann mit Disziplinarstrafen vom Verweis bis zur Amtsenthebung<br />
29<strong>3.</strong> <strong>Die</strong>s wäre dann aber eine Konsequenz der <strong>Die</strong>nstaufsichtsbeschwerde,<br />
die weit über das vom Beschuldigten erstrebte Ziel hinausschießt. Der Beschuldigte,<br />
der damit die Überprüfung der Amtsausführung des Richters allgemein initiiert,<br />
gerät in die psychologisch unzumutbare <strong>und</strong> prozeßtaktisch riskante Situation,<br />
"seinen" Richter außerhalb des eigentlichen Verfahrens in Unannehmlichkeiten<br />
gebracht zu haben 294. Aus dieser Situation kann sich - ohne das Hinzutreten<br />
weiterer Umstände - kein Befangenheitstatbestand ergeben 295 •<br />
Weiterhin ist auch insoweit zu bedenken, daß <strong>Die</strong>nstaufsichtsbeschwerden <br />
sowohl gegen Richter als auch gegen Staatsanwalt - schwerlich als Rechtsbehelf<br />
im eigentlichen Sinne verstanden werden können: Wie auch die EKMR ausführt<br />
296 , ist dies darin begründet, daß die <strong>Die</strong>nstaufsichtsbeschwerde dem Antragsteller<br />
keinen persönlichen Anspruch auf Ausübung des Aufsichtsrechts durch<br />
den Staat gibt. Sie ist tatsächlich nur eine Mitteilung an die Aufsichtsbehörde<br />
mit der Anregung, <strong>von</strong> der Aufsichtsgewalt Gebrauch zu machen, sofern sie<br />
Veranlassung dazu sieht. Der Beschwerdeführer ist in dem Verfahren, das genausogut<br />
ohne seine Initiative eingeleitet werden kann, nicht Partei. Er erhält nicht<br />
einmal eine Entscheidung über seine Aufsichtsbeschwerde, sondern nur eine<br />
Mitteilung, auf welche Weise das Aufsichtsorgan seine Aufsichtsbeschwerde<br />
behandelt hat.<br />
Letztendlich bedeutet das vor allem für richterliche Verzögerungen, mit Weber<br />
Grellet gesprochen: "Das <strong>Die</strong>nstrecht ist kein Instrument zur Beschleunigung<br />
<strong>von</strong> Verfahren." 297<br />
d) Strafanzeige<br />
Eine weitere Überlegung, sich gegen Verzögerungen zu wehren, erscheint auf<br />
den ersten Blick kurios, beim zweiten Hinsehen verführerisch <strong>und</strong> bei genauer<br />
Betrachtung schließlich abwegig: Es wird immer wieder darauf hingewiesen, es<br />
sei möglich, durch eine Strafanzeige, insbesondere wegen Rechtsbeugung 298 , die<br />
Strafverfolgungsbehörden zu unverzögertem Handeln anzuhalten.<br />
293 Häsemeyer, FS Michaelis, S. 142 f.<br />
294 Vg!. EKMR, CD 38 (1972), S. 44 (55); Häsemeyer, FS Michaelis, S. 144 f.; Hillenkamp,JR<br />
1975, S. 139.<br />
295 Vgl. BOH,NJW 1952, S. 1425; Häsemeyer,FS Michaelis, S. 145.<br />
296 EKMR, EuORZ 1979, S. 346 (348).<br />
297 Weber-Orellet,NJW 1990,S. 1778.<br />
298 Häsemeyer, FS Michaelis, S. 138 f.; E. Schumann in Stein / Jonas 20 , Ein!. Rn. 213;<br />
Papier in HdB Staatsrecht VI, § 153 Rn. 23; vgl. auch Dütz, Rechtsstaatlicher Oerichtsschutz<br />
im Privatrecht, S. 291.
90 2. Kap.: Schwierigkeiten der Beschleunigung <strong>von</strong> <strong>Strafverfahren</strong> B. Verfahrensbeschleunigung durch den Beschuldigten 91<br />
Nun ist eine Strafanzeige oder schon die Äußerung des Verdachts einer Straftat<br />
gegenüber dem erkennenden Richter oder dem sachbearbeitenden Staatsarnwalt<br />
prozeßtaktisch <strong>und</strong> psychologisch außerordentlich risikobehaftet. Rein tatsäcltlich<br />
stünde zu befürchten, daß hier - mehr noch als bei einer <strong>Die</strong>nstaufsichrtsbeschwerde<br />
- eine nicht unerhebliche Befangenheit des angezeigten Strafv~rfolgungsorgans<br />
gegenüber dem Beschuldigten hervorgerufen werden könnte; ein<br />
diesbezügliches Befangenheitsgesuch fällt jedoch regelmäßig auch gegen. den<br />
Richter aufgr<strong>und</strong> der Strafanzeige aus: Mit der Begründung, der Angeklagte<br />
hätte es sonst in seiner eigenen Hand, sich nach Belieben jedem Richter zu<br />
entziehen, wird bei Erstattung einer Strafanzeige gegen den Richter <strong>von</strong> der ganz<br />
herrschenden Meinung die Möglichkeit eines Befangenheitsgesuches verneiflt 299 ,<br />
solange dieser nicht mit seiner Reaktion zeigt, daß er tatsächlich befangen ist 3 °O.<br />
Rechtfertigen läßt sich dies nicht damit, daß keine Befangenheit zu besorge:n ist,<br />
sondern nur dadurch, daß die Rechtsordnung vernünftigerweise einer so vom<br />
Beschuldigten provozierten Besorgnis der Befangenheit des Richters keine Bedeutung<br />
beimessen wolle 301 .<br />
Insofern gilt für die Strafanzeige das gleiche, was auch ansonsten zu Skoepsis<br />
veranlaßt, wenn etwa diskutiert wird, ob das Ankündigen einer Entschädigongsklage<br />
302, eines Antrags auf Nichterhebung <strong>von</strong> Verfahrenskosten gemäß § 8<br />
GKG303 oder einer <strong>Die</strong>nstaufsichtsbeschwerde 304 als "stimulans" 305 für beschleunigte<br />
Verfahrensführung angeraten werden kann, zumal das drohende Risik 0 die<br />
Initiative des Amtsträgers genausogut auch lähmen könnte 306.<br />
Soweit die Verzögerungen den Verdacht einer Straftat im Amt rechtfertigen,<br />
wäre natürlich auch ohne Strafanzeige ein Ermittlungsverfahren <strong>von</strong> Amts wegen<br />
einzuleiten. Allerdings mag fraglich sein, ab welchem Punkt die Strafverfolgongsbehörden<br />
bereit sind, das strafrechtliche Instrumentarium "gegen das eigene<br />
Personal" in Gang zu setzen307.<br />
299 BGH, NJW 1962, S. 748 (749); KG, JR 1962, S. 113; ähnlich BGH, NJW 1952,<br />
S. 1425 (<strong>Die</strong>nstaufsichtsbeschwerde); differenzierend Wendisch in LR24, § 24 Rn. 23 f.<br />
300 Vgl. OLG Oldenburg, HESt 3, S. I (2); AG Oldenburg, StV 1990, S. 259; Arzt, Der<br />
befangene Strafrichter, S. 53 f.; Baur, FS Schwab, S. 58.<br />
301 Rudolphi in SK StPO, § 24 Rn. 13; Arzt, Der befangene Strafrichter, S. 53 f.; Baur,<br />
FS Schwab, S. 58 f.<br />
302 Vgl. Häsemeyer, FS Michaelis, S. 139; Peukert, EuGRZ 1979, S. 264.<br />
303 Vgl.J. Blomeyer,NJW 1977, S. 557.<br />
304 VgI.EKMR,CD38 (1972),S. 38 (55); EuGRZ 1979,S. 346(347 f.);Hillenkamp,JR<br />
1975, S. 139; Häsemeyer, FS Michaelis, S. 144 f.; Peukert, EuGRZ 1979, S. 264.<br />
305 J. Blomeyer, NJW 1977, S. 557.<br />
306 Häsemeyer,FS Michaelis, S. 139. Vgl. auchPeukert, EuGRZ 1979, S. 26<strong>3.</strong><br />
307 Vgl. K. Amelung, Informationsbeherrschungsrechte im Strafprozeß, S. 18.<br />
aa) Zur Strafbarkeit des Amtsträgers bei grammatikalischer<br />
Auslegung der §§ 336, 258a StGB<br />
Dagegen erstaunt es, wie leichthin in der Literatur zu § 336 StGB gelegentlich<br />
die kurze Bemerkung fallengelassen wird, daß bei Verzögerungen durch den<br />
Amtsträger das Verbrechen der Rechtsbeugung vorliegen kann 308. Zwar bereitet<br />
die Vorschrift in der Tat, jedenfalls aufden ersten Blick, insofern wenig Probleme:<br />
Der Tatbestand kann nach herrschender Ansicht auch vom Staatsanwalt als Herr<br />
des Ermittlungsverfahrens verwirklicht werden 309. Tathandlung ist sowohl nach<br />
der herrschenden objektiven Theorie 310 als auch nach der im Vordringen befindlichen<br />
Pflichtverletzungslehre 311 - die subjektive Theorie 312 dürfte obsolet sein 313<br />
- bei eindeutigen Normen 314 (wie etwa Fristbestimmungen) das Abweichen <strong>von</strong><br />
deren Aussagegehalt. Bei mehrdeutigen Normen besteht insoweit Einigkeit, daß<br />
Rechtsbeugungjedenfalls dann objektiv vorliegt, wenn sich die Rechtsanwendung<br />
nicht mehr im Rahmen des "noch Vertretbaren" hält. Da nach allgemeiner Ansicht<br />
auch die "Beugung" <strong>von</strong> Normen des Verfahrensrechts tatbestandsmäßig ist315,<br />
könnten prinzipiell alle "unvertretbaren" Verzögerungen unter § 336 StGB fallen.<br />
<strong>Die</strong> "Ausscheidung <strong>von</strong> Bagatellfällen" 316 aus dem objektiven Tatbestand bewirkt<br />
die Voraussetzung der Zufügung eines Vor- oder Nachteils einer Partei: Will<br />
man hier nicht die "abstrakte" Verletzung des Beschleunigungsprinzips ausreichen<br />
lassen, das im rechtlichen Interesse sowohl des Beschuldigten als auch des<br />
Staates liegen soll 317 , wäre hier erforderlich, daß sich die prozessuale Situation<br />
308 Spendel in LKIO, § 336 Rn. 54; Wacker, <strong>Die</strong> Rechtsbeugung, S. 22; Binding, Lehrbuch<br />
des Gemeinen Deutschen Strafrechts BT II / 2, § 227 VII 5. Vgl. auch Wemer in LK8,<br />
§ 336 Anm. IV; Frank, StGB 18, § 336 Anm. II; Freiesleben in Olshausen's Komm.ll § 336<br />
Anm. 2 c, die nur die Justizverweigerung erwähnen.<br />
'<br />
309 A. A. vor allem Vormbaum, Der strafrechtliche Schutz des Strafurteils, S. 339 ff.<br />
310 Spendel in LKIO, § 336 Rn. 41; Dreher / Tröndle, StGB44, § 336 Rn. 5; Cramer in<br />
SchSch 23 , § 336 Rn. 5a; Maurach / Schroeder, Strafrecht BT /2 6 , § 74 II 3; Seebode, Das<br />
Verbrechen der Rechtsbeugung, S. 20 ff.; Heinitz, Probleme der Rechtsbeugung, S. 16 f.;<br />
Vormbaum, Der strafrechtliche Schutz des Strafurteils, S. 362 f.; Bemmann GA 1969<br />
S. 65 ff. ' ,<br />
311 Rudolphi,ZStW82 (l970),S. 610 ff.;inSKStGB,§ 336Rn. 13;G.HerdegeninLK9,<br />
§ 336 Rn. 4 ff.;. Otto, C!r<strong>und</strong>kurs Strafrecht BT2, § 98 I 3; H. Wagner, Amtsverbrechen,<br />
S. 202 f.; Schmldt-Spelcher, Hauptprobleme der Rechtsbeugung, S. 63; 80; Geppert, JA<br />
1981,S. 80; Behrendt,JuS 1989,S. 948 f.<br />
312 H. v. Weber,NJW 1950, S. 272 ff.; Mohrbotter,JZ 1969, S. 491 f.; Sarstedt,FS Heinitz,<br />
S. 428 ff.; Musielak, <strong>Die</strong> Rechtsbeugung, S. 23 ff.<br />
31<strong>3.</strong> Vgl. Schünemann, Verh. 58. DJT, S. B 132. Dem Streitkommtohnehinrelativgeringe<br />
praktIsche Bedeutung zu, vgl. Blei, Strafrecht BTI2, § 112 II 3; Schreiber, GA 1972, S. 207;<br />
dagegen aber Spendel in LKW, § 336 Rn. 37.<br />
314 Kritisch zu diesem Begriff Sarstedt, FS Heinitz, S. 428; dagegen Spendel in LKW,<br />
§ 336 Rn. 43; Vormbaum, Der strafrechtliche Schutz des Strafurteils, S. 362 Fn. 109.<br />
315 Vgl.stattvielerSchünemann, Verh. 58. DJT,S. B 132m.w.N.<br />
316 Vormbaum, Derstrafrechtliche Schutz des Strafurteils, S. 366; ähnlich Schünemann,<br />
Verh. 58. DJT, S. B 13<strong>3.</strong><br />
317 BGHSt26, S. 228 (232). Vgl. auch BVerfGE 63, S. 45 (69); 66, S. 313 (321).
92 2. Kap.: Schwierigkeiten der Beschleunigung <strong>von</strong> <strong>Strafverfahren</strong> B. Verfahrensbeschleunigung durch den Beschuldigten 93<br />
einer Partei verändert, was bei Verzögerungen insbesondere durch Veränderung<br />
der Beweislage der Fall sein könnte 318 • Darüber hinaus dürften auch Verfahrensbelastungen,<br />
die aus der Verzögerung erwachsen, einen Nachteil des Beschuldigten<br />
i. S. v. § 336 StGB darstellen können 319 . Da nunmehr entgegen der früher<br />
herrschenden Ansicht da<strong>von</strong> ausgegangen wird, daß § 336 StGB auch bedingt<br />
vorsätzlich verwirklicht werden kann 320, dürfte bezüglich des subjektiven Tatbestands<br />
noch am ehesten fraglich sein können, ob der dolus eventualis bezüglich<br />
des Taterfolges, nämlich des Vor- oder Nachteils für eine Partei, vorhanden ist.<br />
Ob, wie gelegentlich gemeint wird, eine Verurteilung wegen Rechtsbeugung in<br />
praxi an der Beweisbarkeit des Vorsatzes regelmäßig scheitern würde 321, erscheint<br />
zumindest fraglich.<br />
Noch Verblüffenderes ergibt ein Blick auf die Strafvereitelung im Amt, § 258a<br />
StGB. Erkennt man mit der herrschenden Meinung an, daß auch eine Strafvereitelung<br />
auf Zeit möglich ist, führt das zu dem Ergebnis, daß jegliches verzögernde<br />
Verhalten der Strafverfolgungsorgane tatbestandsmäßig wäre: <strong>Die</strong> Strafvereitelung<br />
im Amt würde "zur Strafbewehrung des sonst prozessual diskutierten Beschleunigungsgebotes"<br />
322. Konsequenz hier<strong>von</strong> wäre, daß etwa jeder Richter<br />
gegen § 258a StGB verstoßen würde, der ohne zwingenden Gr<strong>und</strong> einen Hauptverhandlungstermin<br />
später als eigentlich möglich ansetzt, jeder Staatsanwalt, der<br />
unzweckmäßige <strong>und</strong> überflüssige Ermittlungshandlungen vornimmt oder jeder<br />
Polizist, der nicht unverzüglich den Tatortbericht abfaßt 32<strong>3.</strong><br />
Nun ist es allerdings grotesk, wenn man ernsthaft erwägt, der Beschuldigte<br />
solle Strafanzeige wegen Strafvereitelung zu seinen Gunsten - der Nichtgeständige<br />
kann konsequenterweise ohnehin nur den Vorwurf versuchter Strafvereitelung<br />
erheben - stellen. Jedoch besteht auch die Pflicht des Staatsanwalts, ein<br />
Ermittlungsverfahren bei Wegfall des Tatverdachts unverzüglich gemäß § 17011<br />
StPO einzustellen, sowie die richterliche Pflicht, die Ablehnung der Eröffnung<br />
des Hauptverfahrens oder die Einstellung nach § 206a StPO nicht hinauszuzögern<br />
<strong>und</strong> die Hauptverhandlung zwecks Freisprechung unverzögert anzuberaumen. In<br />
einem solchen Verhalten kann gr<strong>und</strong>sätzlich die Verfolgung Unschuldiger gemäß<br />
318 Rudolphi in SK StGB, § 336 Rn. 18; Seebode, Das Verbrechen der Rechtsbeugung,<br />
S. 96; Vorrnbaum, Der strafrechtliche Schutz des Strafurteils, S. 366.<br />
319 Vgl. BGHSt32, S. 357 (359 f.); Rudolphiin SKStGB, § 336Rn. 18.<br />
320 Vgl. statt vieler ausführlich Behrendt, JuS 1989, S. 949 f.; a.A. Krause, NJW<br />
1977, S. 285 f.; 1. Müller, NJW 1980, S. 2390 ff.; kritisch Rudolphi in SK StGB, § 336<br />
Rn. 20; offengelassen <strong>von</strong> OLG Düsseldorf, JZ 1990, S. 396; BGH bei Holtz, MDR<br />
1978, S. 626. Unklar Hassemer, JuS 1990, S. 766.<br />
321 Häsemeyer, FS Michaelis, S. 138; E. Schumann in Stein IJonas 2o , Einl. Rn. 21<strong>3.</strong><br />
322 Samson, JA 1982, S. 183; ähnlich in SK StGB, § 258 Rn. 29; Vorrnbaum, Der<br />
strafrechtliche Schutz des Strafurteils, S. 435.<br />
323 Samson in SK StGB, § 258a Rn. 7; Vorrnbaum, Der strafrechtliche Schutz des<br />
Strafurteils, S. 435.<br />
§ 344 StGB liegen 324. Insbesondere Fälle, in denen der Richter <strong>von</strong> der Nichtverfolgbarkeit<br />
weiß oder die Verfolgung eines Unschuldigen beabsichtigt, sind jedoch<br />
seltene, zudem kaum nachweisbare Ausnahmen.<br />
bb) Zur Straflosigkeit des Amtsträgers bei restriktiver<br />
Interpretation der §§ 336, 258a StGB<br />
Das bisherige Zwischenergebnis, daß der Amtsträger sich durch jede Verzögerung<br />
wegen Strafvereitelung strafbar macht <strong>und</strong> bei jeder "eindeutig" gegen das<br />
Recht verstoßenden Verzögerung sogar den Verbrechenstatbestand des § 336<br />
StGB erfüllt, ist natürlich nicht ernsthaft vertretbar. Eine solche Auslegung stünde<br />
übrigens auch im Widerspruch zu § 83911 BGB, der zwischen Pflichtverletzung<br />
durch Straftat <strong>und</strong> pflichtwidriger Verzögerung unterscheidet.<br />
So wird auch im Bereich der Tatbestände <strong>von</strong> §§ 258, 258a StGB allgemein 32 5,<br />
wenn auch in unterschiedlicher Weise versucht, die "eklatanten Unzuträglichkeiten"<br />
326 einzugrenzen <strong>und</strong> die Strafbarkeit <strong>von</strong> Verzögerungen zu reduzieren:<br />
Zunächst einmal ist es überwiegende Auffassung, daß Strafvereitelung nicht<br />
schon dann gegeben ist, wenn einzelne Verfahrenshandlungen später erfolgen,<br />
sondern erst dann, wenn es zu einer Verzögerung der Bestrafung kommt 327 . Das<br />
entgegengesetzte Ergebnis kollidierte zum einen mit dem Wortlaut <strong>von</strong> § 258 I<br />
StGB ("bestraft")328 <strong>und</strong> zum anderen auch mit der Entstehungsgeschichte, wonach<br />
die sog. "Strafjustizvereitelung" gerade nicht unter Strafe gestellt werden<br />
sollte 329 • Zweifelhafte Folge dieser Auslegung wäre im übrigen, daß nahezu jeder<br />
Zeuge, der in der Hauptverhandlung unentschuldigt ausbleibt, <strong>und</strong> der Sachverständige,<br />
der die Frist zur Erstellung des Gutachtens nach § 77 StPO versäumt,<br />
Strafvereitelung beginge 330. Andererseits bedeutet die restriktive Auslegung aber<br />
eine verringerte Praktikabilität der Strafvereitelungstatbestände 331 : Es ist nunmehr,<br />
gerade bei Verzögerungen im frühen Stadium des <strong>Strafverfahren</strong>s, etwa<br />
324 Vgl. BVerfG (Vorprüfungsausschuß), NStZ 1984, S. 228 (229); OLG Frankfurt,<br />
StV 1989, S. 96 (97); Jescheck in LKlO, § 344 Rn. 7; eramer in SchSch 23 , § 344 Rn. 14;<br />
Schmidhäuser, Strafrecht BT, Kap. 23 Rn. 48; Bockelmann, Strafrecht BT 13, § 11 I 1<br />
b bb; Rieß, NStZ 1982, S. 436.<br />
325 Anders wohl nur Beulke, <strong>Die</strong> Strafbarkeit des Verteidigers, Rn. 132. Vgl. dazu<br />
Tondorf, StV 1990, S. 285 f.<br />
326 Vorrnbaum, Der strafrechtliche Schutz des Strafurteils, S. 435.<br />
327 KG, JR 1985, S. 25; Stree in SchSch 23 , § 258 Rn. 16; Vorrnbaum, Der strafrechtliche<br />
Schutz des Strafurteils, S. 404 f.; Geppert, JK 1981, StGB § 258/2; a.A. aber Ruß<br />
in LKlO, § 258 Rn. 10; Beulke, <strong>Die</strong> Strafbarkeit des Verteidigers, Rn. 132. Unklar häufig<br />
die Rechtsprechung; vgl. Vorrnbaum, a.a.O., S. 405.<br />
328 Schroeder, NJW 1976, S. 980; Samson, JA 1982, S. 181 f.<br />
329 Dazu Samson, JA 1982, S. 181 f.<br />
330 So Samson in SK StGB, § 258 Rn. 29; JA 1982, S. 18<strong>3.</strong><br />
331 Vgl. Samson, JA 1982, S. 181.
94 2. Kap.: Schwierigkeiten der Beschleunigung <strong>von</strong> <strong>Strafverfahren</strong> B. Verfahrensbeschleunigung durch den Beschuldigten 95<br />
dem Ermittlungsverfahren, kaum im konkreten Fall die hypothetische Kausalität<br />
nachweisbar - Blei weist darauf hin, daß die auf Vereitelung zielende Intervention<br />
das Verfahren sogar beschleunigen kann 332 -, so daß regelmäßig keine<br />
vollendete Strafvereitelung feststellbar ist 33<strong>3.</strong> Auch die Strafbarkeit des Amtsträgers<br />
wegen Versuchs entfiele, sofern ihm nicht zu widerlegen ist, daß er bei<br />
seiner Verzögerung auf die zeitgleiche Bestrafung vertraute.<br />
Insbesondere die Rechtsprechung versucht die Strafbarkeit im Rahmen <strong>von</strong><br />
§ 258 StGB einzudämmen, indem sie vollendete Strafvereitelung nur dann annimmt,<br />
wenn für "geraume Zeit" verzögert wird 334: So soll nach Ansicht des<br />
BGH eine Verzögerung <strong>von</strong> sechs Tagen nicht genügen 335; das Kammergericht<br />
stimmte dem für die <strong>Dauer</strong> <strong>von</strong> sieben bzw. acht Tagen zu 336. Das OLG Stuttgart<br />
nahm dagegen vollendete Strafvereitelung bei einer Verzögerung <strong>von</strong> zehn Tagen<br />
an 337, das LG Hannover beim Verstecken für "mehrere Nächte" 338. Kleinere<br />
Verzögerungen bei der Strafverfolgung wären demnach also irrelevant. Nun ist<br />
dieses Merkmal der "geraumen Zeit" unter Hinweis auf Art. 103 11 GG Kritik<br />
ausgesetzt, <strong>und</strong> zwar in zwei entgegengesetzte Richtungen:<br />
Im Anschluß an Lenckner wird die Auffassung vertreten, daß zwarjede Verzögerung,<br />
die nicht nur ganz unerheblich ist, dem Strafvereitelungstatbestand unterfieie,<br />
jedoch sei der subjektive Tatbestand dahingehend zu interpretieren, daß<br />
wissentliche Strafvereitelung nur dann vorliegen kann, wenn es zu einer "Solidarisierung"<br />
mit dem Vortäter kommt, wenn also der Täter die Strafvereitelung, <strong>und</strong><br />
sei es nur als Nebenfolge, will 339. Hiernach wäre Strafvereitelung auf Zeit im<br />
Amt durch bloße Nachlässigkeiten praktisch kaum denkbar.<br />
Von der Gegenposition, deren Wortführer Samson ist, wird dieser Lösung<br />
entgegengehalten, sie würde die Strafvereitelung entgegen dem Willen des Gesetzgebers<br />
<strong>von</strong> einem Erfolgs- in ein Absichtsdelikt verwandeln 340. Vielmehr sei<br />
332 Blei, Strafrecht II12, § 109 IV 2.<br />
333 KG, JR 1985, S. 24 (25); Samson in SK StGB, § 258 Rn. 28; JA 1982, S. 182;<br />
Vormbaum, Der strafrechtliche Schutz des Strafurteils, S. 410 f.; Lenckner, GS Schröder,<br />
S.348; Schroeder, NJW 1976, S. 980; Frisch, NJW 1983 S.2474· Geppert JK 1981<br />
StGB § 258/2. ' , , ,<br />
334 Vgl. etwa RGSt 70, S. 251 (254); BGH, NJW 1984, S. 135' bei Holtz MDR 1981<br />
S. 631. <strong>Die</strong>se Re~tt:iktion befÜhrt)edoch nicht die Strafbarkeit in Faligest~ltungen wi~<br />
der ,:,o? der V~~emigung der Berhner Staatsanwälte vorgetragenen, infolge der Wiederve.reImg~ng<br />
wurden aufgr<strong>und</strong> Personalmangels zahlreiche Verfahren "stillgelegt", also<br />
(bIS zu emem Jahr) "verfristet"; siehe Spandauer Volksblatt v. 21. 7.1991, S. <strong>3.</strong><br />
335 BGH, NJW 1959, S. 494 (495); kritisch dazu Ruß in LKIO, § 258 Rn. 10.<br />
336 KG, JR 1985, S. 24 (25); NStZ 1988, S. 178.<br />
337 OLG Stuttgart, NJW 1976, S. 2084.<br />
338 LG Hannover, NJW 1976, S. 979.<br />
339 Lenckner, GS Schr?der, S. 343 ff.; Rudolphi, JuS 1979, S. 859 ff.; Geppert, JK<br />
1981, StGB § 258/2; zustimmend auch OLG Koblenz, NJW 1982, S. 2785 (2786); vgl.<br />
auch Stree, JuS 1976, S. 140; Müller-<strong>Die</strong>tz Jura 1979 S 246' Ku"pper GA 1987<br />
S. 399 ff. "" , '<br />
die Figur der "Strafvereitelung auf Zeit" völlig abzulehnen 34\. Für diese Lösung<br />
ließe sich vor allem anführen, daß nach dem allgemeinen Sprachgebrauch "Vereiteln"<br />
das endgültige Verhindern bedeutet342. Zwar ergibt sich aus der Entstehungsgeschichte,<br />
daß der Gesetzgeber auch die zeitige Strafvereitelung unter §§ 258,<br />
258a StGB fassen wollte 343; jedoch ist selbst dann, wenn man insoweit <strong>von</strong> einem<br />
offensichtlichen Redaktionsversehen ausgeht, fraglich, inwieweit hier nicht<br />
Art. 103 11 GG sperrt 344 • Kriminalpolitisch würden Strafbarkeitslücken aufgr<strong>und</strong><br />
der Versuchsstrafbarkeit ausbleiben 345, jedoch wäre Straflosigkeit dort gegeben,<br />
wo nicht die Entziehung auf <strong>Dauer</strong> gewollt ist, also insbesondere bei verzögerndem<br />
Verhalten der Strafverfolgungsorgane. Hier läge Strafvereitelung vor allem<br />
vor bei bedingt vorsätzlichem Erreichen der Grenze der Verfolgungsverjährung<br />
346 , wenn also, wie einem Pressebericht zufolge 347 das LG Düsseldorf 348 ,<br />
ein Gericht eine Sache "der Verjährung zuführen" will. Im Vorfeld dazu könnte<br />
für die Auslegung des Merkmals "auf <strong>Dauer</strong>" die zu § 224 StGB vorhandene<br />
Kasuistik herangezogen werden 349, so daß "unbestimmt langwierige" Verzögerungen<br />
tatbestandsmäßig sein könnten 350.<br />
<strong>Die</strong> Rechtsprechung hat zur Frage der Strafvereitelung durch Verzögerungen<br />
des Amtsträgers, also im Rahmen <strong>von</strong> § 258a StGB, bisher nur einzelfallorientiert<br />
entschieden. Sie hat in Fällen bloßer Verzögerung entweder an den subjektiven<br />
Tatbestand sehr hohe Anforderungen gestellt351 oder aber die Rechtswidrigkeit<br />
verneint, weil der Amtsträger seiner Rechtspflicht zum Handeln nicht in vorwerfbarer<br />
Weise zuwidergehandelt habe, wenn er bis an die Grenzen seiner Leistungsfähigkeit<br />
heran gearbeitet habe <strong>und</strong> einen Vorgesetzten auf die Rückstände aufmerksam<br />
gemacht habe 352. Letzteres läßt freilich den bedenklichen Umkehrschluß<br />
340 Samson in SK StGB, § 258 Rn. 29b; JA 1982, S. 183; Frisch, JuS 1983, S. 917.<br />
34\ Samson in SK StGB, § 258 Rn. 25 ff.; § 258a Rn. 10; JA 1982, S. 181 ff.; Vormbaum,<br />
Der strafrechtliche Schutz des Strafurteils, S. 404 ff.; Wassmann, Strafverteidigung<br />
<strong>und</strong> Strafvereitelung, S. 245.<br />
342 VgI: dazu Maurach 1Schroeder, Strafrecht BT/2 6 , § 98 II 3; Vormbaum, Der<br />
strafrechthche Schutz des Strafurteils, S. 403; Samson, JA 1982, S. 181. A. A. Beulke,<br />
<strong>Die</strong> Strafbarkeit des Verteidigers, Rn. 132.<br />
343 Vgl. Begr. RegE EGStGB, BT-DrS 7/550, S. 249.<br />
344 So Vormbaum, Der strafrechtliche Schutz des Strafurteils, S. 404 Fn. 70; anders<br />
Maurach 1Schroeder, Strafrecht BT 12 6 , § 98 II <strong>3.</strong><br />
345 A. A. Maurach 1Schroeder, Strafrecht BT 12 6 , § 98 II <strong>3.</strong><br />
346 Samson, JA 1982, S. 181.<br />
347 Elendt, Stern 50/1988 vom 8.12.1988, S. 134; vgl. auch Papier, NJW 1990, S. 8;<br />
Schmalz, JuraTelegramm 1990, S. 32.<br />
348 LG Düsseldorf, NJW 1988, S. 427.<br />
349 Vormbaum, Der strafrechtliche Schutz des Strafurteils, S. 407.<br />
350 Vgl. BGHSt 24, S. 315 (317).<br />
351 BGHSt 19, S. 79.<br />
352 BGHSt 15, S. 18 (22); DRiZ 1977, S. 87 (88) (a.A. die Vorinstanz LG Kiel DRiZ<br />
1976, S. 217). '
96 2. Kap.: Schwierigkeiten der Beschleunigung <strong>von</strong> <strong>Strafverfahren</strong> B. Verfahrensbeschleunigung durch den Beschuldigten 97<br />
zu, daß der BGH Verzögerungen aufgr<strong>und</strong> bloßer Arbeitsüberlastung pönalisieren<br />
wollte 35<strong>3.</strong> Da der BGH jedoch (in einem Amtshaftungsprozeß) betonte, dem<br />
Amtsträger müsse eine gewisse Zeitspanne für seine Entschließung zugebilligt<br />
werden 354, läßt sich vermuten, daß die höchstrichterliche Rechtsprechung weiterhin<br />
bei Verzögerungen durch den Amtswalter nicht wegen Strafvereitelung im<br />
Amt bestrafen wird.<br />
Letzteres dürfte im Ergebnis auch bezüglich der Strafbarkeit wegen Rechtsbeugung<br />
gelten, wenngleich die Einschränkungen bei dieser "Vorschrift mit Haken<br />
<strong>und</strong> Ösen"355 noch schwerer fallen. So hat der BGH356 wiederholt unter Berufung<br />
auf die Gesetzgebungsgeschichte eine, wie Rudolphi 357 formuliert, "normative<br />
Einschränkung, deren Gehalt völlig im Dunkeln bleibt", angedeutet: § 336 StGB<br />
erfasse "nicht schlechthin jede unrichtige Rechtsanwendung, sondern nur die<br />
Beugung des Rechts ... In dem Begriffder Rechtsbeugung wird man ein normatives<br />
Element erblicken können, das bereits als ein wesentliches Regulativ zu<br />
wirken vermag". Klarer hat der BGH in einer neueren Entscheidung zur Rechtsbeugung<br />
in einem obiter dictum einschränkend ausgeführt, die Unabhängigkeit<br />
richterlichen Entscheidens würde Schaden leiden, wenn ein Richter aufgr<strong>und</strong><br />
einer Ermessensüberschreitung in einem Verfahren, an dem er keinerlei persönliches,<br />
die Objektivität seines Urteils möglicherweise trübendes Interesse nimmt,<br />
wegen des Verbrechens der Rechtsbeugung - mit der möglichen Folge der<br />
Beendigung des <strong>Die</strong>nstverhältnisses, § 24 DRiG - verfolgt würde 358 . Bezogen<br />
auf Verzögerungen durch Strafverfolgungsorgane ließe sich ein ähnlicher Wertungswiderspruch<br />
zwischen Strafandrohung einerseits <strong>und</strong> Rechtsverletzung andererseits<br />
herleiten: Auch hier wird der verzögernde Amtswalter normalerweise<br />
keinerlei persönliches Interesse an dem Fall haben, wobei noch hinzukommt,<br />
daß sich in aller Regel kaum absehen läßt, ob sich die Verzögerung zugunsten<br />
oder zu Lasten der Verteidigung des Beschuldigten auswirkt 359 . Des weiteren ist<br />
eine gewisse Rechtsähnlichkeit zur Ermessensüberschreitung gegeben: <strong>Die</strong> Strafverfolgungsbehörden<br />
sind bis aufwenige Ausnahmen nicht durch Fristen, sondern<br />
nur durch das allgemeine "Beschleunigungsgebot" angehalten. Insofern existiert<br />
ein gewisser Freiraum für die Entscheidung, wann welche Maßnahme im jeweiligen<br />
Verfahren vorzunehmen ist <strong>und</strong> in welcher Reihenfolge verschiedene Verfah-<br />
353 Vgl. Weber-Grellet, NJW 1990, S. 1778. Siehe aber auch BVerfGE 81, S.264<br />
(272).<br />
354 BGH, StV 1988, S. 441 (444); vgl. auch BGHSt 19, S. 79 (80 f.). Siehe jetzt auch<br />
OLG Düsseldorf, StV 1990, S. 504 (505).<br />
355 Hassemer, JuS 1990, S. 766. Vgl. auch OLG Celle, NJW 1990, S. 2570 (2571).<br />
356 BGHSt 32, S. 357 (363 f.); 34, S. 146 (149); vgl. auch KG, NStZ 1988, S. 557.<br />
357 Rudolphi in SK StGB, § 336 Rn. 11; ähnlich Behrendt, JuS 1989, S. 946 Fn. 19.<br />
358 BGH, NStZ 1988, S. 218 (219); zustimmend Doller, NStZ 1988, S. 220.<br />
359 <strong>Die</strong> sich hieraus ergebenden Vorsatzprobleme dürften noch weitgehend unklar<br />
sein; vgl. BGHSt 32, S.357 (361); Spendei, JR 1985, S. 489 f.; Fezer, NStZ 1986,<br />
S. 29 f. Siehe auch Schünemann, Verh. 58. DJT, S. B 135.<br />
ren bearbeitet werden sollen 360. Insofern ist der Hinweis Schünemanns beachtenswert,<br />
daß eine Art "Saldotheorie" die Einzelbetrachtung der zeitlichen Bearbeitung<br />
verschiedener Verfahren beim Rechtsbeugungstatbestand ersetzen könnte,<br />
deren "methodengerechte Umsetzung" allerdings "kaum überwindliche Schwierigkeiten"<br />
machen würde 361.<br />
Soweit die unklaren Grenzen der Rechtsbeugung durch Verzögerungen enger<br />
sein sollten als die der Strafvereitelung im Amt, würde die Bestrafung aus § 258a<br />
StGB insoweit an der Sperrwirkung des § 336 StGB 362 scheitern, die auch in<br />
bezug auf andere Rechtspflegedelikte gilt 363 .<br />
e) Wiederaufnahme des Verfahrens, § 359 StPO<br />
Daß kein anderes Ergebnis mit der StPO vereinbar ist, als die Strafbarkeit <strong>von</strong><br />
Amtsträgern wegen Verfahrensverzögerungen auf Extremfälle zu beschränken,<br />
ergibt sich auch aus §§ 359 Nr. 3,362 NI. 3 StPO: Nach rechtskräftiger Verurteilung<br />
(vgl. § 364 StPO) wegen strafbarer Amtspflichtverletzung des Richters, also<br />
etwa wegen §§ 258a, 336, 344 StGB364, ist die Wiederaufnahme des Verfahrens<br />
unabhängig da<strong>von</strong> möglich, ob die Pflichtverletzung Einfluß aufdie Entscheidung<br />
gehabt hat; es liegt also ein absoluter Wiederaufnahmegr<strong>und</strong> vor 365 . Allerdings<br />
wäre der theoretische Anwendungsbereich <strong>von</strong> § 359 NI. 3 StPO, der bisher so<br />
gut wie keine praktische Bedeutung erlangt hat 366 , für den Beschuldigten weniger<br />
groß, als es auf den ersten Blick erscheinen mag: Zum einen findet § 359 Nr. 3<br />
StPO nur auf richterliche Pflichtverletzungen Anwendung 367 <strong>und</strong> zum anderen<br />
nur dann, wenn das Urteil nicht in der Rechtsmittelinstanz in tatsächlicher Hinsicht<br />
vollumfänglich überprüft wurde 368. Praktisch bedeutet dies, daß bei Fortset-<br />
360 Vgl. LG Köln, NStZ 1989, S.442 (443); Schairer, Der befangene Staatsanwalt,<br />
S. 133; Thiel, <strong>Die</strong> polizeiliche Verfolgungspflicht im Rahmen verdeckter Ermittlungen,<br />
S. 58; Kloepfer, JZ 1979, S. 213; Weber-Grellet, NJW 1990, S. 1777.<br />
361 Schünemann, Verh. 58. DJT, S. B 134. Insbesondere erscheint zweifelhaft, inwieweit<br />
eine solche Konstruktion über die Lösungsmöglichkeiten der nicht vollständig<br />
geklärten <strong>und</strong> umstrittenen Rechtsfigur der (rechtfertigenden) Pflichtenkollision hinausgehen<br />
könnte (vgl. statt vieler Otto, Pflichtenkollision <strong>und</strong> RechtswidrigkeitsurteiJ3;<br />
Küper, Gr<strong>und</strong>- <strong>und</strong> Grenzfragen der rechtfertigenden Pflichtenkollision im Strafrecht).<br />
362 A. A. Cramer in SchSch23, § 336 Rn. 7.<br />
363 OLG Düsseldorf, JZ 1990, S. 396; Hassemer, JuS 1990, S. 766 f.<br />
364 Gössel in LR24, § 359 Rn. 38; K. Peters, Fehlerquellen im Strafprozeß III,<br />
§ 13 I 1.<br />
365 BGHSt31, S. 365 (372); Gössel in LR24, § 359Rn. 34; Wasserburg, <strong>Die</strong> Wiederaufnahme<br />
des <strong>Strafverfahren</strong>s, S. 270; 281.<br />
366 Gösse! in LR24, § 359 Rn. 34; Paulus in KMR, § 359 Rn. 31; Wasserburg, <strong>Die</strong><br />
Wiederaufnahme des <strong>Strafverfahren</strong>s, S. 282; K. Peters, Fehlerquellen im Strafprozeß<br />
III, § 13 I 1.<br />
367 Kritisch hierzu Wasserburg, <strong>Die</strong> Wiederaufnahme des <strong>Strafverfahren</strong>s, S. 281.<br />
368 Vgl. (mit unterschiedlicher Begründung) BGHSt 31, S. 365 (372 f.); Gössel in<br />
LR24, § 359 Rn. 42.<br />
7 Scheffler
98 2. Kap.: Schwierigkeiten der Beschleunigung <strong>von</strong> <strong>Strafverfahren</strong> B. Verfahrensbeschleunigung durch den Beschuldigten 99<br />
zung der Sache auf (vollumfängliche) Zurückverweisung (§ 354 11 StPO) oder<br />
Berufung, aber nicht durch abschließende Entscheidungen des Revisionsgerichts<br />
die Wiederaufnahme ausgeschlossen wird 369 - die zur Beschleunigung eines<br />
(rechtskräftig abgeschlossenen) Verfahrens vollständig ungeeignet ist.<br />
Ansonsten ist im Anschluß an Ekkehard Schumann 370 diskutiert worden, ob<br />
die <strong>von</strong> dem EGMR festgestellte Verletzung der Menschenrechtskonvention<br />
einen Wiederaufnahmegr<strong>und</strong> analog § 359 Nr. 5 StPO darstellen könnte. Selbst<br />
wenn man dies - entgegen der herrschenden Ansicht3 71 - gr<strong>und</strong>sätzlich bejahte,<br />
bliebe doch zu fragen, wie denn gerade bei <strong>überlange</strong>r Verfahrensdauer Wiedergutmachung<br />
(vgl. Art. 50 EMRK) durch Verfahrenswiederholung zu leisten sein<br />
sollte 372 • Demzufolge ist dem OLG Koblenz zuzustimmen, das im Fall Eckleder<br />
bislang einzigen Verurteilung der B<strong>und</strong>esrepublik wegen <strong>überlange</strong>r <strong>Strafverfahren</strong>sdauer<br />
durch den EGMR373 - die Wiederaufnahme ablehnte 374. Eine<br />
hiergegen gerichtete Verfassungsbeschwerde hat das BVerfG nicht zur Entscheidung<br />
angenommen, da weder das Willkürverbot des Art. 3 I GG noch sonstiges<br />
Verfassungsrecht durch die unterlassene "ausdehnende Auslegung" <strong>von</strong> § 359<br />
Nr. 5 StPO verletzt sei 375.<br />
f) Verfassungs- <strong>und</strong> Menschenrechtsbeschwerde<br />
Damit sind die denkbaren Möglichkeiten des Beschuldigten, sich gegen Verfahrensverzögerungen<br />
zu wehren, praktisch schon erschöpft. Ergänzungen könnten<br />
sich nur noch durch die Verfassungs- <strong>und</strong> Menschenrechtsbeschwerde, auf die<br />
gelegentlich hingewiesen wird, ergeben.<br />
<strong>Die</strong> Richteranklage gemäß Art. 98 11, V GG kommt entgegen Häsemeyer 376<br />
nicht in Betracht. Zunächst einmal hat der Beschuldigte hierzu überhaupt kein<br />
Antragsrecht. Darüber hinaus setzt die Richteranklage einen Verstoß "gegen die<br />
Gr<strong>und</strong>sätze des Gr<strong>und</strong>gesetzes oder gegen die verfassungsmäßige Ordnung eines<br />
Landes" voraus. Hierunter wird nichts anderes verstanden als ein Verstoß gegen<br />
die freiheitlich-demokratische Gr<strong>und</strong>ordnung 377 • Der Verstoß gegen eine Amts-<br />
369 Vgl. Paulus in KMR, § 359 Rn. 32; Kleinknecht/Meyer, StP039, § 359 Rn. 14;<br />
Wasserburg, <strong>Die</strong> Wiederaufnahme des <strong>Strafverfahren</strong>s, S. 282.<br />
370 E. Schumann, NJW 1964, S. 753 ff.<br />
371 BVerfG (Vorprüfungsausschuß), EuGRZ 1985, S. 654; OLG Stuttgart, VRS 68,<br />
S. 367; OLG Kob1enz, GA 1987, S. 367; Gössel in LR24, vor § 359 Rn. 132; Vogler in:<br />
<strong>Die</strong> Wiederaufnahme des <strong>Strafverfahren</strong>s im deutschen <strong>und</strong> ausländischen Recht,<br />
S.713ff.<br />
372 So wohl auch Krey, <strong>Strafverfahren</strong>srecht I, Rn. 155.<br />
373 EGMR, EuGRZ 1983, S. 371.<br />
374 OLG Koblenz, GA 1987, S. 367.<br />
375 BVerfG (Kammer), Beschl. v. 24.9.1986 - 2 BvR 1021/86 (unveröffentlicht).<br />
376 Häsemeyer, FS Michaelis, S. 137 f., der lediglich ihre "zurückhaltende Anwendung"<br />
empfiehlt. VgJ. auch Dütz, Rechtsstaatlicher Gerichtsschutz im Privatrecht, S. 291.<br />
pflicht, mag es sich auch um eine verfassungsrechtlich garantierte Pflicht handeln,<br />
kann somit nicht die Verantwortlichkeit des Richters nach Art. 98 11, V GG<br />
begründen 378. Etwas anderes könnte nur - rein theoretisch - dann gelten, wenn<br />
- etwa in einem "politischen Prozeß" - die Verzögerung durch den Richter<br />
Ausdruck seiner aggressiv-kämpferischen Haltung gegen die freiheitlich- demokratische<br />
Gr<strong>und</strong>ordnung darstellte 379 .<br />
aa) Verfassungsbeschwerde<br />
Bei der Verfassungsbeschwerde ist schon die Zulässigkeit äußerst umstritten:<br />
Häufig wird schon die erforderliche Gr<strong>und</strong>rechtsverletzung verneint <strong>und</strong> das<br />
Beschleunigungsprinzip nur objektiv-rechtlich aus Art. 20 GG abgeleitet 38o . Verschiedene<br />
Versuche, das Beschleunigungsprinzip aus den Justizgr<strong>und</strong>rechten abzuleiten,<br />
erscheinen problematisch:<br />
<strong>Die</strong> einmal vom BVerfG geäußerte Auffassung, Justizverweigerung könnte<br />
einen durch Art. 101 I Satz 2 GG (Gebot des gesetzlichen Richters) verbotenen<br />
Fall darstellen 381, beruht - begründungslos 382 - nur auf einem Hinweis auf<br />
Kern, der zwar auch ausdrücklich <strong>von</strong> Justizverzögerung spricht 38 3, aber vom<br />
BVerfG mißverstanden wird384. Nun wäre dies an sich "kein Argument" 385.<br />
Richtig dürfte jedoch sein, daß Art. 101 I Satz 2 GG keinen Anspruch auf<br />
Justizgewährung gibt 386 . <strong>Die</strong> gesetzlichen Zuständigkeiten bleiben unangetastet;<br />
die Sache liegt niemandem anders als ihrem gesetzlichen Richter vor, <strong>und</strong> niemand<br />
hindert diesen an der Entscheidung der Sache 387 .<br />
<strong>Die</strong> gelegentlich geäußerte Ansicht 388, eine Verletzung des Beschleunigungsprinzips<br />
würde gleichzeitig eine Verletzung des Gr<strong>und</strong>satzes des rechtlichen<br />
377 Herzog in Maunz I Dürig, Art. 98 Rn. 24 ff.; H. Klein, JZ 1963, S. 591.<br />
378 H. Klein, JZ 1963, S. 591; zustimmend Joachim, DRiZ 1965, S. 186. Vgl. auch<br />
Bettermann in: <strong>Die</strong> Gr<strong>und</strong>rechte III12, S. 583 ff.<br />
379 Häsemeyer, FS Michaelis, S. 138; vgJ. auch Herzog in Maunz I Dürig, Art. 98<br />
Rn. 26.<br />
380 Bettermann in: <strong>Die</strong> Gr<strong>und</strong>rechte I1I/2, S. 559; Häsemeyer, FS Michaelis, S. 138<br />
Fn.18.<br />
381 BVerfGE 3, S. 359 (364); zustimmend J. Blomeyer, NJW 1977, S. 559; wohl auch<br />
K10epfer, JZ 1979, S. 21<strong>3.</strong><br />
382 Vgl. Marx, Der gesetzliche Richter, S. 71 Fn. 334.<br />
383 Kern, Der gesetzliche Richter, S. 203 f.<br />
384 Bettermann in: <strong>Die</strong> Gr<strong>und</strong>rechte III/2, S. 559; Marx, Der gesetzliche Richter,<br />
S.71 Fn. 334; Häsemeyer, FS Michaelis, S. 138 Fn. 18; H. Klein, JZ 1963, S. 592.<br />
385 Joachim, DRiZ 1965, S. 186.<br />
386 Bettermann in: <strong>Die</strong> Gr<strong>und</strong>rechte I1I/2, S. 559.<br />
387 Marx, Der gesetzliche Richter, S. 71.<br />
388 Baur, AcP 153 (1954), S. 398 ff.; Habscheid, ZZP 67 (1954), S. 197; Dahs, Das<br />
rechtliche Gehör im Strafprozeß, S. 8 ff.; Eb. Schmidt, Lehrkomm. I, Rn. 17.<br />
7*
100 2. Kap.: Schwierigkeiten der Beschleunigung <strong>von</strong> <strong>Strafverfahren</strong> B. Verfahrensbeschleunigung durch den Beschuldigten 101<br />
Gehörs bedeuten, so daß die Verfassungsbeschwerde auf Art. 103 I GG gestützt<br />
werden könnte, erscheint so ebenfalls nicht richtig. Beide Prinzipien haben selbständige<br />
Bedeutung. Sie können sich zwar berühren 389; regelmäßig wird <strong>überlange</strong><br />
Verfahrensdauer jedoch ohne gleichzeitige Verletzung des rechtlichen Gehörs<br />
vorliegen. Im Einzelfall kann sogar das Gr<strong>und</strong>recht auf rechtliches Gehör dem<br />
Beschleunigungsgebot entgegenstehen 390.<br />
In der verfassungsrechtlichen Literatur wird weiterhin häufig die Auffassung<br />
vertreten, für die rechtsprechende Gewalt folge aus Art. 19 IV GG ein mit der<br />
Verfassungsbeschwerde einklagbares Gebot zur Verfahrensbeschleunigung 391 .<br />
Auch das BVerfG hat betont, Art. 19 IV GG garantiere Rechtsschutz innerhalb<br />
angemessener Zeit 392 . Schließlich hat eine Kammer des BVerfG bei <strong>überlange</strong>r<br />
<strong>Dauer</strong> eines Finanzgerichtsverfahrens eine Verfassungsbeschwerde "unter dem<br />
Gesichtspunkt effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. IV GG)" gr<strong>und</strong>sätzlich<br />
für möglich gehalten 39<strong>3.</strong> Erste Bedenken gegen die Übertragung dieser Überlegungen<br />
auf das <strong>Strafverfahren</strong> fußen darauf, daß hier dem Bürger nicht Rechtsschutz<br />
gewährt, sondern ein Eingriff angedroht wird 394. Deshalb ist im <strong>Strafverfahren</strong><br />
"der Zugang zum Gericht normalerweise unproblematisch" 395. Denkfehlerhaft<br />
wäre es allerdings, Art. 19 IV GG deshalb für nicht anwendbar zu halten, weil<br />
nach ständiger Rechtsprechung des BVerfG Art. 19 IV GG Schutz durch den<br />
Richter, nicht gegen ihn gewährt 396 . Denn es kommt nicht daraufan, ob Art. 19 IV<br />
GG einen Rechtsweg gegen Beeinträchtigungen durch die rechtsprechende Gewalt<br />
eröffnet, sondern darauf, ob die Gerichtsbarkeit das in Art. 19 IV GG<br />
garantierte Recht aufJustizgewährung verletzen kann 397. Umgekehrt kommt vielmehr<br />
dem Bedeutung zu, daß - wie auch die eben schon aus anderen Gründen<br />
abgelehnten Art. 101 I Satz 2, 103 I GG - Art. 19 IV GG gerade nur <strong>von</strong><br />
richterlichen Handlungen, nicht aber etwa <strong>von</strong> der Staatsanwaltschaft tangiert<br />
werden kann. Zudem ist zu bedenken, daß es im Rahmen <strong>von</strong> Art. 19 IV GG<br />
nur um Justizverweigerung gehen kann, also Art. 19 IV GG durch Verzögerungen<br />
überhaupt erst verletzt werden könnte, wenn man annimmt, daß Verzögerungen<br />
qualitativ in Verweigerung umschlagen können, also lediglich, wie Schmidt<br />
Aßmann formuliert, "in besonders krassen Fällen"398.<br />
389 BayVerfGHE 16, S. 10; Mendler, NJW 1961, S. 2104; Röhl, NJW 1964, S. 278.<br />
390 Gössel, OLGSt (neu) NI. 2 zu § 453 StPO, S. 5; Priebe, FS v. Simson, S. 305.<br />
391 Bötticher, ZZP 74 (1961), S. 317; H. Klein, JZ 1963, S. 592; Kloepfer, JZ 1979,<br />
S. 215; Schmidt-Aßmann in Maunz / Dürig, Art. 19 Abs. IV Rn. 263; Papier, HdB Staatsrecht<br />
VI, § 154 Rn. 78.<br />
392 BVerfGE 55, S. 349 (369); 60, S. 253 (269).<br />
393 BVerfG (Kammer), DB 1987, S. 1722.<br />
394 Vgl. Kirchhof, FS Doehring, S. 450 f.<br />
395 Frowein, Der europäische Gr<strong>und</strong>rechtsschutz <strong>und</strong> die nationale Gerichtsbarkeit,<br />
S.2<strong>3.</strong><br />
396 BVerfGE 4, S. 74 (96); 11, S. 263 (265); 15, S. 275 (280); 22, S. 106 (110); 25,<br />
S. 352 (375); 49, S. 329 (340); 73, S. 339 (372 f.); 77, S. 1 (51 f.).<br />
397 Vgl. H. Klein, JZ 1963, S. 592.<br />
Allerdings bleibt zu prüfen, ob nicht die Möglichkeit einer Verfassungsbeschwerde<br />
auch anders als durch extensive Interpretation <strong>von</strong> Justizgr<strong>und</strong>rechten<br />
eröffnet sein kann. <strong>Die</strong> nächstliegende Möglichkeit scheidet allerdings nach ganz<br />
herrschender Ansicht aus: Entgegen Guradze 399 läßt sich eine Verfassungsbeschwerde<br />
nicht aufArt. 6 I EMRK stützen, da nach der ständigen Rechtsprechung<br />
des BVerfG die Menschenrechtskonvention nicht Verfassungsrang hat400. Man<br />
wird auch kaum mit Klug sagen können, Art. 6 I EMRK enthielte "ungeschriebene<br />
GG-Normen"401.<br />
Eine "Wendung"402 hat sich allerdings in den letzten Jahren vollzogen: Hatte<br />
das BVerfG bisher Normen der EMRK lediglich zur Auffüllung <strong>von</strong> Begriffen<br />
des Gr<strong>und</strong>gesetzes herangezogen, also Gr<strong>und</strong>rechte unter Berücksichtigung der<br />
EMRK interpretiert 40 \ so deutet es nunmehr an, daß es die Auslegung der<br />
Vorschriften der EMRK am Willkürverbot prüfen würde 404 • Bezogen auf<strong>überlange</strong><br />
Verfahrensdauer bedeutet dies, daß das BVerfG nunmehr im Rahmen <strong>von</strong><br />
Art. 3 GG messen könnte, inwieweit Art. 6 I EMRK verletzt ist. <strong>Die</strong>ser "neue<br />
Standard"405 weist nun eine überraschende Parallele zu der älteren Auffassung<br />
Habscheids <strong>und</strong> Lindachers auf406, bei Verletzung des Beschleunigungsprinzips<br />
könne das Willkürverbot <strong>von</strong> Art. 3 I GG verletzt sein. <strong>Die</strong>se Aussage ist kaum<br />
einmal näher betrachtet worden. Häsemeyer 407 hat ihr entgegengehalten, Verfahrensverzögerungen<br />
würden nicht immer auf Absicht beruhen- <strong>und</strong> dabei übersehen,<br />
daß es im Rahmen <strong>von</strong> Art. 3 I GG nur auf Willkür im objektiven Sinn<br />
ankommt408. 1985 hat auch das BVerfG in einer Strafvollzugssache ausgeführt,<br />
die "erheblichen Verzögerungen" durch die Vollzugsbehörden verstießen gegen<br />
das Willkürverbot des Art. 3 I GG409. <strong>Die</strong> Problematik der Auffassung liegt<br />
woanders: Willkür liegt nicht schon dann vor, wenn die Rechtsanwendung fehlerhaft<br />
ist. Hinzukommen muß vielmehr, daß die Ausrichtung des gesamten Rechts<br />
aufdie Wertordnung des Gr<strong>und</strong>gesetzes verfehlt ist, also die besonderen Wertentscheidungen<br />
der Verfassung nicht beachtet werden 41O . Auch diese Lösung könnte<br />
398 Schmidt-Aßmann in Maunz/Dürig, Art. 19 Abs. IV Rn. 26<strong>3.</strong><br />
399 Guradze, EMRK, Einl. § 10 Anm. I; NJW 1960, S. 1243; DÖV 1960, S. 286 ff.<br />
400 BVerfGE 10, S. 271 (274); 34, S. 384 (395); 41, S. 88 (105 f.); S. 126 (149); 64,<br />
S. 135 (157); vgl. auch schon 4, S. 110 (111 f.); 6, S. 389 (440); offen gelassen noch<br />
in 9, S. 36 (39).<br />
401 Klug, GS H. Peters, S. 442.<br />
402 Frowein, FS Zeidler, S. 1766.<br />
403 Vgl. etwa BVerfGE 15, S.245 (255 f.); 19, S. 342 (347); 20, S. 162 (208); 31,<br />
S. 58 (67); 35, S. 311 (320).<br />
404 BVerfGE 64, S. 135 (157); 74, S. 102 (128).<br />
405 Frowein, FS Zeidler, S. 1766.<br />
406 Habscheid, ZZP 67 (1954), S. 196 f.; Lindacher, DRiZ 1965, S. 199.<br />
407 Häsemeyer, FS Michaelis, S. 138 Fn. 18.<br />
408<br />
200.<br />
Vgl. BVerfGE 69, S. 161 (169); Leibholz/ Rinck/Hesselberger, GG, Art. 3 Rn. 28;<br />
409 BVerfGE 69, S. 161 (168).
--_._--------- ------------------<br />
102<br />
2. Kap.: Schwierigkeiten der Beschleunigung <strong>von</strong> <strong>Strafverfahren</strong> B. Verfahrensbeschleunigung durch den Beschuldigten 103<br />
also nicht über den Weg über Art. 19 IV GG hinausgehen. Vielmehr wäre die<br />
Verfassungsbeschwerde auf "wohl selten bleibende Ausnahmefälle" beschränkt<br />
411 .<br />
Einen anderen Weg, Verletzungen <strong>von</strong> Konventionsrechten vor das BVerfG<br />
zu bringen, haben vor allem Seibert <strong>und</strong> Frowein gewiesen 412 . Bei einem Verstoß<br />
gegen die EMRK sei Art. 2 I GG verletzt: <strong>Die</strong> Konvention sei Bestandteil der<br />
"verfassungsmäßigen Ordnung", so daß ihr widersprechende Einzelakte oder<br />
Rechtsnormen <strong>von</strong> der Schrankenklausel des Art. 2 I GG erfaßt würden. <strong>Die</strong>se<br />
Auffassung kommt der früher <strong>von</strong> Echterhälter vertretenen Ansicht nahe 41 3, die<br />
Konventionsrechte gehörten zu den "unverletzlichen <strong>und</strong> unveräußerlichen Menschenrechten"<br />
i. S. v. Art. 1 11 GG414. Frowein kann insoweit auf die Rechtsprechung<br />
des BVerfG verweisen, daß Art. 2 I GG gegen belastende Hoheitsakte<br />
schützt, die gegen allgemeine Regeln des Völkerrechts verstoßen 415 . Im übrigen<br />
korrespondiert diese Auffassung damit, daß schon häufiger, auch vom BVerfG,<br />
angenommen wurde, <strong>überlange</strong> Verfahrensdauer könne über Art. 2 I GG mit der<br />
Verfassungsbeschwerde gerügt werden, weil hierdurch die Handlungsfreiheit<br />
verletzt würde 416 .<br />
Darüber hinaus erweist sich auch das Erfordernis der Rechtswegerschöpfung<br />
als Problem. Da es um die Anfechtung der Verfahrensführung <strong>und</strong> nicht die des<br />
Urteils geht, sperrt zwar nicht die Möglichkeit, Rechtsmittel gegen das Urteil<br />
einzulegen, so daß insoweit die Verfassungsbeschwerde aufgr<strong>und</strong> der Untätigkeit<br />
möglich wäre 417 • <strong>Die</strong> Verfassungsbeschwerde ist jedoch gegen solche Entscheidungen<br />
(bzw. Unterlassungen) unzulässig, gegen die wegen § 305 StPO nicht<br />
einmal die gewöhnliche Beschwerde zulässig ist 418 . Nichts anderes dürfte dann<br />
410 Vgl. BVerfGE 12, S. 124; 29, S.56; 31, S.218; 36, S.235; Leibholz/Rinck/<br />
Hesselberger, GG, Art. 3 Rn. 198; E. Klein in: Entwicklung der Menschenrechte innerhalb<br />
der Staaten des Europarates, S. 58.<br />
411 K. Kühl, ZStW 100 (1988), S. 427; ähnlich Spaniol, Das Recht aufVerteidigerbeistand,<br />
S. 189. Vgl. aber auch Sommermann, AöR 114 (1989), S. 412 f.<br />
412 Seibert, FS M. Hirsch, S. 522 ff.; Frowein, Der europäische Gr<strong>und</strong>rechtsschutz<br />
<strong>und</strong> die nationale Gerichtsbarkeit, S.26; ZaöRV 46 (1986), S. 286 ff.; FS Zeidler,<br />
S. 1768 ff.; kritisch Sommermann, AöR 114 (1989), S. 408 ff.; Spaniol, Das Recht auf<br />
Verteidigerbeistand, S. 187 ff. Vgl. auch K. Kühl, ZStW 100 (1988), S. 427 ff.; E. Klein<br />
in: Entwicklung der Menschenrechte innerhalb der Staaten des Europarates, S. 53 ff.<br />
413 Vgl. Sommermann, AöR 114 (1989), S. 409 f.<br />
414 Echterhölter, JZ 1955, S. 691 f.; 1956, S. 142; ähnlich Klug, GS H. Peters, S. 442.<br />
415 Frowein, FS Zeidler, S. 1768, mit Hinweis auf BVerfGE 23, S.288 (300); 31,<br />
S. 145 (177).<br />
416 BVerfG (Vorprüfungsausschuß), NStZ 1982, S. 430; NJW 1984, S. 967; vgl. auch<br />
EuGRZ 1979, S. 363; K. Peters in: Strafprozeß <strong>und</strong> Reform, S. 93; 1. Roxin, Rechtsfolgen,<br />
S. 161; Krey, <strong>Strafverfahren</strong>srecht I, Rn. 130; v. Stackelberg, FS Bockelmann, S. 768;<br />
Schroth, NJW 1990, S. 29 f.; Niebier, FS Kleinknecht, S. 311.<br />
417 Vgl. Leibholz/Rupprecht, BVerfGG, § 90 Rn. 79.<br />
418 BVerfGE 1, S. 9 (10); 9, S. 261 (265); Kleinknecht/Meyer, StP039, § 305 Rn. 1;<br />
W. Gollwitzer in LR24, § 305 Rn. 5; Schwentker, Der Ausschluß der Beschwerde nach<br />
§ 305 StPO, S. 155; unklar Frisch, SK StPO, vor § 296 Rn. 50.<br />
auch für das staatsanwaltschaftliehe Ermittlungsverfahren gelten, sofern man die<br />
fehlende Anfechtungsmöglichkeit damit begründet, daß einzelne staatsanwaltschaftliehe<br />
Handlungen bzw. Unterlassungen nur zusammen mit der Endentscheidung<br />
(Anklageerhebung oder Einstellung gemäß § 170 11 StPO) anfechtbar<br />
sind 419 .<br />
Aber selbst die Einlegung einer zulässigen Verfassungsbeschwerde hilft fast<br />
nur theoretisch weiter: Rein praktisch stellt sich die Verfassungsbeschwerde<br />
gr<strong>und</strong>sätzlich als ein im Justizalltag zu aufwendiges <strong>und</strong> stumpfes Mittel dar,<br />
um effektiv zur Beschleunigung eingesetzt werden zu können 42o . Paradoxerweise<br />
nutzt dem Beschuldigten noch am ehesten ein Nichtannahmebeschluß einer Kammer<br />
mit dem Hinweis an das Gericht, die Grenze angemessener Verfahrensdauer<br />
sei nahezu erreicht 421 . Allerdings dauern auch Vorprüfungsverfahren häufig zwei<br />
Jahre422.<br />
bb) Menschenrechtsbeschwerde<br />
Rein konstruktiv könnte auch vom Beschuldigten gemäß Art. 25,6 I, 53 EMRK<br />
versucht werden, (weitere) Verzögerungen im laufenden Verfahren durch die<br />
Menschenrechtsbeschwerde zu verhindern. Beachtung verdient zunächst, daß der<br />
Beschuldigte in diesen Verfahren nicht Partei ist 423 . Unabhängig <strong>von</strong> den schwierigen<br />
<strong>und</strong> auch nicht umfassend geklärten Fragen der Erschöpfung des Rechtsweges<br />
in diesem Fall 424 erweist sich die Menschenrechtsbeschwerde ebenfalls<br />
zur Verfahrensbeschleunigung als kaum geeignet: Verfahren vor den Straßburger<br />
Organen dauern bis zur Entscheidung des EGMR im Durchschnitt mindestens<br />
fünf bis höchstens sieben Jahre <strong>und</strong> sechs Monate425. Allerdings erfolgt nach der<br />
Verfahrenspraxis der Kommission, schon nachdem eine Beschwerde für zulässig<br />
erklärt <strong>und</strong> der Sachverhalt aufgeklärt ist, eine vorläufige Abstimmung zur Frage,<br />
ob die geltendgemachten Menschenrechtsverletzungen zu bejahen sind oder nicht.<br />
<strong>Die</strong> beklagte Regierung wird <strong>von</strong> diesem vorläufigen Abstimmungsergebnis unterrichtet.<br />
Häufig zieht sie dann eine gütliche Beilegung einem sie möglicherweise<br />
belastenden Bericht der Kommission vor <strong>und</strong> macht entsprechende Vorschläge<br />
419 Vgl. Frisch in SK StPO, vor § 296 Rn. 4<strong>3.</strong><br />
420 Häsemeyer, FS Michaelis, S. 138; Priebe, FS v. Simson, S. 297.<br />
421 Priebe, FS v. Simson, S. 297; siehe BVerfG (Vorprüfungsausschuß), EuGRZ 1982,<br />
S. 75 f.; vgl. auch BVerfGE 55, S. 349 (369 f.).<br />
422 Vgl. Pestalozza, Verfassungsprozeßrecht2, § 14 vor I; Zuck, NJW 1990, S. 2449.<br />
423 Vgl. v. Stackelberg / v. Stackelberg, Das Verfahren der deutschen Verfassungsbeschwerde<br />
<strong>und</strong> der europäischen Menschenrechtsbeschwerde, Rn. 78; A. Blomeyer, FS<br />
Bötticher, S. 64; Ress in: Europäischer Menschenrechtsschutz, S. 248.<br />
424 Vgl. dazu Peukert, EuGRZ 1979, S. 263 ff.; Schaupp-Haag, <strong>Die</strong> Erschöpfung des<br />
innerstaatlichen Rechtsweges, S. 36; 55.<br />
425 Matscher, EuGRZ 1982, S. 528; Miehsler / Vogler, IntKomm Art. 6, Rn. 317 Fn. 1;<br />
Ulsamer, FS Faller, S. 376 Fn. 11; vgl. dazu auch B. Wagner, EuGRZ 1983, S. 485; K.<br />
Kühl, ZStW 100 (1988), S. 416 f.
104 2. Kap.: Schwierigkeiten der Beschleunigung <strong>von</strong> <strong>Strafverfahren</strong><br />
zur Beilegung 426. So berichtet Peukert <strong>von</strong> vier gegen die B<strong>und</strong>esrepublik<br />
Deutschland gerichteten Beschwerden über die <strong>Dauer</strong> <strong>von</strong> <strong>Strafverfahren</strong>, die<br />
durch gütliche Beilegung - gnadenweise Strafaussetzung - relativ schnell<br />
zugunsten des Beschwerdeführers erledigt werden konnten 427 •<br />
Drittes Kapitel<br />
Aufgliederung des Begriffs<br />
der <strong>überlange</strong>n Verfahrensdauer<br />
Zur Ermöglichung neuer Rechtsfolgenbestimmung<br />
Das gewonnene Zwischenergebnis fällt also dürftig aus: Der Beschuldigte hat<br />
kaum praktikable Möglichkeiten, Verzögerungen "seines" Verfahrens durch die<br />
Strafverfolgungsorgane zu vermeiden. Am ehesten kommen noch die "Zweckentfremdung"<br />
des Befangenheitsrechts bei richterlichen Verzögerungen <strong>und</strong> die<br />
<strong>Die</strong>nstaufsichtsbeschwerde hinsichtlich des Staatsanwalts in Betracht. Ob diese<br />
SChwierigkeit de lege ferenda gr<strong>und</strong>legend ohne tiefe Struktureingriffe in das<br />
Prozeßrecht zu beseitigen wäre, muß äußerst skeptisch beurteilt werden.<br />
Aber selbst dann wäre <strong>überlange</strong> Verfahrensdauer denkbar, die sich den Anträgen<br />
<strong>und</strong> (innerstaatlichen) Rechtsbehelfen (im weiteren Sinne) des Beschuldigten<br />
entzöge: Verfahrensüberlänge kann auch darauf beruhen, daß aufgr<strong>und</strong> <strong>von</strong> Verfahrensstruktur<br />
<strong>und</strong> Prozeßgegenstand eine Sache nicht in normaler Zeit erledigt<br />
werden kann. Hiergegen könnte sich der Beschuldigte nur insofern ohne Verzicht<br />
auf Verteidigungsaktivitäten wehren, als daß er sich um die vieldiskutierte verfahrensabkürzende<br />
"Verständigung" mit den Strafverfolgungsorganen bemüht <br />
auf die er auch in Anbetracht zu erwartender (über-)langer Verfahrensdauer<br />
keinerlei Anspruch hat!. Insofern kann man die "Verständigung" jedOCh nicht<br />
als eine Art Rechtsbehelf des Beschuldigten gegen <strong>überlange</strong> Verfahrensdauer<br />
verstehen. Wenngleich der weitere Verlauf der Diskussion um dieses Thema<br />
noch nicht abzusehen ist, spricht wohl sehr viel dafür, daß sich hieran auch in<br />
Zukunft nichts ändern wird: Auch die bisherigen Vorschläge, die "Verständigung"<br />
zu verrechtlichen, sehen nur vor, deren Zulässigkeit gesetzlich zu regeln, nicht<br />
aber, eine "Verständigung" etwa bei (drohender) <strong>überlange</strong>r Verfahrensdauer für<br />
das Gericht auf Betreiben des BeSChuldigten vorzuschreiben 2 •<br />
Überlange Verfahrensdauer aufgr<strong>und</strong> eines langwierigen, jedoch unverzögerten<br />
Verfahrens kann nichtsdestotrotz lediglich durch Veränderungen des Straf-<br />
426 Peukert, EuGRZ 1979, S. 274. Vgl. auch Ostendorf, StV 1990, S. 231.<br />
427 Peukert, EuGRZ 1979, S.274 Fn. 141. Vgl. auch Vogler, ZStW 89 (1977),<br />
S. 781 f.; Frowein, JZ 1969, S. 214.<br />
I Vgl. dazu Siolek, DRiZ 1989, S. 32<strong>3.</strong> Siehe jetzt auch BGH, NStZ 1991, S. 346<br />
(347 f.).<br />
2 Vgl. etwa Baumann, NStZ 1987, S. 161; Bode, DRiZ 1988, S. 287 f.; Wagner /<br />
Rönnau, GA 1990, S. 388 ff.; Schünemann in: Absprache im Strafprozeß, S. 148; Verh.<br />
58. DJT, S. B 160.
106 <strong>3.</strong> Kap.: Aufgliederung des Begriffs der <strong>überlange</strong>n Verfahrensdauer A. Zur Unterscheidung <strong>von</strong> Verfahrenslänge <strong>und</strong> -verzögerungen 107<br />
(verfahrens)rechts verhindert werden. Insoweit also, wie Verfahrenslänge "auf<br />
einem komplizierten Prozeßrecht"3beruht, hat die oben4angesprochene Strafprozeßreform<br />
Relevanz zur Verhinderung <strong>überlange</strong>r Verfahrensdauer.<br />
Historisch gesehen hat sich die Diskussion <strong>überlange</strong>r Verfahrensdauer auch<br />
nicht an Verfahrensverzögerungen durch die Strafverfolgungsbehörden entzündet:<br />
Klagen über die lange Prozeßdauer häuften sich zum Ende der Zeit der<br />
Weimarer Republik 5 . Ausgelöst wurden sie durch die <strong>Dauer</strong> sog. Monstreverfahren.<br />
Es handelte sich meist um Wirtschaftsstrafsachen, hervorgerufen durch den<br />
Zusammenbruch zahlreicher deutscher Unternehmen infolge der Weltwirtschaftskrise<br />
6 . Allerdings waren diese Verfahren vom Umfang her nicht mit den großen<br />
Prozessen der letzten dreißig Jahre (Wirtschafts-, Contergan-, Terroristen- <strong>und</strong><br />
NS-Verfahren) yergleichbar 7 . Schon in der damaligen Diskussion um die Monstreprozesse<br />
fällt auf, daß vor allem die unzulängliche Ausgestaltung des Strafprozeßrechts<br />
für die Verfahrensdauer verantwortlich gemacht wird, wie das später<br />
besonders drastisch das LG Aachen für das Contergan-Verfahren ausgedrückt<br />
hat: Das LG Aachen wies in seinem Einstellungsbeschluß auf"unsinnige" Bestimmungen<br />
<strong>und</strong> die "Unzulänglichkeit der auf Prozesse dieses Ausmaßes nicht<br />
zugeschnittenen Strafprozeßordnung" hin 8.<br />
Hinweise auf die Problematik <strong>von</strong> Verfahrensverzögerungen durch die Strafverfolgungsorgane<br />
finden sich dagegen in Äußerungen aus den zwanziger <strong>und</strong><br />
dreißiger Jahren nur relativ selten: Robert v. Hippel etwa wirft den Richtern ein<br />
"uferloses Streben nach sog. Gründlichkeit; in Wirklichkeit Prozeßverschleppung"<br />
vor, wodurch "unnötige Prozeßdauer" entstünde 9 • Baumbach fragte, wie<br />
oft eine Verhandlung in weitaus kürzerer Zeit ebenso gut <strong>und</strong> besser zu erledigen<br />
wäre, wenn der Vorsitzende "die Zügel straff in der Hand hätte, zielbewußt auf<br />
das Wesentliche hinsteuerte, den Prozeßstoffrichtig anordnete <strong>und</strong> sich um Presse<br />
<strong>und</strong> Oeffentlichkeit nicht kümmerte" 10. Baumbach gehörte auch zu den wenigen,<br />
die gesetzliche Maßnahmen als wenig erfolgversprechend ablehnten: "Der Vorsitzende<br />
... ist der, an den man sich zu halten hat" 11.<br />
3 Kloepfer, JZ 1979, S. 215.<br />
4 Oben, 2. Kap. A 11.<br />
5 Siehe dazu Hachenburg/Bing, DJZ 1932, Sp. 913; K. Peters in: Strafprozeß <strong>und</strong><br />
Refonn, S. 82; Küng-Hofer, Beschleunigung, S. 2; Grauhan, GA 1976, S. 225; Rebmann,<br />
NStZ 1984, S. 241; G. Schmidt, JR 1974, S. 321; Hernnann, ZStW 85 (1973), S. 255 f.<br />
6 Hernnann, ZStW 85 (1973), S. 255; Rebmann, NStZ 1984, S. 241.<br />
7 Siehe K. Schäfer in LR24, Einl. Kap. 3 Rn. 18; K. Peters in: Strafprozeß <strong>und</strong> Refonn,<br />
S. 82; Hernnann, ZStW 85 (1973), S. 256; Wolfslast, NStZ 1990, S. 410; Hammerstein<br />
in: Absprache im Strafprozeß, S. 95.<br />
8 LG Aachen, JZ 1971, S. 507 (520). Vgl. dazu Bruns, FS Maurach, S. 481 f.<br />
9 Siehe Rob. v. Hippel, Lehrbuch des Strafrechts, § 98 IV 1 d; MschrKrim 26 (1935),<br />
S. 245; Der deutsche Strafprozeß, § 25 I 3 Fn. 2; § 59 VI; ähnlich auch Siegert, DRiZ<br />
1932, S. 203; Hel. Lehmann, DRiZ 1932, S. 12<strong>3.</strong><br />
10 Baumbach, DJZ 1934, Sp. 128.<br />
11 Baumbach, DJZ 1934, Sp. 128.<br />
Ansonsten schlug man die Erweiterung oder jedenfalls extensive Anwendung<br />
des erst durch die sog. "Emminger-Verordnung"12 1924 eingeführten § 154<br />
StPO 13 sowie sonstige, teilweise weitgehende gesetzliche Änderungen 14 vor:<br />
"Aber der wahre Gr<strong>und</strong> dieser Rechtsinflation ... liegt im Gesetz" 15. Hintergr<strong>und</strong><br />
dieser Klagen ist also vor allem, daß bezweifelt wird, "ob das Endergebnis<br />
derartiger Prozesse mit dem aufgebotenen Aufwand wirklich im Verhältnis<br />
steht" 16. Ganz deutlich wird dies an den Worten, mit denen Kern einen <strong>von</strong> ihm<br />
dargestellten exemplarischen Einzelfall kommentierte: "Gewiß hat jeder einzelne<br />
Beamte, der in der Prüfung <strong>und</strong> Entscheidung der Sache mitgewirkt hat, pflichtgemäß<br />
mit aller Beschleunigung gearbeitet; aber das Verfahren ist in der Tat viel<br />
zu umständlich." 17<br />
A. Zur Unterscheidung <strong>von</strong><br />
Verfahrenslänge <strong>und</strong> -verzögerungen<br />
<strong>Die</strong> entscheidende Problematik bei Monstreprozessen wurde also schon damals<br />
darin gesehen, daß das Strafprozeßrecht zu umständlich sei, um solche Umfangsachen<br />
zu bewältigen. Großverfahren stellen den Hauptfall dieser Gruppe dar, die<br />
<strong>von</strong> derjenigen, die gemeinhin unter dem Schlagwort <strong>überlange</strong>r Verfahrensdauer<br />
diskutiert wird <strong>und</strong> bisher im Mittelpunkt dieser Untersuchung stand, nämlich<br />
der der <strong>von</strong> den Strafverfolgungsbehörden verzögerten Verfahren, theoretisch<br />
scharf zu unterscheiden ist: Es handelt sich, um dies nochmals zu betonen, um<br />
die Konstellation, daß ein Verfahren aus in seinem Gegenstand liegenden Gründen<br />
länger dauert, als es angebracht erscheint. So ist etwa bezüglich des Contergan<br />
Verfahrens nie der Vorwurf aufgetaucht, die Strafverfolgungsbehörden hätten es<br />
verzögert 18. Umgekehrt hatte z. B. das OLG Stuttgart als Revisionsgericht in<br />
einer Verkehrssache Veranlassung gesehen, Rechtsfolgen wegen der Anberaumung<br />
einer Hauptverhandlung (erst) drei Monate nach Tat <strong>und</strong> Verfahrenseinlei-<br />
12 <strong>Die</strong> VO sollte "bis an die Grenzen des im Interesse der Rechtspflege noch Erträglichen<br />
die Strafrechtspflege vereinfachen <strong>und</strong> verbilligen"; vgl. Eb. Schmidt, Einführung<br />
in die Geschichte der deutschen Strafrechtspflege 3 , S. 418; teilw. abw. Vonnbaum, <strong>Die</strong><br />
Lex Emminger vom 24. Januar 1924, S. 83 f,; 174 ff.<br />
13 Siegert, DRiZ 1932, S. 204; Bethke, DJZ 1932, Sp. 1470; Ebennaier, DRiZ 1932,<br />
S. 123; Rob. v. Hippel, Lehrbuch des Strafrechts, § 98 IV 1 d Fn. 6; MschrKrim 26<br />
(1935), S. 244; Gerland/Heilbron, ZStW 55 (1936), S. 719.<br />
14 Siegert, DRiZ 1932, S. 205; Bethke, DJZ 1932, Sp. 1470; Schwarz, DJZ 1934, Sp.<br />
50; Rob. v. Hippe!, MschrKrim 26 (1935), S. 245 f.; Oetker, GerS 105 (1935), S. 1 ff.;<br />
Gallrein, Das schleunige Verfahren im Strafprozess, S. 86 ff.<br />
15 Hel. Lehmann, DRiZ 1932, S. 12<strong>3.</strong><br />
16 Hel. Lehmann, DRiZ 1932, S. 12<strong>3.</strong><br />
17 Kern, MschrKrimPsych 15 (1924), S.261. Vgl. auch Gallrein, Das schleunige<br />
Verfahren im Strafprozess, S. 2.<br />
18 Vgl. Hernnann, ZStW 85 (1973), S. 258; Bruns, FS Maurach, S. 472; Ostenneyer,<br />
ZRP 1971, S. 76; Schultz, MDR 1971, S. 191.
108 <strong>3.</strong> Kap.: Aufgliederung des Begriffs der <strong>überlange</strong>n Verfahrensdauer A. Zur Unterscheidung <strong>von</strong> Verfahrenslänge <strong>und</strong> -verzögerungen 109<br />
tung zu diskutieren 19. In der Mehrzahl der Fälle freilich werden lange Verfahrensdauer<br />
<strong>und</strong> Verfahrensverzögerungen zusammenfallen, wird die Verfahrensdauer<br />
auf Verfahrensverzögerungen beruhen. Demzufolge wird die Unterscheidung<br />
danach, ob ein Verfahren verzögert ist oder aber zwar unverzögert ist, jedoch<br />
zu lange dauert, in Rechtsprechung <strong>und</strong> Literatur nur unzulänglich vorgenommen.<br />
I. Untersuchungshaftdauer<br />
Das erstaunt, da die Unterscheidung zwischen Verfahrensdauer <strong>und</strong> Verfahrensverzögerung<br />
im Untersuchungshaftrecht durchgeführt wird: So hatte schon<br />
vorInkrafttreten der §§ 120,121 StPO durch das StPÄG 1964 das OLG Saarbrükken<br />
ausgeführt, Fortdauer <strong>von</strong> Untersuchungshaft scheide nicht nur (erst) dann<br />
aus, wenn die Untersuchungshaft die zu erwartende Strafe überschreite, weil sich<br />
die Aburteilung wegen Schwierigkeiten des Verfahrens hinzieht, sondern auch<br />
(schon) dann, wenn extreme, sachlich nicht gerechtfertigte Verfahrensverzögerungen<br />
vorliegen, auch wenn die Untersuchungshaft die zu erwartende Strafe<br />
noch nicht erreicht hat 20 .<br />
<strong>Die</strong>se Differenzierung hat die StPO dann ebenfalls zum Ausdruck gebracht:<br />
Nach § 120 I Satz 1 StPO ist für die Aufhebung des Haftbefehls darauf abzustellen,<br />
"daß die weitere Untersuchungshaft zu der Bedeutung der Sache <strong>und</strong> der<br />
zu erwartenden Strafe ... außer Verhältnis stehen würde". Haftentlassung bleibt<br />
danach auch dann geboten, wenn die Inhaftierung zur Aburteilung <strong>von</strong>nöten<br />
(etwa wegen konkreter Fluchtabsichten) wäre 21 . Umgekehrt soll allerdings <br />
was die Unterscheidung verwischt - bei der für § 120 I StPO gebotenen Abwägung<br />
ein offensichtlicher <strong>und</strong> schlechthin nicht vertretbarer Verstoß gegen das<br />
Beschleunigungsprinzip bedeutsam sein22.<br />
§ 121 StPO erlaubt eine Haftfortdauer über sechs Monate hinaus nur dann,<br />
"wenn die besondere Schwierigkeit oder der besondere Umfang der Ermittlungen<br />
oder ein anderer wichtiger Gr<strong>und</strong> das Urteil noch nicht zulassen". Hier wird also<br />
nicht nach dem Verhältnis <strong>von</strong> Haftdauer <strong>und</strong> Straferwartung gefragt, sondern<br />
danach, ob für die Aburteilung eine längere Untersuchungshaftdauer <strong>von</strong>nöten<br />
ist oder nur infolge <strong>von</strong> Verzögerungen erfolgen müßte. Eine Berücksichtigung<br />
der Schwere der Tat, also letztlich der Straferwartung, wie sie jedoch das OLG<br />
Hamm für richtig hält 2 3, ist demzufolge unzulässig 24 .<br />
19 OLG Stuttgart, NJW 1967, S. 508 (509 f.).<br />
20 OLG Saarbrücken, NJW 1961, S.377 (378). Vgl. auch LG Köln, NJW 1964,<br />
S. 1816.<br />
21 Wendisch in LR24, § 120 Rn. 11.<br />
22 Kleinkecht/ Janischowsky, Das Recht der Untersuchungshaft, Rn. 232; RieB, JR<br />
1983, S. 260.<br />
23 OLG Hamm, JMBl. NW 1971, S. 283; 1974, S. 47 (48); zustimmend Kleinknecht/<br />
Janischowsky, Das Recht der Untersuchungshaft, Rn. 260.<br />
II. Verfahrensdauer<br />
Auch in der Rechtsprechung zur <strong>überlange</strong>n Verfahrensdauer läßt sich <br />
weitgehend unbemerkt 25 - die Differenzierung zwischen Verfahrensdauer <strong>und</strong><br />
Verfahrensverzögerung, wenn auch weniger deutlich, erkennen:<br />
Der BGH hat in einigen Entscheidungen letztendlich nur betont, daß die<br />
tatsächliche Verfahrensdauer nicht mehr in angemessenem Verhältnis zur notwendigen<br />
Länge des Verfahrens gestanden habe <strong>und</strong> die Verzögerungen nicht<br />
vom Beschuldigten verursacht worden seien 26. Entsprechend hat sich auch die<br />
Mehrzahl der Untergerichte geäußert 27 . Der EGMR, der in seiner ersten Entscheidung<br />
zur <strong>überlange</strong>n Verfahrensdauer (Fall Wemhoff) noch ähnlich allgemein<br />
formulierte 28, hat seit dem Eckle-Urteil in ständiger Rechtsprechung 29 auf drei<br />
Kriterien zur Feststellung <strong>überlange</strong>r <strong>Strafverfahren</strong>sdauer abgehoben, die er<br />
erstmalig im Fall König 30 explizit benannte: die Schwierigkeit des Falles <strong>und</strong><br />
das Verhalten des Beschuldigten sowie das der Justizbehörden seien mit der<br />
Gesamtdauer des Verfahrens ins Verhältnis zu setzen. Betrachtet man diese<br />
Kriterien genauer, so ergibt sich letztendlich zu der Herangehensweise der genannten<br />
nationalen Gerichte kein bedeutender Unterschied: Auch vom EGMR<br />
wird danach unterschieden, ob die Verfahrensdauer entweder auf staatlichen<br />
Verzögerungen beruht oder aber <strong>von</strong> der Sache bedingt bzw. vom Beschuldigten<br />
herbeigeführt worden ist. Unterschieden wird also jeweils Verfahrensdauer <strong>und</strong><br />
Verfahrensverzögerungen durch die Strafverfolgungsorgane.<br />
Da<strong>von</strong> abweichend <strong>und</strong> ohne die Kriterien der Straßburger Rechtsprechung<br />
zu prüfen3 !, hat der BGH in anderen Entscheidungen auf die Notwendigkeit<br />
"wertender Betrachtung" abgehoben, wobei insbesondere die Schwere des Tatvorwurfs,<br />
der Umfang der Sache <strong>und</strong> die bei den Ermittlungen auftretenden<br />
24 OLG Köln, NJW 1973, S. 1009 (1010); OLG Koblenz, OLGSt (neu) NI. 7 zu § 121<br />
StPO (insoweit nicht in NJW 1990, S. 1375 abgedruckt); LG Köln, NStZ 1989, S. 442<br />
(443); Wendisch in LR24, § 121 Rn. 6; Kleinknecht / Meyer, StP039, § 121 Rn. 20.<br />
25 Siehe aber 1. Roxin, Rechtsfolgen, S. 77.<br />
26 BGH, GA 1977, S.275 (276); StV 1983, S.502; 1985, S.322; S.411; 1988,<br />
S. 487 f.; NStZ 1986, S. 217 f.; 1987, S. 232.<br />
27 OLG Stuttgart, NJW 1967, S. 508 (509); 1974, S. 284; OLG Karlsruhe, NJW 1972,<br />
S. 1907 (1908); OLG Saarbrücken, NJW 1975, S. 941 (942); OLG Hamm, NJW 1975,<br />
S.702 (703); OLG Düsseldorf, MDR 1989, S. 935 f.; OLG Zweibrücken, StV 1989,<br />
S. 51 f.; BayObLG, StV 1989, S. 394; LG Krefeld, JZ 1971, S. 733 (735); LG Düsseldorf,<br />
NStZ 1988, S. 427 (428); LG Köln, NStZ 1989, S. 442 (443).<br />
28 EGMR,JR 1968, S. 463 (466); vgl. auchEGMR I, S. 143 (180 f.)(FallNeumeister);<br />
3, S. 61 (101) (Fall Ringeisen).<br />
29 EGMR, EuGRZ 1983, S.371 (380) (Fall Eckle); 1985, S.578 (581) (Fall Foti<br />
u. a.); S. 585 (587) (Fall Corig1iani).<br />
30 EGMR, EuGRZ 1978, S. 406 (417).<br />
31 Ress in: Europäischer Menschenrechtsschutz, S. 276; ähnlich K. Kühl, ZStW 100<br />
(1988), S. 642.
110 <strong>3.</strong> Kap.: Aufgliederung des Begriffs der <strong>überlange</strong>n Verfahrensdauer B. Zur Einordnung mit Hilfe des Verhältnismäßigkeitsgr<strong>und</strong>satzes 111<br />
Schwierigkeiten zu berücksichtigen seien 32. Gelegentlich hat der BGH zusätzlich<br />
- wie übrigens auch das LG Frankfurt 33 <strong>und</strong> ein Vorprüfungsausschuß des<br />
BVerfG34 - auf die Empfindlichkeit des Beschuldigten hingewiesen 35. Nun<br />
kann es für die Würdigung <strong>von</strong> Verfahrensverzögerungen keine Rolle spielen,<br />
ob ein schwerer Tatvorwurf vorliegt 36 oder besondere Belastungen des Beschuldigten<br />
zu besorgen sind; ersteres kann Verfahrensverzögerungen genausowenig<br />
legitimieren wie das Fehlen <strong>von</strong> letzterem. Insoweit wird in diesen Entscheidungen<br />
also auf Kriterien abgestellt, die Bedeutung für die Verfahrensdauer an sich<br />
<strong>und</strong> nicht für Verfahrensverzögerungen haben könnten. Allerdings krankt diese<br />
Interpretation daran, daß bei dieser "wertenden Betrachtung" <strong>von</strong> den Gerichten<br />
auch auf den Aspekt der bei den Ermittlungen aufgetretenen Schwierigkeiten<br />
abgestellt wird.<br />
In der strafprozessualen Literatur unterscheidet vor allem Zipfzwischen langer<br />
Verfahrensdauer <strong>und</strong> Verfahrensverzögerungen 37, Schroth zwischen "schlichter"<br />
<strong>und</strong> "qualifizierter" Überlänge 38 . Auch Imme Roxin erkennt, daß <strong>überlange</strong> Verfahrensdauer<br />
sich in zwei Gruppen einteilen lassen kann 39 . Priebe differenziert<br />
zwischen "verfahrensinternen" - Schwierigkeit <strong>und</strong> Umfang der Sache - <strong>und</strong><br />
"verfahrensexternen" Verzögerungsursachen 40 ; Seelmann trennt die "durch die<br />
Kompliziertheit der Materie bedingte besonders lange Verfahrensdauer" ab 41 ,<br />
die der <strong>von</strong> Schünemann abgegrenzten "justizinternen Saumseligkeit"42 gegenübergestellt<br />
werden kann.<br />
Weitergehend halten Kohlmann <strong>und</strong> Kloepfer die beiden Aspekte auseinander<br />
43 : Zunächst dürfe kein Verfahren länger ausgedehnt werden, als es unbedingt<br />
erforderlich ist, um zu einer Entscheidung zu gelangen. Zudem müsse ein vertretbares<br />
Verhältnis zwischen der Verfahrensdauer <strong>und</strong> den daraus für den Beschuldigten<br />
erwachsenden Nachteilen - so Kohlmann - bzw. der verfolgten Tatso<br />
Kloepfer - gewahrt sein. Kohlmann <strong>und</strong> Kloepfer legten ihrer Differenzierung<br />
32 BGHSt 24, S. 239 (240); NStZ 1982, S. 291; 1983, S. 135; StV 1989, S. 187 (188);<br />
ähnlich OLG Koblenz, NJW 1972, S. 403 (404). Vgl. auch neuerdings EGMR, EuGRZ<br />
1990, S. 209 (211) (Fall Obermeier): "globale Beurteilung".<br />
33 LG Frankfurt, JZ 1971, S. 234 (235 f.).<br />
34 BVerfG (Vorprüfungsausschuß), NJW 1984, S. 967.<br />
35 BGHSt 24, S. 239 (240).<br />
36 Vgl. Reinecke, <strong>Die</strong> Fernwirkung <strong>von</strong> Beweisverwertungsverboten, S. 195 f.; I.<br />
Roxin, Rechtsfolgen, S. 168.<br />
37 Maurach / Gössel/Zipf, Strafrecht AT / 2 7 , § 63 Rn. 34.<br />
38 Schroth, NJW 1990, S. 30 f.<br />
39 I. Roxin, Rechtsfolgen, S. 77.<br />
40 Priebe, FS v. Simson, S. 30<strong>3.</strong><br />
41 Seelmann, GebColloquium Kielwein, S. 26; 29.<br />
42 Schünemann, Verh. 58. DJT, S. B 30 f.<br />
43 Kohlmann, FS Maurach, S. 508 ff.; Kloepfer, JZ 1979, S. 214; ähnlich DVBl. 1977,<br />
S.741.<br />
den Verhältnismäßigkeitsgr<strong>und</strong>satz zugr<strong>und</strong>e: Der Gr<strong>und</strong>satz der Erforderlichkeit<br />
sei es, der Verfahrensverzögerungen verbiete; der der Angemessenheit verbiete<br />
zu lange, wenn auch unverzögerte Verfahren.<br />
B. Zur Einordnung<br />
mit Hilfe des Verhältnismäßigkeitsgr<strong>und</strong>satzes<br />
Verfolgt man Kohlmanns <strong>und</strong> Kloepfers Gedanken weiter, so läßt sich unter<br />
Anwendung des Gr<strong>und</strong>satzes der Verhältnismäßigkeit die Einordnung der Fallgruppen<br />
<strong>überlange</strong>r Verfahrensdauer vornehmen. Ohne hier auf die im einzelnen<br />
umstrittene Zugehörigkeit <strong>von</strong> Teilgr<strong>und</strong>sätzen zum Verhältnismäßigkeitsprinzip<br />
<strong>und</strong> den insoweit uneinheitlichen Sprachgebrauch eingehen zu wollen44, läßt sich<br />
zunächst doch eine gewisse Übereinstimung dahingehend feststellen, daß das<br />
Verhältnismäßigkeitsprinzip sich aus drei Gr<strong>und</strong>sätzen zusammensetzt, die sich<br />
als Geeignetheit, Erforderlichkeit <strong>und</strong> Proportionalität (bzw. Angemessenheit)<br />
bezeichnen lassen 45.<br />
Nun ist der Verhältnismäßigkeitsgr<strong>und</strong>satz schon häufiger mit <strong>überlange</strong>r Verfahrensdauer<br />
in Verbindung gebracht worden. Während etwa v. Stackelberg <strong>und</strong><br />
ähnlich Kar! Peters nur kurz formulierten, die Konkretisierung der zeitlichen<br />
Grenze <strong>von</strong> Strafverfolgungen ließe sich nur aus dem Gebot der Verhältnismäßigkeit<br />
ableiten46, lag es für Geppert nahe, das verfassungsrechtliche Übermaßverbot<br />
zu Hilfe zu nehmen47. Aber auch bei einigen detaillierteren Ausführungen ist<br />
die Begrifflichkeit wohl mehr schlagwortartig gebraucht worden: Für Vogler<br />
gebietet der Verhältnismäßigkeitsgr<strong>und</strong>satz, Beeinträchtigungen des Beschuldigten<br />
zu vermeiden bzw. auszugleichen 48 . Imme Roxin setzt den Verhältnismäßigkeitsgr<strong>und</strong>satz<br />
in Beziehung zu den Zielen des <strong>Strafverfahren</strong>s 49. Hillenkamp<br />
formuliert, ohne daß klar wird, ob er vom Verhältnismäßigkeitsgr<strong>und</strong>satz als<br />
Oberbegriff oder vom Teilgr<strong>und</strong>satz der Proportionalität spricht, es seien alle<br />
Umstände zu wägen, die den Rechtsstaatsverstoß so unverhältnismäßig werden<br />
44 Vgl. dazu Scheffler, Gr<strong>und</strong>legung eines kriminologisch orientierten Strafrechtssystems,<br />
S. 80 f.<br />
45 Siehe dazu die Nachweise bei Scheffler, Gr<strong>und</strong>legung eines kriminologisch orientierten<br />
Strafrechtssystems, S. 80 f.; siehe auch Dechsling, Das Verhältnismäßigkeitsgebot,<br />
S.5; M. Jakobs, Der Gr<strong>und</strong>satz der Verhältnismäßigkeit, S. 8 ff.; Ress in: Der<br />
Gr<strong>und</strong>satz der Verhältnismäßigkeit in europäischen Rechtsordnungen, S. 11; Noske, <strong>Die</strong><br />
Prozeßökonomie als Bestandteil des verfassungsrechtlichen Gr<strong>und</strong>satzes der Verhältnismäßigkeit,<br />
S. 58 ff.; Holzlöhner, <strong>Die</strong> Gr<strong>und</strong>sätze der Erforderlichkeit <strong>und</strong> Verhältnismäßigkeit,<br />
S. 10 ff.<br />
46 v. Stackelberg, FS Bockelmann, S. 768; K. Peters, JR 1978, S. 247.<br />
47 Geppert, JK 1983, MRK Art. 6/1.<br />
48 Vogler, ZStW 89 (1977), S. 78<strong>3.</strong><br />
49 I. Roxin, Rechtsfolgen, S. 161 ff.
_u __nd ~<br />
112 ______<br />
_<br />
<strong>3.</strong> Kap.: Aufgliederung des Begriffs der <strong>überlange</strong>n Verfahrensdauer B. Zur Einordnung mit Hilfe des Verhältnismäßigkeitsgr<strong>und</strong>satzes 113<br />
lassen, daß unzweideutig feststehe, daß durch eine Verfahrensfortsetzung rechtsstaatlich<br />
unverzichtbare Erfordernisse nicht mehr gewahrt wären 50.<br />
I. Geeignetheit <strong>und</strong> überflüssiges Tun<br />
Hillenkamp <strong>und</strong> Imme Roxin haben allerdings auch versucht, im einzelnen die<br />
drei Teilgr<strong>und</strong>sätze der Geeignetheit, Erforderlichkeit <strong>und</strong> Proportionalität nutzbar<br />
zu machen. Sie gehen insofern über Kohlmann <strong>und</strong> Kloepfer hinaus, die den<br />
Gr<strong>und</strong>satz der Geeignetheit überhaupt nicht erwähnen51. Bei der Geeignetheit<br />
heben sie darauf ab, daß bei großem Zeitablauf die Verfahrensfortsetzung die<br />
Eignung verliere, die Ziele des Strafprozesses, insbesondere das der zuverlässigen<br />
Wahrheitsermittlung 52, zu verwirklichen 5<strong>3.</strong><br />
<strong>Die</strong>se Erwägung erscheint äußerst zweifelhaft. Zwar mag es sein, daß der<br />
Strafprozeß seine Ziele am besten durch die frühe überzeugende Klärung der<br />
Schuld oder Unschuld erreicht54. Auf der rein naturwissenschaftlich-kausalen<br />
Stufe der Geeignetheit genügt jedoch schon geringe Teileignung 55. Ein staatliches<br />
Mittel ist schon dann geeignet, einen Zweck zu erreichen, "wenn mit seiner Hilfe<br />
der gewünschte Erfolg gefördert werden kann" 56. Hierbei kommt es auf die<br />
Betrachtung ex ante an 57 • <strong>Die</strong> Möglichkeit, daß auch nach langem Zeitablauf<br />
noch die Wahrheitsermittlung gelingt, wird sich kaum einmal ausschließen lassen,<br />
wie auch in der Rechtsprechung zum Beweisantragsablehnungsgr<strong>und</strong> der Ungeeignetheit<br />
des Zeugenbeweises bei lange zurückliegenden Vorgängen anerkannt<br />
ist 58 . Dem kann zur Seite gestellt werden, wie Kloepfer formuliert 59, daß in aller<br />
Regel "die Gewähr für die ,richtige' Entscheidung um so größer ist, je sorgfältiger<br />
ermittelt, verhandelt <strong>und</strong> beraten wird". Auch bei dem anderen immer wieder<br />
genannten Ziel des Strafprozesses, der Wiederherstellung des Rechtsfriedens 60 ,<br />
50 Hillenkamp, NJW 1989, S. 2848 mit unklarem Bezug auf BVerfG (Kammer), NStZ<br />
1987, S. 276.<br />
51 Kohlmann, FS Maurach, S. 508 ff.; Kloepfer, JZ 1979, S. 214.<br />
52 Vgl. BVerfGE 63, S. 45 (61).<br />
53 1. Roxin, Rechtsfolgen, S. 162; Hillenkamp, NJW 1989, S. 2848.<br />
54 Vgl. Schmidhäuser, FS Eb. Schmidt, S. 522.<br />
55 Vgl. etwa Gentz, NJW 1968, S. 1603; Grabitz, AöR 98 (1973), S. 572; vgl. auch<br />
BVerfGE 16, S. 147 (183).<br />
56 BVerfGE 30, S. 292 (316); 33, S. 171 (187).<br />
57 BVerfGE 16, S. 147 (181); 25, S. 1 (12); 30, S. 250 (263); Grabitz, AöR 98 (1973),<br />
S. 572; Schnapp, JuS 1983, S. 854; Ress in: Der Gr<strong>und</strong>satz der Verhältnismäßigkeit in<br />
europäischen Rechtsordnungen, S. 16 f.<br />
58 Vgl. BGH, StV 1981, S. 167; 1982, S. 339; OLG Frankfurt, JR 1984, S. 40. Siehe<br />
aber auch unten, 5. Kap. B 11 4 a.<br />
59 Kloepfer, JZ 1979, S. 210; siehe auch Wolter in SK StPO, vor § 151 Rn. 210.<br />
60 Vgl. C. Roxin, <strong>Strafverfahren</strong>srecht21, § 1 B 11; Volk, Prozeßvoraussetzungen,<br />
S. 183 ff.; 1. Roxin, Rechtsfolgen, S. 161 f.; Schmidhäuser, FS Eb. Schmidt, S. 516 ff.;<br />
W. Gollwitzer, FS Kleinknecht, S. 149.<br />
entfällt die Eignung durch lange Verfahrensdauer nicht völlig: Ein spätes Urteil<br />
dürfte regelmäßig eher für Rechtsfrieden sorgen als überhaupt keines 61.<br />
Eine Maßnahme ist vielmehr dann ungeeignet, wenn sie nicht zur Entscheidungsfindung<br />
beitragen kann, sondern aus unsachlichen, nicht der Entscheidungsfindung<br />
dienenden Gründen erfolgt 62 • In diese Kategorie fallen die Fälle "qualifizierter<br />
Verfahrensverzögerung", wie Jürgen Blomeyer sie nennt 63 • Qualifizierte<br />
Verfahrensverzögerung liegt dann vor, wenn durch überflüssige Tätigkeit der<br />
Strafverfolgungsbehörden das Verfahren verlängert wird. Jürgen Blomeyer beschreibt<br />
- bezogen auf den Zivilprozeß - Fälle, in denen der Richter etwa<br />
unnötig Beweise erhebt, um so die schwierige eigentliche Bearbeitung (zunächst)<br />
loszuwerden 64. Ähnlich weist Vormbaum auf die "Schiebeverfügung" im <strong>Strafverfahren</strong><br />
hin65. Häufiger dürften Fälle des <strong>von</strong> vornherein ungeeigneten Handeins<br />
aufgr<strong>und</strong> Rechtsirrtums mit der Folge der Verzögerung sein 66 • Den bisherigen<br />
(veröffentlichten) Entscheidungen zur <strong>überlange</strong>n Verfahrensdauer lag ein solcher<br />
Sachverhalt zwar bislang nicht zugr<strong>und</strong>e; zu § 121 StPO sind jedoch Entscheidungen<br />
ergangen, in denen unnötigerweise ein schriftliches Gutachten abgewartet<br />
worden ist 6 7, die Staatsanwaltschaft bei einem unzuständigen Gericht<br />
anklagte 68 , zu Unrecht verwiesen 69 oder rechtsfehlerhaft die Hauptverhandlung<br />
ausgesetzt wurde 70. Auch bezüglich § 228 StPO ist etwa der Sachverhalt der<br />
"überflüssigen Entscheidung" der Aussetzung zwecks Erhebung <strong>von</strong> Beweisen,<br />
die dem Gericht in der Hauptverhandlung zur Verfügung standen, aufgetaucht7 1 •<br />
11. Erforderlichkeit <strong>und</strong> Verzögerungen<br />
Der Gr<strong>und</strong>satz der Erforderlichkeit gebietet, daß der in die Rechtssphäre des<br />
einzelnen eingreifende Staat jederzeit nach milderen Mitteln Umschau halten<br />
muß, um die Beeinträchtigungen so gering wie möglich zu halten. Ein staatliches<br />
Mittel ist nach der Rechtsprechung des BVerfG erforderlich, "wenn ein anderes,<br />
61 Vgl. etwa Bemmann, JuS 1965, S. 337.<br />
62 Kloepfer, JZ 1979, S. 21<strong>3.</strong><br />
63 J. Blomeyer, NJW 1977, S. 559 f.<br />
64 J. Blomeyer, NJW 1977, S. 560; vgl. auch Kirchhof, FS Doehring, S. 445.<br />
65 Vormbaum, Der strafrechtliche Schutz des Strafurteils, S. 435.<br />
66 Vgl. Sarstedt in: Rechtsstaat als Aufgabe, S. 224 ff.<br />
67 OLG Köln, NJW 1973, S. 1009. Siehe jetzt auch OLG Düsseldorf, StV 1990,<br />
S.503 (504).<br />
68 OLG Bremen, MDR 1968, S. 863; KG, StV 1983, S. 111 (112). Siehe jetzt auch<br />
(zu § 111 aStPO) OLG Köln, StV 1991, S. 248 (249).<br />
69 OLG Hamm, StV 1990, S. 168.<br />
70 OLG Düsseldorf, OLGSt (alt) § 121 StPO, S. 73; OLG Frankfurt, StV 1981, S. 25;<br />
OLG Bremen, StV 1986, S. 540.<br />
71 KG, JR 1966, S. 230; siehe dazu W. Gollwitzer in LR24, § 305 Rn. 17; Kleinknecht,<br />
JR 1966, S. 231.<br />
8 Scheffler
114 <strong>3.</strong> Kap.: Aufgliederung des Begriffs der <strong>überlange</strong>n Verfahrensdauer B. Zur Einordnung mit Hilfe des Verhältnismäßigkeitsgr<strong>und</strong>satzes 115<br />
gleich wirksames, aber das Gr<strong>und</strong>recht weniger fühlbar einschränkendes Mittel<br />
nicht gewählt werden könnte"72. <strong>Die</strong>s gilt auch im Sinne "zeitlicher Erforderlichkeil"<br />
7<strong>3.</strong> Verfahrensdauer ist demzufolge so kurz wie möglich zu halten 74 (Prinzip<br />
des kürzestmöglichen Eingriffs 75). Der Gr<strong>und</strong>satz der Erforderlichkeit korrespondiert<br />
mit dem - vor allem Interessen der Rechtspflege dienenden - Prinzip<br />
der Prozeßökonomie76. Insofern kann es hier nicht darum gehen, in welchem<br />
Zeitraum ein Verfahren theoretisch hätte abgeschlossen werden können77; die<br />
StPO kennt keinen Anspruch auf das theoretisch schnellstmögliche Verfahren<br />
gar noch unter Zurückstellung anderer Aufgaben der Strafverfolgungsorgane 78.<br />
So hat auch ein Vorprüfungsausschuß des BVerfG hervorgehoben, es könne<br />
nicht darauf ankommen, ob <strong>und</strong> inwieweit eine Maßnahme "möglicherweise<br />
früher hätte getroffen werden können. <strong>Die</strong>s verbietet sich schon im Hinblick auf<br />
den Umstand, daß ein Gericht jeweils mit einer Vielzahl <strong>von</strong> Verfahren gleichzeitig<br />
befaßt ist <strong>und</strong> sich hieraus zwangsläufig für das einzelne Verfahren Verzögerungen<br />
ergeben, deren Ursachen nicht in diesem Verfahren selbst liegen" 79.<br />
Dementsprechend hat vor kurzem, deutlicher als der BGH, das BayObLG ausgesprochen,<br />
daß nichtjede den Durchschnitt überragende, <strong>von</strong> den Strafverfolgungsbehörden<br />
zu vertretende Verzögerung im weiteren Verfahren schon Beachtung<br />
zu finden habe; eine bedeutsame Verfahrensverzögerung sei nur anzunehmen,<br />
"wenn sie ganz entschieden außerhalb der Bandbreite üblicher Verfahrensführung<br />
liegt" 80. Verwaltungsrechtlich gesprochen: Den Strafverfolgungsbehörden ist hinsichtlich<br />
der Einschätzung des Zeitpunkts ihrer Initiative ein Beurteilungsspielraum<br />
zuzubilligen 81 , bezüglich der Art ihres Handeins haben sie Ermessen82.<br />
Es kommen hierbei zunächst einmal Verfahrensverzögerungen aufgr<strong>und</strong> "justizinterner<br />
Saumseligkeit"83 in Betracht. <strong>Die</strong>se kann zum einen in individuellen<br />
Mängeln liegen - etwa Entscheidungsschwäche oder mangelnde Arbeitsdiszi-<br />
72 BVerfGE 33, S. 171 (187); ähnlich 25, S. 1 (18); 30, S. 292 (316).<br />
73 Kloepfer, JZ 1979, S. 214.<br />
74 Vgl. Rosenthai, § 121 StPO, S.45; Kohlmann, FS Maurach, S.509; Kloepfer,<br />
DVBI. 1977, S. 741; JZ 1979, S. 214; Hillenkamp, NJW 1989, S. 2848.<br />
75 Kloepfer, JZ 1979, S. 214.<br />
76 Vgl. Sauer, Gr<strong>und</strong>lagen des Prozeßrechts Z , S. 604 f.; E. Schumann, FS Larenz,<br />
S. 279; W. Gollwitzer, FS Kleinknecht, S. 157; Noske, <strong>Die</strong> Prozeßökonomie als Bestandteil<br />
des verfassungsrechtlichen Gr<strong>und</strong>satzes der Verhältnismäßigkeit, S. 74 f.; Holzlöhner,<br />
<strong>Die</strong> Gr<strong>und</strong>sätze der Erforderlichkeit <strong>und</strong> Verhältnismäßigkeit, S. 134 ff.<br />
77 Vgl. Rosenthai, § 121 StPO, S. 45 f.; abweichend I. Roxin, Rechtsfolgen, S. 166.<br />
78 1. Roxin, Rechtsfolgen, S. 175 f.; Priebe, FS v. Simson, S. 30<strong>3.</strong><br />
79 BVerfG (Vorprüfungsausschuß), EuGRZ 1982, S. 75 (76); vgl. auch BVerfGE 55,<br />
S. 345 (369).<br />
80 BayObLG, StV 1989, S. 394; ähnlich schon OLG Saarbrücken, NJW 1975, S. 941<br />
(942).<br />
81 Vgl. LG Köln, NStZ 1989, S. 442 (443).<br />
82 Vgl. Kloepfer, JZ 1979, S. 21<strong>3.</strong><br />
83 Schünemann, Verh. 58. DJT, S. B 31.<br />
plin des einzelnen Amtswalters 84 -, zum anderen aber zu organisatorischen<br />
Fehlern - etwa zeitweiliger Aktenverlust im Bereich der Strafverfolgungsorgane<br />
85 - führen. Des weiteren ist Verfahrensdauer dann als Verfahrensverzögerung<br />
einzustufen, wenn das Nichtstun zwar gegenüber der Verfahrensfortführung zum<br />
Erreichen der Verfahrensziele sogar geeigneter sein mag, das Zuwarten jedoch<br />
normativ unzulässig ist: Sofern in absehbarer Zeit nicht mit der Herbeischaffung<br />
eines erforderlich erscheinenden Beweismittels zu rechnen ist, muß das Verfahren<br />
auch ohne das Beweismittel fortgesetzt werden 86 - ein Gr<strong>und</strong>satz, der aus dem<br />
Beweisantragsrecht zur Ablehnung wegen (vorübergehender) Unerreichbarkeit<br />
bekannt ist 87. Schließlich ist in der Rechtsprechung zu § 121 <strong>und</strong> § 275 StPO<br />
anerkannt, daß Personalmangel oder Überlastungen <strong>von</strong> Gericht bzw. Justizverwaltung<br />
nicht als wichtiger Gr<strong>und</strong> 88 bzw. unabwendbarer Umstand 89 anzuerkennen<br />
sind <strong>und</strong> Fristüberschreitungen rechtfertigen können. Solche Umstände sind<br />
also ebenfalls als Verfahrensverzögerungen <strong>und</strong> nicht als verfahrensbedingte<br />
Umstände anzusehen 90 .<br />
Offen bleibt noch die Frage, wie Verfahrensdauer zu beurteilen ist, die nicht<br />
auf Verzögerung durch die Strafverfolgungsorgane beruht, sondern <strong>von</strong> anderen<br />
staatlichen Stellen verursacht worden ist. Praktisch relevant soll dies im sog.<br />
Schmücker-Verfahren durch verschleiernde Aktivitäten des Verfassungsschutzes<br />
geworden sein 91 , die das Gericht allenfalls "hingenommen" habe 92. Der 5. Strafsenat<br />
des BGH hat sich in seiner letzten Revisionsentscheidung dazu nicht geäußert,<br />
84 Vgl. Hillenkamp, NJW 1989, S. 2848 Fn. 83; Kirchhof, JZ 1989, S. 464.<br />
85 OLG Frankfurt, StV 1990, S. 412; vgl. auch BGHSt 35, S. 137 (138).<br />
86 BGH, NStZ 1982, S. 291 (292) (vgl. zu diesem Fall auch BVerfGE 53, S. 152<br />
116 <strong>3.</strong> Kap.: Aufgliederung des Begriffs der <strong>überlange</strong>n Verfahrensdauer B. Zur Einordnung mit Hilfe des Verhältnismäßigkeitsgr<strong>und</strong>satzes 117<br />
obwohl er entsprechendes Verhalten staatlicher Behörden wohl für erwiesen<br />
gehalten hat 93 • Das LG Köln ist im sog. OPEC-Verfahren als selbstverständlich<br />
da<strong>von</strong> ausgegangen, daß <strong>von</strong> der B<strong>und</strong>esregierung verursachte Verfahrensverzögerungen<br />
(später Auslieferungsantrag) wie solche der Strafverfolgungsorgane zu<br />
behandeln seien 94. <strong>Die</strong>se Einstufung dürfte richtig sein: <strong>Die</strong> staatlichen Funktionen<br />
können dem Beschuldigten gegenüber nicht aufgeteilt werden 95. Das bedeutet<br />
nun aber andererseits, daß dann keine Verzögerungen vorliegen, wenn die staatlichen<br />
Stellen ihrerseits durch die Wahrnehmung ihrer Befugnisse die Verfahrensdauer<br />
verursacht haben: So hat der <strong>3.</strong> Strafsenat des BGH eine Verletzung des<br />
Beschleunigungsprinzips verneint, weil die Strafverfolgung <strong>von</strong> Gesetzes wegen<br />
- infolge der vom Parlament verweigerten Aufhebung der Immunität des Beschuldigten<br />
- nicht fortgesetzt werden konnte 96 .<br />
Es dürfte nun müßig sein, darüber diskutieren zu wollen, ob auch die Vornahme<br />
nicht geeigneter, vor allem aber nicht erforderlicher Maßnahmen den Gr<strong>und</strong>satz<br />
der Proportionalität verletzen können 97. Geht man da<strong>von</strong> aus, daß die Gr<strong>und</strong>sätze<br />
der Geeignetheit, Erforderlichkeit <strong>und</strong> Proportionalität in einem Stufenverhältnis<br />
stehen 98, könnte dies, logisch betrachtet, naheliegend sein. Soweit diese Frage<br />
erörtert wird, wird allerdings häufig da<strong>von</strong> ausgegangen, ein Mittel könnte proportional<br />
sein, obwohl es nicht erforderlich ist 99 , was bei isolierter Betrachtungsweise<br />
100 nicht denkfehlerhaft ist lOl • Ohne dies hier weiter vertiefen zu wollen, soll<br />
jedenfalls aus heuristischen Gründen im folgenden <strong>von</strong> dem isolierten Verständnis<br />
dieser Teilgr<strong>und</strong>sätze ausgegangen werden. Anders sieht es mit dem Verhältnis<br />
<strong>von</strong> Geeignetheit <strong>und</strong> Erforderlichkeit aus: Ein ungeeignetes Mittel kann niemals<br />
93 BGH, StV 1989, S. 187.<br />
94 LG Köln, NStZ 1989, S. 442 (443); zustimmend Paeffgen, NStZ 1990, S. 534.<br />
95 Vgl. J. Meyer, ZStW 95 (1983), S. 850; Grünwald, JZ 1966, S. 494.<br />
96 BGHSt 36, S. 363 (372).<br />
97 So auch L. Hirschberg, Der Gr<strong>und</strong>satz der Verhältnismäßigkeit, S. 150 f.<br />
98 M. Jakobs, Der Gr<strong>und</strong>satz der Verhältnismäßigkeit, S. 103 f.; Witt, Verhältnismäßigkeitsgr<strong>und</strong>satz,<br />
S. 40 f.; Paeffgen, VOfÜberiegungen zu einer Dogmatik des Untersuchungshaft-Rechts,<br />
S. 165; weitere Nachweise bei Scheffler, Gr<strong>und</strong>legung eines kriminologisch<br />
orientierten Strafrechtssystems, S. 83 Fn. 2.<br />
99 M. Jakobs, Der Gr<strong>und</strong>satz der Verhältnis~äßigkeit, S.77; Wittig, DÖV 1968,<br />
S. 817; van Gelder, AuR 1972, S. 107; Lerche, Uberrnaß <strong>und</strong> Verfassungsrecht, S. 23<br />
Fn. 10; Betterrnann / Loh, BB 1969, S. 72; Langheineken, Der Gr<strong>und</strong>satz der Verhältnismäßigkeit,<br />
S. 8; Noske, <strong>Die</strong> Prozeßökonomie als Bestandteil des verfassungsrechtlichen<br />
Gr<strong>und</strong>satzes der Verhältnismäßigkeit, S. 71; unklar v. Krauss, Der Gr<strong>und</strong>satz der Verhältnismäßigkeit,<br />
S. 14 f., der m. E., obwohl er <strong>von</strong> Angemessenheit spricht, wohl Verhältnismäßigkeit<br />
im weiteren Sinne meint (andere Interpretation bei L. Hirschberg, Der Gr<strong>und</strong>satz<br />
der Verhältnismäßigkeit, S. 4); a. A. Glitz, Gesetzmäßigkeitsprinzip <strong>und</strong> Übermaßverbot,<br />
S. 82; Holzlöhner, <strong>Die</strong> Gr<strong>und</strong>sätze der Erforderlichkeit <strong>und</strong> Verhältnismäßigkeit,<br />
S.19.<br />
100 Vgl. L. Hirschberg, Der Gr<strong>und</strong>satz der Verhältnismäßigkeit, S. 47.<br />
101 So auch L. Hirschberg, Der Gr<strong>und</strong>satz der Verhältnismäßigkeit, S. 150 f., der diese<br />
Betrachtungsweise aber ablehnt.<br />
erforderlich sein 102. Demzufolge betreffen Überlegungen zur fehlenden Erforderlichkeit<br />
regelmäßig auch die Ungeeignetheit, die somit bei <strong>überlange</strong>r Verfahrensdauer<br />
nur gelegentlich eine selbständige Rolle spielt.<br />
IH. Proportionalität <strong>und</strong> <strong>Dauer</strong><br />
1. Verjährung als abschließende Regelung<br />
Nun kann ein Verfahren nicht nur deshalb überlang sein, weil es aufgr<strong>und</strong><br />
<strong>von</strong> Verfahrensverzögerungen nicht mehr (zeitlich) erforderlich ist, sondern auch,<br />
weil die Verfahrenslänge, unabhängig <strong>von</strong> ihrer Ursache, disproportional zur<br />
verfolgten Tat wird. Damit könnte sich die <strong>von</strong> Geppert 103 weitgehend vermißte<br />
Diskussion um die Abgrenzung <strong>von</strong> <strong>überlange</strong>r Verfahrensdauer <strong>und</strong> Verjährung<br />
führen lassen: <strong>Die</strong> immer wieder beschworene "Rechtsähnlichkeit zur Verfolgungsverjährung"<br />
104 des Problems <strong>überlange</strong>r Verfahrensdauer würde auf dem<br />
Gesichtspunkt der Disproportionalität beruhen. Bei bloßer Verfahrenslänge stellen<br />
dann die Vorschriften der Verfolgungsverjährung eine - jedenfalls gr<strong>und</strong>sätzlich<br />
- abschließende rechtliche Regelung dar, wie neuerdings Schroth betont<br />
hat 105.<br />
Allerdings scheint dies im Widerspruch zu den Stimmen in der Literatur zu<br />
stehen, die den inhaltlichen Zusammenhang zwischen der Verjährungsregelung<br />
<strong>und</strong> dem Problem <strong>überlange</strong>r Verfahrensdauer bekämpfen 106. Doch analysiert<br />
man diese Äußerungen genauer, ergibt sich Übereinstimmung: Es wird gerade<br />
hervorgehoben, daß die Verjährungsvorschriften automatisch an den Zeitablauf<br />
anknüpfen <strong>und</strong> somit nicht den Gesichtspunkt der Verzögerungen miteinbeziehen<br />
würden. Verzögerungen spielen aber gerade unter dem Gesichtspunkt der Disproportionalität<br />
keine Rolle.<br />
Im Gegenteil: Wie sehr sich die Problemkreise der Disproportionalität <strong>und</strong><br />
der Verjährung decken, zeigt sich sogar an ihrem Verhältnis zum (verzögerlichen)<br />
Handeln der Strafverfolgungsorgane: Gemäß § 78c StGB wird die Verjährung<br />
durch die dort aufgezählten Verfahrenshandlungen unterbrochen. Auch ihre verzögerte<br />
Handhabung hat keinerlei Einfluß auf die Verjährungsunterbrechung <strong>und</strong><br />
102 L. Hirschberg, Der Gr<strong>und</strong>satz der Verhältnismäßigkeit, S. 59 f.; Wittig, DÖV 1968,<br />
S. 817; Witt, Verhältnismäßigkeitsgr<strong>und</strong>satz, S. 40 Fn. 1; Glitz, Gesetzmäßigkeitsprinzip,<br />
S. 82; unklar Langheineken, Der Gr<strong>und</strong>satz der Verhältnismäßigkeit, S. 7.<br />
103 Geppert, JK 1983, MRK Art. 6/1.<br />
104 LG Frankfurt, JZ 1971, S. 234 (235); Hanack, JZ 1971, S. 707; 712; v. Stackelberg,<br />
FS Bockelmann, S. 767; K. Peters, JR 1978, S. 247.<br />
105 Schroth, NJW 1990, S. 31; vgl. auch Hanack, JZ 1971, S. 712.<br />
106 Schwenk, ZStW 79 (1967), S.722; Hillenkamp, JR 1975, S. 135 f.; I. Roxin,<br />
Rechtsfolgen, S. 187 ff.; Bruns, Verh. 50. DJT, S. K 8<strong>3.</strong>
118 <strong>3.</strong> Kap.: Aufgliederung des Begriffs der <strong>überlange</strong>n Verfahrensdauer B. Zur Einordnung mit Hilfe des Verhältnismäßigkeitsgr<strong>und</strong>satzes 119<br />
damit auf die Verlängerung des Verjährungszeitraums 107. Sogar Maßnahmen,<br />
die fehlerhaft oder ungeeignet 108, die nicht notwendig oder unzweckmäßig sind 109<br />
oder die gerade nur deshalb ergriffen werden, um die Unterbrechung der Verjährung<br />
herbeizuführen 110, sind nach herrschender Ansicht zulässig, solange sie<br />
nicht nichtig 111 oder bloße Scheinmaßnahmen 112 sind. Selbst unzulässige Vorlagen<br />
nach Art. 100 GG können zum Ruhen der Verjährung nach § 78b I StPO<br />
führen 11<strong>3.</strong><br />
2. Aufhebung des Haftbefehls als Hilfserwägung<br />
<strong>Die</strong> Ansicht, das (Verfolgungs-)Verjährungsrecht regele abschließend die Disproportionalität,<br />
korrespondiert mit der Wertung des Untersuchungshaftrechts,<br />
aus der folgt, daß in praxi bloße Disproportionalität der Verfahrensdauer bei<br />
Großverfahren nur selten eine Rolle spielen dürfte: Selbst Untersuchungshaftvollzug<br />
mit seinem schwerwiegenderen Eingriffscharakter gegenüber der bloßen<br />
Durchführung des <strong>Strafverfahren</strong>s wird so lange als proportional betrachtet, wie<br />
seine <strong>Dauer</strong> nicht die Straferwartung übertrifft 114, <strong>und</strong> zwar unter Berücksichtigung<br />
der wahrscheinlichen Strafaussetzung zur Bewährung 115. Konsequenz ist,<br />
daß Disproportionalität (wegen bloßer Verfahrensdauer) jedenfalls nicht früher<br />
oder gleichzeitig vorliegen kann 116.<br />
Demzufolge ist insbesondere in NS- <strong>und</strong> Terroristenprozessen, in denen regelmäßig<br />
lebenslange Freiheitsstrafe droht, Disproportionalität kaum denkbar. So<br />
107 Schroeder, Strafprozeßrecht2, S. 3 f.; dagegen Hillenkamp, JR 1975, S. 136 (ohne<br />
Begründung).<br />
108 Stree in SchSch2 3, § 78c Rn. 3; OLG Celle, NdsRpfl. 1984, S. 239 (240).<br />
109 BGHSt 7, S.202 (205); OLG Koblenz, DAR 1980, S.250 (251); BayObLGSt<br />
1976, S. 28 (30); Jähnke in LKlO, § 78c Rn. 11.<br />
110 BGHSt 7, S. 202 (205); 9, S. 198 (203); 12, S. 177 (180); Stree in SchSch 23 , § 78c<br />
Rn. 3; Dreher I Tröndle, StGB44, § 78c Rn. 7; Jähnke in LK'O, § 78c Rn. 11; a. A. Rudolphi<br />
in SK StGB, § 78c Rn. 7; Lackner, StGB'8, § 78c Anm. <strong>3.</strong><br />
111 Stree in SchSch2 3, § 78c Rn. <strong>3.</strong><br />
JI2 BGHSt 7, S. 202 (205); 9, S. 198 (203); 12, S. 335; OLG Celle, NdsRpfl. 1984,<br />
S. 239 (240); OLG Koblenz, DAR 1980, S. 250 (251); BayObLGSt 1976, S. 28 (30);<br />
Jähnke in LKIO, § 78c Rn. 11; Stree in SchSch 2 3, § 78c Rn. <strong>3.</strong><br />
113 VgI. BGHSt 24, S. 6 (10); Ulsamer in Maunz I Schmidt-Bleibtreu I Klein I Ulsamer,<br />
BVerfGG, § 80 Rn. 299; 306 ff.: "ordnungsgemäße Vorlage" genügt.<br />
114 OLG Bremen, NJW 1960, S. 1265; Dürig in Maunz I Dürig, Art. 1 Abs. II Rn. 71;<br />
Wendisch in LR24, § 120 Rn. 10; Boujong in KK StP02, § 120 Rn. 6; Kleinknechtl<br />
Janischowsky, Das Recht der Untersuchungshaft, Rn. 115; Echterhölter, JZ 1956, S. 145;<br />
v. Stackelberg, NJW 1960, S. 1266; vgI. auch BGHZ 45, S. 30 (40).<br />
115 Boujong in KK StP02, § 112 Rn. 48; Kleinknecht I Meyer, StP039, § 120 Rn. 4;<br />
LG Freiburg, StV 1988, S. 394; vgl. aber auch OLG Frankfurt, NStZ 1986, S. 568.<br />
116 Siehe aber I. Roxin, Rechtsfolgen, S. 255 ff.; zustimmend Schroth, NJW 1990,<br />
S. 31; vgI. auch Grauhan, GA 1976, S. 236 f.; Hillenkamp, NJW 1989, S. 2847 Fn. 71.<br />
Siehe dazu auch unten, 7. Kap. C II 1.<br />
ist es jedenfalls konsequent, daß der BGH im sog. Schmücker-Verfahren auch<br />
nach r<strong>und</strong> dreizehn Jahren Verhandlungsdauer es "angesichts der Schwere des<br />
Tatvorwurfs <strong>und</strong> der Schwierigkeit der Beweislage" <strong>und</strong> unter der - allerdings<br />
tatsächlich zweifelhaften 117 - Voraussetzung des Fehlens <strong>von</strong> "besonderen Umständen"<br />
(gemeint sind wohl gravierende Verfahrensverzögerungen durch die<br />
Strafverfolgungsbehörden) abgelehnt hat, das Verfahren einzustellen. Disproportionale,<br />
nicht auf Verzögerungen beruhende Verfahrensdauer wird im Bereich<br />
der Großverfahren am ehesten in Wirtschaftsstrafprozessen denkbar sein, also<br />
in Strafsachen <strong>von</strong> großer Schwierigkeit bei relativ geringer Straferwartung.<br />
<strong>3.</strong> Entkriminalisierung <strong>von</strong> Bagatellsachen als Konsequenz<br />
Das zur Proportionalität bezüglich des Verhältnisses <strong>von</strong> Verfahrensdauer <strong>und</strong><br />
Strafe Ausgeführte bedarf einer ergänzenden Überlegung für den Bereich der<br />
Bagatellkriminalität: Wegen § 50 I StGB (Mindeststrafe: fünf Tagessätze) könnte<br />
rein theoretisch schon eine Verfahrensdauer <strong>von</strong> nur einer Woche die verwirkte<br />
Strafe übertreffen. Bei diversen Delikten 118 erreicht schon einjährige, bei<br />
§§ 106a I, 107b I, 160 I 2. Alt., 184a StGB schon halbjährige Verfahrensdauer<br />
die Strafrahmenobergrenze 119. <strong>Die</strong>sen Gedanken zuende zu denken bedeutet, daß<br />
die Strafverfolgung <strong>von</strong> Bagatellkriminalität über eine relativ kurz bemessene<br />
zeitliche Spanne hinaus unter dem Gesichtspunkt <strong>überlange</strong>r Verfahrensdauer<br />
als problematisch anzusehen ist 120. In diesem Sinne hat sich, wie der 2. Strafsenat<br />
des BGH in seiner Revisionsentscheidung mitteilt, auch das LG Köln geäußert:<br />
Es widerspräche dem Gr<strong>und</strong>satz der Verhältnismäßigkeit, "das Verfahren in dem<br />
Bewußtsein fortzusetzen, daß kaum mehr als eine symbolische Strafe zu erwarten<br />
sei" 121.<br />
117 BGH, StV 1989, S. 187 (188). Zweifelhaft ist die Entscheidung allerdings unter<br />
zwei Gesichtspunkten, auf die jetzt auch das LG Berlin in seinem Einstellungsurteil<br />
hingewiesen hat: Zum einen insofern, als die Verfahrensdauer (auch) auf das Verhalten<br />
staatlicher Organe zurückzuführen sein könnte (siehe oben, II), zum anderen deshalb,<br />
weil der BGH in einigen Entscheidungen Verfahrensverzögerungen der Strafverfolgungsbehörden<br />
darin erblickt hat, daß Urteile auf die Revision des Beschuldigten hin aufgehoben<br />
werden mußten (BGHSt 35, S. 137 ; StV 1985, S. 322; NStZ 1987, S. 232 f.;<br />
BGHR StGB § 46 Abs.2 Nachtatverhalten 4
120 <strong>3.</strong> Kap.: Aufgliederung des Begriffs der <strong>überlange</strong>n Verfahrensdauer B. Zur Einordnung mit Hilfe des Verhältnismäßigkeitsgr<strong>und</strong>satzes 121<br />
<strong>Die</strong>ses Problem ist durch die strafrechtlichen Änderungen im Bereich der<br />
Bagatellkriminalität der letzten Jahrzehnte jedenfalls prinzipiell gelöst worden,<br />
<strong>und</strong> zwar in zweifacher Hinsicht. Zum einen hat der Gesetzgeber hier zu Verfahrensvereinfachungen<br />
zwecks Beschleunigung gegriffen: Während bei Großverfahren<br />
Hintergr<strong>und</strong> <strong>von</strong> Verfahrensvereinfachungen ist, daß das Strafprozeßrecht<br />
in seiner Ausgestaltung diesen Prozessen nicht "gewachsen" sei 122, geht es hier<br />
darum, daß das Verfahrensrecht aufgr<strong>und</strong> des Bagatellcharakters teilweise als<br />
"überflüssig" angesehen wird 12<strong>3.</strong> Zum anderen,<strong>und</strong> nur dies kann die Legitimation<br />
für ersteres darstellen, findet eine Entkriminalisierung im Bereich der Bagatelldelikte<br />
statt: Es wird an die Sanktionierung des Täters kein Strafmakel geknüpft.<br />
Es geht, auch wenn dies formal betrachtet ist, nicht mehr um ein Verfahren, das<br />
mit einem tiefen Einschnitt in die soziale Integrität des Beschuldigten droht, der<br />
(Freiheits-)Strafe zu befürchten hat, sondern es geht ausschließlich um die Verhängung<br />
einer nicht mit einem Unwerturteil verknüpften finanziellen Verpflichtung.<br />
<strong>Die</strong> Situation des Beschuldigten ist der Situation angenähert, in der sich<br />
jemand befindet, der sich einer zivilrechtlichen Zahlungsklage oder eines belastenden<br />
Verwaltungsaktes erwehren muß 124.<br />
a) <strong>Die</strong> vereinfachten Kriminalstrafverfahren<br />
Gegenbeispiel zu den Entkriminalisierungen sind die schon in der ursprünglichen<br />
Fassung der StPO angelegten sog. vereinfachten <strong>Strafverfahren</strong>. Exemplarisch<br />
soll dazu im folgenden nicht das Augenmerk auf das Strafbefehlsverfahren<br />
mit dem Einwand gelegt werden, es könne die Rechtsstellung der Beschuldigten<br />
verkürzen, indem (Kriminal-)Strafen vorschnell <strong>und</strong> ohne hinreichendes rechtliches<br />
Gehör festgesetzt würden, die Betroffenen sich aber aus den verschiedensten<br />
Gründen nicht zur Wehr setzten 125. Statt dessen werden das beschleunigte Verfahren<br />
(§ 212 StPO) <strong>und</strong> die Nachtragsklage (§ 266 StPO) betrachtet, die die Vereinfachung<br />
<strong>und</strong> Beschleunigung durch die Überspringung gewisser regelmäßig vorgeschriebener<br />
Verfahrenshandlungen erreichen wollen 126, aber ebenfalls formelle<br />
Strafe nach sich ziehen. Beide sind für den Bereich der Kleinkriminalität bestimmt.<br />
Beim beschleunigten Verfahren ergibt sich dies schon aus der Beschränkung<br />
der Strafgewalt gemäß § 212b I Satz 2 StPO. Bei § 266 StPO war in der<br />
ursprünglichen Fassung die Nichtanwendbarkeit auf Verbrechen ausgesprochen;<br />
rein faktisch dürfte sich daran nichts geändert haben: Nur in kleineren Sachen<br />
ist anzunehmen, daß die Staatsanwaltschaft ohne weitere Ermittlungen sofort<br />
122 Vgl. Baumann, FS Klug, S. 46<strong>3.</strong><br />
123 Vgl. Rieß, JR 1975, S. 224 ff.; in: Strafprozeß <strong>und</strong> Reform, S. 114 f.<br />
124 Vgl. dazu Priebe, FS v. Simson, S. 302.<br />
125 Vgl. Gössel in LR'4, vor § 407 Rn. 12.<br />
126 Vgl. W. Gollwitzer in LR'4, § 266 Rn. 1; Gallrein, Das schleunige Verfahren im<br />
Strafprozess, S. 2 f.<br />
anklagen, das Gericht ohne vorbereitendes Verfahren verhandeln <strong>und</strong> der Beschuldigte<br />
sich ohne Aussetzung der Hauptverhandlung (vgl. § 266 III Satz 1<br />
StPO) verteidigen kann. Gegen beide Vorschriften sind Bedenken anzumelden:<br />
<strong>Die</strong> Durchbrechung des wohlerwogenen regelmäßigen Verfahrensganges mit<br />
schriftlicher Anklage, Eröffnungsverfahren <strong>und</strong> Hauptverhandlung nach angemessener<br />
Ladungsfrist ist, mit Meyer-Goßner gesprochen, eo ipso suspekt1 27 •<br />
Beim beschleunigten Verfahren hat der Beschuldigte keinerlei Möglichkeiten,<br />
sich gegen diese Verfahrensart zu wehren - ein einmaliger Vorgang in der<br />
StPO, der schon mit den frühen StPO-Entwürfen revidiert werden sollte 128. Wenngleich<br />
auch diese Verfahrensart einen "einfachen Sachverhalt" - sprich, wie<br />
das bezeichnende Wort "Aburteilung" in § 212 StPO zeigt, einfache Überführung<br />
des Täters 129 - voraussetzt, so ist doch im heutigen Strafrecht selbst bei offensichtlicher<br />
Täterschaft ein einfacher Sachverhalt niemals gegeben 130: Schon Karl<br />
Peters hat als eine Ursache für heute länger als früher andauernde Verfahren<br />
darauf hingewiesen, daß das (auch) spezialpräventiv ausgerichtete Strafrecht die<br />
Gewinnung eines umfassenden Persönlichkeitsbildes aufgr<strong>und</strong> der Tätereigenschaften,<br />
der Täterentwicklung <strong>und</strong> der Täterumwelt sowie eine Persönlichkeitsprognose<br />
erfordert 131. Welche Bedeutung gerade auch bei "einfachen Sachverhalten"<br />
der Ermittlung des Strafzumessungssachverhalts zukommt, zeigt sich gerade<br />
daran, daß in jüngerer Zeit ein Schwerpunkt des Anwendungsbereichs des beschleunigten<br />
<strong>Strafverfahren</strong>s die Verurteilung <strong>von</strong> Fußballrowdies <strong>und</strong> gewalttätigen<br />
Demonstranten 132 mit der häufigen Verhängung <strong>von</strong> Freiheitsstrafen ohne<br />
Strafaussetzung gewesen ist1 33 • Hier hebt verstärkt § 56 I StGB sowohl die<br />
Relevanz der Ermittlung der spezialpräventiven Gesichtspunkte als auch die<br />
große Bedeutung der Strafzumessungsverteidigung für den Beschuldigten hervor.<br />
<strong>Die</strong>se Bedenken schlagen hinsichtlich § 266 StPO weit weniger durch, weil<br />
hier die Zustimmung des Beschuldigten zur Einbeziehung der Nachtragsklage<br />
erforderlich ist. Doch bestimmt dann § 266 III Satz 1 StPO, daß die Verhandlung<br />
nicht einmal unterbrochen wird, wenn der Angeklagte einen Unterbrechungsantrag<br />
auf die Nachtragsklage hin "offenbar mutwillig oder nur zur Verzögerung<br />
127 Meyer-Goßner in LR23, vor § 198 Rn. 15.<br />
128 Vgl. dazu Gallrein, Das schleunige Verfahren im Strafprozess, S. 80 f.; 90 f.;<br />
K.-H. Lehmann, DRiZ 1970, S. 288.<br />
129 Vgl. Meyer-Goßner in LR'3, § 212 Rn. 16; K.-H. Lehmann, DRiZ 1970, S. 289<br />
Fn.31.<br />
130 Siehe Schünemann, NJW 1968, S. 975; vgl. auch Rieß in LR'4, § 212 Rn. 8; 22;<br />
24, sowie Nr. 146 I Satz 2 RiStBV.<br />
131 K. Peters in: StrafprozeB <strong>und</strong> Reform, S. 84; vgl. auch Küng-Hofer, Beschleunigung,<br />
S. 6 ff.<br />
132 Vgl. RieB in LR'4, § 212 Rn. 6; Baumann, FS Klug, S.462; Priestoph, Polizei<br />
1979, S. 296 ff.; K.-H. Lehmann, DRiZ 1970, S. 287 ff.; Schünemann, NJW 1968,<br />
S. 975 f.<br />
133 Vgl. Meyer-Goßner in LR23, vor § 198 Rn. 15.
122 <strong>3.</strong> Kap.: Aufgliederung des Begriffs der <strong>überlange</strong>n Verfahrensdauer B. Zur Einordnung mit Hilfe des Verhältnismäßigkeitsgr<strong>und</strong>satzes 123<br />
des Verfahrens gestellt" hat. Nun ist die Vorstellung schlechterdings unerträglich,<br />
das Gericht könnte erst die Zustimmung des Beschuldigten erlangen <strong>und</strong> dann<br />
seinen Unterbrechungsantrag ablehnen: Entweder ist der Beschuldigte "kooperativ"<br />
- wie seine Zustimmung zeigt -, dann muß unterbrochen werden. Oder<br />
der Unterbrechungsantrag ist zu Recht abgelehnt worden - dann ist die Zustimmung<br />
des Beschuldigten zur Nachtragsklage ihm doch wohl, wie es beim sofortigen<br />
Rechtsmittelverzicht nach Urteilsverkündung so schön heißt, "herausgefragt"<br />
134 worden. <strong>Die</strong>ser Widerspruch ist dadurch in das Gesetz gelangt, daß mit<br />
dem VereinhG <strong>von</strong> 1950 die Fassung des § 266 III StPO gemäß der 2. VereinfVO<br />
<strong>von</strong> 1942 übernommen wurde, jedoch die damals abgeschaffte Zustimmung des<br />
Beschuldigten wieder zur Voraussetzung der Einbeziehung gemacht wurde.<br />
Jedenfalls zeigt sich in beiden Verfahrensarten: Vereinfachung des Verfahrensganges<br />
ohne gleichzeitige Entkriminalisierung sichert die Proportionalität bei<br />
Kleinkriminalität auf Kosten der Rechtsstellung des Beschuldigten.<br />
b) <strong>Die</strong> entkriminalisierten Verfahren<br />
<strong>Die</strong> heiden wichtigsten Bereiche der neueren Entkriminalisierungsgesetzgebung,<br />
nämlich das Ordnungswidrigkeitenrecht <strong>und</strong> die Einstellung nach § l53a<br />
StPO 135, sind Reaktionen auf die zwei materiell möglichen Formen <strong>von</strong> Bagatellen:<br />
Während die Umwandlung in Ordnungswidrigkeiten die gesetzgeberische<br />
Reaktion bei selbständigen leichten Delikten 136 bzw. eigentlichen Bagatelldelikten<br />
137, also Taten, die nach ihrer Tatbestandsbeschreibung schlechthin nur geringfügig<br />
sind, darstellte, ist die Erledigung nach § 153a StPO die Lösung für jedes<br />
Vergehen - "Verbrechenstatbestände sind bagatellfrei" 138 -, das lediglich im<br />
Einzelfall als geringfügig anzusehen ist (unselbständig leichtes Delikt oder uneigentliches<br />
Bagatelldelikt). Problematisch hieran ist, bei weniger formalistischer<br />
Betrachtungsweise, vor allem, inwieweit hier ein bloßer "Etikettenschwindel"<br />
vorliegt mit der Konsequenz, daß gegen materiell doch strafgleiche Sanktionen<br />
ein verringerter Rechtsschutz besteht.<br />
Unter dem Gesichtspunkt der Proportionalität ist es dann zumindest konsequent,<br />
daß im Ordnungswidrigkeitenrecht die Verfolgungsverjährung gegenüber<br />
dem StGB früher eintritt: Nach § 11 OWiG staffelt sich die Verjährungsfrist je<br />
nach Bußgeldandrohung <strong>von</strong> drei Jahren bis zu sechs Monaten; im Bereich des<br />
Verkehrsrechts ist diese Frist sogar auf drei Monate herabgesetzt (§ 26 In StVG).<br />
Gerade die Verkehrsordnungswidrigkeiten machen die Problematik besonders<br />
deutlich: Auf der einen Seite ist zwar ihr Unrechtsgehalt eindeutiger als etwa<br />
im Bereich des Wirtschaftsrechts unter dem der Straftaten einzuordnen 139. Auf<br />
der anderen Seite drohen jedoch Rechtsfolgen, die mit denen des Kriminalstrafrechts<br />
identisch sind (Fahrverbot, § 25 StVG; Entziehung der Fahrerlaubnis, § 4<br />
StVG), registerrechtlich sogar schwerer wiegen können 140. Das bedeutet, daß die<br />
Kette: aufgr<strong>und</strong> geringeren Unrechtsgehaltes wird zu Ordnungswidrigkeiten herabgestuft<br />
<strong>und</strong> deshalb kann der Rechtsschutz des Betroffenen verkürzt werden<br />
durch die angedrohten Rechtsfolgen durchbrochen wird. <strong>Die</strong> Unterschiede z~<br />
den vereinfachten Kriminalstrafverfahren verflüchtigen sich.<br />
1974 wurde durch das EGStGB § l53a StPO eingeführt, "damit kleinere <strong>Strafverfahren</strong><br />
rasch <strong>und</strong> zweckmäßig ohne Schuldspruch <strong>und</strong> Hauptverhandlung<br />
erledigt werden" können 141. <strong>Die</strong> Problematik hier stellt sich anders dar: Daß sich<br />
die Geldzahlung nach § l53a I Nr. 2 StPO formell betrachtet <strong>von</strong> der Geldstrafe<br />
unterscheidet, dürfte nicht zweifelhaft sein. Genauso eindeutig dürfte es aber<br />
sein, daß die materiellen Wirkungen strafähnlicher Art sind. Geht man da<strong>von</strong><br />
aus, erscheint ein Gesichtspunkt interessant, den vor einigen Jahren vor allem<br />
Dencker hervorgehoben hat: § l53a StPO würde die rasche Erledigung nur dadurch<br />
erreichen, daß er Gr<strong>und</strong>prinzipien des Verfahrensrechts über Bord wirft 142:<br />
Jedem Verteidiger ist die unangenehme Situation bekannt, daß ihm <strong>von</strong> seiten<br />
des Gerichts <strong>und</strong> der Staatsanwaltschaft das Verfahren nach § l53a StPO in der<br />
Hauptverhandlung regelrecht aufgedrängt wird. Häufig passiert dies in einer<br />
Situation, in der das Verfahren aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen relativ<br />
kompliziert ist, der Verteidiger aber - u. U. gerade deswegen - eine reale<br />
Freispruchschance sieht. Lehnt der Verteidiger nun die Zustimmung zum Verfahren<br />
nach § 153a StPO ab, so hat sich das Risiko einer Verurteilung deutlich<br />
erhöht, da das Gericht nunmehr zum Ausdruck gebracht hat, daß es den Beschuldigten<br />
für schuldig hält 14<strong>3.</strong> Ein Befangenheitsgesuch dürfte hier kaum helfen 144.<br />
Vielmehr hat der Beschuldigte nunmehr, wie Eisenberg formuliert, die Wahl<br />
134 Vgl. Dahs, FS Schmidt-Leichner, S. 17 ff.<br />
135 Wenngleich es unüblich ist, kann auch § 153a StPO als Instrument zur Entkriminalisierung<br />
bezeichnet werden, vgl. etwa RieB in LR24, § 153a Rn. 4; Montenbruck / Kuhlmey<br />
/ Enderlein, JuS 1987, S. 967; Neumann, ZStW 101 (1989), S. 55 Fn. 10; Lüderssen<br />
in: Polizei <strong>und</strong> Strafprozeß, S. 213; Wolter, GA 1989, S. 398.<br />
136 H. Mayer, Zuchtgewalt <strong>und</strong> Strafrechtspflege, S. 63 f.; GerS 96 (1928), S. 407 f.;<br />
Krümpelmann, <strong>Die</strong> Bagatelldelikte, S. 36 f.<br />
137 Dreher, FS Welzel, S. 918 ff.; Wolter, GA 1989, S. 398.<br />
138 Vgl. Krümpelmann, <strong>Die</strong> Bagatelldelikte, S. 127; Kunz, Das strafrechtliche Bagatellprinzip,<br />
S. 206; 311.<br />
139 Vgl. etwa Kunz, Das strafrechtliche Bagatellprinzip, S. 157.<br />
. 140 In das Verkehrszentralregister werden zwar gemäß § 28 Nr. 3 StVG, § 13 I Nr. 2<br />
iI~. a StVZO Verurteilungen zu Geldbußen ab 80,- DM eingetragen, nicht jedoch<br />
Eillstellungen gemäß § 153a StPO (vgl. § 28 Nr. I StVG, § 13 I Nr. 2 lit. d StVZO).<br />
141 Begr. RegE EGStGB, BT-DrS 7/550, S. 298.<br />
142 Dencker, JZ 1973, S. 149.<br />
143 Insofern ist die Situation - entgegen RieB in LR24, § 153a Rn. 14; Herrmann,<br />
ZStW 96 (19.84), S. 472 - anders als bei der Entscheidung, ob Einspruch gegen einen<br />
Strafbefehl eillgelegt werden sollte.<br />
144 Vgl. Dencker, JZ 1973, S. 150; vgl. auch Eisenberg, Kriminologie3, § 40 Rn. <strong>3.</strong>
124 <strong>3.</strong> Kap.: Aufgliederung des Begriffs der <strong>überlange</strong>n Verfahrensdauer B. Zur Einordnung mit Hilfe des Verhältnismäßigkeitsgr<strong>und</strong>satzes 125<br />
"zwischen zwei Übeln" 145. Aus diesem Gr<strong>und</strong>e ist auch die Regelung des § 153a<br />
StPO gelegentlich sogar als ein Verstoß gegen § 136a StPO bezeichnet worden 146.<br />
Interessanterweise hat in einer neueren Entscheidung - es ging um Einstellung<br />
des Verfahrens nach § 153a StPO wegen <strong>überlange</strong>r Verfahrensdauer - der<br />
BGH erstaunlich deutliche Worte zu diesem Problem geäußert: Er sprach da<strong>von</strong>,<br />
die Anwendung <strong>von</strong> § 153a StPO könnte die Beschuldigten "der Zwangslage<br />
aussetzen, entweder die Bedingungen der Staatsanwaltschaft hinsichtlich Art <strong>und</strong><br />
Umfang der Auflagen zu akzeptieren odereine unabsehbare weitere Verlängerung<br />
des Verfahrens mit ungewissem Ausgang hinzunehmen. Da die Angeklagten bei<br />
einer neuen Hauptverhandlung auch mit einem Freispruch rechnen können, darf<br />
ihnen die Aussicht auf einen günstigen Ausgang des Verfahrens nicht dadurch<br />
genommen werden, daß ihnen unter dem Druck weiterer insgesamt unangemessener<br />
Verfahrensdauer die Übernahme belastender Auflagen gleichsam abgenötigt<br />
wird" 147. Zu dem Gebrauch der Worte "Zwangslage" <strong>und</strong> "abnötigen" erübrigt<br />
sich jeder Kommentar 148.<br />
IV. Zumutbarkeit <strong>und</strong> Belastungen<br />
Das bisherige Schema - Einordnung <strong>von</strong> <strong>überlange</strong>r Verfahrensdauer unter<br />
die Gesichtspunkte des Verhältnismäßigkeitsgr<strong>und</strong>satzes (Geeignetheit, Erforderlichkeit,<br />
Proportionalität) - vermag allerdings noch nicht die Einfügung eines<br />
Aspekts zu leisten, den insbesondere das LG Frankfurt <strong>und</strong> das BVerfG (Vorprüfungsausschuß)<br />
hervorgehoben haben 149: Auch ein unverzögertes, noch nicht<br />
verjährtes, also noch proportionales Verfahren kann zu außerordentlichen Verfahrensbelastungen<br />
beim Beschuldigten führen. Hinsichtlich der rechtlichen Bedeutung<br />
dieses Aspektes hat zur <strong>überlange</strong>n Untersuchungshaftdauer das LG Köln<br />
vor Inkrafttreten des StPÄG hingewiesen 150: "Auch dann nämlich, wenn das<br />
angemessene Verhältnis zwischen der Länge der Untersuchungshaft <strong>und</strong> der zu<br />
erwartenden Strafe nicht überschritten ist <strong>und</strong> wenn die Schwierigkeiten der<br />
Ermittlungen so außerordentlich sind, daß trotz längstem Zeitablauf<strong>von</strong> vermeidbaren<br />
Verfahrensverzögerungen nicht die Rede sein kann, muß die Untersuchungshaft<br />
ihr Ende finden, wenn ihr weiterer Vollzug den Inhaftierten seelisch<br />
zerbrechen, seine Verteidigungsbereitschaft weitgehend untergraben <strong>und</strong> damit<br />
seine Menschenwürde empfindlich verletzen würde."<br />
145 Eisenberg, Kriminologie', § 27 Rn. 19.<br />
146 Dencker, JZ 1973, S. 149 f.; C. Roxin, <strong>Strafverfahren</strong>srecht 21 , § 14 B II 2 b;<br />
Baumann, FS Klug, S. 463; dagegen Dreher, FS Welzel, S. 936 ff.; Meyer-Goßner in<br />
LR23, § 153a Rn. 108; Herrmann, JuS 1976, S. 417.<br />
147 BGHSt 35, S. 137 (141 f.).<br />
148 Vgl. auch Dencker / Hamm, Der Vergleich im Strafprozeß, S. 131.<br />
149 LG Frankfurt, JZ 1971, S.234 (2350; BVerfG (Vorprüfungsausschuß), NJW<br />
1984, S. 967. Vgl. auch BGHSt 24, S. 239 (240).<br />
150 LG Köln, NJW 1964, S. 1816 (1817).<br />
Hinter dem Gedanken der (Verfahrens-)Belastungen verbirgt sich, wie auch<br />
Hillenkamp deutlich macht l51 , der Zumutbarkeitsgesichtspunkt. Insoweit wäre<br />
richtigerweise die Auffassung Kohlmanns hier einzuordnen, es müsse (auch) die<br />
Angemessenheit <strong>von</strong> Verfahrensdauer <strong>und</strong> den daraus für den Beschuldigten<br />
erwachsenden Nachteilen gewahrt sein 152.<br />
Allerdings ist der Terminus der Zumutbarkeit nicht eindeutig. Er wird zunächst<br />
einmal, ähnlich wie durch Kohlmann, in zahlreichen Entscheidungen des<br />
BVerfG153 mit dem Proportionalitätsgr<strong>und</strong>satz vermengt, was deutliche Kritik<br />
erfahren hat 154. Von anderen wird der Zumutbarkeit dagegen ein eigener, abgegrenzter.<br />
Be~eutungsgehalt zugesprochen: <strong>Die</strong>ser Gr<strong>und</strong>satz ergänze die Wertung<br />
nac.h objektiven Maßstäben mittels Geeignetheit, Erforderlichkeit <strong>und</strong> ProportionalItät<br />
durch die Berücksichtigung der subjektiven Lage des Betroffenen; er<br />
verbiete Maßnahmen, die nach der subjektiven Sicht des Betroffenen eine unbillige<br />
Härte darstellen 155. Der Gr<strong>und</strong>satz der Zumutbarkeit richte sich gerade an den<br />
Rechtsanwender im konkreten Fall bezüglich der Umsetzung einer generellabstrakten<br />
Regelung 156 ohne "starre Opfergrenze" 157.<br />
Uneinigkeit herrscht weiterhin hinsichtlich der theoretischen Beziehung zum<br />
Verhältnismäßigkeitsprinzip. Für einige ist der Gr<strong>und</strong>satz der Zumutbarkeit ein<br />
weiterer Teilgr<strong>und</strong>satz des Verhältnismäßigkeitsprinzips 158, andere verstehen ihn<br />
als selbständiges, der Verhältnismäßigkeitsprüfung nachgeschaltetes Kriterium<br />
159. Billigt man dem Zumutbarkeitsgr<strong>und</strong>satz einen selbständigen Sinngehalt<br />
zu, so ist es letztendlich relativ bedeutungslos, ob man ihn als selbständigen<br />
Gr<strong>und</strong>satz oder aber als weiteres Element des Verhältnismäßigkeitsprinzips be-<br />
151 Hillenkamp, NJW 1989, S. 2848.<br />
152 Kohlmann, FS Maurach, S. 510.<br />
153 Vgl. BVerfGE 7, S. 377 (406); 21, S. 150 (155 f.); S. 173 (183); 26, S. 215 (228);<br />
30, S. 292 (316); 33, S. 240 (244); 36, S. 47 (59); 37, S. 1 (18 f.); 40, S. 371 (382 f.);<br />
41, S. 2~1 (264); 49, S. 24 (58); vgl. auch Dechsling, Das Verhältnismäßigkeitsgebot,<br />
S. 13; Zimmerh, ZSchwR 97 II (1978), S. 16 f.; Grabitz, DVBl. 1973, S. 683; Bettermann<br />
/ Loh, BB }969, S. 70; 72; Erichsen, DVBl. 1967, S. 270.<br />
154 Lücke, DOy 1974, S. 769 ff.; Ossenbühl, FG Gesellschaft für Rechtspolitik,<br />
S. 316 ff.; Langhemeken, Der Gr<strong>und</strong>satz der Verhältnismäßigkeit, S. 17 ff.; L. Hirschberg,<br />
Der Gr<strong>und</strong>satz der Verhältnismäßigkeit, S. 98 f.<br />
155 V~l. etwa Lücke, <strong>Die</strong> (Un-)Zumutbarkeit als allgemeine Grenze öffentlich-rechtlicher<br />
Pfhchten des Bürgers, S. 44 ff.; Witt, Verhältnismäßigkeitsgr<strong>und</strong>satz, S. 37; 42; M.<br />
Jakobs, Der Gr<strong>und</strong>satz der Verhältnismäßigkeit, S. 89 ff.; H. Henkel, FS Mezger, S. 267 f.<br />
156 H. Henkel, FS Mezger, S. 262; M. Jakobs, Der Gr<strong>und</strong>satz der Verhältnismäßigkeit<br />
S.94.<br />
'<br />
157 L. Hirs~hberg, Der. ~r<strong>und</strong>satz der Verhältnismäßigkeit, S.98; Ossenbühl, FG<br />
Gesellsc?aft fur Rechtspohtlk, S. 321; Dechsling, Das Verhältnismäßigkeitsgebot, S. 9 ff.<br />
158 Wltt, Verhältnismäßigkeitsgr<strong>und</strong>satz, S. 42; Steinberg, BB 1968, S. 436; Sommer,<br />
I?VB~. 1?73, S. 482; Huber, ZSchwR 96 I (1977), S. 27 f.; wohl auch Isensee, Subsidiaritatspnnzlp<br />
<strong>und</strong> Verfassungsrecht, S. 91.<br />
159 Lücke, DÖV 1974, S. 769 ff.; M. Jakobs, Der Gr<strong>und</strong>satz der Verhältnismäßigkeit<br />
S. 93 ff.; Ossenbühl, FG Gesellschaft für Rechtspolitik, S. 320 ff. '
126 <strong>3.</strong> Kap.: Aufgliederung des Begriffs der <strong>überlange</strong>n Verfahrensdauer B. Zur Einordnung mit Hilfe des Verhältnismäßigkeitsgr<strong>und</strong>satzes 127<br />
trachtet, wozu ich neige 160. Für das Verhältnis zur Proportionalität gilt in jedem<br />
Fall: Steigt die noch proportionale Verfahrensdauer entsprechend der Schwere<br />
des Tatvorwurfs (vgl. § 78 III StGB), so verhalten sich die Verfahrensbelastungen<br />
eher reziprok - je höher die Straferwartung, desto stärker könnten die Belastungen<br />
sein 161. Demzufolge kann auch ein Verfahren, das noch proportional ist,<br />
unzumutbar sein 162. Umgekehrt ist es denklogisch genausowenig ausgeschlossen,<br />
ein disproportionales Mittel immer zugleich als unzumutbar zu bezeichnen 163,<br />
wie auch möglich, beide Gr<strong>und</strong>sätze isoliert zu betrachten 164.<br />
V. "Vernünftigkeit" <strong>und</strong> Gesamtwürdigung<br />
Problematisch erscheint noch, wie der Begriff der Angemessenheit im Sinne<br />
<strong>von</strong> Art. 6 I EMRK zu verstehen ist, der terminologisch mit dem Verhältnismäßigkeitsprinzip<br />
oder dem Teilgr<strong>und</strong>satz der Proportionalität gleichgesetzt werden<br />
könnte. Rechtsbegriffe der Konvention sind jedoch nicht ohne weiteres identisch<br />
mit gleichlautenden des (sonstigen) innerstaatlichen Rechts 165. Der Terminus ist<br />
nicht aus der deutschen Dogmatik zum Verhältnismäßigkeitsgr<strong>und</strong>satz hervorgegangen<br />
166, die ihre heutige Ausgestaltung ohnehin erst ab 1955 entwickelte 167,<br />
also nach Inkrafttreten der EMRK. Der dortige Begriff der Angemessenheit<br />
beruht auf der Übersetzung des (maßgebenden) authentischen englischen <strong>und</strong><br />
französischen Textes (reasonable time; delai raisonnable). Insofern ist die Ansicht,<br />
Proportionalität <strong>und</strong> Angemessenheit i. S. v. Art. 6 I EMRK deckten sich 168,<br />
sehr zweifelhaft. Von einigen Autoren werden zwischen beiden Prinzipien geringe<br />
160 Vgl. Scheffler, Gr<strong>und</strong>legung eines kriminologisch orientierten Strafrechtssystems,<br />
S.108.<br />
161 1. Roxin, Rechtsfolgen, S. 168; Priebe, FS v. Simson, S. 302 f. Siehe dazu auch<br />
unten, 7. Kap. C Il 1 b.<br />
162 Vgl. M. Jakobs, Der Gr<strong>und</strong>satz der Verhältnismäßigkeit, S. 95; Lücke, <strong>Die</strong> (Un-)<br />
Zumutbarkeit als allgemeine Grenze öffenlich-rechtlicher Pflichten des Bürgers, S. 6<strong>3.</strong><br />
163 Steinberg, BB 1968, S. 436.<br />
164 Witt, Verhältnismäßigkeitsgr<strong>und</strong>satz, S. 36.<br />
165 EGMR, EuGRZ 1982, S. 297 (301) (Fall Adolf); E. Müller, FG L. Koch, S. 196;<br />
Frowein 1Ulsamer, Europäische Menschenrechtskonvention <strong>und</strong> nationaler Rechtsschutz,<br />
S. 44; Ulsamer, FS Zeidler, S. 1812 f.; FS Faller, S. 375.<br />
166 Der Verhältnismäßigkeitsgr<strong>und</strong>satz wurde entwickelt im preußischen Verwaltungsrecht<br />
(v. Krauss, Der Gr<strong>und</strong>satz der Verhältnismäßigkeit, S. 4; L. Hirschberg, Der<br />
Gr<strong>und</strong>satz der Verhältnismäßigkeit, S. 2 ff.; Dechsling, Das Verhältnismäßigkeitsgebot,<br />
S. 5 f.; H. Schneider, FG BVerfG H, S. 394; Ress in: Der Gr<strong>und</strong>satz der Verhältnismäßigkeit<br />
in europäischen Rechtsordnungen, S. 12; Huber, ZSchwR 96 I , S. 1).<br />
167 Mit der Monographie <strong>von</strong> v. Krauss, Der Gr<strong>und</strong>satz der Verhältnismäßigkeit; vgl.<br />
L. Hirschberg, Der Gr<strong>und</strong>satz der Verhältnismäßigkeit, S. 8 f.; Dechsling, Das Verhältnismäßigkeitsgebot,<br />
S. 6; Ress in: Der Gr<strong>und</strong>satz der Verhältnismäßigkeit in europäischen<br />
Rechtsordnungen, S. 12.<br />
168 Vogler in: <strong>Die</strong> Untersuchungshaft, S. 882; wohl auch Küng-Hofer, Beschleunigung,<br />
S. 81; v. Stackelberg, FS Bockelmann, S. 768 f.<br />
Unterschiede gesehen 169, während andere den Proportionalitätsgr<strong>und</strong>satz nur zur<br />
Auslegung <strong>von</strong> Art. 6 I EMRK mit heranziehen wollen 170. Es dürfte besser da<strong>von</strong><br />
auszugehen sein, daß die Übersetzung mit "Angemessenheit" unzureichend ist 171.<br />
Man könnte demzufolge, um terminologische Mißverständnisse zu vermeiden,<br />
auch hier (wie schon bei der Proportionalität) auf den Terminus "Angemessenheit"<br />
verzichten <strong>und</strong> mit Herzog <strong>von</strong> der "Vernünftigkeit"172 in Anlehnung an<br />
den englischen <strong>und</strong> französischen Text sprechen.<br />
Der EGMR interpretiert letztendlich die "Vernünftigkeit" durch seine drei<br />
Kriterien (Schwierigkeit des Falles, Verhalten <strong>von</strong> Behörden <strong>und</strong> vom Beschuldigten)<br />
vom Ansatz her eher dem Erforderlichkeitsprinzip vergleichbar 173 - der<br />
Begriff der Angemessenheit verwirrt also vollends, da die absolute Verfahrensdauer<br />
nur noch in Relation hierzu gesetzt wird: Auch die außerordentlich lange<br />
<strong>Dauer</strong> eines Verfahrens führt für den EGMR nicht schlechthin zu einer Verletzung<br />
<strong>von</strong> Art. 6 I EMRK, soll jedoch als "Beweis des ersten Anscheins" für seine<br />
Verletzung sprechen 174. <strong>Die</strong> Straßburger Rechtsprechung wendet also nicht die<br />
einzelnen Kriterien dem deutschen Verhältnismäßigkeitsgr<strong>und</strong>satz vergleichbar<br />
an, sondern führt eine Gesamtwürdigung durch.<br />
Macht man mit dem Verständnis der "Vernünftigkeit" in dieser Weise ernst,<br />
zeigt sich als weitere Konsequenz, daß sie auch abgekoppelt vom Verhältnismäßigkeitsgr<strong>und</strong>satz<br />
relevant werden kann: Mahler weist darauf hin, daß selbst ein<br />
relativ kurzer Zeitraum bei einem sehr alten Menschen unangemessen i. S. v.<br />
Art. 6 I EMRK sein könne, da er "praktisch lebenslänglich" bedeute 175. Selbst<br />
zu kurze Verfahrensdauer - die niemals gegen den Verhältnismäßigkeitsgr<strong>und</strong>satz<br />
verstoßen kann - könnte als "unvernünftig" mit Art. 6 I EMRK kollidieren<br />
- eine Schlußfolgerung, die jedenfalls Driendl ausdrücklich zieht 176.<br />
Problematisch wird die Rechtsprechung des EGMR dadurch, daß sie einen<br />
Konflikt zwischen nationalem Strafrecht <strong>und</strong> Art. 6 I EMRK für möglich hält 177:<br />
<strong>Die</strong> Ausgestaltung der staatlichen Rechtsordnung würde nicht <strong>von</strong> der Verantwortung<br />
für <strong>überlange</strong> Verfahrensdauer befreien 178. So wurde gegenüber der B<strong>und</strong>es-<br />
169 Pieck, Der Anspruch auf ein rechtsstaatliches Gerichtsverfahren, S. 82 f.; Herzog,<br />
AöR 86 (1961), S. 227 f.; Bartseh, NJW 1973, S. 1305.<br />
170 Geppert, JK 1983, MRK Art. 6/1.<br />
171 Pieck, Der Anspruch auf ein rechtsstaatliches Gerichtsverfahren, S. 82; Herzog,<br />
AöR 86 (1961), S. 227.<br />
172 Herzog, AöR 86 (1961), S. 227. Vgl. auch Pieck, Der Anspruch auf ein rechtsstaatliches<br />
Gerichtsverfahren, S. 82.<br />
173 Siehe oben.<br />
174 Miehsler/Vogler, IntKomm, Art. 6 Rn. 310; Uisamer, FS Faller, S. 376.<br />
175 Mahler, NJW 1969, S. 354.<br />
176 Driendl, Verfahrensökonomie <strong>und</strong> Strafprozeßreform, S. 294. Vgl. auch Giebeler,<br />
<strong>Die</strong> Erschöpfung der innerstaatlichen Rechtsbehelfe, S. 309; 318; Kirchhof, FS Doehring,<br />
S.439.<br />
177 Kühne, EuGRZ 1983, S. 383 Fn. 1<strong>3.</strong>
128 <strong>3.</strong> Kap.: Aufgliederung des Begriffs der <strong>überlange</strong>n Verfahrensdauer B. Zur Einordnung mit Hilfe des Verhältnismäßigkeitsgr<strong>und</strong>satzes 129<br />
republik Deutschland etwa vorgebracht, daß das Legalitätsprinzip nicht dazu<br />
führen dürfe, das <strong>Strafverfahren</strong> auf sämtliche Straftaten zu erstrecken 179, ferner,<br />
daß das deutsche Rechtsmittel- <strong>und</strong> Instanzensystem problematisch sei 180. Demzufolge<br />
kann also auch bei Einhaltung des nationalen Rechts ein Verstoß gegen<br />
Art. 6 I EMRK nach Auffassung des EGMR vorliegen. <strong>Die</strong>se Folgerung ist<br />
problematischer als die umgekehrte, daß für den EGMR auch dann nicht Art. 6 I<br />
EMRK verletzt sein muß, wenn nach innerstaatlichem Prozeßrecht zu beachtende<br />
Fristen nicht eingehalten werden 181. Durch diese - <strong>von</strong> Kühne 182 als "leichtfertig"<br />
bezeichnete - Rechtsprechung des EGMR entstehen Auslegungs- <strong>und</strong> Rangprobleme.<br />
Geht man mit der herrschenden Ansicht da<strong>von</strong> aus, daß die EMRK den<br />
Rang innerstaatlichen 183, aber nur einfachen 184 Rechts in der B<strong>und</strong>esrepublik<br />
Deutschland hat, so bedeutet das, daß die EMRK zwar echte, unmittelbar anwendbare<br />
Individualrechte begründen kann, die das deutsche Strafprozeßrecht nicht<br />
nur bestätigen, sondern auch ergänzen oder ändern können 185; es erscheint aber<br />
zweifelhaft, inwieweit das deutsche Verständnis über Erfordernisse der Rechtsstaatlichkeit<br />
i. S. v. Art. 20 GG in Frage gestellt werden kann 186.<br />
Jedenfalls prüft der EGMR die "Vernünftigkeit" (auch) anhand einer imaginären<br />
Rechtsordnung 187. Letztendlich werden hier also lediglich Billigkeitskriterien<br />
einer Gesamtwürdigung zugr<strong>und</strong>e gelegt. <strong>Die</strong>s hat für das nationale Recht unterschiedliche<br />
Konsequenzen: Geht das deutsche Recht weiter, gibt es keine Auslegungsschwierigkeiten,<br />
da die EMRK ohnehin nur "Mindestgr<strong>und</strong>sätze" (vgl.<br />
Art. 60 EMRK) beinhaltet. Ergibt sich aus der Rechtsprechung des EGMR dagegen,<br />
daß das nationale Recht nicht seiner Auslegung <strong>von</strong> Art. 6 I EMRK genügt,<br />
so sind die vollziehende Gewalt <strong>und</strong> die Rechtsprechung zwar gemäß Art. 20 III<br />
GG zur Einhaltung, Beachtung <strong>und</strong> Verwirklichung der EMRK als innerstaatlich<br />
in Kraft gesetzten Rechts <strong>von</strong> sich aus - also auch ohne Einwirkung der Konventionsorgane<br />
- verpflichtet 188. Allerdings galt nach lange Zeit herrschender Auffassung<br />
die lex-posterior-RegeI1 89 mit der Folge, daß der Richter bei späterem<br />
Recht die konventionswidrige Norm anwenden müßte 190.<br />
Nun hat sich jedoch ein Wandel vollzogen 191: Das BVerfG hat mit Entscheidung<br />
vom 26.<strong>3.</strong> 1987 ausgeführt, (Straf-)Gesetze seien "im Einklang mit den<br />
völkerrechtlichen Verpflichtungen der B<strong>und</strong>esrepublik Deutschland auszulegen<br />
<strong>und</strong> anzuwenden, selbst wenn sie zeitlich später erlassen worden sind als ein<br />
geltender völkerrechtlicher Vertrag; denn es ist nicht anzunehmen, daß der Gesetzgeber,<br />
sofern er dies nicht klar bek<strong>und</strong>et hat, <strong>von</strong> völkerrechtlichen Verpflichtungen<br />
der B<strong>und</strong>esrepublik Deutschland abweichen oder die Verletzung solcher<br />
Verpflichtungen ermöglichen will" 192. Das BVerfG kommt damit im Ergebnis<br />
der in der Literatur erörterten "lex-specialis-Regel" nahe 19<strong>3.</strong> Folge da<strong>von</strong> ist, daß<br />
Strafrechts- <strong>und</strong> <strong>Strafverfahren</strong>srechtsänderungs- <strong>und</strong> -reformgesetze die Garantien<br />
der EMRK nicht aufheben oder abschwächen können, es sei denn, der<br />
Gesetzgeber hat klar zu erkennen gegeben, er wolle trotz Verletzung völkerrechtlicher<br />
Verpflichtungen eine <strong>von</strong> der EMRK abweichende gesetzliche Regelung<br />
schaffen 194.<br />
178 Vgl. Miehsler / Vogler, IntKomm, Art. 6 Rn. 324; Ulsamer, FS Faller, S. 376 f.<br />
179 Miehsler / Vogler, IntKomm, Art. 6 Rn. 326.<br />
180 Peukert, EuGRZ 1979, S. 27<strong>3.</strong><br />
181 EGMR, EuGRZ 1985, S. 548 (551 f.) (Fall Pretto u. a.); Frowein / Peukert, EMRK,<br />
Art. 6 Rn. 107.<br />
182 Kühne, EuGRZ 1983, S. 383 Fn. 1<strong>3.</strong><br />
183 A. A. Jescheck, NJW 1954, S. 783 ff.; Hemichs, MDR 1955, S. 140 ff.<br />
184 A. A. Guradze, EMRK, Einl. § 5 Anm. IV; Baumann, FS Eb. Schmidt, S. 529 f.<br />
185 Heubel, Der "fair trial", S. 32.<br />
186 Kühne, EuGRZ 1983, S. 383 Fn. 1<strong>3.</strong><br />
187 Vgl. Bartsch, JuS 1970, S. 450.<br />
188 Frowein / Uisamer,<br />
Rechtsschutz, S. 44 f.<br />
Europäische Menschenrechtskonvention <strong>und</strong> nationaler<br />
189 Frowein / Ulsamer, Europäische Menschenrechtskonvention <strong>und</strong> nationaler<br />
Rechtsschutz, S. 39; kritisch dazu etwa Ress in: Europäischer Menschenrechtsschutz,<br />
S. 273 f.; Seibert, FS M. Hirsch, S. 525.<br />
190 Vgl. E. Schumann, FS Schwab, S. 459; Sommennann, AöR 114 (1989), S. 409.<br />
191 Vgl. K. Kühl, ZStW 100 (1988), S. 409; Sommennann, AöR 114 (1989), S. 414.<br />
192 BVerfGE 74, S. 358 (370).<br />
193 K. Kühl, ZStW 100 (1988), S. 410.<br />
194 K. Kühl, ZStW 100 (1988), S. 409 f.<br />
9 Scheffler
Zweiter Teil<br />
<strong>Die</strong> einzelnen Rechtsfolgen<br />
Freispruch, Einstellung, Beweiserleichterung,<br />
Strafmilderung, Entschädigung<br />
Damit sind für den weiteren Gang der Untersuchung einige Voraussetzungen<br />
geklärt:<br />
Es ist notwendig, die Erörterung der Rechtsfolgen <strong>überlange</strong>r <strong>Dauer</strong> <strong>von</strong> <strong>Strafverfahren</strong><br />
weiter fortzuführen, da die kumulative "Einstellungs-/Strafzumessungslösung"<br />
der nunmehr herrschenden Ansicht vor allem dogmatisch, aber<br />
auch praktisch nicht befriedigen kann (1. Kapitel).<br />
<strong>Die</strong> Entwicklung eines umfassenden Rechtsfolgensystems ist vor allem deshalb<br />
<strong>von</strong> gesteigerter Bedeutung, weil weder die lange Prozeßdauer durch gesetzgeberische<br />
Initiativen effektiv <strong>und</strong> rechtsstaatlich unbedenklich beseitigt werden kann<br />
noch der Beschuldigte genügende Möglichkeiten hat, Verzögerungen seines Verfahrens<br />
zu unterbinden (2. Kapitel).<br />
Im <strong>3.</strong> Kapitel ist eine schärfere Fassung des Begriffs der <strong>überlange</strong>n Verfahrensdauer<br />
anhand der Kriterien des Verhältnismäßigkeitsgr<strong>und</strong>satzes versucht worden.<br />
Hierdurch ist zwar eine Unterscheidung in Verfahrensverzögerungen, Verfahrenslänge<br />
<strong>und</strong> Verfahrensbelastungen bewirkt worden, aber wenig dazu ausgesagt,<br />
wann denn ein <strong>Strafverfahren</strong> nun unverhältnismäßig, also überlang ist.<br />
Zwei Wege zur Konkretisierung sind verbaut: Zum einen lassen sich dem<br />
Verhältnismäßigkeitsgr<strong>und</strong>satz (einschließlich des Zumutbarkeitsprinzips) keine<br />
festen Bezugsgrößen entnehmen, zum anderen entzieht sich auch das Phänomen<br />
der Verfahrensdauer selbst einer solchen Ordnung: Aufgr<strong>und</strong> der Bedeutung der<br />
Umstände des Einzelfalls läßt sich weder eine Mindest- noch eine Normal-,<br />
geschweige denn eine Überlänge <strong>von</strong> <strong>Strafverfahren</strong> allgemein ermitteln, lassen<br />
sich keine noch vertretbaren Verzögerungen festlegen <strong>und</strong> ist erst recht nicht<br />
eine starre Grenze für zumutbare Verfahrensbelastungen zu bestimmen. Allerdings<br />
ist oben zum Verhältnis <strong>von</strong> Verjährung <strong>und</strong> Disproportionalität schon ein<br />
dritter Weg angedeutet worden I: Es kann vorsichtig versucht werden, dem Begriff<br />
der <strong>überlange</strong>n Verfahrensdauer mit Hilfe des zur Verfügung stehenden Rechtsfolgensystems<br />
näher zu kommen. Ein Verfahren könnte dann als überlang zu<br />
9*<br />
1 Siehe oben, <strong>3.</strong> Kap. B III 1.
132 2. Teil: <strong>Die</strong> einzelnen Rechtsfolgen 2. Teil: <strong>Die</strong> einzelnen Rechtsfolgen 133<br />
behandeln sein, wenn die Rechtsordnung für die konkrete Konstellation über<br />
Rechtsfolgen verfügt. Insofern sollen im folgenden auch bisher weniger bedachte<br />
Rechtsfolgen in Betracht gezogen werden.<br />
Für die weitere Untersuchung liegt es demzufolge nahe, die einzelnen denkbaren<br />
Rechtsfolgen nacheinander zu diskutieren. Eine mögliche rechtliche Folge,<br />
die allerdings nicht als Rechtsfolge in dem hier zugr<strong>und</strong>egelegten Sinn - verfahrensimmanente,<br />
den Prozeß betreffende Konsequenzen - verstanden werden<br />
kann, ist schon angesprochen worden: <strong>Die</strong> Verursachung nicht erforderlicher<br />
Verfahrensdauer kann u. U. Anlaß zu dienstrechtlichen Maßnahmen geben 2 oder<br />
gar zur Strafbarkeit des Amtswalters gemäß §§ 258a, 336, 344 StGB führen <strong>3.</strong><br />
Als Rechtsfolgen in dem hier verstandenen Sinn kommen zunächst theoretisch,<br />
mit Kühne gesprochen 4 , "Geldersatz, Strafermäßigung, Strafbefreiung <strong>und</strong> Verfahrenseinstellung"<br />
in Betracht. Über die bloße Strafbefreiung hinaus könnte,<br />
was Hillenkamp 5 erörtert hat, selbst ein Freispruch in Erwägung gezogen werden.<br />
Schließlich sollte auch die Möglichkeit der Berücksichtigung im Beweisrecht<br />
ins Auge gefaßt werden, was das LG Köln 6 angedeutet hat. Für die Diskussion<br />
der Rechtsfolgen bietet sich eine bestimmte Reihenfolge aus zwei Gründen an<br />
- zum einen, weil sie der Ideengeschichte am ehesten gerecht wird, zum anderen<br />
aus Gründen der Systematik, da sie eine Stufenform orientiert an der Intensität<br />
der Rechtsfolge einhält:<br />
<strong>Die</strong> weitestgehende Rechtsfolge, der Freispruch, läßt sich konstruktiv herleiten,<br />
wenn man <strong>von</strong> dem schon in den sechziger Jahren diskutierten Schlagwort <strong>von</strong><br />
der "Verwirkung des staatlichen Strafanspruchs durch <strong>überlange</strong> Verfahrensdauer"<br />
ausgeht. Im 4. Kapitel soll dies, was bisher kaum einmal genauer geprüft<br />
worden ist, dargetan werden - mit dem vielleicht überraschenden Ergebnis, daß<br />
für einige, allerdings eng umgrenzte Konstellationen die Annahme der Verwirkung<br />
nicht abwegig ist, wenngleich auch Freispruch als Rechtsfolge äußerst<br />
zweifelhaft sein dürfte.<br />
Entgegen der inzwischen herrschenden Ansicht ist aber die Verfahrenseinstellung<br />
- über die anerkannten Prozeßhindemisse der Verjährung <strong>und</strong> Verhandlungsunfähigkeit<br />
hinaus-, wie sie vor allem Anfang der siebziger Jahre diskutiert<br />
wurde <strong>und</strong> neuerdings wieder eine Renaissance erlebt, auch in "Extremfällen"<br />
<strong>von</strong> Verzögerungen unzulässig (5. Kapitel).<br />
<strong>Die</strong>s liegt vor allem daran, daß eine Einstellung immer nur als ultima ratio<br />
in Frage kommt. Hier ist aber eine prozessuale Berücksichtigung <strong>von</strong> "Extremfäl-<br />
len" in Betracht zu ziehen, die bisher kaum erwähnt, geschweige denn näher<br />
herausgearbeitet worden ist: die Berücksichtigung <strong>von</strong> durch Verzögerungen<br />
hervorgerufenen Beweisverlusten im Rahmen der Beweiswürdigung. Dem wird<br />
im 6. Kapitel nachgegangen.<br />
Im 7. Kapitel wird die Strafzumessungslösung betrachtet, die vor allem in den<br />
siebziger <strong>und</strong> achtziger Jahren die Diskussion beherrschte: Entgegen der ganz<br />
herrschenden Ansicht ist die Berücksichtigung <strong>von</strong> Verfahrensverzögerungen auf<br />
der Gr<strong>und</strong>lage des geltenden Strafzumessungsrechts unzulässig <strong>und</strong> kriminalpolitisch<br />
auch nicht erforderlich. Zu berücksichtigen sind vielmehr sowohl der Zeitablauf<br />
zwischen Tat <strong>und</strong> Verurteilung unabhängig <strong>von</strong> der Verfahrensdauer oder<br />
Verfahrensverzögerung (Gesichtspunkt der Verjährungsnähe) - dies entspricht<br />
der allgemeinen Ansicht - als auch, wie vor allem in letzter Zeit häufiger <strong>von</strong><br />
Rechtsprechung <strong>und</strong> Literatur ohne dogmatische Vertiefung angedeutet wird, die<br />
durch die Verfahrensdauer unabhängig <strong>von</strong> ihrem Gr<strong>und</strong> beim Beschuldigten<br />
hervorgerufenen Verfahrensbelastungen (Gesichtspunkt des Schon-bestraft<br />
Seins). Bei letzterem kann sogar Strafbefreiung durch den "Extremfall einer<br />
Strafzumessungsregel"7, das Absehen <strong>von</strong> Strafe gemäß § 60 StGB, zulässig sein.<br />
Schlußendlich ist im 8. Kapitel ergänzend anzusprechen, inwieweit dieses<br />
System vor allem hinsichtlich des Nichtverurteilten durch das Entschädigungsrecht<br />
vervollständigt werden kann, das für <strong>überlange</strong> Verfahrensdauer, trotz der<br />
Parallele zur (<strong>überlange</strong>n) Untersuchungshaft, bisher über kurze Bemerkungen<br />
hinaus nicht als Rechtsfolge näher in Betracht gezogen worden ist.<br />
2 Siehe oben, 2. Kap. B II 2 c.<br />
3 Siehe oben, 2. Kap. B II 2 d.<br />
4 Kühne, EuGRZ 1983, S. 383; vgl. auch 1. Roxin, Rechtsfolgen, S. 246; Hillenkamp,<br />
IR 1975, S. 133; 136.<br />
5 Hillenkamp, IR 1975, S. 137; vgl. auch Katzorke, Verwirkung, S. 197.<br />
6 LG Köln, NStZ 1989, S. 442 (443); vgl. auch 1. Roxin, Rechtsfolgen, S. 246.<br />
7 Maiwald, ZStW 83 (1971), S. 663; Hirsch in LKIO, § 60 Rn. 6; ähnlich H. v. Weber,<br />
MDR 1956, S. 706.
4. Kap.: Freispruch wegen Verwirkung des Strafanspruchs 135<br />
Viertes Kapitel<br />
Freispruch wegen Verwirkung des Strafanspruchs<br />
Es erstaunt, daß die Frage, welche Konsequenzen Verfahrensverzögerungen<br />
der Strafverfolgungsorgane auf das Verfahren haben, lange Zeit überhaupt nicht<br />
gestellt wurde. Selbst nach Inkrafttreten der EMRK änderte sich daran zunächst<br />
nichts, so daß sich für Hanack sogar der Eindruck aufdrängte, daß die doch<br />
naheliegende Frage, welchen Ausgleich der Beschuldigte erhalten sollte, bewußt<br />
ausgeklammert worden wäre 1. So äußerte sich etwa Hellmuth v. Weber, der sich<br />
schon 1953 mit Art. 6 I EMRK beschäftigte, zu der Frage, was denn im Falle<br />
eines Verstoßes zu geschehen habe, überhaupt nicht. Er sah in der Unterzeichnung<br />
der Konvention lediglich einen Anlaß mehr für den Gesetzgeber, im Hinblick<br />
auf eine Beschleunigung des <strong>Strafverfahren</strong>s die Strafprozeßreform voranzutreiben,<br />
<strong>und</strong> eine Mahnung an die Justizverwaltungen, nunmehr durch geeignete<br />
organisatorische Maßnahmen die Hemmungen einer raschen Erledigung zu beseitigen<br />
2 • Jescheck bemerkte ein Jahr später lediglich, daß nunmehr vor den neuen<br />
europäischen Organen übermäßig verzögerte <strong>Strafverfahren</strong> auch vor Erschöpfung<br />
des innerstaatlichen Rechtsmittelzuges "aufgerollt" werden könnten 3 • Echterhölter<br />
meinte 1956 nur, sofern nicht binnen angemessener Frist entschieden<br />
werde, sei eine Untätigkeitsbeschwerde an die Rechtsmittelinstanz, gestützt auf<br />
Art. 13 EMRK, möglich4. Dünnebier stellte 1959 lediglich, ohne Konsequenzen<br />
zu erörtern, fest, daß das Recht des Beschuldigten auf ein Urteil "innerhalb einer<br />
angemessenen Frist" im Strafprozeß nicht voll gewahrt sei 5.<br />
Es war 1961 als erster Baumann, der sich damit beschäftigte, welche Rechtsfolgen<br />
<strong>überlange</strong> Verfahrensdauer nach sich ziehen könnte 6 • Baumann zufolge sei<br />
zu prüfen, ob nicht auch im Strafrecht neben <strong>und</strong> innerhalb der Strafverfolgungsverjährungsfristen<br />
eine "Verwirkung des staatlichen Strafanspruchs" denkbar sei.<br />
Es sei jedenfalls prinzipiell nicht einzusehen, inwieweit der Rechtsgedanke der<br />
Verwirkung, der im Zivilrecht eine bedeutende Rolle spiele, nicht auch auf den<br />
staatlichen Strafanspruch übertragen werden könnte. Baumann verstand seine<br />
I Hanack, JZ 1971, S. 708.<br />
2 H. v. Weber, ZStW 65 (1953), S. 339.<br />
3 Jescheck, NJW 1954, S. 786.<br />
4 Echterhölter, JZ 1956, S. 146.<br />
5 Dünnebier, GA 1959, S. 27<strong>3.</strong><br />
6 Baumann, FS Eb. Schmidt, S. 540 f. Siehe dazu Hillenkamp, JR 1975, S. 134. Vg!.<br />
auch Katzorke, Verwirkung, S. 9.<br />
Ausführungen nur als Andeutungen, die er jedoch nicht wieder aufgegriffen hat.<br />
1964 erwähnte er im Zusammenhang mit Zeitablaufnur noch, daß es im Zivilrecht<br />
die Verwirkung "außer <strong>und</strong> vor der Verjährung" gibt?<br />
Trotzdem war ein Schlagwort geprägt, das eine nicht unerhebliche Rolle in<br />
der späteren Diskussion spielen sollte. Zunächst griff Schwenk es auf <strong>und</strong> stimmte<br />
Baumann mit der Begründung zu, es könne nicht rechtens sein, daß der Staat<br />
seinen Strafanspruch unter Verletzung einer dem Schutz des Beschuldigten dienenden<br />
Rechtsgarantie durchsetzt 8. In der Folgezeit knüpfte insbesondere Hillenkamp<br />
an den Verwirkungsgedanken an 9 • Aber auch er beließ es bei kurzen<br />
Bemerkungen, ohne dogmatische Vertiefung zu leisten: In der "illoyalen Verspätung"<br />
durch die Verfahrensverzögerung liege der nicht wiedergutzumachende<br />
Verstoß gegen Treu <strong>und</strong> Glauben, der den Strafanspruch inhaltlich begrenze, an<br />
sich jedoch unberührt lasse. 1977 bemerkte dann der 5. Strafsenat des BGH<br />
kurzweg, entgegen der Meinung der Revision sei "die Strafverfolgung" nicht<br />
vor Ablauf der Verjährungsfristen "verwirkt" 10.<br />
Über diese knappen Äußerungen hinaus ist dann auch bis 1989 nicht weiter<br />
versucht worden, die Übertragung des Rechtsinstituts der Verwirkung auf das<br />
Problem <strong>überlange</strong>r Verfahrensdauer ernsthaft vorzunehmen. Da lediglich noch<br />
Vogler den Verwirkungsgedanken 1977 mit ablehnender Tendenz in Betracht<br />
zog ll, erscheint schon die Wertung <strong>von</strong> Volk ein Jahr später, beim Problem<br />
<strong>überlange</strong>r Verfahrensdauer würde der Gr<strong>und</strong>satz der Verwirkung "mehr <strong>und</strong><br />
mehr als tragend bezeichnet" 12, zweifelhaft. Obwohl sich Ulsenheimer 1985 noch<br />
für den Verwirkungsgedanken aussprach, indem er ihn als eines <strong>von</strong> mehreren<br />
Prinzipien bezeichnete, das als "Ausfluß des auch das Strafprozeßrecht durchziehenden<br />
Gr<strong>und</strong>prinzips <strong>von</strong> Treu <strong>und</strong> Glauben" eine "einschneidende Sanktion"<br />
<strong>überlange</strong>r Verfahrensdauer erfordere 13, erscheint die Würdigung Heribert Schumanns<br />
kurze Zeit darauf zutreffender, daß in der Diskussion um die Folgen<br />
<strong>überlange</strong>r Verfahrensdauer <strong>von</strong> der Verwirkung des Strafanspruchs "die Rede<br />
gewesen" sei 14. Seitdem haben lediglich noch Karl Schäfer den Gedanken einer<br />
Verwirkung des Strafanspruchs für schwere Versäumnisse der Strafjustizbehörden<br />
"in Erwägung" gezogen 15 <strong>und</strong> Seelmann die Rechtsfigur für die Beurteilung<br />
staatlicher Verzögerungen als einen "Abwägungsgesichtspunkt" angesehen 16;<br />
7 Baumann in: <strong>Die</strong> nationalsozialistischen Gewaltverbrechen, S. 318 Fn. 157.<br />
8 Schwenk, ZStW 79 (1967), S. 736.<br />
9 Hillenkamp, JR 1975, S. 137 ff.; vg!. auch NJW 1989, S. 2846.<br />
10 BGH, Urt. v. 5.7.1977 - 5 StR 771/76 (Anhang 9).<br />
11 Vogler, ZStW 89 (1977), S. 782 f.<br />
12 Volk, Prozeßvoraussetzungen, S. 228.<br />
13 Ulsenheimer, HWiStR, S. 3 (vorher schon in wistra 1983, S. 14).<br />
14 H. Schumann, JZ 1986, S. 69.<br />
15 K. Schäfer in LR24, Ein!. Kap. 12 Rn. 92.<br />
16 Seelmann, GebColloquium Kielwein, S. 26.
136 4. Kap.: Freispruch wegen Verwirkung des Strafanspruchs 4. Kap.: Freispruch wegen Verwirkung des Strafanspruchs 137<br />
auch Hillenkamp hat 1989 noch seine schon 1975 geäußerte Auffassung verteidigt<br />
17. Im gleichen Jahr hat schließlich Katzorke in einer umfassenden Untersuchung<br />
den Verwirkungsgedanken für den Bereich <strong>überlange</strong>r Verfahrensdauer<br />
abgelehnt 18.<br />
"Karriere" machte das Schlagwort <strong>von</strong> der Verwirkung des staatlichen Strafanspruchs<br />
jedoch dadurch, daß es <strong>von</strong> dem Problem der Rechtsfolgen <strong>überlange</strong>r<br />
Verfahrensdauer weg zu anderen Fallgruppen durch staatliche Fehler belasteter<br />
Fälle transformiert wurde 19: So hat zunächst Arzt 1974 in der Karl-Peters-Festschrift<br />
bei groben Verstößen gegen § 136a StPO gefordert, die Verwirkung des<br />
staatlichen Strafanspruchs anzunehmen, weil es eines Rechtsstaats unwürdig sei,<br />
wenn er das Verfahren weiter betreibt mit dem Ziel, eine Verurteilung doch noch<br />
<strong>und</strong> abgesehen vom Rechtsverstoß zu erreichen 20. <strong>Die</strong>ser Gedanke ist, soweit<br />
ersichtlich, nicht näher aufgegriffen worden 21.<br />
In dem gleichen Sammelwerk wurde <strong>von</strong> Lüderssen erstmals 22 die Frage<br />
aufgeworfen, ob der Umstand, daß ein Täter zu seiner Tat <strong>von</strong> einem V-Mann<br />
der Polizei angestiftet worden ist, der Verfolgung dieser Tat entgegenstehen<br />
kann2<strong>3.</strong> <strong>Die</strong> Rechtsprechung entwickelte dann ab 1980 die Auffassung, es könne<br />
bei unzulässigem Lockspitzeleinsatz zur Verwirkung des staatlichen Strafanspruchs<br />
kommen 24 . Der <strong>3.</strong> 25 <strong>und</strong> 4. 26 Senat des BGH sprachen dies ausdrücklich<br />
aus, die anderen Senate wohl der Sache nach 27: Es könne hier ein dem Staat<br />
zuzurechnender Rechtsverstoß vorliegen, der in das <strong>Strafverfahren</strong> hineinwirke,<br />
weil das dem Gr<strong>und</strong>gesetz <strong>und</strong> der Strafprozeßordnung immanente Rechtsstaatsprinzip<br />
es den Strafverfolgungsbehörden untersage, auf die Verfolgung <strong>von</strong> Straf-<br />
taten hinzuwirken, wenn die Gründe dafür vor diesem Prinzip nicht bestehen<br />
können. In praxi freilich nahm der BGH - im Gegensatz zu einigen Instanzengerichten<br />
28 - in keinem <strong>von</strong> ihm abschließend entschiedenen Fall Strafanspruchsverwirkung<br />
an 29 . Mit der Entscheidung des 1. Senats im 32. Band der amtlichen<br />
Sammlung 30 schloß diese Entwicklung in der Rechtsprechung ab: Mit einer<br />
"völligen Wende"31 wurde "in einem wohl einmaligen Verwirrspiel"32 der "bis<br />
dahin nur vereinzelt angefochtene Gr<strong>und</strong>konsens aufgekündigt"3<strong>3.</strong> Der 1. Senat<br />
lehnte hier die Möglichkeit der Verwirkung des staatlichen Strafanspruchs gr<strong>und</strong>sätzlich<br />
ab. Ihm schlossen sich - entgegen der Prognose <strong>von</strong> Bruns 34 - die<br />
anderen Senate des BGH an 35.<br />
In späteren Entscheidungen ist <strong>von</strong> der Rechtsprechung der Gedanke der<br />
Verwirkung des staatlichen Strafanspruchs auch im Zusammenhang mit anderen<br />
Sachverhalten nur gelegentlich noch einmal, <strong>und</strong> auch dann nur kurz, erwähnt<br />
worden: 1984 versagte das LG Köln in einem Parteispendenprozeß dem Verwirkungsgr<strong>und</strong><br />
der "staatlichen Duldung <strong>von</strong> Zuwiderhandlungen"36, 1985 ein Vorprüfungsausschuß<br />
des BVerfG dem der "völkerrechtswidrigen Ergreifung" 37 das<br />
Anerkenntnis. Der 5. Senat des BGH lehnte im gleichen Jahr die Konstruktion<br />
bezüglich eines Verfahrens ab, in dem es um den Versuch <strong>von</strong> Polizeibeamten<br />
ging, eine Verurteilung "um jeden Preis" herbeizuführen 38. Auch das OLG Düsseldorf<br />
beschränkte sich ein Jahr später in einem Fall, in dem offenbar <strong>überlange</strong><br />
Verfahrensdauer unter diesem Gesichtspunkt gerügt war, auf die Argumentation,<br />
die schon der 1. <strong>und</strong> der 5. Senat des BGH in den eben erwähnten Entscheidungen<br />
39 gebraucht hatten: Es handele sich um eine unzulässige Übertragung zivil-<br />
17 Hillenkamp, NJW 1989, S. 2846.<br />
18 Katzorke, Verwirkung, insbes. S. 196 ff.<br />
19 Seelmann, ZStW 95 (1983), S. 821; H. Schumann, JZ 1986, S. 69; Drywa, <strong>Die</strong><br />
materiellrechtlichen Probleme des V-Mann-Einsatzes, S. 29.<br />
20 Arzt, FS K. Peters, S. 232.<br />
21 VgI. Drywa, <strong>Die</strong> materiellrechtlichen Probleme des V-Mann-Einsatzes, S. 68; Katzorke,<br />
Verwirkung, S. 156; vgI. aber auch S. 190 sowie Reinecke, <strong>Die</strong> Fernwirkung <strong>von</strong><br />
Beweisverwertungsverboten, S. 193 ff; Wolter, SK StPO, vor § 151 Rn. 209 f.; Gössel,<br />
NStZ 1984, S. 420 f.<br />
22 C. Roxin, <strong>Strafverfahren</strong>srecht21, § 21 BIll 4; Bruns, NStZ 1983, S. 50; StV 1984,<br />
S.389; Schünemann, StV 1985, S. 428; Arloth, NJW 1985, S. 417; H. Schumann, JZ<br />
1986, S. 66; Hillenkamp, NJW 1989, S. 2843 Fn. 20.<br />
23 Lüderssen, FS K. Peters, S. 349 ff.<br />
24 C. Roxin, <strong>Strafverfahren</strong>srecht21, § 21 B III 4; Bruns, StV 1984, S. 389 f.; H.<br />
Schumann, JZ 1986, S. 68.<br />
25 BGH, StV 1981, S. 276.<br />
26 BGH, NStZ 1981, S. 70 (71); StV 1984, S. 406 (407).<br />
27 VgI. zum 1. Senat (BGH, NJW 1980, S. 1761; StV 1981, S. 163 f.) BGHSt 32,<br />
S. 345 (348 f.); Seelmann, ZStW 95 (1983), S. 820 f.; zum 2. Senat (BGH, NJW 1981,<br />
S. 1626; 1982, S.56) BGHSt 32, S.345 (349); H. Schumann, JZ 1986, S.68; zum<br />
5. Senat (BGH, StV 1984, S. 58 f.) BGHSt 32, S. 345 (350,352 f.); Rieß in LR24, § 206a<br />
Rn. 57a.<br />
28 AG Heidenheim, NJW 1981, S. 1628 (1629) (kritisch hierzu Bruns, NStZ 1983,<br />
S. 50); LG Stuttgart, StV 1984, S. 197 (199); wohl auch LG Berlin, StV 1984, S. 457<br />
(460) ("Verlust des staatlichen Strafanspruchs").<br />
29 VgI. Foth, NJW 1984, S. 221; Hillenkamp, NJW 1989, S. 2843 Fn. 26; Katzorke,<br />
Verwirkung, S. 2 f.<br />
30 BGHSt 32, S. 345 (348).<br />
31 C. Roxin, <strong>Strafverfahren</strong>srecht21 , § 21 B III 4; ähnlich Katzorke, Verwirkung,<br />
S.3; 11.<br />
32 Hillenkamp, NJW 1989, S. 284<strong>3.</strong><br />
33 Schünemann, StV 1985, S. 424.<br />
34 Bruns, StV 1984, S. 389 Fn.5; vgI. auch Schünemann, StV 1985, S. 426; Rieß,<br />
JR 1985, S. 46.<br />
35 V.gI. BGHSt 33, S. 356 (362). Soweit ersichtlich, hat sich der 4. Senat allerdings<br />
noch mcht dazu geäußert, vgI. Creutz, ZRP 1988, S. 417; Krey, <strong>Strafverfahren</strong>srecht II,<br />
Rn. 589 Fn. 89. VgI. auch Katzorke, Verwirkung, S. 3 ff.<br />
36 LG Köln, NJW 1985, S. 1037 (1040). VgI. aber Rüping, <strong>Die</strong> Mitverantwortung<br />
des Staates als Strafverfolgungsverbot, S. 20 ff.; Felix, DB 1983, S. 2728 f.; Schreiber,<br />
GS Arm. Kaufmann, S. 831 f.<br />
37 BVerfG (Vorprüfungsausschuß), NStZ 1986, S. 178 (179).<br />
38 BGHSt 33, S. 283 (283 f.). Differenzierend hierzu jetzt auch das LG Berlin im<br />
"Schmücker-Urteil".<br />
39 BGHSt 32, S. 345; 33, S. 28<strong>3.</strong>
138 4. Kap.: Freispruch wegen Verwirkung des Strafanspruchs A. Zur Verwirkbarkeit des Strafanspruchs 139<br />
rechtlicher Kategorien auf das Strafrecht, da der Strafanspruch eine Funktion<br />
des Staates, die Verpflichtung zur Strafverfolgung, <strong>und</strong> keine verwirkbare Rechtsposition<br />
sei, <strong>von</strong> der er durch das Fehlverhalten einzelner in seinem Namen<br />
Handelnder freigestellt werden könnte 40 •<br />
A. Zur Verwirkbarkeit des Strafanspruchs<br />
Mit der Übernahme der Begründung des BGH, der in der Literatur häufig<br />
zugestimmt wird 41 , macht es sich das OLG Düsseldorf zu einfach. <strong>Die</strong>se nicht<br />
näher begründete Behauptung könnte, wie Bruns zutreffend meint42, schon durch<br />
die apodiktische Gegenthese hinreichend in Zweifel gezogen werden. Zudem<br />
kommt es auch im Verwaltungsrecht vor, daß der Allgemeinheit zustehende<br />
Rechtspositionen verwirkt werden4<strong>3.</strong> Allerdings ist hierbei nicht endgültig geklärt,<br />
wann ein entgegenstehendes "öffentliches Interesse" eine Verwirkung ausschließt44.<br />
Problematisch ist auch, inwieweit der Verwirkbarkeit des staatlichen<br />
"Strafanspruchs" entgegengehalten werden kann, daß dieser unverzichtbar sei 45.<br />
Zum einen können nach ganz herrschender Ansicht auch unverzichtbare Ansprüche<br />
verwirkt werden46. Zum anderen ist zu bedenken, ob sich nicht vor allem<br />
aus den §§ 153ff, 376 StPO ergibt, daß der staatliche "Strafanspruch" gr<strong>und</strong>sätzlich<br />
verzichtbar ist 47 ; daß diese Normen kein freies Ermessen begründen, dürfte<br />
entgegen Heribert Schumann kein durchschlagender Einwand sein 48 . <strong>Die</strong> gr<strong>und</strong>sätzliche<br />
Verwirkbarkeit wird wohl auch vom Vorprüfungsausschuß des BVerfG<br />
angenommen, der die Verwirkung in dem Fall völkerrechtswidriger Ergreifung<br />
nur mit der Begründung ablehnte, es könne dem Gr<strong>und</strong>gesetz nicht entnommen<br />
werden, "daß auch bei einer solchen Lage der Dinge der Strafanspruch des Staates<br />
als verwirkt anzusehen wäre"49.<br />
Sinnvoller Ansatzpunkt wäre wohl, beim "zivilrechtlichen Erbe"50 des Verwirkungsgedankens<br />
anzusetzen. Allerdings herrscht hier terminologisches Durchein-<br />
40 OLG Düsseldorf, NJW 1986, S. 2204 (2205).<br />
41 Siehe Sax in KMR, Ein!. IX Rn. 8; 1. Roxin, Rechtsfolgen, S. 208 ff.; Kramer,<br />
Menschenrechtskonvention, S. 188 f.; Seelmann, ZStW 95 (1983), S. 825; K. Meyer,<br />
NStZ 1985, S. 134.<br />
42 Bruns, StV 1984, S. 391; zustimmend Katzorke, Verwirkung, S. 152.<br />
43 Puppe, NStZ 1986, S. 405.<br />
44 Vg!. dazu J. Schmidt in StaudingerlZ, § 242 Rn. 499.<br />
45 So 1. Roxin, Rechtsfolgen, S. 208 ff.; Drywa, <strong>Die</strong> materiellrechtlichen Probleme<br />
des V-Mann-Einsatzes, S. 64.<br />
46 Roth in MünchKomm 2 , § 242 Rn. 294; Teichmann in Soergelll , § 242 Rn. 312;<br />
siehe auch BGHZ 6, S. 342 (346 f.); 84, S. 280 (282); LM Nr. 2 zu § 1598 BGB; a.A.<br />
Wieling, AcP 176 (1976), S. 338 ff.<br />
47 So wohl auch Katzorke, Verwirkung, S. 104.<br />
48 H. Schumann, JZ 1986, S. 70.<br />
49 BVerfG (Vorprüfungsausschuß), NStZ 1986, S. 178 (179).<br />
50 Seelmann, ZStW 95 (1983), S. 822.<br />
ander. Faßt man den Begriff weit, so kann Verwirkung wegen verschiedener aus<br />
der "exceptio doli" entwickelter Fallgruppen in Frage kommen: wegen rechtswidrig<br />
begründeter Rechtsstellung ("turpitudinem suam allegans non auditur"); wegen<br />
der Verletzung eigener Pflichten ("tu quoque"); wegen widersprüchlichen<br />
Verhaltens ("venire contra factum proprium"). <strong>Die</strong> systematische Ordnung dieser<br />
Varianten, ihre Abgrenzung zueinander <strong>und</strong> ihre Voraussetzungen im einzelnen<br />
sind nicht endgültig geklärt. Einigkeit herrscht in der zivilrechtlichen Dogmatik<br />
allerdings insoweit, daß die Zuordnung zu den einzelnen Gruppen, wie Teichmann<br />
es formuliert 51 , als "Argumentationserleichterung" zu verstehen ist, "um die zu<br />
treffende Wertung deutlicher zu machen". Es läßt sich aber wohl zur Differenzierung<br />
dieser drei hier interessierenden Varianten mit aller Vorsicht folgendes als<br />
gesichert festhalten: <strong>Die</strong> aus der "exceptio doli praeteriti" entwickelte Fallgruppe<br />
"turpitudinem suarn allegans non auditur" ist zwar nicht auf die Arglist beschränkt52,<br />
setzt aber bei nur objektiv rechtswidrigem Verhalten voraus, daß bei<br />
einer Interessenabwägung die des Anspruchsgegners deutlich überwiegen5<strong>3.</strong> Der<br />
"tu-quoque"-Einwand, ebenfalls aus der "exceptio doli praeteriti" hervorgegangen,<br />
setzt einen besonderen, rechtlich relevanten Zusammenhang zwischen der<br />
beanspruchten <strong>und</strong> der selbst geübten Verhaltensweise voraus 54. <strong>Die</strong> herrschende<br />
Meinung im Zivilrecht erkennt einen allgemeinen Gr<strong>und</strong>satz, daß nur derjenige<br />
Rechte geltend machen kann, der sich selbst rechtstreu verhalten hat, nicht an 55.<br />
Der Gr<strong>und</strong>satz des aus der "exceptio doli praesens" ableitbaren 56 "venire contra<br />
factum proprium" ist nur dann einschlägig, wenn das widersprüchliche Verhalten<br />
- das nicht rechtswidrig zu sein braucht - beim Anspruchsgegner schutzwürdig<br />
erscheinendes Vertrauen in die Nichtinanspruchnahme hervorgerufen hat57. Tendenzen,<br />
in Ausnahmefällen auf die Vertrauensbegründung als Tatbestandsmerkmal<br />
zu verzichten, werden in der Zivilrechtsdogmatik äußerst zurückhaltend<br />
aufgenommen58 <strong>und</strong> dürften sich kaum auf das Strafrecht übertragen lassen 59.<br />
51 Teichmann in Soergel'l, § 242 Rn. 280.<br />
52 Vg!. aber Seelmann, ZStW 95 (1983), S. 82<strong>3.</strong><br />
53 Vg!. Teichmann in Soergel 11 , § 242 Rn. 281; Dette, Venire contra factum proprium<br />
nulli conceditur, S. 32 f.<br />
54 Siehe etwa Roth in MünchKomm 2 , § 242 Rn. 381 ff.; Wieacker, Zur rechtstheoretischen<br />
Präzisierung des § 242 BGB, S. 31; Dette, Venire contra factum proprium nulli<br />
conceditur, S. 34.<br />
55 ~ie~e statt ~ieler Teichmann in Soergel'l, § 242 Rn. 287 m. w.N. in Fn.53; J.<br />
Schmldt In StaudInger, § 242 Rn. 612 m. w. N.; a. A. nur Wieacker, Zur rechtstheoretischen<br />
Präzisierung des § 242 BGB, S. 31; ausführlich hierzu Prölss ZHR 132 (1969)<br />
S. 35 ff. "<br />
56 Nicht unstreitig, vg!. etwa Teichmann in Soergel' 1, § 242 Rn. 312; Canaris, <strong>Die</strong><br />
Vertrauenshaftung im deutschen Privatrecht, S. 287 f.; Dette, Venire contra factum proprium<br />
nulli conceditur, S. 36.<br />
57.vg~. etwa Roth i~ MünchKomm 2 , § 242 Rn. 289; Sirp in Erman 8 , § 242 Rn. 79;<br />
ausfuhrhch Dette, Vemre contra factum proprium nulli conceditur, S. 57 ff.<br />
58 Vgl. ausführlich J. Schmidt in Staudinger l2, § 242 Rn. 606 ff.; Roth in Münch<br />
Komm 2 , § 242 Rn. 314 ff.
140 4. Kap.: Freispruch wegen Verwirkung des Strafanspruchs<br />
Problematisch erscheint es auch, ob es überhaupt einen "Strafanspruch" des<br />
Staates gibt. <strong>Die</strong> auf Binding zurückgehende60, zunächst vom überwiegenden<br />
Schrifttum übernommene 61 Lehre vom staatlichen Strafanspruch besagt, der Staat<br />
habe aus dem (objektiven) Strafrecht das (subjektive) Recht auf Bestrafung im<br />
Einzelfall 62. Der Strafanspruch sei das an die Schranken <strong>und</strong> Voraussetzungen<br />
des Strafgesetzes geb<strong>und</strong>ene "Strafendürfen" des Staates im Verhältnis zum<br />
einzelnen Staatsbürger6<strong>3.</strong> Es wird mithin eine Analogie zum zivilrechtlichen<br />
Anspruch hergestellt 64 • <strong>Die</strong> Strafanspruchslehre, schon früh vor allem <strong>von</strong> Goldschmidt,<br />
Gerland <strong>und</strong> Sauer kritisiert 6 5, wurde zunächst zur Zeit des Nationalsozialismus<br />
r<strong>und</strong>weg abgelehnt 66 ("Der Staat wird hier auf die gleiche Stufe mit<br />
dem Verbrecher gestellt"67). Seit 1945 werden vor allem zwei Einwände vorgetragen:<br />
Zum einen wird auf das schon <strong>von</strong> den frühen Kritikern verwendete Argument<br />
abgestellt, dem Staat werde mit der Strafverfolgung kein Recht zuerkannt,<br />
sondern eine Pflicht auferlegt 68 . Zum anderen sei die Strafe kein Rechtsgut, das<br />
den Staat begünstige 69 . Gegeneinwände werden kaum laut7°, so daß Klose noch<br />
1974 konstatieren konnte, den Begriff des Strafanspruchs habe "die heutige<br />
Strafrechtswissenschaft wohl doch nahezu aufgegeben"71.<br />
Da auch trotz der "Renaissance" des Begriffs in der Diskussion im Zusammenhang<br />
mit der V-Mann-Problematik 72 , wie Heribert Schumann es formuliert 7 3,<br />
59 Vgl. dazu Hillenkamp, JR 1975, S. 137 f.; Bruns, NStZ 1983, S. 54; H. Schumann,<br />
JZ 1986, S. 68 f.; Seelmann, ZStW 95 (1983), S. 822 f.<br />
.. 60 Binding, <strong>Die</strong> Normen <strong>und</strong> ihre Übertretung 1', S. 10 ff.; <strong>Die</strong> Normen <strong>und</strong> ihre<br />
Ubertretung 12, S. 24; Handbuch des Strafrechts I, S. 191; Strafrechtliche <strong>und</strong> strafprozessuale<br />
Abhandlungen H, S. 265 ff.; vgl. dazu H. Kaufmann, Strafanspruch - Strafklagerecht,<br />
S. 72 ff.; Klose, ZStW 86 (1974), S. 41 f.<br />
61 Vgl. die Nachweise bei H. Kaufmann, Strafanspruch - Strafklagrecht, S. 75 f.<br />
Fn. 34; vgl. auch Klose, ZStW 86 (1974), S. 42.<br />
62 Vgl. Rob. v. Hippel, Deutsches Strafrecht I, § I III; Allfeld, Lehrbuch des deutschen<br />
Strafrechts9, § 1 I; BeJing, Gr<strong>und</strong>züge des StrafrechtslI, § 71.<br />
63 Eb. Schmidt, HdB Deutsches Staatsrecht H, § 100 IV 2.<br />
64 Vgl. Klose, ZStW 86 (1974), S. 42 Fn. 32.<br />
65 Goldschmidt, FG Hübler, S. 102 ff.; Der Prozeß als Rechtslage, S. 243 ff. Fn. 1327;<br />
Gerland, Deutsches Reichsstrafrecht2, S. 8 f.; Sauer, Gr<strong>und</strong>lagen des Strafrechts l § 11<br />
II 1.<br />
'<br />
66 Vgl. etwa Schaffstein, DJZ 1934, Sp. 1174 ff.; JW 1934, S. 531; Höhn, DR 1935,<br />
S. 266 f.; H. Henkel, DJZ 1935, Sp. 533 f. Vgl. aber auch H. Mayer, GerS 104 (1934),<br />
S. 308 ff.; Oetker, GerS 108 (1936), S. I ff.; Rob. v. Hippel, Der deutsche Strafprozeß,<br />
§ 42 IV Fn. 4.<br />
67 Höhn, DR 1935, S. 266 f.<br />
68 Esser, Einführung in die Gr<strong>und</strong>begriffe des Rechtes <strong>und</strong> Staates, S. 154 f.; Schmidhäuser,<br />
ZStW 71 (1959), S. 550 f.; Hamann, Gr<strong>und</strong>gesetz <strong>und</strong> Strafgesetzgebung, S. 15;<br />
Amdt, JZ 1965, S. 148 Fn. 18; Tiedemann, FS K. Peters, S. 197; Seelmann, ZStW 95<br />
(1983), S. 825; 1. Roxin, Rechtsfolgen, S. 210; Sax in KMR, Einl. IX Rn. 8.<br />
69 H. Kaufmann, Strafanspruch - Strafklagrecht, S. 98 ff.; H. Schumann, JZ 1986,<br />
S. 70; I. Roxin, Rechtsfolgen, S. 209; wohl auch Flume, FS Smend, S. 79.<br />
70 Vgl. Klose, ZStW 86 (1974), S. 45.<br />
71 Klose, ZStW 86 (1974), S. 46; ähnlich H. Schumann, JZ 1986, S. 70.<br />
A. Zur Verwirkbarkeit des Strafanspruchs 141<br />
"der dogmatische Gehalt des Begriffs ,Strafanspruch' wohl weitgehend in Vergessenheit<br />
geraten" ist, wird man der Frage eher gerecht, wenn man einfacher<br />
ansetzt: Versteht man den Begriff schlichtweg mit dem BGH als "mißverständlich"74<br />
<strong>und</strong> benutzt ihn "redensartlich"75, so ist seine Verwendung "unschädlieh"<br />
76: Geht man mit der im Zivilrecht herrschenden Ansicht da<strong>von</strong> aus, daß<br />
durch Verwirkung nicht der Bestand eines Rechtes, sondern nur dessen Geltendmachung<br />
ausgeschlossen wird 77 , so bedeutet dies, daß es bei <strong>überlange</strong>r Verfahrensdauer<br />
nicht um die Verwirkbarkeit des staatlichen Strafanspruchs, sondern<br />
um die der staatlichen Strafverfolgungsbefugnis geht 78 , also um die (konkrete)<br />
Befugnis des Staates im Einzelfall, den Beschuldigten zu verfolgen 79 . <strong>Die</strong> zivilprozessuale<br />
Parallele wäre die - verwirkbare 80 - Prozeßführungsbefugnis.<br />
Dann aber reduziert sich die Problematik auf die Frage, ob derartige strafprozessualen<br />
Befugnisse gr<strong>und</strong>sätzlich der Verwirkung unterliegen können 81 - <strong>und</strong><br />
zwar die <strong>von</strong> beiden "prozessualen Antipoden" 82: sowohl vom Staat als auch<br />
vom Beschuldigten.<br />
I. Verwirkung durch Arglist<br />
1. Rügeverwirkung zu Lasten des Beschuldigten<br />
Nun wird aber bei der einen Ausgangslage, nämlich zu Lasten des Beschuldigten,<br />
<strong>von</strong> der herrschenden Meinung die Verwirkbarkeit strafprozessualer Befugnisse<br />
anerkannt: Es soll die Verwirkung <strong>von</strong> Verfahrensrügen im Revisionsrecht<br />
möglich sein, wobei freilich der Begriff, der auch hier aus dem Zivilrecht übertragen<br />
werden so1l83, ebenfalls eine unklare Verwendung findet 84 .<br />
72 Seelmann, ZStW 95 (1983), S. 822 ff.; Bruns, StV 1984, S. 391; 393; Schünemann,<br />
StV 1985, S. 427 f.<br />
73 H. Schumann, JZ 1986, S. 70.<br />
74 BGHSt 32, S. 345 (353).<br />
75 Klose, ZStW 86 (1974), S. 46 Fn. 56; dagegen Seelmann, ZStW 95 (1983), S. 82<strong>3.</strong><br />
76 Zipf, GA 1969, S. 235 f. Fn.5; dagegen Volk, Prozeßvoraussetzungen, S. 184<br />
Fn. 81; Seelmann, ZStW 95 (1983), S. 82<strong>3.</strong><br />
. 77 ~ilcher in Staudinger l2 , vor § 194 Rn. 14; Roth in MünchKomm, § 242 Rn. 338;<br />
Sirp m Erman8, § 242 Rn. 96; Augustin in SoergeJll, vor § 194 Rn. 17; G. Walter in<br />
SoergeJl2, vor § 194 Rn. 17; Pawlowski, Allgemeiner TeiP, Rn. 333; Enneccerus / Lehm~nn,<br />
Recht der SchuldverhältnisseiS, § 4 II 5; Enneccerus / Nipperdey, Allgemeiner<br />
Teil/2 15 , § 228 IV; Sie?ert, V~rwirkung <strong>und</strong> Unzulässigkeit der Rechtsausübung, S. 175;<br />
a. A. Larenz, Allgememer TeI16, § 13 IV b; J. Schmidt in Staudinger'2, § 242 Rn. 502.<br />
78 Hillenkamp, JR 1975, S. 139; H. Schumann, JZ 1986 S. 69' Katzorke Verwirkung<br />
S. 108 ff. " , ,<br />
79 Vgl. Katzorke, Verwirkung, S. 108 ff.; 204 ff.<br />
.80 Vgl. Griebeling, <strong>Die</strong> Verwirkung prozessualer Befugnisse, S. 64 ff.; Katzorke, Ver<br />
Wirkung, S. 115.<br />
81 So auch Katzorke, Verwirkung, S. 111.<br />
82 Schünemann, Verh. 58. DIT, S. B 35.
142 4. Kap.: Freispruch wegen Verwirkung des Strafanspruchs A. Zur Verwirkbarkeit des Strafanspruchs 143<br />
Zwar ist die teilweise nach dem Zweiten Weltkrieg <strong>von</strong> der Rechtsprechung 85<br />
<strong>und</strong> später noch in der Literatur 86 , insbesondere <strong>von</strong> Werner Schmid 87 vertretene<br />
Auffassung, daß eine Rüge schon dann verwirkt sei, wenn der Beschuldigte einen<br />
Verfahrensverstoß, der ihm in seinen Auswirkungen voll bewußt <strong>und</strong> den zu<br />
verhindern er in der Lage war, in der Hauptverhandlung hingenommen hat, ohne<br />
<strong>von</strong> den ihm zur Verfügung stehenden Möglichkeiten einer Abhilfe Gebrauch<br />
zu machen, heute nur noch vereinzelt anzutreffen 88. Da den Beschuldigten <strong>und</strong><br />
seinen Verteidiger im <strong>Strafverfahren</strong> keine Mitwirkungs-, Abhilfe- oder Wampflichten<br />
in bezug auf die vom Gericht zu beachtenden Förmlichkeiten treffen,<br />
kann Schweigen nicht zur Verwirkung entsprechend dem "tu-quoque"-Einwand<br />
führen. Es ist Aufgabe des Gerichts, für die Beachtung prozessualer Vorschriften<br />
selbst einzustehen 89, so daß ein "venire contra factum proprium" am fehlenden<br />
schutzwürdigen Vertrauen scheitert. Dem entspricht es, dies sei am Rande bemerkt,<br />
daß auch der kostenrechtliche Anspruch aus § 8 GKG nicht dadurch<br />
ausgeschlossen wird, daß der Beschuldigte die unrichtige Sachbehandlung zugelassen<br />
oder gar mitverursacht hat, solange nicht ein Fall absichtlicher Täuschung<br />
des Gerichts vorliegt90.<br />
<strong>Die</strong> herrschende Ansicht geht in paralleler Wertung da<strong>von</strong> aus, daß eine Rüge<br />
dann verwirkt sei, wenn der Beschuldigte selbst (oder sein Verteidiger in zurechenbarer<br />
Weise 9J ) den Verstoß durch eigenes Zutun mitherbeigeführt hat in<br />
der Absicht, hierauf später die Revision zu stützen n , was Kar! Peters sogar bei<br />
unverzichtbaren Vorschriften bejaht 93 . <strong>Die</strong>se Ansicht läßt sich mit der Variante<br />
"turpitudinem suam allegans non auditur" begründen.<br />
83 BVerfGE 27, S. 231 (237); Sax in KMR, Einl. X Rn. 75; Bruns, StV 1984, S. 391;<br />
Schlüchter, JR 1987, S. 82.<br />
84 Sax in KMR, Einl. X Rn. 73; Schlüchter, GS K. Meyer, S. 447 ff.<br />
85 OLG Hessen, NJW 1947/48, S. 395; HESt 3, S. 71; OLG Bremen, GA 1953, S. 87;<br />
bei We. Schmid, <strong>Die</strong> Verwirkung <strong>von</strong> Verfahrensrügen, S. 379; S. 384.<br />
86 Kiderlin, <strong>Die</strong> Verwirkung <strong>von</strong> Verfahrensrügen, S. 59 ff.; H. Henkel, <strong>Strafverfahren</strong>srecht2,<br />
§ 99 III 8; A. Wolff, NJW 1953, S. 1656 ff.; Fuhrmann, NJW 1963, S. 1230 ff.;<br />
ähnlich Walther, "Verwirkung" <strong>von</strong> Verfahrensrügen?, S. 91 ff.<br />
87 We. Schmid, <strong>Die</strong> Verwirkung <strong>von</strong> Verfahrensrügen, S. 297 ff.<br />
88 A. A. wohl Dahs, Handbuch des StrafverteidigersS, Rn. 684.<br />
89 OLG Frankfurt, JR 1987, S. 81; Kleinknechtl Meyer, StP039, § 337 Rn. 47; K.<br />
Peters, Strafprozeß4, § 75 II 7; Bohnert, <strong>Die</strong> Beschränkung der strafprozessualen Revision<br />
durch Zwischenverfahren, S. 112; Erker, Das Beanstandungsrecht gern. § 238 II StPO,<br />
S. 163 f.; Jescheck, JZ 1952, S. 402 f.<br />
90 Markl, GKG2, § 8 Rn. 2; Mümmler, JVBl. 1971, S. 224.<br />
91 Vgl. etwa BGHSt 24, S. 280 (282 f.).<br />
91 OLG Hamm, VRS 14, S. 370 (371); 20, S. 68 (69); Hanack in LR24, § 337 Rn. 284;<br />
Kleinknecht 1Meyer, StP039, § 337 Rn. 47; K. Peters, Strafprozeß4, § 75 II 7; C. Roxin,<br />
<strong>Strafverfahren</strong>srecht21 , § 42 D II 2; Jescheck, JZ 1952, S. 402 f.; GA 1953, S. 89; unklar<br />
Pikart, KK StP02, § 344 Rn. 61; Gössel, <strong>Strafverfahren</strong>srecht, § 35 C III 2 e, die <strong>von</strong><br />
"arglistiger Herbeiführung oder Nichthinderung <strong>von</strong> Verfahrensverstößen" sprechen;<br />
dagegen aber Sax in KMR, Ein!. X Rn. 77 f.; U. Weber, GA 1975, S. 302 f.; Kindhäuser,<br />
NStZ 1987, S. 532 f.; Schlüchter, GS K. Meyer, S. 460 ff.<br />
Zwar ist aufgr<strong>und</strong> dieser Einschränkungen die Verwirkung einer Rüge kaum<br />
denkbar, so daß entsprechende Rechtsprechung auch kaum mehr vorkommt94.<br />
Trotzdem ist nicht anzunehmen, daß, wie Ulrich Weber aber meint, diese Rechtsprechung<br />
"Episode geblieben" sei 95: So hat das OLG Frankfurt noch 1986<br />
ausdrücklich betont, eine Rüge könne "wegen arglistigen Verhaltens als verwirkt<br />
anzusehen" sein 96 • Der BGH (2. Senat)97 hat 1988 in bedenklicher Rückkehr an<br />
die frühere Rechtsprechung der OLGe für Hessen <strong>und</strong> Bremen in einem obiter<br />
dictum der Rüge der fehlerhaften Behandlung eines Beweisantrages als Beweisermittlungsantrag<br />
"das eigene Verhalten des Bf. <strong>und</strong> seines Verteidigers" entgegengestellt,<br />
da diese es unterlassen hätten, "nach Kenntnisnahme <strong>von</strong> der Begründung<br />
des Ablehnungsbeschlusses ausdrücklich klarzustellen, daß damit ihr Beweisbegehren<br />
trotz der vom Gericht entfalteten Aufklärungsbemühungen nicht erledigt<br />
sei ... Wenn sich der Bf. <strong>und</strong> sein Verteidiger damit nicht zufriedengeben,<br />
sondern auf weiterer Beweiserhebung bestehen wollten, so hätten sie dies <br />
ohne daß darin ein unzumutbares Ansinnen läge - ausdrücklich klarstellen<br />
können <strong>und</strong> müssen".<br />
<strong>Die</strong> Rechtsprechung zur Rügeverwirkung stellt den Staat also bei der Strafverfolgung<br />
wie den Bürger unter den Schutz des Verwirkungsrechts. Es wird insoweit<br />
aktionenrechtlich gedacht 98 . Werden aber Beschuldigter <strong>und</strong> Gericht gleich Parteien<br />
mit interferierenden Interessen gegenübergestellt, so folgt daraus die wechselseitige<br />
Rücksichtnahme99. Dann müßte aber aus der Anerkennung der Rügeverwirkung<br />
im Revisionsrecht folgen, daß auch die "Strafanspruchsverwirkung" <br />
also die Verwirkung der Strafverfolgungsbefugnis - jedenfalls theoretisch denkbar<br />
sein muß.<br />
2. Verzögerung zwecks Verurteilung<br />
Selbst wenn man dem folgt, ergibt dies für die Frage der Rechtsfolgen <strong>überlange</strong>r<br />
Verfahrensdauer nur wenig: Eine Verwirkung der staatlichen Strafverfol-<br />
93 K. Peters, Strafprozeß., § 75 II 7; 8.<br />
94 Hanack in LR24, § 337 Rn. 285; Kleinknecht 1Meyer, StP039, § 337 Rn. 47; K.<br />
Peters, Strafprozeß" § 75 II 7; Gössel, <strong>Strafverfahren</strong>srecht, § 35 C III 2 e; Kindhäuser,<br />
NStZ 1987, S. 532; Schlüchter, GS K. Meyer, S. 46<strong>3.</strong> Vg!. aber auch Dahs, Handbuch<br />
des Strafverteidigers 5 , Rn. 685.<br />
95 U. Weber, GA 1975, S. 302.<br />
96 OLG Frankfurt, JR 1987, S. 81. Noch weitergehend OLG Köln, OLGSt (alt) § 244<br />
S.43 (44): Eine Aufklärungsrüge der Staatsanwaltschaft kann verwirkt sein, "wenn der<br />
Sitzungsvertreter die zu einer Vernehmung drängenden Umstände gekannt, aber gleichwohl<br />
da<strong>von</strong> abgesehen hat, einen Beweisantrag zu stellen".<br />
97 BGH, StV 1988, S. 469 (472).<br />
98 Dütz, NJW 1972, S. 1028; vg!. auch Schenke in BonnKomm (Zweitbearb.), Art. 19<br />
IV Rn. 69.<br />
99 Vg!. Sax in KMR, Einl. X Rn. 77; Erker, Das Beanstandungsrecht gern. § 238 II<br />
StPO, S. 159 f.; Kindhäuser, NStZ 1987, S. 532.
144 4. Kap.: Freispruch wegen Verwirkung des Strafanspruchs A. Zur Verwirkbarkeit des Strafanspruchs 145<br />
gungsbefugnis käme im Bereich <strong>überlange</strong>r Verfahrensdauer nach bisher Gesagtem<br />
dann in Betracht, wenn, in Parallele zur Rügeverwirkung, die Strafverfolgungsorgane<br />
die Verzögerungen deshalb herbeigeführt haben, um die Verteidigungsposition<br />
des Beschuldigten zu schmälern 1()(). Aus der Vereitelung der<br />
Rechtsstellung des anderen können schon nach der ursprünglichen "exceptio<br />
doli" keine Ansprüche abgeleitet werden. Auch der BGH hat in einer Zivilsache<br />
angedeutet, daß Verwirkung bei Prozeßverschleppung mit dem Ziel, in bis dahin<br />
nicht gegebene Voraussetzungen eines Rechts "hineinzuwachsen", denkbar sei 101.<br />
Ein die Verurteilung bezweckendes Verhalten der Strafverfolgungsorgane<br />
dürfte jedoch kaum einmal vorkommen <strong>und</strong> noch seltener zu beweisen sein.<br />
Theoretisch hat das OLG Celle den Fall "willkürlicher Verschleppung polizeilicher<br />
Ermittlungen zwecks Beeinträchtigung des Erinnerungsvermögens eines<br />
Beschuldigten (oder Zeugen)" gebildet 102. Ein Verhalten solcher Qualität, das<br />
allerdings nichts mit <strong>überlange</strong>r Verfahrensdauer zu tun hat, ist auf Gr<strong>und</strong>lage<br />
der veröffentlichten Rechtsprechung am ehesten in dem vom LG Hannover<br />
festgestellten Sachverhalt der Beweismanipulationen durch Ermittlungsorgane<br />
zwecks"Verurteilung um jeden Preis" 103 zu sehen, in dem allerdings vom 5. Senat<br />
des BGH die Verwirkbarkeit des staatlichen Strafanspruchs gr<strong>und</strong>sätzlich verneint<br />
wurde 104. Dennoch ist das Verwirkungsargument auch im sog. "Schmücker<br />
Verfahren" geäußert worden, weil wichtige Beweismittel unterdrückt worden<br />
seien 105.<br />
Fraglich erscheint, ob über die Arglistfälle hinaus auch bei sonstigen Verzögerungen<br />
Verwirkung möglich ist. Der weitergehende "tu-quoque-"Einwand scheitert<br />
daran, daß die zu vergleichenden Verhaltensweisen - Verstoß gegen das<br />
Beschleunigungsprinzip <strong>und</strong> Verstoß gegen das Strafgesetz - nicht miteinander<br />
"korrespondieren" 106, nicht gegen die gleichen Rechtssätze verstoßen 107. Ob Verwirkung<br />
aus dem Gedanken "turpitudinem suam allegans non auditur" dann<br />
denkbar ist, wenn durch (rechtswidrige) Verzögerungen, aber ohne Arglist eine<br />
bessere Rechtsstellung kausal erlangt worden ist, erscheint schwer zu beantworten.<br />
Immerhin ist in der Zivilrechtsdogmatik anerkannt, daß insofern eine Interessenabwägung<br />
vorzunehmen ist: Je stärker das Unrechtselement bewertet werden<br />
100 Ähnlich K. Schäfer in LR24, Einl. Kap. 12 Rn. 92: Verwirkung kann nur in Erwägung<br />
gezogen werden, wenn verschuldete schwere Versäumnisse der Justizbehörden<br />
vorliegen, die die Verfahrensfortsetzung "illoyal" erscheinen lassen.<br />
101 BGH, LM Nr. 39 zu § 242 BGB (Ce).<br />
102 OLG Celle, NJW 1963, S. 1320 (1321).<br />
103 LG Hannover, StV 1985, S. 94.<br />
104 BGHSt 33, S. 283 (283 f.).<br />
105 Vgl. Volksblatt Berlin v. <strong>3.</strong>11.1990, S. 14. So jetzt auch das Einstellungsurteil<br />
des LG Berlin.<br />
106 Vgl. Roth in MünchKomm2, § 242 Rn. 381 ff.; Dette, Venire contra factum proprium<br />
nulli conceditur, S. 34.<br />
107 Vgl. Wieacker, Zur rechtstheoretischen Präzisierung des § 242 BGB, S. 31.<br />
muß, desto eher sind die Interessen des Inanspruchgenommenen zu berücksichtigen<br />
108. Hier mögen die Interessen des Beschuldigten wohl jedenfalls gewichtiger<br />
sein als die des Staates bei der oben erörterten Rügeverwirkung, bei der diese<br />
Variante nicht näher in Betracht zu ziehen war. Allerdings dürften auch hier<br />
zwei Argumente dafür sprechen, eine so weitgehende Verwirkbarkeit der Strafverfolgungsbefugnis<br />
nicht anzuerkennen: Bei immanenter Betrachtung ist zunächst<br />
äußerst zweifelhaft, ob die Interessen des Beschuldigten gegenüber denen<br />
des Staates dermaßen überwiegen können - schlichtes Interessenungleichgewicht<br />
genügt im Zivilrecht für eine so weitgehende Konsequenz wie die Verwirkung<br />
nicht 109. Immerhin geht es um das öffentliche Interesse an der Strafverfolgung;<br />
hier spielt auch das Argument eine Rolle, daß lediglich das Fehlverhalten<br />
einzelner Amtsträger Ansprüche des Staates verwirken soll I10. Bei Betrachtung<br />
aus mehr übergeordnetem Blickwinkel muß zudem äußerst zweifelhaft erscheinen,<br />
inwieweit jedenfalls im Strafrecht Verfahrensbeendigung durch das "rigide<br />
Alles-oder-Nichts-Prinzip" 111 der Verwirkung infolge einer Interessenabwägung<br />
eintreten kann. Mit diesem Argument hat vor allem der BGH die Annahme <strong>von</strong><br />
Verfahrenshindernissen der <strong>überlange</strong>n Verfahrensdauer" 2 <strong>und</strong> des rechtswidrigen<br />
Lockspitzeleinsatzes ll3 bekämpft l14 • Ohne die Zivilrechtsdogmatik zu dieser<br />
Frage - die noch als "weitgehend ungeklärt" bezeichnet wird 115 - in Zweifel<br />
ziehen zu wollen, dürfte doch die Ausdehnung der ursprünglichen "exceptio<br />
doli" insoweit für das Strafrecht abzulehnen sein.<br />
11. Verwirkung durch Zeitablauf<br />
<strong>Die</strong> Fallgruppe der Verzögerung zwecks Verurteilung befindet sich freilich<br />
weit <strong>von</strong> den Vorstellungen Baumanns entfernt, der sich Verwirkung "neben<br />
<strong>und</strong> innerhalb der Strafverfolgungsverjährungsfristen" vorstellte 116. Baumann<br />
spielt hier auf die im Zivilrecht bedeutsame Verwirkung durch Zeitablauf, die<br />
"illoyale Verspätung" 117 an, die einen Unterfall des "venire contra factum proprium"<br />
darstellt 118. Sie kommt in Betracht, wenn neben die bereits seit einem<br />
108 Vgl. etwa Teichmann in SoergeJiI, § 242 Rn. 281; Dette, Venire contra factum<br />
proprium nulli conceditur, S. 32 f.<br />
109 Vgl. etwa Teichmann in Soergel ll , § 242 Rn. 281; 290.<br />
110 Vgl. BGHSt 32, S. 345 (353); 33, S. 283; OLG Düsseldorf, NJW 1986, S. 2204<br />
(2205).<br />
111 Roth in MünchKomm2, § 242 Rn. 236.<br />
112 BGHSt 24, S. 239 (240).<br />
113 BGHSt 32, S. 345 (351 f.).<br />
114 Siehe dazu unten, 5. Kap. A III 2.<br />
115 Roth in MünchKomm2, § 242 Rn. 231.<br />
116 Baumann, FS Eb. Schmidt, S. 541.<br />
117 Heinrichs in Palandt 49 , § 242 Anm. 5 a; vgl. auch BGHZ 25, S. 47 (52); BAGE<br />
6, S. 165 (167); kritisch Teichmann in Soergel ll , § 242 Rn. 332.<br />
10 Seheffter
146 4. Kap.: Freispruch wegen Verwirkung des Strafanspruchs A. Zur Verwirkbarkeit des Strafanspruchs 147<br />
längeren Zeitraum bestehende Möglichkeit der Geltendmachung eines Rechts<br />
("Zeitmoment") auch noch gewisse Umstände hinzutreten, die die verspätete<br />
Geltendmachung des Rechts als unzulässige Rechtsausübung erscheinen lassen<br />
("Umstandsmoment"). Der Ablauf eines extrem langen ungenutzten Zeitraums<br />
genügt nicht für sich allein 119, was der BGH für den langjährigen Stillstand eines<br />
Zivilverfahrens ausdrücklich betont hat 120. Das Umstandsmoment ist erfüllt, wenn<br />
der Berechtigte durch sein Verhalten den Eindruck erweckt hat, er wolle sein<br />
Recht nicht mehr geltend machen, der Verpflichtete sich hierauf eingerichtet hat<br />
<strong>und</strong> ihm die verspätete Inanspruchnahme nicht mehr zugemutet werden kann 121,<br />
etwa, weil er ansonsten einen Nachteil erleidet, der bei rechtzeitiger Geltendmachung<br />
des Rechts ausgeblieben wäre 122. <strong>Die</strong> "illoyale Verspätung" hat sachliche<br />
Nähe zur Verjährung 12<strong>3.</strong><br />
1. Rechtsbehelfsverwirkung zu Lasten des Beschuldigten<br />
Auch die Verwirkung durch Zeitablauf ist im <strong>Strafverfahren</strong>srecht - ebenfalls<br />
zu Lasten des Beschuldigten - bekannt: So sollen nach der Rechtsprechung<br />
unbefristete Rechtsbehelfe (z. B. Beschwerde, Antrag nach § 33a StPO, GegenvorsteIlung)<br />
infolge Verwirkung unzulässig werden können, wenn der Beschuldigte<br />
längere Zeit hindurch untätig bleibt 124. <strong>Die</strong>se Judikatur wird <strong>von</strong> der Literatur<br />
weitgehend gebilligt 125.<br />
<strong>Die</strong> Rechtsbehelfsverwirkung stellt die präzise Übernahme der "illoyalen Verspätung"<br />
aus dem Zivilrecht dar. Allerdings soll für das Umstandsmoment <br />
die Nichtzumutbarkeit der verspäteten Inanspruchnahme - das öffentliche Interesse<br />
an der Erhaltung des Rechtsfriedens genügen 126.<br />
118 Heinrichs in Palandt49, § 242 Anm. 5 a; Roth in MünchKomm2, § 242 Rn. 290;<br />
Teichmann in Soergel ll , § 242 Rn. 332; vgl. auch BAGE 6, S. 165 (168).<br />
119 BVerfGE 32, S. 305 (308); BGH, WM 1971, S. 1084 (1086); Schenke in Bonn<br />
Komm (Zweitbearb.), Art. 19 IV Rn. 69; Teichmann in Soergel ll , § 242 Rn. 337; Schubert,<br />
JR 1989, S. 280.<br />
120 BGH, LM Nr. 39 zu § 242 BGB (Ce); RzW 1979, S. 106.<br />
121 BGHZ 25, S.47 (52); 26, S. 52 (65); 67, S.56 (68); 84, S.280 (281); DNotZ<br />
1973, S.379 (380); BAGE 6, S. 165 (168); BSG, NJW 1973, S. 871; Heinrichs in<br />
Palandt 49 , § 242 Anm. 5 d ce.<br />
122 Griesbeck, Venire contra factum proprium, S. 99.<br />
123 Vgl. Roth in MünchKomm2, § 242 Rn. 290.<br />
124 BVerfGE 32, S.305; OLG Koblenz, MDR 1985, S.344; wistra 1987, S.357;<br />
OLG Stuttgart, OLGSt (neu) NI. 1 zu § 235 StPO. .<br />
125 W. Gollwitzer in LR24, vor § 296 Rn. 48; Kleinknecht / Meyer, StP039, vor § 296<br />
Rn. 6; Ellersiek, <strong>Die</strong> Beschwerde im Strafprozeß, S. 147; a. A. Sax in KMR, Einl. X<br />
Rn. 73 ff.; Dütz, NJW 1972, S. 1025.<br />
126 BVerfGE 32, S. 305 (308 f.); kritisch dazu Sax in KMR. Einl. X Rn. 78; Dütz,<br />
NJW 1972, S. 1025 ff.<br />
Hinsichtlich des Umstandsmoments folgt aus der Ableitung der "illoyalen<br />
Verspätung" aus der Variante "venire contra factum proprium", daß dem Zeitmoment<br />
nur eine untergeordnete Rolle zukommt: "Der Schwerpunkt des Verwirkungsbegriffs<br />
liegt ... im Umstandsmoment ... Ihm fällt weitgehend, wenn<br />
auch nicht völlig unabhängig vom reinen Zeitablaufseit Entstehen des Anspruchs,<br />
die entscheidende Bedeutung zu" 127. Demzufolge hat auch das OLG Stuttgart<br />
die Verwirkung der - fristlosen - Wiedereinsetzung in den vorigen Stand<br />
gemäß § 235 Satz 1 2. Alt. StPO nicht wegen Zeitablaufs angenommen, sondern<br />
weil der Beschuldigte <strong>von</strong> vornherein entschlossen gewesen sei, an der Hauptverhandlung<br />
nicht teilzunehmen 128. Daraus folgt, daß bei langem Zeitablauf an das<br />
Umstandsmoment nur noch geringe Anforderungen zu stellen sind 129, während<br />
umgekehrt Verwirkung auch nahezu ohne besonderes Zeitmoment bei entsprechender<br />
Ausprägung des Umstandsmoments denkbar ist 130.<br />
2. Enttäuschung berechtigten Vertrauens<br />
Auf das Umstandsmoment hat nun der 1. Senat des BGH in seiner Lockspitzelentscheidung,<br />
die das OLG Düsseldorf zur Frage der Verwirkung bei <strong>überlange</strong>r<br />
Verfahrensdauer zugr<strong>und</strong>e gelegt hat, als Hilfsargument im Anschluß an See/<br />
mann 131 mit Nachdruck hingewiesen: Es fehle im übrigen am "für die Anwendung<br />
des Verwirkungsgedankens wesentlichen Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes"<br />
132. Sowohl in dieser Entscheidung als auch in der Diskussion, die sich um<br />
diese Formulierung entwickelt hat 133, wird zumeist übersehen 134, daß es im Zusammenhang<br />
mit der Lockspitzelproblematik nicht um "illoyale Verspätung",<br />
sondern nur um Ableitungen der "exceptio doli praeteriti" gehen kann, da es<br />
hier an jeder Anknüpfung für das Zeitmoment fehlt. Dann kommt es aber nicht<br />
darauf an, ob der Provozierte auf seine Straflosigkeit vertrauen konnte, sondern<br />
darauf, daß der Staat sich nicht durch rechtsstaatlich unzulässiges Vorgehen den<br />
Strafanspruch verschaffen darf135 •<br />
127 BAGE 6, S. 165 (167).<br />
128 OLG Stuttgart, OLGSt (neu) NI. 1 zu § 235 StPO.<br />
129 Vg1. etwa OLG Frankfurt, MDR 1978, S. 52.<br />
130 Schubert, JR 1989, S. 280.<br />
131 Seelmann, ZStW 95 (1983), S. 82<strong>3.</strong><br />
132 BGHSt 32, S. 345 (353).<br />
133 Bruns, StV 1984, S. 391 (mit Hinweis auf NStZ 1983, S. 54); Schünemann, StV<br />
1985, S. 428; Puppe, NStZ 1986, S. 405; Drywa, <strong>Die</strong> materiellrechtlichen Probleme des<br />
V-Mann-Einsatzes, S. 65.<br />
134 Vg1. aber I. Roxin, Rechtsfolgen, S. 207 f.; H. Schumann, JZ 1986, S.69; vgl.<br />
auch Menzel, Gr<strong>und</strong>fragen der Verwirkung, S. 143; 145 Fn. 303; Katzorke, Verwirkung,<br />
S. 152 f.<br />
135 H. Schumann, JZ 1986, S. 69.<br />
10*
148 4. Kap.: Freispruch wegen Verwirkung des Strafanspruchs A. Zur Verwirkbarkeit des Strafanspruchs 149<br />
Ein weiteres Indiz dafür, daß der 1. Senat in seiner Entscheidung die Formen<br />
der Verwirkung vermengt, ergibt sich auch daraus, daß er in einem Atemzug<br />
unter der Bezeichnung"Verwirkung prozessualer Befugnisse" auf Urteile sowohl<br />
zur Rechtsbehelfsverwirkung 136 als auch zur Rügeverwirkung 137 hinweist. Mit<br />
dieser Vermengung steht der BGH nicht allein. Hingewiesen sei etwa auf Fuhrmann,<br />
der versuchte, hinsichtlich der Rügeverwirkung das Zeitmoment der "illoyalen<br />
Verspätung" zu konstruieren 138. Allgemein ist festzustellen, daß die schon<br />
erwähnte Übertragung des Gedankens der Verwirkung des staatlichen Strafanspruchs<br />
<strong>von</strong> der <strong>überlange</strong>n Verfahrensdauer auf andere Sachverhalte, insbesondere<br />
die V-Mann- Problematik, ohne die erforderliche "rechtsdogmatische Vertiefung"<br />
139 geschah: Es blieb nahezu unbemerkt, daß man hier die Formen der<br />
Verwirkung wechselte.<br />
Jedoch folgt hieraus, daß der Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes bei der<br />
"illoyalen Verspätung" in den Mittelpunkt zu rücken ist, so daß bezüglich des<br />
Problems <strong>überlange</strong>r Verfahrensdauer selbst dann, wenn man <strong>von</strong> der prinzipiellen<br />
Möglichkeit der Verwirkbarkeit der Strafverfolgungsbefugnis ausgeht, eine<br />
weitergehende Beschränkung gegeben ist, als sich die Befürworter dies vorgestellt<br />
hatten: So kann zunächst einmal das Verwirkungsargument nicht, wie aber <strong>von</strong><br />
der Verteidigung im sog. "Euthanasie-Prozeß" vorgetragen wurde 140, (nur) darauf<br />
gestützt werden, daß die Taten extrem lange (hier: 46 Jahre) zurückliegen würden.<br />
Auch die bloße Untätigkeit der Strafverfolgungsbehörden kann noch nicht generell<br />
die Erwartung nach sich ziehen, daß die Strafverfolgung künftig unterbliebe<br />
141. Nur dann, wenn der Beschuldigte bei besonderer Fallgestaltung ausnahmsweise<br />
aus dem Verhalten der Organe entnehmen durfte <strong>und</strong> tatsächlich entnommen<br />
hat, der Staat werde seine Strafverfolgungsbefugnis nicht mehr wahrnehmen,<br />
könnte "illoyale Verspätung" denkbar sein 142. Nur in diesem Fall wird das berechtigte<br />
Vertrauen des Beschuldigten, nicht mehr verfolgt zu werden, aufgr<strong>und</strong><br />
widersprüchlichen Verhaltens der Strafverfolgungsbehörden enttäuscht. Hanack<br />
hat hierzu beispielhaft den Fall gebildet, daß der Beschuldigte jahrelang <strong>von</strong><br />
einem eingeleiteten Ermittlungsverfahren nichts mehr hört <strong>und</strong> annehmen darf,<br />
die Staatsanwaltschaft habe die Mitteilung gemäß § 170 11 StPO vergessen 14<strong>3.</strong><br />
136 BVerfGE 32, S. 305 (308 f.).<br />
137 BVerfGE 27, S.231 (236); 33, S.265 (293); BVerwGE 3, S.297 (299 f.); 6,<br />
S. 262 (263).<br />
138 Fuhnnann, NJW 1963, S. 123<strong>3.</strong> Vgl. auch Schlüchter, GS H. Kaufmann, S. 461 f.<br />
139 Bruns, StV 1984, S. 391.<br />
140 Vgl. Daub, KritJ 22 (1989), S. 328 Fn. <strong>3.</strong><br />
141 So auch Mezger, Gr<strong>und</strong>fragen der Verwirkung, S. 145; Katzorke, Verwirkung,<br />
S.84.<br />
142 Vgl. Hillenkamp, JR 1975, S. 137; unklar Seelmann, GebColloquium Kielwein,<br />
S. 28 f.<br />
143 Hanack, JZ 1971, S. 715. Vgl. auch Katzorke, Verwirkung, S. 37; 42; 52 f.; 83;<br />
198 f.; 204.<br />
Praktisch vorstellbar ist ein solcher Fall kaum 144. Gegen das Beispiel Hanacks<br />
spricht zudem, daß selbst bei einer erfolgten Einstellung der ehemals Beschuldigte<br />
mit einem Wiederaufgreifen durch die Staatsanwaltschaft rechnen muß 145. Allenfalls<br />
könnte man hieran vielleicht in den gelegentlich berichteten Fällen denken 146,<br />
wonach es im Umweltstrafrecht vorkommt, daß die Staatsanwaltschaft ein Ermittlungsverfahren<br />
hinauszögert, um Druck bezüglich der Lösung des Umweltproblems<br />
auszuüben, wenn dann nach Durchführung <strong>von</strong> umweltschützenden Maßnahmen<br />
doch noch Anklage erhoben würde. Weiterhin wurde auf eine entsprechende<br />
Revisionsrüge hin vom OLG Düsseldorf geprüft (<strong>und</strong> verneint), ob die<br />
Einstellung wegen eines (behebbaren) Verfahrenshindernisses <strong>und</strong> darauffolgender<br />
Zeitablauf bis zur Einleitung eines (neuen) Ermittlungsverfahrens zur Verwirkung<br />
führte 147.<br />
DerSache nach - ohne <strong>von</strong> Verwirkung zu sprechen - wird in der oberlandesgerichtlichen<br />
Rechtsprechung gemäß den Verwirkungskriterien in dem hier nicht<br />
näher interessierenden Sonderfall des verspäteten Widerrufs der Strafaussetzung<br />
zur Bewährung (§ 56f StGB) vorgegangen. Danach ist der Widerruf nicht schon<br />
aufgr<strong>und</strong> bloßer Verspätung unzulässig, wohl aber im Einzelfall aus dem Gesichtspunkt<br />
des Vertrauensschutzes 148. Allerdings ist auch hier zu fragen, ob<br />
wirklich schutzwürdiges Vertrauen <strong>und</strong> nicht nur bloße "Hoffnung" enttäuscht<br />
wird 149.<br />
Das Problem der Enttäuschung eines berechtigten Vertrauens ist somit, wie<br />
Hanack zu Recht hervorgehoben hat 150, <strong>von</strong> dem der <strong>überlange</strong>n Verfahrensdauer<br />
zu trennen. Allerdings können die beiden Problemkreise miteinander verknüpft<br />
sein, da das Vertrauen um so eher berechtigt sein wird, je mehr Zeit vergangen<br />
ist (Zeitmoment).<br />
Umgekehrt wäre eine Verwirkung unter diesem Gesichtspunkt - rein konstruktiv<br />
- auch dann nicht <strong>von</strong> vornherein ausgeschlossen, wenn das Verfahren<br />
zwar schnell durchgeführt wird, gleichzeitig aber <strong>von</strong> den Strafverfolgungsbehörden<br />
ein so vertrauensbildendes Verhalten an den Tag gelegt wird, daß derBeschuldigte<br />
sich hieraufeinrichten durfte <strong>und</strong> dies tat, indem er etwa Entlastungsmaterial<br />
144 Katzorke, Verwirkung, S. 199.<br />
145 Katzorke, Verwirkung, S. 199.<br />
146 Vgl. dazu Kellennann, KB 55 (1987), S. 23 ff.; Michalke, ZRP 1988, S. 273 ff.;<br />
Kneip, ZRP 1989, S. 111; Trändie, GS K. Meyer, S. 610.<br />
147 OLG Düsseldorf, NJW 1986, S. 2204 (2205).<br />
148 OLG Karlsruhe, Justiz 1976, S. 436; OLG Celle, NdsRpfl. 1980, S. 91 (92); StV<br />
1987, S.30; OLG Koblenz, NStZ 1981, S.260 (261); DAR 1987, S. 93 (94); OLG<br />
Stuttgart, Justiz 1982, S. 273; StV 1985, S. 380; OLG Braunschweig, StV 1983, S. 72;<br />
OLG Düsseldorf, MDR 1983, S. 509; GA 1983, S. 87; OLG Hamm, NStZ 1984, S. 362<br />
(363); StV 1985, S. 198 (199).<br />
149 KG, JR 1958, S. 189; Horn in SK StGB, § 56f Rn. 33; 37; GS H. Kaufmann,<br />
S. 548; 554.<br />
150 Hanack, JZ 1971, S. 715.
150 4. Kap.: Freispruch wegen Verwirkung des Strafanspruchs B. Zum Freispruch infolge Strafaufhebungsgr<strong>und</strong>es 151<br />
vernichtet hat, <strong>und</strong> ihm somit weitere Verfolgung nun nicht mehr zugemutet<br />
werden kann. Hier läge das Schwergewicht der Problematik weniger im Zeitmoment<br />
als im auf das Handeln der Strafverfolgungsbehörden bezogenen Umstandsmoment.<br />
Es wäre die allgemeine Variante "venire contra factum proprium"<br />
einschlägig. Insofern hätte der <strong>3.</strong> Senat des BGH auch Verwirkung erörtern<br />
können bei der Nichteinhaltung einer "Zusage" der Staatsanwaltschaft, eine bestimmte<br />
Tat nicht zu verfolgen, wenn der Beschuldigte sein Rechtsmittel unter<br />
Hinnahme einer empfindlichen Strafe in einer anderen Sache zurücknimmt 151.<br />
Nun dürfte bei der Fallgruppe der Enttäuschung berechtigten Vertrauens durch<br />
Zeitablauf, noch mehr als bei der der Verwirkung durch Arglist, Anlaß zu Zweifeln<br />
bestehen, inwieweit ihre Anerkennung jedenfalls im Strafrecht geboten ist:<br />
Nach ganz herrschender Meinung 152 setzt die "illoyale Verspätung" kein Verschulden<br />
des Rechtsinhabers voraus. Soll die Verwirkung der Strafverfolgungsbefugnis<br />
also - theoretisch - auch dann eintreten können, wenn die Vertrauensbildung<br />
beim Beschuldigten erfolgt, obwohl das Verfahren <strong>von</strong> den Strafverfolgungsorganen<br />
unverzögert vorangetrieben wird? Nach im einzelnen umstrittener,<br />
aber herrschender Ansicht 153 ist nicht einmal die Kenntnis des Berechtigten <strong>von</strong><br />
seinem Recht erforderlich; es genügt, daß er Kenntnis hätte haben können. Folgte<br />
man dem, könnte also - wiederum rein theoretisch - selbst bei Nichtwissen<br />
der Strafverfolgungsbehörden <strong>von</strong> der Straftat schon die Strafverfolgungsbefugnis<br />
verwirkt werden. Es kann hier nicht der Ort sein zu erörtern, ob außerhalb<br />
des Strafrechts überhaupt die Rechtsfigur der Verwirkung durch Zeitablauf neben<br />
Verjährung <strong>und</strong> Verzicht erforderlich ist oder jedenfalls einen zu weiten Anwendungsbereich<br />
findet. Der eine Teil der dortigen Fallgestaltungen läßt sich, so<br />
scheint es, statt durch den Rückgriff auf die Verwirkung durch die objektive<br />
Auslegung der Willenserklärungen als Verzicht auf das zustehende Recht auslegen<br />
154, <strong>und</strong> bei anderen Fallgestaltungen drängt sich der Eindruck auf, als ginge<br />
es hier um die Verkürzung der teilweise als zu lang empf<strong>und</strong>enen Verjährungsfristen<br />
des BGB durch richterliche Rechtsfortbildung 155. Freilich ist nicht zu übersehen,<br />
daß auch in neueren Monographien der Anwendungsbereich der Verwirkung<br />
im Zivil- <strong>und</strong> öffentlichen Recht mit entgegengesetzterTendenz extensiv interpre-<br />
151 BGH, NStZ 1990, S. 399; vgl. dazu Scheffler, wistra 1990, S. 321.<br />
152 BGHZ 25, S. 47 (53); OLG Saarbrücken, NJW-RR 1989, S. 558 (559); LG München,<br />
NJW-RR 1989, S. 852; J. Schmidt in Staudinger 12 , § 242 Rn. 492; 494; Heinrichs<br />
in Palandt 49 , § 242 Anm. 5 d bb; Teichmann in Soergel '1 , § 242 Rn. 319; unklar BSG,<br />
NJW 1969, S. 767 (768).<br />
153 Einzelheiten bei J. Schmidt in Staudinger l2 , § 242 Rn. 494; Heinrichs in Palandt 49 ,<br />
§ 242 Anm. 5 d bb; Mezger, Gr<strong>und</strong>fragen der Verwirkung, S. 61 ff.<br />
154 Ähnlich Wieling, AcP 176 (1976), S. 334 ff.; 187 (1987), S. 100. Vgl. dazu auch<br />
Roth in MünchKomm 2 , § 242 Rn. 293; Teichmann in Soergel", § 242 kn. 312; 333; JA<br />
1985, S. 500.<br />
155 Vgl. Teubner, AK BGB, § 242 Rn. 34; Enneccerus / Nipperdey, Allgemeiner<br />
Teil/2'" § 228 IV 1. Siehe dazu auch Teichmann in Soergel", § 242 Rn. 334.<br />
tiert wird 156. Für das Strafrecht dürfte jedenfalls äußerste Zurückhaltung geboten<br />
sein.<br />
B. Zum Freispruch infolge Strafautbebungsgr<strong>und</strong>es<br />
Aber selbst bei Außerachtlassung der Frage, ob denn die Figur der Verwirkung<br />
des Strafanspruchs bzw. der Strafverfolgungsbefugnis überhaupt anerkannt werden<br />
kann, hat sich ihre Übertragung auf <strong>überlange</strong> Verfahrensdauer somit als<br />
fast nur theoretisches Problem erwiesen: Wie Hanack betont, ist die Möglichkeit<br />
der Enttäuschung berechtigten Vertrauens "im Strafprozeß bislang noch kaum<br />
bedacht" 157 - eben weil solche Fälle theoretische Konstrukte sind. Auch die<br />
andere denkbare Variante - Verzögerung zwecks Verurteilung - ist bisher<br />
nicht bekanntgeworden.<br />
Um zur Rechtsfolge des Freispruchs zu gelangen, wäre ein zweites Problem,<br />
das bisher weniger im Mittelpunkt der Diskussion stand, zu bewältigen: Es wird<br />
meistens, insbesondere <strong>von</strong> der Rechtsprechung, als selbstverständlich da<strong>von</strong><br />
ausgegangen, daß die Verwirkung des staatlichen Strafanspruchs zu einem Verfahrenshindernis<br />
mit der Folge der Einstellung zu führen hätte. Nun hat schon<br />
Bruns völlig zu Recht darauf hingewiesen, daß hierdurch verdunkelt würde, daß<br />
es sich hierbei um mehr als eine selbständige rechtliche Konstruktion handelt 158.<br />
Soweit bisher - <strong>und</strong> im Gegensatz zu der hier vertretenen Auffassung <br />
<strong>von</strong> der Verwirkung - einem im Zivilrecht unbestritten materiellrechtlichen<br />
Institut - des staatlichen Strafanspruchs <strong>und</strong> nicht der -verfolgungsbefugnis<br />
ausgegangen wird, erscheint die Annahme einer Prozeßentscheidung fragwürdig<br />
159: Bei Verwirkung des Strafanspruchs, also der materiellen Strafbefugnis,<br />
müßte in Anlehnung an das Zivilrecht der Freispruch die richtige Rechtsfolge<br />
sein, weil im Zivilrecht durch die Verwirkung eines Anspruchs auch nicht etwa<br />
das Verfahren als solches unzulässig wird, sondern die zulässige Klage lediglich<br />
abgewiesen wird, weil der materielle Anspruch nicht prozessual durchsetzbar<br />
ist 160. <strong>Die</strong>s ist nur gelegentlich angedeutet worden: So fragte etwa Lüderssen,<br />
ob es sich bei dem Begriff der Verwirkung des staatlichen Strafanspruchs "um<br />
ein materiell-rechtliches Argument" handele 161. Auf der gleichen Linie liegt auch<br />
die Äußerung <strong>von</strong> Heribert Schumann, daß, machte man mit dem Begriff der<br />
156 Vgl. DeUe, Venire contra factum proprium nulli conceditur, insbes. S. 58 ff.;<br />
Menzel, Gr<strong>und</strong>fragen der Verwirkung, insbes. S. 53 ff.<br />
157 Hanack, JZ 1971, S. 715.<br />
158 Bruns, StV 1984, S. 391; ähnlich Katzorke, Verwirkung, S. 125.<br />
159 So auch Sieg, StV 1981, S. 636; siehe auch Volk, Prozeßvoraussetzungen, S. 228;<br />
StV 1986, S. 37. Vgl. auch Grethlein, Problematik des Verschlechterungsverbotes, S. 29<br />
Fn. 26 f.<br />
160 Vgl. Katzorke, Verwirkung, S. 125.<br />
161 Lüderssen, Jura 1985, S. 12<strong>3.</strong>
152 4. Kap.: Freispruch wegen Verwirkung des Strafanspruchs B. Zum Freispruch infolge Strafaufhebungsgr<strong>und</strong>es 153<br />
Verwirkung des staatlichen Strafanspruchs einmal ernst, materiellrechtliche Folgen<br />
erwogen werden müßten 162. Drywa nimmt dies als selbstverständlich an 16<strong>3.</strong><br />
<strong>Die</strong> Annahme materiellrechtlicher Folgen der Verwirkung hätte erhebliche<br />
Konsequenzen auch für das <strong>Strafverfahren</strong>: Anders als bei der Feststellung <strong>von</strong><br />
Prozeßvoraussetzungen wäre dann das Freibeweisverfahren nicht zulässig 164 mit<br />
der Folge, daß mit Hilfe <strong>von</strong> Beweisanträgen die Verteidigung die Frage der<br />
Verwirkung wegen § 244 III-VI StPO viel umfangreicher (<strong>und</strong> erfolgversprechender)<br />
zum Gegenstand der Hauptverhandlung machen könnte 165. Andererseits wäre<br />
ab Eröffnung des Hauptverfahrens das Verfahren nicht ohne Hauptverhandlung<br />
zu beenden 166.<br />
Heribert Schumann weist in diesem Zusammenhang auf den 5. Senat des BGH<br />
hin, der, wohl im Anschluß an Sieg l67 , bezüglich der V-Mann-Problematik in<br />
einem obiter dictum die Annahme eines Strafausschließungsgr<strong>und</strong>es erwogen<br />
hatte 168. <strong>Die</strong>se "rechtstheoretisch eigenwillige Lösung" 169 des 5. Strafsenats spielte<br />
zunächst in der theoretischen <strong>und</strong> praktischen Diskussion keine große Rolle 170,<br />
so daß allenfalls im Hinblick aufExtremfälle für sie plädiert wurde 171. Neuerdings<br />
greifen jedoch Imme <strong>und</strong> Claus Roxin die These, es sei ein materiellrechtlicher<br />
Strafausschließungsgr<strong>und</strong> anzunehmen, wieder auf l72 •<br />
Bezogen auf die <strong>überlange</strong> Verfahrensdauer läge ein Umstand vor, der erst<br />
nach der Tat eingetreten sein kann, so daß insoweit nicht <strong>von</strong> einem Strafausschließungs-,<br />
sondern <strong>von</strong> einem Strafaufhebungsgr<strong>und</strong> zu reden wäre 173, der<br />
nach herrschender Meinung rückwirkend wieder die bereits begründete Strafbarkeit<br />
beseitigt 174. <strong>Die</strong>s deckte sich auch mit der - allerdings inzwischen überwun-<br />
162 H. Schumann, JZ 1986, S. 69.<br />
163 Drywa, <strong>Die</strong> materiellrechtlichen Probleme des V-Mann-Einsatzes, S. 32.<br />
164 Drywa, <strong>Die</strong> materiellrechtlichen Probleme des V-Mann-Einsatzes, S.32; Sieg,<br />
StV 1981, S. 636; MDR 1987, S. 368; Geppert, JK 1985, StPO § 260 III/ 1; E. Peters,<br />
Der sogenannte Freibeweis im Zivilprozeß, S. 45 f. Vgl. aber auch C. Roxin, <strong>Strafverfahren</strong>srecht21,<br />
§ 21 C; Volk, Prozeßvoraussetzungen, S. 73 ff.; Herrmann, ZStW 95 (1983),<br />
S.128.<br />
165 A. A. Mache, <strong>Die</strong> Zulässigkeit des Einsatzes <strong>von</strong> agents provocateurs, S. 200.<br />
166 A. A. LG Nürnberg, NStZ 1983, S. 136; siehe dazu Krey, <strong>Strafverfahren</strong>srecht<br />
II, Rn. 116 f. m. w.N.<br />
167 Sieg, StV 1981, S. 636; 638; vgl. auch Seelmann, ZStW 95 (1983), S. 830; unklar<br />
Mache, <strong>Die</strong> Zulässigkeit des Einsatzes <strong>von</strong> agents provocateurs, S. 201.<br />
168 BGH, StV 1984, S. 58 (59).<br />
169 Geppert, JK 1985, StPO § 136a/2.<br />
170 Bruns, StV 1984, S. 392; Schünemann, StV 1985, S. 429.<br />
171 Vgl. K. Meyer, NStZ 1985, S. 135; Teske, JA 1986, S. 109.<br />
l72 I. Roxin, Rechtsfolgen, S. 233 ff.; C. Roxin, <strong>Strafverfahren</strong>srecht21 , § 21 B 1II 4.<br />
173 Katzorke, Verwirkung, S. 197. <strong>Die</strong>s übersieht I. Roxin, Rechfsfolgen, S. 246, die<br />
die Annahme eines Strafausschließungsgr<strong>und</strong>es nur mit der Begründung ablehnt, daß<br />
die Verfahrensüberlänge nicht bereits bei Tatbegehung vorliegen kann, ohne ein Wort<br />
zur Frage des Strafaufhebungsgr<strong>und</strong>es zu verlieren.<br />
denen - Diskussion um die Rechtsnatur der Verjährung. <strong>Die</strong> Autoren, die der<br />
Verjährung (ausschließlich) materiellrechtlichen Charakter zugesprochen hatten,<br />
betrachteten sie als Strafaufhebungsgr<strong>und</strong> 175, soweit sie zu dieser Frage überhaupt<br />
Stellung nahmen 176.<br />
Zwar hatte der 5. Strafsenat sich zur materiellen Gr<strong>und</strong>lage seiner Konstruktion<br />
nicht geäußert; jedoch ist er so verstanden worden, daß die Verwirkung des<br />
staatlichen Strafanspruchs dem Strafausschließungsgr<strong>und</strong> zugr<strong>und</strong>e läge 177. Folge<br />
einer solchen Konstruktion wäre der Freispruch. <strong>Die</strong>s hat Arzt schon für seine<br />
Auffassung der Verwirkung des staatlichen Strafanspruchs bei schweren Verstößen<br />
gegen § 136a StPO gefolgert 178, Hillenkamp hat einen Freispruch bei <strong>überlange</strong>r<br />
Verfahrensdauer konstruktiv für möglich gehalten 179 <strong>und</strong> Volk allgemein für<br />
rechtsstaatswidriges Verhalten staatlicher Organe angenommen 180. Das LG Verden<br />
hat einen unzulässigen V-Mann-Einsatz zwar als Verfahrenshindernis angesehen,<br />
den Angeklagten aber daraufhin freigesprochen 181.<br />
Nun wird ein Freispruch, wie Volk bemerkt 182, als inadäquat empf<strong>und</strong>en 18<strong>3.</strong><br />
Hierdurch sei impliziert, man habe "den ,Fall' anhand der Maßstäbe des materiel-<br />
174 H. J. Hirsch in LKIO, vor § 32 Rn. 213, lehnt die Unterscheidung zwischen Strafausschließungs-<br />
<strong>und</strong> -aufhebungsgr<strong>und</strong> ab.<br />
175 Lazarus, <strong>Die</strong> sog. Schuld-, Strafausschließungs- <strong>und</strong> Strafaufhebungsgründe im<br />
Strafprozeß, S. 46 f.; v. Liszt / Schmidt, Lehrbuch des Strafrechts F6, § 72 I; Beling,<br />
Gr<strong>und</strong>züge des Strafrechts", § 34; vgl. auch Rob. v. Hippel, Deutsches Strafrecht II,<br />
§ 40 VI; Jescheck, Lehrbuch des Strafrechts4, § 86 I 1; Volk, Prozeßvoraussetzungen,<br />
S. 226; Frank, StGB'8, § 66 Anm. II; Baumann / Weber, Strafrecht AT", § 30 III; Welzel,<br />
Das Deutsche Strafrechti], § 34 IV I b; Rudolphi in SK StGB, vor § 78 Rn. 10;<br />
Bockelmann, Niederschriften 2, S.330; K. Schäfer, Niederschriften 2, S.334; a.A.<br />
Lorenz, <strong>Die</strong> Verjährung im Strafrechte, S. 28 f.; 53; <strong>Die</strong> Regelung der Verjährung im<br />
Entwurf des Allgemeinen Teils eines Strafgesetzbuches, S. 8 m. w.N. (unklar aber in:<br />
<strong>Die</strong> Verjährung in der deutschen Strafgesetzgebung, S.56); Bloy, <strong>Die</strong> dogmatische<br />
Bedeutung der Strafausschließungs- <strong>und</strong> Strafaufhebungsgründe, S. 247.<br />
176 Dazu Bloy, <strong>Die</strong> dogmatische Bedeutung der Strafausschließungs- <strong>und</strong> Strafaufhebungsgründe,<br />
S. 200, der auch hinsichtlich der hierzu schweigenden Autoren annimmt,<br />
sie würden diese Auffassung teilen. So wohl auch Bockelmann, Niederschriften 2, S. 329.<br />
Unklar Bemmann, JuS 1965, S. 338.<br />
177 BGHSt 32, S. 345 (352 f.); Rieß in LR24, § 206a Rn. 57a; H. Schumann, JZ 1986,<br />
S. 69; Geppert, JK 1985, StPO § 136a/2; wohl auch LG Berlin, StV 1984, S. 457 (460).<br />
A. A. bezüglich ihrer Lösung aber I. Roxin, Rechtsfolgen, S. 208 ff. Vgl. auch Bruns,<br />
StV 1984, S. 392: Verwirkung <strong>und</strong> materieller Strafausschließungsgr<strong>und</strong> haben sachlich<br />
überhaupt nichts miteinander zu tun; ähnlich wohl J. Meyer, ZStW 95 (1983), S. 85<strong>3.</strong><br />
178 Arzt, FS K. Peters, S. 232 f.<br />
179 Hillenkamp, JR 1975, S. 137.<br />
180 Volk, StV 1986, S. 37; vgl. auch Neumann, ZStW 101 (1989), S. 93 f.<br />
181 LG Verden, StV 1982, S. 364 (365).<br />
182 Volk, StV 1986, S. 37.<br />
183 Vgl. Geppert, JK 1985, StPO § 136a/2: "Ich muß bekennen, daß ich so gesehen<br />
bei staatlich mit-provozierter Kriminalität dem provozierten Täter weniger gern einen<br />
Freispruch attestieren würde <strong>und</strong> folglich eher zur Lösung der Einstellung tendiere".<br />
Ähnlich Drywa, <strong>Die</strong> materiellrechtlichen Probleme des V-Mann-Einsatzes, S. 79; Katzorke,<br />
Verwirkung, S. 147.
154 4. Kap.: Freispruch wegen Verwirkung des Strafanspruchs<br />
len Rechts geprüft" 184. Es gehört also wohl nicht viel Prophetie zu der Annahme,<br />
daß dann, wenn die <strong>von</strong> Geppert noch vermißte abschließende Klärung der<br />
dogmatischen Grenzziehung zwischen Verfahrenshindernis einerseits <strong>und</strong> Strafausschließungsgr<strong>und</strong><br />
(bzw. -aufhebungsgr<strong>und</strong>) andererseits 185 bezüglich der Verwirkung<br />
des staatlichen Strafanspruchs zugunsten des materiellrechtlichen Instituts<br />
ausfiele, zwei Alternativen bestünden: Entweder würde - ähnlich wie häufig<br />
hinsichtlich der Verfolgungsverjährung 186 - der Verwirkung eine Doppelnatur<br />
zugesprochen wird mit der Folge des Prozeßurteils - oder aber das Schicksal<br />
der Figur der Strafanspruchsverwirkung wäre endgültig besiegelt. Ein Freispruch<br />
dürfte jedenfalls kaum zugestanden werden.<br />
Noch ungünstiger sehen die Möglichkeiten, über das Institut der Verwirkung<br />
einen Freispruch herzuleiten, dann aus, wenn man die "Redewendung <strong>von</strong> der<br />
Verwirkung des staatlichen Strafanspruchs"187, wie hier für richtig gehalten, im<br />
Sinne der Verwirkung der Strafverfolgungsbefugnis versteht: Es entfiele nicht<br />
die Strafbarkeit, sondern die Verfolgbarkeit 188. Darf der bestehende "Strafanspruch"<br />
aber lediglich nicht verfolgt werden, kann die korrekte Rechtsfolge nur<br />
Verfahrenseinstellung lauten 189. <strong>Die</strong>ses Ergebnis ergibt sich auch dann, wenn<br />
man es anhand anderer Abgrenzungsversuche überprüft: Stellt man mit Hilde<br />
Kaufmann die "Testfrage", ob beim Nichtmitdenken des Strafprozesses die Bestrafung<br />
<strong>von</strong> dem in seiner Rechtsnatur fraglichen Umstand abhängen würde 190,<br />
so wäre dies bei der Verwirkung der Strafverfolgungsbefugnis wohl zweifelsfrei<br />
zu verneinen, so daß Freispruch ausscheiden würde. Nichts anderes gilt vom<br />
Ergebnis her, fragte man mit Gallas, ob die Verwirkung der Strafverfolgungsbefugnis<br />
den Schutz des Gr<strong>und</strong>satzes "nulla poena sine lege" verdiene 191, stellte<br />
man mit Schmidhäuser auf den unmittelbaren Zusammenhang mit dem Tatgeschehen<br />
ab 192 oder machte man mit Stratenwerth die Grenzziehung vom Maß<br />
der Rechtsordnungswidrigkeit abhängig 19<strong>3.</strong><br />
184 Volk, Prozeßvoraussetzungen, S. 230. Vgl. dazu H. Kaufmann, Strafanspruch -<br />
Strafklagrecht, S. 114 ff.; 122.<br />
185 Geppert, JK 1985, StPO § 136a/2.<br />
186 Siehe unten, 7. Kap. B I 1.<br />
187 Katzorke, Verwirkung, S. 14<strong>3.</strong><br />
188 Katzorke, Verwirkung, S. 149. Vgl. auch schon Hillenkamp, JR 1975, S. 139.<br />
189 Vgl. Gallas, Niederschriften 5, S. 104; Schmidhäuser, ZStW 71 (1959), S. 550;<br />
Stratenwerth, ZStW 71 (1959), S. 57<strong>3.</strong><br />
190 H. Kaufmann, Strafanspruch - Strafklagrecht, S. 134. Vgl. dazu Volk, Prozeßvoraussetzungen,<br />
S. 11 ff., mit "ungewöhnlich scharfer Kritik" (Herrmann, ZStW 95<br />
, S. 126); Zielinski, GS H. Kaufmann, S. 876 f.; Bloy, <strong>Die</strong> dogmatische Bedeutung<br />
der Strafausschließungs- <strong>und</strong> Strafaufhebungsgründe, S. 24 ff.<br />
191 Gallas, Niederschriften 5, S. 104.<br />
192 Schmidhäuser, ZStW 71 (1959), S. 553; 558.<br />
193 Stratenwerth, ZStW 71 (1959), S. 57<strong>3.</strong><br />
Fünftes Kapitel<br />
Einstellung wegen Verletzung <strong>von</strong> Verfahrensrecht<br />
A. Überlange Verfahrensdauer als Verfahrenshindernis<br />
Ob damit aber schon die Verwirkung der Strafverfolgungsbefugnis als ein<br />
Verfahrenshindernis aufzufassen sein könnte, ist zurückhaltend zu beurteilen.<br />
Nach der herkömmlichen, auch <strong>von</strong> der Rechtsprechung vertretenen Ansicht ist<br />
für eine Prozeßvoraussetzung (also ein Verfahrenshindernis) bestimmend, daß<br />
es sich um einen Umstand handelt, der nach dem ausdrücklich erklärten oder<br />
aus dem Zusammenhang ersichtlichen Willen des Gesetzes für das <strong>Strafverfahren</strong><br />
so schwer wiegt, daß <strong>von</strong> seinem Vorhandensein oder Nichtvorhandensein die<br />
Zulässigkeit des Verfahrens im ganzen (oder in ganzen Verfahrensabschnitten)<br />
abhängig gemacht werden muß, <strong>und</strong> zwar nicht nur im Interesse des Beschuldigten,<br />
sondern auch im öffentlichen Interesse. Der Umstand muß so beschaffen<br />
sein, daß er an eine bestimmte rechtserhebliche Tatsache angeknüpft werden<br />
kann <strong>und</strong> nicht <strong>von</strong> wertender Betrachtung abhängig ist I.<br />
<strong>Die</strong>se Beschreibung hat freilich nur eine geringe Aussagekraft2. Volk hat<br />
demgegenüber im Anschluß an Rimmelspacher 3 versucht, Prozeßvoraussetzungen<br />
als typisierte Voraussetzungen der Sicherung des Rechtsfriedens zu verstehen,<br />
so daß bei ihrem Fehlen <strong>von</strong> Rechts wegen kein Anlaß zur Bewährung der<br />
Strafrechtsordnung bestünde 4 . Nun hat Volk selbst schon den Einwand späterer<br />
Kritiker vorweggenommen5, daß auch sein Ansatz keine eindeutige Abgrenzung<br />
der Prozeßhindernisse <strong>von</strong> anderen Rechtsinstituten ermöglicht6.<br />
1 BGHSt 15, S. 287 (290); 24, S. 239 (240); 26, S. 84 (90 f.); 33, S. 183 (186); K.<br />
Schäfer in LR24, Einl. Kap. ll, Rn. 7; 9.<br />
2 Volk, Prozeßvoraussetzungen, S. 214 f.; Rieß in LR24, § 206a Rn. 25; JR 1985,<br />
S. 46 f.; Alberts, <strong>Die</strong> Feststellung doppelt relevanter Tatsachen in der strafprozessualen<br />
Revisionsinstanz, S. 122 ff.<br />
3 Rimmelspacher, Zur Prüfung <strong>von</strong> Amts wegen im Zivilprozeß, insbes. S. 134 ff.<br />
4 V~lk, Prozeßvoraussetzungen, S. 204 ff.; vgl. auch Sax in KMR, Einl. IX vor Rn. I;<br />
C. Roxm, <strong>Strafverfahren</strong>srecht 21 , § 21 A; Schlüchter, Das <strong>Strafverfahren</strong>2, Rn. 367; Herr<br />
?1 ann , ZStW 95 (1983), S. 129 f.; Alberts, <strong>Die</strong> Feststellung doppelt relevanter Tatsachen<br />
m der strafprozessualen Revisionsinstanz, S. 126 f.<br />
5 Volk, Prozeßvoraussetzungen, S. 205.<br />
6 Vgl. Zielinski, GS H. Kaufmann, S. 877 f.; M.-K. Meyer, Zur Rechtsnatur <strong>und</strong><br />
Funktion des Strafantrags, S. 36; RieB, JR 1985, S. 47.
156 5. Kap.: Einstellung wegen Verletzung <strong>von</strong> Verfahrensrecht A. Überlange Verfahrensdauer als Verfahrenshindemis 157<br />
Da nun sowohl Volk 7 als auch etwa Karl SchäferS, auf dessen Ausführungen<br />
Bruns9 zufolge die einschlägige Rechtsprechung des BGH zum Begriff der Prozeßvoraussezungen<br />
basiert, ausdrücklich die Annahme eines Verfahrenshindernisses<br />
bei <strong>überlange</strong>r Verfahrensdauer folgend aus dem Verwirkungsgedanken<br />
verworfen haben, mag die Frage zunächst zurückgestellt werden, ob die Einstellung,<br />
erkennt man die Verwirkbarkeit der Strafverfolgungsbefugnis in Randbereichen<br />
<strong>überlange</strong>r Verfahrensdauer an, mit einem Verfahrenshindernis zu begründen<br />
sei. Zuvor ist ein detaillierterer Blick auf die Diskussion vor allem in der<br />
Rechtsprechung zu werfen, der für weitergehende Klärung sorgen kann.<br />
I. Verfahrensdauer <strong>und</strong> Verjährung<br />
Nachdem die Erörterung der Möglichkeit einer Einstellung <strong>von</strong> <strong>Strafverfahren</strong><br />
gemäß §§ 170 11, 206a, 260 III, 354 I StPO wegen <strong>überlange</strong>r Verfahrensdauer<br />
1966 mit einem Revisionsverfahren vor dem 1. Strafsenat des BGH begonnen<br />
hatte 10, wurde 1970 erstmals ein Prozeßhindernis der <strong>überlange</strong>n Verfahrensdauer<br />
durch das LG Frankfurt dann auch tatsächlich bejaht 11. Das Gericht untersuchte,<br />
ob die für die Verfolgung benötigte Zeit in einem angemessenen Verhältnis zur<br />
Bedeutung des Verfahrensgegenstandes <strong>und</strong> dem Maß der Schuld des Beschuldigten<br />
gestanden habe, ob unter Berücksichtigung dieser Umstände seine Strafverfolgung<br />
noch geboten sei <strong>und</strong> ob in Anbetracht der verflossenen Zeit noch Aussicht<br />
auf zuverlässige <strong>und</strong> vollständige Wahrheitsermittlung bestehe. Hierbei berücksichtigte<br />
es vor allem, welche Strafe der Beschuldigte im Falle seiner Verurteilung<br />
zu erwarten hätte, <strong>und</strong> zwar sowohl nach dem abstrakten gesetzlichen Strafrahmen<br />
als auch nach den besonderen objektiven wie subjektiven Gegebenheiten des<br />
Einzelfalles. Zu beachten seien schließlich auch der Umfang der Sache <strong>und</strong> der<br />
Schwierigkeitsgrad der Ermittlungen 12.<br />
Damit hat das LG Frankfurt vor allem jene Aspekte hervorgehoben, die auch<br />
bei der Verfolgungsverjährung eine Rolle spielen 1<strong>3.</strong> <strong>Die</strong>s hat auch das LG Frankfurt<br />
erkannt, das vor dem Problem stand, daß gemäß § 78c III StGB i. d. F. des<br />
2. StrRG, das zwar schon verkündet, aber noch nicht in Kraft getreten war,<br />
Verfolgungsverjährung eingetreten wäre. Da das Verjährungsrecht auch im Hinblick<br />
auf die EMRK geändert wurde 14, war der Schluß des LG Frankfurt, eine<br />
7 Volk, Prozeßvoraussetzungen, S. 228 f.<br />
8 K. Schäfer in LR24, Einl. Kap. 12 Rn. 91.<br />
9 Bruns, NStZ 1985, S. 565.<br />
10 BGHSt 21, S. 81.<br />
11 LG Frankfurt, JZ 1971, S. 234.<br />
12 LG Frankfurt, JZ 1971, S. 234 (236).<br />
13 Hanack, JZ 1971, S. 712; zustimmend Heubel, Der "fair trial", S. 121.<br />
14 Vgl. OLG Kar1sruhe, NStZ 1972, S. 1907 (1909); LG Aachen, JZ 1971, S. 507<br />
(521); LG Krefeld, JZ 1971, S. 733 (734); Vogler, ZStW 89 (1977), S. 782.<br />
so lange <strong>Dauer</strong> könne generell nicht mehr als vereinbar mit Art. 6 I EMRK<br />
angesehen werden, ohne weiteres vertretbar. Wie richtig - jedenfalls intuitiv<br />
- das LG Frankfurt hier vorging, zeigt folgendes: Im Rahmen der geprüften<br />
sachbezogenen Umstände formulierte das Gericht nur "recht zurückhaltend" 15<br />
<strong>und</strong> "sehr vage" 16, wie erstaunt angemerkt wurde, daß der Umstand, ob das<br />
Ermittlungsverfahren "zielstrebig <strong>und</strong> energisch oder verzögerlich behandelt"<br />
worden sei, "ebenfalls nicht ohne Bedeutung bleiben" könne 17. Denn dieser<br />
Aspekt spielt für die Verjährung keine Rolle.<br />
Ähnliches gilt auch hinsichtlich des - völlig unbeachteten - Einstellungsbeschlusses<br />
des 5. Strafsenats des BGH <strong>von</strong> 1974. Hier hinterfragte der BGH nicht,<br />
ob oder inwieweit die Strafverfolgungsbehörden das Verfahren verzögert hatten,<br />
sondern betonte, daß schon weit über das Doppelte der Verjährungsfrist bis zum<br />
erstinstanzlichen Urteil verstrichen war - also nach dem noch nicht in Kraft<br />
getretenen neuen § 78c III StGB längst Verjährung eingetreten wäre IS.<br />
Der 2. Strafsenat des BGH <strong>und</strong> das OLG Koblenz kritisierten am Urteil des<br />
LG Frankfurt, mit der Heranziehung des künftigen Rechts zur Ausgestaltung<br />
<strong>und</strong> Konkretisierung <strong>von</strong> Art. 6 I EMRK würde gegen den erklärten Willen des<br />
Gesetzgebers noch nicht geltendes Recht angewendet 19. <strong>Die</strong>ser formellen Betrachtung<br />
ist jedoch entgegenzuhalten, daß zur Interpretation <strong>von</strong> Vorschriften<br />
wie zur Ausfüllung einer Gesetzeslücke es sogar geboten ist, eine ohnehin schon<br />
verabschiedete Gesetzesregelung heranzuziehen 20. Folglich dürfte die Verfahrenseinstellung<br />
sowohl durch das LG Frankfurt 21 als auch durch den 5. Senat<br />
des BGH in den konkreten Fällen richtig gewesen sein, <strong>und</strong> zwar unabhängig<br />
<strong>von</strong> der Frage, ob diese Rechtsfolge aus Art. 6 I EMRK folgen kann. Umgekehrt<br />
sind damit insoweit auch der Contergan-Beschluß des LG Aachen, ein Urteil<br />
des OLG Karlsruhe sowie die Entscheidung des LG Krefeld kurze Zeit später<br />
konsequent, die trotz vieljähriger Verfahrensdauer unter Hinweis auf den zukünftigen<br />
§ 78c III StGB ein Verfahrenshindernis verneinten, weil noch nicht die<br />
doppelte Verjährungsfrist erreicht war (vgl. § 78c 111 StGB)22 bzw. weil ein<br />
erstinstanzliches Urteil den Ablauf der Verjährungsfrist verhinderte (vgl. § 78b<br />
III StGB)2<strong>3.</strong> Auch die genannte Entscheidung des 2. Senats 24 erscheint vertretbar,<br />
15 Hanack, JZ 1971, S. 712.<br />
16 Volk, Prozeßvoraussetzungen, S. 229 Fn. 228.<br />
17 LG Frankfurt, JZ 1971, S. 234 (236).<br />
IS BGH, Beschl. v. 2.7.1974 - 5 StR 48/74 (Anhang 3).<br />
19 BGHSt 24, S. 239 (243); OLG Koblenz, NJW 1972, S. 404 (405).<br />
20 So auch Hanack, JZ 1971, S.712 Fn. 81; Kramer, Menschenrechtskonvention,<br />
S.191f.<br />
21 So auch ausdrücklich Kramer, Menschenrechtskonvention, S. 191 f.; wohl auch<br />
Hanack, JZ 1971, S. 712.<br />
22 OLG Karlsruhe, NJW 1972, S. 1907 (1909); LG Aachen, JZ 1971, S. 507 (521).<br />
23 LG Krefeld, JZ 1971, S. 733 (734).<br />
24 BGHSt 24, S. 239.
158 5. Kap.: Einstellung wegen Verletzung <strong>von</strong> Verfahrensrecht A. Überlange Verfahrensdauer als Verfahrenshindernis 159<br />
weil, wie der Dreierausschuß im Verfassungsbeschwerdeverfahren betonte, die<br />
doppelte Verjährungsfrist nur geringfügig überschritten war 25 .<br />
Allerdings enthält das Verjährungsrecht in diesem Bereich eine Lücke 26 , die<br />
äußerst bedenklich im Hinblick auf Art. 6 I EMRK ist 27 : Gemäß § 78b III StGB<br />
kann Verfolgungsverjährung nicht mehr nach Erlaß des erstinstanzlichen Urteils<br />
eintreten. <strong>Die</strong> Vollstreckungsverjährung nach § 79 StGB beginnt jedoch erst mit<br />
Rechtskraft des Urteils (§ 79 VI StGB).<br />
Hanack hat nun vorgeschlagen, diese Lücke im Wege des Erst-recht-Schlusses<br />
zu schließen 28: Ihm zufolge müsse es, wenn selbst bei rechtskräftiger Verurteilung<br />
die Strafvollstreckung ausgeschlossen sei, auch verboten sein, den Beschuldigten,<br />
dessen Verfahren nach der ersten Verurteilung die Vollstreckungsverjährungsfrist<br />
erreicht, noch mit der Vollstreckung zu bedrohen. Angesichts der Unschuldsvermutung<br />
könne der Verzicht auf die Vollstreckung nur in der Einstellung des<br />
Verfahrens bestehen. Als Ersatz für die verhängte Strafe gemäß § 79 StGB schlägt<br />
Hanack bei Geltung des Verbots der reformatio in peius den Strafausspruch des<br />
erstinstanzlichen Urteils vor, ansonsten den Rechtsmittelantrag der Staatsanwaltschaft.<br />
Letzteres wäre allerdings in der Praxis kaum realisierbar: <strong>Die</strong> Staatsanwaltschaft<br />
wird bei Rechtsmitteln zu Lasten des Beschuldigten regelmäßig in Berufungen<br />
beantragen, diesen (zu einer angemessenen Strafe) zu verurteilen 29 bzw. in<br />
Revisionen beantragen, die Sache zurückzuverweisen 30.<br />
Ob man eine solche Lückenschließung für prinzipiell zulässig erachtet, hängt<br />
letztlich da<strong>von</strong> ab, wie man bei Kollision <strong>von</strong> nationalem Strafrecht <strong>und</strong> EMRK<br />
deren Rangverhältnis versteht: Da der Gesetzgeber das Problem gesehen hat 3 !,<br />
würde dessen Absicht unterlaufen werden 32. Im Gegenteil ist in neueren Gesetzgebungsverfahren<br />
sogar diskutiert worden, § 78b III StGB schon an den Erlaß des<br />
Eröffnungsbeschlusses <strong>und</strong> nicht erst an das erstinstanzliche Urteil anzuknüpfen<br />
3<strong>3.</strong> So dürfte wohl selbst dann, wenn man der weitgehenden Entscheidung<br />
des BVerfG im 74. Band der amtlichen Sammlung folgt 3 4, da<strong>von</strong> ausgegangen<br />
werden können, daß die §§ 78 ff. StGB abschließend auch in Ansehung <strong>von</strong><br />
Art. 6 I EMRK sind. Aus der Menschenrechtskonvention könnte sich jedoch<br />
zumindest eine Verpflichtung des Gesetzgebers ergeben, § 78b III StGB abzuschaffen<br />
oder jedenfalls abzuändern 35.<br />
Möglicherweise wäre die <strong>von</strong> Hanack diskutierte Lücke jedoch - was hier<br />
nicht abschließend erörtert zu werden braucht - durch eine vorsichtige Analogie<br />
zu Normen des nationalen Rechts wenigstens teilweise zu schließen: Gemäß<br />
§§ 36,46 BZRG werden Verurteilungen zu Strafe (mit Ausnahme der lebenslangen<br />
Freiheitsstrafe) auf Gr<strong>und</strong>lage eines zeitlich gestaffelten Katalogs aus dem<br />
Zentralregister getilgt, der auf den "Tag des ersten Urteils" abhebt 36 . Es erscheint<br />
nun widersprüchlich, wenn einerseits eine Tat bei Erledigung u. U. schon nach<br />
fünf Jahren einem Verwertungsverbot (§ 51 I BZRG) unterliegt, andererseits<br />
aber das <strong>Strafverfahren</strong> zeitlich unbegrenzt weiter fortlaufen dürfen so1l37.<br />
Weitere, mehr theoretische Bedenken dürften auch im Bereich <strong>von</strong> § 78 11<br />
<strong>und</strong> IV StGB bestehen: <strong>Die</strong> "Balance ,lebenslange Strafe -lebenslange Verfolgung'''38<br />
ist vor allem für die Beihilfe zum (Völker-)Mord - Strafrahmen: 3<br />
bis 15 Jahre Freiheitsstrafe - vom Gesetzgeber im 16. StrÄndG nicht eingehalten<br />
worden 39; sie wird auch <strong>von</strong> der vom BGH zugelassenen Strafrahmensenkung<br />
gemäß § 49 I Nr. 1 StGB40 <strong>und</strong> der gemilderten Höchststrafe im Jugendstrafrecht<br />
(§ § 18 I Satz 2, 105 III JGG) 41 berührt. Selbst die nunmehr gesetzlich zugelassene<br />
Aussetzung des Strafrests zur Bewährung bei lebenslanger Freiheitsstrafe (§§ 57a,<br />
57b StGB) - man vergleiche die oben erwähnte Rechtsprechung zurProportionalität<br />
<strong>von</strong> Untersuchungshaft <strong>und</strong> vollstreckter Freiheitsstrafe 42 - verstärkt die<br />
Bedenken. Es dürfte also - jedenfalls theoretisch - so lang andauernde, wenngleich<br />
unverzögerte Mordprozesse geben können, daß Art. 6 I EMRK verletzt<br />
sein würde.<br />
25 BVerfG (Vorprüfungsausschuß), Besch!. v. 21.6.1972 - 2 BvR 146/72 (Anhang<br />
1). Gleiches gilt auch für BGH, Urt. v. 31.<strong>3.</strong>1976 - 3 StR 502/75 (Anhang 6).<br />
26 Dreher / Tröndle, StGB44, § 78 Rn. 11; Hanack, JZ 1971, S. 714; ähnlich Kohlmann,<br />
FS Pfeiffer, S. 219 ff.<br />
27 Hanack, JZ 1971, S. 71<strong>3.</strong><br />
28 Hanack, JZ 1971, S. 714.<br />
29 Vg!. etwa Kunigk, <strong>Die</strong> staatsanwaltschaftliehe Tätigkeit', S. 271 f.; D. Rahn, Mustertexte<br />
zum Strafprozeß4, S. 198.<br />
30 Vg!. etwa Kunigk, <strong>Die</strong> staatsanwaltschaftliehe Tätigkeit" S. 277; 280; D. Rahn,<br />
Mustertexte zum Strafprozeß4, S. 220; 214; Amelunxen, <strong>Die</strong> Revision der Staatsanwaltschaft,<br />
S. 42 f.<br />
31 Siehe Begr. E 1962, BT-DrS IV /650, S. 359; 2. Schrift!. Bericht des Sonderausschusses<br />
für die Strafrechtsreform, BT-DrS V/4095, S. 44.<br />
32 Jähnke in LKlO, vor § 78 Rn. 18; K. Schäfer in LR24, Ein!. Kap. 12 Rn. 92.<br />
33 Vg!. Begr. BRatE StrÄndG, BT-DrS 10/272, S. 6.<br />
34 BVerfGE 74, S. 358 (370); siehe dazu oben, <strong>3.</strong> Kap. B V.<br />
35 Vg!. Kohlmann, FS Pfeiffer, S. 22<strong>3.</strong><br />
36 Interessanterweise wurde auf Vorschlag <strong>von</strong> Lorenz (<strong>Die</strong> Verjährung in der deutschen<br />
Strafgesetzgebung, S. 66 ff.) in den Gesetzgebungsarbeiten zum E 1962 (vg!. Begr.<br />
RegE 1962, BT-DrS 7/551, S. 257) diskutiert - <strong>und</strong> abgelehnt -, die Tilgung der<br />
(registerrechtlichen) Strafwirkungen in einer dritten Verjährungsart, der Straffolgenverjährung,<br />
zu regeln.<br />
37 Vg!. J. Blau, DuR 1989, S. 252 f.<br />
38 LG Hamburg, NStZ 1981, S. 141 (142).<br />
39 LG Hamburg, NStZ 1981, S. 141; Triffterer, NJW 1980, S. 2049 ff.; vg!. auch<br />
Schünemann, NStZ 1981, S. 143 f.; OLG Frankfurt, NJW 1988, S. 2900.<br />
40 Ständige Rechtsprechung seit BGHSt 30, S. 105; siehe auch unten, 7. Kap.<br />
eIl 2 b.<br />
41 Vg!. J. Blau, DuR 1989, S. 252 f.<br />
42 Siehe oben, <strong>3.</strong> Kap. B III 2.
160 5. Kap.: Einstellung wegen Verletzung <strong>von</strong> Verfahrensrecht A. Überlange Verfahrensdauer als Verfahrenshindernis 161<br />
11. Verfahrensbelastungen <strong>und</strong> Verhandlungsunfähigkeit<br />
Weiterhin hielt es das LG Frankfurt in der genannten Entscheidung für möglich,<br />
ein <strong>Strafverfahren</strong> einzustellen, wenn die "personengeb<strong>und</strong>ene Prüfung" ergäbe,<br />
daß "der konkrete Angeklagte durch die lange <strong>Dauer</strong> eines Verfahrens so sehr<br />
betroffen <strong>und</strong> beeinträchtigt worden ist, daß dessen Fortsetzung ihm nicht mehr<br />
zugemutet werden kann. Dabei sind insbesondere ges<strong>und</strong>heitliche <strong>und</strong> wirtschaftliche<br />
Folgen eines langen Verfahrens zu berücksichtigen, aber auch das Maß der<br />
seelischen Bedrückung, der Angst <strong>und</strong> der Unruhe, mit denen ein Angeklagter<br />
seinem Verfahren entgegengesehen hat."43 Hier ändert das Gericht seinen Blickwinkel<br />
<strong>von</strong> der Proportionalität hin zur Zumutbarkeit. <strong>Die</strong>se Auffassung des LG<br />
Frankfurt ist schon bald auf heftigen Widerspruch gestoßen. Vor allem Hanack 44<br />
hat die Heranziehung dieser personenbezogenen Umstände "schlagend kritisiert"45.<br />
Es handele sich hierbei um höchst individuelle Faktoren, die sich kaum<br />
<strong>von</strong> unschädlichen Belastungen objektiv abgrenzen ließen. Eine Differenzierung<br />
entsprechend den ges<strong>und</strong>heitlichen <strong>und</strong> wirtschaftlichen Folgen hätte zur Folge,<br />
daß beim sehr geschädigten oder sehr empfindlichen Beschuldigten ein Verstoß<br />
gegen das Beschleunigungsprinzip konsequenterweise u. U. schon bei bloß "normaler"<br />
Länge mit der Folge der Verfahrenseinstellung zu bejahen wäre. Nichtsdestotrotz<br />
hat das BVerfG 1983 in einem Nichtannahmebeschluß ausgeführt, bei<br />
der Rechtsfolgenentscheidung sei das "Ausmaß der mit dem Andauern des schwebenden<br />
Verfahrens verb<strong>und</strong>enen Belastung des Beschuldigten in den Blick zu<br />
nehmen". Bei "besonderen Belastungen" könne ein Verfahrenshindemis anzuerkennen<br />
sein 46. Der BGH ist dagegen der Möglichkeit, psychische <strong>und</strong> körperliche<br />
Belastungen könnten ein Verfahrenshindernis darstellen, ausdrücklich entgegengetreten<br />
47.<br />
Dem BGH dürfte deshalb zuzustimmen sein, weil Verfahrensbelastungen, die<br />
individuell wirken, in einem anderen, zur Einstellung führenden Rechtsinstitut<br />
geregelt sind: dem Prozeßhindernis der Verhandlungsunfähigkeit 48 , das auch<br />
bedingt durch die <strong>Dauer</strong> eines <strong>Strafverfahren</strong>s eintreten kann 49 . Verhandlungsfähigkeit<br />
bedeutet, daß der Beschuldigte in der Lage sein muß, physisch <strong>und</strong><br />
psychisch den Verfahrenshandlungen zu folgen, die Bedeutung aller Umstände<br />
für den ihm gemachten Vorwurf zu erkennen, sich selbst im Verfahren zu äußern,<br />
seine Verfahrensbefugnisse auszuüben <strong>und</strong> seine Verfahrenspflichten zu erfüllen.<br />
43 LG Frankfurt, JZ 1971, S. 234 (236). Vgl. auch LG Aachen, JZ 1971, S. 507 (521).<br />
44 Hanack, JZ 1971, S. 711 ff.; ähnlich BGHSt 24, S.239 (241 f.); LG Krefeld, JZ<br />
1971, S.733 (735); 1. Roxin, Rechtsfolgen, S. 167; Heubel, Der "fair trial", S. 120;<br />
zustimmend aber Kramer, Menschenrechtskonvention, S. 178 ff.<br />
45 So Volk, ProzeBvoraussetzungen, S. 229 Fn. 228.<br />
46 BVerfG (VorprüfungsausschuB), NJW 1984, S. 967.<br />
47 BGHSt 24, S. 239 (241); vgl. auch BGHSt 27, S. 274 (276).<br />
48 So zutreffend 1. Roxin, Rechtsfolgen, S. 167.<br />
49 Vgl. Grünwald, JZ 1976, S. 767; Grauhan, GA 1976, S. 227.<br />
Er muß fähig sein, seine Interessen vernünftig zu vertreten, seine Rechte zu<br />
wahren <strong>und</strong> seine Verteidigung in verständlicher Weise zu führen 50. Verhandlungsunfähigkeit<br />
ist prinzipiell- trotz des Begriffs "Verhandlung"51- in jedem<br />
Verfahrensstadium denkbar52.<br />
Demzufolge hätte etwa das LG Mönchengladbach, das nach Mitteilung des<br />
Revisionsgerichts 53 eine Verletzung des Anspruchs auf ein faires Verfahren annahm,<br />
weil der "durch die Verfahrensdauer bedingte Leidensdruck ... bei dem<br />
Angeklagten zu einer zu großen psychischen Belastung geführt" habe, dies nicht<br />
(erst) auf der Rechtsfolgenseite zu berücksichtigen brauchen, sondern es hätte<br />
die Verfahrenseinstellung wegen Verhandlungsunfähigkeit prüfen können. Gleiches<br />
gilt auch für die Auffassung Kramers, (nur) "psychische ges<strong>und</strong>heitliche<br />
Schädigungen <strong>und</strong> psychische Belastungen <strong>von</strong> Krankheitswert" könnten bei der<br />
Würdigung der Verfahrensdauer relevant werden 54.<br />
Sollte in praxi dieser extreme Fall der Wahrscheinlichkeit schwerwiegender<br />
ges<strong>und</strong>heitlicher Schädigung bei weiterer Verfahrensdauer eintreten, wäre an<br />
sich Folge die vorläufige Einstellung des <strong>Strafverfahren</strong>s gemäß § 205 StPO, so<br />
daß nach Erholung des Beschuldigten weiterverhandelt, bei ausgesetzter Hauptverhandlung<br />
sogar <strong>von</strong> vom begonnen werden müßte. <strong>Die</strong>s ist jedoch nur dann<br />
zulässig, wenn nunmehr mit einer kürzeren oder jedenfalls weniger belastenden<br />
(Haupt-)Verhandlung gerechnet werden kann: <strong>Die</strong> Frage der Verhandlungsfähigkeit<br />
kann nicht isoliert auf den Verhandlungsbeginn bezogen werden, in dem<br />
eine sachgerechte Interessenwahrnehmung noch möglich sein mag. Vielmehr ist<br />
Bezug auf die mutmaßliche <strong>Dauer</strong> der Verhandlung zu nehmen, um eine sachgerechte<br />
Beantwortung der Frage der Verhandlungsfähigkeit insgesamt zu gewährleisten.<br />
Besteht eine hohe Wahrscheinlichkeit dafür, daß schwere ges<strong>und</strong>heitliche<br />
Komplikationen aufgr<strong>und</strong> der verhandlungsbedingten Belastungen sich einstellen<br />
werden, so muß die Verhandlungsfähigkeit verneint werden55.<br />
Ob in diesem Zusammenhang Fälle denkbar sind, in denen das Gericht gemäß<br />
§§ 231a I, 230 II StPO die Hauptverhandlung ohne den verhandlungsunfähigen<br />
Beschuldigten (weiter) durchführen kann56, erscheint fraglich. Rein theoretisch<br />
50 Siehe statt vieler RieB in LR24, § 205 Rn. 14 m. w. N.<br />
51 Vgl. Baxhenrich, <strong>Die</strong> Verhandlungsfähigkeit des Angeklagten, S. 106.<br />
52 Vgl. RieB in LR24, § 205 Rn. 15 ff.; He. Müller in KMR, § 170 Rn. 10; Gössel,<br />
~trafverfahrensrecht, § 16 BIll b; Häfele, <strong>Die</strong> Verhandlungsfähigkeit des Beschuldigten<br />
1m Strafprozeß, S. 117 ff.; Warda, FS Bruns, S. 433 f.<br />
53 BGHSt 27, S. 274.<br />
54 Kramer, Menschenrechtskonvention, S. 182. Nicht zustimmungswürdig seine weiteren<br />
Ausführungen, es sei "selbstverständlich" Sache des Beschuldigten, "die entsprechenden<br />
U~tersu~hun~en aus eigenem Antrieb vornehmen zu lassen <strong>und</strong> die entsprechend~n<br />
Zeugmsse belzubnngen, so daß <strong>von</strong> daher keine weitere Verzögerung des Verfahrens<br />
emtreten kann". Vgl. E. Peters, Der sogenannte Freibeweis im ZivilprozeB, S. 39.<br />
55 OLG Karlsruhe, NJW 1978, S. 601 (602); zustimmend RieB in LR24, § 205 Rn. 16;<br />
vgl. auch BVerfGE 51, S. 324 (346 ff.).<br />
56 Vgl. dazu ausführlich Rieß, JZ 1975, S. 268 ff.<br />
11 Scheffler
162 5. Kap.: Einstellung wegen Verletzung <strong>von</strong> Verfahrensrecht A. Überlange Verfahrensdauer als Verfahrenshindernis 163<br />
ließe sich konstruieren, daß der Beschuldigte das Verfahren ausschließlich deshalb<br />
in die Länge zieht, um durch die Belastungen verhandlungsunfähig zu<br />
werden. So hervorgerufene Verhandlungsunfähigkeit ist jedoch praktisch kaum<br />
vorstellbar, eine solche Intention überdies kaum beweisbar 57.<br />
Jedenfalls ist die Möglichkeit, daß Verfahrensbelastungen zur Verhandlungsunfähigkeit<br />
<strong>und</strong> damit zur Einstellung führen können, aufExtremfälle beschränkt,<br />
Fälle, in denen eine psychische oder physische Prädisposition hinzukommen<br />
dürfte. Durch die Verfahrensdauer hervorgerufene Verfahrensbelastungen an sich<br />
bleiben also unberührt.<br />
III. Verfahrensverzögerungen<br />
<strong>und</strong> Verfahrenshindernis praeter legern<br />
Nicht auf Verfahrensdauer oder Verfahrensbelastungen, sondern auf Verfahrensverzögerungen<br />
stellte kurze Zeit nach dem Urteil des LG Frankfurt das LG<br />
Krefeld ab: Art. 6 I EMRK würde verletzt sein mit der möglichen Folge der<br />
Verfahrenseinstellung, wenn die tatsächliche Verfahrensdauer, gemessen an der<br />
notwendigen <strong>Dauer</strong>, unangemessen lang wäre 58. Mit dieser Entscheidung verschob<br />
sich jedenfalls prinzipiell der Blick weg <strong>von</strong> Proportionalität <strong>und</strong> Zumutbarkeit<br />
hin zum Gesichtspunkt der Erforderlichkeit, also zu der Frage, ob Verfahrensverzögerungen<br />
der staatlichen Organe verfahrensbeendende Wirkung haben<br />
könnten. Das LG Krefeld lehnte im konkreten Fall die Einstellung ab, weil die<br />
Verzögerungen noch nicht unangemessen gewesen seien, was, wie Kramer formulierte,<br />
"im Rahmen der Gesamtwürdigung noch gebilligt werden" könne 59.<br />
Dagegen lagen dem OLG Koblenz <strong>und</strong> dem OLG Karlsruhe kurze Zeit später<br />
Sachverhalte mit <strong>von</strong> den Gerichten als so ausgeprägt angesehenen Verzögerungen<br />
vor, daß an sich die Einstellung bei Zugr<strong>und</strong>elegung der Kriterien des LG<br />
Krefeld nahegelegen hätte 60. Beiden Gerichten war dieses Ergebnis offenbar<br />
unerwünscht, so daß sie restriktiv nunmehr "unerträgliche" Verzögerungen forderten<br />
- so das OLG Koblenz - bzw. die Verfahrensförderung durch den<br />
Beschuldigten verlangten - so das OLG Karlsruhe.<br />
Soweit ersichtlich, ist also ein <strong>Strafverfahren</strong> vor Bekanntwerden der Gr<strong>und</strong>satzentscheidung<br />
des 2. Senats des BGR <strong>von</strong> 1971 61 , in der dieser sich gr<strong>und</strong>sätzlich<br />
gegen die Möglichkeit der Einstellung aussprach, in keinem Fall <strong>von</strong> einem<br />
57 Siehe dazu unten, 7. Kap. C III 1 a.<br />
58 LG Krefeld, JZ 1971, S. 733 (735).<br />
59 Kramer, Menschenrechtskonvention, S. 199.<br />
60 OLG Koblenz, NJW 1972, S.404; OLG Karlsruhe, NJW 1972, S. 1907. Siehe<br />
auch oben, 1. Kap. All.<br />
61 BGHSt 24, S. 239.<br />
Gericht wegen eines Verfahrenshindernisses aufgr<strong>und</strong> <strong>von</strong> Verzögerungen eingestellt<br />
worden: Beim LG Frankfurt ging es nicht um Verzögerungen, die anderen<br />
Gerichte lehnten die Einstellung jedenfalls für den konkreten Fall ab.<br />
1. Menschenrechtskonvention <strong>und</strong> Einstellung<br />
<strong>Die</strong> Zurückhaltung der Gerichte erscheint verständlich. Formell betrachtet ist<br />
zunächst einmal festzustellen, daß aus der EMRK als Rechtsfolge die Verfahrenseinstellung<br />
nicht hergeleitet werden kann. Das folgt zunächst daraus, daß Art. 6<br />
EMRK im Gegensatz zu Art. 5 EMRK selbst keine Rechtsfolgen vorschreibt.<br />
Da die Rechtsfolge Verfahrenshindernis gegenüber dem Schadensersatzanspruch<br />
gemäß Art. 5 V EMRK eine ungleich schwerere Sanktion wäre, kann auch nicht<br />
da<strong>von</strong> ausgegangen werden, daß die EMRK ein Verfahrenshindernis konkludent<br />
enthält 62. Statt dessen ergibt sich aus Art. 50 EMRK als Rechtsfolge "gerechte<br />
Entschädigung", falls die innerstaatlichen Gesetze "nur eine unvollkommene<br />
Wiedergutmachung" gestatten.<br />
Nicht zugestimmt werden kann der Ansicht, die EMRK habe sich mit Art. 13<br />
für ein Beschwerderecht als Rechtsfolge entschieden 63 mit der Folge, daß hierdurch<br />
jedenfalls der Revisionsinstanz geboten werde, wirksame Abhilfe, nämlich<br />
Einstellung, zu leisten 64. Auch dies ergibt sich aus Art. 50 EMRK, der gerade<br />
da<strong>von</strong> ausgeht, daß die nationalen Instanzen Verletzungen nicht immer vollständig<br />
ausgleichen können 65 •<br />
Der EGMR hat sich hierzu noch nicht geäußert 66 , die EKMR hat - jedenfalls<br />
ohne ganz außergewöhnliche Umstände - eine Verfahrenseinstellung als <strong>von</strong><br />
der EMRK gebotene Folge ausgeschlossen 67 • Allerdings haben die europäischen<br />
Organe umgekehrt die Eignung der Einstellung zur Wiedergutmachung i. S. v.<br />
Art. 50 EMRK anerkannt 68. Darauf, daß auch der österreichische OGR die Ableitung<br />
eines prozessualen Verfolgungshindernisses bei <strong>überlange</strong>r Verfahrensdauer<br />
aus Art. 6 I EMRK abgelehnt hat 69 , ist insbesondere wegen der Ähnlichkeit des<br />
österreichischen <strong>Strafverfahren</strong>srechts hinzuweisen 70.<br />
62 BGHSt 21, S.81 (84); 24, S.239 (240); Hanack, JZ 1971, S.708; Schroeder,<br />
Strafprozeßrecht 2 , S. 3; Kramer, Menschenrechtskonvention, S. 184; K. Kühl, ZStW 100<br />
(1988), S. 642; Vogler, ZStW 89 (1977), S. 783; Hillenkamp, JR 1975, S. 137 Fn. 59.<br />
63 So aber OLG Karlsruhe, NJW 1972, S. 1907 (1908); Schwenk, ZStW 79 (1967),<br />
S. 731 ff.<br />
64 Schwenk, ZStW 79 (1967), S. 731 ff.<br />
65 So auch Hanack, JZ 1971, S. 708 f.; 1. Roxin, Rechtsfolgen, S. 157 f.<br />
66 Unzutreffend das LG Düsseldorf, NStZ 1988, S. 427 (428), siehe unten B I 1.<br />
67 EKMR, DR 25 (1982), S. 142 (144).<br />
68 EGMR, EuGRZ 1983, S. 371 (378 f.; 382) (Fall Eckle); EKMR, DR 33 (1983),<br />
S. 5; ebenso Vogler, ZStW 89 (1977), S. 784.<br />
69 OGH, ÖJZ 1984, S. 544.<br />
11*
164 5. Kap.: Einstellung wegen Verletzung <strong>von</strong> Verfahrensrecht B. Schwerwiegende Rechtsstaatswidrigkeit als Verfolgungsverbot 165<br />
2. Strafprozeßordnung <strong>und</strong> Einstellung<br />
Auch bei materieller Betrachtung ist nochmals daran zu erinnern71, daß bei<br />
der Frage, ob der Gr<strong>und</strong>satz der Erforderlichkeit durch Verzögerungen verletzt<br />
ist, nicht auf jede Verfahrensverzögerung abgestellt werden kann 72. Hierdurch<br />
kommt nun aber die Notwendigkeit richterlicher Wertung bei der Beurteilung<br />
<strong>von</strong> Verzögerungen ins Spiel 73 .<br />
Daraus hat der 2. Senat des BGH in seiner Gr<strong>und</strong>satzentscheidung 74, wie oben<br />
schon erwähnt75, gefolgert, daß das Mittel des Verfahrenshindernisses seiner<br />
Natur nach gänzlich ungeeignet sei, auf <strong>überlange</strong> Verfahrensdauer zu reagieren.<br />
Es könne immer nur dort eingreifen, wo in sinnvoller Weise an eine bestimmte,<br />
für das Verfahren im ganzen uneingeschränkt rechtserhebliche Tatsache angeknüpft<br />
werden könne, wie es etwa beim Ablauf einer Frist der Fall sei. Eine<br />
Vernachlässigung des Beschleunigungsgebots sei jedoch für sich keine Tatsache,<br />
welche in diesem Sinne der Eigenart des Prozeßhindernisses gemäß sein könnte.<br />
Es käme nicht auf die Verfahrensverzögerung schlechthin, sondern nur auf die<br />
Unangemessenheit der Verzögerung an, also auf ein Werturteil. Der 2. Senat<br />
knüpft hier also an die gängige Beschreibung des Verfahrenshindernisses durch<br />
die Rechtsprechung <strong>und</strong> die herrschende Meinung in der Literatur an.<br />
Nun mag die Notwendigkeit des Werturteils, mit den Kritikern des BGH<br />
gesprochen, kein durchschlagender Gegeneinwand sein, weil dies den BGH<br />
zunächst auch nicht gehindert hatte, in der Lockspitzelproblematik ein Verfahrenshindernis<br />
für möglich zu erachten 76, <strong>und</strong> ein Werturteil auch etwa bei den<br />
Prozeßhindernissen der Verhandlungsunfähigkeit 77 oder entgegenstehenden<br />
Rechtskraft 78 <strong>von</strong>nöten sein kann. Hinter der Argumentation des 2. Senats, die<br />
der I. Senat übrigens in seiner gr<strong>und</strong>legenden Lockspitzelentscheidung zur Ablehnung<br />
eines Verfahrenshindernisses wiederholte 79, steckt aber gleichwohl für<br />
Volk eine zutreffende Einsicht 80 : Zwar sollten Prozeßvoraussetzungen klare, einfache<br />
Konturen aufweisen 81 . Daß diese im Einzelfall umfangreiche Wertungen<br />
voraussetzen können, sei unschädlich, solange ein bestimmter Gesichtspunkt zu<br />
ermitteln ist <strong>und</strong> dieser nicht mit anderen abgewogen werden muß82. Ist aber für<br />
den BGH in vielen Entscheidungen im Anschluß an den 2. Senat "die Abwägung<br />
zahlreicher person- oder sachbezogener Umstände wie Schwere der Tat, Schwierigkeit<br />
der Ermittlung, Empfindlichkeit des Betroffenen" mit den Verzögerungen<br />
erforderlich 83, so heißt das, daß Verzögerungen allenfalls im Rahmen einer Gesamtwürdigung<br />
Bedeutung gewinnen können. <strong>Die</strong> Annahme eines Verfahrenshindernisses<br />
scheidet also auch für Volk insoweit aus, weil man "Beweislagen<br />
würdigen <strong>und</strong> die Motive <strong>von</strong> Prozeßbeteiligten erforschen muß"84.<br />
B. Schwerwiegende Rechtsstaatswidrigkeit als Verfolgungsverbot<br />
I. Der Meinungswandel zum Verfolgungsverbot<br />
Folgt man diesem Gedanken, käme eine Verfahrenseinstellung überhaupt nur<br />
dann in Betracht, wenn die Verzögerungen ein solches Gewicht hätten, daß keine<br />
Abwägung mehr erforderlich wäre, weil schon im Hinblick auf diesen einzelnen<br />
Gesichtspunkt nur ein Ergebnis noch "ermessensfehlerfrei" in Frage kommt 85.<br />
<strong>Die</strong>s dürfte am ehesten auf Gr<strong>und</strong>lage derjenigen BGH-Entscheidungen anzunehmen<br />
sein, die nicht auf eine Gesamtwürdigung, sondern auf einen Vergleich <strong>von</strong><br />
notwendiger <strong>und</strong> tatsächlicher Verfahrensdauer abheben 86.<br />
<strong>Die</strong>ser Aspekt, der schon in den Entscheidungen der OLGe Koblenz <strong>und</strong><br />
Karlsruhe angeklungen ist 87 , wurde, wenn auch ohne theoretisches F<strong>und</strong>ament,<br />
in den siebziger Jahren schon <strong>von</strong> Bruns <strong>und</strong> Kramer angedeutet88. Auch die<br />
EKMR hatte Anfang der achtziger Jahre für den Fall "ganz außergewöhnlicher<br />
Umstände" die Möglichkeit eines Verfahrenshindernisses offen gelassen 89 .<br />
70 Vg!. C. Roxin, <strong>Strafverfahren</strong>srecht l9 , § 75 C.<br />
71 Siehe oben, <strong>3.</strong> Kap. B II.<br />
72 Vg!. BayObLG, StV 1989, S.394; OLG Saarbrücken, NJW 1975, S. 941 (942);<br />
LG Köln, NStZ 1989, S. 442 (443); Hanack, JZ 1971, S. 711; I. Roxin, Rechtsfolgen,<br />
S.247.<br />
73 Siehe dazu I. Roxin, Rechtsfolgen, S. 166.<br />
74 BGHSt 24, S. 239 (240).<br />
75 1. Kap. B III.<br />
76 Uisenheimer, wistra 1983, S. 13; RieB, JR 1985, S.46; Schünemann, StV 1985,<br />
S.427.<br />
77 RieB, JR 1985, S. 47.<br />
78 Volk, StV 1986, S. 36; H. Schumann, JZ 1986, S. 72.<br />
79 BGHSt 32, S. 345 (351 f.).<br />
80 Volk, ProzeBvoraussetzungen, S. 215.<br />
81 Volk, ProzeBvoraussetzungen, S. 215.<br />
82 Volk, StV 1986, S. 36. Vg!. auch I. Roxin, Rechtsfolgen, S. 258 f.; K. Schäfer in<br />
LR24, Ein!. Kap. 11 Rn. 9.<br />
83 BGHSt 24, S. 239 (240).<br />
84 Volk, StV 1986, S. 36.<br />
85 Vg!. Bmns, StV 1984, S. 391; Paulus in KMR, § 206a Rn. 36.<br />
86 Siehe oben, <strong>3.</strong> Kap. A II.<br />
87 OLG Koblenz, NJW 1972, S. 404; OLG Karlsmhe, NJW 1972, S. 1907; siehe dazu<br />
oben, I. Kap. A I I.<br />
88 Bmns, FS Maurach, S. 472; Kramer, Menschenrechtskonvention, S. 198; siehe dazu<br />
oben, 1. Kap. A II 2.<br />
89 EKMR, DR 25 (1982), S. 142 (144).
166 5. Kap.: Einstenung wegen Verletzung <strong>von</strong> Verfahrensrecht B. Schwerwiegende Rechtsstaatswidrigkeit als Verfolgungsverbot 167<br />
1. "Ein" Vorprüfungsausschuß des B<strong>und</strong>esverfassungsgerichts<br />
1983 führte dann auch ein Vorprüfungsausschuß des BVerfG aus, in Fällen,<br />
in denen das Ausmaß der Verfahrensverzögerungen besonders schwer wiege,<br />
könne <strong>von</strong> Verfassungs wegen ein Verfahrenshindernis unmittelbar aus dem<br />
Rechtsstaatsgebot abzuleiten sein 90. In der Begründung freilich kann diese Entscheidung<br />
nur wenig befriedigen: Das BVerfG ist über die strafprozessuale<br />
Diskussion relativ kursorisch hinweggegangen 91 , <strong>und</strong> Kunig dürfte zuzustimmen<br />
sein, daß auch die verfassungsrechtliche Argumentation nicht stringent ist 92 ;<br />
freilich kann es auch nicht Aufgabe des Dreierausschusses sein, "fein ausgeformte<br />
Verfassungsdogmatik zu bieten"9<strong>3.</strong> Schließlich fragte Hillenkamp nicht zu Unrecht,<br />
wie "platonisch" denn der Extremfall zu verstehen sei, wenn er nicht<br />
einmal in dem der Verfassungsbeschwerde zugr<strong>und</strong>eliegenden Geschehen <br />
über 12 Jahre Verfahrensdauer, sieben Jahre lang keine nennenswerte Verfahrensförderung<br />
- gegeben sein soll 94.<br />
Unter Berufung auf diese Entscheidung nahm dann das LG Düsseldorf in<br />
einem langjährig verzögerten <strong>Strafverfahren</strong> ein Prozeßhindernis an95. Einem<br />
Pressebericht zufolge ist nach Einlegung einer Beschwerde bei der Europäischen<br />
Menschenrechtskommission nach wenigen Hauptverhandlungstagen das Verfahren<br />
"mit den fast wörtlich übernommenen Ausführungen des Verteidigers an die<br />
Straßburger Kommission" eingestellt worden 96. Nun kann allerdings diese Entscheidung<br />
der XII. Kammer des LG Düsseldorf, die eigentlich die Sache wohl<br />
überhaupt nicht verhandeln wollte 97 , in ihrer Bezugnahme nicht vollauf befriedigen.<br />
So führte das Gericht unzutreffend aus, der EGMR habe "schon immer die<br />
Möglichkeit bejaht, aus Art. 6 I MRK ein Recht auf Verfahrenseinstellung abzuleiten"98.<br />
<strong>Die</strong> Entscheidungen des EGMR, auch die vom Gericht angeführten<br />
Nachweise 99 , geben hierfür jedoch nichts her. Auch die Bezugnahme auf eine<br />
90 Siehe oben, 1. Kap. A I <strong>3.</strong><br />
91 RieB, JR 1985, S. 46; ähnlich in LR24, § 206a Rn. 56.<br />
92 Kunig, Das Rechtsstaatsprinzip, S. 452 f.; ablehnend auch Wolter in SK StPO, vor<br />
§ 151 Rn. 210.<br />
93 Schmidt-ABmann, DVBI. 1981, S. 335 f. Unter diesem Vorbehalt sonte auch die<br />
Nutzbarmachung der Kriterien des Vorprüfungsausschusses durch Horn, GS H. Kaufmann,<br />
S. 553 f. (vgl. auch in SK StGB, § 56f Rn. 37) stehen. Vgl. auch Geiger, EuGRZ<br />
1990, S. 173 f., sowie Zuck, NJW 1990, S.2450, zur Entscheidungsbegründung der<br />
Dreierausschüsse.<br />
94 Hillenkamp, NJW 1989, S. 2843; ähnlich S. 2845. A. A. NiebIer, FS Kleinknecht,<br />
S.312.<br />
95 LG Düsseldorf, NStZ 1988, S. 427.<br />
96 Elendt, Stern 50/1988 vom 8.12.1988, S. 130; 134.<br />
97 Papier, NJW 1990, S.8; vgl. Elendt, Stern 50/1988 vom 8.12.1988, S. 134;<br />
Schmalz, JuraTelegramm 1990, S. 31 f.<br />
98 LG Düsseldorf, NStZ 1988, S. 427 (428).<br />
99 EGMR, EuGRZ 1978, S. 406 (Fall König); 1983, S. 371 (Fan Eckle); S. 462 (Fall<br />
Zimmermann <strong>und</strong> Steiner).<br />
Entscheidung des 5. Senats des BGH ist nicht unzweifelhaft: Führt der 5. Senat<br />
aus, er halte an seiner Rechtsprechung, daß <strong>überlange</strong> Verfahrensdauer kein<br />
Verfahrenshindernis begründen würde, trotz des Beschlusses des Vorprüfungsausschusses<br />
"jedenfalls für die Fälle" fest, in denen der Tatrichter dem Zeitablauf<br />
bei der Strafzumessung (i. w. S.) in angemessener Weise Rechnung tragen könne<br />
100, so ist in dieser Formulierung wohl nicht der Beginn eines Abrückens <strong>von</strong><br />
der bisherigen Rechtsprechung zu sehen, wie es aber das LG Düsseldorf meint 101.<br />
Gerade der 5. Strafsenat verfolgt in seiner Rechtsprechung auch sonst häufig<br />
besonders nachdrücklich die Linie, seine Entscheidungen einzelfallorientiert auf<br />
das Entscheidungserhebliche zu reduzieren 102.<br />
Ähnlich problematisch stellt sich eine Entscheidung des Ehrengerichtshofes<br />
für Rechtsanwälte in Baden-Württemberg dar, der 1986 ein Verfahren kurzweg<br />
mit der Begründung einstellte, daß die durch Umfang <strong>und</strong> Schwierigkeit des<br />
Falles nicht gerechtfertigte Überschreitung der Frist des Art. 6 I EMRK ein<br />
Verfahrenshindernis darstelle 10<strong>3.</strong> Ulsamer ist zuzustimmen, daß der EGH, der<br />
die Rechtsprechung des BGH <strong>und</strong> die Entscheidung des Vorprüfungsausschusses<br />
nicht erwähnt, sich, wie die Diktion vermuten läßt, der Rechtsproblematik kaum<br />
bewußt gewesen sein dürfte 104. Zudem ist für die Anwendbarkeit <strong>von</strong> Art. 6 I<br />
EMRK im Disziplinarverfahren ein weiteres, vom EGH ebenfalls nicht erörtertes<br />
Hindernis zu überwinden: Es wird gr<strong>und</strong>sätzlich da<strong>von</strong> ausgegangen, daß<br />
Art. 6 I EMRK auf Berufsgerichtsverfahren nicht anwendbar ist 105. Entsprechend<br />
hat auch das BVerwG in Fällen <strong>überlange</strong>r Verfahrensdauer die Anwendbarkeit<br />
<strong>von</strong> Art. 6 I EMRK im Disziplinarverfahren gegen Beamte verneint lO6 , wenngleich<br />
es eine entsprechende Anwendung nicht ausgeschlossen hat 107. Allerdings<br />
hat - im Gegensatz zu seiner älteren Rechtsprechung - der EGMR seit einigen<br />
Jahren den Begriff des Strafrechts i. S. d. Art. 6 I EMRK teleologisch interpretiert<br />
<strong>und</strong> seine Anwendung auf Disziplinarverfahren für möglich 108 <strong>und</strong> im (deutschen)<br />
Ordnungswidrigkeitsverfahren für nötig 109 gehalten. Zwar ist danach die Anwendbarkeit<br />
<strong>von</strong> Art. 6 I EMRK auf das Ehrengerichtsverfahren gegen Rechtsanwälte<br />
zumindest vertretbar; Ausführungen hierzu hätten jedoch vom EGH bei f<strong>und</strong>ierter<br />
Entscheidungsbegründung erwartet werden können.<br />
100 BGH bei Pfeiffer / Miebach, NStZ 1987, S. 19.<br />
101 LG Düsseldorf, NStZ 1988, S.427 (428); ähnlich Kühne, Strafprozeßlehre3,<br />
Rn. 128.1 Fn. 19.<br />
102 Ähnlich Becker, StV 1985, S. 399.<br />
103 EGH Baden-Württemberg, StV 1986, S. 377.<br />
104 Ulsamer, FS Zeidler, S. 1805.<br />
105 Vogler in IntKomm, Art. 6 Rn. 231; vgl. auch BGH, NJW 1971, S. 1041 (bezüglich<br />
Art. 6 II EMRK).<br />
106 BVerwGE 46, S. 122 (123); NJW 1983, S. 531 f.<br />
107 BVerwGE 46, S. 122 (123).<br />
108 EGMR, EuGRZ 1976, S. 221 (232 f.) (Fan Engel u. a.); 1985, S. 534 (538 f.) (Fan<br />
Campbel1 <strong>und</strong> Fen); vgl. auch den österreichischen VfGH, EuGRZ 1988, S. 173 (174 f.).<br />
109 EGMR, EuGRZ 1985, S. 62 (67) (Fan Öztürk).
168 5. Kap.: Einstellung wegen Verletzung <strong>von</strong> Verfahrensrecht B. Schwerwiegende Rechtsstaatswidrigkeit als Verfolgungsverbot 169<br />
2. Der <strong>3.</strong> Strafsenat des B<strong>und</strong>esgerichtshofs<br />
Sieht man <strong>von</strong> der völlig unbeachtet gebliebenen Entscheidung des 5. Senats<br />
ab 110, stellte Ende 1987 dann erstmals der BGH, <strong>und</strong> zwar der <strong>3.</strong> Strafsenat, ein<br />
Verfahren wegen <strong>überlange</strong>r Verfahrensdauer aufgr<strong>und</strong> <strong>von</strong> Verfahrensverzögerungen<br />
ohne Angabe einer Rechtsgr<strong>und</strong>lage ein 111. Der <strong>3.</strong> Senat wollte unter<br />
allen Umständen die Zurückverweisung mit wiederum mehrjähriger Verfahrensdauer<br />
vermeiden. Den Weg über § 354 I StPO wollte er nicht gehen, weil er<br />
weitere Feststellungen für möglich hielt; eine Einstellung gemäß § 153 StPO<br />
scheiterte an der fehlenden Zustimmung der Staatsanwaltschaft. Genauso freimütig<br />
wie dogmatisch unhaltbar umgeht der Senat dann die an sich nach § 354 11<br />
StPO gebotene Zurückverweisung, indem er das vermutliche Ergebnis einer<br />
neuen Hauptverhandlung prüft <strong>und</strong> das Resultat dieser Prognose zum Gr<strong>und</strong><br />
dafür macht, die Sache doch nicht zurückzuverweisen.<br />
Des weiteren hat der <strong>3.</strong> Strafsenat sich ausdrücklich gegen die Entscheidung<br />
des Vorprüfungsausschusses des BVerfG gewandt <strong>und</strong> sich ebenso nachdrücklich<br />
zu der ständigen Rechtsprechung des BGH zum Nichtvorliegen eines Verfahrenshindernisses<br />
bekannt. Er spricht dann aber da<strong>von</strong>, daß angesichts der verfahrens<strong>und</strong><br />
materiellrechtlichen Besonderheiten des Falles als rechtsstaatlich gebotene<br />
Folgerung aus dem irreparablen Verstoß gegen das Beschleunigungsgebot nur<br />
der gerichtlich anzuordnende Abbruch des Verfahrens, die Annahme eines Zurückverweisungsverbots<br />
möglich sei. <strong>Die</strong>se "Erfindung" 112 des <strong>3.</strong> Senats decke<br />
sich "nicht notwendig" mit der Annahme eines allgemeinen Verfahrenshindernisses<br />
der <strong>überlange</strong>n Verfahrensdauer - eine Formulierung, <strong>von</strong> der Krey vermutet,<br />
sie sei gewählt worden, um einer Vorlage nach § 136 I GVG auszuweichen I 1<strong>3.</strong><br />
In einer späteren Entscheidung schob der <strong>3.</strong> Senat als Begründung nach, hier<br />
habe kein Verfahrenshindernis vorgelegen, sondern es seien Umstände <strong>von</strong> "das<br />
Strafbedürfnis aufhebender Bedeutung" gegeben gewesen 114.<br />
Jedenfalls läßt der <strong>3.</strong> Senat sich unter extensiver Interpretation seiner revisionsrechtlichen<br />
Befugnisse ausschließlich vom Ergebnis leiten <strong>und</strong> versucht den<br />
Widerspruch zwischen Einstellung einerseits <strong>und</strong> Beibehaltung der ständigen<br />
Rechtsprechung des BGH sowie Ablehnung der Entscheidung des Vorprüfungsausschusses<br />
des BVerfG andererseits hinter einem Schleier nebulöser Worte zu<br />
verbergen 115. Und er steigert sich noch: Zu dem "nicht notwendig" anzunehmen-<br />
110 BGH, Beschl. v. 2.7.1974 - 5 StR 48/74 (Anhang 3).<br />
111 BGHSt 35, S. 137; siehe dazu oben, 1. Kap. A I 4.<br />
112 Hillenkamp, NIW 1989, S. 2842; vgl. auch S. 2847: "abenteuerliches Ventil".<br />
113 Krey, <strong>Strafverfahren</strong>srecht 11, Rn. 587.<br />
114 BGHSt 36, S. 363 (372).<br />
115 Vgl. BayObLG, StV 1989, S. 394 f.: "<strong>Die</strong>sen Abbruch mit einem bestimmten<br />
Verfahrensstadium, hier mit einem auf § 354 Abs. 2 StPO bezogenen "Zurückverweisungsverbot"<br />
zu begründen, führt nicht daran vorbei, daB der BGH verfahrensrechtlich<br />
den Verfahrenshindernis sei "auch" Rieß zu vergleichen, "der in diesem Zusammenhang<br />
im Gegensatz zur Einstellung wegen eines Verfahrenshindernisses <strong>von</strong><br />
einem ,Verfolgungsverbot' wegen schwerwiegender Rechtsstaatswidrigkeit<br />
spricht".<br />
Der <strong>3.</strong> Senat spielt hier auf Argumente an, die Rieß herausgearbeitet <strong>und</strong> damit<br />
eine neue Variante der Diskussion in Gang gebracht hat: Es sei nicht Aufgabe<br />
<strong>von</strong> Prozeßvoraussetzungen, Verfahrensregeln <strong>von</strong> besonderem, auch verfassungsrechtlichem<br />
Gewicht abzusichern. Der Begriff des Verfahrenshindernisses<br />
dürfe nicht im wesentlichen synonym mit dem eines besonders schwerwiegenden<br />
Verfahrensverstoßes verwendet werden, solle nicht das Institut der Verfahrensvoraussetzung<br />
seine Konturen verlieren 116. Das Verfahrenshindernis sei als dogmatisches<br />
Instrument heranziehbar, weil eine Sachentscheidung nicht zulässig<br />
sei, nicht aber, damit keine Sachentscheidung mehr ergeht l17 • Trotzdem bleibt<br />
nach Rieß zu überlegen, ob nicht in äußersten Extremfällen rechtsstaatswidrige<br />
Rechtsverstöße irreparabler Art <strong>von</strong> solchem Schweregrad gegeben sein können,<br />
daß es gerechtfertigt sein könne, auf die Durchsetzung des Sanktionsanspruchs<br />
zu verzichten, auch wenn nicht das Rechtsinstitut der Verfahrenshindernisse<br />
angewendet werden könne. Es sei zu überlegen, ob außerhalb des Begriffs des<br />
Verfahrenshindernisses es möglich sei, ein aus der Verfassung ableitbares "Verfolgungsverbot"<br />
der schwerwiegenden Rechtsstaatswidrigkeit nach Voraussetzungen,<br />
Folgen <strong>und</strong> Standort zu entwickeln 118.<br />
11. Der qualitative Sprung zum Verfolgungsverbot<br />
In der Rechtswissenschaft ist bisher kaum versucht worden, die Möglichkeit<br />
der Entwicklung eines gesonderten Verfolgungsverbotes der schwerwiegenden<br />
Rechtsstaatswidrigkeit näher zu prüfen. Kurze Überlegungen, inwieweit ein Verfolgungsverbot<br />
qualitativ etwas anderes als ein Verfahrenshindernis sein könnte,<br />
finden sich lediglich bei Woller sowie bei Volk, der hierin auch über Formen<br />
prozessualer Erledigung hinaus eine Diskussionsgr<strong>und</strong>lage sieht 119. Rogall hat<br />
es dagegen als "nebensächlich" bezeichnet, ob die Einstellung nun durch eine<br />
Erweiterung der Kategorie der Verfahrenshindernisse oder aber durch die Herausdie<br />
neben Freispruch <strong>und</strong> Verurteilung allein verbleibende dritte Möglichkeit einer<br />
Verfahrensbeendigung gewählt hat, nämlich die der Einstellung wegen eines Verfahrenshindernisses<br />
nach § 206a oder § 260 Abs. 3 StPO. Daran ändert auch die Wiederholung<br />
des Satzes nichts, der Verletzung des Beschleunigungsgebots käme nach s1. Rspr. des<br />
BGH eine Wirkung als Verfahrenshindernis nicht zu." Ähnlich Hillenkamp, NIW 1989,<br />
S. 2846: keine glaubhafte Distanzierung <strong>von</strong> der Verfahrenshindernislösung.<br />
116 RieB in LR24, § 206a Rn. 32.<br />
117 RieB, IR 1985, S. 47.<br />
118 RieB, IR 1985, S. 48.<br />
119 Volk, StV 1986, S. 37; Wolter in SK StPO, vor § 151 Rn. 209 f.
170 5. Kap.: Einstellung wegen Verletzung <strong>von</strong> Verfahrensrecht B. Schwerwiegende Rechtsstaatswidrigkeit als Verfolgungsverbot 171<br />
bildung des Instituts des Verfolgungsverbots geschieht 120. Für Becker ist es eine<br />
bloße Frage der Terminologie 121, <strong>und</strong> auch Hassemer scheint Skepsis hinsichtlich<br />
der strukturellen <strong>und</strong> praktischen Unterschiede solcher Einstellungstypen zu haben<br />
122. Hillenkamp meint, die Unterschiede blieben bislang "im Nebel", differenziert<br />
aber selbst zwischen einfachrechtlichen Verfahrenshindemissen <strong>und</strong> solchen<br />
<strong>von</strong> Verfassungs wegen, was der Sache nach der Rieß'schen Unterscheidung<br />
entspricht 12<strong>3.</strong> Kühne <strong>und</strong> Dencker / Hamm gehen sogar leichthin da<strong>von</strong> aus, der<br />
BGH habe - trotz seines Rekurses auf Rieß <strong>und</strong> trotz seiner Ablehnung der<br />
Entscheidung des Vorprüfungsausschusses des BVerfG - erstmals ein Verfahrenshindemis<br />
der <strong>überlange</strong>n Verfahrensdauer anerkannt 124.<br />
Allerdings hat die Rechtsprechung zur V-Mann-Problematik im Anschluß an<br />
den 2. Senat des BGH 125 häufiger formuliert, es könnte ein "Strafverfolgungsverbot"<br />
bestehen, "das die Wirkung eines <strong>von</strong> Amts wegen zu beachtenden Verfahrenshindemisses<br />
entfaltet" 126. <strong>Die</strong>ser Satz kann doch wohl nicht anders verstanden<br />
werden, als daß es ein Strafverfolgungsverbot neben den Verfahrenshindemissen<br />
geben soll, freilich mit gleichen Wirkungen. Auch diese kurzen Andeutungen<br />
sind nicht weiter auf Resonanz gestoßen.<br />
Betrachtet man diese Entscheidungen etwas genauer, so ergibt sich ein Ansatz,<br />
das Verfolgungsverbot mit Konturen zu versehen: Der 2. Senat des BGH spricht<br />
ausdrücklich vom "widersprüchlichen <strong>und</strong> arglistigen" Vorgehen der staatlichen<br />
Behörden, das ein Strafverfolgungsverbot auslösen können soll 127. Er spielt also<br />
aufdie Verwirkung unter den Gesichtspunkten "exceptio doli" <strong>und</strong> "venire contra<br />
factum proprium" an 128. Nun ist oben zunächst einmal zur Verwirkung bei <strong>überlange</strong>r<br />
Verfahrensdauer unter diesen Gesichtspunkten herausgearbeitet worden,<br />
daß es nur um die Strafverfolgungsbefugnis gehen dürfte 129. Es ist femer zu der<br />
Frage, ob aus ihrer Verwirkung ein Verfahrenshindemis folgen könnte, zunächst<br />
aufgr<strong>und</strong> des Meinungsstandes Skepsis geäußert worden 130. Letztendlich dürfte<br />
ein Verfahrenshindemis hier genauso problematisch sein wie bei den sonstigen<br />
diskutierten Fällen <strong>überlange</strong>r Verfahrensdauer: Ohne Beweiswürdigung <strong>und</strong><br />
Motivforschung, also ohne Wertungen ist auch die Verwirkung der Strafverfol-<br />
120 Rogall in SK StPO, vor § 133 Rn. 120.<br />
121 Becker, StV 1985, S. 400.<br />
122 Hassemer, JuS 1989, S. 147.<br />
123 Hillenkamp, NJW 1989, S. 2846.<br />
124 Kühne, EuGRZ 1986, S.306; Dencker / Hamm, Der Vergleich im Strafprozeß,<br />
S. 131. Vgl. auch BayObLG, StV 1989, S. 394 f.; Hillenkamp, NJW 1989, S. 2846.<br />
125 BGH, NJW 1981, S. 1626 (1627); NStZ 1982, S. 126; S. 156.<br />
126 KG, NJW 1982, S. 838; OLG Düsseldorf, StV 1983, S. 450 (451).<br />
127 BGH, NJW 1981, S. 1626 (1627); NStZ 1982, S. 156; so auch OLG Düsseldorf,<br />
StV 1983, S. 450 (451).<br />
128 Vgl. Seelmann, ZStW 95 (1983), S. 821.<br />
129 Siehe oben, 4. Kap. A.<br />
130 Siehe oben, A.<br />
gungsbefugnis nicht feststellbar. Könnte man nun aber nicht die Strafverfolgungsbefugnis<br />
als Prozeßvoraussetzung begreifen, die unter bestimmten, zivilrechtlich<br />
orientierten Voraussetzungen, vor allem also wegen Verwirkung oder Verzicht<br />
(§§ 153 ff., 376 StPO) entfallen kann? Dann gäbe es das "Verfahrenshindemis<br />
des Strafverfolgungsverbots" 131 aufgr<strong>und</strong> der verwirkten Strafverfolgungsbefugnis.<br />
Es wäre nur noch ein einzelner, bestimmter Gesichtspunkt zu ermitteln, was<br />
bei den konventionellen Verfahrenshindernissen zugelassen wird: das Entfallen<br />
der Strafverfolgungsbefugnis.<br />
Akzeptiert man diesen "Kunstgriff', dürfte das nun aber bedeuten, daß die<br />
Annahme eines Verfahrenshindemisses der <strong>überlange</strong>n Verfahrensdauer auf die<br />
Randbereiche der Verwirkung der staatlichen Strafverfolgungsbefugnis beschränkt<br />
bliebe. Insofern bleibt zu prüfen, ob nicht Weitergehendes, als aus<br />
diesen vagen Überlegungen folgt, auf der Gr<strong>und</strong>lage der herrschenden Meinung<br />
gelten kann, die da<strong>von</strong> ausgeht, daß <strong>überlange</strong> Verfahrensdauer ab einem bestimmten<br />
Punkt qualitativ "umschlägt". Allerdings existieren hier in der wissenschaftlichen<br />
Erörterung Rückstände: Wann liegt denn eigentlich ein solcher Extremfall<br />
vor, der zu einem Verfahrenshindemis oder Verfolgungsverbot führen<br />
soll? Immerhin läßt sich die Verneinung eines Extremfalls in dem Beschluß des<br />
Vorprüfungsausschusses des BVerfG genauso kritisieren wie umgekehrt die Bejahung<br />
eines solchen in der Entscheidung des <strong>3.</strong> Senats des BGH 132. Es scheinen<br />
"die evidenten Kriterien für ein Umkippen des Verfahrens" zu fehlen 13<strong>3.</strong><br />
1. Rechtsverweigerung<br />
Schaut man sich die insoweit herangezogenen Ansatzpunkte an, fällt zunächst<br />
der Blick auf den Gedanken der Justizverweigerung, der zunächst bestechend<br />
wirkt, da er schon in § 839 II Satz 2 BGB gleichberechtigt neben der Verfahrensverzögerung<br />
genannt wird 134. Infolgedessen ist dann auch das Schlagwort <strong>von</strong><br />
der Verfahrensverzögerung als "temporärer Justizverweigerung" geprägt worden<br />
135. Vor allem aber findet sich in der zivil- <strong>und</strong> verwaltungsrechtlichen Literatur<br />
die Auffassung, Verzögerungen könnten so erhebliches Ausmaß erreichen,<br />
daß die Grenze zur Justizverweigerung überschritten würde 136.<br />
131 Mache, StV 1981, S. 601.<br />
132 Vgl. Hillenkamp, NJW 1989, S. 2843; 2845. Siehe dazu auch oben, I 1, sowie<br />
unten, 7. Kap. AI 2. Hingewiesen sei auch aufWolter in SK StPO, vor § 151 Rn. 209 f.,<br />
für den ein Verfolgungsverbot in Fällen "extremer Menschenrechtswidrigkeit" in Betracht<br />
kommt, die jedoch bei <strong>überlange</strong>r Verfahrensdauer nicht gegeben sei.<br />
133 Volk, Prozeßvoraussetzungen, S. 229.<br />
134 VgI. Bull, NJW 1957, S. 1101; Joachim, DRiZ 1965, S. 185: Rechtsverzägerung<br />
<strong>und</strong> Rechtsverweigerung sind gleichbedeutend. VgI. auch Kirchhof, FS Doehring,<br />
S. 440; 444.<br />
135 Joachim, DRiZ 1965, S. 185; Marx, Der gesetzliche Richter, S. 71 Fn.335.
172 5. Kap.: Einstellung wegen Verletzung <strong>von</strong> Verfahrensrecht B. Schwerwiegende Rechtsstaatswidrigkeit als Verfolgungsverbot 173<br />
Auf die <strong>überlange</strong> <strong>Dauer</strong> im <strong>Strafverfahren</strong> bezogen hat das OLG Koblenz<br />
ausgeführt, ein Prozeßhindernis könne dann vorliegen, wenn die eingetretene<br />
Verzögerung einer Rechtsverweigerung gleichkomme 137. Auch der 1. Strafsenat<br />
des BGH hatte in seiner ersten Entscheidung da<strong>von</strong> gesprochen, daß eine Verzögerung<br />
einer Rechtsverweigerung gleichzusetzen sein könnte 138. In einer neueren<br />
Entscheidung spricht das OLG Zweibrücken <strong>von</strong> einem "Verfahrensstillstand",<br />
der einer Rechtsverweigerung nahe komme 139.<br />
Verfolgt man diesen Gedanken, könnte sich ein Verfolgungsverbot <strong>von</strong> Verfassungs<br />
wegen insofern herleiten lassen, als daß in der Nichterledigung einer<br />
Rechtssache ein Verstoß gegen Art. 19 IV GG, gelegentlich 140, was allerdings<br />
äußerst fraglich ist 141, auch gegen Art. 101 I GG gesehen wird. Aber unabhängig<br />
da<strong>von</strong>, daß der BGH solchen Fehlern verfahrensbeendende Wirkung abgesprochen<br />
hat 142, paßt das Institut der Justizverweigerung nicht auf die <strong>überlange</strong><br />
<strong>Dauer</strong> im <strong>Strafverfahren</strong>: Zunächst einmal geht es im <strong>Strafverfahren</strong> - das<br />
unterscheidet es <strong>von</strong> sonstigen Verfahrensarten - gr<strong>und</strong>sätzlich nicht um die<br />
Verbesserung einer Rechtsposition des Beschuldigten durch gerichtliches Verfahren,<br />
sondern umgekehrt um die Gefährdung dieser Position durch das staatlich<br />
initiierte Verfahren 14<strong>3.</strong> So würde man auch im Zivilprozeß Justizverweigerung<br />
nicht aus dem Blickwinkel des Beklagten problematisieren 144. Für den Beschuldigten<br />
wie für den Beklagten ginge es nicht um die Verweigerung <strong>von</strong> Rechtsschutz,<br />
sondern um die Nichtdurchführung <strong>von</strong> rechtlicher Inanspruchnahme.<br />
Insofern schlägt die Verzögerung im <strong>Strafverfahren</strong>srecht nicht in die Justizverweigerung<br />
um, sondern in die Vereitelung der (eventuellen) Bestrafung. Getroffen<br />
wird also die Rechtspflege, während es "in der Regel für den Betroffenen angenehm<br />
sein" dürfte 145.<br />
Dem widerspricht auch nicht die eventuelle Anordnung <strong>von</strong> Sicherungsmaßnahmen<br />
(§§ 112, 116, 116a, 126a StPO) oder vorläufigen Maßnahmen (etwa<br />
§§ lIla, 132a StPO) gegen den Beschuldigten: Denn deren (weitere) Zulässigkeit<br />
ist unter dem Gesichtspunkt des Verhältnismäßigkeitsgr<strong>und</strong>satzes separat zu<br />
136 H. Klein, JZ 1963, S. 591; Häsemeyer, FS Michaelis, S. 135; Schmidt-Aßmann<br />
in Maunz/Dürig, Art. 19 Abs. IV Rn. 26<strong>3.</strong><br />
137 OLG Koblenz, NJW 1972, S.404 (405).<br />
138 BGHSt 21, S. 81 (83).<br />
139 OLG Zweibrücken, StV 1989, S. 51 (52).<br />
140 BVerfGE 3, S. 359 (364); J. Blomeyer, NJW 1977, S. 559.<br />
141 Siehe oben, 2. Kap. B 11 2 f aa.<br />
142 Vgl. BGHSt 19, S. 273 (275 ff.); 22, S. 26 (29); 26, S. 84 (90); 32, S. 345 (350);<br />
NStZ 1984, S. 419.<br />
143 Vgl. Kirchhof, JZ 1989, S. 464.<br />
144 Vgl. Kirchhof, FS Doering, S. 446: "<strong>Die</strong> Partei, die eine Verurteilung zu Zahlungen<br />
befürchten muß, wird naturgemäß die Zahlungspflicht möglichst lange hinausschieben<br />
wollen".<br />
145 OLG Karlsruhe, NJW 1972, S. 1907 (1908).<br />
beurteilen, wobei auch - wie für die Untersuchungshaft vor erstinstanzlichem<br />
Urteil in § 121 StPO festgelegt - die Aufhebung aufgr<strong>und</strong> <strong>von</strong> Verfahrensverzögerungen<br />
in Betracht kommt 146. Das BVerfG spricht hier <strong>von</strong> einem "fühlbar<br />
schwereren Eingriffals im Falle der ordnungsgemäßen Durchführung des Verfahrens"<br />
147.<br />
Entscheidend aber ist, daß das Institut der Rechtsverweigerung sich jedenfalls<br />
im <strong>Strafverfahren</strong>srecht nur als prägnantes Schlagwort eignet: Auch die in der<br />
Rechtsprechung als extreme Verzögerung bezeichneten Sachverhalte stellten sich<br />
in keinem Fall als Justizverweigerung dar 148.<br />
2. Verfahrensstillstand<br />
Gleiches dürfte gelten, stellt man aufden vom OLG Zweibrücken angesprochenen<br />
Aspekt des "Verfahrensstillstandes" ab 149. Zwar berichten auch sonst einige<br />
Entscheidungen <strong>von</strong> jahrelanger Nichtbetreibung bzw. Untätigkeit der Strafverfolgungsorgane<br />
oder sprechen vom Ruhen des Verfahrens 150. In der Regel geht<br />
es jedoch nicht um eine einzige "große Verzögerung"151, sondern, wie Hanack<br />
es formuliert hat 152 , "um eine Summe mehr oder weniger vieler, mehr oder<br />
weniger verständlicher, für sich mehr oder weniger belangloser oder nicht belangloser<br />
Einzelverzögerungen bei dieser oder jener Prozeßhandlung, die dann eine<br />
mehr oder minder schwere Gesamtverzögerung ergeben".<br />
Selbst wenn man dies außer acht läßt, könnte auch umgekehrt eine extreme<br />
Verzögerung durch überflüssiges oder langsames Tun verdeckt werden. Daß in<br />
einem solchen Fall kein Verfahrensstillstand zu subsumieren ist, ergibt sich auch<br />
aus § 2U 11 BGB. Hier ist anerkannt, daß ein Weiterbetreiben des Verfahrens<br />
durch jede Prozeßhandlung möglich ist, die unmittelbar auf den Fortgang des<br />
Verfahrens einwirkt l5 3, wobei ein nicht zu enger Maßstab anzulegen ist l54 . Daß<br />
146 Vgl. BVerfGE 46, S. 17 (29) mit abweichender Meinung M. Hirsch (S. 31); allgemein<br />
Kirchhof, FS Doering, S. 452 f.; JZ 1989, S. 464. Vgl. zu § lIla StPO OLG<br />
Düsseldorf, NStE Nr. 3 zu § lIla StPO, sowie neuerdings OLG Köln, StV 1991, S. 248.<br />
147 BVerfGE 46, S. 17 (29).<br />
148 Vgl. aber Wolter, GA 1985, S. 64.<br />
149 OLG Zweibrücken, StV 1989, S. 51 (52); ebenso LG Köln, NStZ 1989, S.442<br />
(443); ähnlich BGHSt 36, S. 363 (372); vgl. auch Seebode, StV 1989, S. 121.<br />
150 Vgl. etwa BGH, NStZ 1982, S. 291 (292); OLG Karlsruhe, NJW 1972, S. 1907;<br />
OLG Stuttgart, JZ 1974, S. 268.<br />
151 Vgl. aber BGHSt 36, S. 363 (372): jahrelange Immunität, was allerdings keine<br />
Verzögerung in dem hier verstandenen Sinn darstellt (siehe oben, <strong>3.</strong> Kap. B 11).<br />
152 Hanack, JZ 1971, S. 715.<br />
153 OLG Nümberg, OLGZ 1966, S.388 (390); ähnlich BGHSt 52, S.47 (51); 55,<br />
S. 212 (216); 73, S. 8 (11).<br />
154 BGHZ 52, S. 47 (51); 55, S. 212 (216); 73, S. 8 (11).
172 5. Kap.: Einstellung wegen Verletzung <strong>von</strong> Verfahrensrecht B. Schwerwiegende Rechtsstaatswidrigkeit als Verfolgungsverbot 173<br />
Auf die <strong>überlange</strong> <strong>Dauer</strong> im <strong>Strafverfahren</strong> bezogen hat das OLG Koblenz<br />
ausgeführt, ein Prozeßhindernis könne dann vorliegen, wenn die eingetretene<br />
Verzögerung einer Rechtsverweigerung gleichkomme 137. Auch der 1. Strafsenat<br />
des BGH hatte in seiner ersten Entscheidung da<strong>von</strong> gesprochen, daß eine Verzögerung<br />
einer Rechtsverweigerung gleichzusetzen sein könnte 138. In einer neueren<br />
Entscheidung spricht das OLG Zweibrücken <strong>von</strong> einem "Verfahrensstillstand",<br />
der einer Rechtsverweigerung nahe komme 139.<br />
Verfolgt man diesen Gedanken, könnte sich ein Verfolgungsverbot <strong>von</strong> Verfassungs<br />
wegen insofern herleiten lassen, als daß in der Nichterledigung einer<br />
Rechtssache ein Verstoß gegen Art. 19 IV GG, gelegentlich 140, was allerdings<br />
äußerst fraglich ist 141, auch gegen Art. 101 I GG gesehen wird. Aber unabhängig<br />
da<strong>von</strong>, daß der BGH solchen Fehlern verfahrensbeendende Wirkung abgesprochen<br />
hat 142, paßt das Institut der Justizverweigerung nicht auf die <strong>überlange</strong><br />
<strong>Dauer</strong> im <strong>Strafverfahren</strong>: Zunächst einmal geht es im <strong>Strafverfahren</strong> - das<br />
unterscheidet es <strong>von</strong> sonstigen Verfahrensarten - gr<strong>und</strong>sätzlich nicht um die<br />
Verbesserung einer Rechtsposition des Beschuldigten durch gerichtliches Verfahren,<br />
sondern umgekehrt um die Gefährdung dieser Position durch das staatlich<br />
initiierte Verfahren 14<strong>3.</strong> So würde man auch im Zivilprozeß Justizverweigerung<br />
nicht aus dem Blickwinkel des Beklagten problematisieren 144. Für den Beschuldigten<br />
wie für den Beklagten ginge es nicht um die Verweigerung <strong>von</strong> Rechtsschutz,<br />
sondern um die Nichtdurchführung <strong>von</strong> rechtlicher Inanspruchnahme.<br />
Insofern schlägt die Verzögerung im <strong>Strafverfahren</strong>srecht nicht in die Justizverweigerung<br />
um, sondern in die Vereitelung der (eventuellen) Bestrafung. Getroffen<br />
wird also die Rechtspflege, während es "in der Regel für den Betroffenen angenehm<br />
sein" dürfte 145.<br />
Dem widerspricht auch nicht die eventuelle Anordnung <strong>von</strong> Sicherungsmaßnahmen<br />
(§§ 112, 116, 116a, 126a StPO) oder vorläufigen Maßnahmen (etwa<br />
§§ lIla, 132a StPO) gegen den Beschuldigten: Denn deren (weitere) Zulässigkeit<br />
ist unter dem Gesichtspunkt des Verhältnismäßigkeitsgr<strong>und</strong>satzes separat zu<br />
136 H. Klein, JZ 1963, S. 591; Häsemeyer, FS Michaelis, S. 135; Schmidt-Aßmann<br />
in Maunz/Dürig, Art. 19 Abs. IV Rn. 26<strong>3.</strong><br />
137 OLG Koblenz, NJW 1972, S.404 (405).<br />
138 BGHSt 21, S. 81 (83).<br />
139 OLG Zweibrücken, StV 1989, S. 51 (52).<br />
140 BVerfGE 3, S. 359 (364); J. Blomeyer, NJW 1977, S. 559.<br />
141 Siehe oben, 2. Kap. B 11 2 f aa.<br />
142 Vgl. BGHSt 19, S. 273 (275 ff.); 22, S. 26 (29); 26, S. 84 (90); 32, S. 345 (350);<br />
NStZ 1984, S. 419.<br />
143 Vgl. Kirchhof, JZ 1989, S. 464.<br />
144 Vgl. Kirchhof, FS Doering, S. 446: "<strong>Die</strong> Partei, die eine Verurteilung zu Zahlungen<br />
befürchten muß, wird naturgemäß die Zahlungspflicht möglichst lange hinausschieben<br />
wollen".<br />
145 OLG Karlsruhe, NJW 1972, S. 1907 (1908).<br />
beurteilen, wobei auch - wie für die Untersuchungshaft vor erstinstanzlichem<br />
Urteil in § 121 StPO festgelegt - die Aufhebung aufgr<strong>und</strong> <strong>von</strong> Verfahrensverzögerungen<br />
in Betracht kommt 146. Das BVerfG spricht hier <strong>von</strong> einem "fühlbar<br />
schwereren Eingriffals im Falle der ordnungsgemäßen Durchführung des Verfahrens"<br />
147.<br />
Entscheidend aber ist, daß das Institut der Rechtsverweigerung sich jedenfalls<br />
im <strong>Strafverfahren</strong>srecht nur als prägnantes Schlagwort eignet: Auch die in der<br />
Rechtsprechung als extreme Verzögerung bezeichneten Sachverhalte stellten sich<br />
in keinem Fall als Justizverweigerung dar 148.<br />
2. Verfahrensstillstand<br />
Gleiches dürfte gelten, stellt man aufden vom OLG Zweibrücken angesprochenen<br />
Aspekt des "Verfahrensstillstandes" ab 149. Zwar berichten auch sonst einige<br />
Entscheidungen <strong>von</strong> jahrelanger Nichtbetreibung bzw. Untätigkeit der Strafverfolgungsorgane<br />
oder sprechen vom Ruhen des Verfahrens 150. In der Regel geht<br />
es jedoch nicht um eine einzige "große Verzögerung"151, sondern, wie Hanack<br />
es formuliert hat 152 , "um eine Summe mehr oder weniger vieler, mehr oder<br />
weniger verständlicher, für sich mehr oder weniger belangloser oder nicht belangloser<br />
Einzelverzögerungen bei dieser oder jener Prozeßhandlung, die dann eine<br />
mehr oder minder schwere Gesamtverzögerung ergeben".<br />
Selbst wenn man dies außer acht läßt, könnte auch umgekehrt eine extreme<br />
Verzögerung durch überflüssiges oder langsames Tun verdeckt werden. Daß in<br />
einem solchen Fall kein Verfahrensstillstand zu subsumieren ist, ergibt sich auch<br />
aus § 2U 11 BGB. Hier ist anerkannt, daß ein Weiterbetreiben des Verfahrens<br />
durch jede Prozeßhandlung möglich ist, die unmittelbar auf den Fortgang des<br />
Verfahrens einwirkt l5 3, wobei ein nicht zu enger Maßstab anzulegen ist l54 . Daß<br />
146 Vgl. BVerfGE 46, S. 17 (29) mit abweichender Meinung M. Hirsch (S. 31); allgemein<br />
Kirchhof, FS Doering, S. 452 f.; JZ 1989, S. 464. Vgl. zu § lIla StPO OLG<br />
Düsseldorf, NStE Nr. 3 zu § lIla StPO, sowie neuerdings OLG Köln, StV 1991, S. 248.<br />
147 BVerfGE 46, S. 17 (29).<br />
148 Vgl. aber Wolter, GA 1985, S. 64.<br />
149 OLG Zweibrücken, StV 1989, S. 51 (52); ebenso LG Köln, NStZ 1989, S.442<br />
(443); ähnlich BGHSt 36, S. 363 (372); vgl. auch Seebode, StV 1989, S. 121.<br />
150 Vgl. etwa BGH, NStZ 1982, S. 291 (292); OLG Karlsruhe, NJW 1972, S. 1907;<br />
OLG Stuttgart, JZ 1974, S. 268.<br />
151 Vgl. aber BGHSt 36, S. 363 (372): jahrelange Immunität, was allerdings keine<br />
Verzögerung in dem hier verstandenen Sinn darstellt (siehe oben, <strong>3.</strong> Kap. B 11).<br />
152 Hanack, JZ 1971, S. 715.<br />
153 OLG Nümberg, OLGZ 1966, S.388 (390); ähnlich BGHSt 52, S.47 (51); 55,<br />
S. 212 (216); 73, S. 8 (11).<br />
154 BGHZ 52, S. 47 (51); 55, S. 212 (216); 73, S. 8 (11).
174 5. Kap.: Einstellung wegen Verletzung <strong>von</strong> Verfahrensrecht B. Schwerwiegende Rechtsstaatswidrigkeit als Verfolgungsverbot 175<br />
dies auch im <strong>Strafverfahren</strong> nicht bloß blanke Theorie ist, zeigt ein Blick auf<br />
den Sachverhalt, den der <strong>3.</strong> Senat des BGH als "beispiellos" angesehen hat, in<br />
dem es um die Nichtzuleitung der Akten gemäß § 347 StPO an den BGH im<br />
Zeitraum <strong>von</strong> Herbst 1982 bis März 1987 ging: "Bis Ende 1982 benutzte sie<br />
die Strafkammer zur Fortsetzung des <strong>Strafverfahren</strong>s gegen den<br />
gesondert verfolgten W. Durch einen im August 1983 ergangenen Beschluß hat<br />
die Strafkammer die Kautionsauflagen aus dem Haftverschonungsbeschluß gegen<br />
den Angeklagten M. abgeändert. Fast ein Jahr später, nämlich im Juni 1984, hat<br />
sie die Kaution nochmals durch Beschluß herabgesetzt. Schließlich hat die Staatsanwaltschaft<br />
im November 1984 die <strong>von</strong> ihr eingelegten Revisionen zurückgenommen.<br />
Zwei weitere Jahre später, nämlich im Oktober 1986, hat der Vorsitzende<br />
der Strafkammer die aus dem Jahre 1982 stammenden Revisionen der Angeklagten<br />
der Staatsanwaltschaft gemäß §§ 347,41 StPO zugestellt." 155 Ein langandauernder<br />
"Verfahrensstillstand" war also niemals eingetreten.<br />
<strong>3.</strong> Willkür<br />
Konsequenterweise hat der <strong>3.</strong> Strafsenat des BGH dann auch in dieser Entscheidung<br />
nicht <strong>von</strong> Verfahrensstillstand gesprochen. Vielmehr hat er aufden Willkürbegriff<br />
abgestellt 156; <strong>Die</strong> jahrelange Nichtweiterleitung der Akten an das Revisionsgericht<br />
sei "ohne irgendwelchen rechtfertigenden Gr<strong>und</strong>, d. h. willkürlich"<br />
gewesen, wodurch das Beschleunigungsgebot "in willkürlicher <strong>und</strong> schwerwiegender<br />
Weise" verletzt worden sei. Auch andere Gerichte haben Verzögerungen<br />
nach dem Willkürkriterium eingeordnet 157.<br />
Auf den Willkürbegriff wird der Sache nach auch ansonsten zur qualitativen<br />
Abgrenzung <strong>von</strong> Rechtsverletzungen abgestellt; dies geschieht ausdrücklich in<br />
einigen Entscheidungen zum groben Rechtsfehler im Befangenheitsrecht 158 <strong>und</strong><br />
in ständiger Rechtsprechung im Anschluß an Kern 159 im Bereich des Besetzungsrechts:<br />
Willkür ist nach der ständigen Rechtsprechung des BVerfG 160 <strong>und</strong> des<br />
BGH 161 dann gegeben, wenn eine Maßnahme auf unsachlichen, sich <strong>von</strong> den<br />
155 BGHSt 35, S. 137 (138).<br />
156 BGHSt 35, S. 137 (138; 140; 141).<br />
157 BVerfG (Vorprüfungsausschuß), NStZ 1984, S. 228 (229); OLG Celle, NJW 1963,<br />
S. 1320 (1321); OLG Düsseldorf, NJW 1986, S.2204 (2205); MDR 1989, S. 935 f.;<br />
OLG Frankfurt, StV 1989, S. 96 (97); BayObLG, StV 1989, S. 394.<br />
158 BGH, NStZ 1984, S. 419 (420); BayObLG, DRiZ 1977, S. 244 (245).<br />
159 Kern, Der gesetzliche Richter, S. 185; 191; 202.<br />
160 Siehe etwa BVerfGE 3, S. 359 (364); 19, S. 38 (43); 29, S. 45 (48); 58, S. 1 (45).<br />
Weitere Nachweise bei Katholnigg, Strafgerichtsverfassungsrecht, § 16 GVG Rn. 8; K.<br />
Schäfer in LR24, § 16 GVG Rn. 16 f.<br />
161 Siehe etwa BGHSt 12, S. 227 (234); 21, S. 40 (44); 25, S. 66 (71 f.); S. 239 (241);<br />
26, S. 206 (211). Weitere Nachweise bei K. Schäfer in LR24, § 16 GVG Rn. 16 Fn. 41.<br />
gesetzlichen Maßstäben völlig entfernenden Erwägungen beruht <strong>und</strong> unter keinem<br />
Gesichtspunkt mehr vertretbar erscheint. Es wird ein objektiver Willkürbegriff<br />
zugr<strong>und</strong>egelegt, der einerseits frei <strong>von</strong> einem subjektiven Schuldvorwurf<br />
ist 162, andererseits einen bloßen error in procendo nicht genügen läßt 16<strong>3.</strong> Praktisch<br />
bedeutet dies, daß nur offensichtliche, grobe Fehler <strong>von</strong> Bedeutung sind 164.<br />
Nun wird dieser äußerst problematische Terminus seit Ostler 165 unter anderem<br />
auch deshalb kritisiert, weil er "völlig schwimmt". Er ermöglicht keine randscharfe<br />
Abgrenzung, weil er auslegungsfähig ist <strong>und</strong> einen fließenden Übergang zur<br />
Vertretbarkeit aufweist 166. <strong>Die</strong>s hat zuletzt Bohnert überzeugend dargelegt <strong>und</strong><br />
als Erklärung für die <strong>Dauer</strong>haftigkeit des Begriffs auf seine hohe Praktikabilität<br />
hingewiesen 167; Das Problem wird nicht geklärt, sondern mit einem Terminus<br />
versehen 168.<br />
Aber nicht einmal diese Praktikabilität hat der Begriff für die Klassifizierung<br />
<strong>von</strong> Verfahrensverzögerungen. Bei allen Unklarheiten dürfte Einigkeit bestehen,<br />
daß Willkürjedenfalls (auch) dann gegeben ist, wenn nicht bloß ein Verfahrensirrturn<br />
vorliegt 169; Jedes bewußte "Liegenlassen" einer Sache wäre dann aber Willkür,<br />
<strong>und</strong> zwar unabhängig <strong>von</strong> dessen <strong>Dauer</strong>; entscheidend wäre ausschließlich<br />
die Sachfremdheit der Erwägungen. <strong>Die</strong> Grenze zur Willkür wäre also schon<br />
überschritten, wenn ein Amtsträger eine Sache, die er scheut, etwa bis zum<br />
Urlaub oder zu einer Zuständigkeitsänderung aufschiebt.<br />
Also bräuchte man ein weiteres regulierendes Prinzip, wie das wohl auch der<br />
<strong>3.</strong> BGH-Senat sieht, wenn er <strong>von</strong> willkürlicher <strong>und</strong> schwerwiegender Verzögerung<br />
spricht 170, oder das OLG Düsseldorf, wenn es die Verzögerungen als "weder<br />
über Gebühr noch willkürlich" 17l bzw. "nicht untragbar <strong>und</strong> willkürlich" 172 klassi-<br />
162 BVerfGE 62, S. 189 (192); 70, S. 93 (97); K. Schäfer in LR24, § 16 GVG Rn. 17;<br />
Kissel, GVG, § 16 Rn. 36.<br />
163 K. Schäfer in LR24, § 16 GVG Rn. 17 m. w.N.; Katholnigg, Strafgerichtsverfassungsrecht,<br />
§ 16 GVG Rn. 8 m. w.N.; Kissel, GVG, § 16 Rn. 32.<br />
164 Katholnigg, Strafgerichtsverfassungsrecht, § 16 GVG Rn. 8.<br />
165 Ostler, JR 1957, S. 454.<br />
166 Dahs, GA 1976, S. 359 f.<br />
167 Bohnert, Beschränkungen der strafprozessualen Revision durch Zwischenverfahren,<br />
S. 50 ff.<br />
168 Vgl. Niemöller, StV 1987, S. 312.<br />
169 Vgl. BVerfGE 3, S. 359 (365); 15, S. 303 (306); 17, S. 99 (104); 19, S. 38 (43);<br />
29, S. 45 (48); 31, S. 181 (184); Katholnigg, Strafgerichtsverfassungsrecht, § 16 GVG<br />
Rn. 8; Kissel, GVG, § 16 Rn. 32 ff.; Kleinknecht / Meyer, StP039, § 16 GVG Rn. 6; noch<br />
weitergehend Kern, JZ 1956, S. 411; kritisch Bohnert, Beschränkungen der strafprozessualen<br />
Revision durch Zwischenverfahren, S. 53 f.; Bettermann, AöR 94 (1969),<br />
S. 280 ff.; v. Winterfeld, NJW 1972, S. 1400; anders aber wohl J. Henkel, Der gesetzliche<br />
Richter, S. 95 f.<br />
170 BGHSt 35, S. 137 (141).<br />
171 OLG Düsseldorf, NJW 1986, S. 2204 (2205).<br />
172 OLG Düsseldorf, MDR 1989, S. 935 (936).
176 5. Kap.: Einstellung wegen Verletzung <strong>von</strong> Verfahrensrecht B. Schwerwiegende Rechtsstaatswidrigkeit als Verfolgungsverbot 177<br />
fiziert. Ein Abheben auf den Begriff des Schwerwiegens nähert sich nun aber<br />
einer Tautologie: Genau die extreme, schwerwiegende Verfahrensverzögerung<br />
soll doch durch den Willkürbegriff eingegrenzt werden.<br />
Verstünde man den Begriff des schwerwiegenden (<strong>und</strong> willkürlichen) Verstoßes<br />
nun aber so, daß man Rechtsverstöße mittels einer abstrakten Schichtung<br />
<strong>von</strong> Normen in stärkere <strong>und</strong> schwächere differenziert, wie das etwa in der Theorie<br />
der Ordnungsvorschriften geschehen ist 173, ergäbe sich nichts anderes: Setzt ein<br />
Gericht etwa eine Hauptverhandlung auf die Besetzungsrüge hin aus mit dem<br />
Bemerken, es könne die Vorgänge bei der gerügten Schöffenwahl nicht rechtlich<br />
beurteilen <strong>und</strong> werde die Sache zur Klärung dem Präsidium zuleiten 174, so stellt<br />
sich diese verfahrensverzögernde Aussetzung nicht nur als willkürlich, weil sachlich<br />
unvertretbar dar, sondern tangiert auch Art. 101 I GG, da das Gericht es in<br />
Kauf nimmt, im Falle der Unbegründetheit der Besetzungsrüge dem Beschuldigten<br />
den gesetzlichen Richter (Schöffen) zu entziehen. Trotzdem dürfte hier kaum<br />
ein Fall <strong>von</strong> "extremer" Verletzung des Beschleunigungsprinzips gegeben sein.<br />
Es bliebe also nur die Möglichkeit, den Begriff des Schwerwiegens auf die<br />
konkrete Beeinträchtigung der Rechtsposition des Beschuldigten zu beziehen,<br />
zu fragen, ob die Verzögerung zu einer "groben Ungerechtigkeit" führt 175. Dann<br />
muß man sich aber fragen, wozu dann noch das Kriterium der Willkür dienen<br />
soll. Denn wird durch eine Rechtsverletzung die Rechtsposition des Beschuldigten<br />
schwerwiegend beeinträchtigt, so kann es nicht darauf ankommen, ob der Rechtsfehler<br />
auf Erwägungen beruht, die sich <strong>von</strong> den gesetzlichen Maßstäben völlig<br />
entfernen oder nicht 176.<br />
4. Irreparabilität<br />
Verfolgt man letzteren Gedanken weiter, so wäre zu prüfen, ob der richtige<br />
Ansatzpunkt für die Diskussion verfahrensbeendender Wirkung <strong>von</strong> <strong>überlange</strong>r<br />
Verfahrensdauer nicht in der Schwere des Rechtsverstoßes - Rechtsverweigerung,<br />
Verfahrensstillstand, Willkür - zu suchen ist, sondern in der Schwere<br />
seiner Auswirkungen auf den Beschuldigten, im Aspekt der Irreparabilität. Es<br />
käme also gewissermaßen auf das Erfolgs- <strong>und</strong> nicht auf das Handlungsunrecht<br />
der Rechtsverletzung an 177.<br />
Der Begriff der Irreparabilität ist mißverständlich. Prinzipiell ist jede eingetretene<br />
Verzögerung irreparabel 178; dies gilt jedenfalls ab dem Punkt, ab dem die<br />
173 Vgl. Bohnert, Beschränkungen der strafprozessualen Revision durch Zwischenverfahren,<br />
S. 5<strong>3.</strong><br />
174 So 1987 durch das LG Braunschweig geschehen.<br />
175 Vgl. Lampe, GA 1968, S. 41 ff.; Geppert, GA 1972, S. 181.<br />
176 Vgl. Achenbach, StV 1989, S. 517; Kunert, MDR 1967, S. 541.<br />
177 Vgl. Achenbach, StV 1989, S. 517.<br />
verlorene Zeit nicht mehr durch besondere Schleunigkeit "wieder aufgeholt",<br />
also die Verzögerung geheilt werden kann 179. Irreparabilität in dem hier gemeinten<br />
Sinn liegt jedoch dann vor, wenn aufgr<strong>und</strong> der Verzögerungen sich die Verfahrenslage<br />
verändert hat. Hierfür kommt es weder auf die absolute <strong>Dauer</strong> <strong>und</strong> die<br />
Intensität der Verzögerungen noch auf die Schwere der Rechtsverletzung durch<br />
die Strafverfolgungsorgane an.<br />
a) Beweismittelverlust durch Verzögerungen<br />
Es ist eine Binsenweisheit, daß Beweismittel mit fortschreitendem Zeitablauf<br />
unsicherer werden können. Insbesondere läßt das Erinnerungsvermögen <strong>von</strong> Zeugen<br />
nach, so daß u. U. sogar der Zeuge ein ungeeignetes Beweismittel i. S. v.<br />
§ 244 III StPO werden kann \80. <strong>Die</strong>ser Gedanke stellt bekanntlich auch eine der<br />
Wurzeln der Verfolgungsverjährung dar l81 • <strong>Die</strong> verschlechterte Aufklärbarkeit<br />
mag in vielen Fällen zugunsten des Beschuldigten wirken 182. Des weiteren kann<br />
nachlassendes Vergeltungsbedürfnis zu weniger scharfen Zeugenaussagen führen<br />
183 <strong>und</strong> zeitlicher Abstand richterliche Emotionalität bei der Strafzumessung<br />
einschränken 184.<br />
Allerdings kann dem Beschuldigten auch die Möglichkeit verloren gehen, für<br />
ihn Entlastendes unter Beweis zu stellen 185. <strong>Die</strong>sen Aspekt hat ausdrücklich das<br />
OLG Zweibrücken in einer Entscheidung mit zugr<strong>und</strong>e gelegt. Es stellte eine<br />
mehrjährige Verfahrensverzögerung fest <strong>und</strong> stützte seine verfahrensbeendende<br />
Entscheidung u. a. darauf, daß wegen des Zeitablaufs Beweisverluste zum Nachteil<br />
des Angeklagten zu befürchten seien, der einen Alibizeugen benannt hatte 186.<br />
178 Vgl. BGHSt 21, S. 81 (83); LG Frankfurt, JZ 1971, S.234 (235); Kleinknecht,<br />
StP032, Einl. 7 Anm. F; Nose, ZStW 82 (1970), S. 792 Fn. 29.<br />
179 So OLG Karlsruhe, NJW 1972, S. 1907 (1908); OLG Köln, NJW 1973, S. 1010;<br />
OLG Düsseldorf, StV 1989, S. 113; OLG Frankfurt, StV 1983, S.380; 1990, S.269<br />
(270); S. 310 (311); KleinknechtlJanischowsky, Das Recht der Untersuchungshaft,<br />
Rn. 260; Seetzen, ZRP 1975, S. 32; kritisch Seebode, StV 1989, S. 212 f.; a.A. wohl<br />
Miehsler I Vogler, IntKomm Art. 6 Rn. 321.<br />
180 Vgl. BGH bei Dallinger, MDR 1973, S.372; bei Spiegel, DAR 1983, S.203;<br />
BayObLGSt 1964, S. 135.<br />
181 Vgl. etwa Lorenz, <strong>Die</strong> Verjährung in der deutschen Strafgesetzgebung, S. 90 ff.;<br />
Bloy, <strong>Die</strong> dogmatische Bedeutung der Strafausschließungs- <strong>und</strong> Strafaufhebungsgründe,<br />
S.180ff.<br />
182 Vgl. Kühne, Strafprozeßlehre3, Rn. 91.1.<br />
183 Helmken, ZRP 1978, S. 135.<br />
184 Vgl. Schünemann, NJW 1968, S. 976; Rieß, FS Dünnebier, S. 166 f.<br />
185 Vgl. LG Köln, NStZ 1989, S. 442 (443); Schätzler, StrEG2, Einl. Rn. 42; K. Peters,<br />
Strafprozeß4, § 28 IV 6; Prochnow, <strong>Die</strong> Beschleunigung des <strong>Strafverfahren</strong>s in rechtsvergleichender<br />
Betrachtung, S. 159; Kohlmann, FS Maurach, S. 102; Nose, ZStW 82 (1970),<br />
S. 791 Fn. 27; Eser, JZ 1966, S. 668.<br />
186 OLG Zweibrücken, StV 1989, S. 51 (52); anders aber BGH, StV 1989, S. 187<br />
(188); LG Köln, NStZ 1989, S.442 (443). Siehe jetzt auch das Einstellungsurteil des<br />
LG Berlin im sog. Schmücker-Verfahren.<br />
12 SchelTIer
178 5. Kap.: Einstellung wegen Verletzung <strong>von</strong> Verfahrensrecht B. Schwerwiegende Rechtsstaatswidrigkeit als Verfolgungsverbot 179<br />
<strong>Die</strong> Problematik des Beweismittelverlustes durch verspätetes rechtliches Gehör<br />
löste Anfang der sechziger Jahre heftige Diskussionen aus. 1961 hatte sich das<br />
OLG Düsseldorf mit der Revision der Staatsanwaltschaft gegen ein Urteil zu<br />
beschäftigen, in dem das Instanzengericht das Verfahren eingestellt hatte, weil<br />
ihm ein nicht zu beseitigendes Hindernis dadurch entgegenstehe, daß der Gr<strong>und</strong>satz<br />
des rechtlichen Gehörs verletzt worden sei. Der Beschuldigte sei nämlich<br />
zu seinem (geringfügigen) Verkehrsdelikt erst zu einem Zeitpunkt vernommen<br />
worden, an dem er keine Erinnerung mehr an das zur Last gelegte Verhalten<br />
gehabt habe 187. In einer Urteilsanmerkung trat Amdt der Auffassung des Instanzengerichts<br />
bei: Das Risiko, daß Zeitverlust die Ermittlungen beeinträchtigt, dürfe<br />
nicht dem Bürger aufgebürdet werden, sofern dieser nicht durch vorwerfbares<br />
Verhalten für den Zeitverlust einzustehen habe 188. Das OLG Düsseldorf hob das<br />
einstellende Urteil jedoch auf: Verspätetes rechtliches Gehör könne nicht zur<br />
Verfahrensbeendigung führen. <strong>Die</strong>ser Auffassung folgten in den nächsten Jahren<br />
andere Revisionsgerichte 189 sowie die überwiegende Literatur 190.<br />
Der Gedanke der Irreparabilität wird, allerdings immer etwas peripher, als<br />
Legitimation für verfahrensbeendende Rechtsfolgen <strong>überlange</strong>r Verfahrensdauer<br />
des öfteren herangezogen. So bezog sich schon Tiedemann auf die Verletzung<br />
des Beschleunigungsprinzips in "irreparabler Weise" beim Contergan-Verfahren<br />
l91 • Hillenkamp <strong>und</strong> Ulsenheimer sprechen ebenfalls <strong>von</strong> Verfahrensbeendigung<br />
bei "gravierenden <strong>und</strong> irreparablen" Verstößen 192. Auch der <strong>3.</strong> Strafsenat<br />
des BGH hob - neben der Willkür - auf den "irreparablen Verstoß gegen das<br />
Beschleunigungsgebot" ab 19<strong>3.</strong> Schließlich habenRieß <strong>und</strong> Volk die Verfahrenseinstellung<br />
infolge eines Verfolgungsverbotes in äußersten Extremfällen für rechtsstaatswidrige<br />
Rechtsverstöße irreparabler Art allgemein, aber auch für Fälle<br />
(extremer) Verfahrensverzögerungen, erwogen 194.<br />
b) Rechtsverluste durch sonstige Rechtsstaatswidrigkeiten<br />
Da die "Extremfälle" <strong>überlange</strong>r Verfahrensdauer <strong>von</strong> Rieß <strong>und</strong> Volk zusammen<br />
mit anderen sog. Rechtsstaatswidrigkeiten diskutiert werden, erscheint es<br />
sinnvoll, einen Blick auf die Plausibilität <strong>und</strong> Lösungsfähigkeit des Gedankens<br />
der Irreparabilität bei diesen Fallgruppen zu werfen: Zunächst könnte das Kriterium<br />
der Irreparabilität erklären, weshalb selbst schwere Gr<strong>und</strong>rechtsverletzungen<br />
wie etwa Verstöße gegen Art. 101 I, 103 I GG kein Verfahrenshindernis darstellen<br />
195: <strong>Die</strong>se Fehler sind mit der Revision angreifbar <strong>und</strong> durch Urteilsaufhebung<br />
<strong>und</strong> Zurückverweisung zu beheben. Anderes könnte nur dann gelten, wenn<br />
Rechtsverletzungen, <strong>und</strong> seien sie auch minder schwer, nicht prozessual repariert<br />
werden können 196. Unter diesem Gesichtspunkt hellt sich das Dunkel auf, das<br />
über den Problemkreisen liegt, die zusammen mit der <strong>überlange</strong>n <strong>Dauer</strong> <strong>von</strong><br />
<strong>Strafverfahren</strong> zu einer "Pathologie <strong>von</strong> <strong>Strafverfahren</strong>" 197 verb<strong>und</strong>en werden<br />
<strong>und</strong> bei denen Verfahrensbeendigung jedenfalls in Extremfällen diskutiert wird:<br />
Verfahrensbeendigung dürfte dann ausscheiden, wenn durch eine prozessual<br />
andere Bewältigungsmöglichkeit Irreparabilität zu verneinen ist 198. <strong>Die</strong> Einstellung<br />
ist subsidiär gegenüber innerprozessualen Reaktionsformen 199: "Ein übergesetzl.<br />
Prozeßhindernis kann ... stets nur ultima ratio sein", formuliert Paulus 2oo •<br />
Auch Rieß betont für sein Verfolgungsgebot, es sei nur relevant, "wenn sich<br />
zeigen sollte, daß das vorhandene Reaktions- <strong>und</strong> Rechtsschutzsystem nicht<br />
ausreicht" 201. Ansonsten droht, wie Volk formuliert, der "prozessuale Overkill" 202.<br />
Das gilt am deutlichsten dort, wo die rechtlichen Konsequenzen des betreffenden<br />
Sachverhalts ausdrücklich geregelt sind: So könnte die Annahme eines Verfahrenshindernisses<br />
der "staatlichen Duldung rechtswidrigen Verhaltens" 203<br />
schon deshalb entfallen, weil das Recht der (mutmaßlichen) Einwilligung, vor<br />
187 OLG Düsseldorf, NJW 1961, S. 1734.<br />
188 Amdt, NJW 1961, S. 1734 f.; vg!. auch 1962, S. 27; 1963, S. 455; zustimmend<br />
Rasehorn, NJW 1964, S.579; Dahs, Das rechtliche Gehör im Strafprozeß, S. 41; K.<br />
Peters, StrafprozeB', § 28 IV 3 (ähnlich auch noch in der 4. Aufl., § 28 IV 6); Lerche,<br />
ZZP 78 (1965), S. 17 f.; Schorn, Der Schutz der Menschenwürde im <strong>Strafverfahren</strong>, S. 68.<br />
189 OLG Celle, NJW 1963, S. 1320; OLG Schleswig, NJW 1963, S. 455 f.; OLG<br />
Hamm, VRS 22, S. 376 (377); vg!. auch OVGE Berlin 8, S. 24 (27).<br />
190 Mendler, NJW 1961, S. 2103 f.; Bockelmann, DAR 1963, S.233; Röhl, NJW<br />
1964, S. 378; Rüping, Der Gr<strong>und</strong>satz des rechtlichen Gehörs <strong>und</strong> seine Bedeutung im<br />
<strong>Strafverfahren</strong>, S. 150 ff.; in BonnKomm (Zweitbearb.), Art. 103 Abs. I Rn. 38; K. Schäfer<br />
in LR'4, Ein!. Kap. 13 Rn. 95 Fn. 153; Bohnert in KK OWiG, Ein!. Rn. 128; Rausche,<br />
<strong>Die</strong> Bedeutung des Art. 103 Abs. I GG für die Stellung des Angeklagten in der Hauptverhandlung<br />
der Tatsacheninstanz, S. 62 ff.<br />
191 Tiedemann in: <strong>Die</strong> Verbrechen in der Wirtschaftl, S. 37.<br />
192 Hillenkamp, JR 1975, S.339; NJW 1989, S.2847; Ulsenheimer, wistra 1983,<br />
S. 14; HWiStR, S. <strong>3.</strong><br />
193 BGHSt 35, S. 137 (142).<br />
194 RieB, JR 1985, S.48; Volk, StV 1986, S.37; ähnlich Hillenkamp, NJW 1989,<br />
S.2847.<br />
195 Vg!. BGHSt 19, S. 273 (275 ff.); 22, S. 26 (29); 26, S. 84 (90); 32, S. 345 (350);<br />
NStZ 1984, S. 419.<br />
196 A. A. Volk, StV 1986, S. 35, der darauf abhebt, ein Fehler würde nicht "in der<br />
Skala <strong>von</strong> Fehlern <strong>und</strong> Bedenklichkeiten ganz unten" rangieren. Siehe auch Wolter in<br />
SK StPO, vor § 151 Rn. 209 f.<br />
197 Volk, StV 1986, S. 35; vg!. auch Driendl, Verfahrensökonomie <strong>und</strong> Strafprozeßreform,<br />
S. 30<strong>3.</strong> In anderem Zusammenhang, nämlich zum Fehlurteil, gebraucht M. Hirschberg,<br />
Das Fehlurteil im Strafprozeß, S. 7 f., den Begriff ("Pathologie der Strafurteilsfindung").<br />
198 Vg!. Hili, HdB Staatsrecht VI, § 156 Rn. 16. Den anderen, hier zu vernachlässigenden<br />
Zugang beschreibt Wolter in SK StPO, vor § 151 Rn. 209 f.: Das Abstellen auf das<br />
gesteigerte Handlungsunrecht bei Strafverfolgung in "extrem menschenrechtswidriger<br />
Weise".<br />
199 Ähnlich RieB, JR 1985, S. 46; Hillenkamp, NJW 1989, S. 2847.<br />
200 Paulus in KMR, § 206a Rn. 25.<br />
201 RieB, JR 1985, S. 48.<br />
202 Volk, StV 1986, S. 36.<br />
203 Vg!. etwa Rüping, <strong>Die</strong> Mitverantwortung des Staates als Verfolgungsverbot,<br />
S. 20 ff.; Fe1ix, DB 1983, S. 2728 f.; Schreiber, OS Arm. Kaufmann, S. 831 f.<br />
12*
180 5. Kap.: Einstellung wegen Verletzung <strong>von</strong> Verfahrensrecht B. Schwerwiegende Rechtsstaatswidrigkeit als Verfolgungsverbot 181<br />
allem aber die Verbotsirrtumsregelung abschließend die Rechtsfolgen bestimmt<br />
204 • Auch bei der Einflußnahme seitens der Justizverwaltung auf laufende<br />
<strong>Strafverfahren</strong> 205 dürften die Befangenheitsvorschriften 206 der "Einstellungslösung"<br />
207 vorgeschaltet sein.<br />
Umgekehrt wäre noch am ehesten auf ein Verfahrenshindernis bzw. Verfolgungsverbot<br />
in dem Bereich zurückzugreifen, der dadurch gekennzeichnet ist,<br />
daß die Strafverfolgungsbehörden rechtswidrig Kenntnis <strong>von</strong> verfahrensrelevanten<br />
Sachverhalten erlangt haben. So ist schon häufiger auf die Problematik<br />
hingewiesen worden, wie einem Richter etwa bei durch Verstoß gegen § 136a<br />
StPO erlangten Beweismitteln die Isolierung <strong>und</strong> Ausblendung des unter das<br />
Verwertungsverbot fallenden Wissens vom sonstigen Wissen gelingen soll 208 •<br />
Ähnlich hat auch das AG Mannheim bei rechtswidriger Kenntniserlangung des<br />
Verteidigungskonzepts durch die Staatsanwaltschaft ein Verfahrenshindernis angenommen,<br />
da der Verstoß erheblich sei, weil "durch das Vorgehen der Staatsanwaltschaft<br />
Tatsachen zum Nachteil des Angeklagten geschaffen wurden, die nicht<br />
mehr reparabel sind" 209. In diesen Fällen käme ein Verfahrenshindernis in Betracht,<br />
soweit "keine anderweitige Möglichkeit der Verfahrensbeendigung zur<br />
Verfügung" steht 21O , was, wie Geppert hervorhebt, insbesondere Befangenheitsablehnungen,<br />
Auswechselungen der StA-Sitzungsvertreter <strong>und</strong> Beweisverbote<br />
sein können 211. Nun ist der Reparabilität dieser Verfahrensverstöße durch Auswechselung<br />
der Strafverfolgungspersonen entgegengehalten worden, auch die<br />
neuen Amtspersonen könnten den Akten die unter Verstoß gegen das Beweiserhe-<br />
204 Vgl. dazu BGH, NJW 1987, S. 1273 (1279) (insoweit nicht in BGHSt 33, S. 272<br />
abgedruckt); BayObLGSt 1955, S. 192 (197); OLG Stuttgart, JR 1978, S.294 (295);<br />
StA Mannheim, NJW 1976, S. 585 (586); Randelzhofer / Wilke, <strong>Die</strong> Duldung als Form<br />
flexiblen Verwaltungshandeins, S. 77; Hermes / Wieland, <strong>Die</strong> staatliche Duldung rechtswidrigen<br />
Verhaltens, S. 111 f.; Laufhütte / Möhrenschlager, ZStW 92 (1980), S.932;<br />
Möhrenschlager, NuR 1983, S.215; Arzt, GA 1990, S.326; Wasmuth/Koch, NJW<br />
1990, S. 2441.<br />
205 Vgl. J. Wagner, StrafprozeBführung über Medien, S. 75 ff.; Zuck, MDR 1990,<br />
S. 680 ff.<br />
206 Vgl. RGSt 66, S. 385; OLG München, AlsbE 1, Nr. 72; Nr. 77; OLG Celle, MDR<br />
1971, S. 774; OLG Düsseldorf, NJW 1950, S. 395; Wendisch in LR24, § 24 Rn. 11 f.;<br />
Rudolphi in SK StPO, § 24 Rn. 25; Arzt, Der befangene Strafrichter, S. 110 ff.; Schairer,<br />
Der befangene Staatsanwalt, S. 137; Krekeler, NJW 1981, S. 1636.<br />
207 Dafür aber Saiger, ZRP 1990, S. 30; Hillenkamp, NJW 1989, S. 2845; dagegen<br />
Tönnies, ZRP 1990, S. 292 ff. Vgl. auch Hasserner, KritJ 23 (1990), S. 359.<br />
208 K. Peters, Verh. 46. DJT, S. 160; Arzt, FS K. Peters, S. 231 f.; Gössel, NStZ 1984,<br />
S. 421 f.<br />
209 AG Mannheim, StV 1985, S. 276 (aufgehoben durch OLG Kar1sruhe, StV 1986,<br />
S. 10). A. A. auch BGH, NStZ 1984, S. 419; StV 1989, S. 187 (188).<br />
210 OLG Karlsruhe, StV 1986, S. 10 (11).<br />
211 Geppert, JK 1985, StPO § 260 1II/ 1; ähnlich Hillenkamp, NJW 1989, S. 2847;<br />
Grünwald, JZ 1966, S. 500 f.; RieB, JR 1985, S. 45; Arloth, NJW 1985, S. 418; Dahs,<br />
GS K. Meyer, S. 75.<br />
bungsverbot erlangten Kenntnisse entnehmen, was auch de lege ferenda bei enger<br />
Verknüpfung mit dem Prozeßgegenstand nicht immer zu vermeiden wäre 212,<br />
so daß in diesem Fall die Annahme eines Verfahrenshindernisses ultima ratio<br />
wäre 21<strong>3.</strong> Im übrigen kommt entgegen dem 2. Senat des BGH <strong>und</strong> Gössel 214 bei<br />
rechtsstaatswidriger Kenntniserlangung des Verteidigungskonzepts des Beschuldigten<br />
durch die Strafverfolgungsorgane noch eines dazu: Da jedenfalls die<br />
Rechtsprechung nur sehr begrenzt die Fernwirkung <strong>von</strong> Beweisverboten anerkennt,<br />
genügt es nicht, daraufabzustellen, den Beschuldigten bliebe es "unbenommen,<br />
die beabsichtigten Beweisanträge zu stellen <strong>und</strong> auch <strong>von</strong> ihren sonstigen<br />
prozessualen Rechten Gebrauch zu machen". Es dürfte hier vielmehr zulässig<br />
<strong>und</strong> aufgr<strong>und</strong> der richterlichen Aufklärungspflicht sogar geboten sein, die zur<br />
Kenntnis gelangten Hinweise auf weitere Beweismittel zu verfolgen, die der<br />
Beschuldigte aus prozeßtaktischen Gründen entweder später oder aber überhaupt<br />
nicht benutzen wollte.<br />
Sofern man ein Beweisverwertungsverbot mit Fernwirkung beim unzulässigen<br />
Lockspitzeleinsatz anerkennt 215 , wäre auch in diesem Bereich ein entscheidender<br />
Einwand gegen die Annahme eines Prozeßhindernisses (bzw. Verfolgungsverbots)<br />
vorhanden; es erscheint fraglich, ob in diesem Fall noch Raum für ein<br />
"Verfahrenshindernis <strong>von</strong> Verfassungs wegen" als "ultima ratio" für den Fall,<br />
daß der "Schaden irreparabel" ist, bliebe, wie Creutz meint 216 • Freilich würde<br />
die Annahme eines Beweisverwertungsverbots mit Fernwirkung in vielen Fällen<br />
im Ergebnis einem Verfahrenshindernis gleichkommen 217 , wenngleich - nach<br />
Eröffnung - Freispruch zu ergehen hätte 218 •<br />
Was andere Fallgruppen angeht, wäre das Erfordernis des Verfahrenshindernisses<br />
bzw. Verfolgungsverbots als ultima ratio noch skeptischer zu beurteilen: Bei<br />
der "völkerrechtswidrigen Ergreifung" des Beschuldigten 219 scheitert die Annahme<br />
eines solchen (dauerhaften) Hindernisses schon daran, daß es zu einer Privilegierung<br />
des Verfolgten zu seiner früheren Position führte, ihm mehr als eine<br />
212 K. Peters, Verh. 46. DJT, S. 160; Arzt, FS K. Peters, S. 232; Gössel, NStZ 1984,<br />
S. 421 f. 1m sog. Schmücker-Verfahren meinte auch das LG Berlin, sich <strong>von</strong> unzulässigem<br />
Wissen kaum freimachen zu können.<br />
213 Gössel, NStZ 1984, S. 421 f.<br />
214 BGH, NStZ 1984, S.419; Gössel, NStZ 1984, S.421; vgl. auch Arloth, NJW<br />
1985, S. 418.<br />
215 Siehe etwa Franzheim, NJW 1979, S. 2015; Creutz, ZRP 1988, S. 419; wohl auch<br />
Berz, JuS 1982, S. 94 f.; siehe auch schon Lüderssen, FS K. Peters, S. 368; vgl. auch<br />
K. Peters, Verh. 46. DJT, S. 98 f.; 162.<br />
216 Creutz, ZRP 1988, S. 419 Fn. 61; wohl auch Hillenkamp, NJW 1989, S. 2848 f.;<br />
vgl. auch K. Meyer, NStZ 1985, S. 135.<br />
217 Franzheim, NJW 1979, S. 2015; Berz, JuS 1982, S. 421; Lüderssen, Jura 1985,<br />
S. 122; K. Meyer, NStZ 1985, S. 135; 1. Roxin, Rechtsfolgen, S. 227 f.<br />
218 Teilweise abweichend K. Peters, Verh. 46. DJT, S. 161.<br />
219 BVerfG (VorprüfungsausschuB), NStZ 1986, S. 178; (Kammer), NStZ 1986,<br />
S. 468; BGH, NStZ 1984, S. 536; OLG Düsseldorf, NJW 1984, S. 2050.
182 5. Kap.: Einstellung wegen Verletzung <strong>von</strong> Verfahrensrecht B. Schwerwiegende Rechtsstaatswidrigkeit als Verfolgungsverbot 183<br />
Ausreisemöglichkeit einzuräumen 220. Genauso scheidet schließlich die Annahme<br />
eines Verfahrenshindernisses oder Verfolgungsverbots im Falle der "öffentlichen<br />
Vorverurteilung durch die Massenmedien" aus: Hier liegen regelmäßg Fehler<br />
außerhalb der Sphäre der Strafverfolgungsorgane vor 22l ; anderes könnte allenfalls<br />
bei <strong>von</strong> den Strafverfolgungsbehörden gelenkter öffentlicher Vorverurteilung<br />
gelten 222, wofür es jedoch an praktischen Beispielen (bisher) fehlt 22<strong>3.</strong> Im übrigen<br />
dürften auch hier die Befangenheitsvorschriften (bzw. § 145 GVG) vorrangig<br />
sein 224.<br />
Öffentlichkeit auszuschließen. Eine weitere Versagung der Genehmigung könnte<br />
nunmehr ermessensfehlerhaft sein 230.<br />
Letztere Fälle haben mit dem durch Verzögerungen bedingten Beweisverlust<br />
eine wesentliche Gemeinsamkeit: Das Beweismaterial ist durch staatliches Fehlverhalten<br />
materiell unrichtig bzw. unvollständig.<br />
Schließlich sind Rechtsstaatswidrigkeiten denkbar, bei denen die Möglichkeit<br />
bestehen könnte, sie im Rahmen der Beweiswürdigung zu berücksichtigen: <strong>Die</strong>s<br />
hat zum einen der 5. Senat des BGH225 gegen das LG Hannover 226 bejaht für<br />
den Fall <strong>von</strong> Beweismanipulationen der Strafverfolgungsbehörden. Anders als<br />
in der oben erwähnten Fallgruppe der rechtswidrigen Erlangung <strong>von</strong> Beweismitteln<br />
ist hier die Befürchtung, die Gerichte könnten sich nicht <strong>von</strong> dem fehlerhaften<br />
Material lösen, nicht realistisch, da hier nicht nur formell der Ermittlungsweg,<br />
sondern auch das Ermittlungsergebnis materiell falsch ist 227. <strong>Die</strong> Möglichkeit<br />
der Berücksichtigung im Rahmen der Beweiswürdigung hat der 2. Strafsenat des<br />
BGH auch im Fall der nicht umfassend erteilten Aussagegenehmigung eines<br />
angeklagten Beamten betont 228 . <strong>Die</strong>ser Konstellation steht zwar zunächst einmal<br />
das Bedenken gegenüber, daß in der fehlerfreien Beschränkung der Aussagegenehmigung<br />
staatliches Fehlverhalten jedenfalls dann nicht gesehen werden kann,<br />
sofern man hier nicht auf eine Art venire contra factum proprium abstellt229.<br />
Anders sieht es aber aus, wenn die vollständige Aussagegenehmigung verweigert<br />
worden ist, obwohl das Gericht sich bereiterklärt hat, nach § 172 Nr. I GVG die<br />
220 M. Herdegen, EuGRZ 1986, S. 2; Vogler, FS Oehler, S. 390; Schubarth, StV 1987,<br />
S. 175; a.A. Hillenkamp, NJW 1989, S. 2849 Fn. 97.<br />
221 Hassemer, NJW 1985, S. 1928; Hillenkamp, NJW 1989, S.2845 Fn.46; wohl<br />
auch Bruns, NStZ 1985, S. 565.<br />
222 Hillenkamp, NJW 1989, S. 2849. S. dazu auch unten, 7. Kap. C I 2.<br />
223 Hillenkamp, NJW 1989, S. 2845.<br />
224 Vgl. BGHSt 22, S. 289; Rudolphi in SK StPO, § 24 Rn. 25; Arzt, Der befangene<br />
Strafrichter, S. 114; J. Wagner, Strafprozeßführung über Medien, S. 90 ff.; Bomkamm,<br />
Pressefreiheit <strong>und</strong> Faimeß des <strong>Strafverfahren</strong>s, S. 209 f.; 237 ff.; Hanack, JZ 1971,<br />
S. 91 f.; Hassemer, NJW 1985, S. 1927; Hillenkamp, NJW 1989, S.2849. Krekeler,<br />
AnwBI. 1985, S. 430, weist allerdings auf die Schwierigkeiten hin, wenn öffentliche<br />
Vorverurteilungen "b<strong>und</strong>esweit stattfinden". Zu Extremfällen vgl. auch Kohl, JZ 1985,<br />
S. 669; J. Meyer in: Öffentliche Vorverurteilung <strong>und</strong> faires <strong>Strafverfahren</strong>, S. 351.<br />
225 BGHSt 33, S. 283 (284).<br />
226 LG Hannover, StV 1985, S. 94 (99 f.).<br />
227 Deshalb ist unklar, warum Teske, JA 1986, S. 109, hier ein "über § 136a StPO<br />
hinausgehendes Verwertungsverbot" fordert. Äußerst problematisch wird es allerdings,<br />
wenn, wie das LG Berlin im sog. Schmücker-Verfahren meinte, sich nicht mehr vollständig<br />
ermitteln läßt, inwieweit das Ermittlungsergebnis materiell falsch ist.<br />
228 BGH, StV 1989, S. 137 (139) (insoweit nicht in BGHSt 36, S. 44 abgedruckt).<br />
229 Vgl. J. Meyer, ZStW 95 (1983), S. 850 f.<br />
230 So zutreffend Salditt, NStZ 1989, S. 333; Geppert, JK 1989, StPO § 244 lI/5b.<br />
Vgl. auch Ziegler, <strong>Die</strong> Aussagegenehmigung im Beamtenrecht, S. 174 f.
A. Beweisverlust - <strong>Die</strong> Ausgangslage 185<br />
Sechstes Kapitel<br />
Beweiserleichterung wegen<br />
Unterganges <strong>von</strong> Beweismitteln<br />
A. Beweisverlust - <strong>Die</strong> Ausgangslage<br />
Knüpft man an diese Überlegungen an, bleibt zu prüfen, ob bei irreparabler<br />
Verfahrensverzögerung der Weg der Berücksichtigung in der Beweiswürdigung<br />
ebenfalls gangbar sein könnte. Sollte sich hier ein prozessual durchführbares <strong>und</strong><br />
materiell befriedigendes Ergebnis finden lassen, bedeutet dies jedenfalls insoweit<br />
das "Aus" für die "Einstellungslösung": Sie wäre als "ultima ratio" nicht <strong>von</strong>nöten,<br />
so daß weder ein Verfahrenshindernis praeter legern noch ein wie auch<br />
immer geartetes "Verfolgungsverbot" ins Leben zu rufen wäre. <strong>Die</strong> ausfüllungsbedürftige<br />
Lücke im Rechtsfolgensystem fehlte.<br />
Beweisverlust - stirbt etwa der (noch nicht gehörte) Zeuge oder geht eine<br />
Urk<strong>und</strong>e verloren - führt im Strafprozeßrecht wie auch nach den sonstigen<br />
Verfahrensordnungen gr<strong>und</strong>sätzlich zum - ersatzlosen - Ausfall des Beweismittels.<br />
<strong>Die</strong>s ist im <strong>Strafverfahren</strong> für den Beschuldigten prinzipiell sogar unproblematischer,<br />
als dies in sonstigen Verfahren ist, da er hier keinerlei "Beweislast"<br />
trägt I, sondern vollständig überführt werden muß. Eine Ausnahme gilt lediglich<br />
für § 186 StGB, wo der Beweisverlust den Beschuldigten trifft 2. Theoretisch<br />
folgt ansonsten aus dem Gr<strong>und</strong>satz "in dubio pro reo", daß nur im Falle eines<br />
"Fehlurteils" - d. h. der irrtümlichen richterlichen Überzeugungsbildung - sich<br />
Beweisverlust zu Lasten des Beschuldigten in der Entscheidung auswirken kann<br />
(sofern es sich nicht um ein die Wahrheit verfälschendes Beweismittel gehandelt<br />
hat). Allerdings impliziert eine (teilweise) Nichtbestrafung "in dubio pro reo"<br />
- worauf Montenbruck hinweist 3 -, daß weiterhin ein (u. U. ganz erheblicher)<br />
Verdacht besteht.<br />
Bei näherem Hinsehen ergibt sich jedoch darüber hinaus, daß bei der praktischen<br />
Rechtsanwendung gerade im <strong>Strafverfahren</strong> die Gefahr des "Fehlurteils"<br />
1 Vgl. dazu Montenbruck, In dubio pro reo, S. 35 ff.; Volk, JuS 1975, S. 26 f.; Prütting,<br />
Gegenwartsprobleme der Beweislast, S. 36 ff.<br />
2 Vgl. Prütting, Gegenwartsprobleme der Beweislast, S. 38; Dreher / Trönd1e, StGB44,<br />
§ 186 Rn. 8. Vgl. dazu auch J. Kühl, Prozeßgegenstand <strong>und</strong> Beweisthema im <strong>Strafverfahren</strong>,<br />
S. 196 f.<br />
3 Montenbruck, In dubio pro reo, S. 64.<br />
aufgr<strong>und</strong> "psychologischer Überforderung"4 nicht zu gering zu veranschlagen<br />
ist: Anklage wird <strong>von</strong> der Staatsanwaltschaft bei "genügendem Anlaß" erhoben<br />
(§ 170 I StPO), das Gericht eröffnet, wenn der Angeschuldigte "hinreichend<br />
verdächtig" erscheint (§ 203 StPO). Staatsanwaltschaft <strong>und</strong> Gericht haben also<br />
die Verurteilung aufgr<strong>und</strong> des ihnen vorliegenden Beweismaterials für wahrscheinlich<br />
angesehen. Zwar muß das Gericht allen konkreten Anhaltspunkten<br />
für einen anderen Geschehensablauf nachgehen - aber eben diese Anhaltspunkte<br />
werden regelmäßig nur durch Beweismittel zu vermitteln sein 5.<br />
<strong>Die</strong>se Ausgangslage ist auch beim Beweisverlust durch Zeitablauf gegeben:<br />
<strong>Die</strong> Möglichkeit, ein untergegangenes Beweismittel hätte den Beschuldigten<br />
entlasten können, findet nur dann in die richterliche Beweiswürdigung Eingang,<br />
wenn Anhaltspunkte hierfür bestehen. Ansonsten wird eine diesbezügliche Behauptung<br />
des Beschuldigten auch unter Berücksichtigung der Zweifelsregelung<br />
kaum geeignet sein, die richterliche Überzeugungsbildung zu beeinflussen, sondern<br />
als bloße Schutzbehauptung abgetan werden. Der bloße Zeitablauf wird<br />
einen solchen Anhaltspunkt nur selten darstellen: So mag etwa beim versuchten<br />
Alibibeweis die Behauptung eines Zeugen, er könne sich nicht mehr sicher<br />
erinnern, ob er mit dem Beschuldigten zur fraglichen Zeit zusammengewesen<br />
ist, nach längerem Zeitablauf glaubhafter sein <strong>und</strong> dann bei Gericht eher Zweifel<br />
an der Täterschaft des Beschuldigten wecken als kurz nach der Tat. Nichts<br />
anderes dürfte auch gelten, soweit der Beschuldigte sich damit verteidigt, wie<br />
Anfang der sechziger Jahre unter dem Gesichtspunkt des verspäteten rechtlichen<br />
Gehörs geschehen 6 , er könne sich an die ihm vorgeworfenen (Bagatell-)Verfehlungen<br />
nicht mehr erinnern.<br />
<strong>Die</strong>sen Überlegungen entspricht es, wenn der 2. Senat des BGH in dem erwähnten<br />
Fall (rechtmäßiger) beamtenrechtlicher Beschränkung der Aussagegenehmigung<br />
des beschuldigten V-Mann-Führers, der wegen Straftaten im Amt angeklagt<br />
war, dem Tatgericht empfiehlt, der Hinderung der Geltendmachung <strong>von</strong> Umständen<br />
"besonderes Augenmerk zuzuwenden" <strong>und</strong> im Zweifel für den Angeklagten<br />
zu entscheiden? Nur so macht auch die Formulierung des LG Köln im sog.<br />
"OPEC-Verfahren" Sinn, die durch Zeitablauf verschlechterte Beweissituation<br />
sei "aufder Ebene der Beweiswürdigung" zu berücksichtigen 8. Hier gabenjeweils<br />
4 Montenbruck, In dubio pro reo, S. 64; 190; Sax in: <strong>Die</strong> Gr<strong>und</strong>rechte III/2, S. 989;<br />
ähnlich Schünemann, Verh. 58. DJT, S. B 145 f.<br />
5 Vgl. Dencker, ZStW 102 (1990), S. 72 f.; J. Kühl, Prozeßgegenstand <strong>und</strong> Beweisthema<br />
im <strong>Strafverfahren</strong>, S. 199 f.<br />
6 Vgl. OLG Düsseldorf, NJW 1961, S. 1734 (1735); OLG Schleswig, NJW 1963,<br />
S. 45~ (456); OLG Celle, NJW 1963, S. 1320 (1321); Rüping, Der Gr<strong>und</strong>satz des<br />
rechtlIchen Gehörs <strong>und</strong> seine Bedeutung im <strong>Strafverfahren</strong>, S. 151; in BonnKomm<br />
(Zweitbearb.), Art. 103 Abs. 1 Rn. 38; Rausche, <strong>Die</strong> Bedeutung des Art. 103 Abs. 1 GG<br />
für die Stellung des Angeklagten in der Hauptverhandlung der Tatsacheninstanz, S. 64 ff.<br />
? BGH, StV 1989, S. 137 (139) (insoweit nicht in BGHSt 36, S. 44 abgedruckt).<br />
8 LG Köln, NStZ 1989, S. 442 (443).
186 6. Kap.: Beweiserleichterung wegen Unterganges <strong>von</strong> Beweismitteln B. Beweisvereitelung - Das Extrem 187<br />
die besonderen Sachverhalte Anlaß, den Verlust <strong>von</strong> Entlastungsbeweisen für<br />
möglich zu erachten.<br />
Im Zivilprozeßrecht ist die Problematik bekannt, inwieweit eine darle~ung~pflichtige<br />
Partei mit Nichtwissen (§ 138 IV ZPO) bestreiten kan~, wenn ihr die<br />
Substantiierung ihrer Behauptung, so sei es nicht gewesen, mcht zugemutet<br />
werden kann. Hier wird da<strong>von</strong> ausgegangen, daß nur ein korrektes Sicherinnern<br />
im Sinne einer pflichtgemäßen Gedächtnis- <strong>und</strong> Nachforschungsanstrengung zu<br />
erwarten ist. Es schade die Berufung auf Nichtwissen dann nicht ohne weiteres,<br />
wenn auch jeder andere Durchschnittsbürger sich an den fraglichen Vorfall<br />
überhaupt nicht mehroder wenigstens nicht mehr an dessen relevante Einzelheiten<br />
erinnern würde bzw. wenn dazu etwa vorhanden gewesene Hilfsmittel (Erinnerungsstützen)<br />
ohne Sorgfaltsverstoß nicht mehr präsent sind 9 • Folge ist, daß ~ie<br />
Gegenpartei für ihre Behauptung beweispflichtig ist. Auch hier knüpfen beweisrechtliche<br />
Folgen also erst dann an den möglichen Beweisverlust durch Zeitablauf<br />
an, wenn dieser im Einzelfall plausibel erscheint.<br />
B. Beweisvereitelung - Das Extrem<br />
Anders könnte die Sachlage im entgegengesetzten Fall aussehen, wenn der<br />
Beweis nicht durch bloßen Zeitablauf untergegangen ist, sondern die Strafverfolgungsbehörden<br />
die Beweiserhebung "vereitelt", also bewußt ver~indert hab~n.<br />
Solche Vorkommnisse mögen vornehmlich theoretischer Natur sem, wenngleich<br />
auch etwa das LG Hannover in einer neueren Entscheidung einige Vorfälle dieser<br />
Art festgestellt hat 10. Danach hatten die Ermittlungsorgane unter anderem ein<br />
Vernehmungsprotokoll "unterdrückt", ein zweites "vernichtet" <strong>und</strong> ein Foto "zurückgehalten".<br />
Auch der 5. Strafsenat des BGH hat im sog. "Schmücker-Verfahren"<br />
formuliert, die "Unerreichbarkeit" einzelner Beweismittel sei "weitgehend<br />
auch durch das Verhalten <strong>von</strong> staatlichen Behörden verursacht worden"". Zwar<br />
hat es sich hier nicht um Verhalten <strong>von</strong> Strafverfolgungsbehörden, sondern des<br />
Verfassungsschutzes gehandelt; dies spielt aber nach oben Gesagtem dem Beschuldigten<br />
gegenüber keine Rolle 12. Es fragt sich, ob in solchen Fällen nicht<br />
weitergehende beweisrechtliche Konsequenzen zu ziehen sind.<br />
9 Eike Schmidt in AK ZPO, § 138 Rn. 72 f.; OLG Hamm, VersR 1982, S. 1045; LAG<br />
Bremen, BB 1986, S. 1992. VgI. auch F. v. Hippel, Wahrheitspflicht <strong>und</strong> Aufklärungspflicht<br />
der Parteien im Zivilprozeß, S. 410 ff.; Olzen, ZZP 98 (1985), S. 422 f. Vgl. auch<br />
RG, HRR 1934, Nr. 560.<br />
10 LG Hannover, StV 1985, S. 94 (99 f.).<br />
" BGH, StV 1989, S. 187 (188). VgI. dazu Häusler, Der unendliche Kronzeuge,<br />
S. 7 ff.; E1fferding, Cilip 28 (1987), S. 31 ff.; Strate, D~R.198~, S. 36~ ff.; J. Blau, ~uR<br />
1989, S. 253 ff. Noch weitergehend jetzt das LG Berhn m semem EmstellungsurteiI.<br />
12 Siehe oben, <strong>3.</strong> Kap. B 11.<br />
I. <strong>Die</strong> gesetzlichen Anknüpfungspunkte<br />
1. Beeinträchtigung des Erinnerungsvermögens, § 1363 11 StPO<br />
Das OLG Celle hat sich in einem obiter dictum zu dem Fall "willkürlicher<br />
Verschleppung polizeilicher Ermittlungen zwecks Beeinträchtigung des Erinnerungsvermögens<br />
eines Beschuldigten (oder Zeugen)" geäußert 1<strong>3.</strong> Das Gericht hat<br />
angedeutet, daß hier die Vorschrift des § 136a 11 StPO eingreifen könnte, wonach<br />
das Erinnerungsvermögen beeinträchtigende Maßnahmen "nicht gestattet" sind.<br />
In der Literatur wird § 136a 11 StPO kaum näher betrachtet; der Vorschrift wird<br />
neben Abs. 1 nur geringe Bedeutung eingeräumt. So erscheint es zunächst nicht<br />
einmal zweifelsfrei, inwieweit § 136a 11 StPO für einen Teilbereich des Problems<br />
- den Zeugenbeweis (§ 69 III StPO), den Sachverständigenbeweis (vgl. § 72<br />
StPO) <strong>und</strong> die Einlassung des Beschuldigten als Beweismittel im weiteren Sinne<br />
- anwendbar ist. Da in § 136a 11 StPO - anders als in Abs. 1 - nicht nur<br />
bestimmte Einwirkungsmöglichkeiten verboten sind (wobei der dortige Katalog<br />
auf Methoden ausgedehnt werden kann, die vergleichbar sind 14), sondern die<br />
Einwirkung auf den zu Vernehmenden generell für unzulässig erklärt wird 15,<br />
mag das bloße Zuwarten ausreichend sein, wenngleich in der Literatur nur auf<br />
Eingriffe wie Verabreichung <strong>von</strong> Mitteln, Hypnose <strong>und</strong> Suggestion sowie Ermüdung<br />
hingewiesen wird 16. Denn vieles spricht dafür, daß das hier aufgeworfene<br />
Problem in der Literatur bisher überhaupt nicht erkannt worden ist; symptomatisch<br />
dafür sind etwa die Ausführungen Schlüchters, daß "kaum einmal in der<br />
Verfahrenswirklichkeit das Erinnerungsvermögen beeinträchtigt sein" würde 17.<br />
<strong>Die</strong> Rechtsfolge des Verstoßes gegen § 136a 11 StPO ist jedoch - auch hierzu<br />
wird nirgends Stellung genommen - völlig zweifelhaft: Zwar bezieht sich das<br />
Verwertungsverbot des § 136a III StPO auch auf Verstöße gegen Abs. 2. <strong>Die</strong>s<br />
ist unproblematisch, sofern das Zuwarten zu einer (falschen) Aussage geführt<br />
hat. Wie soll aber ein Verwertungsverbot hinsichtlich einer Aussage funktionieren,<br />
die gerade aufgr<strong>und</strong> der Beeinträchtigung des Erinnerungsvermögens überhaupt<br />
nicht mehr gemacht werden konnte? Der Zweifelsgr<strong>und</strong>satz kann in dieser<br />
Konstellation kaum helfen. Rein logisch gibt es hierfür nur eine Antwort: Verbietet<br />
sich die Verwertung einer unzulässig herbeigeführten Aussage, dann müßte<br />
sich die Verwertung einer vereitelten Aussage gebieten. Es wäre im <strong>Strafverfahren</strong><br />
da<strong>von</strong> auszugehen, daß die für den Beschuldigten günstigstmögliche Aussage<br />
gemacht worden wäre.<br />
13 OLG Celle, NJW 1963, S. 1320 (1321).<br />
14 He. Müller in KMR, § 136a Rn. <strong>3.</strong><br />
15 He. Müller in KMR, § 136a Rn. 2.<br />
16 Vgl. Hanack in LR2\ § 136a Rn. 57; Rogall in SK StPO, § 136a Rn. 79; K. Peters,<br />
Strafprozeß4, § 4111 3; Erbs, NJW 1951, S. 389.<br />
17 Schlüchter, Das <strong>Strafverfahren</strong> 2 , Rn. 97.
._--_.------<br />
188<br />
6. Kap.: Beweiserleichterung wegen Unterganges <strong>von</strong> Beweismitteln B. Beweisvereitelung - Das Extrem 189<br />
2. Beseitigung einer Urk<strong>und</strong>e, § 444 ZPO<br />
Ein solches "Verwertungsgebot" ist, betrachtet man es genauer, gar nicht so<br />
abwegig, wie es zunächst erscheinen mag. Einen Hinweis hierzu gibt § 444 ZPO:<br />
"Ist eine Urk<strong>und</strong>e <strong>von</strong> einer Partei in der Absicht, ihre Benutzung dem Gegner<br />
zu entziehen, beseitigt oder zur Benutzung untauglich gemacht, so können die<br />
Behauptungen des Gegners über die Beschaffenheit <strong>und</strong> den Inhalt der Urk<strong>und</strong>e<br />
als bewiesen angesehen werden". <strong>Die</strong> gleiche Tendenz findet sich auch in §§ 427,<br />
441 III Satz 3 ZPO. § 444 ZPO wird <strong>von</strong> der ganz herrschenden Ansicht als<br />
über den Urk<strong>und</strong>enbeweis hinausgehende, nicht nur auf den Zivilprozeß beschränkte<br />
allgemeine Gr<strong>und</strong>regel für die Beweisvereitelung angesehen 18, der nur,<br />
wie Egbert Peters es ausdrückt, einen "besonders spektakulären Verletzungsfall"<br />
kodifiziert 19.<br />
Einen Sachverhalt der Beweisvereitelung durch Zeitablaufhat das OLG Frankfurt<br />
unter Heranziehung des aus § 444 ZPO entnommenen Rechtsgedankens<br />
entschieden: Es hat in einem Zivilverfahren, in dem der Kläger die Vernehmung<br />
der vom Beklagten benannten Zeugen durch Nichtentbindung <strong>von</strong> deren Schweigepflicht<br />
um sieben Jahre verzögert hatte mit der Folge, daß diese sich nicht<br />
mehr erinnern konnten, den Beklagten im Ergebnis so gestellt, als wäre ihm der<br />
Entlastungsbeweis geglückt20. Der IX. Zivilsenat des BGH konnte in einer Entscheidung<br />
offenlassen, "ob <strong>und</strong> inwieweit das Verhalten des KI. im vorliegenden<br />
Falle Anlaß geben kann, ihm die Nachteile aus einer durch den Zeitablauf erschwerten<br />
Beweisführung aufzubürden" 21.<br />
11. <strong>Die</strong> rechtlichen Parallelen<br />
Von beiden Vorschriften aus käme man also zu dem gleichen Ergebnis: Liegt<br />
Irreparabilität aufgr<strong>und</strong> <strong>von</strong> staatlicher Beweisvereitelung vor, ist das dem Beschuldigten<br />
günstigste Beweisergebnis zugr<strong>und</strong>e zu legen. <strong>Die</strong>s bedeutet nun<br />
freilich nicht, daß damit die Beweistatsache unverrückbar feststehen würde: Dann<br />
stünde der Beschuldigte besser da als ohne die Beweisvereitelung, da das durch<br />
Beweiserhebung gewonnene Beweisergebnis im Rahmen <strong>von</strong> § 261 StPO zurück-<br />
18 Vgl. etwa BGH, VersR 1965, S. 91 (92); Hartmann in Baumbach/Lauterbach 48 ,<br />
§ 444 Anm.2 A; 2 B; 3; Gerhardt, AcP 169 (1969), S.296. A. A. Wahrendorf, <strong>Die</strong><br />
Prinzipien der Beweislast im Haftungsrecht, S. 126; A. Blomeyer, AcP 158 (1959/60),<br />
S. 98. Zur Anwendbarkeit auf den Strafprozeß siehe Krekeler, Der Beweiserhebungsanspruch<br />
des Beschuldigten im Ermittlungsverfahren, S. 269 ff.<br />
19 E. Peters, ZZP 82 (1969), S. 211; vgl. dazu Stümer, <strong>Die</strong> Aufklärungspflicht der<br />
Prozeßen des Zivilprozesses, S. 157 Fn. 30. Vgl. auch Konzen, Rechtsverhältnisse zwischen<br />
Prozeßparteien, S. 233 f.<br />
20 OLG Frankfurt, NJW 1980, S. 2758; vgl. auch BGH, FamRZ 1988, S. 482 (485).<br />
21 BGH, LM Nr. 39 zu § 242 BGB (Ce); vgl. auch BGH, VersR 1965, S. 91 (92).<br />
treten könnte 22. Demzufolge wird in der Zivilprozeßdogmatik auch da<strong>von</strong> gesprochen,<br />
daß der Richter, wenn er über § 444 ZPO eine nicht erreichte Überzeugung<br />
unterstellt, eine zusätzliche "Sanktion" gegen den Vereitelnden verhängt 23 . Eine<br />
solche Sanktion mag im Parteienprozeß angehen. Unter diesem Gesichtspunkt<br />
dürfte auch die häufiger zum Fall der (rechtswidrigen) staatlichen Sperrerklärung<br />
<strong>von</strong> Beweismitteln vorgetragene Auffassung vertretbar sein, dann seien zur Entlastung<br />
vorgebrachte Behauptungen des Beschuldigten als wahr zu unterstellen<br />
<strong>und</strong> "der Entlastungsbeweis gelungen"24. Denn in diesen V-Mann-Fällen nimmt<br />
die sperrende Behörde eine fast parteiähnliche Stellung ein. Jedenfalls bei Beweisvereitelung<br />
durch die Strafverfolgungsbehörden ist für eine Sanktionierung auf<br />
Kosten der Verfahrensziele, insbesondere der Wahrheitsermittlung, kein Raum.<br />
Auch bei einem Verstoß gegen § 136a I StPO folgt aus dem Beweisverwertungsverbot<br />
nicht, daß die unverwertbare Tatsache nicht auf anderem Wege<br />
ermittelt werden dürfte. Hieran ändert sich jedenfalls prinzipiell auch dann nichts,<br />
wenn man entgegen der herrschenden Ansicht dem Beweisverwertungsverbot<br />
des § 136a StPO Fernwirkung zuschreibt25.<br />
Entsprechendes gilt im Rahmen des § 444 ZPO. Auch hier ist es dem Beweisvereitelnden<br />
nicht verwehrt, nunmehr den ihm ursprünglich nicht obliegenden<br />
Gegenbeweis zu führen. <strong>Die</strong> Norm enthält keine Beweisregel 26 . In der Rechtsprechu,ng<br />
des BGH findet sich dazu die Formulierung, daß, wenn eine Partei die<br />
dem Gegner obliegende Beweisführung unmöglich macht, ihr gegenüber die in<br />
Frage kommende Behauptung des Gegners als wahr anzusehen ist, sofern sie<br />
nicht deren Unrichtigkeit nachweist 27 . Hierin könnte auch der Sinn für die als<br />
"Kann-Regelung" ausgestaltete Rechtsfolge des § 444 ZPO zu suchen sein: Der<br />
Gesetzgeber28 wollte wohl nicht bei einer absichtlichen Vereitelung des Urkun-<br />
22 Siehe Nelles, StV 1986, S. 78 f., sowie neuerdings Krekeler, Der Beweiserhebungsanspruch<br />
des Beschuldigten im Ermittlungsverfahren, S. 271 ff. Vgl. auch Hartmann in<br />
Baumbach / Lauterbach 48 , § 444 Anm. 2 A; Baumgärtel, FS Kralik, S. 66; 71; Wahrendorf,<br />
<strong>Die</strong> Prinzipien der Beweislast im Haftungsrecht, S. 128; A. Blomeyer, AcP 158<br />
(1959/69), S. 102 f.<br />
23 Stümer, <strong>Die</strong> Aufklärungspflicht der Parteien des Zivilprozesses, S. 237 f.; Prütting,<br />
Gegenwartsprobleme der Beweislast, S. 188s; Wahrendorf, <strong>Die</strong> Prinzipien der Beweislast<br />
im Haftungsrecht, S. 128 f.; E. Peters, ZZP 82 (1969), S. 211. Vgl. schon Hahn, Materialien<br />
zur Zivilprozeßordnung 2 , S. 329: "prozessuale Strafbestimmung". Vgl. auch Baumgärtei,<br />
FS Kralik, S. 67 m. w. N.<br />
24 LG Münster, StV 1983, S.97; Weider, StV 1983, S. 228; Lüderssen, FS Klug,<br />
S. 538; 1. Meyer, ZStW 95 (1983), S. 859; ähnlich BGHSt 20, S. 189 (191). Vgl. auch<br />
Seelmann, StV 1984, S.479 Fn. 18; Janoschek, Strafprozessuale Durchsuchung <strong>und</strong><br />
Beschlagnahme bei juristischen Personen des öffentlichen Rechts, S. 171.<br />
25 Vgl. dazu etwa Rogall in SK StPO, § 136a Rn. 90 ff., sowie BGHSt 34, S. 362.<br />
26 Vgl. dazu Musielak, <strong>Die</strong> Gr<strong>und</strong>lagen der Beweislast im Zivilprozeß, S. 138 f.<br />
27 BGH, VRS 7, S. 412 (413); NJW 1972, S. 1131; so auch RGZ 101, S. 197 (198);<br />
OGHZ 1, S. 268 (270); kritisch hierzu E. Schneider, MDR 1969, S. 9; Baumgärtel, FS<br />
Kralik, S. 72.
190 6. Kap.: Beweiserleichterung wegen Unterganges <strong>von</strong> Beweismitteln B. Beweisvereitelung - Das Extrem 191<br />
denbeweises dem Richter zur freien Entscheidung überlassen, ob er die Behauptungen<br />
des Gegners als bewiesen ansieht 29, sondern lediglich die Möglichkeit des<br />
Gegenbeweises offen halten 30.<br />
1. Indizbeweis <strong>und</strong> Alibi<br />
Insofern liegt der Fall anders als bei einer Wahrunterstellung gemäß § 244 III<br />
Satz 2 I. Alt. StPO. Dort ist ein Zurückstellen der als wahr unterstellten Tatsache<br />
hinter das sonstige Beweisergebnis im Rahmen der Gesamtwürdigung nicht<br />
erlaubt3!. Vergleichbar ist dies vielmehr mit der Situation, die bei der Wahrunterstellung<br />
<strong>von</strong> Indiztatsachen entsteht, soweit dies überhaupt für zulässig angesehen<br />
wird 32. Hier gilt zwar auch, daß die als wahr unterstellte Indiztatsache nicht<br />
hinter das sonstige Beweisergebnis im Rahmen der Gesamtwürdigung zurückgestellt<br />
werden darf. Der Schluß <strong>von</strong> der Indiztatsache auf die indizierte Tatsache<br />
ist jedoch der richterlichen Beweiswürdigung offen.<br />
Komplizierter wird die Situation bei Indiztatsachen, die nur eine einzige<br />
Schlußfolgerung zulassen, also insbesondere beim behaupteten Alibi. Ist ein Alibi<br />
des Beschuldigten nicht erwiesen, kann ihm dies aber auch nicht widerlegt<br />
werden, so wäre bei isolierter Anwendung des Gr<strong>und</strong>satzes "in dubio pro reo"<br />
freizusprechen. Auch hier geht die Rechtsprechung jedoch zu Recht da<strong>von</strong> aus,<br />
es sei die Tatsache des möglichen Alibis im Zusammenhang mit sämtlichen<br />
Beweismitteln <strong>und</strong> -anzeichen zu würdigen 3<strong>3.</strong> <strong>Die</strong>se Entscheidungen sind zwar<br />
in der Literatur auf heftige Kritik gestoßen, jedoch nur insoweit, als mit "Leichtigkeit"<br />
34 ausgeführt worden ist, beim Alibibeweis gelte der Gr<strong>und</strong>satz "in dubio<br />
pro reD" nicht 35. Inzwischen hat der I. Strafsenat des BGH auch "berichtigend<br />
interpretiert" 36, daß ein Alibi für sich allein nur dann zum Freispruch führt, wenn<br />
es erwiesen ist. Ist das nicht der Fall, so gehe das nur insofern zu Lasten des<br />
Beschuldigten, als sein Versuch, mit der Behauptung eines Alibis unmittelbar,<br />
28 <strong>Die</strong> Materialien schweigen hierzu allerdings; vgl. Hahn, Materialien zur Zivilprozeßordnung<br />
2 , insbes. S. 329.<br />
29 So aber die herrschende Ansicht; vgl. etwa Gerhardt, AcP 169 (1969), S. 301;<br />
Baumgärtel, FS Kralik, S. 71; E. Schneider, MDR 1969, S. 8.<br />
30 So wohl auch Wieczorek, ZP02, § 444 Rn. B IlI; Leipo1d in Stein / Jonas 20 , § 444<br />
Rn. 4.<br />
31 Vgl. statt aller W. Gollwitzer in LR24, § 244 Rn. 249 ff. m.w.N.<br />
32 Dagegen Grünwald, FS Honig, S. 57 ff.; Engels, GA 1981, S. 30.<br />
33 BGHSt 25, S. 285; JR 1978, S. 348; OLG Hamm, JZ 1968, S. 676.<br />
34 Montenbruck, In dubio pro reo, S. 144.<br />
<strong>3.</strong>5 Blei, JA 1974, S. 468 f.; Foth, NJW 1974, S. 1572; Hanack, JR 1974, S. 383 f.; E.<br />
Schneider, MDR 1974, S. 944 f.; Stree, JZ 1974, S. 299 f.; Volk, JuS 1975, S. 25 ff.;<br />
Tenckhoff, <strong>Die</strong> Wahrunterstellung im Strafprozeß, S. 143 ff.; JR 1978, S. 348 f.; Michael,<br />
Der Gr<strong>und</strong>satz in dubio pro reD im <strong>Strafverfahren</strong>srecht, S. 3 f.<br />
36 G. Blau, BA 1989, S. 5<br />
ohne Rücksicht auf das sonstige Beweisergebnis, seine Freisprechung zu erreichen,<br />
gescheitert sei. <strong>Die</strong> "Alibitatsachen" hätten aber im Rahmen der richterlichen<br />
Beweiswürdigung durchaus ihren Platz 37 : Der Beschuldigte hat den Nachweis<br />
des belastenden Umstandes, am Tatort gewesen zu sein 38 , erschwert 39. Der<br />
Streit kann nunmehr als beigelegt angesehen werden40.<br />
2. Indizbeweis <strong>und</strong> Blutalkoholkonzentration<br />
Noch einen Schritt weiter ist der 1. Strafsenat des BGH neuerdings in einem<br />
Fall der Rückrechnung der BAK über einen längeren Zeitraum gegangen 41.<br />
Unbestritten stellt auch die BAK lediglich ein Indiz hinsichtlich der Frage der<br />
Schuldfähigkeit dar. Es interessiert hier nur am Rande, daß der I. Strafsenat im<br />
Anschluß an Schewe 42 <strong>und</strong> die <strong>von</strong> ihm zitierte herrschende Meinung im rechtsmedizinischen<br />
Schrifttum die BAK nur als eine "grobe Orientierungshilfe" sieht<br />
<strong>und</strong> damit im "<strong>Dauer</strong>streit" mit dem 4. Strafsenat 43 der Beweiswürdigung einen<br />
bedeutend größeren Spielraum läßt als dieser 44 , der, seinem Vorsitzenden SaIger<br />
folgend 45 , in der Beweiswürdigung neben dem BAK-Wert nur einen "praktisch<br />
auf null" geschrumpften Beurteilungsspielraum sieht 46 mit der Folge, daß für<br />
ihn bei längerem Zeitraum bis zur Blutentnahme regelmäßig eine hohe BAK<br />
zugr<strong>und</strong>e gelegt <strong>und</strong> § 20 StGB angenommen werden muß.<br />
Wie sehr dieses unbefriedigende, weil mit ziemlicher Wahrscheinlichkeit materiell<br />
falsche Ergebnis die "kaum miteinander vereinbare Rechtsprechung"47 der<br />
einzelnen BGH-Senate beschäftigt, zeigt eine Entscheidung des 2. Senats 48: Er<br />
will die mit den für den Beschuldigten günstigsten Rückrechnungswerten errnit-<br />
37 BGH, NStZ 1983, S. 422; vgl. auch schon Willms, LM Nr. 61 zu § 261 StPO.<br />
38 Was nicht die Beteiligung ausschließen muß; vgl. Montenbruck, In dubio pro reo,<br />
S. 145; Tenckhoff, <strong>Die</strong> Wahrunterstellung im Strafprozeß, S. 145; Döhring, <strong>Die</strong> Erforschung<br />
des Sachverhalts im Prozeß, S. 384; Hanack, JR 1974, S. 384; Volk, JuS 1975,<br />
S. 27. Vgl. auch BGH, StV 1983, S. 40<strong>3.</strong><br />
39 Vgl. Döhring, <strong>Die</strong> Erforschung des Sachverhalts im Strafprozeß, S. 384; Montenbruck,<br />
In dubio pro reo, S. 142 f.; Abwägung <strong>und</strong> Umwertung, S. 35; Tenckhoff, <strong>Die</strong><br />
Wahrunterstellung im Strafprozeß, S. 144 f.; Volk, NStZ 1983, S. 423 f.<br />
40 Montenbruck, In dubio pro reo, S. 142; Volk, NStZ 1983, S.423; G. Blau, BA<br />
1989, S.5. Vgl. aber noch M. Amelung, FG 1.. Koch, S. 148, der zustimmend die<br />
überholte mißverständliche Formulierung des BGH wiederholt.<br />
4! BGHSt 35, S. 308.<br />
42 Schewe, JR 1987, S. 179 ff.<br />
43 G. Blau, JR 1990, S. 294.<br />
44 BGH, NStZ 1989, S. 17.<br />
45 SaIger, FS Pfeiffer, S. 379 ff.<br />
46 G. Blau, JR 1989, S. 338.<br />
47 Detter, NStZ 1990, S. 176; ähnlich Weider, StV 1990, S. 108.<br />
48 BGH, NStZ 1989, S. 47<strong>3.</strong>
192 6. Kap.: Beweiserleichterung wegen Unterganges <strong>von</strong> Beweismitteln B. Beweisvereitelung - Das Extrem 193<br />
telte BAK dergestalt zur Gr<strong>und</strong>lage der Beweiswürdigung machen, daß deren<br />
u. U. hoher Wert (im konkreten Fall 3,49 %0) in Beziehung zu dem durch die<br />
sonstige Beweisaufnahme ermittelten Leistungsverhalten des Beschuldigten zur<br />
Tatzeit gesetzt wird. Ergibt sich hier eine Diskrepanz, so sei die Beweiswürdigung<br />
möglich, daß die Angaben des Beschuldigten über seinen Alkoholkonsum nicht<br />
zutreffen können. <strong>Die</strong>se Beweiswürdigung ist freilich denkfehlerhaft. Der 2. Senat<br />
hat den Gr<strong>und</strong>satz "in dubio pro reo" zu früh angewendet <strong>und</strong> das so gewonnene<br />
Ergebnis dann dem sonstigen Beweisergebnis gegenübergestellt 49 .<br />
Richtiger ist dagegen der Weg des I. Senats, der eine "Wende"50 in der Rechtsprechung<br />
bedeutet: Er gibt wegen des langen Zeitraums (neun St<strong>und</strong>en) zwischen<br />
Tat <strong>und</strong> Blutentnahme der errechneten BAK ein geringeres Gewicht, weil sie<br />
"wahrscheinlich" tatsächlich niedriger gewesen ist: Bei der Rückrechnung oder<br />
aufgr<strong>und</strong> <strong>von</strong> Trinkangaben ermittelten Höchstwerten handele es sich um "fragwürdige<br />
Zahlenspiele mit bloß hypothetischer Bedeutung", denen nur eine eingeschränkte<br />
Indizwirkung zukommen dürfe, so daß sie nicht ohne weiteres zur<br />
vorrangigen oder gar alleinigen Gr<strong>und</strong>lage einer Beweiswürdigung gemacht werden<br />
könnten. Nur wenn es keine weiteren Indizien gebe, die Aufschluß über die<br />
alkoholische Beeinträchtigung geben können, müsse der BAK-Höchstwert <strong>von</strong><br />
ausschlaggebender Bedeutung sein 51.<br />
Nachdem der 1. Strafsenat des BGH kurze Zeit darauf seine Rechtsprechung<br />
wieder zu relativieren schien 52, hat er nunmehr, wiederum in der amtlichen<br />
Sammlung veröffentlicht (BGHSt 36, 286), seine Auffassung nochmals bestätigt<br />
5<strong>3.</strong> Interessant ist an dieser Entscheidung vor allem, daß sich der I. Senat<br />
nunmehr sehr ausführlich auf die Literatur zum gescheiterten Alibibeweis beruft<br />
<strong>und</strong> hier Parallelen zieht54. <strong>Die</strong>s unterliegt jedoch Bedenken: Mag beim gescheiterten<br />
Alibibeweis es noch möglich sein, zugunsten des Täters zu würdigen, daß<br />
er "möglicherweise", also mehr oder weniger wahrscheinlich ein Alibi habe 5 5,<br />
schlägt nach dem I. Senat hier zu Lasten des Täters aus, daß er "möglicherweise"<br />
eine geringere BAK gehabt hat.<br />
Übertrüge man dies dennoch auf die Beweisvereitelung, bedeutete dies, daß<br />
das Gericht nicht nur in der Beweiswürdigung den verlorenen Beweis hinter<br />
49 Vgl. BOHR StOB § 21 Blutalkoholkonzentration I; StV 1987, S. 477 (478); 1990,<br />
S.100.<br />
50 O. Blau, BA 1989, S. <strong>3.</strong><br />
51 BOHSt 35, S. 308 (313 ff.).<br />
52 BOH, StV 1990, S. 107. Siehe dazu Weider, StV 1990, S. 108.<br />
53 Zustimmend G. Blau, JR 1990, S. 294 f.<br />
54 BOHSt 36, S. 286 (290 f.).<br />
55 Montenbruck, In dubio pro reo, S. 143; Döhring, <strong>Die</strong> Erforschung des Sachverhalts<br />
im Prozeß, S. 384; Orünwald, FS Honig, S. 58 f.; Stree, JZ 1974, S. 299; Volk, NStZ<br />
1983, S. 423; O. Blau, BA 1989, S. 5. Vgl. auch BVerfO (Vorprüfungsausschuß), MDR<br />
1975, S. 468 (469).<br />
andere zurücktreten lassen könnte, sondern zusätzlich noch berücksichtigen dürfte,<br />
wie wahrscheinlich die "errechnete" Beweistatsache real vorgelegen hat. Hier<br />
dürften dann also etwa die Motivation des Vereitelnden oder die Umstände, unter<br />
denen der Beschuldigte die Beweisbehauptung aufgestellt hatte, gewürdigt werden.<br />
III. <strong>Die</strong> praktische Umsetzung<br />
Praktisch bedeutet dies: Ein Beweismittel ist verlorengegangen, etwa ein Tatzeuge<br />
verstorben. <strong>Die</strong> Staatsanwaltschaft hat seine rechtzeitige Vernehmung<br />
vereitelt. Der Beschuldigte behauptet, dieser Zeuge hätte bek<strong>und</strong>en können, daß<br />
er nicht der Täter sei.<br />
Da dem Beschuldigten dies nicht zu widerlegen ist, muß zunächst <strong>von</strong> einer<br />
solchen Bek<strong>und</strong>ung des verstorbenen Zeugen ausgegangen werden. Dann ist aber<br />
- wie beim Alibibeweis - diese Aussage mit dem sonstigen Beweisergebnis<br />
zusammen zu würdigen: Haben etwa andere Zeugen glaubhaft das Gegenteil<br />
ausgesagt, ist der Beschuldigte zu verurteilen.<br />
Sind dagegen etwa nur Indizien vorhanden, die - denkt man sich die Aussage<br />
des verstorbenen Zeugen einmal weg - zur Überzeugungsbildung <strong>von</strong> der Täterschaft<br />
des Beschuldigten genügt hätten, obwohl sie verschiedene Schlußfolgerungen<br />
zulassen, so gilt anderes, selbst wenn man der Rechtsprechung des I. Strafsenats<br />
zur BAK folgt: Zwar braucht dann das Gericht nicht sofort in dubio pro<br />
reo freizusprechen, sondern darf würdigen, daß die entlastende Aussage des<br />
Zeugen bloß hypothetisch gewonnen ist. Es kann also prüfen, wie wahrscheinlich<br />
der verstorbene Zeuge den Beschuldigten entlastet hätte, indem es etwa würdigt,<br />
ob der Beschuldigte schon vor dem Ableben des Zeugen behauptet hatte, daß<br />
der Zeuge entlastend aussagen würde. Es hat zu prüfen, wie der Beschuldigte<br />
zu seiner Behauptung der entlastenden Aussage kommt. Außerdem darf das<br />
Gericht die Vereitelungshandlungen der Staatsanwaltschaft berücksichtigen. Bei<br />
- absichtlicher - Beweisvereitelung wird die Tatsache der Vereitelung jedoch<br />
regelmäßig die Vermutung begründen, daß das untergegangene Beweismittel den<br />
Beschuldigten entlastet hätte 56.<br />
Sind dagegen keine (weiteren) Beweismittel, die zur Verurteilung genügen,<br />
vorhanden, müßte das Gericht selbst dann den Beschuldigten freisprechen, wenn<br />
die Strafverfolgungsorgane ursprünglich die Verurteilung aufdie erwartete entgegengesetzte<br />
Aussage des verstorbenen Zeugen stützen wollten.<br />
56 Vgl. dazu unten, C I.<br />
13 Seherner
194 6. Kap.: Beweiserleichterung wegen Unterganges <strong>von</strong> Beweismitteln C. Unterlassene Beweissicherung - Der HauptfaH 195<br />
C. Unterlassene Beweissicherung - Der Hauptfall<br />
Bisher Ausgeführtes ist zwar dann bedeutungslos, wenn man, wie oben vorsichtig<br />
befürwortet, die Verwirkung des staatlichen Strafanspruchs (jedenfalls im<br />
Sinne der staatlichen Strafverfolgungsbefugnis) prinzipiell für möglich erachtet57.<br />
Denn die (absichtliche) Beweisvereitelung entspricht der "Verzögerung zwecks<br />
Verurteilung". Andererseits besteht aber, pragmatisch gesehen, gerade wegen<br />
der Lösungsmöglichkeit dieser Fallgruppe über das Beweisrecht ein weiteres<br />
Argument gegen die Anerkennung des Verwirkungsgedankens im Strafprozeßrecht:<br />
Denn da die Verwirkung der Strafverfolgungsbefugnis höchstens zu einem<br />
Verfahrenshindernis praeter legern oder zu einem verfahrenshindemisähnlichen<br />
Verfolgungsverbot führen lann, die überhaupt nur als ultima ratio anzuerkennen<br />
sind, wird die Rechtsfigur überflüssig, soweit auf die Fallgruppen beweisrechtliche<br />
Reaktion möglich ist.<br />
Auch was die Verwirkung durch Zeitablauf (Enttäuschung berechtigten Vertrauens)<br />
angeht, deren Anerkennung ohnehin eher zurückhaltender zu handhaben<br />
ist, ergeben sich Berührungspunkte: <strong>Die</strong> "illoyale Verspätung" setzt voraus, daß<br />
die verspätete Inanspruchnahme nicht mehr zumutbar ist, weil sich der in Anspruch<br />
Genommene darauf eingerichtet hat 58, also Maßnahmen getroffen hat,<br />
die nicht mehr oder nur sehr schwer rückgängig gemacht werden können59.<br />
Solche Maßnahmen können im <strong>Strafverfahren</strong>srecht vor allem darin liegen, daß<br />
der Beschuldigte im Vertrauen auf die Nichtinanspruchnahme Beweismittel vernichtet<br />
hat, was auch im Zivilrecht, wo es zumeist allerdings um getroffene<br />
Vermögensdispositionen geht, anerkannt ist 60 • Der Unterschied liegt allerdings<br />
darin, daß die "illoyale Verspätung" nach herrschender Meinung kein Verschulden<br />
des Rechtsinhabers voraussetzt 61 , während bei der Beweisvereitelung nach<br />
bisher Gesagtem absichtliches Handeln erforderlich ist.<br />
I. Freie Beweiswürdigung - <strong>Die</strong> faktische<br />
Gleichstellung mit dem Beweisverlust<br />
Es dürfte genauso untragbar erscheinen, wenn jedes Verhalten der Strafverfolgungsorgane<br />
gr<strong>und</strong>sätzlich geeignet sein könnte, berechtigte Erwartungen beim<br />
Beschuldigten mit der Folge der Verwirkung der Strafverfolgungsbefugnis her-<br />
57 Siehe oben, 4. Kap.<br />
58 Vgl. Z. B. BGHZ 25, S. 47 (52); BAG, NJW 1978, S. 723 (725); Roth in Münch<br />
Komm 2 , § 242 Rn. 332; Heinrichs in Palandt 49 , § 242 Anm. 5 d ce.<br />
59 LG Hof, WM 1971, S. 882 (883); vgl. auch RG, JW 1927, S. 1849 (1850).<br />
60 LG Hof, WM 1971, S.882 (883); J. Schmidt in Staudinger l2 , § 242 Rn. 493;<br />
Heinrichs in Palandt 49 , § 242 Anm. 5 d ce.<br />
61 Siehe oben, 4. Kap. A II 2.<br />
vorzurufen, wie es wertungsmäßig nicht befriedigen dürfte, wenn die prozessualen<br />
Folgen der Irreparabilität auf absichtliches Verhalten der Strafverfolgungsbehörden<br />
beschränkt bleiben 62 , was ohnehin kaum beweisbar ist.<br />
Im Bereich <strong>von</strong> § 136a I StPO wird weitgehend die nicht absichtliche Begehung<br />
durch den Vernehmenden gleichgestellt 63 • Auch in der Zivilprozeßrechtsdogmatik<br />
ist, in Übereinstimmung mit diesen Überlegungen, anerkannt 64 , daß die "fahrlässige<br />
Beweisvereitelung" möglich ist mit der Folge einer Berücksichtigung im<br />
Rahmen des Beweisrechts. <strong>Die</strong>s kann man wohl am ehesten aus §§ 427, 441 III<br />
Satz 3 ZPO ableiten 65 ; im einzelnen sind Rechtsgr<strong>und</strong>lage <strong>und</strong> Voraussetzungen<br />
hierzu genauso hoffnungslos umstritten66 wie die Rechtsfolgen: Während einige<br />
Autoren auch bei der fahrlässigen Beweisvereitelung eine Beweislastumkehr 67<br />
oder eine Herabsetzung des Beweismaßstabes 68 befürworten, wird <strong>von</strong> der herrschenden<br />
Lehre 69 <strong>und</strong> zum Teil auch <strong>von</strong> der Rechtsprechung, die in dieser Frage<br />
schwankt7°, die Berücksichtigung in der freien Beweiswürdigung für richtig<br />
erachtet, also die freie Entscheidung des Richters aufgr<strong>und</strong> der Besonderheiten<br />
des Einzelfalles.<br />
Aufdie Berücksichtigung <strong>von</strong> irreparablen, nicht auf Beweisvereitelung zielenden<br />
Fehlern im <strong>Strafverfahren</strong> in der freien Beweiswürdigung hat auch der BGH<br />
in den letzten Jahren gelegentlich abgestellt. So hat der 5. Strafsenat betont, das<br />
Gericht habe zwar die verweigerte Aussagegenehmigung <strong>von</strong> V-Männern durch<br />
Behörden hinzunehmen, aber "ihre Weigerung <strong>und</strong> die dafür angegebenen Gründe<br />
bei der Beweiswürdigung zu berücksichtigen" 71. <strong>Die</strong>se Rechtsprechung muß nun<br />
62 Vgl. Hillenkamp, NJW 1989, S.2848: "durch den dem Staat zuzurechnenden<br />
Zeitablauf wichtige Beweismittel ganz verspielt".<br />
63 Vgl. statt vieler Hanack in LR24, § 136a Rn. 20; 27; 41.<br />
64 A. A. zuletzt Riezler, JherJb 89 (1941), S. 239.<br />
65 Vgl. E. Peters, ZZP 82 (1969), S. 211; vgl. auch Stümer, <strong>Die</strong> Aufklärungspflicht<br />
der Parteien des Zivilprozesses, S. 157.<br />
66 Vgl. zusammenfassend Baumgärtel, FS Kralik, S. 63 ff.<br />
67 Leipold in Stein 1Jonas 20 , § 286 Rn. 121; Nikisch, Zivilprozeßrecht 2 , § 82 VI 3; A.<br />
Blomeyer, AcP 158 (1959/69), S. 102 f.; 106; Schänke, ZAkDR 1939, S. 193 f.; wohl<br />
auch Dubischar, JuS 1971, S. 392; vgl. auch Stümer, <strong>Die</strong> Aufklärungspflicht der Parteien<br />
des Zivilprozesses, S. 242 ff.<br />
68 G. Walter, Freie Beweiswürdigung, S.236; Maassen, Beweismaßprobleme im<br />
Schadensersatzprozeß, S. 180 f.; Baumgärtei, FS Kralik, S. 73 f.; R. Bender, FS Baur,<br />
S. 266 f.; Kegel, FS Kronstein, S. 341 f.<br />
69 Vgl. etwa Stephan in ZäHer!6, vor § 284 Rn. 21; Hartmann in Baumbach/Lauterbach<br />
48 , Anh. § 286 Anm.3 C a; Rosenberg 1Schwab, Zivilprozeßrecht 9 , § 57 V 2 b;<br />
Musielak, <strong>Die</strong> Gr<strong>und</strong>lagen der Beweislast im Zivilprozeß, S. 133 ff.; Gerhardt, AcP 169<br />
(1969), S. 307; E. Peters, ZZP 82 (1969), S. 212 ff.<br />
70 Vgl. dazu Leipold in Stein 1Jonas 20 , § 286 Rn. 121 Fn. 293; Rosenberg 1Schwab,<br />
Zivilprozeßrecht l 4, § 118 II 4 a; Prütting, Gegenwartsprobleme der Beweislast, S. 187;<br />
E. Peters, ZZP 82 (1969), S. 212 f.; Gerhardt, AcP 69 (1969), S. 293 f.; Baumgärtel, FS<br />
Kralik, S. 72 f.<br />
7\ BGHSt 33, S. 178 (180); ähnlich bei Holtz, MDR 1989, S. 684.<br />
13*
198 6. Kap.: Beweiserleichterung wegen Unterganges <strong>von</strong> Beweismitteln C. Unterlassene Beweissicherung - Der Hauptfall 199<br />
Gemäß § 16011 StPO hat die Staatsanwaltschaft für die Erhebung der Beweise<br />
Sorge zu tragen, deren Verlust droht. Beispielhaft ist hier zu nennen die Entnahme<br />
<strong>von</strong> Blut- oder Harnproben zur Feststellung <strong>von</strong> Alkohol-, Medikamenten- <strong>und</strong><br />
Drogeneinfluß, die Sicherung <strong>von</strong> Sachbeweisen durch Durchsuchungs- <strong>und</strong><br />
Beschlagnahmeanordnungen (vgl. auch Nr. 76 RiStBV) sowie die Leichenschau<br />
<strong>und</strong> -öffnung (§ 87 StPO, Nr. 36 I RiStBV). Gegebenenfalls, etwa wenn mit dem<br />
Ableben eines Zeugen, seiner Beeinflussung zur Falschaussage oder seiner Zeugnisverweigerung<br />
(vgl. Nr. 10 RiStBV) zu rechnen ist, hat die Staatsanwaltschaft<br />
gemäß § 162 StPO beim Ermittlungsrichter den Antrag auf Vornahme einer<br />
richterlichen Untersuchungshandlung zu stellen, etwa, um eine gemäß<br />
§ 251 I StPO in der Hauptverhandlung verlesbare Aussage zu erhalten 82 • <strong>Die</strong>se<br />
Pflichten bestehen gr<strong>und</strong>sätzlich auch noch nach Eröffnung <strong>und</strong> sogar noch<br />
während der Hauptverhandlung 83, während nach dem - praktisch nicht sehr<br />
relevanten - § 165 StPO der Ermittlungsrichter verpflichtet ist, bei "Gefahr im<br />
Verzug" auch ohne Antrag der Staatsanwaltschaft tätig zu werden 84. Gemäß<br />
§ 223 I StPO hat das erkennende Gericht zwecks Beweissicherung 85 Zeugen <strong>und</strong><br />
Sachverständige durch einen beauftragten oder ersuchten Richter vernehmen zu<br />
lassen, sofern für eine längere oder ungewisse Zeit insbesondere Krankheit oder<br />
Gebrechlichkeit einer Beweiserhebung in der Hauptverhandlung entgegenstehen.<br />
<strong>Die</strong>se Pflicht besteht auch schon im Eröffnungsverfahren (vgl. § 202 StPO) 86.<br />
Nach § 225 StPO haben Augenscheinseinnahmen zur Sicherung des Beweises,<br />
wenn Veränderungen zu befürchten sind, vor der Hauptverhandlung zu ergehen;<br />
das Protokoll kann dann gemäß § 249 I Satz 2 StPO in der Hauptverhandlung<br />
verlesen werden 87. Daß in der Hauptverhandlung bei Beweisen, deren Verlust<br />
droht, die Beweisaufnahme rechtzeitig vorzunehmen ist, folgt aus § 24411 StPO.<br />
2. Verkennung der Sicherungsbedürftigkeit <br />
<strong>Die</strong> zweite Sorgfaltspflichtverletzung<br />
Eine Verletzung konkret dieser Beweissicherungspflichten würde also, geht<br />
das Beweismittel dann unter, beweisrechtliche Folgen haben, sofern der Amtsträger<br />
zumindest die Sicherungsbedürftigkeit fahrlässig nicht erkannt hat. <strong>Die</strong>s ist<br />
vor allem in drei Konstellationen denkbar:<br />
Zum einen kann dies dann der Fall sein, wenn der Amtsträger - etwa aus<br />
der Verfahrensakte - weiß oder hätte wissen müssen, daß der Verlust eines<br />
Beweismittels droht <strong>und</strong> trotzdem den Beweis nicht rechtzeitig sichert. Da die<br />
Sicherungsbedürftigkeit auch da<strong>von</strong> abhängt, inwieweit <strong>von</strong> dem bedrohten Beweismittel<br />
Bedeutsames für das <strong>Strafverfahren</strong> zu erwarten ist, mindert sich die<br />
Möglichkeit des Beschuldigten, Vorteile aus dem Untergang eines Beweismittels<br />
dadurch zu ziehen, daß er nunmehr ein für ihn entlastendes Beweisergebnis<br />
behauptet: Denn war nach Aktenlage dem untergegangenen Beweismittel keinerlei<br />
Bedeutung zuzumessen, liegt keine Fehleinschätzung des Sicherungsbedürfnisses<br />
durch den Amtsträger vor.<br />
Allerdings kann - dies ist die zweite Konstellation - der Beschuldigte<br />
gegebenenfalls unter Hinweis auf den drohenden Untergang durch Ausübung<br />
seines Beweisantragsrechts in jedem Stadium des Verfahrens (vgl. §§ 163a 11,<br />
201 1,219 I, 244111 StPO) die Relevanz des Beweismittels den Strafverfolgungsbehörden<br />
erkennbar machen.<br />
Am häufigsten dürfte die dritte Konstellation sein: Da insbesondere der Zeugenbeweis<br />
mit längerem Zeitablauf immer unsicherer wird, ist vor allem bei<br />
langer Verfahrensdauer, auch wenn sie nicht auf Verzögerungen beruht, die<br />
Sicherungsbedürftigkeit gegeben. <strong>Die</strong>s mag weniger dann gelten, wenn der Zeuge<br />
Spektakuläres wahrgenommen haben dürfte, als dann der Fall sein, wenn er ein<br />
für ihn belangloses Ereignis wiedergeben soll.<br />
Unter diesem Gesichtspunkt wären etwa die Fälle verspäteten rechtlichen<br />
Gehörs bei kleineren Verkehrsverfehlungen einzuordnen, die dem Beschuldigten<br />
sowohl die Einlassung erschwerten als auch die Möglichkeit, den Entlastungsbeweis<br />
zu führen. Zwar dürfte fraglich sein, ob dies auf die Anfang der sechziger<br />
Jahre entschiedenen Fälle zutrifft, in denen rechtliches Gehör nach einem Zeitraum<br />
<strong>von</strong> zwei Wochen bis 29 Tagen gewährt wurde. Folgt man dem OLG Celle,<br />
daß auch bei kleineren Verfehlungen die Gehörsgewährung innerhalb eines Monats<br />
genügt 88, so mag dies unter Praktikabilitätsgesichtspunkten genauso sinnvoll<br />
sein, wie es im Spannungsverhältnis zu der Rechtsprechung zur Fahrtenbuchauflage<br />
89 <strong>und</strong> zur Halterhaftung 90 steht, die die Anhörung innerhalb <strong>von</strong> 14 Tagen<br />
verlangt.<br />
Rein praktisch gesehen ist allerdings nur in den ersten beiden Konstellationen<br />
mit beweisrechtlichen Konsequenzen zu rechnen, die den Verfahrensausgang<br />
beeinflussen: Regelmäßig wird durch die Unterstellung, eine Person habe nunmehr<br />
eine für ihn belanglose Wahrnehmung vergessen, dem Beschuldigten wenig<br />
gedient sein. Der Erinnerungsverlust bei außergewöhnlichen Ereignissen dauert<br />
82 Vgl. R. Müller in KK StP02, § 160 Rn. 23 f.<br />
83 Vgl. R. Müller in KK StP02, § 160 Rn. 21.<br />
84 Meyer-Goßner in LR24, § 165 Rn. 2.<br />
85 Paulus in KMR, § 223 Rn. 2; Treier in KK StP02, § 223 Rn. 1.<br />
86 Kleinknecht / Meyer, StP039, § 202 Rn. 4.<br />
87 W. Gollwitzer in LR24, § 225 Rn. I; Treier in KK StP02, § 225 Rn. 1.<br />
88 OLG Celle, NJW 1963, S. 1320.<br />
89 BVerwG, NJW 1979, S. 1054 (1056).<br />
90 AG Minden, NJW 1988, S.3278; AG Bergisch G1adbach, NZV 1989, S.366;<br />
Janiszewski, DAR 1986, S.259; ähnlich AG Detmo1d, NZV 1989, S.367; a.A. AG<br />
Bonn, NJW 1988, S. 218. Vgl. auch BVerfG (Kammer), OLGSt (neu) Nr. 1 zu § 25a<br />
StVG, S. 10.
200 6. Kap.: Beweiserleichterung wegen Unterganges <strong>von</strong> Beweismitteln<br />
entschieden länger; daß sie nichts Außergewöhnliches wahrgenommen hatte,<br />
kann die Person (zunächst) noch bek<strong>und</strong>en.<br />
Demzufolge bleibt die Ausdehnung der beweisrechtlichen Folgen über die<br />
(absichtliche) Beweisvereitelung auf - bestimmbare - Extremfälle beschränkt:<br />
Entweder die Strafverfolgungsbehörden wissen (oder müßten wissen) durch die<br />
Verfahrensakte oder den Beschuldigten, daß ein - relevantes - Beweismittel<br />
verlustig zu gehen droht <strong>und</strong> sichern es nicht. Oder aber die Strafverfolgungsbehörden<br />
lassen sich dermaßen viel Zeit mit der Beweissicherung, daß selbst die<br />
Erinnerung an Außergewöhnliches verlorengeht; nur Fälle, in denen für den<br />
Zeugen (oder auch Beschuldigten) Belangloses für den Verfahrensausgang erkennbar<br />
relevant ist, verlangen <strong>von</strong> den Strafverfolgungsbehörden kurzfristige<br />
Sicherung.<br />
Stellt man dies in Rechnung, dürfte wertungsmäßig wenig gegen die Gleichstellung<br />
der fahrlässig unterlassenen Beweissicherung mit der (absichtlichen) Beweisvereitelung<br />
einzuwenden sein: Auch hier ist dann also zunächst ein für den<br />
Beschuldigten günstiges Beweisergebnis zu unterstellen <strong>und</strong> dieses dann mit dem<br />
übrigen Beweisergebnis zusammen zu würdigen 91.<br />
Siebtes Kapitel<br />
Strafmilderung wegen Strafzumessungsrelevanz<br />
A. Verzögerungen als Strafzumessungsgr<strong>und</strong><br />
Zieht man eine Zwischenbilanz, fällt diese unbefriedigend aus: Das geltende<br />
Prozeßrecht kennt keine allgemeine Lösung für die Reaktion auf eingetretene<br />
Verzögerungen, also auf <strong>von</strong> den staatlichen Behörden verursachte, nicht erforderliche<br />
Verfahrensdauer. Insbesondere kommt eine Einstellung, sei es wegen<br />
eines Verfahrenshindernisses oder aufgr<strong>und</strong> des neuerdings vorgeschlagenen<br />
"Verfolgungsverbotes", allenfalls für praktisch kaum relevante Fälle bei Annahme<br />
der Verwirkbarkeit der staatlichen Strafverfolgungsbefugnis in Betracht. Faktisch<br />
zur Verfahrensbeendigung könnten die immer wieder genannten Fälle "extremer"<br />
Verfahrensverzögerung durch deren Berücksichtigung im Rahmen der<br />
Beweiswürdigung führen, wenn man hierunter irreparable Verstöße versteht. Das<br />
bedeutet nun aber, daß das Prozeßrecht auch für Fälle längster <strong>und</strong> unverständlichster<br />
Verzögerungen keine Konsequenzen vorsieht, sofern keine Irreparabilität<br />
eingetreten ist.<br />
<strong>Die</strong> Rechtsprechung hat schon früh ihr Heil im materiellen Recht, nämlich<br />
beim Rechtsfolgenausspruch gesucht. 1971 erklärte der 2. Strafsenat des BGH,<br />
die Berücksichtigung bei der Strafzumessung sei "das geeignete Mittel", einer<br />
Verletzung des Beschleunigungsprinzips Rechnung zu tragen 1.<br />
<strong>Die</strong>ses Urteil kam überraschend <strong>und</strong> unvorbereitet 2 • Noch 1962 hatte der 4.<br />
Strafsenat die Berücksichtigung der Verfahrensdauer bei der Rechtsfolgenentscheidung<br />
ausdrücklich abgelehnt <strong>3.</strong> Lediglich das LG Aachen hatte im Contergan<br />
Verfahren die Verfahrenseinstellung gemäß § 153 StPO auch auf die lange Verfahrensdauer<br />
gestützt 4. Daneben erwähnte Hanack in einem Aufsatz, der eine<br />
Woche nach Ergehen der Entscheidung des 2. Strafsenats veröffentlicht wurde,<br />
die Berücksichtigung <strong>von</strong> Verfahrensverzögerungen in der Strafzumessung am<br />
Rande 5.<br />
91 Siehe dazu oben, B IH. Zu ähnlichen Ergebnissen kommt neuerdings auch Krekeler,<br />
Der Beweiserhebungsanspruch des Beschuldigten im Ermittlungsverfahren, S. 264 ff.;<br />
274 ff.<br />
I BGHSt 24, S. 239 (2420.<br />
2 Siehe auch oben, 1. Kap. A I 2.<br />
3 BGH, DAR 1963, S. 169; zustimmend Bruns, Strafzumessungsrechtl, S. 411. Vgl.<br />
auch LG Köln, NJW 1964, S. 1816 (1817).<br />
4 LG Aachen, JZ 1971, S. 507 (517 ff.).<br />
5 Hanack, JZ 1971, S. 706; die Ausführungen auf S. 715 beziehen sich auf die lange<br />
<strong>Dauer</strong> zwischen Tat <strong>und</strong> Aburteilung. Vgl. aber auch den Hinweis auf die Möglichkeit
202 7. Kap.: Strafmilderung wegen Strafzumessungsrelevanz A. Verzögerungen als Strafzumessungsgr<strong>und</strong> 203<br />
Insofern besteht eine Parallele zum "höchstrichterlichen Umdenken"6 in der<br />
Heimtückemord-Gr<strong>und</strong>satzentscheidung des BGH7 sowie zur "gr<strong>und</strong>sätzlichen<br />
Wende"8in dessen Rechtsprechung zur V-Mann-Problematik9, deren "Rechtsfolgenlösung"<br />
jeweils die gesamte Rechtswissenschaft überraschte. Wie in diesen<br />
Problemkreisen setzen auch hier alle Senate des BGH die einmal eingeschlagene<br />
Linie fort.<br />
I. Flexibilität - Das pragmatische Argument<br />
1. Erste Probleme mit der Strafzumessungslösung<br />
Bis 1987 erwies sich die Strafzumessungslösung für den BGH als der Weg,<br />
auf dem er alle Sachverhalte "flexibel" lösen konnte. Weitaus mehr noch als in<br />
anderen Fällen, in denen der BGH in den letzten Jahren ein dogmatisch umstrittenes<br />
<strong>und</strong> brenzliges Thema in die Strafzumessung verbannt hat lO (etwa in den<br />
Problemkreisen Lockspitzeleinsatz 11, Heimtückemord 12, Sitzblockade 13 <strong>und</strong><br />
Raub mit Scheinwaffe 14), verdeckte hier der Glaube an die Billigkeit des Ergebnisses<br />
die Problematik der dogmatischen Zulässigkeit des Vorgehens.<br />
Betrachtet man es allerdings genauer, so zeigten sich schon in einigen Entscheidungen<br />
Anzeichen dafür, daß die Strafzumessungslösung - die ohnehin bei<br />
Freispruch versagt - Schwierigkeiten bereitet, alle Konstellationen konsequent<br />
zu lösen:<br />
Der <strong>3.</strong> Strafsenat des BGH hob 1977 ein Urteil des LG Mönchengladbach<br />
auf, in dem dieses eine Verwarnung mit Strafvorbehalt ausgesprochen hatte,<br />
obwohl die Voraussetzungen gemäß § 59 I Nr. 2 StGB nicht vorlagen: Es sei<br />
nicht zulässig, den gesetzlich vorgegebenen Rahmen zu sprengen <strong>und</strong> die vom<br />
der Strafmilderung durch das Urteil des OLG Karlsruhe (NJW 1972, S. 1907
204 7. Kap.: Strafmilderung wegen Strafzumessungsrelevanz A. Verzögerungen als Strafzumessungsgr<strong>und</strong> 205<br />
Das gleiche problematische Verfahren wandte der 2. Strafsenat des BGH 1989<br />
im sog. "Euthanasie-Prozeß" an 21 : Da der Schuldspruch der Beihilfe zum Mord<br />
in 11.000 bzw. 4.500 Fällen jeweils um ca. 2.000 Fälle zu hoch sei, wären an<br />
sich, wie auch der Senat feststellt, die Strafaussprüche aufzuheben <strong>und</strong> insoweit<br />
an das Landgericht zurückzuverweisen gewesen. Wegen der langen Verfahrensdauer<br />
erachtete es der Senat jedoch für "sachgemäß", gemäß § 354 I StPO die<br />
gesetzlich niedrigste Strafe - drei Jahre Freiheitsstrafe - selbst festzusetzen.<br />
Daub hat in ihrer Urteilsanmerkung zu Recht hervorgehoben, daß die gleichmäßige<br />
Verurteilung beider Täter durch das Landgericht zu vier Jahren trotz der<br />
erheblichen Divergenz der Mordfälle gezeigt hat, daß es dem Landgericht offenbar<br />
hierauf bei der Strafhöhenbestimmung nicht bestimmend angekommen sei 22.<br />
Eine weitere problematische Fortbildung geht - abgesehen <strong>von</strong> einer kurzen<br />
Bemerkung des 5. Strafsenats in einer unveröffentlichten Entscheidung 23 <br />
ebenfalls auf den 2. Strafsenat des BGH zurück 24 . Er betonte in einigen Entscheidungen,<br />
daß <strong>überlange</strong> Verfahrensdauer auch bei der Erörterung einer Strafaussetzung<br />
zur Bewährung beachtet werden müsse, sofern der Beschuldigte nicht wieder<br />
strafrechtlich in Erscheinung getreten <strong>und</strong> sozial integriert ist. Den Fällen lagen<br />
Freiheitsstrafen <strong>von</strong> über einem Jahr zugr<strong>und</strong>e. Demzufolge lagen hier nach<br />
Auffassung des 2. Senats durch die <strong>überlange</strong> Verfahrensdauer "besondere Umstände<br />
in der Tat <strong>und</strong> in der Persönlichkeit des Verurteilten" (so § 56 11 a. F.<br />
StGB) vor. <strong>Die</strong>se Urteile stellen also einen Widerspruch zu BGHSt 27, 274 dar 25 .<br />
Konsequent <strong>und</strong> in Übereinstimmung mit letzterem Urteil 26, aber im Widerspruch<br />
zu einer früheren Entscheidung des 4. Senats 2 7, problematisiert der 2. Strafsenat<br />
nicht, ob die Vollstreckung zur Verteidigung der Rechtsordnung geboten sein<br />
könnte, sondern geht wohl da<strong>von</strong> aus, daß gerade dieses Merkmal typischerweise<br />
<strong>von</strong> <strong>überlange</strong>r Verfahrensdauer betroffen wird. Bezeichnend für die in diesen<br />
Entscheidungen des BGH zum Ausdruck kommende Tendenz zur Billigkeit<br />
dürfte auch die Formulierung in der ersten Entscheidung sein, es sei zu erwägen,<br />
ob nicht "Gesamtfreiheitsstrafen zu verhängen sind, deren Vollstreckung zur<br />
Bewährung ausgesetzt werden kann. Daß die Angeklagten seit den abgeurteilten<br />
Taten ,nicht wieder strafrechtlich in Erscheinung getreten sind' <strong>und</strong> nach den<br />
21 BOH, NStZ 1989, S. 238.<br />
22 Daub, KritJ 22 (1989), S. 330.<br />
23 BOR, BeschJ. v. 25.10.1977 - 5 StR 616/77 (Anhang 10).<br />
24 BOR, StV 1983, S. 502; 1985, S. 322; S. 411; ähnlich BVerfG (Vorprüfungsausschuß),<br />
NJW 1984, S. 967; BayObLO, StV 1989, S. 394 (395).<br />
25 So auch 1. Roxin, Rechtsfolgen, S. 84 f.<br />
26 <strong>Die</strong>s übersieht 1. Roxin, Rechtsfolgen, S. 186 f.<br />
27 BOR, DAR 1963, S. 169 (zum - weiteren - Begriff des öffentlichen Interesses<br />
in § 23 a. F. StOB); a.A. auch OLO Koblenz, VRS 59, S.338 (340), das auch bei<br />
<strong>überlange</strong>r Verfahrensdauer aufgr<strong>und</strong> der Verteidigung der Rechtsordnung die Strafaussetzung<br />
zur Bewährung nicht zuließ; kritisch hierzu Molketin, BA 1982, S. 183 f.; vgJ.<br />
aber auch BORSt 29, S. 370 (372).<br />
Feststellungen völlig resozialisiert sind, legt diesen Gedanken besonders nahe."28<br />
Denn hiermit wird <strong>von</strong> dem Tatrichter zur Bewältigung des Problems der <strong>überlange</strong>n<br />
Verfahrensdauer nicht weniger gefordert, als gegen anerkannte Gr<strong>und</strong>sätze<br />
des Strafzumessungsrechts zu verstoßen 29 , nämlich die Strafhöhe ohne Blick auf<br />
die Möglichkeit der Strafaussetzung zur Bewährung festzulegen <strong>und</strong> erst dann<br />
die Bewährungsfrage zu entscheiden 30 . Strafaussetzung soll also, wie Horn formuliert,<br />
notfalls "mit aller Gewalt" ermöglicht werden 31.<br />
2. Das Versagen der Strafzumessungslösung<br />
Selbst unter "Gewaltanwendung" sah sich der <strong>3.</strong> Senat des BGH in seiner<br />
schon erwähnten Gr<strong>und</strong>satzentscheidung <strong>von</strong> 1987 (BGHSt 35, 137) nicht mehr<br />
in der Lage, eine umfangreiche Wirtschaftsstrafsache mit viereinhalbjähriger<br />
Verzögerung des Revisionsverfahrens über die Strafzumessung zu lösen, weil<br />
aufgr<strong>und</strong> fehlender Feststellungen der Schuldspruch ebenfalls aufzuheben war<br />
mit der Folge, daß eine erneute jahrelange Hauptverhandlung bei Zurückverweisung<br />
drohte. Da der Senat den Weg zu den §§ 153, 153a StPO versperrt sah,<br />
ließen für ihn die "verfahrensrechtlichen <strong>und</strong> materiellrechtlichen Besonderheiten<br />
des Falls ... nur den gerichtlich anzuordnenden Abbruch des Verfahrens ZU"32.<br />
Nun mag zwar fraglich sein, ob hier tatsächlich die Zurückverweisung aufgr<strong>und</strong><br />
der Verzögerungen so unerträglich gewesen wäre, wie der BGH meinte 3<strong>3.</strong> Zumindest<br />
hinsichtlich des zu viereinhalb Jahren Freiheitsstrafe <strong>und</strong> 180 Tagessätzen<br />
Geldstrafe verurteilten Beschuldigten ist entgegenzuhalten, daß selbst dann, wenn<br />
für den Zeitraum der Verzögerungen Untersuchungshaft vollstreckt worden wäre,<br />
gemäß § 51 StGB immer noch die Geldstrafe bzw. ein halbes Jahr Freiheitsstrafe<br />
vollstreckbar bliebe, so daß eine weitergehende Straffreistellung wegen bloßer<br />
Verzögerungen einen Wertungswiderspruch darstellen würde. Allerdings hat der<br />
BGH weitere, in der Strafzumessung des Landgerichts unberücksichtigte Umstände<br />
hervorgehoben. Zudem dürfte ein gewichtiges Gegenargument sein, daß nach<br />
der Rechtsprechung des BGH auch der Zeitraum des Wiederholungsverfahrens<br />
mit zu dem Zeitraum der Verzögerungen zu zählen isP4.<br />
Sei es drum: <strong>Die</strong> Strafzumessungslösung hat mit dieser Entscheidung ihre<br />
Unschuld verloren; der BGH ist, wie Hillenkamp es formuliert, "mit den selbstge-<br />
28 BOR, StV 1983, S. 502.<br />
29 So auch Rorn in SK StOB, § 46 Rn. 146: "systemwidrig".<br />
30 VgJ. BORSt 29, S. 319 (321 f.); 32, S. 60 (65); NStZ 1988, S. 309.<br />
31 Rorn in SK StOB, § 46 Rn. 146.<br />
32 BORSt 35, S. 137 (142). Siehe auch oben, 1. Kap. A I 4.<br />
33 So wohl auch Hillenkamp, NJW 1989, S. 2845 (anders aber S. 2842).<br />
34 BORSt 35, S. 137 (141); siehe auch unten, C III 1.
206 7. Kap.: Strafmilderung wegen Strafzumessungsrelevanz A. Verzögerungen als Strafzumessungsgr<strong>und</strong> 207<br />
schmiedeten Fesseln offenbar uneins" geworden 35 . Ihre immer wieder hervorgehobene<br />
Flexibilität, also ihre Fähigkeit, auf den Einzelfall hin orientiert Billigkeitsentscheidungen<br />
zu ermöglichen, ist widerlegt worden. Zudem kommt noch<br />
ein weiterer Aspekt hinzu: <strong>Die</strong> Verzögerungen waren erst bei der Weiterleitung<br />
der Revisionsbegründungsschrift an das Revisionsgericht aufgetreten. Sie können<br />
also logischerweise nicht in Form einer Verfahrensrüge vorgetragen worden sein.<br />
Eine Berücksichtigung <strong>von</strong> Amts wegen kommt jedenfalls dann nicht in Betracht,<br />
wenn solche Verzögerungen nur in der Strafzumessung kompensiert werden<br />
sollen. Mit der Sachrüge können an sich nur die Urteilsgründe überprüft werden,<br />
in denen die Verzögerungen ohnehin nicht berücksichtigt werden konnten. Dafür,<br />
wie der BGH nun aber dazu kommt, die Strafzumessungslösung zu diskutieren,<br />
bleibt er eine Erklärung schuldig 36.<br />
11. Strafzumessungsirrelevanz - Der dogmatische Einwand<br />
Nun erscheint es dogmatisch nicht <strong>von</strong> vornherein zwingend, daß Verzögerungen<br />
der Strafverfolgungsbehörden die Strafzumessung beeinflussen können sollen.<br />
Hierbei geht es nicht einmal um zu prämierendes Täterverhalten 37, bei dem<br />
es schon nicht einfach ist zu entscheiden, ob <strong>und</strong> wie es in der Strafzumessung<br />
dogmatisch berücksichtigt werden so11 38 , sondern um den vom Verhalten der<br />
Strafverfolgungsbehörden abhängigen Zeitablauf3 9 .<br />
Es sind nur wenige Versuche unternommen worden, zu erklären, warum (durch<br />
das Fehlverhalten <strong>von</strong> Amtsträgern verursachte) Verfahrensverzögerungen selbst<br />
strafzumessungsrelevant seien. Ausgangspunkt dürfte wohl die - unbestrittene<br />
- Ansicht sein, es sei "nicht ganz einfach, eine Querverbindung zwischen den<br />
prozessualen Fehlern... <strong>und</strong> den materiellrechtlich erheblichen Strafzumessungstatsachen<br />
des § 46 StGB zu ziehen"40 - eine Schwierigkeit, die ebenfalls bei<br />
den Fallgruppen der Vereidigungsfehler <strong>und</strong> der Lockspitzelprovokation auftaucht<br />
41. Demzufolge standen die Versuche vor dem Problem, daß Verfahrensverzögerungen<br />
bei der Strafzumessung Umstände sind, die, wie Horn es formuliert,<br />
"mit dem verschuldeten Unrecht der begangenen Tat nur ganz entfernt oder gar<br />
nichts zu tun haben"42. Daraus folgt, daß Ansätze, Strafmilderung etwa aus den<br />
35 Hillenkamp, NJW 1989, S. 2845.<br />
36 BayObLG, StV 1989, S. 394 (395).<br />
37 Unklar Lackner, StGB!', § 46 Anm. IV 2 c.<br />
38 Vgl. dazu Hertz, Das Verhalten des Täters nach der Tat, S. 66 ff.<br />
39 Hillenkamp, IR 1975, S. 138; I. Roxin, Rechtsfolgen, S. 18<strong>3.</strong><br />
40 Bruns, IR 1981, S. 249; ähnlich BGH, NStZ 1989, S. 526; Reinecke, <strong>Die</strong> Fernwirkung<br />
<strong>von</strong> Beweisverwertungsverboten, S. 194.<br />
41 Vgl. BGH, NStZ 1989, S. 526 (527); Horn in SK StGB, § 46 Rn. 145 ff.; Bruns,<br />
MDR 1987, S. 180 f.<br />
Gesichtspunkten der gesteigerten Strafempfindlichkeit <strong>und</strong> -empfänglichkeit43,<br />
der verbesserten Sozialprognose 44 oder dem gesunkenen Strafbedürfnis 45 herzuleiten,<br />
nicht für Verfahrensverzögerungen geeignet sind: Sie sind nur auf den<br />
Zeitablauf zwischen Tat <strong>und</strong> Urteil, nicht aber aufdie Verfahrensdauer, geschweige<br />
denn auf Verzögerungen bezogen. Gleiches gilt, soweit versucht worden ist,<br />
auf die Verfahrensbelastungen abzustellen 46, da diese zwar ihren Gr<strong>und</strong> in der<br />
langen Verfahrensdauer haben können, die aber ihrerseits nicht auf Verzögerungen<br />
beruhen muß. Auf diese Ansätze wird später zurückzukommen sein 47.<br />
1. Zum schuldabhängigen Milderungsgr<strong>und</strong><br />
So zeigen sich die wenigen Erklärungsversuche dann auch als dogmatisch<br />
problembeladen. Sie versuchen letztendlich, die Strafzumessungslösung mit dem<br />
Schuldprinzip dadurch zu vereinbaren, daß sie, angelehnt an zivilrechtliehe Konstruktionen,<br />
den Strafanspruch als durch das Verzögern verkürzt betrachten:<br />
So sprechen beispielsweise Hillenkamp <strong>und</strong> Horn kurz da<strong>von</strong>, daß der staatliche<br />
Strafanspruch infolge der "illoyalen Verspätung" "teilverwirkt" sein könnte 48.<br />
Nun ist eine "Teilverwirkung" der gesamten geltenden Rechtsordnung fremd.<br />
Auch im Zivilrecht führt ein "rigides Alles-oder-Nichts-Prinzip"49 bei der Verwirkung<br />
zur Hemmung der Rechtsausübung 50 , niemals aber zur Anspruchskürzung.<br />
Nun hat allerdings Hillenkamp - bezogen auf das Opferverhalten - vom<br />
"verwirkungsnahen Verhalten" als Strafmilderungsgr<strong>und</strong> gesprochen 51. Jedenfalls<br />
dann, wenn man die Verwirkung entgegen der hier vertretenen Auffassung 52<br />
als Strafaufhebungsgr<strong>und</strong> verstünde, wäre dieses "Umschlagen" in Strafmilderung<br />
dogmatisch kaum bedenklich. So ist etwa auch für den Strafaufhebungsgr<strong>und</strong><br />
des § 24 StGB anerkannt, daß dann, wenn die Rücktrittsvoraussetzungen nur<br />
zum Teil vorliegen, Strafmilderung zulässig ist5 3, was allerdings bei Zugr<strong>und</strong>ele-<br />
42 Horn in SK StGB, § 46 Rn. 136; 146; ähnlich Frisch, ZStW 99 (1987), S. 379 f.;<br />
Bruns, MDR 1987, S. 181; Kühne, EuGRZ 1983, S. 384; I. Roxin, Rechtsfolgen, S. 18<strong>3.</strong><br />
43 K. Peters, IR 1978, S. 247 f.; C. Roxin, <strong>Strafverfahren</strong>srecht 2l , § 16 C; Schroth,<br />
NIW 1990, S. 30.<br />
44 Horn in SK StOB, § 46 Rn. 146.<br />
45 Zipf, Strafzumessungsrecht 2 , S. 89; <strong>Die</strong> Strafmaßrevision, S. 201; Schroth, NIW<br />
1990, S. 30; ähnlich Frisch, ZStW 99 (1987), S. 380 Fn. 12.<br />
46 I. Roxin, Rechtsfolgen, S. 249 ff.<br />
47 Siehe unten, B; C.<br />
48 Hillenkamp, IR 1975, S. 138; Horn in SK StGB, § 46 Rn. 146; vgl. auch Bruns,<br />
MDR 1987, S. 181.<br />
49 Roth in MünchKomm 2 , § 242 Rn. 236.<br />
50 Siehe dazu oben, 4. Kap. A.<br />
51 Hillenkamp, Vorsatztat <strong>und</strong> Opferverhalten, S. 287 ff.<br />
52 Siehe oben, 4. Kap. B.<br />
53 Vogler in LKlO, § 24 Rn. 207; Eser in SchSch 23 , § 24 Rn. 115.
208 7. Kap.: Strafmilderung wegen Strafzumessungsrelevanz A. Verzögerungen als Strafzumessungsgr<strong>und</strong> 209<br />
gung der (kaum noch vertretenen54) Theorie <strong>von</strong> der "goldenen Brücke" bezweifelt<br />
werden könnte. <strong>Die</strong> Problematik liegt jedoch woanders: Verfahrensverzögerungen<br />
stellen in der Regel keinen "verwirkungsnahen Fall" dar. <strong>Die</strong> Verwirkung<br />
der Strafverfolgungsbefugnis ist - wenn überhaupt - nur im Vorfeld der<br />
"Verzögerung zwecks Verurteilung" oder der- noch fragwürdigeren - "Enttäuschung<br />
berechtigten Vertrauens" denkbar 55 . Ein Strafzumessungsgr<strong>und</strong> der Verwirkungsnähe<br />
könnte also nur Strafmilderung in diesem engen Teilbereich erklären.<br />
<strong>Die</strong> Strafzumessungslösung wird durch diese Konstruktion also nicht dogmatisch<br />
erklärt, sondern nur mit einem Schlagwort verknüpft.<br />
Nicht viel anderes gilt für die Auffassung <strong>von</strong> Bruns, bei prozessualen Fehlern<br />
sei unter dem Gesichtspunkt des mitwirkenden Verschuldens Strafmilderung<br />
geboten 56. <strong>Die</strong>ser Gedanke, den Bruns anhand <strong>von</strong> Fallgruppen <strong>von</strong> Rechtsstaatswidrigkeiten<br />
entwickelt hat, die schon bei der Tatbegehung eine Rolle spielen 57,<br />
läßt sich nicht so ohne weiteres auf Verfahrensverzögerungen übertragen 58: Denn<br />
wie soll ein "mitwirkendes Verschulden" nach der Tat, nämlich bei ihrer Verfolgung,<br />
denkbar sein? Doch wohl allenfalls dann, wenn die Strafverfolgungsbehörden<br />
durch die (verzögerliche) Verfahrensführung zum Umfang der Straftat beigetragen<br />
haben. Das wäre rein konstruktiv denkbar, wenn die Strafverfolgungsbehörden<br />
rechtsfehlerhaft nur verzögernd zur Verhinderung der Fortsetzung einer<br />
Straftat einschreiten 59 • <strong>Die</strong>ser Überlegung entspricht es auch, wenn Bruns in<br />
seinem Lehrbuch die Mitwirkung durch den Verletzten in den Mittelpunkt stellt:<br />
Mitwirkendes Verschulden könne danach durch Umstände nach der Tat nur<br />
insoweit vorliegen, als der Verletzte nichts unternimmt, den Schaden so gering<br />
wie möglich zu halten 60.<br />
2. Zum schuldunterschreitenden Milderungsgr<strong>und</strong><br />
<strong>Die</strong>sen Erklärungsversuchen hat sich nun auch der 2. Senat des BGH entgegengestellt.<br />
Er hat in einigen zum Lockspitzeleinsatz ergangenen Entscheidungen<br />
am Rande geäußert, daß die Strafmilderung bei <strong>überlange</strong>r Verfahrensdauer die<br />
- zulässige - Berücksichtigung eines schuldunabhängigen Umstands bedeuten<br />
würde 61 <strong>und</strong> zur Schuldunterschreitung führen dürfe 62 •<br />
54 Siehe aber insbes. Puppe, NStZ 1984, S. 490; zur Kritik siehe ausführlich Ulsenheimer,<br />
Gr<strong>und</strong>fragen des Rücktritts vom Versuch in Theorie <strong>und</strong> Praxis, S. 64 ff.<br />
55 Siehe dazu oben, 4. Kap. A I 2; 11 2.<br />
56 Bruns, MDR 1987, S. 180 f.<br />
57 Bruns, Das Recht der Strafzumessung 2 ,<br />
S. 937 (938).<br />
S. 170; vgl. auch Hasserner, JuS 1989,<br />
58 So auch 1. Roxin, Rechtsfolgen, S. 185b f.<br />
59 Vgl. dazu OLG Hamm, VRS 54, S. 447 (zweifelnd dazu Bohnert, KK OWiG, § 47<br />
Rn. 106); vgl. auch BGHR StGB § 46 Abs. 2 Wertungsfehler 1<strong>3.</strong><br />
60 Bruns, Das Recht der Strafzumessung 2 , S. 169 f.<br />
<strong>Die</strong>se Ausführungen des BGH, die weitgehend nicht problematisiert worden<br />
sind63, implizieren tiefgreifende Konsequenzen für das gesamte Strafzumessungssystem<br />
<strong>und</strong> betreffen nicht bloß eine "interessante Einzelfrage"64. Das erkannt<br />
zu haben, ist das Verdienst <strong>von</strong> Bruns 65 •<br />
<strong>Die</strong>se Rechtsprechung müßte zunächst einmal, konsequent weitergedacht, zur<br />
Ablehnung der Schuldrahmengrenze i. S. d. Spielraumtheorie führen 66 • <strong>Die</strong> Möglichkeit<br />
der schuldunterschreitenden Strafe hat der BGH jedoch bisher regelmäßig<br />
abgelehnt. Strafe dürfe sich <strong>von</strong> ihrer Bedeutung als gerechter Schuldausgleich<br />
weder nach oben noch nach unten inhaltlich lösen 67 • Bruns war zunächst gewillt,<br />
noch dazu, da der BGH völlig auf jegliche Begründung verzichtet, anzunehmen,<br />
daß der 2. Senat insoweit die weiterreichenden Konsequenzen nicht bedacht<br />
haben könnte. Er bezeichnete dann auch die Entscheidungen des 2. Senats als<br />
"mit der heißen Nadel gestrickt"; der BGH habe den "rechtsdogmatischen Sprengstoff'<br />
nicht erkannt 68 • In dieser Vermutung sieht man sich jedoch getäuscht. Der<br />
2. Senat hat auch ein Jahr nach dem Erscheinen des Aufsatzes <strong>von</strong> Bruns, der<br />
ihm bekannt gewesen sein dürfte, jedenfalls auf den Lockspitzeleinsatz bezogen<br />
seine Auffassung, schuldunabhängige Gesichtspunkte seien selbst schuldunterschreitend<br />
in der Strafzumessung zu berücksichtigen, in einerEntscheidung erneut<br />
betont 69 <strong>und</strong> sie sogar in der <strong>von</strong> den Richtern des B<strong>und</strong>esgerichtshofs veröffentlichten<br />
Entscheidungssammlung BGHR abgedruckt7°.<br />
<strong>Die</strong>se Rechtsprechung ist dann auch aufAblehnung gestoßen 71; lediglich Stree,<br />
Mitverfasser der Alternativentwürfe <strong>und</strong> Anhänger der Theorie der Schuldunterschreitung,<br />
hat dem BGH zugestimmt7 2 . Nun ist allerdings nicht zu übersehen,<br />
daß selbst für die Anhänger dieser Auffassung die Schuldunterschreitung nur<br />
aus spezialpräventiven Gründen zulässig ist 73 • Der 2. Senat des BGH ist wohl<br />
61 BGH, NJW 1986, S. 75 (76); NStZ 1986, S. 162. Vgl. auch BGHSt (Großer Senat)<br />
33, S. 356 (358 f.).<br />
62 BGH, NStZ 1986, S. 162.<br />
63 Vgl. Puppe, NStZ 1986, S.404; Streng, NStZ 1988, S.487; Hillenkamp, NJW<br />
1989, S. 2844 Fn. 33; S.2846 Pn.67; Schünemann, StV 1985, S.424; Montenbruck,<br />
Abwägung <strong>und</strong> Umwertung, S. 65 Fn. 93; Paschmanns, <strong>Die</strong> staatsanwaltschaftliche VerfahrenseinsteIlung<br />
wegen Geringfügigkeit, S. 134.<br />
64 So aber Schroth, MschrKrim 72 (1989), S. 492.<br />
65 Bruns, MDR 1987, S. 177; Neues Strafzumessungsrecht?, S. 36 f.; 44 f.; ähnlich<br />
auch 1. Roxin, Rechtsfolgen, S. 184.<br />
66 Vgl. dazu auch Schroth, NJW 1990, S. 30.<br />
67 BGHSt 24, S. 132 (134); 29, S. 319 (321); 34, S. 345 (349).<br />
68 Bruns, MDR 1987, S. 177.<br />
69 BGH, StV 1988, S. 296; vgl. auch S. 295.<br />
70 BGHR StGB § 46 Abs. 1 V-Mann <strong>3.</strong> Siehe zur Bedeutung dessen Sarstedt / Hamm,<br />
<strong>Die</strong> Revision in Strafsachen', Rn. 521 f.; Strate, StV 1990, S. 392.<br />
71 Dreher / Tröndle, StGB44, § 46 Rn. 35c; G. Schäfer, Praxis der Strafzumessung,<br />
Rn. 357.<br />
72 Stree in SchSch 2 " vor §§ 38 ff. Rn. 18a. Vgl. auch Schroth, NJW 1990, S. 30.<br />
14 Scheffler
210 7. Kap.: Strafmilderung wegen Strafzumessungsrelevanz B. Tatfeme als Strafzumessungsgr<strong>und</strong> 211<br />
auch insoweit noch einen Schritt weiter gegangen: Beim Lockspitzeleinsatz liege<br />
der schuldunabhängige Gesichtspunkt darin, daß sich "die im Interesse der Verbrechensaufklärung<br />
<strong>und</strong> -bekämpfung in Kauf genommene besondere Gefahr<br />
einer Verstrickung nicht <strong>von</strong> vornherein Tatbereiter in Schuld <strong>und</strong> Strafe" verwirkliche<br />
74. Es soll offenbar durch Strafermäßigung dem Täter angetanes Unrecht<br />
kompensiert werden75. Eine Verbindung zur Spezialprävention, insbesondere zur<br />
Resozialisierung, ist nicht ersichtlich 76. Eine solche Verbindung <strong>von</strong> Verfahrensverzögerungen<br />
zur Spezialprävention deutet weder der 2. Senat in seinem Rekurs<br />
auf <strong>überlange</strong> Verfahrensdauer an noch ist sie erkennbar 77 • Der Umstand, daß<br />
staatlicherseits Fehlverhalten gerade bei der Verfolgung des Fehlverhaltens des<br />
Beschuldigten geschieht, dürfte jedenfalls hinsichtlich des Resozialisierungszieles<br />
eherkontraindiziert sein. Auch hier dürfte also nur als strafzweckunabhängiger<br />
Milderungsgr<strong>und</strong> in Betracht kommen, daß ein Verfahrensfehler "gutgeschrieben"78<br />
wird.<br />
Insofern hat der 2. Senat nicht nur, wie Bruns meint, einem neuen Schulenstreit<br />
Nahrung gegeben 79, sondern auch strafzweckabgekoppelte Strafzumessung für<br />
zulässig erklärt - Bruns' "rechtsdogmatischer Sprengstoff' erweist sich als<br />
hochexplosiv. <strong>Die</strong>s scheint wohl auch der 1. Strafsenat erkannt zu haben: Ohne<br />
die Rechtsprechung des 2. Senats ausdrücklich zu erwähnen, ist er ihr deutlich<br />
entgegengetreten80: Verfahrensfehler bildeten keine Strafzumessungsgründe.<br />
Zwar ist es verfassungsrechtlich unbedenklich, die schuldangemessene Strafe<br />
zu unterschreiten 81, sei es aus spezialpräventiven Gründen, sei es zur Berücksichtigung<br />
sonstiger schuldunabhängiger Gesichtspunkte. Insoweit wäre der BGB<br />
jederzeit legitimiert, seine bisherige Rechtsprechung zu ändern. <strong>Die</strong> Konsequenzen<br />
freilich wären weitreichend <strong>und</strong> kaum übersehbar. Es sei daran erinnert, daß<br />
schon zur Theorie der spezialpräventiven Schuldunterschreitung Stratenwerth <br />
ebenfalls Mitverfasser der Alternativentwürfe - äußerte, als Konsequenz müsse<br />
die Strafzumessungslehre "zweifellos <strong>von</strong> Gr<strong>und</strong> auf neu geschrieben werden"82.<br />
Zipf meinte sogar, das gesamte Schuldstrafrecht würde "ausgehöhlt"8<strong>3.</strong><br />
Bevor man diesen rechtsdogmatischen Sprengstoff zündet, ist einzuhalten <strong>und</strong><br />
die Frage zu stellen, ob nicht auch das gewünschte Ergebnis auf Gr<strong>und</strong>lage des<br />
73 Kritisch dazu Scheffler, Kriminologische Kritik des Schuldstrafrechts, S. 59 ff.<br />
74 BGH, NStZ 1986, S. 162.<br />
75 Puppe, NStZ 1986, S. 405 f.<br />
76 Bruns, MDR 1987, S. 179.<br />
77 So auch Bruns, MDR 1987, S. 181.<br />
78 Bruns, MDR 1987, S. 180.<br />
79 Bruns, MDR 1987, S. 181. Vgl. auch Katzorke, Verwirkung, S. 60.<br />
80 BGH, NStZ 1989, S. 526. Vgl. aber auch die Senatsentscheidung StV 1989, S. 518.<br />
8\ VgI. Bruns, MDR 1987, S. 178.<br />
82 Stratenwerth, Tatschuld <strong>und</strong> Strafzumessung, S. 37.<br />
83 Maurach / Zipf, Strafrecht AT/16, § 4 Rn. 36 (<strong>Die</strong> Formulierung findet sich nicht<br />
mehr in der 7. Aufl.).<br />
geltenden Verständnisses <strong>von</strong> Schuldstrafe erlangt werden kann: Strafmilderung<br />
bei <strong>überlange</strong>r Verfahrensdauer wird doch nicht deshalb propagiert, weil die<br />
Strafverfolgungsbehörden pflichtwidrig gehandelt haben. Vielmehr soll hier den<br />
aus den Verzögerungen resultierenden Folgen Rechnung getragen werden: dem<br />
Abstand zwischen Tat <strong>und</strong> Urteil einerseits sowie den Verfahrensbelastungen<br />
des Beschuldigten andererseits. Und diese Faktoren sind strafzumessungsrelevant.<br />
B. Tatferne als Strafzumessungsgr<strong>und</strong><br />
Gelegentlich wird geäußert, für das Vorliegen <strong>überlange</strong>r Verfahrensdauer sei<br />
die Frist zwischen Tat <strong>und</strong> Urteil maßgeblich 84. <strong>Die</strong>s kann nicht richtig sein:<br />
Zwar ist nicht einzusehen, wieso gelegentlich auf den Zeitpunkt der Anklageerhebung<br />
85 , <strong>von</strong> der herrschenden Ansicht auf die Bekanntgabe des Vorwurfs an den<br />
Beschuldigten 86 abgestellt wird: Denn stellt man aufdas Faktum der Verzögerungen<br />
ab, so wären diese genauso in einem früheren Stadium des Ermittlungsverfahrens<br />
denkbar <strong>und</strong> rechtlich mißbilligt 87 . Noch weiter ist das OLG Düsseldorf<br />
gegangen, das <strong>überlange</strong> Verfahrensdauer deshalb verneinte, weil das Ermittlungsverfahren<br />
nicht verzögert eingeleitet worden sei 88. Der früheste Zeitpunkt<br />
dürfte also bei Verzögerungen der Augenblick der faktischen <strong>und</strong> rechtlichen<br />
Möglichkeit der Aufnahme <strong>von</strong> Ermittlungen sein. <strong>Die</strong>ser mag zwar häufig mit<br />
der Tatbegehung zusammenfallen, was aber etwa bei später Entdeckung <strong>von</strong> Tat<br />
<strong>und</strong> Täter nicht der Fall ist. Unter dem Gesichtspunkt der Tatferne wird also<br />
ausschließlich auf den Abstand <strong>von</strong> Tat <strong>und</strong> Verfahrensbeendigung abgestellt.<br />
Es kommt weder darauf an, wie lange das <strong>Strafverfahren</strong> dauerte, noch darauf,<br />
ob es durch staatliche Stellen verzögert wurde. So liegt Tatferne, aber keine<br />
<strong>überlange</strong> Verfahrensdauer vor, wenn ein <strong>Strafverfahren</strong> erst in Verjährungsnähe<br />
begonnen <strong>und</strong> durchgeführt werden kann. Umgekehrt liegt <strong>überlange</strong> Verfahrensdauer,<br />
aber keine Tatfeme vor, wenn etwa in einer einfachen, sogleich ausermittel-<br />
84 Vgl. BGH, Beschl. v. 2.7.1974 - 5 StR 48/74 (Anhang 3); Urt. v. 6.7.1976<br />
5 StR 184/76 (Anhang 7); Urt. v. 24.11.1979 - 4 StR 459/77 (Anhang 11); Urt. v.<br />
4.<strong>3.</strong>1980 - 5 StR 14/80 (Anhang 13); Horn in SK StGB, § 46 Rn. 146; Molketin, BA<br />
1982, S. 183; unklarSchroth, NJW 1990, S. 30 f.; vgl. auch den Bezug <strong>von</strong> OLG Kob1enz,<br />
VRS 59, S. 339 (340) aufBGH, GA 1979, S. 313 (314). Dagegen ausdrücklich Geppert,<br />
JK 1983, MRK Art. 6/1.<br />
85 So offenbar BGH, GA 1977, S. 275 (276).<br />
86 BGH. NStZ 1982, S. 291; StV 1988, S. 487 (488); Ulsamer, FS Faller, S. 374 f.;<br />
379; Vogler, ZStW 89 (1977), S. 779 f. Siehe auch unten, eIl.<br />
87 Vgl. Ulsenheimer. HWiStR, S. 4; Geppert, JK 1983, MRK Art. 6/1; Schroth, NJW<br />
1990, S.30. Trotz des Wortlauts ("auf die gesamte <strong>Dauer</strong> des Verfahrens") ist so<br />
allerdings wohl nicht BGHSt 35, S. 137 (139) zu verstehen, dem es dem Zusammenhang<br />
nach um den Endzeitpunkt des relevanten Verfahrenszeitraums geht.<br />
88 OLG Düsseldorf, NJW 1986, S. 2204 (2205). Dagegen Schroth, NJW 1990, S. 30.<br />
Vgl. auch BGH, Urt. v. 5.7.1977 - 5 StR 771/76 (Anhang 9): kein Verfahrenshindernis,<br />
weil das Verfahren schon früher "hätte eingeleitet <strong>und</strong> durchgeführt werden können".<br />
14*
212 7. Kap.: Strafmilderung wegen Strafzumessungsrelevanz B. Tatfeme als Strafzumessungsgr<strong>und</strong> 213<br />
ten Strafsache die Durchführung der Hauptverhandlung unnötig hinausgezögert<br />
wird.<br />
I. Verringertes Stratbedürfnis <strong>und</strong> Strafhöhenbemessung<br />
Der BGH betont in ständiger Rechtsprechung, daß der erhebliche Zeitraum,<br />
der zwischen Tat <strong>und</strong> Urteil verstrichen ist, bei der Rechtsfolgenentscheidung<br />
zugunsten des Beschuldigten zu berücksichtigen ist 89 , wobei er deutlich macht,<br />
daß dies neben der Strafmilderung wegen <strong>überlange</strong>r Verfahrensdauer zu geschehen<br />
habe 90. <strong>Die</strong>se Rechtsprechung, die in der Literatur regelmäßig auf Zustimmung<br />
trifft 91 , ist dogmatisch nicht ohne weiteres begründbar 92 :<br />
Nach Kar! Peters kann die Strafempfänglichkeit <strong>und</strong> -empfindlichkeit die<br />
Strafmilderung bei Tatferne legitimieren, weil eine übermäßig späte, <strong>von</strong> der<br />
Straftat zeitlich weit entfernte Bestrafung vom Beschuldigten als besonders hart<br />
empf<strong>und</strong>en werde 93 • Nun ist das Leidempfinden Kriterium der Strafempfindlichkeit,<br />
die sich, wie Heinrich Henkel deutlich gemacht hat, auf die repressive<br />
Wirkung der Strafe bezieht, während die da<strong>von</strong> zu unterscheidende Strafempfänglichkeit<br />
die präventiven Wirkungen der Strafe berücksichtigen soll 94. Kar! Peters<br />
wäre also dahingehend zu ergänzen, daß durch Zeitablauf die "Ansprechbarkeit"<br />
des Beschuldigten auf Strafe sinken könnte 95 •<br />
Gegen die Argumentation <strong>von</strong> Kar! Peters ist einzuwenden, daß zur Legitimation<br />
des Beschleunigungsprinzips regelmäßig die Behauptung herangezogen wird,<br />
die Strafe könne nur dann ihre Wirkung entfalten, wenn sie der Tat auf dem<br />
Fuße folgt 96 • Man hat sich in diesem Zusammenhang sogar zu den Formulierun-<br />
89 BGHSt 29, S. 370 (372); 36, S. 363 (372); GA 1977, S. 275 (276); 1979, S. 313<br />
(314); NStZ 1983, S. 167; 1986, S. 217 (218); StV 1988, S. 295; S. 487; BGHR StGB<br />
§ 46 Abs. 2 Nachtatverhalten 4 (insoweit nicht in NStZ 1987, S. 171 abgedruckt); wistra<br />
1990, S. 20; bei Detter, NStZ 1990, S. 221; Urt. v. 24.2.1977 - 1 StR 554/76 (Anhang<br />
8); vg1. auch schon BGH, MDR 1966, S. 523; so auch schon OGHSt 1, S. 119 (121 f.);<br />
2, S. 94 (98); OLG Kar1sruhe, GA 1973, S. 185 (186).<br />
90 BGHSt 36, S. 363 (372); GA 1977, S. 275 (276); NStZ 1986, S. 217 (218); StV<br />
1988, S. 487 (488); wistra 1990, S. 20; ähnlich BayObLG, StV 1989, S. 394 (395); Stree<br />
in SchSch'3, § 46 Rn. 57; Keller / Schmid, wistra 1984, S. 202; Montenbruck / Kuh1mey /<br />
Enderlein, JuS 1987, S. 807; gegen die Differenzierung Hillenkamp, JR 1975, S. 138.<br />
91 Vg1. Z. B. Maurach, Strafrecht AT., § 63 11 B 3 b; Jagusch, <strong>Die</strong> Praxis der Strafzumessung,<br />
S. 112 f.; Bruns, Das Recht der Strafzumessung', S. 181; Zipf, <strong>Die</strong> Strafmaßrevision,<br />
S. 88; 201 f.; Hanack, JZ 1967, S. 338; 1971, S. 715; Kintzi, JR 1990, S. 315.<br />
92 Hillenkamp, JR 1975, S. 138; Zipf, <strong>Die</strong> Strafmaßrevision, S. 201 f.<br />
93 K. Peters, JR 1978, S. 247 f.; ähnlich C. Roxin, <strong>Strafverfahren</strong>srecht'l, § 16 C; G.<br />
Hirsch, Strafzumessung, S. 184 (Nachweise auf unveröffentlichte Urteile S. 176 f.);<br />
Schroth, NJW 1990, S. 30; vg1. auch BGHSt 24, S. 239 (242); Bruns, Das Recht der<br />
Strafzumessung', S. 181.<br />
94 Vg1. H. Henkel, FS H. Lange, S. 179 ff.; vg1. auch Bruns, Das Recht der Strafzumessung"<br />
S. 197.<br />
95 Vg1. Berz, NJW 1982, S. 730.<br />
96 Vg1. dazu Hillenkamp, JR 1975, S. 135; Scheffler, RdJB 1981, S. 452 f.<br />
gen verstiegen, der Zeitablauf würde eine Abschwächung der Strafwirkung verursachen<br />
97, tatnahe Verurteilung dagegen würde die Strafe an Schärfe gewinnen<br />
lassen 98 • Denkt man diesen Gedanken konsequent zu Ende, so würde dies bedeuten,<br />
daß bei Tatferne eher eine Strafschärfung in Betracht kommt, um insbesondere<br />
die gesunkene Strafempfindlichkeit auszugleichen 99 : Geringe Strafempfindlichkeit<br />
kann genauso wie geringe Strafempfänglichkeit Anlaß zu Strafschärfung<br />
sein 100; beides sind ambivalente Strafzumessungsgründe.<br />
In der Literatur zum Strafzumessungsrecht wird demzufolge ein anderer Zugang<br />
zur Begründung der gewünschten Strafmilderung gewählt. Man geht <strong>von</strong><br />
der "W<strong>und</strong>en heilenden Kraft der Zeit" 101 auS: Zipf hält die Konstruktion für<br />
denkbar, daß durch den Zeitablauf die Schuld verringert werden könne 102. Es<br />
sei da<strong>von</strong> auszugehen, daß die Straftat die Rechtsordnung verletzt habe. Der<br />
Ausgleich dieser Rechtsstörung finde durch die Verhängung eines schuldproportionalen<br />
Übels statt. <strong>Die</strong> Abschwächung des Ausgleichsbedürfnisses für die durch<br />
die Tat gestörte Rechtsordnung sei der Gr<strong>und</strong> für die Schuldminderung mit<br />
wachsendem zeitlichen Abstand zwischen Tat <strong>und</strong> Aburteilung 10<strong>3.</strong> Auch Bruns<br />
dürfte so zu verstehen sein 104. Ähnlich meint Frisch, die <strong>Dauer</strong> der seit der Tat<br />
verstrichenen Zeit habe zwar mit der Tatschuld nichts zu tun; die Schuldstrafe<br />
ziele jedoch darauf, die durch die Tat geschaffene Rechtsfriedensstörung zu<br />
beheben, die auch durch den Zeitablauf teilweise behoben worden sein könnte 105,<br />
so daß für den vollen Schuldausgleich gar kein Bedürfnis mehr bestünde 106.<br />
Schließlich hebt auch Gerhard Schäfer darauf ab, bei vom Täter nicht verschuldetem<br />
Zeitablauf würde die "an sich nach dem Maß der Vorwerfbarkeit auszuwerfende<br />
Strafe" <strong>von</strong> der Bevölkerung nicht mehr verstanden 107. Im übrigen wird<br />
auch in der Rechtsprechung häufiger auf das sich abschwächende Strafbedürfnis<br />
hingewiesen 108.<br />
Folgt man diesen Ansätzen, die auf der Trennbarkeit <strong>von</strong> Tat- <strong>und</strong> Strafzumessungsschuld<br />
beruhen 109 <strong>und</strong> die insbesondere durch die im Anschluß an Günther<br />
97 Vg1. Begr. RegE RJGGÄndG, BT-DrS I/3264, S. 246.<br />
98 Bo1dt, DR 1940, S. 2037.<br />
99 Vg1. Bender / Heiss1er, ZRP 1978, S. 32.<br />
100 H. Henkel, FS H. Lange, S. 190; 194. Vg1. auch BGHSt 7, S. 28 (31).<br />
101 Siehe etwa OGHSt 1, S. 119 (121); Grauhan, GA 1976, S. 227; K. Peters, JR<br />
1978, S. 247 f.; Molketin, BA 1982, S. 18<strong>3.</strong><br />
102 Zipf, Strafzumessungsrecht" S. 89.<br />
103 Zipf, <strong>Die</strong> Strafmaßrevision, S. 201.<br />
104 Bruns, Das Recht der Strafzumessung', S. 181.<br />
105 Frisch, ZStW 99 (1987), S. 379<br />
106 Frisch, ZStW 99 (1987), S. 380 Fn. 12.<br />
107 G. Schäfer, Praxis der Strafzumessung, Rn. 356.<br />
108 Vgl. BGHSt 29, S. 370 (372); OLG Karlsruhe, GA 1973, S. 185 (186).<br />
109 Vgl. Achenbach, Historische <strong>und</strong> dogmatische Gr<strong>und</strong>lagen der strafrechtssystematischen<br />
Schuldlehre, insbes. S. 2 ff.
214 7. Kap.: Strafmilderung wegen Strafzumessungsrelevanz B. Tatfeme als Strafzumessungsgr<strong>und</strong> 215<br />
Jakobs vertretene generalpräventive Ausdeutung <strong>von</strong> Schuld 110 theoretische Stütze<br />
erlangen können, ist die Berücksichtigung der Tatfeme in der Strafzumessung<br />
mit dem Schuldstrafrecht in Übereinstimmung zu bringen. Strafe wird nur dann<br />
als schuldangemessen betrachtet <strong>und</strong> entfaltet nur dann general- <strong>und</strong> spezialpräventive<br />
Wirkungen, sofern sie nicht infolge Zeitablaufs als überhöht empf<strong>und</strong>en<br />
wird. Insofern zeigt sich auch die Richtigkeit des Ansatzes <strong>von</strong> Karl Peters: Bei<br />
Zeitablauf kann nur noch eine geminderte Strafe den Täter - wenn überhaupt<br />
noch - ansprechen <strong>und</strong> <strong>von</strong> ihm als verdient akzeptiert werden.<br />
1. Sprunghafter Wegfall? - Das Verhältnis zur Verfolgungsverjährung<br />
Der gelegentliche Einwand, es handele sich bei der Verjährung um ein Verfahrenshindernis<br />
<strong>und</strong> nicht um einen Strafaufhebungsgr<strong>und</strong> 111, so daß also die strafmildernde<br />
Wirkung der Verjährungsnähe dogmatisch widersprüchlich sei 112,<br />
könnte damit gekontert werden, daß es auch bei der Tatfeme nicht um die<br />
Verjährungsnähe geht: Gerade außerordentliche Tatfeme liegt regelmäßig erst<br />
dann vor, wenn wegen § 78b III StGB keine Verfolgungsverjährung mehr eintreten<br />
kann, also in der Zeitspanne zwischen erstinstanzlichem Urteil <strong>und</strong> Rechtskraft.<br />
Allerdings wäre dieser Gegeneinwand zu formal. Denn nur aufgr<strong>und</strong> des<br />
erst durch das 2. StrRG 1975 eingeführten § 78b III StGB können Tatfeme <strong>und</strong><br />
Verjährungsnähe auseinanderfallen. <strong>Die</strong>se Vorschrift bedeutet, wie Kohlmann es<br />
formuliert, einen "tiefgreifenden Bruch" des Systems der Verjährung 11<strong>3.</strong> Sie führt<br />
materiell also nicht dazu, daß vor <strong>und</strong> nach erstinstanzlichem Urteil Strafmilderung<br />
aus unterschiedlichen Gründen möglich sein könnte, sondern beschränkt<br />
nur die Verjährungsmöglichkeit der Tatfeme. Dem stehen auch nicht die Ausführungen<br />
<strong>von</strong> Bruns entgegen: Daß Bruns nicht neben dem längeren Zeitablauf<br />
die "herannahende Verjährung" wegen zum Teil "anderer Zielsetzung" als weiteren<br />
Strafzumessungsgr<strong>und</strong> versteht 114, zeigt sich schon daran, daß er die gleiche<br />
Formulierung auch schon zur alten Rechtslage gebrauchte 115. Bruns will die<br />
dogmatischen Schwierigkeiten, Zeitablauf strafmildernd zu berücksichtigen, vielmehr<br />
unter zwei Aspekten angehen: sowohl formal als Annex zum Verjährungsrecht<br />
als auch materiell.<br />
Insofern bleibt doch der Einwand bestehen, wie denn Verjährungsnähe (auch<br />
wenn sie gemäß § 78b In StGB normativ ausgeschlossen ist) zur Strafmilderung<br />
110 Vgl. G. Jakobs, Schuld <strong>und</strong> Prävention, S. 3 ff.; Strafrecht AT, 17. Abschn.<br />
111 Nachweise bei Bloy, <strong>Die</strong> dogmatische Bedeutung der Strafausschließungs- <strong>und</strong><br />
Strafaufhebungsgründe, S. 200 Fn. 84.<br />
112 Vgl. K. Schäfer, Niederschriften 2, S.338; G. Hirsch, Strafzumessung, S. 182<br />
Fn. 207; Baumann in: <strong>Die</strong> nationalsozialistischen Gewahverbrechen, S. 274.<br />
ll3 Kohlmann, FS Pfeiffer, S. 219. Siehe dazu auch oben, 5. Kap. A I.<br />
114 Bruns, Das Recht der Strafzumessung2, S. 181.<br />
115 Bruns, Strafzumessungsrechtz, S. 461.<br />
führen soll. Nun lassen sich gerade bei der Verjährung diese methodischen<br />
Bedenken beiseite schieben: Sie ist ein Institut, dessen Einordnung ins materielle<br />
oder prozessuale Recht höchst umstritten war <strong>und</strong> zum Teil noch ist. <strong>Die</strong> verschiedenen<br />
Positionen sind bekannt: <strong>Die</strong> - inzwischen zurückgedrängte - materiellrechtliche<br />
Verjährungstheorie 116 geht <strong>von</strong> dem infolge Zeitablaufs geschw<strong>und</strong>enen<br />
Strafbedürfnis der Gesellschaft <strong>und</strong> des Verletzten aus. Auf ihrer Gr<strong>und</strong>lage<br />
gäbe es keine Probleme, Strafmilderung dogmatisch zu erklären. Nichts anderes<br />
dürfte auch auf Gr<strong>und</strong>lage der häufiger vertretenen sog. gemischten Verjährungstheorie<br />
117 gelten, die die Verjährung auch als materielles Rechtsinstitut anerkennt.<br />
Einige ihrer Vertreter bezeichnen die Verfolgungsverjährung sogar als persönlichen<br />
Strafaufhebungsgr<strong>und</strong>, der lediglich verfahrensrechtlich als Prozeßhindernis<br />
ausgestaltet sei 118. Aber auch die prozessuale Verjährungstheorie 119, die ausschließlich<br />
an die zeitlich bedingte Beweisverschlechterung anknüpft, erkennt<br />
zumindest an, daß die Verjährung eine "materiellrechtliche Reflexwirkung" habe<br />
120. Ausdrücklich hat auch der 2. Senat des BGH formuliert, der Verjährung<br />
liege "nicht allein der Gesichtspunkt der Beweisvergänglichkeit zugr<strong>und</strong>e, sondern<br />
zusätzlich der Gedanke, daß im Laufe der Zeit ein ursprünglich bestehendes<br />
116 Z. B. RGSt 12, S. 434 (436); v. Lisztl Schmidt, Lehrbuch des deutschen Strafrechts<br />
12 6 , § 75 II; Beling, Gr<strong>und</strong>züge des Strafrechtsli, § 34 II 3; Allfeld, Lehrbuch des<br />
deutschen Strafrechts·, § 60 I; Lorenz, <strong>Die</strong> Verjährung in der deutschen Strafgesetzgebung,<br />
S. 55 ff.; H. Kaufmann, Strafanspruch - Strafklagrecht, S. 154; Bloy, <strong>Die</strong> dogmatische<br />
Bedeutung der Strafausschließungs- <strong>und</strong> StrafaufhebungsgfÜnde, S. 251; v. Stakkelberg,<br />
FS Bockelmann, S. 765; Walder, GS Noll, S. 316 f.<br />
117 Z. B. RGSt 59, S. 197 (199); 66, S. 328; Begr. RegE 1962, BT-DrS 7/551, S. 257;<br />
K. Peters, Strafprozeß" § 2 V; K. Schäfer in LR2., Einl. Kap. 12 Rn. 88; Dreher I Tröndle,<br />
StGB44, vor § 78 Rn. 4; Lackner, StGB18, § 78 Anm. I; Gerland, Deutsches Reichsstrafrecht<br />
2 , S.286; Sauer, Allgemeine Strafrechtslehre 3 , § 34 I; Mezger, Strafrecht3, § 73<br />
IV 2; H. Mayer, Strafrecht AT, § 55 II I; G. Jakobs, Strafrecht AT, 10. Abschn. Rn. 22;<br />
Böckenförde, ZStW 91 (1979), S. 890.<br />
118 Jescheck, Strafrecht AT., § 86 I I; Rudolphi in SK StGB, vor § 78 Rn. 10; ähnlich<br />
Frank, StGB ", § 66 Anm. II; M. E. Mayer, Der allgemeine Teil des deutschen Strafrechts 2 ,<br />
S. 521 f.; Rob. v. Hippel, Deutsches Strafrecht II, § 40 VI; Welzel, Das Deutsche Strafrecht",<br />
§ 34 IV I b; Baumann/Weber, Strafrecht AT9, § 30 III; Gallas, Niederschriften<br />
2, S. 348; kritisch dazu Volk, Prozeßvoraussetzungen, S. 226; Lorenz, <strong>Die</strong> Regelung<br />
der Verjährung im Entwurf des Allgemeinen Teils eines Strafgesetzbuches, S. 12 ff.<br />
119 Vgl. etwa BVerfGE I, S. 418 (423); 25, S. 269 (286); RGSt 76, S. 159 (160 f.);<br />
77, S. 201 (202 f.); BGHSt 2, S. 300 (306); 8, S. 269 (270); 11, S. 393 (395); 29, S. 168;<br />
Binding, Handbuch des Strafrechts I, S. 823 ff.; Kohlrausch I Lange, StGB43, § 67 Anm. I;<br />
Jähnke in LKlO, vor § 78 Rn. 9; Stree in SchSch23, vor § 78 Rn. 3; Preisendanz, StGB30,<br />
vor § 78 Anm. I; Blei, Strafrecht P', § 111; Maurach I Gössel I Zipf, Strafrecht AT I 2 7 ,<br />
§ 75 Rn. 13 ff.; Schmidhäuser, Strafrecht AT2, Kap. 13 Rn. 14; Bockelmann I Volk,<br />
Strafrecht AT., § 8 IV; Volk, Prozeßvoraussetzungen, S. 225 ff.; Bemmann, JuS 1965,<br />
S.338.<br />
120 Allfeld, Lehrbuch des deutschen Strafrechts9, § 60 Fn. 2; vgl. schon Binding,<br />
Handbuch des Strafrechts I, S. 823 f.; vgl. auch Maurach, Strafrecht AT., § 63 II<br />
B 3 b; Blei, Strafrecht P', § 111; Rüping, GA 1985, S. 438; Jagusch, Praxis der Strafzumessung,<br />
S. 112.
216 7. Kap.: Strafmilderung wegen Strafzumessungsrelevanz B. Tatfeme als Strafzumessungsgr<strong>und</strong> 217<br />
Strafbedürfnis immer mehr schwindet" \21. Aus der (umstrittenen) Rechtsnatur<br />
der Verfolgungsverjährung ergeben sich also hinsichtlich zeitlich vorgelagerter<br />
Strafmilderung keine durchschlagenden Bedenken.<br />
Ein weiterer Einwand bestünde auch hier darin, daß der Gesetzgeber dem<br />
Kriterium des Zeitablaufs in der Verjährung abschließend Rechnung getragen<br />
habe 122. So erwähnt Bruns eine ältere Entscheidung des 5. Strafsenats des BGH,<br />
derzufolge der Täter nicht mit Ablauf einer Zwischenzeit - vor der Verjährung<br />
_ milder bestraft werden dürfe, um damit gleichsam den Übergang zur völligen<br />
Straflosigkeit infolge Verjährung zu schaffen 12<strong>3.</strong> Nun wird als ein Haupteinwand<br />
gegen die materielle Verjährungstheorie eingewendet, die Ansicht vom schwindenden<br />
Strafbedürfnis sei unvereinbar mit dem "Sprung" <strong>von</strong> (voller) Strafe <strong>und</strong><br />
Nichtbestrafung ab Stichtag 124. <strong>Die</strong>ses Argument kann man auch "umdrehen",<br />
so daß sich aus dem Faktum des nachlassenden Strafbedürfnisses die Notwendigkeit<br />
der Verjährung vorgelagerter Strafmilderung ergeben würde 125. Denn auch<br />
sonst ist der "Schmerz der Grenze" \26 die Legitimation dafür, das "Alles oder<br />
Nichts" zu entschärfen 127. Hingewiesen sei auf die schon erwähnte strafmildernde<br />
Wirkung des Beinahe-Rücktritts 128 <strong>und</strong> auf die noch zu erörternde Berücksichtigung<br />
des Rechtsgedankens VOn § 60 StGB in der Strafzumessung beim Fehlen<br />
einer seiner Voraussetzungen 129. Es zeigt sich somit, daß im Gegenteil sogar die<br />
materiellrechtlichen Aspekte, an deren Vorliegen ab einem gewissen Punkt der<br />
Gesetzgeber sogar verfahrensbeendende Wirkung geknüpft hat, im Falle weniger<br />
starken Vorliegens zum Strafzumessungssachverhalt gehören müssen. Denn der<br />
Gesetzgeber hat die betreffenden Komplexe nicht abschließend geregelt, sondern<br />
deren besondere Relevanz aufgezeigt, indem er an Extremfälle die weitestgehende<br />
Reaktion geknüpft hat: So hat er etwa im E 1962 sogar die Einführung einer<br />
obligatorischen Strafmilderung bei Verjährungsnähe mit Hinweis auf ausländische<br />
Gesetze 130 diskutiert, aber diese "schematische Regelung" abgelehnt; es<br />
genüge, Zeitablauf als Strafzumessungsgr<strong>und</strong> bewerten zu können 131.<br />
2. Kontinuierliche Abschwächung? - Das Verhältnis<br />
zur Integrationsprävention<br />
Es ist auch mehr als fraglich, ob das Strafbedürfnis sich tatsächlich quasi<br />
proportional mit dem Zeitablauf abschwächt 132. So hat schon der OGH BZ ein<br />
Sinken des Strafbedürfnisses mit der Folge <strong>von</strong> Strafmilderung bei Verbrechen<br />
gegen die Menschlichkeit für die Zeitspanne verneint, die die deutsche Gerichtsbarkeit<br />
nicht in der Lage war, solche Verbrechen zu verfolgen 133: "Gerade das<br />
Bewußtsein, daß die gerechte Sühne der Tat aus den angeführten Gründen noch<br />
verhindert wurde, ließ das Opfer wie die Allgemeinheit die Verletzung trotz des<br />
Zeitablaufs nach wie vor schmerzlich empfinden." 134 <strong>Die</strong>sem Gedanken ist vor<br />
allem der 5. Senat des BGH wohl in einigen Entscheidungen gefolgt, wenn er<br />
betont hat, Strafmilderung wegen Zeitablaufs komme deshalb in Betracht, weil<br />
nicht der Beschuldigte das Verfahren "verzögert" habe 135.<br />
<strong>Die</strong>s erscheint unproblematisch, soweit der Zeitablauf vom Beschuldigten<br />
durch prozeßwidriges Verhalten verursacht worden ist, etwa Flucht, Vortäuschen<br />
der Verhandlungsunfähigkeit, falsche Verdächtigung oder Rechtsrnißbrauch 136.<br />
Es ist aber genauso denkbar, daß die späte Durchführung bzw. Beendigung eines<br />
<strong>Strafverfahren</strong>s (mit-)verursacht ist durch - prozeßordnungsgemäßes - Verteidigungsverhalten.<br />
In solchen Fällen, insbesondere wenn das Verhalten sich für<br />
die Öffentlichkeit als unverständliche Verschleppungstaktik darstellt - man<br />
denke etwa an Besetzungsrügen <strong>und</strong> an auf die absolute Beweiskraft des Protokolls<br />
gestützte Revisionsrügen - dürfte das Ausgleichsbedürfnis sich kaum<br />
verringern, sondern möglicherweise sogar verstärken 137.<br />
<strong>Die</strong>s ist hinzunehmen. Auf Gr<strong>und</strong>lage des Schuldstrafrechts läßt sich Strafmilderung<br />
aufgr<strong>und</strong> <strong>von</strong> Zeitablaufeben nur dann legitimieren, wenn man anerkennt,<br />
daß das Abnehmen des Strafbedürfnisses mit einer Schuldverringerung einhergeht<br />
138. <strong>Die</strong>s hat zur Folge, daß sich die Schuld - <strong>und</strong> damit die Strafe - dort<br />
12\ BGH, JZ 1985, S. 352.<br />
\22 Vgl. Hillenkamp, JR 1975, S. 136.<br />
m Bruns, Strafzumessungsrecht 2 , S. 461 Fn.5.<br />
124 Jähnke in LKW, vor § 78 Rn. 9; K. Schäfer, LR2" Einl. Kap. 12 Rn. 88; Pföhler,<br />
Zur Unanwendbarkeit des strafrechtlichen Rückwirkungsverbots im Strafprozeßrecht,<br />
S.35.<br />
125 So wohl Kern, MschrKrimPsych 15 (1924), S. 238 Fn. l.<br />
\26 Dreher, FS Welzel, S. 929.<br />
127 Siehe auch R. Bender, GS Rödig, S. 34 ff.; Montenbruck, JR 1985, S. 118.<br />
128 Siehe dazu oben, A n I.<br />
\29 Siehe dazu unten, C II 2 a bb.<br />
130 Vgl. dazu K. Schäfer, Niederschriften 2, S. 338; Jescheck, Lehrbuch des Strafrechts"<br />
§ 86 I I. Siehe auch Rothenfluth, SchwZStR 100 (1983), S. 368.<br />
131 Begr. RegE 1962, BT-DrS IV /650, S. 257; vgl. dazu Lorenz, <strong>Die</strong> Regelung der<br />
Verjährung im Entwurf des Allgemeinen Teils eines Strafgesetzbuches, S. 28.<br />
\32 Dagegen auch BGHSt 2, S. 300 (307); ausführlich Bockelmann, Niederschriften<br />
2, S. 329.<br />
133 OGHSt I, S. 119 (121 f.); 2, S. 94 (98). Vgl. auch BVerfGE 25, S. 269 (294).<br />
134 OGHSt I, S. 119 (122).<br />
135 BGH, NStZ 1983, S. 167; StV 1988, S. 295; Urt. v. 4. <strong>3.</strong>1980-5 StR 14/80(Anhang<br />
3). Vgl. auch StV 1988, S. 487 (I. Senat).<br />
136 Siehe dazu unten, C III 1.<br />
137 Vgl. Bertz, NJW 1982, S. 729: "<strong>Die</strong> lange <strong>Dauer</strong> ... erregt in der Öffentlichkeit<br />
häufi~ Erstaunen, wenn nicht sogar Empörung ... <strong>Die</strong>s gilt verstärkt immer dann, wenn<br />
. .. em ... Prozeß ... erst nach Jahren sein Ende findet, in einem Zeitpunkt also, in<br />
dem das Tatgeschehen im Bewußtsein der Bevölkerung längst verblaßt ist." Vgl. auch<br />
Rob. v. Hippel, MSchrKrim 26 (1935), S. 241 f.; Bruns, FS Maurach, S. 469; Römer,<br />
FS Schmidt-Leichn~r, S. 143; Schroeder, NJW 1983, S. 140. Siehe auch Bild-Zeitung<br />
v. 24.12.1990: "GeIselgangster schon 17 (I) Monate vor Gericht - was soll das eigentlich?".<br />
138 Vgl. Hillenkamp, JR 1975, S. 138.
218 7. Kap.: Strafmilderung wegen Strafzumessungsrelevanz C. Belastungen als Strafzumessungsgr<strong>und</strong> 219<br />
nicht verringern kann, wo ein Strafbedürfnis nach wie vor vorliegt. <strong>Die</strong>ses Strafbedürfnis<br />
ist jedoch als irrationales sozialpsychologisches Phänomen abhängig <strong>von</strong><br />
Voraussetzungen, die sich rein dogmatischer Herleitung entziehen 139. Folge da<strong>von</strong><br />
ist, daß die Privilegierung des spät Abgeurteilten aufder Rechtsfolgenseite ähnlich<br />
<strong>von</strong> "der Volksmeinung" 140 abhängig ist, wie das etwa auch bei dem Kriterium<br />
der Verteidigung der Rechtsordnung der Fall ist. Es ist jedoch wie bei diesem<br />
Kriterium auf die "über die Besonderheiten des Einzelfalls unterrichtete Bevölkerung"<br />
abzustellen 141, was einer normativen Ausdeutung 142 nahekommt. Demzufolge<br />
dürfte auch in den Fällen, in denen etwa Quo eine Verletzung des Schuldgr<strong>und</strong>satzes<br />
für möglich hält, nämlich wenn der Täter "nicht mehr derselbe wie<br />
zur Tatzeit" ist 143, bei der Strafzumessung reagiert werden können, was sich<br />
dogmatisch auch aus dem Gesichtspunkt der Strafempfanglichkeit herleiten läßt.<br />
Jedoch existiert kein obligatorischer Strafmilderungsgr<strong>und</strong> des Zeitablaufs, sondern<br />
es ist eine einzelfallorientierte, differenzierende Betrachtungsweise geboten<br />
144.<br />
11. Verbesserte Sozialprognose <strong>und</strong> Strafaussetzung zur Bewährung<br />
Der Umstand des langen Zeitablaufs zwischen Tat <strong>und</strong> Verurteilung kann auch<br />
für die Aussetzung der Strafvollstreckung zur Bewährung Relevanz haben. So<br />
ist bei Zeitablauf eine günstige Sozialprognose dann naheliegend, wenn sich der<br />
Täter seit der Tat straffrei gehalten hat 145. <strong>Die</strong>ses Kriterium versagt allerdings,<br />
wenn dem Beschuldigten die straffreie Führung - etwa weil er sich in Untersuchungshaft<br />
bef<strong>und</strong>en hat - nicht zugerechnet werden kann. <strong>Die</strong> günstige Sozialprognose<br />
wird jedoch nicht dadurch ausgeschlossen, daß der Zeitablauf darauf<br />
beruht, daß der Täter versucht hat, der Bestrafung zu entgehen 146.<br />
Der Zeitablauf hat auch als besonderer Umstand im Sinne <strong>von</strong> § 56 II StGB<br />
Bedeutung. <strong>Die</strong>s hat zwar - bezogen auf § 23 II a. F. StGB - der BGH<br />
139 Vgl. etwa Nowakowski, PS Ritder, S. 84 ff.; Jäger, PS H. Henkel, S. 131 ff.;<br />
Haffke, GA 1978, S. 35 ff.<br />
140 Maiwald, GA 1983, S. 65; ähnlich Schröder, JZ 1971, S. 244.<br />
141 BGH, StV 1989, S. 150; ähnlich BGHSt 24, S. 64 (69); NStE Nr. 9 zu § 56 StGB,<br />
wistra 1987, S. 257 (258); BayObLG, NJW 1978, S. 1337.<br />
142 Vgl. dazu Volk, Prozeßvoraussetzungen, S. 200 ff.; kritisch Zielinski, GS H. Kaufmann,<br />
S. 877 ff.; Herrmann, ZStW 95 (1983), S. 130 f.<br />
143 Otto, Gr<strong>und</strong>kurs Strafrecht AT3, § 2 I 2 a aa. Vgl. auch G. Jakobs, Strafrecht AT,<br />
10. Abschn. Rn. 22; Jescheck, Strafrecht AT., § 86 I I; Bemmann, JuS 1965, S. 337;<br />
Sendler, PS Deutsche Richterakademie, S. 178; Rothenfluth, SchwZStR 100 (1983),<br />
S.367.<br />
144 G. Hirsch, LK'o, § 46 Rn. 47; Strafzumessung, S. 186.<br />
145 BGHSt 6, S. 298 (301); Ruß in LK'o, § 56 Rn. 22; Horn in SK StGB, § 46 Rn. 146;<br />
ähnlich BayObLG, StV 1989, S.394 (395); G. Schäfer, Praxis der Strafzumessung,<br />
Rn. 356.<br />
146 BGH, StV 1988, S. 385; Horn in SK StGB, § 56 Rn. 14; Ruß in LKIO, § 56 Rn. 15.<br />
ursprünglich abgelehnt 147. Inzwischen ist er jedoch <strong>von</strong> seiner Rechtsprechung<br />
abgerückt, wonach die besonderen Umstände dem Fall den "Stempel des Außergewöhnlichen"<br />
aufdrücken müssen 148. Demzufolge hat er dann den großen Abstand<br />
zwischen Tat <strong>und</strong> Urteil als besonderen Umstand gesehen 149.<br />
Auch für das Merkmal der Verteidigung der Rechtsordnung spielt der Zeitablaufeine<br />
Rolle 150. Im übrigen folgt dies nach dem BGH aus den gleichen Gründen,<br />
die auch zum Wegfall des Strafbedürfnisses führen können: "So wie es sich auf<br />
die Höhe einer zu verhängenden Strafe auswirkt, daß das Strafbedürfnis der<br />
Allgemeinheit mit zunehmendem zeitlichen Abstand abnimmt, so kann sich,<br />
unter Berücksichtigung aller Strafzwecke, auch das Bedürfnis nach Vollstreckung<br />
einer ausgesprochenen Strafe mit längerem Zeitablaufnach der Tat verringern" 151.<br />
Allerdings ist das Verhältnis zwischen beiden Kriterien im einzelnen unklar. Für<br />
die Rechtsprechung <strong>und</strong> einen Teil der Literatur hat das Schuldrnaß insoweit<br />
Bedeutung, wie es das Rechtsempfinden der Bevölkerung über die Tat <strong>und</strong> ihre<br />
gerechte Strafe prägt. Hat sich das Strafbedürfnis durch Zeitablauf gelegt, würde<br />
regelmäßig auch die Verteidigung der Rechtsordnung nicht mehr die Vollstrekkung<br />
gebieten 152. Da die Gegenansichtjedoch ebenfalls zugesteht, daß die Schuldschwere<br />
<strong>und</strong> die Verteidigung der Rechtsordnung in einem Zusammenhang stehen<br />
153, mag dies hier auf sich beruhen.<br />
C. Belastungen als Strafzumessungsgr<strong>und</strong><br />
Im Zusammenhang mit <strong>überlange</strong>r Verfahrensdauer ist schon seit jeher auf<br />
einen Aspekt hingewiesen worden, der weitergehend als der der Tatfeme strafzumessungsrelevant<br />
ist: Schon Beccaria sprach <strong>von</strong> den "schrecklichen Qualen der<br />
Ungewißheit" des Schuldigen 154, was, wie Hillenkamp formuliert, "mutatis mutandis<br />
auch für den Unschuldigen gilt" 155.<br />
147 BGH, GA 1973, S. 185 (186).<br />
148 Vgl. etwa BGHSt 29, S. 370 (371 f.); StV 1983, S. 502 (503); NStZ 1984, S. 361;<br />
1986, S. 27; wistra 1987, S. 65.<br />
149 BGHSt 29, S. 370 (372); NStE Nr. 25 zu § 56 StGB.<br />
150 BGHSt 29, S.370 (372), BGH, GA 1979, S.313 (314); a.A. offenbar OLG<br />
Koblenz, VRS 59, S. 339 (340), wo zwar <strong>von</strong> Verfahrensdauer gesprochen, aber auf<br />
den Tatzeitpunkt abgehoben wird. Vgl. auch LG Fiensburg, MDR 1979, S. 76.<br />
151 BGHSt 29, S. 370 (372).<br />
152 BGHSt 24, S. 40 (44 ff.); S.64 (66 ff.); bei Dallinger, MDR 1970, S. 380; bei<br />
Martin, DAR 1971, S. 119; VRS 38, S. 334 (335); OLG Köln, VRS 39, S. 27; DAR<br />
1971, S. 300(301); NJW 1970, S. 258 (259); OLG Hamm,NJW 1970, S. 870; BayObLG,<br />
MDR 1972, S. 339 (340); OLG Düsseldorf, VRS 39, S. 328 (329); G. Hirsch in LKIO,<br />
§ 47 Rn. 34 Pn. 38; Stree in SchSch 2J , § 47 Rn. 15.<br />
153 Grünwald, PS Schaffstein, S. 228; Zipf, FS Bruns, S. 209 ff.; Maiwald, GA 1983,<br />
S.59.<br />
154 Beccaria, Über Verbrechen <strong>und</strong> Strafen, S. 9<strong>3.</strong><br />
155 Hillenkamp, JR 1975, S. 134.
220 7. Kap.: Strafmilderung wegen Strafzumessungsrelevanz<br />
Nun sind neben dem psychischen <strong>und</strong> physischen Druck noch zwei weitere<br />
Aspekte der Verfahrensbelastungen zu unterscheiden 156. Hierzu zählen zunächst<br />
einmal Beschränkungen des Beschuldigten durch Maßnahmen zur Sicherung des<br />
Verfahrens (Untersuchungshaft, Meldeauflagen bei Haftverschonung, KautionssteIlung,<br />
Beschlagnahmen) sowie die Anwesenheitspflicht in der Hauptverhandlung.<br />
Schließlich sind als dritter Aspekt die Beeinträchtigung des sozialen Ansehens<br />
<strong>und</strong> wirtschaftliche Nachteile (Verteidigungskosten, Verdienstausfall, Kreditverlust)<br />
zu nennen.<br />
I. Verzögerungen <strong>und</strong> Belastungen<br />
1. Belastungen als abgeleiteter Strafzumessungsfaktor<br />
Der EGMR formulierte schon in seiner ersten Entscheidung zur <strong>überlange</strong>n<br />
Verfahrensdauer (Fall Wemhoff), der Zweck des Beschleunigungsgebots in<br />
Art. 6 I EMRK sei es, auf strafrechtlichem Gebiet ..zu erreichen, daß die Beschuldigten<br />
nicht während eines zu langen Zeitraums unter der Last einer Beschuldigung<br />
bleiben" 157. Nun muß diese Aussage etwas verw<strong>und</strong>ern, weil der EGMR<br />
im Rahmen <strong>von</strong> Art. 6 I EMRK auf die Belastungen des Beschuldigten allenfalls<br />
insoweit indirekt abstellt, als er das Verhalten des Beschuldigten mit berücksichtigen<br />
will 158 • Zudem hat der EGMR in der gleichen Entscheidung zu Art. 5 III<br />
EMRK es abgelehnt, eine <strong>von</strong> der Kommission entwickelte Sieben-Punkte-PfÜfungsmethode<br />
zu übernehmen, die u. a. auch auf "persönliche Auswirkungen<br />
materieller, moralischer <strong>und</strong> anderer Art" auf den Beschuldigten abstellt 159 <strong>und</strong><br />
auch auf Art. 6 I EMRK übertragbar sein könnte 160.<br />
Der 1. Strafsenat des BGH hat neuerdings in einem obiter dictum in Abweichung<br />
<strong>von</strong> der sonstigen Rechtsprechung der Senate, die aufVerfahrensbelastungen<br />
nur untergeordnet hingewiesen haben, diesen Aspekt als den entscheidenden<br />
Strafmilderungsgr<strong>und</strong> bei <strong>überlange</strong>r Verfahrensdauer angesehen: Es wirke ..das<br />
in der ständigen Belastung liegende ... Übel strafmildernd" 161.<br />
156 Vgl. etwa I. Roxin, Rechtsfolgen, S. 252; Nose, ZStW 82 (1970), S. 791 Fn.27;<br />
Kloepfer, JZ 1979, S. 214; Schroth, NJW 1990, S. 30; Wolfslast, NStZ 1990, S. 410;<br />
Schünemann, Verh. 58. DJT, S. B 35 f.<br />
157 EGMR, IR 1968, S. 463 (466); zustimmend OLG Stuttgart, JZ 1974, S. 268; I.<br />
Roxin, Rechtsfolgen, S. 252; ähnlich Bruns, Verh. 50. DIT, S. K 82.<br />
158 Siehe oben, <strong>3.</strong> Kap. A 11.<br />
159 EGMR I, S. 107 (118) (insoweit nicht in JR 1968, S. 463 abgedruckt); ausführlich<br />
dazu Kramer, Menschenrechtskonvention, S. 116 ff.; Bartsch, JuS 1970, S. 448 f.<br />
160 v. Stackelberg, FS Bockelmann, S. 769. Vgl. aber auch EGMR I, S. 143 (167)<br />
(Fall Neumeister).<br />
161 BGH, NStZ 1989, S. 526 (527); vgl. auch schon BGHSt 27, S. 274 (276).<br />
C. Belastungen als Strafzumessungsgr<strong>und</strong> 221<br />
Nur dieser Ansatz kann erklären, warum nach Meinung des EGMR 162 <strong>und</strong><br />
ihm folgend des BGH 163 der Zeitpunkt der Bekanntgabe der Vorwürfe an den<br />
Beschuldigten den für Art. 6 I EMRK maßgeblichen Zeitraum beginnen lassen<br />
soll: Es steckt die Ansicht dahinter, daß mit Wissen vom Ermittlungsverfahren<br />
der Druck, die Belastungen beginnen 164.<br />
Allerdings erscheint fraglich, ob dieser Zeitpunkt dann nicht sogar auf die<br />
Einleitung des Ermittlungsverfahrens vorzuverlegen ist 165, die dem Beschuldigten<br />
nicht mitgeteilt zu werden braucht (vgl. § 170 II StPO), was vielfach auch<br />
kriminaltaktisch angezeigt ist 166. Beeinträchtigungen der Rechtsposition des Beschuldigten<br />
können jedoch schon vor Kenntniserlangung vom Verfahren eintreten.<br />
So ist nach einigen Vorschriften der MiStra (z. B. NT. 16, 32, 41, 43a, 45,<br />
48a, 52) schon die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens den betreffenden SteIlen<br />
mitzuteilen. Beispielsweise führt Nr. 16 II Iit. a MiStra i. V. m. § 32 Nr. 2<br />
GVG zur Unfähigkeit zum Schöffenamt 167. Praktisch relevanter <strong>und</strong> in den Auswirkungen<br />
weitergehend ist vor allem Nr. 43a lit. a MiStra: Danach ist schon<br />
die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens gegen einen Strafgefangenen dem<br />
Leiter der JVA mitzuteilen mit der Folge der regelmäßigen Ungeeignetheit des<br />
Gefangenen für den offenen Vollzug (Nr.2 I lit. d VV zu § lO StVollzG),<br />
Außenbeschäftigung, Freigang, Ausgang (NT. 6 II Iit. d VV zu § I1 StVollzG)<br />
<strong>und</strong> Urlaub (Nr. 4 II lit. e VV zu § 13 StVollzG). Nach Nr. 2.2.1 der Richtlinien<br />
für die Führung Kriminalpolizeilicher personenbezogener Sammlungen (KpS<br />
Richtlinien) können die Daten Beschuldigter im Rahmen eines strafrechtlichen<br />
Ermittlungsverfahrens aufgenommen <strong>und</strong> nach Maßgabe des Katalogs in Nr. 3<br />
Behörden übermittelt werden, wobei die Notwendigkeit der Gefahrenabwehr im<br />
Einzelfall genügt (Nr. <strong>3.</strong>5.12 KpS- Richtlinien). Ähnliches gilt nach den Richtlinien<br />
für d;e Errichtung <strong>und</strong> Führung <strong>von</strong> Dateien über personenbezogene Daten<br />
beim B<strong>und</strong>eskriminalamt (siehe dort Nr. 4.2.1 <strong>und</strong> NT. 5.5.12).<br />
Auch Presseerklärungen <strong>von</strong> Polizei <strong>und</strong> Staatsanwaltschaft sind schon ab<br />
Einleitung des Ermittlungsverfahrens, prinzipiell auch unter Namensnennung<br />
(vgl. Nr. 23 I RiStBV) zulässig 168. Dem hat die EKMR Rechnung getragen,<br />
indem sie bezüglich einer Menschenrechtsbeschwerde gegen die B<strong>und</strong>esrepublik<br />
Deutschland konsequenterweise auf den Zeitpunkt der Veröffentlichung eines<br />
162 EGMR, JR 1968, S. 463 (466) (Fall Wemhoff); EuGRZ 1980, S. 667 (671) (Fall<br />
Deweer); 1982~ S. 297 (301) (Fall Adolf); 1983, S. 371 (379) (Fall Eckle); 1985, S. 578<br />
(581) (Fall Fotl u. a.); S. 585 (587) (Fall Corigliano).<br />
163 BGH, NStZ 1982, S. 291; StV 1988, S. 487 (488).<br />
164 So ausdrücklich Miehsler / Vogler, IntKomm, Art. 6 Rn. 313; Küng-Hofer, Beschleunigung,<br />
S. 83; Ulsamer, FS FaUer, S. 375.<br />
165 So wohl Schroth, NJW 1990, S. 30.<br />
166 Füllkrug, Krim 1987, S. 387 ff.<br />
167 Vgl. Kohlmann, FS Maurach, S. 502 f.; RieB, NStZ 1982, S. 436.<br />
168 Kritisch Ulsamer, FS Zeidler, S. 1809; K.-H. Koch, ZRP 1989, S. 401 ff.
222 7. Kap.: Strafmilderung wegen Strafzumessungsrelevanz<br />
Fotos des Beschuldigten mit der Warnung an die Bevölkerung in einer Tageszeitung<br />
abgestellt hat 169. <strong>Die</strong>se Überlegungen sind auch dadurch zu stützen, daß<br />
ein "Rehabilitierungsbescheid" 170 gemäß § 170 11 StPO nicht nur dann erforderlich<br />
ist, wenn der Beschuldigte als solcher vernommen worden ist, sondern daß<br />
das besondere Interesse an der Bekanntgabe der Einstellung auch dann angenommen<br />
wird, wenn der Beschuldigte "irgendwie <strong>von</strong> der Anzeige erfahren" hatte 171<br />
oder das Ermittlungsverfahren "in der Öffentlichkeit oder auch nur im privaten<br />
Umfeld des Beschuldigten bekanntgeworden ist" 172.<br />
Man könnte sogar noch einen Schritt weitergehen <strong>und</strong> auf den Zeitraum abstellen,<br />
ab dem der spätere Beschuldigte weiß, daß gegen ihn ein Ermittlungsverfahren<br />
eingeleitet werden könnte. Anknüpfungspunkt könnte hier bei verzögerter<br />
Einleitung des Ermittlungsverfahrens 173 der Zeitpunkt der Entdeckung, also der<br />
Beginn des Verdächtigtenstatus sein: Für den Autofahrer etwa, der in einen<br />
Verkehrsunfall verwickelt wurde, dürften die Belastungen gerade auch so lange<br />
bestehen, bis er Kenntnis da<strong>von</strong> erhält, ob er strafrechtlich belangt werden soll.<br />
Der <strong>3.</strong> Strafsenat des BGH hat allerdings in einer Entscheidung nicht schon auf<br />
das Bekenntnis des Beschuldigten zu den Straftaten gegenüber den Geschädigten<br />
abgehoben, sondern erst auf den Zeitpunkt einer Hausdurchsuchung, die freilich<br />
schon einen Tag später stattfand 174. Noch weitergehend, aber entgegen Günter<br />
Hirsch 175 wohl zu weitgehend, könnte aufden Zeitpunkt der Tat abgestellt werden,<br />
wie es das LG München 11 in einem NS-Verfahren getan hat: Es sei strafmildernd<br />
zu berücksichtigen, "daß zwischen der Tatzeit <strong>und</strong> der Aburteilung eine erhebliche<br />
Zeitspanne liegt, während der der Angeklagte psychisch <strong>und</strong> physisch unter dem<br />
ständigen Druck einer möglichen Entdeckung gelitten hat" 176.<br />
Unter dem Gesichtspunkt der Verfahrensbelastungen wäre es letztendlich am<br />
konsequentesten, auf den tatsächlichen konkreten Zeitpunkt der Verfahrensbelastungen<br />
abzustellen, auf die, wie es der EGMR formuliert, "erheblichen Auswirkungen<br />
aufdie Situation" des Beschuldigten 177. <strong>Die</strong>sen "flexiblen Interpretationsansatz"<br />
178 hat der EGMR im Eckle-Urteil beispielhaft angewendet: Während<br />
169 EKMR, CD 46 (1974), S. 1 (18).<br />
170 Meyer-GoBner in LR23, § 170 Rn. 5<strong>3.</strong><br />
171 Meyer-GoBner in LR23, § 170 Rn. 50.<br />
172 RieB in LR24, § 170 Rn. 38.<br />
173 Vgl. OLG Düsseldorf, NJW 1986, S. 2204 (2205).<br />
174 BGH, Beschl. v. 27.5.1983 - 3 StR 159/83 (Anhang 14; insoweit nicht bei<br />
Mösl, NStZ 1983, S. 494 abgedruckt).<br />
175 G. Hirsch, Strafzumessung, S. 188 f.; vgl. auch Hanack, JZ 1967, S. 338.<br />
176 LG München II, Urt. v. 12.10.1956-12 KLs 10/56 (zit. n. G. Hirsch, Strafzumessung,<br />
S. 178).<br />
17'7 EGMR, EuGRZ 1980, S. 667 (672) (Fall Deweer); 1983, S. 371 (379) (Fall Eckle).<br />
Vgl. dazu ausführlich Weidmann, Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte,<br />
S. 195 ff.<br />
178 Weidmann, Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte, S. 197.<br />
C. Belastungen als Strafzumessungsgr<strong>und</strong> 223<br />
gegen Hans Eckle dem EGMR weder die Strafanzeige noch die Aufnahme der<br />
Ermittlungstätigkeit als Fristbeginn genügte, weil der Beschuldigte noch keine<br />
"offizielle" Kenntnis vom Ermittlungsverfahren oder dessen Auswirkungen erlangt<br />
hatte, ließ er bezüglich Marianne Eckle die Frist vor Einleitung des Ermittlungsverfahrens<br />
(auch) gegen sie beginnen, da sie alle Auswirkungen im gleichen<br />
Maße wie ihr Ehemann habe erdulden müssen 179.<br />
2. Belastungen als selbständiger Strafzumessungsfaktor<br />
Bleibt nichtsdestotrotz festzuhalten, daß sich die herrschende Ansicht zum<br />
Beginn des für die <strong>überlange</strong> Verfahrensdauer relevanten Zeitpunkts nur aus dem<br />
Belastungsgedanken erklären läßt, so ist dennoch nicht voreilig der Schluß zu<br />
ziehen, daß Verfahrensbelastungen als Derivat <strong>von</strong> Verfahrensverzögerungen zu<br />
verstehen sind.<br />
Offenbar hat der 2. Senat des BGH in einer Entscheidung angenommen, daß<br />
die Problemkreise der Verfahrensverzögerungen <strong>und</strong> der Verfahrensbelastungen<br />
nebeneinander stehen. Er hat ausgeführt: "Der neu entscheidende Tatrichter wird<br />
bei der Strafzumessung im übrigen zu berücksichtigen haben, daß seit dem Ende<br />
der Taten inzwischen mehr als vier Jahre vergangen sind, der Angeklagte im<br />
Oktober 1982 erstmals in Untersuchungshaft genommen wurde <strong>und</strong> sich in dieser<br />
Sache nach drei erfolgreichen Revisionen <strong>und</strong> erheblicher Verringerung des<br />
ursprünglich angenommenen Schuldumfangs seit 1983 jetzt zum vierten Mal<br />
einer Hauptverhandlung stellen muß." 180 Analysiert man diesen Satz, ergibt sich,<br />
daß der BGH nicht nur den Zeitablauf seit der Tat berücksichtigt haben will,<br />
sondern auch zwischen den Verfahrensbelastungen (vierte Hauptverhandlung)<br />
<strong>und</strong> den Verfahrensverzögerungen unterscheidet; letzteres folgt aus dem Hinweis<br />
auf die "erfolgreichen", das heißt zur Verringerung des Tatvorwurfs führenden<br />
Revisionen 181. Noch deutlicher hat sich der <strong>3.</strong> Senat in seiner schon mehrfach<br />
erwähnten Entscheidung im 35. Band der amtlichen Sammlung geäußert: Es sei<br />
"als durchgreifender Strafmilderungsgr<strong>und</strong> zu werten, daß die Taten zum Teil<br />
15 Jahre zurückliegen, die Angeklagten jahrelang unter dem - zeitweise mit<br />
dem Vollzug <strong>von</strong> Untersuchungshaft verb<strong>und</strong>enen - Druck des Verfahrens<br />
gestanden haben <strong>und</strong> die zuständigen Justizorgane trotzdem die Revisionsentscheidung<br />
des B<strong>und</strong>esgerichtshofs innerhalb einer rechtsstaatlich noch hinnehmbaren<br />
Frist ohne sachlichen Gr<strong>und</strong> verhindert haben" 182. Auch das BayObLG<br />
179 EGMR, EuGRZ 1983, S. 371 (379 f.).<br />
180 BGHR StGB § 46 Abs. 2 Nachtatverhalten 4 (insoweit nicht in NStZ 1987 S 171<br />
abgedruckt). ' .<br />
181 Zur Auffassung des BGH, daß erfolgreiche Rechtsmittel des Beschuldigten Verfahrensverzögerungen<br />
auslösen, siehe unten, III 1.<br />
182 BGHSt 35, S. 137 (142).
------------------<br />
224<br />
7. Kap.: Strafmilderung wegen Strafzumessungsrelevanz C. Belastungen als Strafzumessungsgr<strong>und</strong> 225<br />
hat kürzlich zwischen Verzögerungen, Belastungen <strong>und</strong> Tatferne unterschieden<br />
18<strong>3.</strong><br />
<strong>Die</strong>se Unterscheidung ist richtig. Verfahrensbelastungen haben zu Verfahrensverzögerungen<br />
keinen direkten Bezug. Es kommt für die Frage der Verfahrensbelastungen<br />
nicht darauf an, ob ein <strong>Strafverfahren</strong> wegen Verzögerungen so lange<br />
dauerte oder aufgr<strong>und</strong> verfahrensspezifischer Umstände 184, wenngleich es sein<br />
mag, daß im letzten Fall ein Beschuldigter eher bereit ist, die lange Verfahrensdauer<br />
hinzunehmen 185. Es ist für den Betroffenen letztendlich egal, ob sein Verfahren<br />
so lange dauert, weil die Strafverfolgungsorgane verzögern, oder aber deshalb,<br />
weil die Beweislage so kompliziert ist, Zeugen erkranken etc. Das bedeutet, daß<br />
insoweit die schon oben mehrfach erwähnte Problematik, Verzögerungen festzustellen<br />
oder gar zu berechnen, bedeutungslos ist. Vielmehr mag <strong>von</strong> einem<br />
allgemeinen Gr<strong>und</strong>satz ausgegangen werden können, daß überdurchschnittliche<br />
Belastungen, die durch das Verfahren als solches entstehen, strafmildernd zu<br />
berücksichtigen sind 186. Dann wäre auch hier übrigens die Verortung der Frage<br />
der Rechtsfolgen öffentlicher Vorverurteilung möglich 187, die oben insoweit offengelassen<br />
wurde 188.<br />
11. Verfahrensdauer <strong>und</strong> Belastungen<br />
1. Anrechnung - Der objektive Maßstab<br />
<strong>Die</strong>se Überlegungen können aber nicht die Ansicht des EGMR entkräften,<br />
Zweck <strong>von</strong> Art. 6 I EMRK sei es, übermäßige Belastungen des Beschuldigten<br />
zu verhindern. Denn ist Ausdruck <strong>von</strong> Art. 6 I EMRK, wie oben ausgeführt 189 ,<br />
das Prinzip der "Vernünftigkeit", so mag jede "unvernünftige" Verfahrensdauer,<br />
unabhängig da<strong>von</strong>, ob verzögert oder vom Verfahrensgegenstand bedingt, in der<br />
Strafzumessung zu berücksichtigen sein. Steckt der Gedanke der Verfahrensbela-<br />
183 BayObLG, StV 1989, S. 394 (395).<br />
184 Vgl. Maurach / Gössel/Zipf, Strafrecht AT/2 7 , § 63 Rn. 34: Belastungen des Angeklagten<br />
durch die lange Verfahrensdauer <strong>und</strong> Verfahrensverzögerungen.<br />
185 Priebe, FS v. Simson, S. 30<strong>3.</strong> Vgl. auch Rieß, JR 1983, S. 260: "Eine vermeidbare<br />
Verzögerung durch die staatlichen Strafverfolgungsorgane läßt das Gewicht des ...<br />
Freiheitsanspruchs des Beschuldigten regelmäßig besonders bedeutsam erscheinen."<br />
Siehe auch Müller-<strong>Die</strong>tz, ZStW 93 (1981), S. 1244.<br />
186 G. Schäfer, Praxis der Strafzumessung, Rn. 326. Vgl. auch BGH, wistra 1990,<br />
S.65.<br />
187 G. Schäfer, Praxis der Strafzumessung, Rn. 326; Hassemer, NJW 1985, S. 1928;<br />
Krekeler, AnwBl. 1985, S. 430; vgl. auch J. Wagner, Strafprozeßführung über Medien,<br />
S. 92 f. Siehe auch LG Aachen, JZ 1971, S. 507 (520); BGH bei Detter, NStZ 1990,<br />
S.222.<br />
188 5. Kap. B 11 4 b.<br />
189 <strong>3.</strong> Kap. B V.<br />
stungen dahinter, wäre es - rein konstruktiv - denkbar, die Belastungen wie<br />
Untersuchungshaft anzurechnen.<br />
Eine dementsprechende Auffassung vertritt Imme Roxin, wobei sie allerdings<br />
nur auf Verfahrensverzögerungen <strong>und</strong> nicht auf Verfahrensdauer abstellt: Sie<br />
geht da<strong>von</strong> aus, <strong>überlange</strong> Verfahrensdauer habe einen strafähnlichen Charakter,<br />
sei in ihren Auswirkungen eine der Strafe gleichzusetzende Belastung 190. In dem<br />
Maße, in dem die Strafverfolgungsbehörden das Verfahren unnötig verlängerten,<br />
würde der Beschuldigte in ungerechtfertigter Weise zusätzlich bestraft. Sie beruft<br />
sich hierfür auf Michael Walter <strong>und</strong> Kloepfer l91 , allerdings zu Unrecht auch auf<br />
eine Entscheidung des 2. Strafsenats des BGH 192. Inzwischen hat jedoch der I.<br />
Strafsenat Entsprechendes ausgeführt: Bei <strong>überlange</strong>r Verfahrensdauer wirke das<br />
der Strafe schon vorweggenommene ... Übel strafmildernd" 19<strong>3.</strong><br />
Strafmilderung ist nun Imme Roxin zufolge vorzunehmen, indem die Strafe<br />
um den Zeitraum der Überlänge gekürzt wird 194. Hier zeigt sich zunächst, daß<br />
die systematische Einordnung der Überlegung falsch ist: Wenn schon eine schematische<br />
Berücksichtigung <strong>überlange</strong>r Verfahrensdauer stattzufinden hätte, dann<br />
wäre diese nicht im Wege der Strafzumessung, sondern in dem der Anrechnung<br />
vorzunehmen 195. Denn es läge die gleiche dogmatische Struktur vor wie bei der<br />
Anrechnung <strong>von</strong> Untersuchungshaft 196, so daß vergleichbar § 51 StGB vorzuge-<br />
190 I. Roxin, Rechtsfolgen, S. 247 ff.; zustimmend Hillenkamp, NJW 1989, S. 2848;<br />
Schroth, NJW 1990, S. 30 f.<br />
191 M. Walter in: Deutsch-Spanisches Strafrechtskolloquium 1986, S. 184; Kloepfer,<br />
JZ 1979, S. 214; ähnlich auch Kern, MschrKrimPsych 15 (1924), S. 239; Schroeder,<br />
Strafprozeßrecht 2 , S. 4; Kohlmann, FS Pfeiffer, S. 204; G. Schäfer, Praxis der Strafzumessung,<br />
Rn. 327; Schünemann, Verh. 58. DJT, S. B 35: Überlanges Verfahren habe eine<br />
"Quasi-Straf-Wirkung" <strong>und</strong> würde häufig als belastender empf<strong>und</strong>en als die letztlich<br />
verhängte Strafe. Vgl. auch die vom OLG Koblenz, VRS 59, S. 339 (340), mitgeteilten<br />
- <strong>und</strong> als rechtsfehlerhaft bezeichneten - Erwägungen des Landgerichts, bei der<br />
Persönlichkeit des Angeklagten habe die lange <strong>Dauer</strong> des Verfahrens mit der Ungewißheit,<br />
ob er die Freiheitsstrafe verbüßen müsse oder nicht, die gleiche Wirkung wie eine<br />
Vollstreckung der Strafe unmittelbar nach der Verurteilung; kritisch dazu Molketin, BA<br />
1982, S. 184. Vgl. auch Grauhan, GA 1976, S. 227: "<strong>Die</strong> seelische Belastung ... kann<br />
außer Verhältnis zu dem eigentlichen, vom Gesetz gewollten Strafübel geraten".<br />
192 Wenn der BGH, NStZ 1986, S. 217 (218), ausführt, bereits die Länge des Zeitraums,<br />
der zwischen Tat <strong>und</strong> Urteil verstrichen sei, fordere strafmildernde Berücksichtigung,<br />
die zudem auch unter dem da<strong>von</strong> zu sondernden Gesichtspunkt <strong>überlange</strong>r Verfahrensdauer<br />
geboten sein könnte, so erkennt er nicht den strafähnlichen Charakter der<br />
<strong>überlange</strong>n Verfahrensdauer an, sondern drückt nur aus, daß die Strafmilderung wegen<br />
Verjährungsnähe wesensverschieden <strong>von</strong> der wegen Verfahrensverzögerung sei; so auch<br />
deutlich BGH, StV 1988, S. 487 (mit Bezug auf diese Entscheidung); sowie wistra 1990,<br />
S.20; vgl. auch schon BGH, GA 1977, S. 275 (276); Stree in SchSch 2 3, § 46 Rn. 57;<br />
Keller / Schmid, wistra 1984, S. 202.<br />
193 BGH, NStZ 1989, S. 526 (527).<br />
194 I. Roxin, Rechtsfolgen, S. 255 ff.<br />
195 Vgl. dazu auch Schroth, NJW 1990, S. 31 Fn. 19.<br />
196 Vgl. dazu M. Walter in: Deutsch-Spanisches Strafrechtskolloquium 1986, S. 184,<br />
dem zufo1ge es geboten sei, "nicht ... nur erlittene Untersuchungshaft, sondern auch<br />
15 Scheller
226 7. Kap.: Strafmilderung wegen Strafzumessungsrelevanz<br />
hen wäre. Allerdings sollte dessen dogmatische Ausgestaltung als Strafvollstrekkungsregel<br />
nicht überbewertet werden, da vor dem I. StrRG die Anrechnung<br />
der Untersuchungshaft der Stratbemessung zugeordnet wurde 197.<br />
Jedenfalls könnte die entsprechende Anwendung <strong>von</strong> § 51 StGB nicht dazu<br />
führen, wie Imme Roxin es vorgeschlagen hat 198, aufgr<strong>und</strong> des <strong>von</strong> ihr angenommenen<br />
strafähnlichen Charakters <strong>überlange</strong>r Verfahrensdauer eine Anrechnung<br />
dergestalt vorzunehmen, daß für jeden Tag Überlänge ein Tag Strafe zu entfallen<br />
habe. Hierin läge ein Widerspruch zum Anrechnungsmodus bei Untersuchungshaft.<br />
Selbst wenn Imme Roxin insoweit zuzustimmen sein mag, daß auch ein<br />
schwebendes Verfahren Wirkungen hervorruft, die Strafcharakter haben 199, so<br />
wird doch die persönliche Bewegungsfreiheit nicht entzogen, die die entscheidende,<br />
die Anrechnung gemäß § 51 StGB auslösende Voraussetzung ist. Wenn<br />
Imme Roxin die Freizügigkeit dadurch eingeschränkt sieht, daß bei einem schwebenden<br />
Verfahren jede Auslandsreise als Flucht oder Fluchtgefahr gedeutet werden<br />
<strong>und</strong> zum Erlaß eines Haftbefehls führen könnte, so übersieht sie, daß die<br />
Rechtsfolgen <strong>von</strong> § 51 StGB auch dann nicht ausgelöst werden, wenn der Beschuldigte<br />
unter Auflagen, die die Freizügigkeit beschränken (vgl. § 116 StPO),<br />
vom Vollzug der Untersuchungshaft verschont bleibt.<br />
Nun mag man diesen Widerspruch ausräumen können, indem man die <strong>überlange</strong><br />
Verfahrensdauer in einem anderen präzisen Maßstab, etwa im Verhältnis I : 2,<br />
aufdie Freiheitsstrafe anrechnet. Gallas hatte eine solche, wie er sie selbst nannte,<br />
"merkwürdige" Berechnung - 4Js-Anrechnung - für die Untersuchungshaft ins<br />
Gespräch gebracht200. Auf die Geldstrafe übertragen böte sich rein konstruktiv<br />
an, entsprechend dem Tagessatzsystem vorzugehen, also für zwei Tage Verzögerung<br />
einen Tagessatz in Anrechnung zu bringen 2o, . Noch einen Schritt weitergehend<br />
könnte dann, § 7 III StrEG entsprechend, sogar bei Nichtverurteilung eine<br />
Entschädigung <strong>von</strong> 10,- DM pro Tag gewährt werden 202 .<br />
C. Belastungen als Strafzumessungsgr<strong>und</strong> 227<br />
a) Zur Anrechenbarkeil <strong>von</strong> Untersuchungshaft<br />
Unabhängig da<strong>von</strong>, daß solche Gedankenspiele deshalb nicht praktisch umgesetzt<br />
werden können, weil - anders als bei Untersuchungshaft - es eben kein<br />
"simples Rechenexempel"203 ist, Überlänge bei Verzögerungen zu berechnen,<br />
<strong>und</strong> es sogar unmöglich ist, <strong>überlange</strong>, aber unverzögerte Verfahrensdauer präzise<br />
zu ermitteln, wird die Herangehensweise nicht dem Phänomen der Verfahrensbelastungen<br />
gerecht: § 51 I Satz 2 StGB liegt gerade die Vermutung zugr<strong>und</strong>e, daß<br />
Untersuchungshaft ihrem Übelcharakter nach regelmäßig den Wirkungen der<br />
(Freiheits-)Strafe gleichkomme; die automatische Anrechnung vereinfache mithin<br />
das Verfahren 204 . Konsequenterweise eröffnet dann auch § 51 IV StGB für<br />
die Anrechnung ausländischer (Untersuchungs-)Haft Ermessen: Der Richter hat<br />
das im Ausland erlittene Übel zu schätzen <strong>und</strong> dementsprechend anzurechnen 20s .<br />
Dem entspricht es, daß die Rechtsprechung disziplinar- 206 <strong>und</strong> standesrecht<br />
Iiche 207 Straftatfolgen nicht im Wege der Anrechnung, sondern der Strafmilderung<br />
berücksichtigt. Sofern man trotz der beachtlichen Kritik in der Literatur 20s diesen<br />
Straf"ersatz" 209 auf der Rechtsfolgenseite berücksichtigen möchte, ist es aufgr<strong>und</strong><br />
der unterschiedlichen Sanktionen beider Rechtsgebiete geboten, dies im Wege<br />
der (wertenden) Strafzumessung zu tun. Bezeichnenderweise macht die Rechtsprechung<br />
eine Ausnahme hier<strong>von</strong> allenfalls insoweit, als eine Geldbuße auf eine<br />
Geld- 2IO oder Freiheitsstrafe 211 (schematisch) angerechnet werden kann.<br />
Nach geltendem Recht - das frühere war weitergehend - kann die Anrechnung<br />
der Untersuchungshaft nur versagt werden, wenn der Beschuldigte die<br />
Anordnung oder Fortdauer der Untersuchungshaft provoziert hat, um sich durch<br />
deren spätere Anrechnung ungerechtfertigte Vorteile bei der Strafvollstreckung<br />
zu verschaffen, oder wenn er den Zweck verfolgt, das Verfahren aus anderen<br />
Gründen böswillig zu verschleppen, ohne daß es ihm um die Ausübung seiner<br />
das erlittene Verfahren auf das Strafübel anzurechnen". Im Prinzip sieht auch I. Roxin<br />
diesen Zusammenhang, wenn sie ausführt, eine Beschneidung der persönlichen Freiheit,<br />
eine Übelszufügung mit Strafcharakter erfolge nicht nur, wenn der Betroffene in Untersuchungshaft<br />
genommen wird (S. 251 f.).<br />
197 Tröndle in LKIO, § 51 Rn. 12 m.w.N.<br />
198 1. Roxin, Rechtsfolgen, S. 248; 255 ff. Siehe auch Wolter in SK StPO, vor § 151<br />
Rn. 210.<br />
199 1. Roxin, Rechtsfolgen, S. 252.<br />
200 GalIas, Niederschriften 4, S. 284.<br />
201 Letzteres passiert im geltenden Recht im Prinzip gemäß § 51 I <strong>und</strong> IV StGB,<br />
wenn Untersuchungshaft auf Geldstrafe angerechnet wird: Hier wird nicht etwa die<br />
Untersuchungshaft über § 7 111 StrEG in Geldersatz "umgerechnet" <strong>und</strong> dann mit der<br />
Geldstrafe verrechnet, sondern pro Tag Freiheitsentziehung ein Tagessatz Geldstrafe<br />
angerechnet, so daß entsprechend der Tagessatzhöhe <strong>von</strong> 2,- bis 10.000,- DM (§ 40<br />
11 StGB) die Untersuchungshaft dem Verurteilten sehr unterschiedlich viel Geld "ersparen"<br />
kann: Ein Tag Untersuchungshaft steht hierbei nun einem Betrag <strong>von</strong> 2,- bis<br />
10.000,- DM gleich.<br />
202 Durch Art. 3 StrEGÄndG vom 24.5.1988 ist die Tagespauschale auf 20,- DM<br />
angehoben worden. Zur viel zu geringen Höhe der Entschädigung <strong>von</strong> 10,- DM pro<br />
Tag nach § 7 III a. F. StrEG siehe Baumann, FS Heinitz, S. 709.<br />
203 1. Roxin, Rechtsfolgen, S. 160. Siehe dazu auch oben, 1. Kap. B 11.<br />
204 Tröndle in LK'o, § 51 Rn. 1<strong>3.</strong><br />
205 BGH, StV 1986, S. 292; RGSt 35, S. 41 (43 f.); Tröndle in LKIO, § 51 Rn. 74.<br />
206 BGHSt 35, S. 148; NStZ 1981, S.342; 1982, S.507; 1985, S.215; StV 1981,<br />
S. 235; 1984, S. 508; 1985, S. 454; 1987, S. 243; wistra 1982, S. 225; 1988, S. 64; OLG<br />
Köln, MDR 1984, S. 162.<br />
207 BGH, wistra 1986, S. 217; NStZ 1987, S. 550; StV 1987, S. 529.<br />
20S Horn in SK StGB, § 46 Rn. 138; Streng, NStZ 1988, S. 485 ff.; Bruns, JZ 1988,<br />
S. 467 f.<br />
209 Horn in SK StGB, § 46 Rn. 137.<br />
210 OLG Hamm, NJW 1978, S. 106<strong>3.</strong><br />
211 OLG Frankfurt, NZWehrr 1973, S. 194 (Strafarrest gemäß § 9 WStG).<br />
IS*
228 7. Kap.: Strafmilderung wegen Strafzumessungsrelevanz C. Belastungen als Strafzumessungsgr<strong>und</strong> 229<br />
gesetzlichen Rechte oder um eine sinnvolle Verteidigung geht 212. Mit anderen<br />
Worten: Nur ausnahmsweise dann, wenn da<strong>von</strong> auszugehen ist, daß der Beschuldigte<br />
deshalb das Verfahren verschleppt hat, weil er Untersuchungshaft für das<br />
geringere Übel gehalten, also als weniger belastend empf<strong>und</strong>en hat als Strafe,<br />
kann die Anrechnung unterbleiben 21<strong>3.</strong> Im übrigen handelt es sich hierbei um<br />
praxisferne Gedankenspiele, da aufgr<strong>und</strong> der - faktischen - Mehrbelastung<br />
<strong>von</strong> Untersuchungshaft gegenüber Strafhaft die Vorstellung, der Beschuldigte<br />
könnte sich die Untersuchungshaft der Anrechnung wegen erschleichen214, unrealistisch<br />
ist 215.<br />
b) Zur Anrechenbarkeit <strong>von</strong> Verfahrensbelastungen<br />
<strong>Die</strong>ser "konstante" Übelcharakter ist jedoch bei Verfahrensbelastungen nicht<br />
gegeben. Gleiche Verfahrenslänge führt nicht nur aus Gründen unterschiedlicher<br />
psychischer Konstitution <strong>und</strong> sozialer Situation zu unterschiedlichen Belastungen<br />
216 - dies mag bei der Untersuchungshaft ähnlich sein -, sondern die<br />
Belastungen hängen auch da<strong>von</strong> ab, ob <strong>und</strong> wie intensiv das Verfahren geführt<br />
wird 217 , insbesondere, ob die Überlänge innerhalb oder außerhalb der Hauptverhandlung<br />
stattfindet: Im ersten Fall dürften sie bedeutend größer sein ("Freiheitsentzug<br />
durch Hauptverhandlung" 218). Daneben könnte auch zu vermuten sein,<br />
daß mit der Länge des <strong>Strafverfahren</strong>s die Belastungen nicht linear, sondern<br />
progressiv wachsen219, andererseits jedoch mit zunehmender Häufigkeit <strong>von</strong><br />
<strong>Strafverfahren</strong> eines Beschuldigten an Gewicht verlieren 220.<br />
212 BGHSt 23, S. 307 f.; bei Dallinger, MDR 1969, S.722; Tröndle in LKlO, § 51<br />
Rn. 47 f.; offengelassen bei BGH, StV 1989, S. 152 (153).<br />
213 So ausdrücklich Schröder, JR 1971, S. 28.<br />
214 Baldus, Niederschriften 4, S.285; Horstkotte, JZ 1970, S. 128; ähnlich Gallas,<br />
Niederschriften 4, S. 284; vgl. auch Berz, NJW 1982, S. 729; Kohlhaas, ZRP 1974, S. 8;<br />
Pfeiffer, DRiZ 1984, S. 345; Amendt, <strong>Die</strong> Verfassungsmäßigkeit der strafprozessualen<br />
Sicherheitsleistungsvorschriften, S. 157 f.<br />
215 Vgl. Paeffgen, Vorüberlegungen zu einer Dogmatik des Untersuchungshaft-Rechts,<br />
S. 265 f. m. w.N.; Kramer, Menschenrechtskonvention, S. 105 f.; Dreher, MDR 1970,<br />
S. 969; Dencker, MDR 1971, S. 630. Nach der empirischen Untersuchung <strong>von</strong> Jehle,<br />
Untersuchungshaft zwischen Unschuldsvermutung <strong>und</strong> Wiedereingliederung, S. 270 f.,<br />
empfinden 75 % der Inhaftierten Untersuchungshaft härter als Strafhaft.<br />
216 Vgl. BGHSt 24, S. 239 (242); Hanack, JZ 1971, S. 711 f.<br />
217 Vgl. BGH, Urt. v. 19.2.1976 - 2 StR 585/73 (Anhang 5; insoweit nicht in<br />
BGHSt 26, S. 284 abgedruckt): Besondere Belastungen durch Aufteilung in zwei <strong>Strafverfahren</strong>;<br />
vgl. dazu auch BGH, NStZ 1984, S. 274; Hillenkamp, NJW 1989, S. 2845<br />
Fn.49.<br />
218 Dencker / Hamm, Der Vergleich im Strafprozeß, S. 12<strong>3.</strong> Vgl. auch Wolfslast, NStZ<br />
1990, S. 410.<br />
219 Vgl. LG Köln, NJW 1964, S. 1816 (1817).<br />
220 Eisenberg, JGG', § 55 Rn. 36.<br />
Ein weiteres, wenn auch höchst dubioses Argument liefert der BGH: Er ist<br />
der Auffassung, den Unschuldigen würden Verzögerungen mehr belasten als den<br />
Schuldigen 221. <strong>Die</strong>ser Satz muß zunächst einmal erstaunen, weil er die Strafzumessungslösung<br />
des BGH ad absurdum führt, da in den Genuß <strong>von</strong> Strafmilderung<br />
nur der "Schuldige" - besser gesagt: der Verurteilte - gelangen kann. <strong>Die</strong><br />
Absurdität wird noch deutlicher dadurch, daß der BGH die Annahme eines<br />
Verfahrenshindernisses in derselben Entscheidung mit der Begründung bekämpft,<br />
daß dem Unschuldigen, "dem der nicht nachweisbar Schuldige gleichsteht, ...<br />
nicht mit der die Dinge im Ungewissen belassenden Verfahrenseinstellung, sondern<br />
nur mit dem Freispruch gedient" sei 222.<br />
Nun mag die Ansicht des BGH <strong>von</strong> der Mehrbelastung des Unschuldigen<br />
insoweit richtig sein, als der Schuldige - besser gesagt: der mit seiner Verurteilung<br />
Rechnende 223 - häufig auf den Faktor Zeit setzen wird: "Man hofft auf<br />
das nächste Straffreiheitsgesetz, auf eine günstige Gesetzesänderung, auf die (in<br />
den Augen der Gnadeninstanz) lindernde Wirkung der Zeit, aufdie VergeBlichkeit<br />
der Zeugen, oder schlechthin auf ein W<strong>und</strong>er."224 Das besagt jedoch nichts<br />
hinsichtlich der inneren psychischen Situation 225. Denn es bleibt dabei, daß für<br />
den sich nicht für überführbar Haltenden die Verfahrensbelastungen auf das<br />
Verfahren beschränkt bleiben, während für den die Verurteilung Befürchtenden<br />
das Verfahren erst das "Vorspiel" für das eigentliche Übel ist, das es durch<br />
Verfahrensführung einzuschränken, zumindest aufzuschieben gilt. Deshalb ist<br />
das Argument des BGH umzudrehen. Es kommt für das Maß der Belastungen<br />
darauf an, welche Rechtsfolgen - aus Sicht des Beschuldigten - drohen. Bei<br />
Rechtsfolgen geringer Bedeutung, etwa Geldstrafen, werden weniger Belastungen<br />
gegeben sein, als wenn der Beschuldigte (nicht ausgesetzte) Freiheitsstrafe befürchtet<br />
226. Auch das OLG Düsseldorf hat sich in einer Entscheidung zu eigen<br />
gemacht, daß sich die Belastungen des Angeklagten "im Hinblick aufdie gewährte<br />
Strafaussetzung zur Bewährung in Grenzen halten" dürften 227.<br />
Allerdings bleibt die Schlußfolgerung die gleiche: Belastungen <strong>und</strong> Verfahrensdauer<br />
steigen nicht proportional an. Eine wie auch immer geartete schematische<br />
Anrechnung ist zwar "bestechend klar" 228, aber nicht nur praktisch kaum<br />
221 BGHSt 24, S. 239 (240 f.); ähnlich Kramer, Menschenrechtskonvention, S. 105;<br />
Heubel, Der "fair trial", S. 119 f.; Kohlhaas, ZRP 1974, S. 8. Vgl. auch Volk, Prozeßvoraussetzungen,<br />
S. 227; Kohlmann, FS Pfeiffer, S. 205.<br />
222 BGHSt 24, S. 239 (240 f.); ähnlich Hanack, JZ 1971, S. 714.<br />
223 Ähnlich Dahs, Handbuch des Strafverteidigers 5 , Rn. 54: der sich schuldig Fühlende.<br />
224 Sarstedt / Hamm, <strong>Die</strong> Revision in StrafsachenS, Rn. 107; ähnlich BGHSt 24, S. 239<br />
(241); Kohlhaas, ZRP 1974, S. 8.<br />
225 Vgl. Kramer, Menschenrechtskonvention, S. 179 f.<br />
226 I. Roxin, Rechtsfolgen, S. 168; Priebe, FS v. Simson, S. 302 f.; Müller-<strong>Die</strong>tz,<br />
ZStW 93 (1981), S. 1245.<br />
227 OLG Düsseldorf, MDR 1989, S. 935 (936).<br />
228 Hillenkamp, NJW 1989, S. 2847 Fn. 71.
-------- ---_._...<br />
230<br />
7. Kap.: Strafmilderung wegen Strafzumessungsrelevanz C. Belastungen als Strafzumessungsgr<strong>und</strong> 231<br />
durchführbar, sondern auch theoretisch falsch: Eine "Mathematisierbarkeit" ist<br />
nicht möglich 229.<br />
2. Schon-bestraft-Sein - Der gemischte Maßstab<br />
In seiner Gr<strong>und</strong>satzentscheidung zur <strong>überlange</strong>n Verfahrensdauer führte der<br />
2. Strafsenat des BGH 1971 aus, die "unterschiedliche psychische <strong>und</strong> körperliche<br />
Belastung" <strong>von</strong> Beschuldigten sei bei der Bemessung der Strafe zu beachten230.<br />
Hierauf hat der BGH immer wieder rekurriert 231. Ähnlich hat der Vorprüfungsausschuß<br />
des BVerfG sich geäußert 232. Auch in der Literatur wurde dies immer<br />
wieder hervorgehoben 23<strong>3.</strong><br />
Will man die Verfahrensbelastungen beim Rechtsfolgenausspruch berücksichtigen,<br />
so ist <strong>von</strong> vornherein der Versuch zum Scheitern verurteilt, hier das<br />
Nachtatverhalten 234 nutzbar zu machen. Denn das Nachtatverhalten prämiert die<br />
(aktive) Rückkehr des Täters zum rechtstreuen Verhalten, hat aber keinen Bezug<br />
zum (passiven) Erleiden <strong>von</strong> Straftatfolgen 235.<br />
Geeigneter erscheint, zunächst <strong>von</strong> der Strafempfindlichkeit <strong>und</strong> -empfänglichkeit<br />
auszugehen 236, da die Verfahrensbelastungen sowohl das Leidempfinden<br />
durch Strafe als auch die Ansprechbarkeit auf Strafe ändern könnten 237. Freilich<br />
hilft - selbst auf dem Boden der <strong>von</strong> der Rechtsprechung vertretenen Spielraumtheorie<br />
238 - dieser Gedanke nicht viel weiter, weil er die Schuldgeb<strong>und</strong>enheit<br />
der Strafe nicht zu berühren vermag.<br />
a) Anwendungsbereich<br />
aa) Absehen <strong>von</strong> Strafe<br />
Besserer Ansatzpunkt könnte jedoch das <strong>von</strong> den Rechtsfolgen her weitere,<br />
aber <strong>von</strong> den Voraussetzungen her engere Rechtsinstitut des Absehens <strong>von</strong> Strafe<br />
229 Kühne, EuGRZ 1983, S. 38<strong>3.</strong><br />
230 BGRSt 24, S. 239 (241).<br />
231 Vgl. etwa BGRSt 27, S.274 (276); bei Mösl, NStZ 1983, S.494; StV 1985,<br />
S. 322; S. 411 (412).<br />
232 BVerfG (Vorprüfungsausschuß), NIW 1984, S. 967.<br />
233 Vgl. etwa C. Roxin, <strong>Strafverfahren</strong>srecht21, § 16 C; Reubel, Der "fair trial", S. 120;<br />
K. Peters, JR 1978, S. 247 f.; Schroth, NJW 1990, S. 31.<br />
234 Vgl. Rillenkamp, JR 1975, S. 138.<br />
235 Unklar aber Lackner, StGBI8, § 46 Anm. IV 2 c.<br />
236 Siehe dazu oben, B I.<br />
237 Vgl. C. Roxin, <strong>Strafverfahren</strong>srecht 21 , § 16 C; K. Peters, JR 1978, S. 247 f.; vgl.<br />
auch BGRSt 24, S. 239 (242).<br />
238 Vgl. etwa BORSt 7, S. 28 (32); S. 86 (89); 20, S. 264 (266 f.); 24, S. 132 (133);<br />
28, S. 318 (326); 29, S. 319 (320).<br />
(§ 60 StGB) sein. Hier genügt es nicht, daß sich Strafe aus täterbezogenen<br />
Gesichtspunkten - Verfahrensbelastungen - erübrigt, sondern Strafe muß im<br />
Hinblick auf alle Strafzwecke offensichtlich verfehlt sein 239.<br />
<strong>Die</strong> Anwendbarkeit des Gesichtspunkts des "Schon-bestraft-Seins"24O in § 60<br />
StGB auf Verfahrensbelastungen hat Imme Roxin herauszuarbeiten versucht 241 •<br />
Ausgehend <strong>von</strong> ihrerThese des strafahnlichen Charakters des <strong>überlange</strong>n Verfahrens<br />
hält sie die Argumentation für möglich, der Täter sei durch die Belastungen<br />
der Verfahrensverzögerungen bereits hinreichend bestraft, so daß darüber hinaus<br />
kein Bedürfnis für eine weitere Bestrafung mehr bestünde 242.<br />
Allerdings ist zunächst einmal zu konstatieren, daß bei Schaffung des Rechtsinstituts<br />
des Absehens <strong>von</strong> Strafe an Sachverhalte völlig anderer Art gedacht worden<br />
ist. Es sollte hier um Fälle gehen, in denen den Täter die Folgen der eigenen<br />
Tat so schwer getroffen haben, daß er sich mit ihnen gleichsam schon selbst<br />
bestraft hat 243 . In Betracht kommen sollten hier Konstellationen, in denen etwa<br />
durch eine Fahrlässigkeitstat nahe Angehörige oder der Täter selbst verletzt<br />
wurden 244. In diesen Fällen sei es nicht notwendig, den Täter durch Strafe auf<br />
seine Verantwortung anzusprechen <strong>und</strong> in der Allgemeinheit das Bewußtsein zu<br />
erhalten, daß der Tat auch das staatlich verhängte Strafübel folge 245. Es fehle<br />
am Strafbedürfnis 246 . So ist dann auch in der Rechtsprechung § 60 StGB hauptsächlich<br />
- relativ variantenarm - auf Verletzungen im Straßenverkehr <strong>und</strong> die<br />
Tötung nahestehender Personen (fahrlässige Tötung, fehlgeschlagener Doppelselbstmord,<br />
Tötung aus Mitleid) angewendet worden 247.<br />
Entgegen Imme Roxin hat die Rechtsprechung allerdings auch auf § 60 StGB<br />
im Zusammenhang mit Verfahrensverzögerungen hingewiesen. So hat das OLG<br />
Karlsruhe ausgeführt, <strong>überlange</strong> Verfahrensdauer könne "für die Entscheidung<br />
über Absehen <strong>von</strong> Strafe (§ 16 StGB)" - jetzt § 60 StGB - "Bedeutung gewinnen"248.<br />
Auch der <strong>3.</strong> Senat des BGH erwähnt in einer Entscheidung im Zusammenhang<br />
mit der Anwendbarkeit <strong>von</strong> § 59 StGB auf <strong>überlange</strong> Verfahrensdauer<br />
§ 60 StGB <strong>und</strong> betont "psychisch belastende Verfahrensverzögerung" 249. Des<br />
239 Vgl. etwa BGR bei Dallinger, MDR 1973, S. 899 f.; Stree in SchSch 23 , § 60 Rn. 8;<br />
Bruns, Das Recht der Strafzumessung 2 , S. 114; Eser, FS Maurach, S. 260.<br />
240 Streng, NStZ 1988, S. 487 Fn. 25.<br />
241 I. Roxin, Rechtsfolgen, S. 268 ff.<br />
242 I. Roxin, Rechtsfolgen, S. 269.<br />
243 Vgl. Maiwald, ZStW 83 (1971), S. 663 f.; 1. Roxin, Rechtsfolgen, S. 269.<br />
244 Vgl. Bericht des Sonderausschusses, BT-DrS V/4094, S. 6 f.<br />
245 Maiwald, ZStW 83 (1971), S. 671.<br />
246 Jescheck, Strafrecht AT', § 81 TI 3; Müller-<strong>Die</strong>tz, FS R. Lange, S. 309; Eser, FS<br />
Maurach, S. 258; H. Wagner, GA 1972, S. 35; R. v. Weber, MDR 1956, S. 705.<br />
247 Vgl. dazu Rassemer, FS Sarstedt, S. 65 f.<br />
248 OLG Karlsruhe, NJW 1972, S. 1907 (1908).<br />
249 BGRSt 27, S. 274 (276).
232 7. Kap.: Strafmilderung wegen Strafzumessungsrelevanz C. Belastungen als Strafzumessungsgr<strong>und</strong> 233<br />
weiteren wies auch der Vorprüfungsausschuß des BVerfG in seinem vieldiskutierten<br />
Beschluß zur <strong>überlange</strong>n Verfahrensdauer auf das Absehen <strong>von</strong> Strafe hin 250.<br />
Eser zufolge hat das LG Aachen in seiner Contergan-Entscheidung 251 , in der es<br />
in hohem Maße auf die Verfahrensbelastungen abhob, zwar nicht formell, aber<br />
materiell gemäß diesem Rechtsinstitut entschieden252. Auch der <strong>3.</strong> Strafsenat des<br />
BGH hat kürzlich erklärt, die Verfahrenseinstellungen BGHSt 35, 137 <strong>und</strong> wistra<br />
1990,65 hätten auf Umständen mit "das Strafbedürfnis aufhebender Bedeutung"<br />
beruht 253 •<br />
In der Rechtswissenschaft ist die Anwendbarkeit <strong>von</strong> § 60 StGB (bzw. § 16<br />
a. F. StGB) auf Gesichtspunkte wie etwa die Verfahrensbelastungen nur gelegentlieh<br />
diskutiert worden: Bruns läßt offen, ob <strong>überlange</strong> Verfahrensdauer eine<br />
Konstellation darstellt, in der § 60 StGB Anwendung finden kann 254. Maiwald<br />
hat - ablehnend - den Gedanken angesprochen, § 60 könnte anwendbar sein,<br />
wenn mit der Verfahrensdurchführung verb<strong>und</strong>ene Belastungen eine besonders<br />
große seelische Beeinträchtigung für den Täter mit sich bringen, weil die Erschütterung<br />
des Täters über die Tatfolgen besonders groß sei 255. <strong>Die</strong>ser Konstruktion<br />
liegt also - indirekt - der Gedanke zugr<strong>und</strong>e, Verfahrensbelastungen könnten<br />
zum Absehen <strong>von</strong> Strafe führen, freilich vermittelt durch für § 60 StGB typische<br />
Konstellationen. Für Hassemer können indirekte Belastungen des Beschuldigten,<br />
nämlich Verletzungen aus öffentlicher Vorverurteilung als eine "poena naturalis"<br />
angesehen werden, die zur Anwendung <strong>von</strong> § 60 StGB führen könne 256. Rieß<br />
hat ausgeführt, bei rechtsstaatswidrigen Rechtsverstößen, wozu er die <strong>überlange</strong><br />
Verfahrensdauer zählt, könne § 60 StGB eine ausreichende Ermächtigung für<br />
einen Verzicht auf die Durchsetzung des staatlichen Sanktionsanspruchs sein 257 .<br />
Imme Roxin ist jedoch trotzdem der Ansicht, daß eine Anwendung <strong>von</strong> § 60<br />
StGB nur seinem Rechtsgedanken nach im Wege richterlicher Rechtsfortbildung<br />
in Betracht komme 258 • Sie begründet dies vor allem mit einem Hinweis auf den<br />
Willen des historischen Gesetzgebers. <strong>Die</strong> Notwendigkeit dieser Einschränkung<br />
ist zweifelhaft. <strong>Die</strong> direkte Anwendung <strong>von</strong> § 60 StGB erscheint möglich.<br />
Das Argument, der historische Gesetzgeber habe sich eine solche Anwendbarkeit<br />
der Vorschrift nicht vorgestellt, läßt sich, speziell auf <strong>überlange</strong> Verfahrensdauer<br />
<strong>und</strong> mit ihr verb<strong>und</strong>ene Verfahrensbelastungen bezogen, schnell entkräften:<br />
250 BVerfG (Vorprüfungsausschuß), NJW 1984, S. 967. Vgl. dazu Brauns, JA 1984,<br />
S.759.<br />
251 LG Aachen, JZ 1971, S. 507 (520 f.).<br />
252 Eser, FS Maurach, S. 269.<br />
253 BGHSt 36, S. 36<strong>3.</strong><br />
254 Bruns, MDR 1987, S. 180 f.<br />
255 Maiwald, ZStW 83 (1971), S. 695; unklar Horstkoue, JZ 1970, S. 128.<br />
256 Hassemer, NJW 1975, S. 1928; FS Sarstedt, S. 67.<br />
257 Rieß, JR 1985, S. 48.<br />
258 1. Roxin, Rechtsfolgen, S. 269 f.<br />
§ 16 a. F. StGB, der mit dem heutigen § 60 StGB wörtlich übereinstimmt, ist<br />
durch das 1. StrRG 1969 in das StGB eingefügt worden. Zu diesem Zeitpunkt<br />
war das Problem der Rechtsfolgen <strong>überlange</strong>r Verfahrensdauer kaum als solches<br />
bekannt. Lediglich Baumann <strong>und</strong> Schwenk hatten <strong>überlange</strong> Verfahrensdauer<br />
unter dem Verwirkungsgesichtspunkt diskutiert 259 ; in zwei Gerichtsentscheidungen<br />
war die Annahme eines Verfahrenshindernisses abgelehnt worden 260. <strong>Die</strong><br />
ersten Äußerungen zur Relevanz <strong>überlange</strong>r Verfahrensdauer für die Strafzumessung<br />
stammen <strong>von</strong> 1971 261, nachdem dies der BGH 1962 noch ausdrücklich<br />
ausgeschlossen hatte 262. Aus dem Schweigen des Gesetzgebers auf die Frage,<br />
wie aufder Verfahrensdauer beruhende besondere Belastungen des Beschuldigten<br />
im Rahmen des Absehens <strong>von</strong> Strafe einzuordnen sind, ist also nichts zu folgern.<br />
Auf allgemeinerer Ebene ist es aber nicht unumstritten, ob mittelbare Straftatfolgen<br />
- solche könnten hier überhaupt nur vorliegen 263 - überhaupt im Rahmen<br />
<strong>von</strong> § 60 StGB Berücksichtigung zu finden haben. Hiergegen hat sich ein Teil<br />
der Lehre ausgesprochen 264. Für eine solche Beschränkung auf unmittelbare<br />
Tatfolgen gibt es jedoch keine überzeugende Erklärung. Zunächst ist dem Rechtsfalgenrecht<br />
eine solche Ausblendung <strong>von</strong> Sachverhalten fremd. Es wäre dann<br />
etwa die durch eine Straftat bewirkte Arbeitsunfähigkeit relevant, nicht jedoch<br />
der Verlust des Arbeitsplatzes 265 • Weiterhin wäre die Unterscheidung zwischen<br />
unmittelbaren <strong>und</strong> mittelbaren Folgen der Tat auch ungeeignet, weil die Abgrenzung<br />
schwierig sein kann 266. So wird auch <strong>von</strong> der engeren Ansicht die Verletzung<br />
naher Angehöriger im Rahmen <strong>von</strong> § 60 StGB berücksichtigt267, obwohl dies<br />
eigentlich als mittelbare Folgen angesehen werden müßte 268 •<br />
Gr<strong>und</strong>sätzlich könnten somit außerordentliche Belastungen des Beschuldigten<br />
durch die Verfahrenslänge zur Anwendung <strong>von</strong> § 60 StGB führen. Wenngleich<br />
im einzelnen nicht alles geklärt ist, besteht doch prinzipiell Einmütigkeit dahingehend,<br />
daß schon vor der konkreten Anwendung <strong>von</strong> § 60 StGB bei der Prüfung<br />
der "an sich" verwirkten Strafe die schweren Folgen der Tat (also hier die<br />
Verfahrensbelastungen) Berücksichtigung finden müssen 269 • Dabei muß es sich<br />
259 Baumann, FS Eb. Schmidt, S. 540 f.; Schwenk, ZStW 79 (1967), S. 736.<br />
260 BGHSt 21, S. 81; OLG Stuttgart, NJW 1967, S. 508.<br />
261 BGHSt 24, S. 239; Hanack, JZ 1971, S. 715.<br />
262 BGH, DAR 1963, S. 169.<br />
263 So zutreffend 1. Roxin, Rechtsfolgen, S. 269.<br />
264 Horn in SK StGB, § 60 Rn. 5; Koffka in LK9, § 60 Rn. 2; Jescheck, Strafrecht<br />
AP,§8III2.<br />
265 So aber Horn in SK StGB, § 60 Rn. 5; kritisch dazu Stree in SchSch23, § 60 Rn. 6;<br />
G. Schäfer, Praxis der Strafzumessung, Rn. 318.<br />
266 So zutreffend G. Hirsch in LKlO, § 60 Rn. 30 Fn. 24.<br />
267 Vgl. Koffka in LK9, § 16 Rn. 3; Horn in SK StGB, § 60 Rn. 7.<br />
268 G. Hirsch in LKlO, § 60 Rn. 30 Fn. 24; Lackner, StGB'S, § 60 Anm. 2 a.<br />
269 OLG Celle, NJW 1971, S.575 (576); G. Hirsch in LKIO, § 60 Rn. 14; Stree in<br />
SchSch 2 3, § 60 Rn. 10; Dreher / Tröndle, StGB44, § 60 Rn. 2; jetzt auch (unter Aufgabe
234 7. Kap.: Strafmilderung wegen Strafzumessungsrelevanz C. Belastungen als Strafzumessungsgr<strong>und</strong> 235<br />
nach herrschender Ansicht nicht um objektiv schwere Tatfolgen handeln 270. <strong>Die</strong>s<br />
führt jedoch nicht dazu, daß ausschließlich auf die besonders sensible psychische<br />
Konstitution des Beschuldigten abgestellt werden kann: <strong>Die</strong> Folgen müssen immer<br />
noch "relativ" so schwer sein, daß die Strafverhängung "offensichtlich"<br />
verfehlt wäre271. Auf dieser Gr<strong>und</strong>lage ist Imme Roxin zuzustimmen 272, daß im<br />
Rahmen der Gesamtabwägung gemäß § 60 StGB die <strong>von</strong> Teilen der Rechtsprechung<br />
bereits zur Feststellung der <strong>überlange</strong>n Verfahrensdauer herangezogenen<br />
Gesichtspunkte relevant werden. Hier ist vor allem die Schwere des Tatunrechts,<br />
aber auch die Gesamtdauer des Verfahrens <strong>und</strong> deren Ursachen zu den Belastungen<br />
des Beschuldigten in Beziehung zu setzen.<br />
bb) Strafmilderung<br />
"Loch" in der Strafzumessung bleibt, eine "erhebliche Spannung" zwischen<br />
Mindeststrafe <strong>und</strong> Straflosigkeit 278 . Zwar mag die Begründung des 2. BGH<br />
Senats, es sei dem Richter gr<strong>und</strong>sätzlich nicht gestattet, den im Gesetz vorgeschriebenen<br />
Strafrahmen im Wege einer Analogie zu ändern 279, seit der Heimtükkemord-Entscheidung<br />
des Großen Senats 280 nicht mehr ohne weiteres zwingend<br />
sein. Für eine solche Analogie sind jedoch bei § 60 StGB die methodologischen<br />
Gr<strong>und</strong>lagen nicht gegeben: Der Gesetzgeber hat bewußt <strong>von</strong> einer Strafmilderungsmöglichkeit<br />
abgesehen, um den exzeptionellen Charakter der Vorschrift<br />
besonders hervorzuheben 281 <strong>und</strong> damit den Befürchtungen Rechnung zu tragen,<br />
die Strafrahmen des Besonderen Teils könnten illusorisch werden 282 . Damit hat<br />
der Gesetzgeber auch hingenommen, daß im Einzelfall bei entsprechendem<br />
"Schon-bestraft-Sein" Bedenken im Hinblick auf das Schuldprinzip bestehen<br />
können, wenn das Strafgericht an der Strafrahmenuntergrenze haltmachen muß28<strong>3.</strong><br />
Unbefriedigend bleibt aber, wie auch Imme Roxin hervorhebt 273, daß ein Absehen<br />
<strong>von</strong> Strafe dann ausscheidet, wenn der Täter für die Tat eine Freiheitsstrafe<br />
<strong>von</strong> mehr als einem Jahr verwirkt hat (§ 60 Satz 2 StGB). Ferner ist Folge des<br />
"Alles-oder-Nichts-Prinzips"274 <strong>von</strong> § 60 StGB, daß für Verfahrensbelastungen,<br />
die eine Strafe nicht in Gänze verfehlt erscheinen lassen, keine Strafmilderung<br />
vorgesehen ist. Nun läßt sich dieses Ergebnis allerdings mildem: Beide Bereiche<br />
sind dadurch eingegrenzt, daß nach ganz herrschender Ansicht der Rechtsgedanke<br />
des § 60 StGB analoge Anwendung auf die Strafzumessung in diesen Fällen<br />
findet275. Auch der 2. Strafsenat des BGH hat in einer Entscheidung nicht auf<br />
die Verfahrensdauer abgehoben - das Verfahren war mehr als vier Jahre alt-,<br />
sondern für die Strafzumessung u. a. darauf hingewiesen, daß sich der Angeklagte<br />
nach drei erfolgreichen Revisionen nun zum vierten Mal einer Hauptverhandlung<br />
stellen müsse 276. Offenbar ist für den BGH also hier die Verfahrensbelastung<br />
das ausscWaggebende Kriterium.<br />
Einigkeit herrscht allerdings auch insoweit, daß trotz Strafmilderung das gesetzliche<br />
Mindestmaß nicht unterschritten werden darf277. Folge ist also, daß ein<br />
der früheren Ansicht) Horn in SK StGB, § 60 Rn. 3; kritisch Maiwald, JZ 1974, S. 775;<br />
dagegen Streng, NStZ 1988, S. 487 Fn.25.<br />
270 A. A. BayObLG, NJW 1971, S. 766 (767); Dreher / Tröndle, StGB''', § 60 Rn. 3;<br />
Horstkotte, JZ 1970, S. 127 f.<br />
271 Vgl. dazu etwa Horn in SK StGB, § 60 Rn. 8; G. Hirsch in LKIO, § 60 Rn. 25 f.;<br />
29; Stree in SchSch 23 , § 60 Rn. 5; 8.<br />
272 I. Roxin, Rechtsfolgen, S. 271 f.<br />
273 I. Roxin, Rechtsfolgen, S. 269.<br />
274 Müller-<strong>Die</strong>tz, FS R. Lange, S. 314; G. Hirsch in LK'o, § 60 Rn. 8; 4<strong>3.</strong><br />
275 G. Hirsch in LK'o, § 60 Rn. 44; Stree in SchSch 2 3, § 60 Rn. 12; Dreher / Tröndle,<br />
StGB'" § 60 Rn. 7; G. Schäfer, Praxis der Strafzumessung, Rn. 323; Zipf, JR 1975,<br />
S.164.<br />
276 BGHR StGB § 46 Abs. 2 Nachtatverhalten 4 (insoweit nicht in NStZ 1987, S. 171<br />
abgedruckt).<br />
cc) Strafaussetzung zur Bewährung<br />
<strong>Die</strong> Spannung zwischen Mindeststrafe <strong>und</strong> Straflosigkeit wird allerdings dadurch<br />
verringert, daß die Verfahrensbelastungen durch Verfahrensdauer auch für<br />
die Strafaussetzung zur Bewährung gemäß § 56 StGB relevant sein können.<br />
Insofern ist dann, wenn zwar kein Absehen <strong>von</strong> Strafe, aber auch keine Freiheitsstrafe<br />
<strong>von</strong> über zwei Jahren (auch) in Ansehung der Verfahrensbelastungen<br />
angezeigt ist, u. U. eine weitere Rechtsfolgenmilderung möglich. Sie folgt allerdings<br />
nicht aus dem Gedanken des "Schon-bestraft-Seins", der nur die Strafhöhenbemessung<br />
beeinflussen kann, die unabhängig <strong>von</strong> der Strafaussetzungsentscheidung<br />
vorzunehmen ist 284 .<br />
Der 2. Senat des BGH hat, wie referiert 285, in mehreren Entscheidungen betont,<br />
daß bei <strong>überlange</strong>r Verfahrensdauer bei zwischenzeitlicher Straffreiheit eine günstige<br />
Sozialprognose gegeben sei 286. <strong>Die</strong>se Rechtsprechung bezieht sich, richtig<br />
277 BGHSt 27, S. 274 (276); G. Hirsch in LKIO, § 60 Rn. 44; Stree in SchSch 23 , § 60<br />
Rn. 11; Jescheck, Strafrecht AT', § 8111 4 (der zu Unrecht G. Hirsch <strong>und</strong> Stree eine<br />
andere Auffassung unterstellt); vgl. auch (zu § 47 11 MStGB <strong>von</strong> 1940) BGHSt 21, S. 139.<br />
278 BGHSt 21, S. 139 (141).<br />
279 BGHSt 21, S. 139 (141 f.).<br />
280 BGHSt 30, S. 105.<br />
281 Vgl. Bericht des Sonderausschusses, BT-DrS V / 4094, S. 7; Maiwald, ZStW 83<br />
(1971), S. 685.<br />
282 Maiwald, ZStW 83 (1971), S. 685; vgl. auch Müller-<strong>Die</strong>tz, FS R. Lange, S. 321 f.<br />
283 Vgl. dazu Schroth, NJW 1990, S. 30.<br />
284 Vgl. BGHSt 29, S. 319 (321 f.); 32, S. 60 (65); NStZ 1988, S. 309.<br />
285 Siehe oben, All.<br />
286 BGH, StV 1983, S. 502; 1985, S. 322; S. 411; ähnlich BVerfG (Vorprüfungsausschuß),<br />
NJW 1984, S. 967; BayObLG, StV 1989, S. 394 (395); Stree in SchSch 23 , § 56<br />
Rn. 28.
236 7. Kap.: Strafmilderung wegen Strafzumessungsrelevanz C. Belastungen als Strafzumessungsgr<strong>und</strong> 237<br />
interpretiert, auf den Zeitablauf zwischen Tat <strong>und</strong> Verurteilung <strong>und</strong> ist somit nur<br />
bedingt übertragbar auf Verfahrensbelastungen durch <strong>überlange</strong> Verfahrensdauer.<br />
Hierbei wäre entscheidend, ob die Verfahrensbelastungen die Warnfunktion der<br />
Verurteilung so erhöhen, daß künftig auch ohne die Einwirkung des Strafvollzuges<br />
keine Straftaten mehr begangen werden. In dieser Weise hat sich der <strong>3.</strong><br />
BGH-Senat bezüglich der Prognose in § 59 I Nr. I StGB geäußert, wo er auf<br />
die Wirkungen <strong>überlange</strong>r Verfahrensdauer auf den Beschuldigten abhebt287.<br />
Ähnlich ist der 2. Senat des BGH auch zu § 56 II StGB zu verstehen, wenn er<br />
die Wirkung des bisherigen <strong>Strafverfahren</strong>s betont 288 . Allerdings kann dies nur<br />
dann den <strong>von</strong> Verfahrensbelastungen Betroffenen begünstigen, wenn er eine gute<br />
Sozialprognose hat. <strong>Die</strong>s kann gerade auch wegen der auf <strong>überlange</strong>r Verfahrensdauer<br />
beruhenden Belastungen nicht der Fall sein: So ist nicht fernliegend, daß<br />
die Verfahrensbelastungen mit Verschlechterungen etwa der familiären <strong>und</strong> sonstigen<br />
sozialen Einbindungen oder der finanziellen Verhältnisse einhergehen 289.<br />
Darauf, daß der Beschuldigte die nunmehr ungünstigen Lebensverhältnisse nicht<br />
verschuldet hat, kommt es für die Sozialprognose nicht an 290.<br />
Daneben spielen Verfahrensbelastungen für die Frage eine Rolle, ob die Verteidigung<br />
der Rechtsordnung die Strafvollstreckung noch gebietet (§ 56 III StGB).<br />
<strong>Die</strong>s ist anerkannt für Verzögerungen 29 \ <strong>und</strong> muß erst recht gelten für Belastungen:<br />
Es geht bei der Verteidigung der Rechtsordnung darum, ob die Rechtstreue<br />
einer über die Besonderheiten des Einzelfalles aufgeklärten Bevölkerung beeinträchtigt<br />
würde 292• Deren Rechtsgefühl dürfte aber dann weniger verletzbar sein,<br />
wenn der Täter selbst erhebliche Folgen da<strong>von</strong>getragen hat 29<strong>3.</strong><br />
Wie oben erwähnt 294, hat der BGH zu Recht die vom <strong>3.</strong> Senat 295 geäußerte<br />
Auffassung nicht beibehalten, <strong>überlange</strong> Verfahrensdauer könne kein besonderer<br />
Umstand im Sinne <strong>von</strong> §§ 56 II, 59 I Nr. 2 StGB sein. Auch dies muß um so<br />
mehr gelten, wenn auf den Umstand der Verfahrensbelastungen abgehoben wird,<br />
weil hierdurch Tat <strong>und</strong> Persönlichkeit des Täters direkt betroffen werden 296 , sogar<br />
verstärkt, wenn man den Belastungen Strafwirkungen zumißt. Der 4. Senat hat<br />
Verfahrensbelastungen als besonderen Umstand insofern ausreichen lassen, als<br />
sie zu einer Haftpsychose mit Krankheitswert aufgr<strong>und</strong> längerer Untersuchungshaft<br />
geführt hatten 297. Der 2. 298 <strong>und</strong> 5. 299 Senat des BGH hat erlittene Untersuchungshaft<br />
deshalb als "besonderen Umstand" angesehen, weil dem Beschuldigten<br />
dadurch bereits ein Übel zugefügt worden sei.<br />
dd) Strafvollstreckungs- <strong>und</strong> -vollzugserleichterungen<br />
(Strafmilderung i. w. S.)<br />
Verfahrensbelastungen können also relativ unproblematisch die Voraussetzungen<br />
der Strafaussetzung zur Bewährung hinsichtlich der "besonderen Umstände"<br />
<strong>und</strong> der "Verteidigung der Rechtsordnung" erfüllen. Sollte dennoch im Einzelfall<br />
eines der beiden Merkmale wegen der jeweils erforderlichen Gesamtwürdigung<br />
aller Umstände zu verneinen sein, kommt eine Aussetzung des Strafrestes zur<br />
Bewährung gemäß § 57 StGB in Betracht, <strong>und</strong> zwar vor allem die Zweidrittel<br />
Aussetzung nach § 57 I StGB. <strong>Die</strong> Halbzeitaussetzung gemäß § 57 II NT. 2 StGB,<br />
die ohnehin "besondere Umstände" voraussetzt, ist fraglicher: Bei der Ermessensentscheidung<br />
hat das Gericht nach herrschender Ansicht auch die "Verteidigung<br />
der Rechtsordnung" zu beTÜcksichtigen 3OO , wobei diese allerdings regelmäßig<br />
durch den Teilvollzug an Bedeutung verloren haben dürfte 30I . <strong>Die</strong> Halbzeitaussetzung<br />
könnte wohl am ehesten unter den Voraussetzungen der "Erstverbüßer<br />
Regel" des § 57 II Nr. I StGB möglich sein.<br />
<strong>Die</strong> Halbstrafenentlassung gemäß § 57 II Nr. 2 StGB kommt in Frage, wenn<br />
die Anwendung <strong>von</strong> § 56 StGB (nur) an der Verhängung einer Freiheitsstrafe<br />
<strong>von</strong> über zwei Jahren gescheitert ist. Da insbesondere in dieser Konstellation<br />
häufig Untersuchungshaft vollstreckt worden sein dürfte - Fluchtgefahr aufgr<strong>und</strong><br />
Straferwartung, § 112 II Nr. 2 StP0302; Wiederholungsgefahr bei erheblichen<br />
Straftaten, § 112a StPO; Tatverdacht bei Schwerkriminalität, § 112 III<br />
StPO -, kann durch die Anrechnungsregel des § 57 IV StGB u. U. Strafbaft<br />
ganz entfallen 30<strong>3.</strong><br />
287 BGHSt 27, S. 274 (275).<br />
288 BGH, NStE Nr. 10 zu § 56 StGB; vgI. auch Stree in SchSch 23 , § 56 Rn. 24c:<br />
Bedeutsam für die Sozialprognose sind Nachteile, die der Täter aufgr<strong>und</strong> seiner Tat,<br />
des Verfahrens oder der Verurteilung erlitten hat.<br />
289 Vgl. Schünemann, Verh. 58. DIT, S. B 35.<br />
290 Ruß in LKIO, § 56 Rn. 23; vgl. aber auch KG, GA 1955, S. 184 (185).<br />
291 BGHSt 27, S. 274 (275); Lackner, StGBI8, § 56 Anm. 5 b bb; Molketin, BA 1982,<br />
S. 185;a.A.OLGKoblenz, VRS59,S. 339(340); vgl.auchBGH,GA 1979,S. 313(314).<br />
292 BGHSt 24, S.64 (69); wis1ra 1987, S. 257 (258); StV 1989, S. 150; NStE Nr. 9<br />
zu § 56 SlGB; BayObLG, NIW 1978, S. 1337.<br />
293 BGHS1 24, S. 64 (69). Siehe auch BGH, StV 1990, S. 496 m. w. N.<br />
294 Siehe oben, All.<br />
295 BGHSt 27, S. 274 (275). So aber noch Horn in SK StGB, § 46 Rn. 146.<br />
296 Vgl. dazu K. Peters, IR 1978, S. 247 f.<br />
297 BGH, SlV 1981, S. 121.<br />
298 BGH, StV 1990, S. 30<strong>3.</strong><br />
299 BGH, StV 1990, S. 45<strong>3.</strong><br />
300 OLG München, NStZ 1987, S. 74; OLG Frankfurt, MDR 1980, S. 597; Dreher /<br />
Tröndle, StGB'" § 57 Rn. 9g; Ruß in LKIO, § 57 Rn. 19; kritisch Horn in SK SlGB, § 57<br />
Rn. 18; a.A. Mrozynski, IR 1983, S. 138; Zipf, IR 1975, S. 297.<br />
301 Vgl. HansOLG Hamburg, SlV 1990, S. 414; Stree in SchSch2 3, § 57 Rn. 25; Mrozynski,<br />
IR 1983, S. 138.<br />
302 Vgl. Wendisch in LR2., § 112 Rn. 38: Es "werden nur besondere Umstände die<br />
Lebenserfahrung ausschließen können, daß Fluchtgefahr besteht, wenn mehrjährige Freiheitsstrafe<br />
... in Aussicht steht".<br />
303 BGH, MDR 1959, S. 1022; Stree in SchSch23, § 57 Rn. 6; Horn in SK StGB, § 57<br />
Rn. 6; Dreher / Tröndle, 5tGB'" § 57 Rn.4a; ausführlich Ruß in LKIO, § 57 Rn. 6 f.
238 7. Kap.: Strafmilderung wegen Strafzumessungsrelevanz C. Belastungen als Strafzumessungsgr<strong>und</strong> 239<br />
Praktisch wenig hilft die Bestimmung des § 57 StGB dann, wenn die Strafaussetzung<br />
gemäß § 56 StGB an der ungünstigen Sozialprognose gescheitert ist,<br />
etwa deshalb, weil diese wegen der erlittenen Verfahrensbelastungen ungünstig<br />
geworden ist. <strong>Die</strong>s ist der neuralgischste Punkt der Konstruktion "Strafaussetzung<br />
wegen Verfahrensbelastungen". Hier bleibt lediglich die Möglichkeit, daß durch<br />
den zwischenzeitlichen Vollzug <strong>und</strong> das Abklingen der Verfahrensbelastungen<br />
sich die Prognose der künftigen Straffreiheit verbessert hat, die ohnehin in § 57<br />
StGB keine "Erwartung" wie in § 56 StGB, sondern eine bloße "Hoffnung" 304<br />
voraussetzt.<br />
Allerdings wird bei Verurteilten, die erst aufgr<strong>und</strong> des <strong>Strafverfahren</strong>s in<br />
Lebensumstände geraten sind, die keine günstige Sozialprognose mehr zulassen,<br />
regelmäßig Strafvollzug in einer offenen Anstalt (§ 10 StVollzG) angezeigt sein:<br />
Im Hinblick auf diese spezifischen Persönlichkeitsmerkmale dürfte der Integrationsgr<strong>und</strong>satz<br />
des § 3 III StVollzG ("Der Vollzug ist darauf auszurichten, daß<br />
er dem Gefangenen hilft, sich in das Leben in Freiheit einzugliedern") im Mittelpunkt<br />
stehen. Das Vollzugsziel sollte am ehesten mit den Mitteln des offenen<br />
Vollzuges zu erreichen sein: So viel normale Lebensumstände <strong>und</strong> Kontakt mit<br />
der übrigen Gesellschaft wie möglich 305. Weitere Ausgrenzung bei ungünstiger<br />
Sozialprognose aufgr<strong>und</strong> verschlechterter Lebensumstände infolge eines belastenden<br />
<strong>Strafverfahren</strong>s erscheint zur Resozialisierung kontraindiziert.<br />
Vergleichbares hat auch für die Gewährung <strong>von</strong> Vollzugslockerungen (§ 11<br />
StVollzG)306 <strong>und</strong> Urlaub (§ 13 StVollzG) 307 bei Unterbringung im geschlossenen<br />
Vollzug zu gelten, der nach wie vor auch bei Vorliegen der Voraussetzungen<br />
des § 10 StVollzG die Regel ist 308 , da häufig "die räumlichen, personellen <strong>und</strong><br />
organisatorischen Verhältnisse der Anstalt dies erfordern"309.<br />
b) RechtsJortbildung<br />
Weder durch Strafaussetzung zur Bewährung noch durch § 57 StGB oder das<br />
StVollzG können nach alledem Verfahrensbelastungen in dem Bereich kompensiert<br />
werden, in dem nach ganz herrschender Ansicht auch bei Strafmilderung<br />
gemäß dem Rechtsgedanken <strong>von</strong> § 60 StGB der gesetzliche Strafrahmen nicht<br />
unterschritten werden darf. <strong>Die</strong>se Vorschriften ermöglichen lediglich im Einzelfall<br />
einen "Ausweg", sind aber aufdas "Schon-bestraft-Sein" nicht zugeschnitten.<br />
304 Horn in SK StGB, § 57 Rn. 9; Ruß in LKlO, § 57 Rn. 10.<br />
305 Vgl. Calliess / Müller-<strong>Die</strong>tz, StVollzG\ § 10 Rn. 1; Ittel in Schwind / Böhm, § 10<br />
Rn. 3; Hoffmann/Lesting in AK StVollzG3, § 10 Rn. 2.<br />
306 Vgl. Calliess / Müller-<strong>Die</strong>tz, StVollzG\ § 11 Rn. 1.<br />
307 Vgl. Calliess / Müller-<strong>Die</strong>tz, StVollzG\ § 13 Rn. 1.<br />
308 Vgl. Hoffmann/Lesting, AK StVollzG3, § 10 Rn. 6.<br />
309 § 201 Nr. 1 StVollzG.<br />
Entgegen Imme Roxin 31O kann auch nicht einfach im Wege richterlicher Rechtsfortbildung<br />
§ 60 StGB so erweitert werden, daß selbst bei hoher verwirkter Strafe<br />
<strong>von</strong> Strafe abgesehen werden kann. Hierzu fehlen die methodologischen Gr<strong>und</strong>lagen<br />
311 . Folge ist, daß bei Delikten mit mehr als einem Jahr Mindeststrafe das<br />
Absehen <strong>von</strong> Strafe genausowenig möglich ist wie die Aussetzung des Vollstrekkung<br />
zur Bewährung bei Delikten mit mehr als zwei Jahren Mindeststrafe. Bei<br />
Mord wäre überhaupt keine Strafmilderung möglich - sofern nicht über § 49<br />
StGB eine Strafrahmenverschiebung zulässig ist.<br />
Da nach der Heimtückemord-Entscheidung des Großen Senats des BGH312<br />
aufgr<strong>und</strong> "außergewöhnlicher Umstände" die lebenslange Freiheitsstrafe unverhältnismäßig<br />
sein kann mit der Folge der Anwendbarkeit <strong>von</strong> § 49 I NI. I StGB,<br />
regt Krey an, zu den "außergewöhnlichen Umständen" auch Verstöße gegen<br />
Art. 6 I EMRK zu zählen 31<strong>3.</strong> Auch das LG Köln hat, einem Pressebericht zufolge,<br />
im sog. OPEC-Prozeß in einem Beschluß ausgeführt, wegen der Verfahrensverzögerungen<br />
sehe sich die Kammer auch im Falle der Verurteilung wegen Doppelmordes<br />
"im Wege der Rechtsfortbildung ... nicht an einer Strafmilderung <strong>von</strong><br />
Verfassung wegen gehindert"314. <strong>Die</strong>se Auffassungen können sich insoweit auf<br />
die Entscheidung des Großen Senats berufen, als dort ausdrücklich allgemein<br />
<strong>von</strong> "außergewöhnlichen Umständen" gesprochen wird, die aufgr<strong>und</strong> des Schuldprinzips<br />
zwingend die Anwendung des Strafrahmens des § 49 I NI. I StGB zur<br />
Folge hätten 315. Hiermit hatte der BGH seine bisherige Rechtsprechung aufgegeben,<br />
wonach es den Gerichten versagt wäre, durch Anwendung <strong>von</strong> § 49 StGB<br />
in freier Rechtsschöpfung die Strafgesetze umzugestalten 316 . Geht man aber <strong>von</strong><br />
dieser Prämisse aus, so kann nichts anderes gelten, wenn es um andere Normen<br />
geht. So hat der 2. Strafsenat des BGH ausdrücklich unentschieden gelassen, ob<br />
die Rechtsfolgenlösung auch beim Verdeckungsmord anwendbar sei 317. Folgte<br />
man dem, läge weiterhin die Anwendung <strong>von</strong> § 49 I NI. 3 StGB "nicht allzu<br />
fern"318. Auch hier könnte dann aus "außergewöhnlichen Umständen" eine Unter-<br />
310 1. Roxin, Rechtsfolgen, S. 270 f.; vgl. auch Puppe, NStZ 1986, S. 406.<br />
311 Siehe oben, a bb.<br />
312 BGHSt 30, S. 105.<br />
313 Krey, <strong>Strafverfahren</strong>srecht I, Rn. 126 Fn. 7; JA 1983, S. 638 Fn. 7. Ähnlich jetzt<br />
auch das LG Berlin im sog. Schmücker-Verfahren.<br />
314 LG Köln, zit. n. DER SPIEGEL 13/1990, S. 105.<br />
315 BGHSt 30, S. 105 (120 f.).<br />
316 BGH, Vrt. v. 15.7.1969 - 5 StR 704/68 (insoweit nicht in BGHSt 23, S. 39<br />
abgedruckt); NJW 1977, S. 1544; 1978, S. 1336.<br />
317 BGHSt 35, S. 116 (127 f.); vgl. dazu Horn in SK StGB, § 211 Rn. 66; Dreher /<br />
Tröndle, StGB4\ § 211 Rn. 17; Gössel, Strafrecht BT /1, § 4 Rn. 13; Krey, Strafrecht<br />
BT 1', Rn. 73a; 73b; Bruns, JR 1981, S. 360; Rengier, NStZ 1982, S. 227 f.; Lackner,<br />
NStZ 1981, S. 349; Schmidhäuser, NStZ 1989, S. 58. Vgl. auch schon BGHSt 28, S. 77<br />
(79).<br />
318 Montenbruck, Strafrahmen <strong>und</strong> Strafzumessung, S. 88 Fn. 66.
240 7. Kap.: Strafmilderung wegen Strafzumessungsrelevanz c. Belastungen als Strafzumessungsgr<strong>und</strong> 241<br />
schreitung des Mindestmaßes der Strafe zulässig sein 319. Dahingehend läßt sich<br />
wohl auch eine Entscheidung des 2. Senats des BGH interpretieren 320: Er verweist<br />
im Zusammenhang damit, daß der Raub mit Scheinwaffen unter § 250 11 StGB<br />
fallen kann, auf "die entsprechende Problemlösung beim Heimtückernord, BGHSt<br />
30, 105". Damit erkennt der 2. Senat doch wohl nicht nur an, daß es auch andere<br />
"außergewöhnliche Umstände" geben kann, sondern auch, daß diese auch bei<br />
anderen Tatbeständen als § 211 StGB zur Strafrahmenverschiebung führen können.<br />
Nun ist dieser Gedankengang gewagt, weil nach mit gewichtigen Argumenten<br />
vorgetragener herrschender Ansicht in der Literatur die Rechtsprechung des BGH<br />
zur erweiterten Anwendbarkeit <strong>von</strong> § 49 I StGB eine unzulässige Gesetzesänderung<br />
darstellt, die <strong>von</strong> Spendel sogar als Rechtsbeugung bezeichnet worden ist 321 •<br />
Zudem stünde zu befürchten, daß es einen "Dammbruch" im Strafzumessungsrecht<br />
gäbe, weil mit unbestimmten Wertungskriterien gesetzliche Strafdrohungen<br />
unterlaufen würden 322.<br />
<strong>Die</strong>se beiden Bedenken könnten möglicherweise ausgeräumt oder jedenfalls<br />
gemindert werden, schlösse man sich Montenhruck an, der die Übertragung der<br />
Strafrahmen für besonders schwere <strong>und</strong> minder schwere Fälle auf Delikte mit<br />
bloßem Normalstrafrahmen befürwortet 32<strong>3.</strong> Auf die Entscheidung des Großen<br />
Senats hinweisend, hält Montenbruck hierbei ebenfalls die Unterschreitung der<br />
Mindeststrafe des Normalstrafrahmens für möglich 324 • Ausgefüllt werden sollen<br />
die Sonderstrafrahmen durch die "Parallelwertung" mit den modifizierten mildernden<br />
bzw. schärfenden Umständen, sofern sie in "halbabstrakter Betrachtungsweise"<br />
so gewichtig sind, daß sie allein einen besonders schweren bzw. milden<br />
Fall begründen können 325 •<br />
Es ist gr<strong>und</strong>sätzlich da<strong>von</strong> auszugehen, daß Verfahrensbelastungen zur Anwendbarkeit<br />
der Strafrahmen für minder schwere Fälle führen können. <strong>Die</strong>s ist<br />
unter dem Gesichtspunkt <strong>überlange</strong>r Verfahrensdauer befürwortet worden 326.<br />
Ferner hat der 2. Senat des BGH ausgeführt, der Verlust der Beamtenrechte<br />
müsse bei der Strafrahmenwahl berücksichtigt werden, weil eine "erhebliche<br />
Verschärfung der staatlichen Reaktion auf die Straftat" hieraus folgte 327 • Hinter<br />
dieser Argumentation steckt ebenfalls der privilegierende Gedanke des § 60<br />
StGB 328 - eine Vorschrift, auf die auch Montenhruck als einen der "außergewöhnlich<br />
,minder schweren Fälle'" hinweist 329 : Beim Verlust der Beamtenrechte<br />
wie beim "Schon-bestraft-Sein" durch Verfahrensbelastungen kann man argumentieren,<br />
daß dieser entlastende Umstand so gewichtig sein kann, daß er nicht<br />
nur auf die Strafhöhenbemessung wirkt, sondern lediglich noch einen minder<br />
schweren Fall als Strafzumessungsgr<strong>und</strong>lage übrig läßt.<br />
Folgte man dieser Konstruktion - das Doppelverwertungsverbot gemäß § 50<br />
StGB soll jedenfalls bei <strong>überlange</strong>r Verfahrensdauer nicht gelten 330 -, so wäre<br />
theoretisch bei jedem Delikt außer dem (Völker-)Mord die Strafe zur Bewährung<br />
aussetzbar; bei jedem Delikt mit einer Mindeststrafe bis zu drei Jahren könnte<br />
<strong>von</strong> Strafe abgesehen werden.<br />
Selbst dann bliebe also eine Lücke - die der Gesetzgeber möglicherweise<br />
insoweit verringern könnte, als schon im Zusammenhang mit dem 2<strong>3.</strong> StrÄndG<br />
vorgeschlagen worden war, den Anwendungsbereich <strong>von</strong> § 5611 StGB auf Freiheitsstrafen<br />
bis zu drei Jahren zu erweitern 331 , so daß dann - theoretisch <br />
sogar bei Mord Strafaussetzung möglich wäre. Darüber hinaus gibt es für die<br />
Einjahresgrenze des § 60 StGB keine rationalen Kriterien 332. Wie im Gesetzgebungsverfahren<br />
zum 1. StrRG erörtert 33 3, im Alternativentwurf vorgeschlagen 334<br />
<strong>und</strong> heute noch kriminalpolitisch gefordert 33 5, könnte die zeitliche Grenze genausogut<br />
auf zwei Jahre ausgedehnt werden, so daß nur bei lebenslanger Freiheitsstrafe<br />
ein Absehen <strong>von</strong> Strafe <strong>von</strong> vornherein unmöglich wäre.<br />
Hier verliert man sich nun jedoch in bloße Gedankenspiele.<br />
III. Verschleppung <strong>und</strong> Belastungen<br />
1. Konfrontationsstrategie des Beschuldigten<br />
Hält man das bisherige Ergebnis fest, so ergibt sich, daß zu Belastungen<br />
führende Verfahrensdauer bei der Rechtsfolgenentscheidung weitgehend zu be-<br />
319 <strong>Die</strong>se Konsequenz sehen auch Montenbruck, Strafrahmen <strong>und</strong> Strafzumessung,<br />
S. 87 f.; Abwägung <strong>und</strong> Umwertung, S. 88; Bruns, JR 1981, S. 360; Günther, NJW 1982,<br />
S. 354 f.<br />
320 BGH, JZ 1989, S. 703 (704).<br />
321 Spendei, JR 1983, S. 271; StV 1984, S. 46; so auch Doller, NStZ 1988, S. 219 f.<br />
322 Dreher / Trändie, StGB44, § 211 Rn. 17.<br />
323 Montenbruck, Strafrahmen <strong>und</strong> Strafzumessung, S. 67 ff.<br />
324 Montenbruck, Strafrahmen <strong>und</strong> Strafzumessung, S. 87 ff.<br />
325 Montenbruck, Strafrahmen <strong>und</strong> Strafzumessung, S. 93 ff.<br />
326 Ulsamer, FS Faller, S. 383; Miehsler / Vogler, IntKomm, Art. 6 Rn. 329.<br />
327 BGHSt 35, S. 148 (149); vgl. auch StV 1984, S. 508 (<strong>3.</strong> Senat); kritisch Streng,<br />
NStZ 1988, S. 485 ff.; Bruns, JZ 1988, S. 467 f.<br />
328 Vgl. Bruns, MDR 1987, S. 180.<br />
329 Montenbruck, Strafrahmen <strong>und</strong> Strafzumessung, S. 119 f.<br />
330 Ulsamer, FS Faller, S. 383 f.; Miehsler / Vogler, IntKomm, Art. 6 Rn. 329; vgl.<br />
aber Montenbruck, Strafrahmen <strong>und</strong> Strafzumessung, S. 110 ff.<br />
331 G~setzentwurf SPD-B<strong>und</strong>estagsfraktion (BT-DrS 10/1116); Gesetzesantrag Land<br />
Nordrhem-Westfalen (BR-DrS 533/82).<br />
332 G. Hirsch in LK'o, § 60 Rn. 12; I. Roxin, Rechtsfolgen, S. 270 f.; Müller-<strong>Die</strong>tz,<br />
FS R. Lange, S. 316; Hassemer, FS Sarstedt, S. 68.<br />
333 Vgl. G. Hirsch in LK'o, § 60 Rn. 13; Müller-<strong>Die</strong>tz, FS R. Lange, S. 316.<br />
334 § 58 AE.<br />
335 G. Hirsch in LKH', § 60 Rn. 13; Hassemer, FS Sarstedt, S. 79; Baumann in: 40<br />
Jahre B<strong>und</strong>esrepublik Deutschland, S. 308 f.<br />
16 Scheffler
242 7. Kap.: Strafmilderung wegen Strafzumessungsrelevanz C. Belastungen als Strafzumessungsgr<strong>und</strong> 243<br />
rücksichtigen ist. <strong>Die</strong>s gilt auch dann, wenn die Verfahrensdauer auf der Struktur<br />
des Strafprozesses oder auf Schwierigkeiten in der Sache beruht.<br />
Zu prüfen bleibt allerdings, inwieweit Verfahrensdauer, die durch Verteidigungsaktivitäten<br />
des Beschuldigten verursacht worden ist, zu unzumutbaren,<br />
strafmildernd zu berücksichtigenden Belastungen führen kann. <strong>Die</strong>ses hat das<br />
BVerfG (Vorprüfungsausschuß) verneint: Verfahrensverzögerungen, die der Beschuldigte<br />
selbst - sei es auch durch zulässiges Prozeßverhalten - verursacht,<br />
seien in aller Regel nicht geeignet, die Feststellung einer seine Rechte verletzenden<br />
<strong>überlange</strong>n Verfahrensdauer zu begründen 336. Ähnlich hat sich der EGMR<br />
geäußert, allerdings einschränkend betont, daß nicht insoweit eine unangemessene<br />
Verzögerung in der Bearbeitung festzustellen sein darf337. Auch die BGH-Senate<br />
haben mehrfach darauf abgestellt, ob der Beschuldigte das Verfahren verzögert<br />
habe 338.<br />
In Rechtsprechung <strong>und</strong> Literatur ist dieser Fragenkreis vor allem bezüglich<br />
der Rechtsmittel des Beschuldigten näher diskutiert worden: So hat das OLG<br />
Koblenz einmal erklärt, <strong>überlange</strong> Verfahrensdauer scheide aus, weil die <strong>Dauer</strong><br />
auch auf zwei Rechtsmitteln des Beschuldigten beruhte (<strong>von</strong> denen eines erfolgreich<br />
war)339. Ähnlich hat sich das LG Krefeld ausgesprochen, das bei einer<br />
begründeten Revision <strong>überlange</strong> Verfahrensdauer verneinte, weil der Rechtsfehler<br />
zumindest auch auf das Verhalten der Verteidigung zurückzuführen gewesen sei,<br />
die insoweit im Einverständnis des Beschuldigten gehandelt habe 340. Auch Hillenkamp<br />
<strong>und</strong> Claus Roxin halten die "Ausnutzung sämtlicher Rechtsbehelfe" für<br />
nicht geeignet, <strong>überlange</strong> Verfahrensdauer zu begründen 341. Imme Roxin sieht in<br />
der Berücksichtigung der Rechtsmitteldauer einen Widerspruch zur Wertung des<br />
Gesetzgebers, der Fehler der Gerichte nur durch Rechtsmittel behoben, auf keinen<br />
Fall aber zur Begründung der Überlänge (durch Verzögerungen) eines Verfahrens<br />
herangezogen wissen wolle 342. Abweichend da<strong>von</strong> will Molketin wohl danach<br />
differenzieren, ob das Rechtsmittel des Beschuldigten begründet ist 34<strong>3.</strong> <strong>Die</strong>s deckt<br />
336 BVerfG (Vorprüfungsausschuß), NJW 1984, S.967; kritisch Brauns, JA 1984,<br />
S.760.<br />
337 EGMR, EuGRZ 1978, S. 406 (419) (Fall König); Frowein 1Peukert, EMRK, Art. 6<br />
Rn. 110. Vg\. auch OLG Zweibrücken, NStZ 1988, S. 501.<br />
338 BGH, GA 1977, S. 277 (278); NStZ 1982, S. 291 (292); 1987, S. 232; StV 1983,<br />
S.255; 1988, S. 487; Besch\. v. 2.7.1974-5 StR 48/74 (Anhang 3); Urt. v. 6.7.1976<br />
- 5 StR 184/76 (Anhang 7); Urt. v. 24.2.1977 - 1 StR 554/76 (Anhang 8); Urt. v.<br />
4.<strong>3.</strong>1980 - 5 StR 14/80 (Anhang 13).<br />
339 OLG Koblenz, VRS 59, S. 339 (340). Vg\. auch OLG Zweibrücken, NStZ 1988,<br />
S.501.<br />
340 LG Krefeld, IZ 1971, S. 733 (735).<br />
341 Hillenkamp, IR 1975, S. 136; C. Roxin, <strong>Strafverfahren</strong>srecht21, § 16 C; ähnlich<br />
Ulsamer, FS Faller, S. 378 f.; Peukert, EuGRZ 1979, S. 272; Priebe, FS v. Simson, S. 304.<br />
342 1. Roxin, Rechtsfolgen, S. 80 Fn. 184; ähnlich Frowein 1Peukert, EMRK, Art. 6<br />
Rn. 108; K. Schäfer in LR24, Ein\. Kap. 12 Rn. 92.<br />
343 Molketin, BA 1982, S. 184.<br />
sich offenbar mit der Ansicht des BGH, der in verschiedenen Entscheidungen<br />
den Zeitraum des begründeten Rechtsmittels des Beschuldigten einschließlich<br />
der zu wiederholenden Hauptverhandlung zu den Verfahrensverzögerungen zählte<br />
344.<br />
Nun mag es sein, daß diese Auffassungen miteinander harmonisiert werden<br />
könnten, stellte man, entsprechend dem Kostenrecht, nicht auf die Begründetheit,<br />
sondern auf den Erfolg eines Rechtsmittels durch eine Analogie zu § 473 I Satz 1<br />
StPO ab: Für den Rechtsmittelerfolg ist bei Zurückverweisung einer Sache erst<br />
die abschließende Sachentscheidung maßgeben 345 . <strong>Die</strong>s gilt selbst dann, wenn<br />
das angefochtene Urteil falsch gewesen ist, nunmehr jedoch eine im wesentlichen<br />
gleiche Verurteilung aus einem anderen Rechtsgr<strong>und</strong> erfolgt 346. Der Straftäter<br />
hat das (Kosten-)Risiko zu tragen, daß die endgültige Strafe nicht im ersten<br />
Rechtszug gef<strong>und</strong>en wird 347. Nach herrschender Ansicht liegt ein Erfolg des<br />
Rechtsmittels selbst dann nicht vor, wenn der Erfolg allein auf dem Zeitablauf<br />
zwischen Urteil erster <strong>und</strong> zweiter Instanz beruht 348 . Auf dieser Gr<strong>und</strong>lage wäre<br />
zu unterscheiden, ob ein Rechtsmittel begründet oder erfolgreich ist, wobei diese<br />
Unterscheidung nur bei der Revision bedeutsam ist, da bei der Berufung nur bei<br />
§ 328 11 StPO eine Zurückverweisung (mit der Möglichkeit der Bestätigung des<br />
Urteils) in Frage kommt.<br />
Allerdings führte auch dieser Gedankengang in die Enge bei Rechtsmitteln<br />
der Staatsanwaltschaft. Hier folgte aus ihm ein argurnenturn ad absurdum: Legt<br />
die Staatsanwaltschaft Revision zu Lasten des Beschuldigten ein, müßte dies<br />
also immer zu Strafmilderung führen; denn wird das Urteil des Tatgerichts<br />
aufgehoben, so liegt jedenfalls seit dessen Erlaß <strong>überlange</strong> Verfahrensdauer wegen<br />
Verzögerungen vor 349 ; wird das Urteil vom Revisionsgericht dagegen nicht<br />
aufgehoben, so dürfte nichts anderes gelten hinsichtlich des unbegründeten<br />
Rechtsmittels der Staatsanwaltschaft.<br />
Nun kann dieser Problemkreis jedoch dann außer acht gelassen werden, wenn<br />
es für die Berücksichtigung <strong>von</strong> Verfahrensbelastungen nicht darauf ankommt,<br />
inwieweit Verfahrensdauer als staatlich verzögert verstanden werden kann, der<br />
Verteidigungshandeln des Beschuldigten zugr<strong>und</strong>e liegt. Es sollte statt dessen<br />
344 BGHSt 35, S. 137 (141); StV 1985, S. 322; NStZ 1987, S. 232; BGHR StGB § 46<br />
Abs. 3 Nachtatverhalten 4 (insoweit nicht in NStZ 1987, S. 171 abgedruckt); zustimmend<br />
G. Schäfer, Praxis der Strafzumessung, Rn. 328. A. A. noch BGH, DAR 1963, S. 169.<br />
345 Vg\. statt aller BGH, NStZ 1989, S. 191; Schikora/Schimansky in KK StP02,<br />
§ 473 Rn. 4. A. A. BGH, NStZ 1989, S. 191 (zu § 8 GKG).<br />
346 BGH, IR 1956, S. 69; BayObLGSt 1970, S. 201.<br />
347 BGHSt 17, S. 376 (381); OLG Hamm, JMB\. NW 1956, S. 251 (252); BayObLG,<br />
IR 1961, S. 224 (225).<br />
348 BayObLG, MDR 1983, S. 155 f.; OLG Düsseldorf, IurBüro 1985, Sp. 1352; NStZ<br />
1985, S. 380.<br />
349 So wohl auch Molketin, BA 1982, S. 184.<br />
16'
244 7. Kap.: Strafmilderung wegen Strafzumessungsrelevanz C. Belastungen als Strafzumessungsgr<strong>und</strong> 245<br />
vielmehr gr<strong>und</strong>sätzlich die Verfahrensdauer unabhängig <strong>von</strong> ihrer Verursachung<br />
zugr<strong>und</strong>e zu legen <strong>und</strong> zu fragen sein, wann vom Beschuldigten verursachte<br />
Verfahrensdauer Joch einmal außer acht zu bleiben hat.<br />
a) Erschleichen <strong>von</strong> Strafmilderung<br />
Ein Trugschluß folgte hier aus der Argumentation, die durch Verteidigungsaktivitäten<br />
bedingten Zeitabläufe belasteten den Beschuldigten nicht ohne sein Zutun,<br />
denn wenn er dieses Ergebnis nicht wollte, könnte er sie unterlassen 350. <strong>Die</strong>sem<br />
Gedankengang liegt die Auffassung des 2. BGH-Senats zugr<strong>und</strong>e, "daß Verfahrensverzögerungen<br />
nicht unter allen Umständen den Beschuldigten belasten,<br />
sondern daß er sie häufig sogar erstrebt oder doch gern hinnimmt, weil damit<br />
seine Aussicht wachsen kann, eine günstige Beweislage zu gewinnen, in den<br />
Genuß einer Gesetzesänderung, einer Amnestie oder einer Verfolgungsverjährung<br />
zu gelangen, zum mindesten aber den Zeitablauf als begünstigenden Faktor bei<br />
der Strafzumessung auf seiner Seite zu haben"351. Zwar mag es sein, daß diese<br />
Reaktion des mit seiner Verurteilung Rechnenden vorkommt, vielleicht sogar<br />
überwiegt 352. Ebenso ist es richtig, daß Verfahrensdauer sich zugunsten des<br />
Beschuldigten auswirken kann 353 . Es ist auch bezeichnend, daß in Anleitungsbüchern<br />
für Strafverteidiger gelegentlich - im Hinblick auf § 258 StGB <strong>und</strong> § 138a<br />
StPO leicht verbrämt - "berichtet" wird, auf welche Arten ein Verteidiger ein<br />
<strong>Strafverfahren</strong> in die Länge ziehen kann, um es der Verjährung zuzuführen oder<br />
um auf Beweisverlust zu hoffen 354 .<br />
Damit wird jedoch nicht die Frage der Verfahrensbelastungen berührt. Vielmehr<br />
nimmt der Beschuldigte Verteidigungsaktivitäten in der Hoffnung vor,<br />
hierdurch nicht oder jedenfalls weniger hart bestraft zu werden. Er will sich also<br />
gerade ein Übel, nämlich Strafe, ersparen, indem er eine andere Belastung,<br />
Verfahrensdauer, in Kauf nimmt, die er für geringer hält <strong>und</strong> die, entgegen Imme<br />
Roxin 355 , auch als geringer einzustufen ist. Wenn sich also der Beschuldigte <strong>von</strong><br />
der Verfahrensdauer eine verbesserte Situation erhofft, ist die Sachlage anders<br />
als bei der Anrechnung <strong>von</strong> Untersuchungshaft (§ 51 I Satz 2 StGB): <strong>Die</strong>se kann<br />
versagt werden, wenn der Beschuldigte es "abwägend" vorziehen sollte, seinen<br />
350 Vgl. W. Gollwitzer, FS Kleinknecht, S. 167.<br />
351 BGHSt 24, S. 239 (241); vgl. auch Sarstedt / Hamm, <strong>Die</strong> Revision in Strafsachen',<br />
Rn. 107; Heubel, Der "fair trial", S. 119 f.; Kohlhaas, ZRP 1974, S. 8.<br />
352 Vgl. Dahs, Handbuch des Strafverteidigers', Rn. 54; Kohlhaas, ZRP 1974, S. 8;<br />
Nose, ZStW 82 (1970), S.791; Hillenkamp, JR 1975, S. 135; Dünnebier, GA 1959,<br />
S. 273; 276. A. A. Kohlmann, FS Maurach, S. 502.<br />
353 K. Peters in: Strafprozeß <strong>und</strong> Reform, S. 108 Fn. 3; Keller / Schmid, wistra 1984,<br />
S.202.<br />
354 Vgl. Kunigk, Prozeßführung <strong>und</strong> Strafverteidigung 2 , S. 166 ff.; Weyrauch, Verteidigung<br />
im Ermittlungsverfahren 2 , Rn. 133 ff.<br />
355 1. Roxin, Rechtsfolgen, S. 247 ff.<br />
Freiheitsentzug in Untersuchungshaft abzusitzen 356. Demzufolge mag Abweichendes<br />
nur in dem auch vom BGH angedeuteten Fall 357 gelten - was allerdings<br />
kaum jemals beweisbar sein wird-, daß der Beschuldigte gerade darauf spekuliert<br />
hat, aufgr<strong>und</strong> der weiteren Verfahrensdauer Strafmilderung zu erhalten.<br />
Darüber hinaus kann aber daraus, daß der Beschuldigte durch sein Prozeßhandeln<br />
die Verfahrensdauer verursacht hat, nicht geschlossen werden, daß sie ihn deshalb<br />
nicht belastet hätte.<br />
b) Selbstbegünstigung<br />
Der BGH hat nicht nur ausgesprochen, daß der Zeitraum des (erfolgreichen)<br />
Rechtsmittels des Beschuldigten einschließlich der zu wiederholenden Hauptverhandlung<br />
für die Verfahrensüberlänge mitzuzählen ist. In Entsprechung dazu hat<br />
er auch ein Urteil aufgehoben, in dem deshalb nicht die Strafe gemildert worden<br />
war, weil die Verfahrensdauer durch das Leugnen des Beschuldigten bis zur<br />
Hauptverhandlung bedingt gewesen war 358 . Dadurch habe das Tatgericht im<br />
Ergebnis das Leugnen strafschärfend berücksichtigt 359 .<br />
<strong>Die</strong>se Entscheidungen verallgemeinert, dürfen also auch sonstige prozessual<br />
zulässige Verhaltensweisen wie Schweigen oder das Stellen <strong>von</strong> Beweisanträgen<br />
dem Beschuldigten nicht angelastet werden 360, genauer gesagt, ist auch dieser<br />
Zeitraum für die Frage der Belastungen heranzuziehen. Was dem Beschuldigten<br />
unter prozessualen Gesichtspunkten zu tun erlaubt ist, also die Wahrnehmung<br />
seiner in der StPO gewährleisteten Befugnisse, darfihm nicht als strafschärfender<br />
bzw. die Milderung ausschließender Umstand angelastet werden 361 .<br />
Das bedeutet jedoch umgekehrt, daß dem Beschuldigten nicht der Zeitraum<br />
zugute kommen kann, um den das Verfahren durch zwar sanktionsfreie, jedoch<br />
nicht ausdrücklich gewährte Aktivitäten wie Flucht oder Vortäuschen der Verhandlungsunfähigkeit<br />
362 verlängert wird 36<strong>3.</strong> Zwar sind auch diese Umstände nicht<br />
strafzumessungsrelevant 364 , jedoch handelt es sich hier nicht mehr um die Wahr-<br />
356 Siehe oben, II I a.<br />
357 BGHSt 24, S. 239 (241).<br />
358 BGH, wistra 1983, S. 106.<br />
359 Ähnlich Bruns, Das Recht der Strafzumessung 2 , S. 232; 237: keine Strafschärfung,<br />
wenn der Beschuldigte durch sein hartnäckiges Leugnen letztlich die Hauptverhandlung<br />
langwieriger macht; vgl. auch BGHSt 1, S. 105 (106 f.).<br />
360 Geppert, JK 1983, MRK Art. 6/1; Priebe, FS v. Simson, S.304; Hanack, StV<br />
1987, S. 50<strong>3.</strong><br />
361 BGH, GA 1962, S. 339; Bruns, Das Recht der Strafzumessung 2 , S. 233; Dencker,<br />
ZStW 102 (1990), S. 55 f.<br />
362 Vgl. dazu Seetzen, DRiZ 1974, S. 259 ff.<br />
363 Geppert, JK 1983, MRK Art. 6/1; Ulsenheimer, wistra 1983, S. 13; ähnlich schon<br />
LG Frankfurt, JZ 1971, S. 234 (236); vgl. auch BGH, GA 1977, S. 275 (276); Urt. v.<br />
24.2.1976 - 1 StR 554/76 (Anhang 8); Urt. v. 5.1.1978 - 2 StR 425/77 (Anhang 12).<br />
364 Vgl. Bruns, Das Recht der Strafzumessung 2 , S. 232 f.
246 7. Kap.: Strafmilderung wegen Strafzumessungsrelevanz C. Belastungen als Strafzumessungsgr<strong>und</strong> 247<br />
nehmung legitimer Rechte, sondern um an sich mißbilligte Verhaltensweisen,<br />
die lediglich aufgr<strong>und</strong> der Ausstrahlung des Prinzips der straflosen Selbstbegünstigung<br />
strafzumessungsneutral sind 365. Der Beschuldigte sucht hier nicht mehr<br />
bloß seine Überführung zu verhindern, sondern das Verfahren zu vereiteln. Als<br />
methodischer Ansatzpunkt wird hierzu gelegentlich auf den Gr<strong>und</strong>satz "venire<br />
contra factum proprium" hingewiesen 366 • So hat der BGH ein Urteil aufgehoben,<br />
in dem dem Beschuldigten, der sich der Strafverfolgung durch Flucht entzogen<br />
hatte, strafmildernd zugute gehalten worden war, daß er hierdurch bereits einen<br />
Teil seiner Schuld abgebüßt habe, da der Zwang, im Ausland leben zu müssen,<br />
<strong>und</strong> die fortdauernde Unsicherheit nach seiner Rückkehr einen erheblichen Leidensdruck<br />
ausgeübt habe. Da die Belastungen gerade die Folge der Flucht des<br />
Beschuldigten waren, sei es nicht gerechtfertigt, ihre selbst herbeigeführten Folgen<br />
in maßgeblichem Umfang strafmildernd anzurechnen 367 •<br />
Dem entspricht es, daß auch prozessual an sich zulässiges Verhalten dann<br />
nicht mehr strafzumessungsneutral ist, wenn es nicht mehr <strong>von</strong> der Verteidigungsfreiheit,<br />
der erlaubten Selbstbegünstigung gedeckt ist, sondern selbst neues Unrecht<br />
darstellt 368 : So ist etwa bei Verdeckungsmaßnahmen des Täters zu differenzieren.<br />
Während das Beseitigen <strong>von</strong> Tatspuren an sich als legitimes Verteidigungshandeln<br />
einzustufen ist 369 , so gilt dies nicht für über die eigentliche Tat<br />
hinausgehende Verdeckungsmaßnahmen, die die Unrechtslage noch vertiefen 370 ,<br />
also etwa irreführende Angaben über den Verbleib der Beute, um diese (trotz<br />
Überführung) zu behalten 371. Was das Recht zum Schweigen oder die Akzeptanz<br />
des Lügens angeht, so ist die Grenze im Falle des sog. "qualifizierten Leugnens"<br />
_ falsche Verdächtigung, Anstiftung zur Falschaussage - überschritten 372 • Ein<br />
solches Verhalten ist nicht mehr <strong>von</strong> § 258 V StGB gedeckt 373 •<br />
Schwierig zu beurteilen sind die - mehr theoretischen - Fälle, in denen<br />
Verfahrensverzögerungen dadurch entstehen, daß der Beschuldigte sich zunächst<br />
365 Vgl. Bruns, Das Recht der Strafzumessung', S. 232 f.<br />
366 LG Frankfurt, JZ 1971, S. 234 (236); Ulsenheimer, wistra 1983, S. 14.<br />
367 BGH bei Mösl, NStZ 1983, S. 494.<br />
368 Vgl. BGH, StV 1982, S.20; 1990, S.259 (260). Vgl. auch BGHSt 17, S. 143<br />
(144); zur Kritik an dieser Entscheidung siehe Bruns, Das Recht der Strafzumessung',<br />
S.240.<br />
369 BGH, StV 1982, S. 20; 1984, S. 508; 1989, S. 12; 1990, S. 16; S. 259; bei Holtz,<br />
MDR 1977, S. 982; Bruns, Das Recht der Strafzumessung', S. 235; G. Schäfer, Praxis<br />
der Strafzumessung, Rn. 294; a. A. wohl LG Frankfurt, JZ 1971, S. 234 (236); Ulsenheimer,<br />
wistra 1983, S. 1<strong>3.</strong><br />
370 Bruns, Das Recht der Strafzumessung', S. 235.<br />
371 BGH bei Dallinger, MDR 1966, S. 559 f.; GA 1974, S. 84; Bruns, Das Recht der<br />
Strafzumessung', S. 235.<br />
372 BGH, VRS 22, S. 343 (345); bei Dallinger, MDR 1966, S. 894; OGHSt 2, S. 331<br />
(333); Bruns, Das Recht der Strafzumessung', S. 236; G. Schäfer, Praxis der Strafzumessung,<br />
Rn. 292. Kritisch Frisch, ZStW 99 (1987), S. 782.<br />
373 Vgl. statt aller Dreher / Tröndle, StGB44, § 258 Rn. 1<strong>3.</strong><br />
(weitergehend) selbst belastet oder wesentliche entlastende Umstände verschweigt.<br />
Das Kosten- <strong>und</strong> Entschädigungsrecht differenziert hier dahingehend<br />
(§ 467 111 Satz 2 StPO, § 6 I Nr. I StrEG), daß rechtliche Nachteile zwar nicht<br />
entstehen, wenn der Beschuldigte das Verfahren (zunächst) durch Schweigen in<br />
die Länge zieht 37 4, er aber dann seine Auslagen selbst tragen muß, wenn er durch<br />
den Inhalt seiner Einlassung aktiv das Verfahren in die Länge gezogen hat m .<br />
c) Rechtsmißbrauch<br />
Beim Einlegen <strong>von</strong> Rechtsmitteln ist anerkannt, daß es selbst dann nicht zu<br />
einer Nichtanrechnung <strong>von</strong> Untersuchungshaft führt, wenn die Verlängerung des<br />
Verfahrens damit bezweckt gewesen sein sollte 376 • <strong>Die</strong>se Auffassung, die wiederum<br />
Ausfluß da<strong>von</strong> ist, daß die Ausübung ausdrücklich gewährter Rechte keinen<br />
Nachteil hervorrufen darf, wird im Prinzip auch im Strafzumessungsrecht eingehalten<br />
377. Ausnahmen - die schwer vorstellbar sind 378 -, werden in der älteren<br />
Rechtsprechung gelegentlich betont bei hartnäckiger Wiederholung schon für<br />
unbegründet erklärter Rechtsmittel 379 oder wenn die Einlegung sich nach den<br />
besonderen Umständen als ein verwerflicher Mißbrauch des Verteidigungsrechts<br />
darstellt 380.<br />
Schon bei letzterem spielt eine Rolle, was verstärkt bei Beweisanträgen <strong>und</strong><br />
Befangenheitsgesuchen des Beschuldigten Bedeutung hat: Handlungen des Beschuldigten,<br />
die sich als institutioneller Mißbrauch prozessualer Befugnisse darstellen<br />
381, sind so lange hinzunehmen, also hinsichtlich der Verfahrensbelastungen<br />
nicht als Verschleppungen auszuklammern, wie die Strafverfolgungsbehörden<br />
dem Verhalten nicht im Rahmen der Prozeßordnung entgegentreten 382 • Auch im<br />
Untersuchungshaftrecht ist anerkannt, daß die Fortdauer nicht gerechtfertigt ist,<br />
wenn die Strafverfolgungsbehörden den Verschleppungsversuchen hätten entgegenwirken<br />
können 38<strong>3.</strong> <strong>Die</strong>sem Gr<strong>und</strong>gedanken entspricht es im übrigen auch,<br />
374 Statt aller Schikora / Schimansky in KK StPO" § 467 Rn. 8; D. Meyer, StrEG',<br />
§ 6 Rn. 10.<br />
375 Schikora / Schimansky in KK StPO', § 467 Rn. 8.<br />
376 Bericht des Sonderausschusses, BT-DrS V / 4094, S.25; Tröndle in LKlO, § 51<br />
Rn. 51; Dreher, MDR 1970, S. 969.<br />
377 Bruns, Das Recht der Strafzumessung', S. 238.<br />
378 Bruns, Das Recht der Strafzumessung', S. 238.<br />
379 KG, DJZ 1925, Sp. 349.<br />
380 BayObLG bei Dittmann, JW 1934, S. 2387. Vgl. auch BGH, NStZ 1990, S. 447<br />
(448).<br />
381 Vgl. dazu U. Weber, GA 1975, S. 289 ff.; Rüping / Domseifer, JZ 1977, S. 417 ff.;<br />
Vogel, NJW 1978, S. 1223 ff.; K. Meyer, JR 1980, S. 219 f.; Metzger, GebColloquium<br />
Kielwein, S. 95 ff.<br />
382 Vgl. Vollkommer, ZZP 81 (1968), S. 130; Kloepfer, JZ 1979, S. 209.<br />
383 Wendisch in LR'4, § 121 Rn. 33; 37. Vgl. auch OLG Stuttgart, StV 1983, S. 70;<br />
HansOLG Hamburg, StV 1983, S. 289 (290). Siehe auch BVerfGE 81, S. 264 (273 f.).
248 7. Kap.: Strafmilderung wegen Strafzumessungsrelevanz<br />
wenn in einer dissenting opinion <strong>von</strong> Mitgliedern der EMRK vorgetragen wurde,<br />
es sei staatlich zu verantworten, wenn das Fehlen geeigneter Vorschriften in der<br />
StPO zur Neutralisierung prozeßverschleppender Techniken ursächlich für <strong>überlange</strong><br />
Verfahrensdauer sei 384.<br />
Demzufolge sind im Befangenheitsrecht kaum Konstellationen denkbar, in<br />
denen nicht unter dem Belastungsaspekt zu berücksichtigende Verfahrensdauer<br />
produziert wird: Kämpft der Beschuldigte "mit unfairen Mitteln"385, so ist auf<br />
die Verschleppungsabsicht oder Verfolgung verfahrensfremder Ziele gemäß<br />
§§ 26a Nr. 3, 29 11 StPO zu reagieren. Wird dies vom Gericht unterlassen, was<br />
allerdings auf bloßen Nachweisschwierigkeiten beruhen kann386, so muß die<br />
Verschleppungsabsicht auch für die Strafzumessung bedeutungslos bleiben.<br />
Im Beweisantragsrecht gilt Entsprechendes durch den Ablehnungsgr<strong>und</strong> der<br />
Prozeßverschleppung (§§ 244 III Satz 2 vorI. Alt., 245 11 Satz 3 I. Alt.). Es wäre<br />
unter dem Gesichtspunkt des institutionellen Mißbrauchs eine zu formale Betrachtungsweise,<br />
dies mit der Begründung zu verneinen, ein solcher Antrag sei, anders<br />
als ein Befangenheitsgesuch, nicht unzulässig, sondern lediglich unbegründet 387 .<br />
Da bekannterweise <strong>von</strong> der Rechtsprechung an den Ablehnungsgr<strong>und</strong> strenge<br />
Maßstäbe angelegt werden 388 , mag hier aber eine Lücke praktisch relevant werden:<br />
<strong>Die</strong> Verschleppungsabsicht kann sich erst später herausstellen oder läßt sich<br />
jedenfalls bei AntragsteIlung noch nicht nachweisen. Für den ersten Fall ist im<br />
Rahmen <strong>von</strong> § 51 StGB anerkannt, daß dann, wenn sich nachträglich herausstellt,<br />
daß der Beschuldigte etwa ein nicht existentes Beweismittel zum Zwecke der<br />
Verschleppung benannt hat, Untersuchungshaftanrechnung insoweit nicht stattfindet<br />
389 . <strong>Die</strong>se Wertung müßte übernommen werden können. Für den zweiten<br />
Fall könnte die Möglichkeit bestehen, den Antrag als Beweisermittlungsantrag<br />
zu behandeln mit der Folge, daß über die Beweiserhebung nur nach § 244 11<br />
StPO entschieden zu werden braucht: Nach gelegentlicher 390 , freilich heftig umstrittener<br />
<strong>und</strong> kritisierter 391 Rechtsprechung liegt kein Beweisantrag vor, wenn<br />
eine Beweisbehauptung ohne jegliche Anhaltspunkte gestellt wird. Gegebenen-<br />
384 Vgl. Miehs1er/Vogler in IntKomm, Art. 6 Rn. 326 Fn.3; Frowein/Peukert,<br />
EMRK, Art. 6 Rn. 107; Peukert, EuGRZ 1979, S. 27<strong>3.</strong><br />
385 Pfeiffer in KK StP02, § 27 Rn. 4.<br />
386 Berz, NJW 1982, S. 734.<br />
387 Vgl. aber BGH bei Holtz, MDR 1990, S. 885 f.<br />
388 Vgl. dazu G. Herdegen in KK StP02, § 244 Rn. 8<strong>3.</strong><br />
389 BGHbei Dallinger, MDR 1969, S. 722; Trönd1e in LKIO, § 51 Rn. 48; offengelassen<br />
bei BGH, StV 1989, S. 152 (153).<br />
390 BGH, GA 1981, S. 228; StV 1985, S. 311; OLG Köln, NStZ 1987, S. 341; zustimmend<br />
Alsberg / Nüse / Meyer, Der Beweisantrag im Strafprozeßs, S. 45; vgl. auch BGH,<br />
StV 1989, S. 234 (235).<br />
391 Vgl. BGH, StV 1983, S. 4; G. Herdegen in KK StP02, § 244 Rn. 43; OS K. Meyer,<br />
S. 201 ff.; Michalke, StV 1989, S. 235 ff.; Schulz, StV 1985, S. 312 ff.; K. E. Oollwitzer,<br />
StV 1990, S. 423 f.<br />
C. Belastungen als Strafzumessungsgr<strong>und</strong> 249<br />
falls hat danach der Tatrichter die Befugnis, den Antragsteller nach seinen Wissensquellen<br />
zu fragen. Daß auch bei festgestellter Verschleppungsabsicht einem<br />
Beweisantrag dann nach herrschender Ansicht3 92 nachgegangen werden muß,<br />
wenn das weitere Verfahren nicht "erheblich" verzögert würde, mag sich wegen<br />
der dann gegebenen unerheblichen Verzögerungen mehr als theoretisches Problem<br />
darstellen.<br />
Ein weiteres, vor allem beim Ablehnungsgr<strong>und</strong> der Verschleppungsabsicht<br />
auftauchendes Problem besteht dann, wenn ein Beweisantrag vom Verteidiger<br />
gestellt wird. Aufgr<strong>und</strong> dessen selbständigen Antragsrechts kommt es dann auf<br />
seine Verschleppungsabsicht an mit der Folge, daß sie nicht dem Beschuldigten<br />
"zugerechnet" werden kann 39<strong>3.</strong> Es ist fraglich, ob das Gericht sich de lege lata<br />
hiergegen wehren kann: Gemäß § 138a I Nr. 3 StPO ist ein Verteidiger auszuschließen,<br />
der dringend verdächtig ist, (versuchte) Strafvereitelung zugunsten<br />
des Beschuldigten begangen zu haben. Jedenfalls dann, wenn man mit der herrschenden<br />
Meinung die Strafvereitelung auf Zeit anerkennt 394, könnte die Konsequenz<br />
gezogen werden, einen Verteidiger auszuschließen, der vorsätzlich 395 Beweisanträge<br />
zum Zwecke der Prozeßverschleppung stellt 396. <strong>Die</strong>se Konsequenz<br />
wird auch gelegentlich gezogen 397, <strong>von</strong> einigen jedenfalls für Extremfälle bejaht<br />
398 , <strong>von</strong> anderen verneint 399 . Es bestehen die gleichen Bedenken, die oben<br />
schon zur Strafvereitelung infolge <strong>von</strong> Verzögerungen der Strafverfolgungsorgane<br />
geäußert worden sind 400. Klar abzulehnen ist hier die Auffassung, ein bloß<br />
spät gestellter Beweisantrag könnte Strafvereitelung darstellen401, sowie die, jede<br />
Prozeßordnungswidrigkeit könnte den Strafvereitelungstatbestand erfüllen 402.<br />
392 A. A. nur G. Herdegen in KK StP02, § 244 Rn. 84.<br />
393 BGHSt 21, S. 118 (121); NJW 1969, S. 281; 1982, S. 2201; NStZ 1982, S. 391;<br />
1984, S. 230; 1990, S.447; StV 1984, S.494 (495). A. A. Lüderssen in LR24, § 137<br />
Rn. 28 ff.; vgl. dazu Michalke, StV 1989, S. 237 Fn. 17.<br />
394 Vgl. 2. Kap. B 11 2 d.<br />
395 Ist der Verteidiger "irregeführtes Werkzeug" des Angeklagten, ist ohnehin auf<br />
dessen Versch1eppungsabsicht abzustellen (BGH, NJW 1953, S. 1314).<br />
396 Vgl. KG, NStZ 1988, S. 178 f.<br />
397 U1senheimer, GA 1975, S. 118; wohl auch Pfeiffer, DRiZ 1984, S. 348; ähnlich<br />
Stree in SchSch 23 , § 258 Rn. 20; Weihrauch, Verteidigung im Ermiu1ungsverfahren2,<br />
Rn. 172; vgl. auch Schautz, Strafrechtliche Grenzen des Verteidigerhandeins, S. 117;<br />
Wassmann, Strafverteidigung <strong>und</strong> Strafvereitelung, S. 255.<br />
398 Beulke, Der Verteidiger im <strong>Strafverfahren</strong>, S. 153; 219 f.; ähnlich Parigger, FG<br />
L. Koch, S. 207 f.<br />
399 Mehle, FG L. Koch, S. 187; Hassemer in: Beck'sches Formularbuch für den<br />
Strafverteidiger, S. 17 f.; wohl auch Kühne, Strafprozeßlehre3, Rn. 91.1.<br />
400 Siehe oben, 2. Kap. B Ir 2 d bb.<br />
401 So auch OLG Düsseldorf, StV 1986, S. 288 (289); Mehle, FG L. Koch, S. 179;<br />
Parigger, FG L. Koch, S. 207. Vgl. auch BGH, StV 1986, S. 374.<br />
402 Vgl. Beulke, Der Verteidiger im <strong>Strafverfahren</strong>, S. 220; Wassmann, Strafverteidigung<br />
<strong>und</strong> Strafvereitelung, S. 214 ff.; Schautz, Strafrechtliche Grenzen des Verteidigerhandeins,<br />
S. 138 ff.; Lampe, JZ 1974, S. 698.
250 7. Kap.: Strafmilderung wegen Strafzumessungsrelevanz c. Belastungen als Strafzumessungsgr<strong>und</strong> 251<br />
Aber selbst soweit hier eine Lücke bei Verzögerungen des Verteidigers besteht,<br />
wäre noch bei Anknüpfung an die erwähnte Auffassung <strong>von</strong> Mitgliedern der<br />
EMRK fraglich, inwieweit nicht auch dieser Zeitraum unproblematisch deshalb<br />
zugunsten des Beschuldigten heranzuziehen ist, weil der Gesetzgeber im Zuge<br />
der Beratungen des 2. StVRG da<strong>von</strong> Abstand genommen hatte, den Ausschließungsgr<strong>und</strong><br />
der "Prozeßsabotage" einzuführen, um (zunächst) zu prüfen, ob mit<br />
anderen gesetzlichen Maßnahmen der Prozeßsabotage begegnet werden kann 40 3,<br />
was bisher nicht (abschließend) erfolgt ist.<br />
Schließlich ist noch kurz der in der Rechtsprechung des EGMR404 erwähnte<br />
Fall des mehrfachen, das Verfahren aufhaltenden Anwaltswechsels anzusprechen.<br />
Rein praktisch wird sich hier kaum einmal der Nachweis führen lassen, daß<br />
hiermit der Beschuldigte bezweckt, das Verfahren zu sabotieren, wenngleich<br />
wegen der Kostenfolge des § 145 IV StPO in relevanten Prozeßsituationen wenigstens<br />
die Rolle des Verteidigers bei der Mandatsbeendigung aufklärbar sein<br />
dürfte. Allerdings hat das Gericht, ähnlich wie bei der Ablehnung <strong>von</strong> Beweis<strong>und</strong><br />
Ablehnungsanträgen, ein Mittel in der Hand, Verschleppungen weitgehend<br />
zu verhindern: Das Gericht kann sowohl den vom Beschuldigten entpflichteten<br />
Wahlverteidiger zum Pflichtverteidiger machen <strong>und</strong> so die Unterbrechung oder<br />
Aussetzung nach § 145 III StPO verhindern 405 als auch neben dem Wahlverteidiger<br />
einen Pflichtverteidiger beiordnen 406 ; dies ist insbesondere zulässig, um Verschleppungen<br />
entgegenzuwirken, namentlich, wenn der Beschuldigte den Wahlverteidiger<br />
entläßt <strong>und</strong> einen neuen wählt 407 .<br />
2. Kooperationsstrategie des Beschuldigten<br />
<strong>Die</strong> angestellten Überlegungen laufen im Ergebnis darauf hinaus, daß Verfahrensbelastungen<br />
häufig auch dann bei der Rechtsfolgenentscheidung Berücksichtigung<br />
zu finden haben, Wenn die lange Verfahrensdauer durch prozessuale<br />
Verschleppungsaktivitäten des Beschuldigten entstanden ist. <strong>Die</strong>se Folgerung<br />
mag zunächst befremden, vielleicht sogar, wie Hanack meint, "schockieren"408:<br />
Sie könnte den Gedanken nahelegen, der Beschuldigte bräuchte nur sein Verfah-<br />
403 Vgl. Begr. RegE 2. StVRG, BT-DrS 7/2526, S. 11; Rechtsausschußbericht zum<br />
RegE 2. StVRG, BT-DrS 7/2989, S.5. Siehe in diesem Zusammenhang zuletzt die<br />
Entschließung der Generalstaatsanwälte <strong>und</strong> des Generalb<strong>und</strong>esanwalts, StV 1991,<br />
S. 284 ff.<br />
404 EGMR, EuGRZ 1978, S. 406 (419) (Fall König).<br />
405 BGH, GA 1971, S. 367; OLG Frankfurt, HESt 3, S. 33; Dünnebier in LR23, § 142<br />
Rn. 2<strong>3.</strong><br />
406 BVerfGE 39, S. 238 (246 f.); 66, S. 313 (321); BGHSt 15, S. 306 (309); GA 1971,<br />
S. 367 (368); NJW 1973, S. 1985; Laufhütte in KK StP02, § 141 Rn. 7 mit Nachweisen<br />
zur oberlandesgerichtlichen Rechtsprechung.<br />
407 Dünnebier in LR23, § 141 Rn. 7.<br />
408 Hanack, StV 1987, S. 50<strong>3.</strong><br />
ren zu verschleppen, um in den Genuß einer günstigeren Rechtsfolgenentscheidung<br />
zu kommen 409. Dem ist jedoch einiges entgegenzuhalten: Zunächst wäre<br />
rein formal einzuwenden, daß die Rechtsfolgenmilderung lediglich die Kompensation<br />
für die erlittenen Verfahrensbelastungen darstellt, also nur eine SchlechtersteIlung<br />
des verschleppenden Beschuldigten gegenüber anderen vermieden Werden<br />
soll.<br />
Praktischer betrachtet stellt sich das Problem aber genauso bei der üblichen<br />
Sichtweise des Problems: Verzögerungen entstehen im allgemeinen kaum durch<br />
"gr<strong>und</strong>lose" Schlamperei der Strafverfolgungsbehörden; vielmehr sind Schwierigkeiten<br />
der Sach- <strong>und</strong> Rechtslage ursächlich für die Versuchung des "Liegenlassens"41O.<br />
Solche Schwierigkeiten werden aber verstärkt dann auftreten, wenn sich<br />
der Beschuldigte aktiv verteidigt. <strong>Die</strong>se Überlegung wird auch dadurch bestätigt,<br />
daß großenteils Wirtschaftsstrafverfahren den Entscheidungen zur <strong>überlange</strong>n<br />
Verfahrensdauer zugr<strong>und</strong>e gelegen haben 411 . Wirtschaftsstraftaten weisen zwar<br />
einerseits regelmäßig eine erhöhte Schwierigkeit auf412; andererseits haben Beschuldigte<br />
in Wirtschaftsstrafverfahren zumeist umfangreichere Möglichkeiten<br />
der Verteidigung. Der Beschuldigte, der die finanziellen Ressourcen hat, ein<br />
Verfahren <strong>von</strong> langer <strong>Dauer</strong> <strong>und</strong> mit einer starken Verteidigung zu produzieren<br />
<strong>und</strong> durchzustehen, hat in jedem Fall bessere Chancen, ein "gutes" Urteil zu<br />
erhalten 413 . <strong>Die</strong>ser Gedanke hätte im übrigen gegenüber der geltenden Rechtspraxis<br />
noch verstärkte Relevanz bei Zugr<strong>und</strong>elegung des Lösungsansatzes <strong>von</strong><br />
Imme Roxin, wonach für jeden Tag, den die tatsächliche Verfahrensdauer die<br />
notwendige übersteigt, ein Tag Strafe "abzuziehen" sei 414. Bei diesem System,<br />
das nicht auf individuelle Belastungen rekurriert, sondern schematisch anrechnet,<br />
wäre die Versuchung für den Beschuldigten <strong>und</strong> seinen Verteidiger, aus Verkomplizierungen<br />
des Verfahrens resultierende Verzögerungen zu erreichen, noch<br />
größer: Man beantrage etwa ein Sachverständigengutachten <strong>und</strong> hoffe, daß die<br />
Bestellung des Sachverständigen (<strong>und</strong> dessen Gutachtenerstellung, für die das<br />
Gericht eine Frist absprechen kann <strong>und</strong> die das Gericht<br />
gegebenenfalls anzumahnen hat 415 ) nicht in dem kürzestmöglichen Zeitraum<br />
geschehe. Allerdings wird befürwortet, daß bei auf Verschleppungsabsicht beruhenden<br />
Anträgen eine verzögerte Bearbeitung durch die staatlichen Stellen "in<br />
der Gesamtabwägung zurücktreten" könne416.<br />
409 Vgl. G. Hirsch in LK'o, § 46 Rn. 47 Fn. 38.<br />
410 1. Roxin, Rechtsfolgen, S. 64; J. Blomeyer, NJW 1977, S. 557.<br />
411 1. Roxin, Rechtsfolgen, S. 63; Kramer, Menschenrechtskonvention, S. 62 Fn. 95;<br />
vgl. auch Keller / Schmid, wistra 1984, S. 201 Fn. 6.<br />
412 Vgl. etwa Rothenfluth, SchWZStR 100 (1983), S. 374 ff.<br />
413 ':'.~l. Dencker / Hamm, Der Vergleich im Strafprozeß, S. 87: "sozialstaatswidriger<br />
Aspekt, vgl. auch Hanack, JZ 1971, S.715; Keller / Schmid, wistra 1984, S.202;<br />
Baumann, FS Klug, S. 464; Eisenberg, Kriminologie3, § 40 Rn. <strong>3.</strong><br />
414 1. Roxin, Rechtsfolgen, S. 247 ff.<br />
415 Vgl. OLG Bremen, StV 1989, S. 539.<br />
416 Peukert, EuGRZ 1979, S. 272; Uisamer, FS Faller, S. 378 f.
252 7. Kap.: Strafmilderung wegen Strafzumessungsrelevanz C. Belastungen als Strafzumessungsgr<strong>und</strong> 253<br />
Entscheidender aber ist, daß dem Beschuldigten in dieser Konstellation Strafmilderung<br />
unter anderen Aspekten verlorengehen dürfte: Zunächst einmal würde,<br />
wie oben schon angedeutet417, Strafmilderung unter dem Gesichtspunkt des Wegfalls<br />
des Strafbedürfnisses kaum möglich sein, wenn sich Verteidigungsverhalten<br />
zwar formal prozeßordnungsgemäß darstellt, faktisch jedoch nur zu Verfahrensverschleppungen<br />
geführt hat.<br />
Darüberhinaus wird das Ergebnis noch weiterdadurch relativiert, daß bestimmte<br />
verfahrensverkürzende Handlungen des Beschuldigten strafmildernde Berücksichtigung<br />
finden, im Endeffekt also ihr Unterlassen strafschärfend wirkt 418 . Zwar<br />
kann keinem Zweifel unterliegen, daß der direkte "Austausch <strong>von</strong> Strafmilderung<br />
gegen Verfahrensabkürzung"419, mag er auch in praxi eine wesentliche Form der<br />
"Verständigung" im Strafprozeß darstellen420, nicht mit der StPO vereinbar ist421.<br />
Ausdrücklich anders entschieden hat bisher - soweit ersichtlich - nur das LG<br />
Berlin422. Es hat in der Strafzumessung honoriert, daß der Beschuldigte trotz<br />
Bestreitens einen zur Freisprechung geeigneten Beweisantrag nur hilfsweise für<br />
den Fall einer Freiheitsstrafe ohne Bewährung gestellt hatte. <strong>Die</strong>se Entscheidung<br />
hat in seiner Anmerkung Nestler-Tremel umfassend kritisiert 423 . Vor kurzem hat<br />
Kintzi die Frage aufgeworfen, ob der Richter "quasi fiktiv die lange Prozeßdauer<br />
zugunsten des Angeklagten berücksichtigen (kann), wenn dieser sie durch sein<br />
Prozeßverhalten abkürzt"424.<br />
<strong>Die</strong> in der Diskussion befindliche "Verständigung" im <strong>Strafverfahren</strong> könnte<br />
also prinzipiell geeignet sein, die These, daß kooperatives Verhalten (auch) zur<br />
Strafmilderung führt, zu belegen. Dennoch wird im folgenden auf dieses Argument<br />
(noch) verzichtet: Aus dogmatischer Sicht bleibt abzuwarten, inwieweit<br />
die bestechenden Argumente der Gegner <strong>von</strong> Verständigungen, diese seien mehr<br />
oder weniger auf der Gr<strong>und</strong>lage des geltenden Strafprozeßrechts "eine verfassungswidrige<br />
Praxis", wie Siolek formuliert 42 5, widerlegt werden können 426 . Aus<br />
417 Siehe oben, B I 2.<br />
418 Dencker, ZStW 102 (1990), S. 56; 61.<br />
419 Schünemann in: Absprache im Strafprozeß, S. 34 ff.; ähnlich Nestler-Tremel, StV<br />
1989, S. 112; Strate, NStZ 1989, S. 439; Moschüring, RuP 1988, S. 158; Zier!, AnwBI.<br />
1985, S. 505; vgl. auch Rückei, NStZ 1987, S. 302; Hasserner, JuS 1989, S. 891 Fn.3;<br />
offengelassen <strong>von</strong> BGH, StV 1989, S. 336 (337).<br />
420 Schünemann in: Absprache im Strafprozeß, S. 25 f.; 34; ähnlich Nestler-Tremel,<br />
StV 1989, S. 112.<br />
421 Schünemann in: Absprache im Strafprozeß, S. 34 ff.; vgl. aber auch Nestler-Tremel,<br />
StV 1989, S. 112.<br />
422 LG Berlin, StV 1989, S. 108.<br />
423 Nestler-Tremel, StV 1989, S. 109; zustimmend Horn in SK StGB, § 46 Rn. 148a;<br />
Kintzi, JR 1990, S. 315 Fn. 47. Hinzuzufügen wäre lediglich, was Nestler-Tremel übersieht<br />
(S. 111), daß schon die Aufklärungspflicht das Gericht - unabhängig vom Bedingungseintritt<br />
- dazu zwingen könnte, den Beweis zu erheben; vgl. Scheffler, NStZ<br />
1989, S. 159.<br />
424 Kintzi, JR 1990, S. 315.<br />
425 Siolek, DRiZ 1989, S. 321. Siehe jetzt auch BGH, NStZ 1991, S. 346 (347 f.).<br />
praktischer Sicht ist zudem zu beachten, daß die Möglichkeit, über "Verständigung"<br />
Strafmilderung zu erreichen, bestimmte Voraussetzungen bei Tat <strong>und</strong><br />
Tätererfordert, also nicht allgemeingültig ist. SelbstSchmidt-Hieber äußert inzwischen<br />
seine Befürchtung, Absprachen würden zum "Privileg des Wohlstandskriminellen"<br />
427.<br />
Unabhängig da<strong>von</strong> ist kooperatives Verhalten des Beschuldigten in Form eines<br />
Geständnisses <strong>und</strong> Mitwirkung bei der Aufklärung der Geschehnisse jedoch<br />
regelmäßig strafmildernd zu berücksichtigen. Schmidt-Hieber vertritt den interessanten,<br />
"radikalen"428 Ansatz, durch ein Geständnis würden die "Auswirkungen<br />
der Tat" gemäß § 46 11 StGB betroffen 429 . Unabhängig <strong>von</strong> den Motiven des<br />
Gestehenden würde das Geständnis die objektiven Tatfolgen betreffen, sofern<br />
ein Geständnis die Ermittlung des Sachverhalts erleichtet. Das folge daraus, daß<br />
verschiedene Bestimmungen eine Strafmilderung oder gar einen Strafausschließungsgr<strong>und</strong><br />
für den Fall der Berichtigung einer falschen Aussage (§ 158 StGB)<br />
oder eines Geständnisses (§§ 371 III AO, 31 Nr. 1 BtMG, 45, 47 JGG) vorsehen,<br />
ohne daß es hierbei auf die der Berichtigung oder dem Geständnis zugr<strong>und</strong>eliegenden<br />
Motive ankäme. <strong>Die</strong>se Auffassung wird nahezu einhellig kritisiert 430;<br />
das Nachtatverhalten käme als Milderungsgr<strong>und</strong> nur insoweit in Betracht, wie<br />
es der Täter als Beschuldigter <strong>von</strong> Rechts wegen in der Hand hat, durch Verteidigungsaktivitäten<br />
genau diejenigen Interessen (nochmals) zu verletzen, gegen die<br />
die ihm vorgeworfene Tat gerichtet war, also etwa, wenn er dem (jugendlichen)<br />
Tatopfer (insbesondere eines Sexualdeliktes) die Unannehmlichkeiten einer Zeugenaussage<br />
erspart 431. <strong>Die</strong> herrschende Ansicht geht da<strong>von</strong> aus, daß dem Geständnis<br />
nicht nur strafmildernde Gründe zugr<strong>und</strong>e liegen können, sondern es auch<br />
aus Berechnung <strong>und</strong> Prozeßtaktik abgegeben werden kann, so daß es jeweils auf<br />
seine strafmildernde Verwertbarkeit geprüft werden muß. Daß es dem Gericht<br />
die Arbeit erleichtert <strong>und</strong> das Verfahren verkürzt, kann angesichts der Amtsaufklärungspflicht<br />
ein Gr<strong>und</strong> für eine mildere Bestrafung nur dann sein, wenn das<br />
Geständnis günstige Schlüsse aufdie Persönlichkeit des Täters zuläßt (doppelspu-<br />
426 Vgl. dazu Schünemann, Verh. 58. DJT, S. B 66 ff.<br />
427 Schmidt-Hieber, NJW 1990, S. 1884 ff.; DRiZ 1990, S. 323 f.<br />
428 Dencker, ZStW 102 (1990), S. 58.<br />
429 Schmidt-Hieber, Verständigung im <strong>Strafverfahren</strong>, Rn. 169 ff.; 187 f.; FS Wassermann,<br />
S. 997 f.; FS Deutsche Richterakademie, S. 206 f.; NJW 1988, S. 284; in: Absprache<br />
im Strafprozeß, S. 60 f.; DRiZ 1990, S. 321; wohl auch Keller / Schmid, wistra 1984,<br />
S. 208. In der Gerichtspraxis dürfte dieser Aspekt eine gewisse Rolle spielen: So hat<br />
dpa zufolge in einem Wirtschaftsstrafverfahren, das mit einer Freiheitsstrafe <strong>von</strong> 21<br />
Monaten auf Bewährung endete, das LG Berlin in der mündlichen Urteilsbegründung<br />
ausdrücklich hervorgehoben, "daß der Prozeß durch das glaubhafte <strong>und</strong> umfassende<br />
Geständnis <strong>von</strong> einer mehrmonatigen <strong>Dauer</strong> auf fünf Verhandlungstage beschränkt werden<br />
konnte" (Volksblatt Berlin v. 17.<strong>3.</strong>1989, S. 14).<br />
430 Rönnau, <strong>Die</strong> Absprache im Strafprozeß, S. 102 ff.; Schünemann in: Absprache im<br />
Strafprozeß, S. 44 f.; Verh. 58. DJT, S. B 112 f.; Dencker, ZStW 102 (1990), S. 58 f.;<br />
Grünwald, StV 1987, S. 454; Niemöller, StV 1990, S. 36 Fn. 16.<br />
431 Dencker, ZStW 102 (1990), S. 60 f.; Frisch, ZStW 99 (1987), S. 782.
254 7. Kap.: Strafmilderung wegen Strafzumessungsrelevanz C. Belastungen als Strafzumessungsgr<strong>und</strong> 255<br />
rige Indizkonstruktion) 432. Aber auch auf dieser Gr<strong>und</strong>lage ist die Auffassung<br />
Schmidt-Hiebers bedeutsam, das Geständnis sei regelmäßig strafmildernd zu<br />
berücksichtigen, da die Beweggründe, die im Einzelfall einem Geständnis zugr<strong>und</strong>e<br />
liegen, nur in Ausnahmefällen aufklärbar sein werden 433 . Gemäß dem Gr<strong>und</strong>satz<br />
"in dubio pro reo" müsse daher im Regelfall da<strong>von</strong> ausgegangen werden,<br />
daß das Geständnis - zumindest auch - auf Einsicht in das begangene Unrecht<br />
beruht434. Letztendlich können hier diese theoretischen Konstruktionsversuche<br />
im Hintergr<strong>und</strong> bleiben. Entscheidend ist, daß in der Praxis bei Vorliegen eines<br />
Geständnisses regelmäßig die Strafe gemildert wird 435 - eine Vorgehensweise,<br />
die neuerdings Niemöller billigt: Das Geständnis könne dem Beschuldigten "auch<br />
als Beitrag zur Sachaufklärung <strong>und</strong> Verfahrensabkürzung . . . zugutegehalten<br />
werden"436. Dadurch besteht zumindest rein faktisch die Alternative der Strafmilderung<br />
wegen Verfahrensverkürzung zur Verschleppungstaktik.<br />
IV. Verfahrensbeendigung <strong>und</strong> Belastungen<br />
Der materiellrechtlichen Lösung, Verfahrensbelastungen durch <strong>überlange</strong> Verfahrensdauer<br />
bei der Rechtsfolgenentscheidung auszugleichen, steht freilich noch<br />
ein prozeßrechtliches Problem entgegen: Wie läßt sich das Verfahren beenden,<br />
wenn die Zumutbarkeitsgrenze, nicht aber die Spruchreife erreicht ist? Vorher<br />
mag man sich mit der Berücksichtigung in der Strafzumessung zufriedengeben 437.<br />
Nun aber würde Weiterprozessieren nicht nur bedeuten, die Verfahrensbelastungen<br />
zu vertiefen, sondern mitjeder weiteren Prozeßhandlung bewußt gegen Recht<br />
zu verstoßen 438. Mit Siolek ist zunächst einmal da<strong>von</strong> auszugehen, daß jedenfalls<br />
de lege lata keine Verpflichtung der Strafverfolgungsbehörden dahingehend besteht,<br />
daß <strong>überlange</strong> Verfahrensdauer "durch abkürzende Absprachen vermieden<br />
werden muß"439.<br />
432 Vgl. statt vieler Bruns, Das Recht der Strafzumessung 2 , S. 231 ff.; Moos, Das<br />
Geständnis im <strong>Strafverfahren</strong> <strong>und</strong> in der Strafzumessung, S. 133 ff. Dagegen etwa<br />
Dencker, ZStW 102 (1990), S. 56 f.; 77; Rönnau, <strong>Die</strong> Absprache im StrafprozeB, S. 96 ff.;<br />
Frisch, ZStW 99 (1987), S. 778 ff.; Schmidt-Hieber, DRiZ 1990, S. 321 f.<br />
433 Vgl. aber etwa Dencker, ZStW 102 (1990), S. 56 Fn. 23; Maeffert, Strafjustiz,<br />
S.56.<br />
434 Schmidt-Hieber, Verständigung im <strong>Strafverfahren</strong>, Rn. 174; kritisch dazu Grünwald,<br />
StV 1987, S. 454; Dencker, ZStW 102 (1990), S. 76; Rönnau, <strong>Die</strong> Absprache im<br />
StrafprozeB, S. 98 ff.<br />
435 Bruns, Das Recht der Strafzumessung Z , S. 233; Schmidt-Hieber, Verständigung<br />
im <strong>Strafverfahren</strong>, Rn. 173; FS Wassermann, S.996; 999; Nestler-Tremel, StV 1989,<br />
S. 112; Dencker, ZStW 102 (1990), S. 52; Grünwald, StV 1987, S. 454.<br />
436 Niemöller, StV 1990, S. 36 Fn. 16; vgl. dazu Schmidt-Hieber, NIW 1990, S. 1885;<br />
Schünemann, Verh. 58. DIT, S. B 11<strong>3.</strong><br />
437 Siolek, DRiZ 1989, S. 32<strong>3.</strong><br />
438 Vgl. LG Frankfurt, IZ 1971, S. 234 (235); Hillenkamp, IR 1975, S. 139; Schroth,<br />
NIW 1990, S. 31.<br />
1. Vor der Hauptverhandlung<br />
Machen die Verfahrensbelastungen aufgr<strong>und</strong> <strong>überlange</strong>r Verfahrensdauer<br />
schon vor Beginn der Hauptverhandlung ein Absehen <strong>von</strong> Strafe erforderlich,<br />
so kann gemäß § 153b StPO die Staatsanwaltschaft mit Zustimmung des Gerichts<br />
<strong>von</strong> der Erhebung der öffentlichen Klage absehen bzw. das Gericht mit Zustimmung<br />
der Staatsanwaltschaft <strong>und</strong> des Beschuldigten das Verfahren einstellen.<br />
Zweck der Vorschrift ist es gerade auch, in den Fällen des § 60 StGB dem<br />
Beschuldigten die Belastungen eines gerichtlichen Verfahrens zu ersparen440.<br />
Umstrittener Ansicht zufolge, die jedenfalls im Hinblick auf Verfahrensbelastungen<br />
vorzugswürdig erscheint, braucht nicht einmal bis zur Anklagereife "durchermittelt"<br />
zu werden, sofern nach dem Ermittlungsstand bereits beurteilt werden<br />
kann, daß die materiellen Voraussetzungen für das Absehen <strong>von</strong> Strafe vorliegen<br />
441 .<br />
Sind die Voraussetzungen <strong>von</strong> § 60 StGB nicht erfüllt - sei es, weil die<br />
Verfahrensbelastungen dieses Maß noch nicht erreicht haben, sei es, weil es am<br />
Erfordernis, daß höchstens ein Jahr Freiheitsstrafe verwirkt sein darf, fehlt -,<br />
kann gemäß § 153a StPO unter Auflagen <strong>und</strong> Weisungen eingestellt werden.<br />
Insoweit ist faktisch die "Lücke" zwischen völliger Sanktionslosigkeit <strong>und</strong> an<br />
der Strafrahmenuntergrenze limitierter Strafmilderung teilweise zu schließen 442 .<br />
Allerdings ist das Verhältnis <strong>von</strong> §§ 153, 153a StPO einerseits <strong>und</strong> § 153b StPO<br />
andererseits noch nicht endgültig geklärt44<strong>3.</strong> Auf Verfahrensbelastungen abstellend,<br />
zeigt sich, daß der Anwendungsbereich der §§ 153, 153a StPO etwas kleiner<br />
ist: Zunächst ist ihr Anwendungsbereich auf Vergehen beschränkt. Des weiteren<br />
können Verfahrensbelastungen zwar das öffentliche Interesse entfallen lassen<br />
oder jedenfalls so verringern, daß es durch Auflagen <strong>und</strong> Weisungen beseitigt<br />
werden kann. <strong>Die</strong> Normen setzen jedoch, anders als § 153b StPO, geringe Schuld<br />
voraus. Ob durch die Verfahrensbelastungen die Schuld im Sinne der §§ 153 f.<br />
StPO berührt wird444, ist nicht endgültig geklärt445. <strong>Die</strong>s wäre dann nicht der<br />
Fall, wenn man entgegen der herrschenden Ansicht den Tatschuldbegriff <strong>und</strong><br />
439 Siolek, DRiZ 1989, S. 323; vgl. aber auch Dahs, NStZ 1988, S. 154. Siehe jetzt<br />
auch BGH, NStZ 1991, S. 346 (347 f.).<br />
440 RieB in LR24, § 153b Rn. 2; kritisch Schroeder, FS K. Peters, S. 420 f.; Maiwald,<br />
ZStW 83 (1971), S. 695.<br />
441 RieB in LR24, § 153b Rn. 9; He. Müller in KMR, § 153b Rn. 2; a.A. Schoreit in<br />
KK StP02, § 153b Rn. 4.<br />
442 RieB in LRz4, § 153b Rn. 7.<br />
443 RieB in LRz4, § 153b Rn. 7; Shin, Anklagepflicht <strong>und</strong> Opportunitätsprinzip, S. 7<strong>3.</strong><br />
444 LG Aachen, IZ 1971, S.507 (519 f.); vgl. auch BGH, wistra 1990, S.65; LG<br />
F1ensburg, MDR 1979, S. 76.<br />
445 Vgl. Kunz, <strong>Die</strong> E~nstellung wegen Ger.ingfügigkeit durch die Staatsanwaltschaft,<br />
S. 37 f.; Paschmanns, DIe staatsanwaltschafthche Verfahrenseinstellung wegen Geringfügigkeit,<br />
S. 87 ff.
256 7. Kap.: Strafmilderung wegen Strafzumessungsrelevanz C. Belastungen als Strafzumessungsgr<strong>und</strong> 257<br />
nicht den Begriff der Strafzumessungsschuld zugr<strong>und</strong>e legt 446 . Richtungsweisende<br />
Rechtsprechung fehlt wegen der Nichtanfechtbarkeit gerichtlicher Entscheidungen<br />
(§§ 153 11 Satz 3, 153a 11 Satz 4 StPO) 447. Nicht zuletzt deshalb sollte<br />
die mögliche Diskrepanz praktisch nicht überschätzt werden 448. Am "kautschukartigen<br />
Begriff'449 der geringen Schuld dürfte die Anwendbarkeit <strong>von</strong><br />
§§ 153, 153a StPO bei Verfahrensbelastungen infolge Verfahrensdauer durch<br />
die Staatsanwaltschaft oder das Tatgericht kaum scheitern 450, wie sich schon in<br />
einigen Entscheidungen zur <strong>überlange</strong>n Verfahrensdauer andeutet 451 .<br />
2. Während der Hauptverhandlung<br />
Schwieriger sieht die Situation aus, wenn die Hauptverhandlung schon begonnen<br />
hatte. Wird die Hauptverhandlung ausgesetzt, ist nach allgemeiner Ansicht<br />
die Anwendung <strong>von</strong> § 153b StPO nicht mehr möglich452. <strong>Die</strong>s wird auf den<br />
Wortlaut ("die" statt "eine" Hauptverhandlung) gestützt, gleichzeitig aber als<br />
zweckwidrig kritisiert 45<strong>3.</strong><br />
Auch in diesem Fall besteht die Möglichkeit, nach §§ 153, 153a StPO einzustellen.<br />
Ist diese Möglichkeit verschlossen, weil ein Verbrechen Gegenstand des<br />
Verfahrens ist, besteht - jedenfalls rein theoretisch - die Möglichkeit, die<br />
Verfolgung gemäß §§ 154, 154a StPO zu beschränken 454 . Dogmatisch wäre das<br />
insoweit zu vertreten, als bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 60 StGB (für<br />
die Gesamttat) die eingestellten Verbrechenstatbestände "nicht beträchtlich ins<br />
Gewicht" fielen 455. Eine Einstellung der übriggebliebenen Vergehen nach §§ 153,<br />
153a StPO dürfte allerdings bei diesem Vorgehen regelmäßig im Hinblick auf<br />
das Kriterium der "geringen Schuld" zweifelhaft sein.<br />
Allerdings wäre hier noch eine weniger fragwürdige Konstruktion denkbar:<br />
Gemäß §§ 154 I Nr. 2, 154a I Satz 2 StPO kann die Verfolgung auch dann<br />
beschränkt werden, "wenn ein Urteil wegen dieser Tat in angemessener Frist<br />
nicht zu erwarten ist <strong>und</strong> die übrige Strafe zur Einwirkung auf den Täter <strong>und</strong><br />
zur Verteidigung der Rechtsordnung ausreichend erscheint". Letztere Voraussetzungen<br />
dürften wohl dann, wenn materiell die Voraussetzungen <strong>von</strong> § 60 StGB<br />
vorliegen, regelmäßig erfüllt sein; auch das Kriterium der angemessenen Frist<br />
ergibt keine unüberwindbaren Probleme: Angemessenheit ist hier ähnlich wie in<br />
Art. 6 I EMRK zu verstehen 456 , also als "Vemünftigkeit"457. Es kommt demzufolge<br />
auf eine Gesamtbetrachtung unter Berücksichtigung der Bedeutung der Sache,<br />
des Ermittlungsaufwandes, der verfahrenstypischen Normaldauer <strong>und</strong> der zu<br />
erwartenden Rechtsfolgen an 458 . Liegen schon Belastungen vor, die die Anwendbarkeit<br />
<strong>von</strong> § 60 StGB begründen, so dürfte regelmäßig auch unter diesen Kriterien<br />
weitere Verfahrensdauer als "unvernünftig" zu bezeichnen sein mit der Folge<br />
des auf Null reduzierten Einstellungsermessens 459.<br />
Rein theoretisch bietet sich der Weg über die §§ 153, 153a, 154, 154a StPO<br />
auch in der Hauptverhandlung selbst an, soweit noch ein weiteres Andauern der<br />
Hauptverhandlung zu erwarten ist. Aufgr<strong>und</strong> des Erfordernisses der Zustimmung<br />
<strong>von</strong> Staatsanwaltschaft <strong>und</strong> Beschuldigtem dürfte rein praktisch gesehen dafür<br />
jedoch - bei Anwendbarkeit <strong>von</strong> § 60 StGB - allenfalls in Nebenklagesachen<br />
ein Bedürfnis bestehen, weil bei Einmütigkeit der Beteiligten es möglich sein<br />
sollte, die Hauptverhandlung zu beenden <strong>und</strong> gemäß § 60 StGB durch Urteil <strong>von</strong><br />
Strafe abzusehen. Erleichtert wird dies dadurch, daß das Gericht gemäß § 60<br />
StGB nur negativ festzustellen braucht, daß eine Strafe <strong>von</strong> mehr als einem Jahr<br />
jedenfalls nicht in Betracht kommt460, so daß insoweit auch die richterliche<br />
Aufklärungspflicht eingeschränkt wird.<br />
446 So Krümpelmann, <strong>Die</strong> Bagatelldelikte, S. 214 f.; Paschmanns, <strong>Die</strong> staatsanwaltschaftliche<br />
Verfahrenseinstellung wegen Geringfügigkeit, S. 130 ff.; Bloy, GA 1980,<br />
S.I72.<br />
447 Kunz, <strong>Die</strong> Einstellung wegen Geringfügigkeit durch die Staatsanwaltschaft, S. 37;<br />
Paschmanns, <strong>Die</strong> staatsanwaltschaftliehe Verfahrenseinstellung wegen Geringfügigkeit,<br />
S. 87; Hanack, FS Gallas, S. 347 f.<br />
448 Vgl. dazu H. Wagner, GA 1972, S. 44 ff.<br />
449 Mannheim, JW 1924, S. 1649. Ähnlich B1oy, GA 1980, S. 172; Hanack, FS Gallas,<br />
S. 347 f.; Naucke, FS Gallas, S. 208.<br />
450 Vgl. Paschmanns, <strong>Die</strong> staatsanwaltschaftliehe Verfahrenseinstellung wegen Geringfügigkeit,<br />
S. 90; vgl. auch Schünemann, Verh. 58. DJT, S. B 35.<br />
451 Vgl. BGH, wistra 1990, S. 65; LG Aachen, JZ 1971, S.507 (519 f.); vgl. auch<br />
LG Flensburg, MDR 1979, S. 76.<br />
452 RieB in LR24, § 153b Rn. 12; Kleinknecht / Meyer, StP039, § 153b Rn. 3;<br />
He. Müller in KMR, § 153b Rn. 5; Eb. Schmidt, Lehrkomm. H, § 153a Rn. 9.<br />
453 RieB in LR24, § 153b Rn. 12.<br />
454 Vgl. Dencker / Hamm, Der Vergleich im StrafprozeB, S. 27 Fn. 38; Schünemann,<br />
Verh. 58. DJT, S. B 93 Fn. 248.<br />
455 Vgl. RieB in LR24, § 154 Rn. 14.<br />
<strong>3.</strong> Nach der Hauptverhandlung<br />
Problematischer stellt sich die Situation in der Revisionsinstanz dar: Muß das<br />
Revisionsgericht, wenn die Verfahrensbelastungen nicht in der Strafzumessung<br />
des Tatgerichts Berücksichtigung gef<strong>und</strong>en haben, das Urteil - im Strafausspruch<br />
- aufheben <strong>und</strong> die Sache an das Tatgericht zurückverweisen 461? Zurück-<br />
456 Vgl. RieB in LR24, § 154 Rn. 24; Kapahnke, Opportunität <strong>und</strong> Legalität im <strong>Strafverfahren</strong>,<br />
S. 124 f.; Ulsamer, FS Faller, S. 378.<br />
457 Siehe oben, <strong>3.</strong> Kap. B V.<br />
458 Vgl. RieB in LR24, § 154 Rn. 24; Kapahnke, Opportunität <strong>und</strong> Legalität im <strong>Strafverfahren</strong>,<br />
S. 127; Keller / Schmid, wistra 1984, S. 203; Ulsamer, FS Faller, S. 378.<br />
459 Vgl. Miehsler / Vogler, IntKomm, Art. 6 Rn. 326; Ulsamer, FS Faller, S. 377.<br />
460 Bericht des Sonderausschusses, BT-DrS V / 4094, S. 7; G. Hirsch in LKlO, § 60<br />
Rn. 16; Horn in SK StGB, § 60 Rn. 16; Müller-<strong>Die</strong>tz, FS R. Lange, S. 319.<br />
461 So etwa BGH, NStZ 1987, S. 232; BayObLG, StV 1989, S. 394.<br />
17 Scheffle,
258 7. Kap.: Strafmilderung wegen Strafzumessungsrelevanz C. Belastungen als Strafzumessungsgr<strong>und</strong> 259<br />
verweisung wegen Nichtbeachtung der Auswirkungen der Verfahrensdauer <br />
also weitere Verfahrensdauer, die berücksichtigt werden muß - stellt sich nun<br />
über die rechtsstaatliche Problematik hinaus als logisches Paradoxon dar.<br />
Will das Revisionsgericht auf das Absehen <strong>von</strong> Strafe oder die gesetzliche<br />
Mindeststrafe erkennen, gibt es gemäß § 354 I StPO keine Probleme. Was ist<br />
aber, wenn es nur die rechtsfehlerfreie Erörterung des Strafmilderungsgr<strong>und</strong>es<br />
der Verfahrensbelastungen bei <strong>überlange</strong>r Verfahrensdauer vermißt 462 ?<br />
a) Eigene Sachentscheidung des Revisionsgerichts<br />
bei Rechtsverletzung, § 354 StPO<br />
Es wäre zu überlegen, ob hier das Revisionsgericht nicht analog § 354 StPO<br />
"durcherkennen" kann, was der BGH bei <strong>überlange</strong>r Verfahrensdauer schon<br />
gelegentlich - allerdings rechtlich zweifelhaft 463 - getan hat 464 • In der Literatur<br />
wird teilweise die Ansicht vertreten, das Revisionsgericht könne den Strafausspruch<br />
selbst festlegen, wenn der Tatrichter die Strafzumessungstatsachen vollständig<br />
mitgeteilt hat 46 5, was der gesetzlichen Regelung im Ordnungswidrigkeitenrecht<br />
(vgl. § 79 VI 2. Alt. OWiG) nahekommt. Gr<strong>und</strong> für diese Überlegung<br />
ist gerade, eine (weitere) Verlängerung des Verfahrens zu vermeiden 466 • Ist in<br />
den Strafzumessungsgründen als einziger Rechtsfehler nur die <strong>überlange</strong> Verfahrensdauer<br />
unberücksichtigt geblieben, liegt eine parallele Gestaltung vor. Dem<br />
steht zwar der Einwand entgegen, daß in den Strafzumessungsgründen nur die<br />
"bestimmenden" Gründe vom Tatrichter mitgeteilt zu werden brauchen 467 • <strong>Die</strong>ses<br />
Argument ist jedoch insofern zweifelhaft, als es gerade darum geht, ob Verfahrensdauer<br />
berücksichtigt worden ist, die für die Strafzumessung hätte "bestimmend"<br />
sein müssen.<br />
Komplizierter ist ein anderes Problem: Zwar kann das Gericht schon auf die<br />
allgemeine Sachrüge hin die Verfahrensdauer feststellen. Es kann in diesem<br />
Rahmen auch - über den bloßen Inhalt hinaus - offenk<strong>und</strong>ige Tatsachen<br />
beachten 468 , zu denen auch prozeßrechtliche Tatsachen gehören, die das vorliegende<br />
Verfahren betreffen 469 , so daß hierzu der Prozeßbeginn <strong>und</strong> -verlauf gehö-<br />
462 VgI. dazu Sarstedt / Hamm, <strong>Die</strong> Revision in Strafsachen 5 , Rn. 428.<br />
463 Siehe oben, All.<br />
464 BGH, NJW 1978, S. 503 (504) (insoweit nicht in BGHSt 27, S. 274 abgedruckt);<br />
NStZ 1989, S. 238; vgI. auch NStE Nr. 25 zu § 56 StGB.<br />
465 Frisch, Revisionsrechtliche Probleme der Strafzumessung, S. 299 ff.; Bruns, Strafzumessungsrecht<br />
2 , S. 660 f.; Batereau, <strong>Die</strong> Schuldspruchberichtigung, S. 112; C. Roxin,<br />
<strong>Strafverfahren</strong>srecht 21 , § 54 J III 2.<br />
466 Pikart in KK StP02, § 354 Rn. 12; Batereau, <strong>Die</strong> Schuldspruchberichtigung, S. 115.<br />
467 Hanack in LR24, § 354 Rn. 35.<br />
468 Kleinknecht / Meyer, StP039, § 244 Rn. 25.<br />
469 Alsberg / Nüse / Meyer, Der Beweisantrag im Strafprozeß5, S. 551 f.<br />
ren dürfte 470. Hiermit ist in der Regel aber noch nichts bezüglich der Verfahrensbelastungen<br />
gesagt, selbst wenn man bei der Bestimmung der Belastungen (auch)<br />
objektive Kriterien zugr<strong>und</strong>e legt. Wie soll das Revisionsgericht aber <strong>von</strong> Verfahrensdauer<br />
im Ermittlungs- <strong>und</strong> Hauptverfahren auf Verfahrensbelastungen schließen<br />
können?<br />
Auszugehen ist da<strong>von</strong>, daß gegenüber sonstiger revisionsrechtlicher Lage die<br />
Situation gegeben ist, daß die Zurückweisung zwecks Prüfung, ob ein Verfahrensfehler<br />
den Beschuldigten beeinträchtigt, eben diesen Verfahrensfehler vertieft.<br />
Denn der Fehler liegt in jedem Fall schon in der Nichterwähnung der <strong>überlange</strong>n<br />
Verfahrensdauer <strong>und</strong> ihrer möglichen Belastungsfolgen bzw. in ihrer unzureichenden<br />
Verneinung bzw. Berücksichtigung. Weitere Sachaufklärung dahingehend,<br />
ob auf dem Rechtsfehler das Urteil "beruht", d.h. ob die Überlänge zu<br />
Belastungen geführt hat, die ungenügend berücksichtigt worden sind, würde also<br />
die Verletzung des Beschleunigungsprinzips vertiefen. Eine solche Sachaufklärung<br />
kann nicht zulässig sein 471. Sind also die - zulässigen - Sachaufklärungsmöglichkeiten<br />
erschöpft, ist nach dem Gr<strong>und</strong>satz "in dubio pro reo" zu entscheiden<br />
472. Also hätte das Revisionsgericht <strong>von</strong> den Belastungen <strong>und</strong> ihrer Nichtberücksichtigung<br />
auszugehen <strong>und</strong> analog § 354 StPO durchzuentscheiden.<br />
Ein Argument dafür, daß das Revisionsgericht bezüglich der Strafmilderung<br />
"durchentscheiden" kann, läßt sich aus § 8 StrEG entnehmen. Nach dieser Norm<br />
hat das Revisionsgericht gr<strong>und</strong>sätzlich die Entschädigung selbst festzulegen <strong>und</strong><br />
nicht insoweit zurückzuverweisen. Sollte es also Entschädigung für erlittene<br />
Verfahrensbelastungen des Nichtverurteilten geben, ist ihre Gewährung ggf. Aufgabe<br />
des Revisionsgerichts. Allerdings verweist der BGH zurück, wenn noch<br />
tatsächliche Umstände bezüglich der Entschädigungsfrage zu klären sind 473 • <strong>Die</strong>s<br />
hat auch der <strong>3.</strong> Senat in seiner neueren Gr<strong>und</strong>satzentscheidung zur <strong>überlange</strong>n<br />
Verfahrensdauer getan, in der er ein "Zurückverweisungsverbot" im übrigen<br />
kreierte 474 • Nun dürfte diese Rechtsprechung jedoch gegen den Wortlaut des § 8<br />
StrEG verstoßen 47 5, der in Abs. I Satz 2 für solche Fälle ein Nachverfahren<br />
vorsieht.<br />
470 So wohl auch BayObLG, StV 1989, S. 394 (395).<br />
471 VgI. LG Frankfurt, JZ 1971, S. 234 (235).<br />
472 Zur Anwendung des Gr<strong>und</strong>satzes "in dubio pro reo" auf das Vorliegen <strong>überlange</strong>r<br />
Verfahrensdauer vgI. Michael, Der Gr<strong>und</strong>satz in dubio pro reo im <strong>Strafverfahren</strong>srecht,<br />
S. 172.<br />
473 BGH, NJW 1984, S. 1311 (1312); bei Holtz, MDR 1977, S. 811; vgI. auch OLG<br />
Celle, VRS 51, S. 440.<br />
474 BGHR StrEG § 8 Zuständigkeit 1(insoweit nicht in BGHSt 35, S. 137 abgedruckt);<br />
so auch OLG Zweibrücken, StV 1989, S. 51 (53).<br />
475 VgI. Schätzler, StrEG2, § 8 Rn. 18; GA 1990, S. 36; Kleinknecht / Meyer, StP039,<br />
§ 8 StrEG Rn. 16; D. Meyer, StrEG2, § 8 Rn. 30c; MDR 1978, S. 284; wohl auch OLG<br />
Düsseldorf, MDR 1989, S. 845.<br />
17*
260 7. Kap.: Strafmilderung wegen Strafzumessungsrelevanz c. Belastungen als Strafzumessungsgr<strong>und</strong> 261<br />
<strong>Die</strong>se Problematik stellt sich nicht, wenn zudem aufgr<strong>und</strong> einer weiteren<br />
begründeten Rüge des jeweiligen Revisionsführers ohnehin Zurückverweisung<br />
erfolgen muß; hier könnte jedoch ein Hinweis 476 des Revisionsgerichts an das<br />
neue Tatgericht hinsichtlich der Strafzumessungsrelevanz der Verfahrensbelastungen<br />
angebracht sein 477 • Darüber hinaus böte sich in diesem Fall- jedenfalls<br />
wenn die Berücksichtigung erheblicher Verfahrensbelastungen aufgr<strong>und</strong> <strong>von</strong><br />
<strong>überlange</strong>r Verfahrensdauer in Rede stehen sollte, die insbesondere die Anwendung<br />
<strong>von</strong> § 60 StGB geboten erscheinen lassen könnte - aus der Fürsorgepflicht<br />
abgeleitet an, nachzufragen, ob der Beschuldigte die weitergehende Revision bei<br />
diesem Ergebnis nicht zurücknehmen will. Bei einer Revision der Staatsanwaltschaft<br />
zu Lasten des Beschuldigten könnte eine Rücknahmeverpflichtung (auch)<br />
daraus folgen, daß sie jedenfalls Verfahrensverzögerungen mitzuvertreten hat 478 •<br />
dung gerade zum Gegenstand hat. Entgegen der herrschenden Meinung 482 geht<br />
Karl Peters da<strong>von</strong> aus, daß aus dem Gedanken dieser Vorschrift folge, daß das<br />
Revisionsgericht auch dann durcherkennen könne, wenn sich die tatsächliche<br />
Gr<strong>und</strong>lage des Urteils offenk<strong>und</strong>ig oder leicht erkennbar geändert hat 483 • Folgte<br />
man dieser Ansicht, so wäre hier eine Möglichkeit der dogmatischen Einordnung<br />
gegeben, um das Ergebnis zu erlangen, das sowohl der <strong>3.</strong> Senat des BGH als<br />
auch das BayObLG angesteuert haben, ohne den prozessualen Weg dahin aufzuzeigen<br />
484.<br />
b) Eigene Sachentscheidung des Revisionsgerichts<br />
bei Änderung der Rechtslage, § 354a StPO<br />
Noch problematischerwird es, wenn die Verfahrensdauer erst nach dem tatrichterlichen<br />
Urteil, also im Revisionsverfahren überlang geworden ist 479 • Hier hat<br />
das BayObLG allerdings darauf hingewiesen, daß es fraglich sei, wie Verfahrensdauer<br />
nach tatrichterlichem Urteil überhaupt revisionsrechtlich Beachtung finden<br />
können soll 480. Mit der Verfahrensrüge läßt sich insoweit -logisch bedingtnur<br />
ein Verstoß gegen § 275 StPO sowie die verspätete Urteilszustellung nach<br />
§ 343 11 StPO rügen. Was die Sachrüge angeht, so ist der Strafausspruch im<br />
Urteil fehlerfrei. Das BayObLG meint nun, daß das Revisionsgericht auch allgemein-<br />
oder gerichtsk<strong>und</strong>ige Tatsachen nach der letzten Tatsacheninstanz nicht<br />
berücksichtigen dürfte. Letzteres ist allerdings sehr fraglich. Beispielsweise hat<br />
auch das RG in einer Entscheidung berücksichtigt, daß es am gleichen Tag eine<br />
andere Revision des Beschuldigten verworfen hatte, daß also Rechtskraft eingetreten<br />
war 481 •<br />
Letztendlich kann dies dahingestellt bleiben, denn es bietet sich eine Analogie<br />
zu § 354a StPO an, der die Berücksichtigung <strong>von</strong> Umständen nach Urteilsverkün-<br />
476 Vgl. zu rechtlichen Hinweisen des Revisionsgerichts Sarstedt / Hamm, <strong>Die</strong> Revision<br />
in StrafsachenS, Rn. 520; Dahs / Dahs, <strong>Die</strong> Revision im Strafprozeß4, Rn. 509; Rieß,<br />
AG Strafrecht des DAV 3 (1986), S. 49; 76; Bruns, StV 1984, S. 389; vgl. allgemein<br />
Schlüter, Das Obiter dictum, S. 180 ff.<br />
477 Siehe etwa BGH, Urt. v. 6.5.1986 - 5 StR 92/86 (Anhang 15; insoweit nicht<br />
bei Pfeiffer / Miebach, NStZ 1987, S. 19 abgedruckt).<br />
478 Vgl. BGHSt 35, S. 137 (138): <strong>Die</strong> Staatsanwaltschaft hat gerichtlichen Verfahrensverzögerungen<br />
durch Prozeßanträge oder <strong>Die</strong>nstaufsichtsbeschwerden nachhaltig entgegenzutreten.<br />
479 Vgl. BGHSt 35, S. 137; HansOLG Hamburg, JR 1983, S. 259; BayObLG, StV<br />
1989, S. 394.<br />
480 BayObLG, StV 1989, S. 384 (385).<br />
481 RG, JW 1928, S. 2725.<br />
482 Vgl. Hanack in LR24, § 354a Rn. 7.<br />
483 K. Peters, Strafprozeß4, § 75 V 2.<br />
484 BGHSt 35, S. 137; BayObLG, StV 1989, S. 394.
A. Allgemeines Staatshaftungsrecht 263<br />
Achtes Kapitel<br />
Entschädigung wegen Schadenszufügung<br />
Praktisch relevanter als die verbleibenden Fälle, die sich noch einer sofortigen<br />
Verfahrensbeendigung sperren, sind die, in denen die Möglichkeit der Berücksichtigung<br />
<strong>von</strong> Verfahrensbelastungen in der Strafzumessung nicht oder nur<br />
eingeschränkt besteht.<br />
Auch der hier herausgearbeitete Weg beinhaltet das gleiche Problem wie die<br />
gängige Strafzumessungslösung des BGH: Der Freigesprochene oder aus sonstigen,<br />
mit der Verfahrenslänge nicht zusammenhängenden Gründen Nichtverurteilte<br />
erhält für seine Verfahrensbelastungen keinerlei Kompensation. Beim Verurteilten<br />
ist, wie erörtert I, ebenfalls nicht immer genügende Strafmilderung recht<br />
1ich möglich. Nun dürfte, wie es der 1. Strafsenat des BGH in neueren Entscheidungen<br />
ausdrücklich betont hat, durch die Rechtsfolgenlösung (auch) verhindert<br />
werden, daß die B<strong>und</strong>esrepublik Deutschland wegen einer Verletzung des Beschleunigungsgebotes<br />
des Art. 6 I EMRK durch die europäischen Organe verurteilt<br />
wird 2, die Strafmilderung als Kompensation anerkannt haben <strong>3.</strong> <strong>Die</strong>ser Gedanke<br />
erfordert nun aber konsequenterweise sowohl eine Rechtsfolge zugunsten des<br />
Nichtverurteilten 4 als auch zugunsten desjenigen, dessen Strafe nicht ausreichend<br />
gemildert werden kann 5 • Soweit der 1. Senat wohl offenbar für den letzten Fall<br />
(weitere) Strafmilderung aufgr<strong>und</strong> der Existenz <strong>von</strong> Art. 6 I EMRK gewähren<br />
will, ist ihm allerdings zu widersprechen. Es ist anerkannt, daß Konventionswidrigkeiten<br />
nur im Rahmen der rechtlichen Grenzen der nationalen Rechtsordnung<br />
auszugleichen sind6.<br />
Somit bliebe also nur zu prüfen, ob sich eine andere Kompensation als die<br />
bisher untersuchten Rechtsfolgen für die verbleibenden Bereiche aus der Rechtsordnung<br />
ableiten läßt. Ausgehend <strong>von</strong> der vergleichbaren Situation im Untersuchungshaftrecht<br />
drängt sich hier die Prüfung einer Entschädigungsmöglichkeit<br />
auf.<br />
1 Siehe oben, 7. Kap. C II 2.<br />
2 BGH, StV 1988, S. 487 (488); NStZ 1989, S. 526 (527); ähnlich Vogler, ZStW 89<br />
(1977), S. 783; Ulsamer, FS Faller, S. 382 ff.<br />
3 Vgl. EGMR, EuRGZ 1983, S. 371 (381) (Fall Eckle).<br />
4 So wohl auch Vogler, ZStW 89 (1977), S. 784.<br />
5 So auch Kühne, EuGRZ 1983, S. 38<strong>3.</strong><br />
6 Vogler,. ZStW 89 (1977), S. 783; Frowein, JZ 1969, S. 215 f.; Ulsamer, FS Faller,<br />
S. 381; Schmdler, FS Guldener, S. 278 f.<br />
Es wird häufig darauf hingewiesen, daß <strong>überlange</strong> Verfahrensdauer Ansprüche<br />
aus allgemeinem Staatshaftungsrecht, insbesondere wegen Amtspflichtverletzung<br />
auslösen könne 7. Obwohl diese Ansprüche auf dem Zivilrechtsweg verfolgt werden<br />
müssen, also keine Rechtsfolgen innerhalb des <strong>Strafverfahren</strong>s darstellen,<br />
sondern "verfahrensfem" sind 8 , sollen Amtshaftung <strong>und</strong> Aufopferung im folgenden<br />
doch kurz betrachtet werden, weil diese Ansprüche bisher kaum einmal<br />
näher auf ihre Anwendbarkeit bei <strong>überlange</strong>r Verfahrensdauer untersucht worden<br />
sind 9 •<br />
A. Allgemeines Staatshaftungsrecht <br />
Überblick über den Anwendungsbereich bei<br />
<strong>überlange</strong>r Verfahrensdauer<br />
I. Amtshaftung<br />
Es erstaunt zunächst, daß es kaum (veröffentlichte) Entscheidungen gibt, die<br />
sich mit der Frage beschäftigen, ob <strong>und</strong> inwieweit die <strong>überlange</strong> <strong>Dauer</strong> <strong>von</strong><br />
<strong>Strafverfahren</strong> Amtshaftungsansprüche auslösen kann. In den fünfziger Jahren<br />
hatte der III. Zivilsenat des BGH in ein <strong>und</strong> derselben Sache zwei Revisionsentscheidungen<br />
zu treffen 10, Dort betonte er, daß in der Verzögerung der Einstellung<br />
eines Ermittlungsverfahrens aus unsachlichen Erwägungen eine Amtspflichtverletzung<br />
der Staatsanwaltschaft gegenüberdem Beschuldigten liege. In einer weiteren<br />
Entscheidung lehnte der gleiche Senat 1983 eine Schadensersatzpflicht ab,<br />
weil die Staatsanwaltschaft das knapp sechsjährige Ermittlungsverfahren nicht<br />
aus sachfremden Motiven verzögert habe, sondern die <strong>Dauer</strong> durch den außergewöhnlich<br />
umfangreichen Verfahrensgegenstand bedingt gewesen sei 11. Schließlich<br />
hatte der III. Zivilsenat 1988 wiederum einen Amtshaftungsprozeß wegen<br />
verzögerter Verfahrenseinstellung durch die Staatsanwaltschaft zu entscheiden 12.<br />
Das Gericht sprach hier einen Amtshaftungsanspruch zu, weil die Staatsanwaltschaft<br />
bei Entscheidungsreife das Ermittlungsverfahren nicht eingestellt hatte.<br />
Der Senat billigte der Staatsanwaltschaft zur Vorbereitung der Entscheidung<br />
nach § 170 11 StPO, insbesondere zur Auswertung des Ermittlungsergebnisses,<br />
einen Bearbeitungszeitraum <strong>von</strong> einem Monat zu, nach dessen Ablaufdie Fortführung<br />
des Ermittlungsverfahrens arntspflichtwidrig geworden sei 1<strong>3.</strong><br />
7 Vgl. etwa OLG Frankfurt, StV 1989, S. 96 (97); Rogall in SK StPO, vor § 133<br />
Rn. 120; Hanack, JZ 1971, S.709; Hillenkamp, JR 1975, S. 139; RieB, NStZ 1982,<br />
S.436; Kühne, EuGRZ 1983, S. 383; Kirchhof, FS Doehring, S. 452 f.<br />
8 Häsemeyer, FS Michaelis, S. 139.<br />
9 Siehe aber Kramer, Menschenrechtskonvention, S. 236 f.; für den Zivilprozeß J.<br />
Blom~yer, ~JW 1977, S. 557 ff.; Vollkommer, ZZP 81 (1968), S. 132 f.; Häsemeyer,<br />
FS Michaelis, S. 137 ff.; Dütz, Rechtsstaatlicher Gerichtsschutz im Privatrecht, S. 291.<br />
10 BGHZ 20, S. 158; AnwBI. 1958, S. 152.<br />
11 BGH, WM 1983, S. 866 (867).<br />
12 BGH, StV 1988, S. 441 (444).
264 8. Kap.: Entschädigung wegen Schadenszufügung A. Allgemeines Staatshaftungsrecht 265<br />
So klar <strong>und</strong> selbstverständlich diese Entscheidungen insoweit auf den ersten<br />
Blick wirken, so problematisch ist die Anwendbarkeit des Amtshaftungsrechts<br />
bei näherem Hinsehen. Zwar dürfte gr<strong>und</strong>sätzlich kein Zweifel daran bestehen,<br />
daß verzögerliche Verfahrensführung eine Amtspflichtverletzung darstellt 14, wobei<br />
dahingestellt bleiben mag, ob sich dies aus der allgemeinen Beschleunigungspflicht<br />
ergibt 15 oder sich aus §§ 839, 823 11 BGB, Art. 6 I EMRK ableiten läßt 16.<br />
Wenngleich auch das Erfordernis des Verschuldens jedenfalls bei eindeutigen<br />
Nachlässigkeiten des einzelnen Amtsträgers überwindbare Schwierigkeiten bereiten<br />
dürfte 17, ist hier doch schon die erste Einschränkung vorzunehmen: Obwohl<br />
es für Verfahrensbelastungen nicht darauf ankommt, ob sie auf Verfahrensdauer<br />
oder Verzögerungen beruhen, ist ein Amtshaftungsanspruch im ersten Fall ausgeschlossen.<br />
Auch bei Verzögerungen, die auf Überlastung bzw. Personalmangel<br />
beruhen, ist eine Amtshaftung wegen "legislativen Unrechts" (Vorenthaltung der<br />
erforderlichen Personalstellen durch das Parlament) - allenfalls - theoretisch<br />
zu konstruieren 18.<br />
Bei richterlichen Verzögerungen gibt es eine nächste große Einengung, die<br />
die Geltendmachung eines Anspruchs aus Amtspflichtverletzung des Richters<br />
"praktisch ausschließt" 19: Nach der Rechtsprechung greift die Ausnahme gemäß<br />
§ 839 11 Satz 2 BGB vom Spruchrichterprivileg des § 839 11 Satz 1 BGB nur<br />
dann, wenn die pflichtwidrige Verweigerung oder Verzögerung der Amtsausübung<br />
durch den Richter "bewußt" geschieht20, was kaum einmal beweisbar ist.<br />
Eine noch weitere Einschränkung erfährt der Anwendungsbereich <strong>von</strong> § 839 11<br />
Satz 2 BGB noch dadurch, daß bei der Verzögerung durch ungeeignete Maßnahmen,<br />
also "qualifizierter" Prozeßverzögerung in der Tenninologie ]ürgen Blomeyers<br />
21 , keine Verzögerung im Sinne <strong>von</strong> Satz 2, sondern Amtsausübung im<br />
Sinne <strong>von</strong> § 83911 Satz 1 BGB vorliegt 22 • In diesem Fall entfallt das Richterprivileg<br />
gemäß § 83911 Satz 1 BGB erst bei Vorliegen einer Straftat, also insbesondere<br />
13 Vgl. auch OLG Bremen, StV 1989, S. 535: Es müsse die "gebührende Zeit zur<br />
sorgfältigen Anklageerhebung ausreichend bemessen sein". Siehe jetzt auch OLG Düsseldorf,<br />
StV 1990, S. 503 (504).<br />
14 Vgl. aber BGH, WM 1983, S. 866 (867).<br />
15 Papier in MünchKomm2, § 839 Rn. 181; vgl. auchJ. Blomeyer, NJW 1977, S. 558 f.<br />
16 So Kühne, EuGRZ 1983, S. 38<strong>3.</strong><br />
17 Vgl. aber Kramer, Menschenrechtskonvention, S. 236.<br />
18 Vgl. Boujong, FS geiger, S. 430 ff.; J. Blomeyer, NJW 1977, S. 559 f. mit Hinweis<br />
auf OLG Hamburg, DOV 1971, S. 238; siehe auch BayVerfGH, NJW 1986, S. 1326;<br />
Hanack, JZ 1971, S. 715; Sachs, ZRP 1982, S. 232.<br />
19 Baur, FS Schwab, S. 59; ähnlich FS Baumgärtel, S. 5. Vgl. aber auch Hanack, JZ<br />
1971, S. 715.<br />
20 BGH, LM Nr.5 zu § 839 (G); vgl. dazu Vollkommer, ZZP 81 (1968), S. 132;<br />
abweichend Häsemeyer, FS Michaelis, S. 139; vgl. auch Baur, FS Schwab, S. 59; Grunsky,<br />
ArbGG6, § 9 Rn. 4.<br />
21 J. Blomeyer, NJW 1977, S. 557; 559.<br />
22 BGH, LMNr. 5 zu § 839 BGB (G); Glaser in SoergeJl', § 839 Rn. 217; Vollkommer,<br />
ZZP 81 (1968), S. 132; Baur, FS Schwab, S. 59; a.A. J. Blomeyer, NJW 1977, S. 560 f.<br />
der Rechtsbeugung. <strong>Die</strong>se dürfte ebenfalls kaum einmal beweisbar sein; es ist<br />
auch beim Nichtstun kaum zu widerlegen, der Richter sei, wie ]ürgen Blomeyer<br />
es fonnuliert, mit der längst entscheidungsreifen Sache lange Zeit "schwanger<br />
gegangen", weil er so "gründlich" sei 23 •<br />
Der entscheidende Einwand gegen die genügende Anwendbarkeit des Amtshaftungsrechts<br />
auf Verfahrensbelastungen leitet sich jedoch aus folgendem her:<br />
Der über § 847 BGB erlangbare Ersatz immateriellen Schadens umfaßt - allenfalls<br />
- indirekte Folgen wie Verletzungen der Ges<strong>und</strong>heit <strong>und</strong> - umstrittendes<br />
Persönlichkeitsrechts 24 • So können auch durch die (vom Beklagten unnötig<br />
verursachte) <strong>Dauer</strong> eines Zivilprozesses hervorgerufene Verfahrensbelastungen<br />
(nur) die Höhe des Schmerzensgeldes beeinflussen 25 •<br />
Daraus folgt, daß der Amtshaftungsanspruch praktisch aufden Ersatz materiellen<br />
Schadens - etwa Anwaltskosten - bei staatsanwaltschaftlichen Verzögerungen<br />
beschränkt ist. Bei "völlig ungerechtfertigter Verzögerung" des Verfahrens<br />
durch den Richter - dies sei ergänzt, weil es als eine Rechtsfolge innerhalb des<br />
<strong>Strafverfahren</strong>s zu verstehen ist - kann ein Anspruch auf Nichterhebung <strong>von</strong><br />
Gerichtskosten gemäß § 8 GKG entstehen 26. <strong>Die</strong>ser bezieht sich jedoch nur auf<br />
die geringen Gebühren gemäß Nr. 1600 ff. KV sowie die - evtl. hohen 27 <br />
Auslagen nach Nr. 1900 ff. KV. Er ist nach herrschender Ansicht nicht auf die<br />
(notwendigen) Auslagen des Beschuldigten anwendbar 28 •<br />
11. Aufopferung<br />
Im Aufopferungsrecht ist als Rechtsfolge nur der Ersatz materiellen Schadens<br />
vorgesehen 29 • Schon aus diesem Gr<strong>und</strong>e kann ein Aufopferungsanspruch wegen<br />
Verfahrensbelastungen kaum einschlägig sein. Allerdings hat der <strong>3.</strong> Strafsenat<br />
des BGH vor kurzem angedeutet, auf einen Aufopferungsanspruch könne eventuell<br />
entsprechend dem Rechtsgedanken <strong>von</strong> § 7 III StrEG auch für immateriellen<br />
23 J. Blomeyer, NJW 1977, S. 560; ähnlich Häsemeyer, FS Michaelis, S. 138, der in<br />
diesem Fall den Vorsatz kaum für nachweisbar hält.<br />
24 <strong>Die</strong>s übersieht offenbar Kramer, Menschenrechtskonvention, S. 236.<br />
25 Vgl. BGH, VRS 18, S. 245; VersR 1967, S. 256 (257); KG, NJW 1970, S.515<br />
(516 f.); OLG Hamm, VersR 1980, S. 683; Kolbin GeigepO, 7. Kap. Rn. 38; Vollkommer,<br />
ZZP 81 (1968), S. 107 Fn. 27.<br />
26 OLG Schleswig, SchlHA 1986, S. 46 (47); Oestreich / Winter, GKG, § 8 Rn. 14;<br />
Markl, GKG2, § 8 Rn. 4; Mümmler, JVBI. 1971, S. 223; kritisch zu dieser Einschränkung<br />
J. Blomeyer, NJW 1977, S. 557 f.; Baur, FS Schwab, S. 58 f.<br />
27 J. Blomeyer, NJW 1977, S. 557 f.<br />
28 A. A. LG Verden, AnwBI. 1973, S. 147; LO Schweinfurt, JurBüro 1980, Sp. 573;<br />
für die Ersetzung notwendiger Auslagen in Ausnahmefällen LG Flensburg, JurBüro<br />
1981, Sp. 1858; D. Meyer, StrE02, Auslagenerstattung Rn. 2<strong>3.</strong><br />
29 BOHZ 20, S. 61; 22, S.43 (47); 45, S. 58 (77); Papier in MünchKomm2, § 839<br />
Rn. 54; in Maunz / Dürig, Art. 14 Rn. 593; Ossenbühl, Staatshaftungsrecht 3 , § 9 1.
266 8. Kap.: Entschädigung wegen Schadenszufügung B. Strafrechtsentschädigungsrecht 267<br />
Schaden Ersatz geleistet werden 30 . Aber unabhängig da<strong>von</strong> sind die Voraussetzungen<br />
des Aufopferungsanspruchs bei <strong>überlange</strong>r Verfahrensdauer nur sehr<br />
bedingt erfüllt:<br />
Ein Eingriffim Sinne des Aufopferungsrechts dürfte problemlos nur bei "qualifizierter"<br />
Prozeßverzögerung, also bei <strong>überlange</strong>r Verfahrensdauer aufgr<strong>und</strong> ungeeigneten<br />
Tuns vorliegen 3]. Wenn bestimmte Anträge des Beschuldigten auf<br />
Förderung des Verfahrens abgelehnt werden, dürften die Gr<strong>und</strong>sätze des "qualifizierten<br />
Unterlassens"32 mit der Folge anwendbar sein, daß ebenfalls ein Eingriff<br />
im Sinne des Aufopferungsrechts vorliegen kann 3<strong>3.</strong> Da der BGH selbst dann,<br />
wenn eine Rechtspflicht zum Handeln besteht, in einem Unterlassen keinen<br />
Eingriff sieht 34, kann jedoch <strong>überlange</strong>, aufNichtstun beruhende Verfahrensdauer<br />
nicht als Eingriff im Sinne des Aufopferungsrechts gesehen werden.<br />
Ob sich allerdings aus der Rechtsprechung des BGH35 ergibt, wie Kramer<br />
meint36, daß bei <strong>überlange</strong>r Verfahrensdauer ein Sonderopfer zu verneinen sei,<br />
erscheint äußerst zweifelhaft. Vielmehr indiziert die Rechtswidrigkeit der Verzögerung<br />
das Sonderopfer 37 . In der <strong>von</strong> Kramer angeführten BGH-Entscheidung<br />
lag ein falsches Urteil zugr<strong>und</strong>e. Ein nur objektiv unrichtiges Urteil ist jedoch,<br />
wie der BGH ausführt, nicht rechtswidrig; insofern liegt der Fall anders als bei<br />
Verfahrensverzögerungen, die per se rechtswidrig sind.<br />
Weiter eingeschränkt wird die Möglichkeit, das Aufopferungsrecht anzuwenden,<br />
jedoch dadurch, daß nach ganz herrschender Ansicht das Spruchrichterprivileg<br />
des § 839 II BGB auch auf Aufopferungsansprüche Anwendung findet 38.<br />
<strong>Die</strong>s hat zur Folge, daß bei Verfahrensverzögerungen durch ungeeignete Handlungen<br />
(qualifizierte Prozeßverzögerung), also der Fallgruppe, bei der wenigstens<br />
ein Eingriff im Sinne des Aufopferungsrechts gr<strong>und</strong>sätzlich bejaht werden kann,<br />
der Aufopferungsanspruch gegen den Richter durch das Spruchrichterprivileg<br />
ausgeschlossen ist. Auch hier ist zwar ein Anspruch gemäß § 8 GKG bei richterlicher<br />
falscher Sachbehandlung, die nicht bloß unzweckmäßig ist 39 , dann anerkannt,<br />
wenn gegen eindeutige Normen verstoßen wird <strong>und</strong> dieser Verstoß offen<br />
zutage tritt oder wenn ein offensichtliches Versehen vorliegt 40. Durch diese<br />
30 BGHSt 36, S. 236 (240).<br />
31 J. Blomeyer, NJW 1977, S. 557; 559; vgl. dazu BGHZ 12, S. 52 (56); 32, S. 208<br />
(211); 56, S. 40 (42); DVBl. 1969, S. 209; NJW 1985, S. 1287 (1289).<br />
32 Papier in MünchKomm 2 , § 839 Rn. 43; in Maunz/Dürig, Art. 14 Rn. 461; B.<br />
Bender, Staatshaftungsrecht2, Rn. 107.<br />
33 Vgl. BGHZ 19, S. 1 (3 ff.); DVBl. 1972, S. 827; DÖV 1979, S. 867 (868).<br />
34 BGHZ 12, S. 52 (56); 32, S. 208 (211); WM 1970, S. 1484 (1485); a.A. J. Blomeyer,<br />
NJW 1977, S. 559 f.; vgl. dazu auch Kramer, Menschenrechtskonvention, S. 236 f.<br />
35 BGHZ 36, S. 379 (393 f.).<br />
36 Kramer, Menschenrechtskonvention, S. 237.<br />
37 J. BlOmeyer, NJW 1977, S. 558; 560.<br />
38 BGH, MDR 1968, S. 478; Leipold, JZ 1968, S. 466; a.A. Konow, JR 1969, S. 6 ff.<br />
39 Vgl. Mümmler, JVBl. 1971, S. 223 f.<br />
Einschränkungen in der praktischen Anwendbarkeit ergibt sich jedoch, wie Baur<br />
es formuliert, "daß § 8 GKG eine Bestimmung ist, die auf dem Papier steht"41.<br />
B. Strafrechtsentschädigungsrecht <br />
Ausblick auf Erweiterungsmöglichkeiten hinsichtlich<br />
<strong>überlange</strong>r Verfahrensdauer<br />
I. Analoge Anwendung der Anspruchsgr<strong>und</strong>lagen, §§ 1, 2 StrEG<br />
Über das StrEG kann - siehe § 7 StrEG - auch immaterieller Schaden<br />
ersetzt werden. Allerdings finden sich in den in §§ 1,2 StrEG aufgezählten<br />
Anspruchsgr<strong>und</strong>lagen nicht die Folgen <strong>überlange</strong>r Verfahrensdauer42. <strong>Die</strong> Ansicht<br />
<strong>von</strong> Kießling, im Falle des Freispruchs wirke sich die Verfahrensdauer auf<br />
die Entschädigungsansprüche des Freigesprochenen nach dem StrEG aus 43, ist<br />
nicht zutreffend. Jedoch könnte mit Kühne an eine entsprechende Erweiterung<br />
der Anspruchsgr<strong>und</strong>lagen des StrEG gedacht werden44. <strong>Die</strong>ser Weg über das<br />
StrEG hätte, wie auch Kühne betont 4 5, den Vorteil des Verbleibens der Zuständigkeit<br />
beim Strafgericht (§§ 8, 9 StrEG), ergäbe also eine Rechtsfolge in dem hier<br />
zugr<strong>und</strong>egelegten Sinn.<br />
Anders als bei der Entschädigung für Untersuchungshaft wäre hier allerdings<br />
nicht das System des pauschalierten Tagessatzes geeignet, das nicht unumstritten<br />
ist 46 , da eine nominale Anrechnung <strong>von</strong> Verfahrensbelastungen nicht möglich<br />
ist 47 . Genauso wie Verfahrensbelastungen im Rahmen der Strafzumessungen zu<br />
berücksichtigen <strong>und</strong> nicht wie Untersuchungshaft gemäß § 51 StGB anzurechnen<br />
sind, ist also auch hier"billige" Entschädigung, vergleichbar der Schmerzensgeldregelung<br />
in § 847 BGB, zu leisten. <strong>Die</strong>ses Ergebnis steht auch in Übereinstimmung<br />
zu den Anforderungen <strong>und</strong> Wertungen der EMRK: Art. 5 V EMRK gibt<br />
umfassenden Schadensersatz für erlittene Untersuchungshaft, über Art. 50 EMRK<br />
kommt bei <strong>überlange</strong>r Verfahrensdauer nur eine billige, angemessene Entschädigung<br />
in Betracht 48 .<br />
40 Siehe die Nachweise bei Oestreich / Winter, GKG, § 8 Rn. 10; kritisch hierzu J.<br />
Blomeyer, NJW 1977, S. 558; Lappe, GKG, § 8 Rn. 1; E. Schneider, JurBüro 1975, Sp.<br />
874 ff.; OLG Zweibrücken, NJW 1974, S. 507 (zu § 16 KostO). Vgl. auch BGH, StV<br />
1989, S. 401.<br />
41 Baur, FS Schwab, S. 59. Ähnlich J. Blomeyer, NJW 1977, S. 558.<br />
42 Kramer, Menschenrechtskonvention, S. 236.<br />
43 Kießling, DRiZ 1977, S. 326 Fn. I.<br />
44 Kühne, EuGRZ 1983, S. 38<strong>3.</strong><br />
45 Kühne, EuGRZ 1983, S. 38<strong>3.</strong><br />
46 D. Meyer, StrEG2, § 7 Rn. 38 ff.; Schätzler, StrEG2, § 7 Rn. 44.<br />
47 Siehe oben, 7. Kap. C II 1 b.<br />
48 BGHZ 45, S. 58 (68); Peukert, EMRK, Art. 5 Rn. 134; Art. 50 Rn. 20; Kramer,<br />
Menschenrechtskonvention, S.216; Herzog, JZ 1966, S. 559 f.; Zörb NJW 1970<br />
S.2147. ' ,
268 8. Kap.: Entschädigung wegen Schadenszufügung B. Strafrechtsentschädigungsrecht 269<br />
11. Analoge Anwendung der Zuständigkeitsregeln, §§ 8, 9 StrEG<br />
Kühne deutet noch einen weiteren Weg an: Es könnte eine analoge Anwendung<br />
der Zuständigkeitsregeln des StrEG (§§ 8, 9 StrEG) zur Realisierung <strong>von</strong> unmittelbar<br />
aus Art. 6 I EMRK folgenden Ansprüchen in Betracht kommen 49 • Kühne<br />
will dann wohl in Anbetracht <strong>von</strong> Art. 50 EMRK die Gewährung <strong>von</strong> Geldersatz<br />
als möglich erachten, wenn die Verfahrensdauer durch Strafmilderung nicht<br />
ausreichend berücksichtigt werden kann. Nun wäre Kühnes Gedankengang auf<br />
den Nichtverurteilten zu erweitern: Daß Art. 50 EMRK <strong>von</strong> "unvollkommener"<br />
Wiedergutmachung spricht, ist ein Redaktionsversehen; die Vorschrift ist nach<br />
herrschender Ansicht auch anwendbar, wenn das nationale Recht überhaupt keine<br />
Wiedergutmachung vorsieht 50.<br />
Materiell betrachtet dürfte kaum zweifelhaft sein, daß ein Entschädigungsanspruch<br />
gemäß Art. 50 EMRK begründet ist, soweit die Verfahrensbelastungen<br />
des Nichtverurteilten nicht bzw. die des Verurteilten nur teilweise kompensiert<br />
werden können 51. Bei <strong>überlange</strong>r Verfahrensdauer ist über Art. 50 EMRK gerade<br />
der immaterielle Schaden ausgleichsfähig, der auf der verlängerten Ungewißheit<br />
über den Verfahrensausgang beruht 52.<br />
Allerdings ist aus dem Wortlaut <strong>von</strong> Art. 50 EMRK zu folgern, daß die Signatarstaaten<br />
nicht der Meinung waren, Verletzungen der EMRK müßten <strong>von</strong> den<br />
nationalen Instanzen in jedem Fall vollständig ausgeglichen werden können 5<strong>3.</strong><br />
Andererseits kann daraus nicht geschlossen werden, daß Art. 50 EMRK nicht<br />
schon auf nationaler Ebene berücksichtigt werden kann. Das folgt schon aus<br />
dem auch <strong>von</strong> der EMRK berücksichtigten (vgl. Art. 13, 26 EMRK) völkergewohnheitsrechtlichen<br />
Satz, daß zunächst dem Staat Gelegenheit zu geben ist,<br />
Konventionswidrigkeiten zu beseitigen, um einer Verurteilung durch den EGMR<br />
zuvorzukommen 54. Zudem besteht die Verpflichtung der Vertragsstaaten zur<br />
Wiedergutmachung nicht unter dem Vorbehalt der "Möglichkeit", sondern unbedingt<br />
55 • So kann die B<strong>und</strong>esrepublik prinzipiell entweder auch ohne EMRK<br />
Verfahren 56 oder aber im sog. fre<strong>und</strong>schaftlichen Ausgleich gemäß Art. 28<br />
lit. b EMRK57 ohne ausdrückliche Verpflichtung durch die europäischen Organe<br />
Entschädigung leisten. <strong>Die</strong> fehlende ausdrückliche gesetzliche Gr<strong>und</strong>lage ist<br />
49 Kühne, EuGRZ 1983, S. 38<strong>3.</strong><br />
50 Guradze, EMRK, Art. 50 Anm. 5; Frowein, FS Partsch, S. 317. A. A. Dodenhoff<br />
in: Europäischer Menschenrechtsschutz, S. 314 f.<br />
51 Vgl. Vogler, ZStW 89 (1977), S. 783 f.<br />
52 EGMR, EuGRZ 1980, S. 598 (600) (Fall König); Frowein / Peukert, EMRK, Art. 50<br />
Rn. 12.<br />
53 I. Roxin, Rechtsfolgen, S. 157 f.; Hanack, JZ 1971, S. 709.<br />
54 Ress in: Europäischer Menschenrechtsschutz, S. 250.<br />
55 Ress, FS Zeidler, S. 179<strong>3.</strong><br />
56 Vgl. Schindler, FS Guldener, S. 286.<br />
57 Frowein, JZ 1969, S. 216; vgl. auch Frowein/Peukert, EMRK, Art. 28 Rn. 7.<br />
unerheblich, da der Gesetzesvorbehalt nach herrschender Ansicht jedenfalls insoweit<br />
nicht für die Leistungsverwaltung gilt 58.<br />
Insofern sind bei diesem Stand der Überlegungen Parallelen zum Gnadenrecht<br />
gegeben. Über das Gnadenrecht ließe sich ebenfalls weitere Strafmilderung <strong>und</strong><br />
gnadenweiser Straferlaß herleiten, auf dessen Strukturverwandtschaft zum Absehen<br />
<strong>von</strong> Strafe nach § 60 StGB im übrigen häufiger hingewiesen wird 59. Allerdings<br />
wäre auf diesem Weg keine Entschädigung des Nichtverurteilten möglich,<br />
da durch Gnade Entschädigung nicht zuerkannt werden kann 60. Der 2. Strafsenat<br />
des BGH hat schon in seiner gr<strong>und</strong>legenden Entscheidung zur Strafzumessungslösung<br />
auf die Möglichkeit eines Gnadenerweises hingewiesen 61 • <strong>Die</strong> Literatur hat<br />
hierauf zustimmend reagiert 62. Der EGMR hat im Fall Neurneister festgestellt,<br />
der gnadenweise Straferlaß bedeute keine Wiederherstellung des früheren Zustandes,<br />
komme ihr jedoch so nahe, wie es der Natur der Sache nach möglich sei 6<strong>3.</strong><br />
Entgegen Ress ist die Begnadigung auch hinsichtlich der b<strong>und</strong>esdeutschen<br />
Rechtsordnung nicht deshalb rechtlich problematisch, weil sie für diese Fälle<br />
nicht gedacht sei 64 • Vielmehr besteht eine Funktion der Gnade gerade darin, aus<br />
welchen Gründen auch immer unrichtige Erkenntnisse in ihren (Strafvollstrekkungs-)Folgen<br />
zu beseitigen 65. <strong>Die</strong>se Konstellation kann auch dann vorliegen<br />
<strong>und</strong> einen Gr<strong>und</strong> für (korrigierende) Gnade liefern, wenn zwar kriminalpolitisch<br />
keine gr<strong>und</strong>sätzlichen Einwendungen gegen eine Strafnorm bestehen, die das<br />
Gericht - zutreffend - angewandt hat, aber die notwendig allgemein gehaltene,<br />
generalisierende <strong>und</strong> typisierende Norm im individuellen Fall zu einem Ergebnis<br />
geführt hat, das nicht richtig erscheint66, weil es um einen "atypischen Fall"<br />
geht 67 • <strong>Die</strong> Grenze ist dort, wo Kompetenzanmaßung <strong>und</strong> Formenrnißbrauch<br />
vorliegen, wo das Institut der Gnade gezielt dazu verwendet wird, unerwünschte<br />
kriminalpolitische Leitentscheidungen des Gesetzgebers im Wege einer da<strong>von</strong><br />
abweichenden allgemeinen Gnadenpraxis zu durchkreuzen 68. <strong>Die</strong>se Abgrenzung<br />
58 Ress in: Europäischer Menschenrechtsschutz, S. 256; vgl. auch Maurer, Das Begnadigungsrecht<br />
im modemen Verfassungs- <strong>und</strong> Kriminalrecht, S. 136 ff.<br />
59 G. Hirsch in LKw, § 60 Rn. 7; Hassemer, FS Sarstedt, S. 77; Eser, FS Maurach,<br />
S.260; Müller-<strong>Die</strong>tz, FS R. Lange, S. 303; Maiwald, ZStW 83 (1971), S. 681.<br />
60 Schätzler, Handbuch des Gnadenrechts, S. 29.<br />
61 BGHSt 24, S. 239 (242 f.).<br />
62 Vgl. etwa Vogler, ZStW 89 (1977), S. 784.<br />
63 EGMR 3, S. 151 (166).<br />
64 Ress in: Europäischer Menschenrechtsschutz, S. 277.<br />
65 K. Peters, FS Kern, S. 341; Geppert, GA 1972, S. 181.<br />
66 Schätzler, Handbuch des Gnadenrechts, S. 71; vgl. auch Jescheck, Strafrecht AT4,<br />
§ 88 I 2, sowie Geerds, Gnade, Recht <strong>und</strong> Kriminalpolitik, S. 20; 37: Mängel der<br />
Gesetzgebung.<br />
67 Maurer, Das Begnadigungsrecht im modemen Verfassungs- <strong>und</strong> Kriminalrecht,<br />
S. 159; vgl. auch OLG Oldenburg, NdsRpfl. 1975, S. 125.<br />
68 Müller-<strong>Die</strong>tz, DRiZ 1987, S. 479; ähnlich Geerds, Gnade, Recht <strong>und</strong> Kriminalpolitik,<br />
S. 20; 37.
270 8. Kap.: Entschädigung wegen Schadenszufügung<br />
gen vorliegt. Dann ist aber auch hier wieder darauf hinzuweisen, daß die B<strong>und</strong>esrepublik<br />
Deutschland aus nationalem Interesse heraus gehalten sein muß, eine<br />
Verletzung der EMRK zu verhindern bzw. zu kompensieren, um nicht zudem<br />
noch Gefahr zu laufen, vom EGMR verurteilt zu werden 69.<br />
Der <strong>von</strong> Kühne angeschnittene Gedankengang geht jedoch weiter: Kühne will<br />
Art. 50 EMRK selbst einen materiellen Anspruch auf Entschädigung durch das<br />
Strafgericht entnehmen. Mit anderen Worten: Falls das Strafgericht sich nicht<br />
in der Lage sieht, vollständige Wiedergutmachung für die Verfahrensbelastungen<br />
unter Anwendung des nationalen gesetzlichen Instrumentariums zu gewähren,<br />
soll als Anspruchsgr<strong>und</strong>lage für eine "gerechte Entschädigung" Art. 50 EMRK<br />
herangezogen werden können. <strong>Die</strong>s ist dogmatisch äußerst zweifelhaft, wird aber<br />
gelegentlich angenommen. So hat Ress formuliert, daß in Staaten, in denen (wie<br />
in der B<strong>und</strong>esrepublik) die EMRK innerstaatlich in Geltung steht, der Beschwerdeführer<br />
seinen Anspruch aus Art. 50 EMRK auch direkt vor den nationalen<br />
Gerichten geltend machen könnte 70. Es böte sich auch eine Analogie zu Art. 5 V<br />
EMRK an 71, der dem Betroffenen unmittelbare Ansprüche gewährt 72.<br />
Dem mag im folgenden nicht weiter nachgegangen werden. <strong>Die</strong> beiden <strong>von</strong><br />
Kühne aufgezeigten Wege erscheinen beide nicht unproblematisch, müßten aber<br />
für die Schließung der letzten Lücken im Rechtsfolgenrecht für Belastungen<br />
aufgr<strong>und</strong> <strong>überlange</strong>r Verfahrensdauer nutzbar gemacht werden können: Entweder<br />
könnte Entschädigung durch das Strafgericht gewährt werden gemäß §§ 8, 9<br />
StrEG, analog §§ I, 2 StrEG, analog Art. 50 EMRK oder aber analog §§ 8, 9<br />
StrEG, Art. 6 I, Art. 50 EMRK.<br />
69 Vgl. Schätzler, Handbuch des Gnadenrechts, S. 73 f.<br />
70 Ress in: Europäischer Menschenrechtsschutz, S. 242 f.; wohl auch Vogler, ZStW<br />
89 (1977), S. 784.<br />
71 So wohl Geppert, JK 1983, MRK Art. 6/1.<br />
72 Vgl. BGHZ 45, S. 46; OLG Hamm, NStZ 1989, S. 327; Seebode, NStZ 1989, S. 328.<br />
Schlußbetrachtung<br />
Damit sind praktisch alle Lücken geschlossen. Das Problem der Rechtsfolgen<br />
<strong>überlange</strong>r Verfahrensdauer dürfte sich mit der dargestellten Konzeption dogmatisch<br />
befriedigend <strong>und</strong> sachgerecht lösen lassen. <strong>Die</strong>ses Rechtsfolgensystem stellt<br />
sich als nahezu flächendeckend dar.<br />
Ausgangspunkt muß sein, den Begriff der <strong>überlange</strong>n Verfahrensdauer zu<br />
präzisieren. Der Terminus der Angemessenheit in Art. 6 I EMRK ist vage <strong>und</strong><br />
entzieht sich stringenter Auslegung. Soweit das Verbot <strong>überlange</strong>r Verfahrensdauer<br />
aus StPO <strong>und</strong> GG abgeleitet wird, bestehen ebenfalls zu den Schlagworten<br />
Verfahrenslänge, Verfahrensverzögerungen <strong>und</strong> Verfahrensbelastungen terminologische<br />
Unschärfen.<br />
<strong>Die</strong> Kriterien im Begriff der <strong>überlange</strong>n Verfahrensdauer lassen sich anhand<br />
des Verhältnismäßigkeitsgr<strong>und</strong>satzes einigermaßen akzeptabel operationalisieren:<br />
<strong>Die</strong> Geeignetheit verbietet überflüssige, sachwidrige Maßnahmen, die Erforderlichkeit<br />
das Nichtstun der Strafverfolgungsorgane <strong>und</strong> die Proportionalität die<br />
zum Tatvorwurf übermäßige, selbst wenn nicht auf Verzögerungen beruhende<br />
Verfahrenslänge. In Ergänzung dazu bildet der Gr<strong>und</strong>satz der Zumutbarkeit die<br />
Grenze für hinnehmbare Verfahrensbelastungen.<br />
Durch diese Unterscheidung wird auch der Begriff der <strong>überlange</strong>n, also rechtswidrigen<br />
Verfahrensdauer bestimmt: Sie liegt erstens bei Verzögerungen vor,<br />
die durch jede bei ex-ante-Betrachtung zur Prozeßförderung völlig ungeeignete<br />
Strafverfolgungsmaßnahme ausgelöst werden. Zweitens wird die zeitliche Erforderlichkeit<br />
überschritten, wenn staatlicherseits die Durchführung des <strong>Strafverfahren</strong>s<br />
- unter Berücksichtigung eines Handlungs- <strong>und</strong> Entscheidungsspielraums<br />
- unzulänglich gefördert wird. Drittens wird die Proportionalität der Verfahrensdauer<br />
problematisch, wenn die Verfahrenslänge die Strafandrohung überschreitet.<br />
Und schließlich ist - viertens - Verfahrensdauer dann nicht mehr zumutbar,<br />
wenn durch sie der Beschuldigte "schon bestraft" ist.<br />
Dann, wenn Verfahrensdauer durch ungeeignete Maßnahmen der Strafverfolgungsbehörden<br />
verursacht wird, gibt es kaum Rechtsfolgen. ]ürgen Blomeyer<br />
ist zuzustimmen, daß "diesen Fällen <strong>von</strong> Prozeß-Verzug ganz besonders schwierig<br />
beizukommen ist" 1. Bei nicht richterlicher "qualifizierter Prozeßverzögerung"<br />
sind lediglich Ansprüche außerhalb des <strong>Strafverfahren</strong>s aus Staatshaftung denkbar.<br />
Bei eindeutig falscher richterlicher Sachbehandlung kommt nur ein Anspruch<br />
1 J. Blomeyer, NJW 1977, S. 557.
272 Schlußbetrachtung Schlußbetrachtung 273<br />
auf Nichterhebung <strong>von</strong> Gerichtskosten gemäß § 8 GKG in Betracht. Logisch<br />
bedingt beginnt der Zeitraum, in dem ungeeignete Maßnahmen rechtsfolgenrelevant<br />
sein könnten, mit Einleitung des (Vor-)Ermittlungsverfahrens.<br />
Bei schlichten Verzögerungen durch Nichtstun, also unter dem Gesichtspunkt<br />
der (zeitlichen) Erforderlichkeit, d. h. in dem Bereich, der meistens bei der Erörterung<br />
<strong>überlange</strong>r Verfahrensdauer gemeint ist, sieht es nicht viel besser aus:<br />
Geldwerte Ansprüche können sich eingeschränkt aus § 839 BGB <strong>und</strong> § 8 GKG<br />
ergeben. Strafmilderung kommt entgegen der allgemeinen Ansicht wegen Verzögerungen<br />
nicht ohne gr<strong>und</strong>legende Konsequenzen für das Strafzumessungsrecht<br />
in Betracht. Entgegen der inzwischen herrschenden Meinung ist selbst bei "extremen"<br />
Verzögerungen die Verfahrenseinstellung unzulässig. <strong>Die</strong>s hat zweierlei<br />
Gründe: Sofern zum einen die Einstellung "als eine Art Sanktion" gesehen wird 2,<br />
ist darauf hinzuweisen, daß gerade für diese Fälle extremer Verzögerung am<br />
ehesten dem Beschuldigten Disziplinierungsmöglichkeiten der Strafverfolgungsorgane<br />
zur Verfügung stehen. "Extreme" Verzögerungen können auch nach herrschender<br />
Meinung ein Befangenheitsgesuch begründen, eröffnen den Rechtsweg<br />
nach §§ 23 ff. EGGVG, führen nach wohl nahezu allgemeiner Ansicht zur Zulässigkeit<br />
der Verfassungsbeschwerde, ermöglichen die <strong>Die</strong>nstaufsichtsbeschwerde<br />
<strong>und</strong> dürften tatbestandsmäßig im Rahmen <strong>von</strong> §§ 258a, 336 StGB sein. Ob<br />
dagegen die (drohende) Verfahrenseinstellung "zweifellos zur Beschleunigung<br />
der Strafjustiz beitragen" würde, wie Bruns meint 3 , erscheint fraglich: Immerhin<br />
kann hierdurch auch für die Strafverfolgungsbehörden die Möglichkeit eröffnet<br />
werden, sich eines leidigen Verfahrens zu entledigen 4. Zum anderen ist die <br />
subsidiäre - Einstellung deshalb unzulässig, weil Verzögerungen mit "extremen"<br />
Folgen, nämlich mit Beweismittelverlust, im Rahmen des Beweisrechts Berücksichtigung<br />
finden können, wobei schon fahrlässiges Verhalten der Strafverfolgungsorgane<br />
genügen kann. Wird jedoch gar - theoretisch - in der Absicht<br />
verzögert, dadurch die Verurteilung zu erreichen, kann man die Annahme der<br />
Verwirkung des staatlichen Strafanspruchs - genauer gesagt, der staatlichen<br />
Strafverfolgungsbefugnis - diskutieren, wobei allerdings ein Freispruch als<br />
Rechtsfolge abzulehnen ist. Der Zeitraum, in dem (schlichte) Verzögerungen<br />
Rechtsfolgen auslösen können, beginnt schon mit dem Zeitpunkt der tatsächlichen<br />
<strong>und</strong> rechtlichen Möglichkeit der Ermittlungsaufnahme.<br />
Disproportionale Verfahrensdauer, d.h. Verfahrensdauer, die unabhängig <strong>von</strong><br />
ihrer Ursache überlang ist - also auch dann, wenn sie durch den Verfahrensgegenstand<br />
bedingt ist -, hat im geltenden Verjährungsrecht eine umfassende<br />
Regelung gef<strong>und</strong>en. <strong>Die</strong> Unverjährbarkeit gemäß §§ 78 11, IV <strong>und</strong> 78b III StGB<br />
2 Arloth, NJW 1985, S. 418; ähnlich Hillenkamp, IR 1975, S. 134.<br />
3 Bruns, Das Recht der Strafzumessung 2 , S. 182; ähnlich Ulsenheimer, wistra 1983,<br />
S. 14; HWiStR, S. 4.<br />
4 Vgl. etwa Papier, NJW 1990, S. 8; Schmalz, JuraTelegramm 1990, S. 31 f.; Elendt,<br />
Stern 50/1988 vom 8.12.1988, S. 130 ff. (zu LG Düsseldorf, NStZ 1988, S. 427).<br />
ist auch dann, wenn im Einzelfall eine Kollision zu Art. 6 I EMRK gegeben sein<br />
sollte, zu beachten; allenfalls könnte eine Analogie zu § 46 BZRG in Betracht<br />
gezogen werden. Ein fakultativer Strafmilderungsgr<strong>und</strong> liegt in der Verjährungsnähe,<br />
genauer gesagt in der Tatfeme, so daß auch in diesen Fällen gr<strong>und</strong>sätzlich<br />
Strafmilderung möglich ist. Durch Übertragung aus dem Zivilrecht ist es konstruierbar,<br />
wenngleich auch rechtlich fragwürdig <strong>und</strong> tatsächlich kaum vorstellbar,<br />
die Verwirkung der staatlichen Strafverfolgungsbefugnis dann anzunehmen,<br />
wenn der Beschuldigte im berechtigten Vertrauen enttäuscht wurde, er werde,<br />
nachdem er <strong>von</strong> seinem Verfahren nichts gehört hat, nicht (mehr) verfolgt werden.<br />
Der für die Rechtsfolgen der Disproportionalität relevante Zeitraum beginnt schon<br />
mit der Tat.<br />
Schließlich kann Verfahrensdauer unter dem Gesichtspunkt der Zumutbarkeit<br />
relevant werden. Dann ist es möglich, bei der Rechtsfolgenentscheidung die auf<br />
der Verfahrenslänge beruhenden Belastungen zu berücksichtigen, <strong>und</strong> zwar unter<br />
dem Gesichtspunkt des Schon-bestraft-Seins. Entscheidend ist, daß die objektiven<br />
Verfahrensumstände den Beschuldigten subjektiv über Gebühr belastet haben.<br />
Hierfür kommt es aufdie gesamte Verfahrensdauer unabhängig <strong>von</strong> ihrer Ursache<br />
ab Beginn der konkreten Belastungen an. Rückschlüsse darauf, daß bei Verzögerungen<br />
durch die Strafverfolgungsorgane Verfahrensdauer mehr belastete oder<br />
daß durch Verteidigungshandeln des Beschuldigten verursachte Verfahrenslänge<br />
nicht die Belastungen erhöhen würde, sind kaum möglich. Hinsichtlich letzterem<br />
sind nur rechtsmißbräuchliche, <strong>von</strong> der Prozeßordnung nicht mehr gedeckte<br />
Verschleppungen außer Betracht zu lassen; das gilt jedenfalls dann, wenn die<br />
Strafverfolgungsbehörden es nicht versäumt haben, den Verschleppungen des<br />
Beschuldigten entgegenzutreten. Liegen die Voraussetzungen <strong>von</strong> § 60 StGB<br />
vor, ist <strong>von</strong> Strafe abzusehen. Ansonsten ist die Strafe dem Rechtsgedanken<br />
dieser Vorschrift entsprechend zu mildem; eine schematische Anrechnung entsprechend<br />
§ 51 StGB scheidet wegen des fehlenden konstanten Übelcharakters<br />
<strong>von</strong> Verfahrensbelastungen aus. Sofern man § 49 StGB für anwendbar hält, ist<br />
eine Unterschreitung der Strafrahrnenuntergrenze nicht ausgeschlossen. Durch<br />
Anwendung der §§ 153, 153a, 154, 154a StPO neben § 154b StPO sowie durch<br />
die analoge Heranziehung <strong>von</strong> §§ 354, 354a StPO ist de facto in fast allen Fällen<br />
die sofortige Verfahrensbeendigung möglich. Soweit Strafmilderung dennoch<br />
nicht zur Kompensation herangezogen werden kann - bei Freispruch oder nicht<br />
ausreichender Strafmilderungsmöglichkeit-, ist die Zubilligung <strong>von</strong> Entschädigung<br />
geboten. Sinnvollster Ansatzpunkt hierfür ist die analoge Anwendung des<br />
StrEG <strong>und</strong> <strong>von</strong> Art. 50 EMRK. Extreme Belastungen durch die <strong>Dauer</strong> des <strong>Strafverfahren</strong>s<br />
können im Einzelfall sogar zur vorläufigen, evtl. auch endgültigen<br />
Einstellung unter dem Aspekt der Verhandlungsunfähigkeit führen.<br />
Neu an diesem Konzept ist vor allem die Änderung des Blickwinkels weg<br />
vom Handlungsunrecht der Verzögerung hin zum Erfolgsunwert <strong>überlange</strong>r Verfahrensdauer:<br />
Strafmilderung wird nicht wegen verzögernden Handeins gewährt,<br />
18 Scheffler
274 Schlußbetrachtung Schlußbetrachtung 275<br />
sondern weil Belastungen beim Beschuldigten hervorgerufen werden - was<br />
konsequenterweise auch dann zu erfolgen hat, wenn die Verfahrensdauer nicht<br />
auf Verzögerungen beruht. Einstellung als Rechtsfolge durch richterliche Rechtsfortbildung<br />
kommt deshalb nicht in Betracht, weil bei erfolgsorientierter Betrachtungsweise<br />
"extreme" Verzögerungen nur solche mit irreparabler Konsequenz,<br />
also insbesondere Beweisverlust, darstellen, auf die jedoch beweisrechtlich reagiert<br />
werden kann. Auf das Handlungsunrecht des Verzögernden ist gegebenenfalls<br />
straf- <strong>und</strong> disziplinarrechtlich zu reagieren 5.<br />
<strong>Die</strong> Problembereiche dieser Konzeption, die weiterer wissenschaftlicher<br />
Durchdringung bedürfen, liegen nun zum einen darin, daß eine heranziehbare<br />
beweisrechtliche Dogmatik bislang nur ansatzweise, vor allem im Recht des<br />
Indizbeweises, entwickelt ist. Zum anderen müssen auch im Strafzumessungsbereich<br />
des Entwurfs einige dogmatisch nicht unangreifbare Konstruktionen herangezogen<br />
werden: Hingewiesen sei hier auf die extensive Anwendung <strong>von</strong> § 60<br />
StGB (u. U. in Kombination mit § 49 StGB), die sofortige Verfahrensbeendigung<br />
durch §§ 153 ff., §§ 354 f. StPO <strong>und</strong> schließlich die notwendige Ergänzung durch<br />
Entschädigungsmaßnahmen.<br />
Allerdings erlaubt die Konzeption die Lösung oder jedenfalls die Vermeidung<br />
der unlösbaren oder zumindest schwer lösbaren Probleme der herrschenden Meinung.<br />
Das wird bei den zuletzt genannten Punkten deutlich, die auch aufGr<strong>und</strong>lage<br />
des Konzepts der herrschenden Meinung Relevanz hätten, die bisher größte<br />
Schwierigkeiten hat, Verfahren ohne Spruchreife abzuschließen, auf Freispruch<br />
zu reagieren oder "genug" Strafmilderung zuzuerkennen. Das Problem, daß Strafmilderung<br />
bloß "verbal"6 erfolgen könnte, besteht in beiden Konzeptionen. Es<br />
wäre lösbar, wenn revisionsrechtlich gefordert würde, den genauen Umfang der<br />
Strafmilderung im Urteil deutlich zu machen7 oder aber allgemein die Strafzumessung<br />
nachvollziehbarer zu gestalten 8.<br />
In weiteren Punkten verstrickt sich die herrschende Meinung aber in nahezu<br />
unlösbare Probleme. Trotz der praktisch nahezu "unauslotbaren Verantwortlichkeit"<br />
für Verfahrensverzögerungen 9 mag zwar am ehesten noch die im vorgestellten<br />
Konzept zurückgedrängte Abgrenzung <strong>von</strong> Verfahrenslänge <strong>und</strong> -verzögerungen<br />
zumindest theoretisch durchzuführen sein. Hierzu kann wenigstens die Kasuistik<br />
zu §§ 121, 275 StPO herangezogen werden. Schwieriger wird es dagegen<br />
schon, soweit eine Abgrenzung <strong>von</strong> "normalen" zu "extremen" Verfahrensverzögerungen<br />
gefordert wird. Eine weitere, beinahe unlösbare Schwierigkeit der<br />
herrschenden Meinung wird dadurch vermieden, daß es in dieser Konzeption<br />
nicht mehr darauf ankommt, ob der Beschuldigte die Verfahrensdauer "zu vertreten"<br />
hat. <strong>Die</strong> rechtliche Würdigung der Ausübung verfahrensrechtlicher Befugnisse,<br />
noch dazu, wenn sie mit dem prozessualen Verhalten der Strafverfolgungsorgane<br />
in Beziehung gesetzt werden muß, ist äußerst problematisch. Durch das<br />
Abstellen auf Verfahrensbelastungen aufgr<strong>und</strong> <strong>von</strong> Verfahrensdauer unabhängig<br />
<strong>von</strong> ihrer Ursache kann die Problematik jedoch auf die Frage reduziert werden,<br />
wann ausnahmsweise durch Verhalten des Beschuldigten hervorgerufene Belastungen<br />
nicht kompensiert werden sollen - eine aufgr<strong>und</strong> der Dogmatik zum<br />
Strafzumessungs-, Anrechnungs- <strong>und</strong> Kostenrecht beantwortbare Frage. Auch<br />
hier bleibt jedoch Feinarbeit zu leisten.<br />
Jedenfalls: Da sich <strong>überlange</strong> Verfahrensdauer auch in Zukunft nicht verhindern<br />
lassen wird, ist nicht die <strong>von</strong> Bruns kritisierte "Gelassenheit" 10, sondern<br />
die genaue Ausgestaltung eines umfassenden Rechtsfolgensystems geboten.<br />
5 So auch BOH, NJW 1986, S. 75 (76) (zum rechtswidrigen Lockspitzeleinsatz).<br />
6 Ulsenheimer, wistra 1983, S. 14; HWiStR, S. 4.<br />
7 Peukert, EuORZ 1979, S. 26<strong>3.</strong><br />
8 Vgl. zuletzt Montenbruck, Abwägung <strong>und</strong> Umwertung, insbes. S. 56 ff.<br />
9 Bottke, StV 1986, S. 121 Fn. 11.<br />
10 Bruns, Das Recht der Strafzumessung 2 , S. 182.<br />
18*
Anhang 277<br />
Anhang<br />
Auszüge aus nicht (vollständig) veröffentlichten<br />
höchstrichterlichen Entscheidungen zu den<br />
Rechtsfolgen <strong>überlange</strong>r Verfahrensdauer<br />
1. BVerfG (Vorprüfungsausschuß),<br />
Besch!. v. 21.6.1972 - 2 BvR 146/72<br />
"Es verstößt jedenfalls nach der bis zum I. Oktober 1973 geltenden Rechtslage nicht<br />
gegen das Rechtsstaatsprinzip, wenn die Gerichte bei einer gegen Art. 6 Abs. I MRK<br />
verstoßenden Verzögerung des Verfahrens, welche die doppelte Verjährungsfrist (vg!.<br />
§ 78c Abs. 2 Satz 2 StGB in der Fassung des Zweiten Gesetzes zur Reform des Strafrechts)<br />
nur ganz geringfügig überschreitet, das Verfahren nicht einstellen, sondern stattdessen<br />
die lange Verfahrensdauer bei der Strafzumessung zugunsten des Angeklagten<br />
berücksichtigen."<br />
2. BGH, Urt. v. 14.6.1972 - 2 StR 3/72<br />
"Für die neue Hauptverhandlung wird darauf hingewiesen, daß aus Art. 6 Abs. I Satz I<br />
MRK zwar, wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat, - entgegen der Ansicht,<br />
die u. a. <strong>von</strong> dem Oberlandesgericht Koblenz vertreten wird (NJW 1972,404) - kein<br />
Verfahrenshindernis hergeleitet werden kann, daß aber eine dieser Vorschrift zuwiderlaufende<br />
Verfahrensverzögerung bei der Strafzumessung angemessen zu berücksichtigen<br />
ist (BGHSt 24, 239)."<br />
<strong>3.</strong> BGH, Besch!. v. 2.7.1974 - 5 StR 48/74<br />
"<strong>Die</strong>ses Verfahren hat sich ungewöhnlich lange hingezogen. <strong>Die</strong> Angeklagten sind<br />
im Mai 1973 wegen Betrugstaten verurteilt worden, die sie in den Jahren 1955 <strong>und</strong><br />
1956 begangen haben. Wie die Durchsicht der Akten ergibt, haben die Angeklagten die<br />
Verschleppung nicht, jedenfalls nicht in nennenswertem Umfang, herbeigeführt.<br />
Mit Recht hat daher das Landgericht bereits Ende 1971 erwogen, ,das Verfahren<br />
wegen eines Verstoßes gegen Art. 6 Abs. I der Konvention zum Schutz der Menschenrechte<br />
<strong>und</strong> Gr<strong>und</strong>freiheiten einzustellen'. Eine solche Beendigung des Verfahrens war<br />
in der Tat schon damals angezeigt. Bis zum Erlaß des Urteils vergingen weitere I V2<br />
Jahre <strong>und</strong> damit insgesamt 17 Jahre seit Begehung der nicht außergewöhnlich schweren<br />
Straftaten. Darin unterscheidet sich dieses Verfahren wesentlich <strong>von</strong> demjenigen, das<br />
der 2. Strafsenat des B<strong>und</strong>esgerichtshofs (BGHSt 24, 239) zu beurteilen hatte. Dort ging<br />
es darum, daß ,die doppelte Verjährungsfrist ... nur geringfügig überschritten war'<br />
(Beschluß des B<strong>und</strong>esverfassungsgerichts in dieser Sache vom 21. 6.1972 - 2 BVR<br />
146/72). Hier sind die Taten erst abgeurteilt worden, nachdem sich das Verfahren über<br />
die dreifache Verjährungsfrist (§ 67 Abs. 2 StGB) <strong>und</strong> annähernd 2 weitere Jahre hingeschleppt<br />
hat.<br />
<strong>Die</strong> Einstellung erstreckt sich nach § 357 StPO auch auf den Mitangeklagten S., der<br />
das Urteil des Landgerichts in Lübeck vom 22. Mai 1973 nicht angefochten hat (BGHSt<br />
24,208).<br />
Der Senat sieht da<strong>von</strong> ab, die notwendigen Auslagen der Landeskasse aufzuerlegen.<br />
Das erscheint ihm nicht angemessen (§ 467 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 StPO)."<br />
4. BGH, Urt. v. 18.2.1976 - 2 StR 566/75<br />
"<strong>Die</strong> Strafkammer hat das Verfahren mit der Begründung eingestellt, das Recht des<br />
Angeklagten auf Durchführung des <strong>Strafverfahren</strong>s innerhalb einer angemessenen Frist<br />
sei seitens der Justiz in unerträglicher Weise verletzt worden; zudem würde es unter<br />
den gegebenen Umständen dem Gr<strong>und</strong>satz der Verhältnismäßigkeit widersprechen, das<br />
Verfahren in dem Bewußtsein fortzusetzen, daß kaum mehr als eine symbolische Strafe<br />
zu erwarten sei; bei dieser Sachlage werde allein die Annahme eines Verfahrenshindernisses<br />
dem Rechtsstaatsprinzip gerecht.<br />
<strong>Die</strong> Staatsanwaltschaft wendet sich mit ihrer - vom Generalb<strong>und</strong>esanwalt vertretenen<br />
- Revision gegen die Einstellung des Verfahrens. Das Rechtsmittel hat Erfolg.<br />
Wie der Senat in seiner Entscheidung BGHSt 24, 239 ff ausgeführt hat, ist das Mittel<br />
des Verfahrenshindernisses seiner Natur nach gänzlich ungeeignet, als gerechter Ausgleich<br />
gegenüber Benachteiligungen zu dienen, die dem Angeklagten durch eine schuldhafte<br />
Verzögerung des Verfahrensabschlusses erwachsen sind (vg!. auch Schäfer in<br />
Löwe/Rosenberg, 2<strong>3.</strong> Aufl., Ein!. Kap. 12 Rdnrn. 91 ff). Ein Verfahrenshindernis setzt<br />
eine bestimmte, für das Verfahren im ganzen uneingeschränkt rechtserhebliche Tatsache<br />
voraus, so zum Beispiel den Ablauf einer Frist. Demgegenüber leitet die Strafkammer<br />
hier das Verfahrenshindernis aus einem Werturteil ab, bei dem person- <strong>und</strong> sachbezogene<br />
Umstände gegeneinander abgewogen werden. Schon aus diesem Gr<strong>und</strong> ist ihre Ansicht<br />
unzutreffend.<br />
Da die Strafverfolgung vor dem I. Januar 1975 immer wieder rechtzeitig unterbrochen<br />
worden ist, besteht auch kein Verfahrenshindernis im Sinne des § 78c Abs.3 Satz 2<br />
StGB 1975 (vg!. Art. 309 Abs. 4 EGStGB).<br />
Das Urteil muß deshalb aufgehoben <strong>und</strong> die Sache an das Landgericht zurückverwiesen<br />
werden.<br />
In der neuen Hauptverhandlung wird angesichts der außergewöhnlich langen Verfahrensdauer<br />
Anlaß zu der Prüfung bestehen, ob nicht eine Einstellung des Verfahrens<br />
gemäß § 153a Abs. 2 StPO gerechtfertigt erscheint."<br />
5. BGH, Urt. v. 19.2.1976 - 2 StR 585/73<br />
(insoweit nicht in BGHSt 26, S. 284 abgedruckt)<br />
"<strong>Die</strong> übermäßige <strong>Dauer</strong> eines <strong>Strafverfahren</strong>s kann - das Landgericht hat das nicht<br />
aus den Augen verloren - einen besonderen Milderungsgr<strong>und</strong> begründen (BGHSt 24,<br />
239). Wenn es sich darum handelt, nachträglich eine Gesamtstrafe zu bilden, müssen<br />
diese Umstände auch für den Zeitabschnitt erhoben werden, der zwischen mündlicher<br />
Verkündung des Urteils <strong>und</strong> dem Eintritt der Rechtskraft der abgeurteilten Sache liegt<br />
<strong>und</strong> der bis zur endgültigen Entscheidung andauert. Auch muß man in diesem Fall die<br />
besondere Last berücksichtigen, die die Aufteilung in Fallgruppen, bestehend aus wiederholter<br />
Begehung ähnlicher Rechtsverletzungen, aufzwei <strong>Strafverfahren</strong> für die Angeklagten<br />
bedeutet hat. Der Senat hat nicht über die Zweckmäßigkeit dieser Aufteilung zu
278 Anhang Anhang 279<br />
urteilen. Er meint deshalb, daß man den Willen des Gesetzes verkenne, wenn man bei<br />
Festsetzung der Strafe diesen Umständen nicht deutlich Rechnung trägt."<br />
der Taten über Gebühr lange verzögerte, ohne daß die Angeklagten hierfür eine Schuld<br />
trifft' ."<br />
6. BGH, Urt. v. 31.<strong>3.</strong>1976 - 3 StR 502/75<br />
"<strong>Die</strong> Strafverfolgung wegen der am <strong>3.</strong> Januar <strong>und</strong> 12. September 1964 begangenen<br />
Taten ist nicht verjährt. Der Beschwerdeführer, der sich auf die absolute Verjährungsfrist<br />
nach § 78 c Abs. 3 Satz 2 StGB beruft, macht zu Unrecht geltend, die Übergangsregelung<br />
in Art. 309 Abs. 4 EGStGB verstoße gegen den Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. I GG); denn<br />
sie trifft lediglich für besondere Sachverhalte Bestimmungen, die <strong>von</strong> der jetzt geltenden<br />
allgemeinen Regel abweichen. Danach tritt die Verjährung in Fällen, in denen sie vor<br />
dem 1. Januar 1975 unterbrochen worden war, frühestens mit dem Ablauf der <strong>von</strong> der<br />
letzten Unterbrechungshandlung an zu berechnenden Verjährungsfrist ein. Vor dem<br />
1. Januar 1975 war die Verjährung nach altem Recht unterbrochen worden u. a. durch<br />
die richterlichen Vernehmungen des Angeklagten am 25. Juli 1967 <strong>und</strong> des Zeugen<br />
S. am 14. September 1970 sowie durch die auf Zustellung der Anklageschrift gerichtete<br />
richterliche Verfügung vom 25. November 1974.<br />
Der lange Zeitablauf seit der Tat rechtfertigt auch nicht im Hinblick auf Art. 6 MRK<br />
die Einstellung des Verfahrens. Aus dieser Vorschrift ist nicht einmal dann ein Verfahrenshindemis<br />
herzuleiten, wenn die <strong>Dauer</strong> des Verfahrens auf Verschulden der Verfolgungsbehörden<br />
beruht (BGHSt 24, 239).<br />
Der langen Verfahrensdauer hat die Strafkammer bei der Strafzumessung aus rechtlich<br />
nicht zu beanstandenden Gründen keine vorrangige Bedeutung beigemessen."<br />
7. BGH, Urt. v. 6.7.1976 - 5 StR 184/76<br />
"Vergeblich berufen sich die Revisionen auf Art. 6 Abs. I MRK <strong>und</strong> meinen, die<br />
,Voraussetzungen für die Durchführung eines Verfahrens waren nach so langem Zeitablauf<br />
nicht gegeben'.<br />
Der lange Zeitablauf seit der Tat rechtfertigt aufgr<strong>und</strong> dieser Vorschrift nicht die<br />
Einstellung des Verfahrens. Aus Art. 6 MRK ist nicht einmal dann ein Verfahrenshindernis<br />
herzuleiten, wenn die <strong>Dauer</strong> des Verfahrens durch die Verfolgungsbehörden verschuldet<br />
wurde. Das hat der 2. Strafsenat bereits in BGHSt 24, 239 ff entschieden. In 2 StR<br />
566/75 vom 18. Februar 1976 (unveröffentlicht) hat er nochmals hervorgehoben, ,das<br />
Mittel des Verfahrenshindernisses ist seiner Natur nach gänzlich ungeeignet, als gerechter<br />
Ausgleich gegenüber Benachteiligungen zu dienen, die dem Angeklagten durch eine<br />
schuldhafte Verzögerung des Verfahrensabschlusses erwachsen sind' (Gegenstand dieses<br />
Verfahrens waren Betrugstaten, die mehr als 21 Jahre vor der Verhandlung begangen<br />
worden waren).<br />
<strong>Die</strong>ser Ansicht hat sich der <strong>3.</strong> Strafsenat am 31. März 1976 uneingeschränkt angeschlossen<br />
(3 StR 502/75).<br />
Der erkennende Senat folgt dem <strong>und</strong> hält an der im Beschlusse vom 2. Juli 1974<br />
niedergelegten Auffassung nicht fest (5 StR 48/74).<br />
Allerdings hat der Tatrichter - wenn die Einstellung des Verfahrens aufgr<strong>und</strong> des<br />
§ 153a Abs. 2 StPO ausscheidet - die unverschuldeten <strong>und</strong> unangemessenen Verzögerungen<br />
des Verfahrens bei der Strafzumessung zu berücksichtigen. <strong>Die</strong>s ist hier geschehen.<br />
Das Landgericht weist vorweg schon ausdrücklich darauf hin <strong>und</strong> berücksichtigt<br />
dementsprechend bei der Zumessung (insbesondere) mildernd, daß ,sich die Aburteilung<br />
8. BGH, Urt. v. 24.2.1977 - 1 StR 554/76<br />
"Aus der ungewöhnlich langen <strong>Dauer</strong> des Verfahrens - Erhebung der Anklagen am<br />
19. August <strong>und</strong> 20. Oktober 1969, Eingang der Sache beim Senat am 26. Januar 1977<br />
-läßt sich zwar kein Verfahrenshindernis herleiten (BGHSt 24,239), so daß der Senat<br />
das Verfahren nicht auf Gr<strong>und</strong> <strong>von</strong> Art. 6 Abs. I Satz I MRK einstellen kann; doch ist<br />
eine dieser Vorschrift zuwiderlaufende Verfahrensverzögerung bei der Strafzumessung<br />
angemessen zu berücksichtigen (BGH a. a. O. S. 242). Es ist schon kaum verständlich,<br />
daß das Amtsgericht, zu dem die Sache zunächst angeklagt war, <strong>von</strong> der Anklage bis<br />
zum Eröffnungsbeschluß vom 2. Oktober 1972 drei Jahre verstreichen ließ; mag auch<br />
in der Folgezeit der Angeklagte zum Teil nicht unschuldig an der weiteren Verzögerung<br />
gewesen sein (das Landgericht, an das die Sache inzwischen verwiesen worden war,<br />
mußte am 9. Mai 1973 das Verfahren vorläufig einstellen, weil der Angeklagte unbekannten<br />
Aufenthalts <strong>und</strong> zur Festnahme ausgeschrieben war), so hat er doch die mit einer<br />
geordneten Rechtspflege nicht mehr zu vereinbarende Verfahrensdauer zum überwiegenden<br />
Teil nicht zu vertreten.<br />
Angesichts dieser besonderen Verfahrenslage genügte es nicht, wenn die Strafkammer<br />
die seit der Tat verstrichene Zeit als einen <strong>von</strong> mehreren Strafmilderungsgründen erwähnte;<br />
sie mußte vielmehr der Verletzung des Anspruchs des Angeklagten auf schleunige<br />
Abwicklung des <strong>Strafverfahren</strong>s bei der Strafzumessung unter dem Gesichtspunkt des<br />
Art. 6 MRK Rechnung tragen (BGH a. a. O. S. 242, 243)."<br />
9. BGH, Urt. v. 5.7.1977 - 5 StR 771/76<br />
"<strong>Die</strong> Strafverfolgung ist nicht verjährt. Der Angeklagte hat in allen Fällen zu grausamen<br />
Tötungen Beihilfe geleistet. Das Mordmerkmal der Grausamkeit ist tatbezogen (BGHSt<br />
24, 106, 108). § 28 Abs. I StGB ist auf solche Merkmale nicht anzuwenden. Das Gesetz<br />
droht für Mord die lebenslange Freiheitsstrafe an. Danach richtet sich auch die Strafe<br />
für den Gehilfen. <strong>Die</strong> nach § 27 Abs. 2 StGB vorgeschriebene Milderung der Strafe<br />
bleibt für die Verjährung außer Betracht (§ 78 Abs. 4 StGB).<br />
<strong>Die</strong> Verjährungsfrist begann nach § I Abs. I des Gesetzes über die Berechnung strafrechtlicher<br />
Verjährungsfristen vom 1<strong>3.</strong> April 1965 (BGB! I S. 315) am 1. Januar 1950<br />
zu laufen <strong>und</strong> ist nach den §§ 67 Abs. I Nr. I StGB 1969 <strong>und</strong> 78 Abs. 3 Nr. I StGB<br />
1975 bisher nicht abgelaufen (vgl. BGHSt 23, 103, 105).<br />
<strong>Die</strong> Strafverfolgung ist auch nicht deshalb verwirkt, weil, wie die Revision meint,<br />
das Verfahren schon früher, insbesondere vor Ablauf der zwischenzeitlich geänderten<br />
Verjährungsfristen, hätte eingleitet <strong>und</strong> durchgeführt werden können. Ein solches Verfahrenshindernis<br />
kennt das geltende Recht nicht ( BGHSt 24, 239; BGH 2 StR 566/75<br />
vom 18. Februar 1976). Den Zeitablauf hat der Tatrichter bei der Strafbemessung angemessen<br />
berücksichtigt."<br />
10. BGH, Beseht. v. 25.10.1977 - 5 StR 616/77<br />
"Das Verfahren hat sich ohne entscheidendes Zutun des Angeklagten erheblich verzögert.<br />
Gr<strong>und</strong> für eine Verfahrenseinstellung, wie sie der Beschwerdeführer beantragt, ist<br />
dieser Umstand nicht (BGHSt 24, 239). Indessen hätte das Landgericht diese Verzögerung
280 Anhang Anhang 281<br />
bei der Strafbemessung, zu der auch die Entscheidung über die Strafaussetzung gehört,<br />
angemessen berücksichtigen müssen. Der Senat hebt deswegen die verhängte Einzelstrafe<br />
<strong>und</strong> die Gesamtstrafe auf."<br />
dieser Zeit Straftaten begangen haben. Unter diesen Umständen durften die Urteilsgründe<br />
über den Zeitablauf zwischen den Taten <strong>und</strong> ihrer Aburteilung bei der Strafzumessung<br />
nicht hinweggehen."<br />
11. BGH, Urt. v. 24.11.1977 - 4 StR 459/77<br />
"Verfolgungsverjährung ist nicht eingetreten. <strong>Die</strong> Verjährung ist in allen Fällen wirksam<br />
durch richterliche Handlungen unterbrochen worden. Im einzelnen handelt es sich<br />
um den Haftbefehl vom 28. Oktober 1970, den Ergänzungsbeschluß hierzu vom 12. Mai<br />
1971, den Durchsuchungsbeschluß vom 26. Oktober 1971 <strong>und</strong> die richterlichen Verfügungen<br />
auf Zustellung der Anklagen vom 6. September 1972, 20. März 1973 <strong>und</strong> vom<br />
6. September 197<strong>3.</strong> <strong>Die</strong> Tatsache, daß die Staatsanwaltschaft die Anklagen später zurückgenommen<br />
<strong>und</strong> in einer neuen mit den gleichen Vorwürfen zusammengefaßt hat, ist<br />
unschädlich, da diese Maßnahmen der Verfolgungsbehörde den ordnungsgemäß ergangenen<br />
richterlichen Unterbrechungshandlungen die Wirkung nicht nehmen konnten.<br />
Ohne Erfolg erstrebt der Angeklagte im Hinblick auf die lange Verhandlungsdauer<br />
unter Berufung auf Art. 6 Abs. I Satz I MRK die Einstellung des Verfahrens. Zwar hat<br />
sich das Verfahren in allen Abschnitten unangemessen lange hingezogen, <strong>und</strong> eine<br />
Aburteilung erst siebeneinhalb Jahre nach Begehung der letzten Tat ist schlechthin<br />
unverständlich. <strong>Die</strong> lange <strong>Dauer</strong> eines <strong>Strafverfahren</strong>s kann aber nicht bewirken, daß<br />
der Angeklagte deshalb vor Eintritt der Verfolgungsverjährung außer Verfolgung zu<br />
setzen ist (vgl. BGHSt 24, 239; neuerdings auch Urteil vom 24. Februar 1977 - I StR<br />
554/76 - <strong>und</strong> Beschluß vom 25. Oktober 1977 - 5 StR 616/77). <strong>Die</strong> mit der langen<br />
Verfahrensdauer verb<strong>und</strong>enen nachteiligen Einwirkungen auf den Angeklagten können<br />
vielmehr nur bei der Strafzumessung berücksichtigt werden., wie es auch hier geschehen<br />
ist. An dieser Rechtsprechung ist festzuhalten."<br />
12. BGH, Urt. v. 5.1.1978 - 2 StR 425/77<br />
"Rechtlich nicht zu beanstanden ist auch die Erwägung, der Angeklagte sei deshalb<br />
nicht weit höher bestraft worden, weil die Hauptverhandlung mehr als sechs Jahre nach<br />
der Tat stattgef<strong>und</strong>en habe <strong>und</strong> die lange <strong>Dauer</strong> des bereits am 20. November 1972<br />
eröffneten Hauptverfahrens überwiegend auf das Verhalten der Justizbehörden zurückzuführen<br />
sei. Daß die beabsichtigte Begutachtung des Angeklagten deswegen nicht hätte<br />
erfolgen können, weil dieser Gericht <strong>und</strong> Staatsanwaltschaft über seinen jeweiligen<br />
Aufenthaltsort im dunkeln ließ, ist nicht festgestellt. Vielmehr hat sich der Angeklagte<br />
bis zum 30. Mai 1973 in Untersuchungshaft bef<strong>und</strong>en; er hat dann in Frankfurt gelebt,<br />
war vom 19. November 1973 bis zum 18. Dezember 1973 wiederum in Untersuchungshaft<br />
<strong>und</strong> ist bis August 1974 den ihm im Mai 1973 gemachten Meldeauflagen nachgekommen.<br />
Wie weit sich dieser Strafmilderungsgr<strong>und</strong> auf die Strafe auswirkt, ist dem insoweit<br />
nicht nachprüfbaren Ermessen des Tatrichters überlassen."<br />
1<strong>3.</strong> BGH, Urt. v. 4.<strong>3.</strong>1980 - 5 StR 14/80<br />
"Während die Schuldsprüche rechtlicher Nachprüfung standhalten, haben die Strafen<br />
keinen Bestand. <strong>Die</strong> Strafzumessungsgründe des angefochtenen Urteils gehen nicht<br />
darauf ein, daß zwischen den Taten <strong>und</strong> ihrer Aburteilung mehr als vier Jahre verstrichen<br />
sind. Es ist nicht ersichtlich, daß es die Angeklagten waren, die das Verfahren verzögert<br />
haben. Während der langen Verfahrensdauer waren die Angeklagten überwiegend in<br />
Freiheit. Den Urteilsgründen ist nicht zu entnehmen, daß die Angeklagten während<br />
14. BGH, Beseht. v. 27.5.1983 - 3 StR 159/83<br />
(bei Mösl, NStZ 1983, S. 494)<br />
"<strong>Die</strong> wirksam auf den Strafausspruch beschränkte Revision des Angeklagten hat mit<br />
der Sachrüge Erfolg. Der zur Tatzeit nicht bestrafte, voll geständige Angeklagte, der<br />
sich durch das R<strong>und</strong>schreiben vom 28. Dezember 1977 an die Geschädigten zu den <strong>von</strong><br />
ihm begangenen Straftaten bekannt hat <strong>und</strong> dessen Mitwirkung bei der Aufklärung des<br />
Sachverhalts die Strafkammer ausdrücklich hervorhebt, stand seit der Durchsuchung<br />
seiner Wohnung am 29. Dezember 1977 unter dem Druck des anhängigen <strong>Strafverfahren</strong>s.<br />
Unter diesen Umständen durfte das Landgericht, worauf die Revision mit Recht<br />
hinweist, in den Strafzumessungsgründen nicht darüber hinweggehen, daß zwischen den<br />
im Dezember 1977 beendeten Taten <strong>und</strong> dem Erlaß des angefochtenen Urteils fast fünf<br />
Jahre vergangen sind (vgl. BGH NStZ 1983, 167; BGH, Urteil vom 4. März 1980<br />
5 StR 14/80). Das Landgericht hätte darlegen müssen, worauf dies beruht <strong>und</strong> ob die<br />
Voraussetzungen einer Strafmilderung wegen <strong>überlange</strong>r Verfahrensdauer vorliegen (vgl.<br />
hierzu Dreher/Tröndle, StGB 41.Aufl. § 46 Rdn. 35 mit Rechtsprechungsnachw.)."<br />
15. BGH, Urt. v. 6.5.1986 - 5 StR 92/86<br />
(bei Pfeiffer / Miebaeh, NStZ 1987, S. 19)<br />
"Das Schwurgericht hat den Angeklagten wegen am 14. April 1940 in Josefow (Polen)<br />
begangener Beihilfe zum gemeinschaftlichen Mord in 161 Fällen zu vier Jahren Freiheitsstrafe<br />
verurteilt. Der Senat hat auf die Revision des Angeklagten dieses Urteil im<br />
Strafausspruch mit den betreffenden Feststellungen aufgehoben <strong>und</strong> die Revision zum<br />
Schuldspruch verworfen. Das neu erkennende Schwurgericht hat das Verfahren wegen<br />
<strong>überlange</strong>r <strong>Dauer</strong> eingestellt. Hiergegen wendet sich die Revision der Staatsanwaltschaft.<br />
Sie hat Erfolg.<br />
<strong>Die</strong> angegriffene Entscheidung kann schon deshalb nicht bestehenbleiben, weil das<br />
Schwurgericht sie auch damit begründet, der Angeklagte habe in einem für ihn unausweichlichen<br />
Befehlsnotstand gehandelt <strong>und</strong> im Falle einer Befehlsverweigerung um sein<br />
Leben fürchten müssen. <br />
Außerdem begründet eine <strong>überlange</strong> Verfahrensdauer nach der Rechtsprechung des<br />
B<strong>und</strong>esgerichtshofs kein Verfahrenshindernis (BGHSt 24, 239; 27, 274; BGH NStZ<br />
1982, 291 <strong>und</strong> 1983, 135). Der Senat hält an dieser Auffassung, die er schon früher<br />
vertreten hat (Urteil vom 5. Juli 1977 - 5 StR 771/76 - <strong>und</strong> Beschluß vom 25. Oktober<br />
1977 - 5 StR 616/77 -), jedenfalls für die Fälle fest, in denen der Tatrichter dem<br />
Zeitablauf bei der Strafzumessung, in den gesetzlich vorgesehenen Fällen auch durch<br />
Absehen <strong>von</strong> Strafe, oder sonst durch Anwendung <strong>und</strong> Auslegung des Straf- <strong>und</strong> <strong>Strafverfahren</strong>srechts<br />
in angemessener Weise Rechnung tragen kann (vgl. auch den Beschluß<br />
eines Vorprüfungsausschusses des B<strong>und</strong>esverfassungsgerichts vom 24. November 1983<br />
- NJW 1984, 967). Im vorliegenden Fall wird der Tatrichter bei der neuen Entscheidung<br />
die Vorschrift des § 47 Abs. 2 MStGB zu prüfen haben."
282 Anhang<br />
16. BGH, Urt. v. 5.7.1990 -1 StR 135/90<br />
(bei Detter, NStZ 1991, S. 274)<br />
"<strong>Die</strong> Strafzumessung ist nicht zu beanstanden. Das Landgericht hat die Verzögerung<br />
des Verfahrens hinreichend gewertet, auch unter dem Gesichtspunkt des Artikels 6 Abs. 1<br />
Satz 1 MRK."<br />
Schrifttumsverzeichnis<br />
Achenbach, Hans: Anmerkung zu BGH, Beschl. v. 16.<strong>3.</strong>1989 -<br />
1989, S. 513-518.<br />
I StR 608/88. In: StV<br />
- Historische <strong>und</strong> dogmatische Gr<strong>und</strong>lagen der strafrechtssystematischen Schuldlehre.<br />
Berlin 1974.<br />
Adam, Robert: Mißstände im Geschworenendienst der USA. In: DRiZ 1974, S. 261 f.<br />
Alberts, Martin: <strong>Die</strong> Feststellung doppelt relevanter Tatsachen in der strafprozessualen<br />
Revisionsinstanz. Berlin 1990.<br />
Allfeld, Philipp: Lehrbuch des deutschen Strafrechts. Allgemeiner Teil. 9. Aufl. Leipzig<br />
1934.<br />
Alsberg, Max: Der Beweisantrag im Strafprozeß. 1. Aufl. Berlin 1930.<br />
- / Nüse, Karl-Heinz / Meyer, Karlheinz: Der Beweisantrag im Strafprozeß. 5. Aufl.<br />
Köln - Berlin - Bonn - München 198<strong>3.</strong><br />
Altenhain, Adolf: <strong>Die</strong> Rechtsprechung der Strafsenate zum Rechtsschutz gegen Justizverwaltungsakte<br />
auf dem Gebiet des Strafrechts. In: DRiZ 1966, S. 361 - 366.<br />
- <strong>Die</strong> Rechtsprechung der Strafsenate zum Rechtsschutz gegen Justizverwaltungsakte<br />
auf dem Gebiet des Strafrechts. In: DRiZ 1970, S. 105 - 110.<br />
Alternativkommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch. Hrsg. v. R. Wassermann. Neuwied<br />
Darmstadt 1979 - 1990.<br />
Alternativkommentar zum Strafvollzugsgesetz. <strong>3.</strong> Aufl. Hrsg. v. R. Wassermann. Neuwied<br />
- Darmstadt 1990.<br />
Alternativkommentar zur Strafprozeßordnung. Hrsg. v. R. Wassermann. Neuwied<br />
Darmstadt 1988.<br />
Alternativkommentar zur Zivilprozeßordnung. Hrsg. v. R. Wassermann. Neuwied-<br />
Darmstadt 1987.<br />
Amelung, Knut: Informationsbeherrschungsrechte im Strafprozeß. Berlin 1990.<br />
- Rechtsschutz gegen strafprozessuale Gr<strong>und</strong>rechtseingriffe. Berlin 1976.<br />
Amelung, Martin: <strong>Die</strong> Einlassung des Mandanten im Strafprozeß. In: Strafverteidigung<br />
<strong>und</strong> Strafprozeß, Festgabe für Ludwig Koch, Heidelberg 1989, S. 145-150.<br />
Amelumen, Clemens: <strong>Die</strong> Revision der Staatsanwaltschaft. Lübeck 1980.<br />
Amendt, Wolfgang: <strong>Die</strong> Verfassungsmäßigkeit der strafprozessualen Sicherheitsleistungsvorschriften<br />
(§§ 116, 116a; 127a; 132 StPO). Berlin 1986.<br />
Arloth, Frank: Verfahrenshindernis <strong>und</strong> Revisionsrecht. In: NJW 1985, S. 417 f.<br />
Arndt, Adolf: Anmerkung zu OLG Düsseldorf, Urt. v. <strong>3.</strong>5.1961 -<br />
NJW 1961, S. 1734 f.<br />
(2) Ss 249/61. In:
284 Schrifttumsverzeichnis Schrifttumsverzeichnis 285<br />
- Anmerkung zu OLG Schleswig, Urt. v. 1.8.1962 - I Ss 295/62. In: NJW 1963,<br />
S.455.<br />
- Zum Problem der strafrechtlichen Verjährung. In: JZ 1965, S. 145-149.<br />
Umwelt <strong>und</strong> Recht. In: NJW 1962, S. 25-27.<br />
Umwelt <strong>und</strong> Recht. In: NJW 1963, S. 432-434.<br />
Arzt, Gunther: Buchbesprechung: Lübbe-Wolff, G., <strong>Die</strong> Gr<strong>und</strong>rechte als Eingriffsabwehrrechte;<br />
Hermes, G. / Wieland, J., <strong>Die</strong> staatliche Duldung rechtswidrigen Verhaltens.<br />
In: GA 1990, S. 325 f.<br />
Der befangene Strafrichter. Tübingen 1969.<br />
Zum Verhältnis <strong>von</strong> Strengbeweis <strong>und</strong> freier Beweiswürdigung. In: Einheit <strong>und</strong><br />
Vielfalt des Strafrechts, Festschrift für Karl Peters, Tübingen 1974, S. 223-237.<br />
Asbrock, Bernd: Gr<strong>und</strong>züge <strong>und</strong> Besonderheiten eines <strong>Strafverfahren</strong>s <strong>und</strong> einer Gerichtsverfassung<br />
für Jungerwachsene im Rahmen eines zukünftigen Jungtäterrechts nach<br />
Herabsetzung des Volljährigkeitsalters auf 18 Jahre. Diss. iur. Bremen 1975.<br />
Bächle, Hans-Ulrich : <strong>Die</strong> angemessene Frist für die Untersuchungshaftdauer (Art. 5, 6<br />
MenschRKonv.). In: NJW 1965, S. 475-477.<br />
Baldus, Paulheinz: Diskussionsbeitrag. In: Niederschriften über die Sitzungen der Großen<br />
Strafrechtskornmission, 4. Bd., Bonn 1958, S. 284 f.<br />
Bartsch, Hans-Jürgen: <strong>Dauer</strong> der Untersuchungshaft <strong>und</strong> Europäische Menschenrechtskonvention<br />
- Europäischer Gerichtshoffür Menschenrechte, DVBI. 1968,968 (Fall<br />
Wemhoff). In: JuS 1970, S. 445-450.<br />
- Richtermangel <strong>und</strong> <strong>Dauer</strong> der Untersuchungshaft. In: NJW 1973, S. 1303 -1307.<br />
Batereau, Ludwig Hans: <strong>Die</strong> Schuldspruchberichtigung. Göttingen 1971.<br />
Bauer, Manfred: <strong>Die</strong> Gegenvorstellung im Zivilprozeß. Berlin 1990.<br />
Baumann, Jürgen: <strong>Die</strong> Bedeutung des Art. 2 GG für die Freiheitsbeschränkung im<br />
Strafprozeß. In: Festschrift für Eberhard Schmidt, Göttingen 1961, S. 525 -550.<br />
Kritische Bemerkungen zum Gesetz über die Entschädigung für Strafverfolgungsmaßnahmen.<br />
In: Festschrift für Ernst Heinitz, Berlin - New York 1972, S. 705 -714.<br />
Von der Grauzone zur rechtsstaatlichen Regelung. In: NStZ 1987, S. 157 -162.<br />
<strong>Die</strong> strafrechtliche Problematik der nationalsozialistischen Gewaltverbrechen. In:<br />
Henkys, R., <strong>Die</strong> nationalsozialistischen Gewaltverbrechen, Stuttgart - Berlin 1964,<br />
S. 267 - 321.<br />
- <strong>Die</strong> große Reform im Strafrecht - Eine nicht unkritische Würdigung. In: Nörr,<br />
K. W. (Hrsg.), 40 Jahre B<strong>und</strong>esrepublik Deutschland - 40 Jahre Rechtsentwicklung,<br />
Tübingen 1990, S. 293-324.<br />
- <strong>Die</strong> Situation des deutschen Strafprozesses. In: Festschrift für Ulrich Klug, 2. Bd.,<br />
Köln 1983, S. 459-475.<br />
- / Weber, Ulrich: Strafrecht. Allgemeiner Teil. 9. Auf!. Bielefeld 1985.<br />
Baumbach, Adolf: Juristische R<strong>und</strong>schau. In: DJZ 1934, Sp. 125-129.<br />
Baumbach / Lauterbach. Zivilprozeßordnung. Kommentar. 48. Auf!. Bearb. v. J. Albers<br />
<strong>und</strong> P. Hartmann. München 1990.<br />
Baumgärtei, Gottfried: <strong>Die</strong> Beweisvereitelung im Zivilprozeß. In: Festschrift für Winfried<br />
Kralik, Wien 1986, S. 63 -74.<br />
- Eine Rechtstatsachenuntersuchung über die Ursachen der zu langen Prozeßdauer.<br />
In: JZ 1971, S.441-449.<br />
- / Hohmann, Ge"rhard: Rechtstatsachen zur <strong>Dauer</strong> des Zivilprozesses (zweite Instanz).<br />
Köln - Berlin - Bonn - München 1972.<br />
- / Mes, Peter: Rechtstatsachen zur <strong>Dauer</strong> des Zivilprozesses (erste Instanz). Köln<br />
Berlin - Bonn - München 1971.<br />
Baur, Fritz: Der Anspruch auf rechtliches Gehör. In: AcP 153 (1954), S. 393-412.<br />
- Einige Bemerkungen über die "Zeit" im Zivilprozeß. In: Festschrift für Gottfried<br />
Baumgärtei, Köln - Berlin - Bonn - München 1990, S. 1-5.<br />
- Justizaufsicht <strong>und</strong> richterliche Unabhängigkeit. Tübingen 1954.<br />
- Richterliche Verstöße gegen die Prozeßförderungspf!icht. In: Festschrift für Karl<br />
Heinz Schwab, München 1990, S. 53-60.<br />
- Wege zu einer Konzentration der mündlichen Verhandlung im Prozeß. Berlin 1966.<br />
Baxhenrich, Bernhard: <strong>Die</strong> Verhandlungsfähigkeit des Angeklagten. Diss. iur. Münster<br />
1979.<br />
Beccaria, Cesare: Über Verbrechen <strong>und</strong> Strafen (1766). Neu hrsg. Frankfurt/M. 1966.<br />
Becker, Nicolas: Anmerkung zu BGH, Urt. v. 2<strong>3.</strong>7.1985 - 5 StR 155/85 (BGHSt 33,<br />
S. 283). In: StV 1985, S. 399-401.<br />
Behrendt, Hans Joachim: <strong>Die</strong> Rechtsbeugung. In: JuS 1989, S. 945 -952.<br />
Beling, Ernst: Gr<strong>und</strong>züge des Strafrechts. 11. Auf!. Tübingen 1930.<br />
Bemmann, Günter: Zur Frage der nachträglichen Verlängerung der Strafverfolgungsverjährung.<br />
In: JuS 1965, S. 333 - 340.<br />
- Zum Wesen der Rechtsbeugung. In: GA 1969, S. 65 -70.<br />
Bender, Bernd: Staatshaftungsrecht. 2. Auf!. Karlsruhe 1974.<br />
Bender, Rolf: Das Beweismilß. In: Festschrift für Fritz Baur, Tübingen 1981, S. 247 - 271.<br />
- Das "Sandhaufentheorem". Ein Beitrag zur Regelungstechnik in der Gesetzgebungslehre.<br />
In: Gesetzgebungstheorie, Juristische Logik, Zivil- <strong>und</strong> Prozeßrecht, Gedächtnisschrift<br />
für Jürgen Rödig, Berlin - Heidelberg - New York 1978, S. 34-42.<br />
- / Heissler, Brigitte: Rechtstatsachenforschung zur Reform des <strong>Strafverfahren</strong>s. In:<br />
ZRP 1978, S. 30-3<strong>3.</strong><br />
Benz, Heribert: Einschränkung der Besetzungsrüge durch Einführung einer Rügepräklusion.<br />
In: ZRP 1977, S. 250 f.<br />
Berckhauer, Friedrich Helmut: Forschungsbericht über die B<strong>und</strong>esweite Erfassung <strong>von</strong><br />
Wirtschaftsstraftaten nach einheitlichen Gesichtspunkten im Jahre 1974. Freiburg<br />
1976.<br />
- <strong>Die</strong> Strafverfolgung bei schweren Wirtschaftsdelikten. Freiburg 1981.<br />
- / Rada, H. D.: Forschungsbericht über die B<strong>und</strong>esweite Erfassung <strong>von</strong> Wirtschaftsstraftaten<br />
nach einheitlichen Gesichtspunkten im Jahre 1975. Freiburg 1977.
286 Schrifttumsverzeichnis Schrifttumsverzeichnis 287<br />
Berz, Ulrich: Polizeilicher agent provocateur <strong>und</strong> Tatverfolgung - BGH, NJW 1981,<br />
1626. In: JuS 1982, S.416-421.<br />
- Möglichkeiten <strong>und</strong> Grenzen einer Beschleunigung des <strong>Strafverfahren</strong>s. In: NJW<br />
1982, S. 729-735.<br />
Bethke: Teilurteile in Strafprozessen. In: DJZ 1932, Sp. 1470.<br />
Bettermann, Karl August: Der gesetzliche Richter in der Rechtsprechung des B<strong>und</strong>esverfassungsgerichts.<br />
In: AöR 94 (1969), S. 263-312.<br />
- <strong>Die</strong> Unabhängigkeit der Gerichte <strong>und</strong> der gesetzliche Richter. In: Bettermann,<br />
K. A. / Nipperdey, H. C. / Scheuner, U. (Hrsg.), <strong>Die</strong> Gr<strong>und</strong>rechte, <strong>3.</strong> Bd., 2. Halbbd.,<br />
Berlin 1959, S. 523-642.<br />
- / Loh, Emesto: Verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Besteuerung <strong>von</strong> Altkontrakten<br />
durch das Absicherungsgesetz. In: BB 1969, S. 70-72.<br />
Beulke, Wemer: <strong>Die</strong> Strafbarkeit des Verteidigers. Heidelberg 1989.<br />
- Der Verteidiger im <strong>Strafverfahren</strong>. Frankfurt/M. 1980.<br />
Binding, Karl: Strafrechtliche <strong>und</strong> strafprozessuale Abhandlungen. 2. Bd. München<br />
Leipzig 1915.<br />
- Handbuch des Strafrechts. I. Bd. Leipzig 1885.<br />
- Lehrbuch des Gemeinen Deutschen Strafrechts. Besonderer Teil. 2. Bd., 2. Abt.<br />
Leipzig 1905.<br />
- <strong>Die</strong> Normen <strong>und</strong> ihre Übertretung. I. Bd. 1. Auf!. Leipzig 1872.<br />
- <strong>Die</strong> Normen <strong>und</strong> ihre Übertretung. I. Bd. 2. Auf!. Leipzig 1890.<br />
Blankenburg, Erhard: Mehr Justiz, aber weniger Gerechtigkeit? In: ZRP 1986, S. 262<br />
267.<br />
- Zur Soziologie der obersten Gerichte. In: KritV 1988, S. 97 -11<strong>3.</strong><br />
- / Blankenburg, Viola / Erlbruch, Volker / Feest, Christa: <strong>Die</strong> <strong>Dauer</strong> <strong>von</strong> Zivilprozessen<br />
erster Instanz vor dem Landgericht. Freiburg 1970.<br />
- / Morasch, Hellmuth / Wolff, Heimfried: <strong>Die</strong> <strong>Dauer</strong> der Zivilprozesse. In: Blankenburg,<br />
E. (Hrsg.), Empirische Rechtssoziologie, München 1975, S. 235-247.<br />
- / Sessar, Klaus / Steffen, Wiebke: <strong>Die</strong> Staatsanwaltschaft im Prozeß strafrechtlicher<br />
Sozialkontrolle. Berlin 1978.<br />
Blau, Günter: Anmerkung zu BGH, Beschl. v. 6.10.1988-4 StR 460/88. In: JR 1989,<br />
S. 337 f.<br />
- Anmerkung zu BGH, Urt. v. 31.10.1989 - I StR 419/89 (BGHSt 36, S. 286). In:<br />
JR 1990, S. 294 f.<br />
- Promillegrenze <strong>und</strong> verminderte Schuld. In: BA 1989, S. 1-6.<br />
Blau, Joachim: Schmücker-Prozeß: Auf eines Neues! In: DuR 1989, S. 251-255.<br />
Blei, Hermann: Anmerkung zu BGH, Urt. v. 1<strong>3.</strong>2.1974 - 2 StR 552/73 (BGHSt 25,<br />
S. 285). In: JA 1974, S. 468 f.<br />
Strafrecht I. Allgemeiner Teil. 18. Auf!. München 198<strong>3.</strong><br />
Strafrecht H. Besonderer Teil. 12. Auf!. München 198<strong>3.</strong><br />
Blomeyer, Arwed: Der Rechtsschutzanspruch im Zivilprozeß. In: Festschrift für Eduard<br />
Bötticher. Berlin 1969, S. 61-75.<br />
- <strong>Die</strong> Umkehr der Beweislast. In: AcP 158 (1959/60), S. 97-106.<br />
Blomeyer, Jürgen: <strong>Die</strong> Haftung des Staates für die Verzögerung <strong>von</strong> Zivilprozessen. In:<br />
NJW 1977, S. 557-561.<br />
Bloy, Rene: <strong>Die</strong> dogmatische Bedeutung der Strafausschließungs- <strong>und</strong> Strafaufhebungsgründe.<br />
ßerlin 1976.<br />
- Zur Systematik der Einstellungsgründe im <strong>Strafverfahren</strong>. In: GA 1980, S. 161-18<strong>3.</strong><br />
Blumers, Wl>lfgang / Göggerle, Wemer: Handbuch des Verteidigers <strong>und</strong> Beraters im<br />
Steuerstrafverfahren. 2. Auf!. Köln 1989.<br />
Bockelmann, Paul: Das rechtliche Gehör im Verkehrsprozeß. In: DAR 1963, S. 231-235.<br />
- Referat. In: Niederschriften über die Sitzungen der Großen Strafrechtskommission,<br />
2. Bd., Bann 1958, S. 329-332.<br />
- Strafrecht. Besonderer Teil/<strong>3.</strong> München 1980.<br />
- / Volk, Klaus: Strafrecht. Allgemeiner Teil. 4. Auf!. München 1987.<br />
Bode, Hans Jürgen: Verständigung im Strafprozeß. In: DRiZ 1988, S. 281-288.<br />
- Vorschläge zur Vereinfachung des <strong>Strafverfahren</strong>s. In: DRiZ 1982, S.454-458.<br />
Böckenjörde, Emst-Wolfgang: Zur verfassungsrechtlichen Beurteilung der Einführung<br />
der Unverjährbarkeit des Mordes. In: ZStW 91 (1979), S. 888-901.<br />
Böttcher, Reinhard: Knappe Ressourcen im Strafrecht - Sicherung der Rechtsschutzgewährung<br />
durch den Strafrichter. In: DRiZ 1983, S. 127-132.<br />
Bötticher, Eduard: Buchbesprechung: Bettermann, K. A. / Nipperdey, H. C. / Scheuner,<br />
U. (Hrsg.), <strong>Die</strong> Gr<strong>und</strong>rechte, <strong>3.</strong> Bd., 2. Halbbd. In: ZZP 74 (1961), S. 314-320.<br />
Bohnert, Joachim: Beschränkungen der strafprozessualen Revision durch Zwischenverfahren.<br />
Frankfurt/M. 198<strong>3.</strong><br />
- <strong>Die</strong> Einstellungsbeschlüsse nach §§ 206a, 206b StPO. In: GA 1982, S. 166- 177.<br />
- Ordnungs vorschriften im <strong>Strafverfahren</strong>. In: NStZ 1982, S. 5 - 10.<br />
Boldt, Gottfried: Zur Einführung des Jugendarrests. In: DR 1940, S. 2033-2037.<br />
Bonner Kommentar zum Gr<strong>und</strong>gesetz. Bearb. v. H. J. Abraham u. a. Stand: 60. Lfg.<br />
Zweitbearb. Heidelberg 1990.<br />
Bomkamm, Joachim: Pressefreiheit <strong>und</strong> Faimeß des <strong>Strafverfahren</strong>s. Baden-Baden 1980.<br />
eine Syste<br />
Bottke, Wilfri ed: Rechtsbehelfe der Verteidigung im Ermittlungsverfahren -<br />
matisierung. In: StV 1986, S. 120-125.<br />
Boujong, Karlheinz: Staatshaftung für legislatives <strong>und</strong> normatives Unrecht in der neueren<br />
Rechtspre chung des B<strong>und</strong>esgerichtshofs. In: Verantwortlichkeit <strong>und</strong> Freiheit, Festschrift<br />
für Willi Geiger, Tübingen 1989, S. 430-444.<br />
Brauns, V.: Erläuterung zu BVerfG (Vorprüfungsausschuß), Beschl. v. 24.11.1983 <br />
2 BvR 121/8<strong>3.</strong> In: JA 1984, S. 759 f.<br />
Brüssow, Rainer: Auswirkungen der neueren Gesetzesänderungen zum <strong>Strafverfahren</strong>s<strong>und</strong><br />
Ordnungswidrigkeitenrecht auf die tägliche Praxis des Strafverteidigers. In: AG<br />
Strafrecht des DAV 4 (1988), S. 79-98.
288 Schrifttumsverzeichnis Schrifttumsverzeichnis 289<br />
- Strafprozeßreform in Raten? In: Strafverteidigung <strong>und</strong> Strafprozeß, Festgabe für<br />
Ludwig Koch, Heidelberg 1989, S. 57 - 74.<br />
Bruns, Hans-Jürgen: Ablehnung eines Staatsanwalts aus den Gründen des § 24 StPO,<br />
insbesondere wegen Besorgnis der Befangenheit? In: Aktuelle Probleme des Internationalen<br />
Strafrechts, Geburtstagsgabe für Heinrich Grützner, Hamburg 1970, S. 42<br />
5<strong>3.</strong><br />
Anmerkung zu BGH, Urt. v. I. 7.1980 - I StR 250/80. In: JR 1981, S. 249 f.<br />
Anmerkung zu BGH, Beschl. v. 19.4.1985 - 2 StR 317/84 (BGHSt 33, S. 183).<br />
In: NStZ 1985, S. 564 f.<br />
- Anmerkung zu BGH, Urt. v. 16.12.1987 (BGHSt 35, S. 148). In: JZ 1988, S. 467 f.<br />
- "Zur Frage der Folgen tatprovozierenden Verhaltens polizeilicher Lockspitzel" -<br />
Eine Besprechung des Urteils BGH I StR 148/84 v. 2<strong>3.</strong>5.84. In: StV 1984, S. 388<br />
394.<br />
Ungeklärte verfahrensrechtliche Fragen des Contergan-Prozesses. In: Festschrift für<br />
Reinhart Maurach, Karlsruhe 1972, S. 469-486.<br />
Leitfaden der Strafzumessungsrechts. I. Aufl. Köln - Berlin - Bonn - München 1980.<br />
Das Recht der Strafzumessung. 2. Aufl. Köln - Berlin - Bonn - München 1985.<br />
Referat. In: Verhandlungen des 50. DIT, 2. Bd., München 1974, S. K 66-K 86.<br />
Richterliche Rechtsfortbildung oder unzulässige Gesetzesänderungen der Strafdrohung<br />
für Mord? In: JR 1981, S. 358 - 36<strong>3.</strong><br />
Strafzumessungsrecht. Allgemeiner Teil. I. Aufl. Köln - Berlin - Bonn - München<br />
1967.<br />
Strafzumessungsrecht. 2. Aufl. Köln - Berlin - Bonn - München 1974.<br />
- Neues Strafzumessungsrecht? Köln - Berlin - Bonn - München 1988.<br />
- Über die Unterschreitung der Schuldrahmengrenze aus schuldunabhängigen Strafmilderungsgründen<br />
- "Auflockerung" der Spielraumtheorie? In: MDR 1987, S. 177<br />
182.<br />
- "Widerspruchsvolles" Verhalten des Staates als neuartiges Strafverfolgungsverbot<br />
<strong>und</strong> Verfahrenshindernis, insbesondere beim tatprovozierenden Einsatz polizeilicher<br />
Lockspitzel. In: NStZ 1983, S. 49-56.<br />
Bull, Hans Peter: Rechtsstaat <strong>und</strong> Verfahrensverschleppung. In: NJW 1957, S. 1100 f.<br />
Caesar, Peter: Absprachen im Strafprozeß. In : RuP 1990, S. 45-49.<br />
Calliess, Rolf-Peter / Müller-<strong>Die</strong>tz, Heinz: Strafvollzugsgesetz. Kommentar. 4. Aufl.<br />
München 1986.<br />
Canaris, Claus-Wilhelm: <strong>Die</strong> Vertrauenshaftung im deutschen Privatrecht. München<br />
1971.<br />
Creutz, Marcus: Verfassungsrechtliche Probleme des Lockspitzeleinsatzes. In: ZRP 1988,<br />
S.415-420.<br />
Dästner, Christian: Verfahrensbeschleunigung bei Großverfahren auf Kosten des Rechtskraftbegriffs?<br />
In: RuP 1978, S. 219-226.<br />
Dahs, Hans: Absprachen im Strafprozeß. In: NStZ 1988, S. 153-159.<br />
<strong>Die</strong> Beschlagnahme <strong>von</strong> Verteidigungsmaterial <strong>und</strong> die Ausforschung der Verteidigung.<br />
In: Gedächtnisschrift für Karlheinz Meyer, Berlin - New York 1990, S. 61-79.<br />
Bewältigung großer Strafprozesse - um welchen Preis? In: NJW 1974, S. 1538<br />
154<strong>3.</strong><br />
_ Das rechtliche Gehör im Strafprozeß. München - Berlin 1965.<br />
- Handbuch des Strafverteidigers. 5. Aufl. Köln 198<strong>3.</strong><br />
_<br />
Zur Rechtswirksamkeit des nach der Urteilsverkündung "herausgefragten" Rechtsmittelverzichts.<br />
In: Festschrift für Erich Schmidt-Leichner, München 1977, S. 17 - 30.<br />
_ <strong>Die</strong> Relativierung absoluter Revisionsgründe. In: GA 1976, S. 353 - 360.<br />
Dahs sen., Hans/ Dahs, Hans: <strong>Die</strong> Revision im Strafprozeß. 4. Aufl. München 1987.<br />
Danckert, Peter: Anmerkung zu BGH, Urt. v. 2.12.1986 -<br />
1988, S. 282-286.<br />
I StR 433/86. In: StV<br />
Daub, Ute: Das BGH-Urteil im "Euthanasie"-Prozeß. In: KritJ 22 (1989), S. 328-331.<br />
Dechsling, Rainer: Das Verhältnismäßigkeitsgebot. München 1989.<br />
Dencker, Friedrich: <strong>Die</strong> Anrechnung der Untersuchungshaft. In: MDR 1971, S. 627 -630.<br />
- <strong>Die</strong> Bagatelldelikte im Entwurf eines EGStGB. In: JZ 1973, S. 144-151.<br />
- Das Geständnis im Straf- <strong>und</strong> Strafprozeßrecht. In: ZStW 102 (1990), S. 51-79.<br />
- Zur Zulässigkeit staatlich gesteuerter Deliktsbeteiligung. In: Festschrift für Hanns<br />
Dünnebier, Berlin - New York 1982, S. 447 -464.<br />
- / Hamm, Rainer: Der Vergleich im Strafprozeß. Frankfurt/M. 1988.<br />
Dette, Hans Walter: Venire contra factum proprium nulli conceditur. Berlin 1985.<br />
Detter, Klaus: Zum Strafzumessungs- <strong>und</strong> Maßregelrecht. In: NStZ 1990, S. 173 - 177;<br />
221- 226.<br />
Dodenhoff, Heinrich: Diskussionsbeitrag. In: Maier, I. (Hrsg.), Europäischer Menschenrechtsschutz,<br />
Heidelberg 1982, S. 313-315.<br />
Döhring, Erich: <strong>Die</strong> Erforschung des Sachverhalts im Prozeß. Berlin 1964.<br />
- Geschichte der deutschen Rechtspflege seit 1500. Berlin 195<strong>3.</strong><br />
Doller, Hans: Anmerkung zu BGH, Urt. v. 27.5.1987 - 3 StR 112/87. In: NStZ 1988,<br />
S. 219 f.<br />
- Klippen der Revisionsbegründung. In: MDR 1977, S. 370 f.<br />
Dreher, Eduard: <strong>Die</strong> Behandlung der Bagatellkriminalität. In: Festschrift für Hans Welzel,<br />
Berlin - New York 1974, S. 917 -940.<br />
- Staatsanwalt <strong>und</strong> Verteidiger. In: <strong>Strafverfahren</strong> im Rechtsstaat, Festschrift für Theodor<br />
Kleinknecht, München 1985, S. 91-112.<br />
- Zweifelsfragen zur Anrechnung der Untersuchungshaft nach der Neufassung des<br />
§ 60 StGB. In: MDR 1971, S. 965-971.<br />
- / Tröndle, Herbert: Strafgesetzbuch. Kommentar. 44. Aufl. München 1988.<br />
Driendl, Johannes: Verfahrensökonomie <strong>und</strong> Strafprozeßreform. Bochum 1984.<br />
Drywa, Jürgen: <strong>Die</strong> materiellrechtlichen Probleme des V-Mann-Einsatzes. Pfaffenweiler<br />
1987.<br />
19 Scheffle,
290 Schrifttumsverzeichnis Schrifttumsverzeichnis 291<br />
Dubischar, Roland: Gr<strong>und</strong>sätze der Beweislastverteilung im Zivil- <strong>und</strong> Verwaltungsprozeß.<br />
In: JuS 1971, S. 385 - 394.<br />
Dünnebier, Hanns: Über Änderungen im Recht der Verteidigung. In: Strafrecht, Unternehmensrecht,<br />
Anwaltsrecht, Festschrift für Gerd Pfeiffer, Köln - Berlin - Bonn <br />
München 1988, S. 265-286.<br />
- Das beschleunigte Verfahren. In: GA 1959, S. 272-276.<br />
Dütz, Wilhelm: Rechtsstaatlicher Gerichtsschutz im Privatrecht. Berlin - Zürich 1970.<br />
- Verwirkung des Rechts auf Anrufung der Gerichte. In: NJW 1972, S. 1025 -1028.<br />
Ebermayer, Ludwig: Monstreprozesse. In: DRiZ 1932, S. 123 f.<br />
Echterhölter, Rudolf: <strong>Die</strong> Europäische Menschenrechtskonvention in der juristischen<br />
Praxis. In: JZ 1956, S. 142-146.<br />
- <strong>Die</strong> Europäische Menschenrechtskonvention im Rahmen der verfassungsmäßigen<br />
Ordnung. In: JZ 1955, S. 689 -69<strong>3.</strong><br />
Ehrig, Hans-Joachim: Buchbesprechung: Maeffert, U., Strafjustiz, Vom Niedergang des<br />
Rechts auf Verteidigung. In: StV 1990, S. 139.<br />
Eisenberg, Ulrich: Jugendgerichtsgesetz mit Erläuterungen. <strong>3.</strong> Auf!. München 1988.<br />
- Kriminologie. <strong>3.</strong> Auf!. Köln - Berlin - Bonn - München 1990.<br />
Elendt, Gerd: <strong>Die</strong> Mäuse <strong>und</strong> die Mühlen der Justiz. In: Stern 50/1988 v. 8.12.1988,<br />
S. 130-134.<br />
Ellersiek, Dirk: <strong>Die</strong> Beschwerde im Strafprozeß. Berlin 1981.<br />
Elfferding, Rainer: Schmücker-Prozeß: Der Verfassungsschutz als "Herr des <strong>Strafverfahren</strong>s".<br />
In: CHip 28 (1987), S. 31-65.<br />
Engels, <strong>Die</strong>ter: Beweisantizipationsverbot <strong>und</strong> Beweiserhebungsumfang im Strafprozeß.<br />
In: GA 1981, S. 21-36.<br />
Enneccerus, Ludwig / Lehmann, Heinrich: Recht der Schuldverhältnisse. 15. Auf!. Tübingen<br />
1958.<br />
- / Nipperdey, Hans Carl: Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts. 2. Halbbd.<br />
15. Auf!. Tübingen 1960.<br />
Erhs, Georg: Unzulässige Vernehmungsmethoden. In: NJW 1951, S. 386-390.<br />
Erichsen, Hans-Uwe: Baudispens <strong>und</strong> Übermaßverbot. In: DVB!. 1967, S 269-275.<br />
Erker, Martin: Das Beanstandungsrecht gern. § 238 11 StPO. Berlin 1988.<br />
Erman. Handkommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch. 8. Auf!. Hrsg. v. H. P. Westermann.<br />
Münster 1989.<br />
Eser, Albin: Absehen <strong>von</strong> Strafe - Schuldspruch unter Strafverzicht. In: Festschrift für<br />
Reinhart Maurach, Karlsruhe 1972, S. 257 -27<strong>3.</strong><br />
Das rechtliche Gehör im Strafbefehls- <strong>und</strong> Strafverfügungsverfahren. In: JZ 1966,<br />
S.660-669.<br />
Irritationen um das "Fernziel". Zur Verwerflichkeitsrechtsprechung bei Sitzblockaden.<br />
In: Wie würden sie entscheiden?, Festschrift für Gerd Jauch, München 1990,<br />
S. 35 -5<strong>3.</strong><br />
Esser, Josef: Einführung in die Gr<strong>und</strong>begriffe des Rechtes <strong>und</strong> Staates. Wien 1949.<br />
Felix, Günther: <strong>Die</strong> Finanzexekutive als agent provocateur der sog. verdeckten Parteienfinanzierung?<br />
In: DB 1983, S. 2728 f.<br />
Feuerbach, Anse1m Ritter <strong>von</strong>: Betrachtungen über die Oeffentlichkeit <strong>und</strong> Mündlichkeit<br />
der Gerechtigkeitspf!ege. 2. Bd. Gießen 1825.<br />
- <strong>Die</strong> hohe Würde des Richteramts (1817). In: ders., Kleine Schriften vermischten<br />
Inhalts, Nürnberg 1833, S.123-132.<br />
Fezer, Gerhard: Anmerkung zu BGH, Urt. v. 2<strong>3.</strong>5.1984 - 3 StR 102/84 (BGHSt 32,<br />
S. 357). In: NStZ 1986, S. 29 f.<br />
- Reform der Rechtsmittel in Strafsachen. Bericht über die Entstehung der gegenwärtigen<br />
Rechtsmittelvorschriften <strong>und</strong> die Bemühungen um ihre Reform. Hof! Saale 1974.<br />
- <strong>Strafverfahren</strong>srecht I. München 1986.<br />
Flurne, Werner: Steuerwesen <strong>und</strong> Rechtsordnung. In: Rechtsprobleme in Staat <strong>und</strong> Kirche,<br />
Festschrift für Rudolf Smend, Göttingen 1952, S. 59-101.<br />
Foth, Eberhard: Anmerkung zu BGH, Urt. v. 1<strong>3.</strong>2.1974 - 2 StR 552/73 (BGHSt 25,<br />
S. 285). In: NJW 1974, S. 1572.<br />
- Kann die Anstiftung durch eine V-Person ein Verfahrenshindernis begründen? In:<br />
NJW 1984, S. 221 f.<br />
Frank, Reinhard: Das Strafgesetzbuch für das Deutsche Reich. Kommentar. 18. Auf!.<br />
Tübingen 1931.<br />
Franzheim, Horst: Buchbesprechung: Strafverteidigung <strong>und</strong> Strafprozeß, Festschrift für<br />
Ludwig Koch. In: GA 1990, S. 331 f.<br />
- Der Einsatz <strong>von</strong> Agents provocateurs zur Ermittlung <strong>von</strong> Straftätern. In: NJW 1979,<br />
S.2014-2018.<br />
Frisch, Wolfgang: Ausschluß <strong>und</strong> Ablehnung des Staatsanwalts. In: Festschrift für Hans<br />
Jürgen Bruns, Köln - Berlin - Bonn - München 1978, S. 385-414.<br />
- Revisionsrechtliche Probleme der Strafzumessung. Köln - Berlin - Bonn - München<br />
1971.<br />
- Gegenwärtiger Stand <strong>und</strong> Zukunftsperspektiven der Strafzumessungsdogmatik. In:<br />
ZStW 99 (1987), S. 375-388; 751-805.<br />
- Tatbestandsprobleme der Strafvollstreckungsvereitelung. In: NJW 1983, S.2471<br />
2474.<br />
- Zum tatbestandsmäßigen Verhalten der Strafvereitelung - OLG Stuttgart, NJW<br />
1981,1569. In: JuS 1983, S. 915-924.<br />
Frowein, Jochen Abr.: Anmerkung zur Pakelli-Entscheidung des B<strong>und</strong>esverfassungsgerichts.<br />
In: ZaöRV 46 (1986), S. 286-289.<br />
- Der fre<strong>und</strong>schaftliche Ausgleich im Individualbeschwerdeverfahren nach der Menschenrechtskonvention<br />
<strong>und</strong> das deutsche Recht. In: JZ 1969, S. 213-217.<br />
- Das B<strong>und</strong>esverfassungsgericht <strong>und</strong> die Europäische Menschenrechtskonvention. In:<br />
Festschrift für Wolfgang Zeidler, 2. Bd., Berlin - New York 1987, S. 1763 - 1774.<br />
Entschädigung für Verletzungen <strong>von</strong> Gr<strong>und</strong>rechten. In: Des Menschen Recht zwischen<br />
Freiheit <strong>und</strong> Verantwortung, Festschrift für Kar! Josef Partseh, Ber!in 1989,<br />
S.317-326.<br />
19*
292 Schrifttumsverzeichnis Schrifttumsverzeichnis 293<br />
Der europäische Gr<strong>und</strong>rechtsschutz <strong>und</strong> die nationale Gerichtsbarkeit. Berlin - New<br />
York 198<strong>3.</strong><br />
<strong>Die</strong> Herausbildung europäischer Verfassungsprinzipien. In: Rechtsstaat <strong>und</strong> Menschenwürde,<br />
Festschrift für Werner Maihofer, Frankfurt/M. 1988, S. 149-158.<br />
- / Peukert, Wolfgang: Europäische Menschenrechtskonvention. Kommentar. Kehl<br />
Straßburg - Arlington 1985.<br />
- / Uisamer, Gerhard: Europäische Menschenrechtskonvention <strong>und</strong> nationaler Rechtsschutz.<br />
Heidelberg 1985.<br />
Füllkrug, Michael: Auf geheimen Wegen zum Ermittlungszie!. In: Krim 1987, S. 387<br />
391.<br />
Fuhrmann, Hans: Verwirkung des Rügerechts bei nicht beanstandeten Verfahrensverletzungen<br />
des Vorsitzenden (§ 238 Abs. 2 StPO). In: NJW 1963, S. 1230-1236.<br />
Gallas, Wilhelm: Diskussionsbeitrag. In: Niederschriften über die Sitzungen der Großen<br />
Strafrechtskommission, 4. Bd., Bonn 1958, S. 284.<br />
Diskussionsbeitrag. In: Niederschriften über die Sitzungen der Großen Strafrechtskommission,<br />
4. Bd., Bonn 1958, S. 348 f.<br />
- Diskussionsbeitrag. In: Niederschriften über die Sitzungen der Großen Strafrechtskommission,<br />
5. Bd., Bonn 1958, S. 104 f.<br />
Gallrein, Bemhard: Das schleunige Verfahren im Strafprozess. Breslau - Neukirch 1934.<br />
Gatzweiler, Norbert: Der "neue" Strafverteidigertyp <strong>und</strong> seine Umsetzung im DAV. In:<br />
Strafverteidigung <strong>und</strong> Strafprozeß, Festgabe für Ludwig Koch, Heidelberg 1989,<br />
S.93-10<strong>3.</strong><br />
Gaupp, Rolf <strong>Die</strong>trich: Beweisfragen im Rahmen ärztlicher Haftungsprozesse. Diss. iur.<br />
Tübingen 1969.<br />
Geerds, Friedrich: Gnade, Recht <strong>und</strong> Kriminalpolitik. Tübingen 1960.<br />
Geige!. Der Haftpflichtprozeß. 20. Aufl. Hrsg. v. G. Schlegelmilch. München 1990.<br />
Geiger, Willi: Zum Stil einer verfassungsgerichtlichen Entscheidungsbegründung, seinen<br />
Hintergründen <strong>und</strong> seinen Folgen - Beschluß einer Kammer des BVerfG vom 18.<br />
Oktober 1989. In: EuGRZ 1990, S. 173-181.<br />
Gelder, Alfons van: Ein neues Arbeitskampfrecht? In: AuR 1972, S. 97 -11<strong>3.</strong><br />
Geppert, Klaus: Amtsdelikte (§§ 331 ff StGB). In: Jura 1981, S. 42-51; 78-86.<br />
- Zur Beeinträchtigung der Verteidigung (hier: eines angeklagten V-Mann-Führers)<br />
durch behördliche Beschränkung der Aussagegenehmigung. JK 1989, StPO § 244<br />
II/5a <strong>und</strong> 5b.<br />
- Gedanken zur Rechtskraft <strong>und</strong> Beseitigung strafprozessualer Beschlüsse. In: GA<br />
1972, S. 165-18<strong>3.</strong><br />
Der Gr<strong>und</strong>satz der Unmittelbarkeit im deutschen <strong>Strafverfahren</strong>. Berlin - New York<br />
1979.<br />
Strafvereitelung durch Unterkunftsgewährung. JK 1981, StGB § 258/2.<br />
Strafprozessuales Verfahrenshindemis wegen <strong>überlange</strong>r Verfahrensdauer? JK 1983,<br />
MRK Art. 6/1.<br />
Verfahrenshindernis <strong>von</strong> Verfassungs wegen bei Kenntnis der StA vom Verteid.<br />
Konzept? JK 1985, StPO § 260 III/l.<br />
- Verwirkung des staat!. Strafanspruchs bei Tatprovokation durch poliz. Lockspitzel?<br />
JK 1985, StPO § 136a/2.<br />
Gerhardt, Walter: Beweisvereitelung im Zivilprozeßrecht. In: AcP 169 (1969), S. 289<br />
316.<br />
Gerland, Heinrich: Deutsches Reichsstrafrecht. 2. Aufl. Berlin - Leipzig 1932.<br />
- / Heilbron, Brigitte: Strafprozeß <strong>und</strong> Gerichtsverfassung. In: ZStW 55 (1936), S. 677<br />
719; 894-928.<br />
Giebeler, Ulrich: <strong>Die</strong> Erschöpfung der innerstaatlichen Rechtsbehelfe als Zulässigkeitsvoraussetzung<br />
der Menschenrechtsbeschwerde. Zugleich ein Vergleich mit der entsprechenden<br />
Regel des allgemeinen Völkerrechts <strong>und</strong> des Verfassungsbeschwerderechts.<br />
Diss. iur. Marburg 1972.<br />
Giesler, Detlev: Der Auschluß der Beschwerde gegen richterliche Entscheidungen im<br />
<strong>Strafverfahren</strong>. Bad Honnef 1981.<br />
Gilles, Peter: Zum Bedeutungszuwachs <strong>und</strong> Funktionswandel des Prozeßrechts. In: JuS<br />
1981, S. 402-409.<br />
Glasenapp, H. <strong>von</strong>: Nochmals: Möglichkeiten <strong>und</strong> Grenzen der Beschleunigung des<br />
<strong>Strafverfahren</strong>s. In: NJW 1982, S. 2057 f.<br />
Glitz, Hubertus: Gesetzmäßigkeitsprinzip <strong>und</strong> Übermaßverbot in ihrer Bedeutung für<br />
die Sachgemäßheit verwaltungsrechtlicher Auflagen. Diss. iur. Münster 1975.<br />
Göhler, Eduard: Ordnungswidrigkeitengesetz. Kommentar. 9. Aufl. München 1990.<br />
Gössel, Karl Heinz: Anmerkung zu BGH, Urt. v. 9.12.1983 -<br />
1984, S. 420-422.<br />
2 StR 452/8<strong>3.</strong> In: NStZ<br />
- Anmerkung zu KG, Beschl. v. 21.9.1987 - 4 Ws 254/87. In: OLGSt (neu) § 453<br />
StPO Nr. 2, S. 4-9.<br />
Strafrecht. Besonderer Teil. 1. Bd. Heidelberg 1987.<br />
<strong>Strafverfahren</strong>srecht. Stuttgart - Berlin - Köln - Mainz 1977.<br />
- Überlegungen zur Beschleunigung des <strong>Strafverfahren</strong>s. In: GA 1979, S. 241-251.<br />
Goethe, Johann Wolfgang <strong>von</strong>: Aus meinem Leben -<br />
Wien 1819 (Goethe's Werke, 19. Bd.).<br />
Dichtung <strong>und</strong> Wahrheit. <strong>3.</strong> Teil.<br />
Goldschmidt, James: Materielles Justizrecht. (Rechtsschutzanspruch <strong>und</strong> Strafrecht.) In:<br />
Festgabe für Bemhard Hübler, Berlin 1905, S. 85 -152.<br />
- Der Prozeß als Rechtslage. Berlin 1925.<br />
Gollwitzer, Karl Ernst: Einschränkungen des Beweisantragsrechts durch Umdeutung <strong>von</strong><br />
Beweisanträgen in Beweisanregungen. In: StV 1990, S. 420-424.<br />
Gollwitzer, Walter: Gerechtigkeit <strong>und</strong> Prozeßwirtschaftlichkeit. In: <strong>Strafverfahren</strong> im<br />
Rechtsstaat, Festschrift für Theodor Kleinknecht, München 1985, S. 147-171.<br />
Grabitz, Eberhard: Der Gr<strong>und</strong>satz der Verhältnismäßigkeit in der Rechtsprechung des<br />
B<strong>und</strong>esverfassungssgerichts. In: AöR 98 (1973), S. 568-616.<br />
Vertrauensschutz als Freiheitsschutz. In: DVB!. 1973, S. 675-684.
294 Schrifttumsverzeichnis Schrifttumsverzeichnis 295<br />
Grauhan, Hans-Friedrich: Bewältigung <strong>von</strong> Großverfahren durch Beschränkung des<br />
Prozeßstoffs. In: GA 1976, S. 225 - 242.<br />
Grethlein, Gerhard: Problematik des Verschlechterungsverbotes im Hinblick auf die<br />
besonderen Maßnahmen des Jugendrechts. Neuwied - Berlin 196<strong>3.</strong><br />
Griebeling, Armin: <strong>Die</strong> Verwirkung prozessualer Befugnisse. Diss. iur. Frankfurt/M.<br />
1966.<br />
Griesbeck, Michael: Venire contra factum proprium. Diss. iur. Würzburg 1978.<br />
Gritschneder, Otto: Das Reichskammergericht (1495 -1806). In: DRiZ 1988, S. 452-455.<br />
Grünwald, Gerald: Anmerkung zu BGH, Beschl. v. 22.10.1975 - 1 StE 1/74 (BGHSt<br />
26, S.228) <strong>und</strong> BVerfG, Beschl. v. 21.1.1976 - 2 BvR 941/75 (BVerfGE 41,<br />
S. 246). In: JZ 1976, S. 767 - 77<strong>3.</strong><br />
- Beweisverbote <strong>und</strong> Verwertungsverbote im <strong>Strafverfahren</strong>. In: JZ 1966, S. 489-501.<br />
- Offene Fragen im System der Hauptstrafen. In: Festschrift für Friedrich Schaffstein,<br />
Göttingen 1975, S. 219-239.<br />
- Menschenrechte im Strafprozeß. In: StV 1987, S. 453-457.<br />
- Der Niedergang des Prinzips der unmittelbaren Zeugenvemehmung. In: Festschrift<br />
für Hanns Dünnebier, Berlin - New York 1982, S. 347 - 364.<br />
- Empfiehlt es sich, besondere strafprozessuale Vorschriften für Großverfahren einzuführen?<br />
In: Verhandlungen des 50. DJT, 1. Bd., München 1974, S. C 7 - C 92.<br />
- <strong>Die</strong> Wahrunterstellung im <strong>Strafverfahren</strong>. In: Festschrift für Richard M. Honig,<br />
Göttingen 1970, S. 53 - 68.<br />
Grunsky, Wolfgang: Arbeitsgerichtsgesetz. Kommentar. 6. Auf!. München 1990.<br />
Günther, Hans-Ludwig: Lebenslang für "heimtückischen Mord"? In: NJW 1982, S. 353<br />
358.<br />
Günter, Hans-Helmut: <strong>Die</strong> deformierte Reform. In: DRiZ 1987, S. 66.<br />
- Quo vadis <strong>Strafverfahren</strong>srecht? In: DRiZ 1990, S. 106.<br />
Guradze, Heinz: <strong>Die</strong> Angemessenheit der <strong>Dauer</strong> der Untersuchungshaft nach Art. 5.<br />
Abs. 3 der Europäischen Menschenrechtskonvention. In : NJW 1968, S. 2161-2165.<br />
- Anmerkung zu BVerfG, Beschl. v. 14.1.1960 - 2 BvR 243/60. In: NJW 1960,<br />
S.124<strong>3.</strong><br />
- <strong>Die</strong> Europäische Menschenrechtskonvention. Kommentar. Berlin - Frankfurt/M.<br />
1968.<br />
- Kann die Verfassungsbeschwerde auf eine Verletzung der Konvention zum Schutze<br />
der Menschenrechte gestützt werden? In: DÖV 1960, S. 286-288.<br />
Haberstroh, <strong>Die</strong>ter: Unschuldsvermutung <strong>und</strong> Rechtsfolgenausspruch. In: NStZ 1984,<br />
S.289-295.<br />
Habscheid, WaltherJ.: Der Anspruch auf Rechtspflege. In: ZZP 67 (1954), S. 188 -199.<br />
Hachenburg, Max / Bing, Fritz: Juristische R<strong>und</strong>schau. In: DJZ 1932, Sp. 908 -91<strong>3.</strong><br />
Häfele, Hans-Jörg: <strong>Die</strong> Verhandlungsfähigkeit des Beschuldigten im Strafprozeß. Diss.<br />
iur. Tübingen 1959.<br />
Häger, Joachim: Zu den Folgen staatsanwaltlicher in der Hauptverhandlung begangener<br />
Verfahrensfehler. In: Gedächtnisschrift für Karlheinz Meyer, Berlin - New York<br />
1990, S. 171-186.<br />
Häsemeyer, Ludwig: <strong>Die</strong> Erzwingung richterlicher Entscheidungen, mögliche Reaktionen<br />
auf Justizverweigerungen. In: Festschrift für Karl Michaelis, Göttingen 1972,<br />
S. 134- 150.<br />
Häusler, Bernd: Der unendliche Kronzeuge. Szenen aus dem Schmücker-Prozeß. Berlin<br />
1987.<br />
Haffke, Bernhard: Strafrechtsdogmatik <strong>und</strong> Tiefenpsychologie. In: GA 1978, S. 33-57.<br />
Hahn, Carl: <strong>Die</strong> gesamten Materialien zu den Reichs-Justizgesetzen. 2. Bd.: Materialien<br />
zur Zivilprozeßordung. 2. Aufl. Berlin 1881.<br />
Hamann, Andreas: Gr<strong>und</strong>gesetz <strong>und</strong> Strafgesetzgebung. Neuwied - Berlin 196<strong>3.</strong><br />
Hamm, Rainer: Absprachen im <strong>Strafverfahren</strong>? In: ZRP 1990, S. 337 - 342.<br />
- <strong>Die</strong> Besetzungsrüge nach dem <strong>Strafverfahren</strong>sänderungsgesetz 1979. In: NJW 1979,<br />
S.135-138.<br />
Hammerstein, Gerhard: Diskussionsbeitrag. In: Absprache im Strafprozeß - ein Handel<br />
mit der Gerechtigkeit? Bericht über das Symposium am 20. <strong>und</strong> 21. November 1986<br />
in Triberg, Stuttgart 1987, S. 91-101.<br />
Hanack, Ernst-Walter: Anmerkung zu BGH, Urt. v. 1<strong>3.</strong>2.1974 -<br />
25, S. 285). In: JR 1974, S. 383 f.<br />
2 StR 552/73 (BGHSt<br />
- Aufhebung hessischer strafgerichtIicher Entscheidungen durch den B<strong>und</strong>esgerichtshof.<br />
Wiesbaden 1986.<br />
- Das Legalitätsprinzip <strong>und</strong> die Strafrechtsreform. In: Festschrift für Wilhelm Gallas,<br />
Berlin - New York 1973, S. 339-364.<br />
- Zur Problematik der gerechten Bestrafung nationalsozialistischer Gewaltverbrechen.<br />
In: JZ 1967, S. 297-303; 329-338.<br />
Prozeßhindernis des <strong>überlange</strong>n <strong>Strafverfahren</strong>s? In: JZ 1971, S. 705-715.<br />
<strong>Die</strong> Rechtsprechung des B<strong>und</strong>esgerichtshofs zum <strong>Strafverfahren</strong>srecht. In: JZ 1971,<br />
S.89-92.<br />
Vereinbarungen im Strafprozeß, ein besseres Mittel zur Bewältigung <strong>von</strong> Großverfahren?<br />
In: StV 1987, S. 500-504.<br />
Hartung, Fritz: <strong>Die</strong> Einschränkung der Beschränkbarkeit der Beweisaufnahme in arntsgerichtIichen<br />
Strafsachen <strong>und</strong> die Aufhebung der Berufungsbeschränkung in Privatklagesachen.<br />
In: DJZ 1926, Sp. 129 -132.<br />
Hassemer, Winfried: Das "Absehen <strong>von</strong> Strafe" als kriminalpolitisches Instrument. In:<br />
Festschrift für Werner Sarstedt, Berlin - New York 1981, S. 65 -79.<br />
- Grenzen zulässiger Verteidigung. In: Hamm, R. / Lohnberger, I. (Hrsg.), Beck'sches<br />
Formularbuch für den Strafverteidiger, München 1988, S. 1-27.<br />
- Kommentare zum "Soldatenurteil". In: KritJ 23 (1990), S. 359-365.<br />
- Pacta sunt servanda - auch im Strafprozeß? - BGH, NJW 1989, 2270. In: JuS<br />
1989, S. 890-895.
296 Schrifttumsverzeichnis Schrifttumsverzeichnis 297<br />
- Rechtsprechungsübersicht: BGH, Urt. v. 9.12.1987 - 3 StR 104/87 (BGHSt 35,<br />
S. 137). In: JuS 1989, S. 147 f.<br />
- Rechtsprechungsübersicht: BGH, Urt. v. 2.<strong>3.</strong>1989 - 2 StR 705/88. In: JuS 1989,<br />
S. 937 f.<br />
- Rechtsprechungsübersicht: OLG Düsseldorf, Beschl. v. 1. 2. 1990 - 1 Ws 112/89.<br />
In: JuS 1990, S. 766 f.<br />
- Vorverurteilung durch die Medien? In: NJW 1985, S. 1921-1929.<br />
Hattenhauer, Hans: <strong>Die</strong> Kritik des Zivilurteils. Frankfurt/M. - Berlin 1970.<br />
Heinicke, Günther: Der Beschuldigte <strong>und</strong> sein Verteidiger in der B<strong>und</strong>esrepublik<br />
Deutschland. München 1984.<br />
Heinitz, Ernst: Probleme der Rechtsbeugung. Berlin 196<strong>3.</strong><br />
- Zweiteilung der Hauptverhandlung? In: Sein <strong>und</strong> Werden im Recht, Festgabe für<br />
Ulrich <strong>von</strong> Lübtow, Berlin 1970, S. 835-845.<br />
Helmken, <strong>Die</strong>rk: Zweifelhafte Rechtstatsachenforschung zur <strong>Dauer</strong> <strong>von</strong> <strong>Strafverfahren</strong>.<br />
In: ZRP 1978, S. 133-135.<br />
Henkel, Heinrich: <strong>Die</strong> Gestalt des künftigen <strong>Strafverfahren</strong>s. In: DJZ 1935, Sp. 530-538.<br />
Strafempfindlichkeit <strong>und</strong> Strafempfänglichkeit des Angeklagten als Strafzumessungsgründe.<br />
In: Rechtsbewahrung <strong>und</strong> Rechtsentwicklung, Festschrift für Heinrich<br />
Lange, München 1970, S. 179 -194.<br />
- <strong>Strafverfahren</strong>srecht. 2. Auf!. Stuttgart - Berlin - Köln - Mainz 1968.<br />
- Zumutbarkeit <strong>und</strong> Unzumutbarkeit als regulatives Rechtsprinzip. In: Festschrift für<br />
Edm<strong>und</strong> Mezger, München - Berlin 1954, S. 249-309.<br />
Henkel, Joachim: Der gesetzliche Richter. Diss. iur. Göttingen 1968.<br />
Henneberg, Ernst: <strong>Die</strong> Auswirkungen des <strong>Strafverfahren</strong>sänderungsgesetzes 1979 auf<br />
die Verfolgung <strong>von</strong> Steuerstrafsachen. In: BB 1979, S. 585 - 592.<br />
Henrichs, Wilhelm: Änderung der ZPO durch die Konvention <strong>von</strong> Rom? In: MDR 1955,<br />
S. 140-14<strong>3.</strong><br />
Herdegen, Gerhard: Aufklärungspflicht - Beweisantragsrecht - Beweisantrag - Beweisermittlungsantrag.<br />
In: Gedächtnisschrift für Karlheinz Meyer, Berlin - New York<br />
1990, S. 187-207.<br />
Herdegen, Matthias: <strong>Die</strong> völkerrechtswidrige Entführung eines Beschuldigten als Strafverfolgungshindernis.<br />
In: EuGRZ 1986, S. 1- <strong>3.</strong><br />
Hergenröder, Carmen Silvia: Das staatsanwaltschaftliehe Verfahren. Frankfurt/M.<br />
Bern - New York 1986.<br />
Hermes, Georg / Wieland, Joachim: <strong>Die</strong> staatliche Duldung rechtswidrigen Verhaltens.<br />
Heidelberg 1988.<br />
Herrmann, Joachim: Diversion <strong>und</strong> Schlichtung in der B<strong>und</strong>esrepublik Deutschland. In:<br />
ZStW 96 (1984), S. 455-501.<br />
- Literaturbericht: Strafprozeßrecht. In: ZStW 95 (1983), S. 104-144.<br />
- <strong>Die</strong> Strafprozeßreform vom 1.1. 1975. In: JuS 1976, S. 413-420.<br />
- Das Versagen des überlieferten Strafprozeßrechts in Monstre-Verfahren. In: ZStW<br />
85 (1973), S. 255-287.<br />
Hertwig, Volker: <strong>Die</strong> Einstellung des <strong>Strafverfahren</strong>s wegen Geringfügigkeit. Göttingen<br />
1982.<br />
Hertz, Thomas: Das Verhalten des Täters nach der Tat. Berlin - New York 197<strong>3.</strong><br />
Herzog, Roman: Das Gr<strong>und</strong>recht auf Freiheit in der Europäischen Menschenrechtskonvention.<br />
In: AöR 86 (1961), S. 194-244.<br />
- <strong>Die</strong> Rechtsprechung des B<strong>und</strong>esgerichtshofes zu Art. 5 der Europäischen Menschenrechtskonvention.<br />
In: JZ 1966, S. 657 - 660.<br />
Heubel, Horst: Der "fair trial" - ein Gr<strong>und</strong>satz des <strong>Strafverfahren</strong>s? Berlin 1981.<br />
Hiegert, Egon: <strong>Die</strong> Sphäre derOffenk<strong>und</strong>igkeit in der Strafprozeßordnung. Frankfurt/M.<br />
Bern - New York - Paris 1989.<br />
Hieronimi, Hermann: Zur <strong>Die</strong>nstaufsicht über die Richter. In: NJW 1984, S. 108 f.<br />
Hili, Hermann: Verfassungsrechtliche Gewährleistungen gegenüber der staatlichen Strafgewalt.<br />
In: Isensee, J. / Kirchhof, P. (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Bd. VI,<br />
Heidelberg 1989, S. 1305 - 1352.<br />
Hillenkamp, Thomas: Verfahrenshindemisse <strong>von</strong> Verfassungs wegen. In: NJW 1989,<br />
S. 2841- 2849.<br />
- Verwirkung des Strafanspruches durch Verfahrensverzögerung? In: JR 1975, S. 133<br />
140.<br />
- Vorsatztat <strong>und</strong> Opferverhalten. Göttingen 1981.<br />
Hippel, Fritz <strong>von</strong>: Wahrheitspflicht <strong>und</strong> Aufklärungspflicht der Parteien im Zivilprozeß.<br />
Frankfurt/M. 1939.<br />
Hippel, Robert <strong>von</strong>: Abschaffung der Monstreprozesse. In: MSchrKrim 26 (1935),<br />
S.241-246.<br />
- Lehrbuch des Strafrechts. Berlin 1932.<br />
- Der deutsche Strafprozeß. Marburg 1941.<br />
Deutsches Strafrecht. 1. Bd. Berlin 1925.<br />
Deutsches Strafrecht. 2. Bd. Berlin 1930.<br />
Hirsch, Günter E.: <strong>Die</strong> Strafzumessung bei nationalsozialistischen Gewalt- <strong>und</strong> Kriegsverbrechen.<br />
Diss. iur. Erlangen - Nürnberg 197<strong>3.</strong> (zit.: Strafzumessung).<br />
Hirschberg, Lothar: Der Gr<strong>und</strong>satz der Verhältnismäßigkeit. Göttingen 1981.<br />
Hirschberg, Max: Das Fehlurteil im Strafprozeß. Frankfurt/M. - Hamburg 1962.<br />
Höhn, Reinhard: Staatsbegriff, Strafrecht <strong>und</strong> Strafprozeß. In: DR 1935, S. 266-269.<br />
Hohendorj, Andreas: Nochmals: Zur <strong>Die</strong>nstaufsicht über die Richter. In: NJW 1984,<br />
S.958-961.<br />
Holzlöhner, Helmut: <strong>Die</strong> Gr<strong>und</strong>sätze der Erforderlichkeit <strong>und</strong> Verhältnismäßigkeit als<br />
Prinzipien des <strong>Strafverfahren</strong>s. Diss. iur. Kiel 1968.<br />
Hommel, Karl Ferdinand: Des Herrn Marquis <strong>von</strong> Beccaria unsterbliches Werk <strong>von</strong><br />
Verbrechen <strong>und</strong> Strafen (1778). Neu hrsg. Berlin 1966.<br />
Horn, Eckhard: "Vertrauensschutz" contra Aussetzungswiderruf? In: Gedächtnisschrift<br />
für Hilde Kaufmann, Berlin - New York 1986, S. 545-555.
298 Schrifttumsverzeichnis Schrifttumsverzeichnis 299<br />
Horstkotte, Hartmuth: <strong>Die</strong> Vorschriften des Ersten Gesetzes zur Reform des Strafrechts<br />
über die Strafbemessung (§§ 13-16, 60 StGB). In: JZ 1970, S. 122-128.<br />
Huber, Hans: Über den Gr<strong>und</strong>satz der Verhältnismäßigkeit im Verwaltungsrecht. In:<br />
ZSchwR 96 1(1977), S. 1-29.<br />
Hübner, Engelbert: Anmerkung zu BGH, Urt. v. 29.10.1974 -<br />
21, S. 81). In: LM Nr. 1 zu NATO-Truppenstatut.<br />
I StR 475/74 (BGHSt<br />
Hünerfeld, Peter: Tagungsbericht: <strong>Die</strong> Diskussionsbeiträge der Strafrechtslehrertagung<br />
1972 in Kiel. In : ZStW 85 (1973), S. 438-468.<br />
Hummer, Rüdiger: Justizgewährung <strong>und</strong> Justizverweigerung in verfassungsrechtlicher<br />
Sicht. Diss. iur. Marburg 1972.<br />
Internationaler Kommentar zur Europäischen Menschenrechtskonvention. Bearb. v. H.<br />
Golsong, W. Karl, H. Miehsler, H. Petzold, K. Rogge, Th. Vogler <strong>und</strong> L. Wildhaber.<br />
Stand: I. Lfg. Köln - Berlin - Bonn - München 1986.<br />
lsensee, Josef: Subsidaritätsprinzip <strong>und</strong> Verfassungsrecht. Berlin 1968.<br />
Jäger, Herbert: Strafrecht <strong>und</strong> psychoanalytische Theorie. In: Gr<strong>und</strong>fragen der gesamten<br />
Strafrechtswissenschaft, Festschrift für Heinrich Henkel, Berlin - New York 1974,<br />
S.125-140.<br />
Jaf?usch, Heinrich: <strong>Die</strong> Praxis der Strafzumessung. Berlin 1956.<br />
Jakobs, Günther: Schuld <strong>und</strong> Prävention. Tübingen 1976.<br />
- Strafrecht. Allgemeiner Teil. Berlin - New York 198<strong>3.</strong><br />
Jakobs, Michael eh.: Der Gr<strong>und</strong>satz der Verhältnismäßigkeit. Köln - Berlin - Bonn<br />
München 1985.<br />
Janiszewski, Horst: Zur Kosten-Halterhaftung nach sog. Kennzeichenanzeigen <strong>und</strong> anderen<br />
verkehrsstrafrechtlich bedeutsamen Neuregelungen. In: DAR 1986, S. 256-26<strong>3.</strong><br />
Janoschek, Christian: Strafprozessuale Durchsuchung <strong>und</strong> Beschlagnahme bei juristischen<br />
Personen des öffentlichen Rechts. Göttingen 1990.<br />
Jehle, Jörg-Martin: Untersuchungshaft zwischen Unschuldsvermutung <strong>und</strong> Wiedereingliederung.<br />
München 1985.<br />
Jekewitz, Jürgen: Anmerkung zu BVerfG, Beschl. v. 6.10.1981 -<br />
StV 1982, S. 124 f.<br />
2 BvR 1190/80. In:<br />
Jescheck, Hans-Heinrich: Anmerkung zu OLG Bremen, Urt. v. 25.2.1953 -<br />
1/5<strong>3.</strong> In: GA 1953, S. 88 f.<br />
I Ss<br />
- <strong>Die</strong> europäische Konvention zum Schutze der Menschenrechte <strong>und</strong> Gr<strong>und</strong>freiheiten.<br />
In: NJW 1954, S. 783 -786.<br />
Lehrbuch des Strafrechts. Allgemeiner Teil. 4. Aufl. Berlin 1988.<br />
Der Strafprozeß - Aktuelles <strong>und</strong> Zeitloses. In: JZ 1970, S. 201-207.<br />
<strong>Die</strong> Verwirkung <strong>von</strong> Verfahrensrügen im Strafprozeß. In: JZ 1952, S. 400-40<strong>3.</strong><br />
Jherinf?, Rudolf <strong>von</strong>: Der Geist des Römischen Rechts. 2. Teil, 2. Abt. 1. Aufl. Leipzig<br />
1858.<br />
Joachim, Hans G.: Der gesetzliche Richter. In: DRiZ 1965, S. 181-188.<br />
Julius, Karl-Peter: <strong>Die</strong> Unerreichbarkeit <strong>von</strong> Zeugen im Strafprozeß. Köln - Berlin<br />
Bonn - München 1988.<br />
Jung, Heike: Bilanz der Reform des <strong>Strafverfahren</strong>srechts zum 1.1.1975. In: JuS 1975,<br />
S.261-265.<br />
Jungfer, Gerhard: Anmerkung zu LG Bremen, Beschl. v. 20.8.1982 -<br />
42/77. In: StV 1982, S. 462 f.<br />
- Freiheit <strong>und</strong> Form ... In: AnwBl. 1987, S. 76.<br />
41 KLs 74 Js<br />
Kaiser, Günther / Meinberf?, Volker: "Tuschelverfahren" <strong>und</strong> "MiIlionärsschutzparagraph"?<br />
In: NStZ 1984, S. 343 - 350.<br />
Kapahnke, Ulf: Opportunität <strong>und</strong> Legalität im <strong>Strafverfahren</strong>. Diss. iur. Tübingen 1982.<br />
Karlsruher Kommentar zum Gesetz über Ordnungswidrigkeiten. Hrsg. v. K. Boujong.<br />
München 1989.<br />
Karlsruher Kommentar zur Strafprozeßordnung <strong>und</strong> zum Gerichtsverfassungsgesetz mit<br />
Einführungsgesetz. 2. Aufl. Hrsg. v. G. Pfeiffer. München 1987.<br />
Katholnigg, Oskar: Strafgerichtsverfassungsrecht. Kommentar. Köln - Berlin - Bonn<br />
München 1990.<br />
Kaufmann, Hilde: Strafanspruch - Strafklagrecht. Göttingen 1968.<br />
Katzorke, Klaus-<strong>Die</strong>ter: <strong>Die</strong> Verwirkung des staatlichen Strafanspruchs. Frankfurt/M. <br />
Bern - New York - Paris 1989. (zit.: Verwirkung).<br />
Kegel, Gerhard: Der Individualanscheinsbeweis <strong>und</strong> die Verteilung der Beweislast nach<br />
überwiegender Wahrscheinlichkeit. In: Das Unternehmen in der Rechtsordnung,<br />
Festschrift für Heinrich Kronstein, Karlsruhe 1967, S. 321-344.<br />
Keller, Rolf / Schmid, Wolfgang: Möglichkeiten einer Verfahrensbeschleunigung in<br />
Wirtschaftsstrafsachen. In: wistra 1984, S. 201- 209.<br />
Kellermann, <strong>Die</strong>ter: Strafverfolgung <strong>von</strong> Umweltstrafsachen. In: KrimBibl 55 (1987),<br />
S.23-39.<br />
Kemmer, Frank: Befangenheit <strong>von</strong> Schöffen durch Aktenkenntnis? Frankfurt/M. - Bern <br />
New York - Paris 1989.<br />
Ge<br />
Kempf, Eberhard: Opferschutzgesetz <strong>und</strong> <strong>Strafverfahren</strong>sänderungsgesetz 1987 -<br />
genreform durch Teilgesetze. In: StV 1987, S. 215-22<strong>3.</strong><br />
Kern, Eduard: Anmerkung zu BGH, Urt. v. 1<strong>3.</strong>12.1955 - 1 StR 354/55; BVerfG, Urt.<br />
v. 20.<strong>3.</strong>1956 - 1 BvR 479/55 (BVerfGE 4, S. 412). In: JZ 1956, S. 409-412.<br />
- <strong>Die</strong> Raschheit der Strafjustiz. In: MschrKrimPsych 15 (1924), S. 237-26<strong>3.</strong><br />
- Der gesetzliche Richter. Berlin 1927.<br />
Kiderlen, Karl Götz: <strong>Die</strong> Verwirkung <strong>von</strong> Verfahrensrügen im Strafprozeß. Diss. iur.<br />
Tübingen 1960.<br />
Kießling, Wilhelm: Verzögerung statt Beschleunigung? In: DRiZ 1977, S. 326-330.<br />
Kindhäuser, Urs: Rügepräklusion durch Schweigen im <strong>Strafverfahren</strong>. In: NStZ 1987,<br />
S.529-535.<br />
Kintzi, Heinrich: Verständigung im <strong>Strafverfahren</strong>. In: JR 1990, S. 309-316.<br />
Kip, Hans-Gerhard: Das sogenannte Mündlichkeitsprinzip. Köln - Berlin 1952.
300 Schrifttumsverzeichnis Schrifttumsverzeichnis 301<br />
Kirchhof, Paul: Gegenwartsfragen an das Gr<strong>und</strong>gesetz. In: JZ 1989, S. 453-465.<br />
- Verfassungsrechtliche Maßstäbe für die Verfahrensdauer <strong>und</strong> für die Rechtsmittel.<br />
In: Staat <strong>und</strong> Völkerrechtsordnung, Festschrift für Karl Doehring, Berlin - Heidelberg<br />
- New York - London - Paris - Tokyo - Hongkong 1989, S. 439 -457.<br />
Kissel, Otto-Rudolf: Gerichtsverfassungsgesetz. Kommentar. München 1981.<br />
- Gibt es eine Untätigkeitsbeschwerde im Rahmen des Verfahrens der Freiwilligen<br />
Gerichtsbarkeit? In: ZZP 69 (1951), S. 3-19.<br />
Klein, Eckart: Der Individualrechtsschutz in der B<strong>und</strong>esrepublik Deutschland bei Verstößen<br />
gegen die Menschenrechte <strong>und</strong> Gr<strong>und</strong>freiheiten der Europäischen Menschenrechtskonvention.<br />
In: Mahrenholz, E. G. / Hilf, M. / Klein, E. (Hrsg.), Entwicklung<br />
der Menschenrechte innerhalb der Staaten des Europarates, Heidelberg 1987, S. 43<br />
66.<br />
Klein, Hans H.: Rechtsweg <strong>und</strong> Justizverweigerung. In: JZ 1963, S. 591-59<strong>3.</strong><br />
Kleinknecht, Theodor: Anmerkung zu KG, Beschl. v. 9. 11. 1964 -<br />
JR 1966, S. 231.<br />
- <strong>Die</strong> Beweisverbote im Strafprozeß. In: NJW 1966, S. 1537 -1545.<br />
Strafprozeßordnung. Kommentar. 30. Aufl. München 1971.<br />
Strafprozeßordnung. Kommentar. 31. Aufl. München 1974.<br />
Strafprozeßordnung. Kommentar. 32. Aufl. München 1975.<br />
Strafprozeßordnung. Kommentar. 35. Aufl. München 1981.<br />
Strafprozeßordnung. Kommentar. 36. Aufl. München 198<strong>3.</strong><br />
1 Ws 409/64. In:<br />
- / Janischowsky, Georg: Das Recht der Untersuchungshaft. München 1977.<br />
- / Meyer, Karlheinz: Strafprozeßordnung. Kommentar. 39. Aufl. München 1989.<br />
Kleinknecht / Müller / Reitberger. Kommentar zur Strafprozeßordnung. Bearb. v. He.<br />
Müller, W. Sax, R. Paulus <strong>und</strong> G. Fezer. Stand: 6. Lfg. 8. Aufl. Frankfurt/M. 1990.<br />
Kloepjer, Michael: Anmerkung zu VG Berlin, Beschl. v. 25.1.1977 -<br />
14/76. In: DVBI. 1977, S. 740-742.<br />
- Verfahrensdauer <strong>und</strong> Verfassungsrecht. In: JZ 1979, S. 209-216.<br />
Klose, Peter: "Ius puniendi" <strong>und</strong> Gr<strong>und</strong>gesetz. In: ZStW 86 (1974), S. 33-67.<br />
VG Disz.<br />
Klug, Ulrich: Das Verhältnis zwischen der Europäischen Menschenrechts-Konvention<br />
<strong>und</strong> dem Gr<strong>und</strong>gesetz. In: Gedächtnisschrift für Hans Peters, Berlin - Heidelberg <br />
New York 1967, S. 434-444.<br />
Kneip, Hans-Otto: Das staatsanwaltschaftliche Ermittlungsverfahren -<br />
den Staatsanwalt. In: ZRP 1989, S. 111.<br />
Koch, Karl-Heinz: Absprachen im Strafprozeß. In: ZRP 1990, S. 249-252.<br />
eine Waffe für<br />
- Publizistischer Mißbrauch staatsanwaltschaftlicher Ermittlungsverfahren. In: ZRP<br />
1989, S. 401-404.<br />
Kodde, Michael: Zur Praxis der Beschlußverwerfung <strong>von</strong> Revisionen (§ 349 Abs.2<br />
StPO). Göttingen 1989.<br />
Kohl, Helmut: Vorverurteilung durch die Medien? In: JZ 1985, S. 668-670.<br />
Kohlhaas, Max: Gedanken zur Reform des Ermittlungsverfahrens der StPO. In: ZRP<br />
1974,S.7-1O.<br />
Kohlmann, Günter: Der Anspruch des Beschuldigten auf schnelle Durchführung des<br />
Ermittlungsverfahrens. In: Festschrift für Reinhart Maurach, Karlsruhe 1972, S. 50 1<br />
515.<br />
- Der Bürger im Ermittlungsverfahren - wehrlos? In: ZRP 1972, S. 211-21<strong>3.</strong><br />
- "Überlange <strong>Strafverfahren</strong>" - bekannt, bedenklich, aber nicht zu vermeiden? In:<br />
Strafrecht, Untemehmensrecht, Anwaltsrecht, Festschrift für Gerd Pfeiffer, Köln<br />
Berlin - Bonn - München 1988, S. 203 -22<strong>3.</strong><br />
Kohlrausch, Eduard / Lange, Richard: Strafgesetzbuch mit Erläuterungen. 4<strong>3.</strong> Aufl. Berlin<br />
1961.<br />
Konow, Karl-Otto: Aufopferungsansprüche wegen spruchrichterlicher Maßnahmen. In:<br />
JR 1969, S. 6-8.<br />
Konzen. Horst: Rechtsverhältnisse zwischen Prozeßparteien. Berlin 1976.<br />
Kramer, Bernhard: <strong>Die</strong> Europäische Menschenrechtskonvention <strong>und</strong> die angemessene<br />
<strong>Dauer</strong> <strong>von</strong> <strong>Strafverfahren</strong> <strong>und</strong> Untersuchungshaft. Diss. iur. Tübingen 197<strong>3.</strong> (zit.:<br />
Menschenrechtskonvention).<br />
Krause, Hans G.: Richterliche Unabhängigkeit <strong>und</strong> Rechtsbeugungsvorsatz. In: NJW<br />
1977, S. 285 f.<br />
Krauss, Rupprecht <strong>von</strong>: Der Gr<strong>und</strong>satz der Verhältnismäßigkeit. Hamburg 1955.<br />
Krekeler, Wilhelm: Der Beweiserhebungsanspruch des Beschuldigten im Ermittlungsverfahren<br />
de lege lata <strong>und</strong> de lege ferenda. Diss. iur. München 1990.<br />
Maßnahmen zur Verhinderung der Entstehung <strong>und</strong> der Einwirkung "öffentlicher<br />
Vorverurteilungen" auf das <strong>Strafverfahren</strong>. In: AnwBI. 1985, S. 426 -431.<br />
Der befangene Richter. In: NJW 1981, S. 1633-1638.<br />
<strong>Strafverfahren</strong>srecht <strong>und</strong> Terrorismus. In: AnwBI. 1979, S. 212-217.<br />
Krey, Volker: Gr<strong>und</strong>züge des <strong>Strafverfahren</strong>srechts. In: JA 1983, S. 233-239; 356-363;<br />
506-512; 638-643; 1984, S. 135-143; 288-296; 475-479; 573-578; 1985, S. 61<br />
66; 273-279.<br />
Strafrecht. Besonderer Teil. 1. Bd. 7. Aufl. Stuttgart - Berlin - Köln 1989.<br />
<strong>Strafverfahren</strong>srecht. I. Bd. Stuttgart - Berlin - Köln - Mainz 1988.<br />
<strong>Strafverfahren</strong>srecht. 2. Bd. Stuttgart - Berlin - Köln 1990.<br />
Krümpelmann, Justus: <strong>Die</strong> Bagatelldelikte. Berlin 1966.<br />
Kühl, Jörn: Prozeßgegenstand <strong>und</strong> Beweisthema im <strong>Strafverfahren</strong>. Baden-Baden 1987.<br />
Kühl, Kristian: Der Einfluß der Europäischen Menschenrechtskonvention auf das Strafrecht<br />
<strong>und</strong> <strong>Strafverfahren</strong>srecht der B<strong>und</strong>esrepublik Deutschland. In: ZStW 100<br />
(1988), S. 406-443; 601-644.<br />
- Unschuldsvermutung, Freispruch <strong>und</strong> Einstellung. Köln - Berlin - Bonn - München<br />
198<strong>3.</strong><br />
Kühne. Hans Heiner: Anmerkung zu BGH, Urt. v. 9.12.1987 -<br />
35, S. 137). In: EuGRZ 1988, S. 305 f.<br />
3 StR 104/87 (BGHSt
302 Schrifttumsverzeichnis<br />
- <strong>Die</strong> Berücksichtigung <strong>und</strong> Kompensation <strong>überlange</strong>r Verfahrensdauer im deutschen<br />
<strong>Strafverfahren</strong>. In: EuGRZ 1983, S. 382 - 384.<br />
Strafprozeßlehre. <strong>3.</strong> Aufl. Heidelberg 1988.<br />
<strong>Strafverfahren</strong>srecht als Kommunikationsproblem. Heidelberg 1978.<br />
Küng-Hofer, Rolf: <strong>Die</strong> Beschleunigung des <strong>Strafverfahren</strong>s unter Wahrung der Rechtsstaatlichkeit.<br />
Bem - Frankfurt/M. - Nancy - New York 1984. (zit.: Beschleunigung).<br />
Küper, Wilfried: Gr<strong>und</strong>- <strong>und</strong> Grenzfragen der rechtfertigenden Pflichtenkollision im<br />
Strafrecht. Berlin 1979.<br />
Küpper, Georg: Strafvereitelung <strong>und</strong> "sozialadäquate" Handlungen. In: GA 1987, S. 385<br />
402.<br />
Kunert, Karl Heinz: Wie weit schützt die Strafprozeßordnung die Gr<strong>und</strong>rechte des<br />
Beschuldigten? In: MDR 1967, S. 539-542.<br />
Kunig, Philip: Das Rechtsstaatsprinzip. Tübingen 1986.<br />
Kunigk, Fritz: Prozeßführung <strong>und</strong> Strafverteidigung. 2. Aufl. Stuttgart - Berlin - Köln <br />
Mainz 1979.<br />
- <strong>Die</strong> staatsanwaltschaftliche Tätigkeit. <strong>3.</strong> Aufl. Stuttgart - Berlin - Köln - Mainz 1975.<br />
Kunz, Karl-Ludwig: Das strafrechtliche Bagatellprinzip. Berlin 1984.<br />
<strong>Die</strong> Einstellung wegen Geringfügigkeit durch die Staatsanwaltschaft. Königstein/Ts.<br />
1980.<br />
- Prävention <strong>und</strong> gerechte Zurechnung. In: ZStW 98 (1986), S. 823 - 838.<br />
Lackner, Karl: Anmerkung zu BGH, Beschl. v. 19.5.1981 - GSSt 1/81 (BGHSt 30,<br />
S. 105). In: NStZ 1981, S. 348 - 350.<br />
- Strafgesetzbuch mit Erläuterungen. 18. Aufl. München 1989.<br />
Lampe, Emst-Joachim: Der Ausschluß des Verteidigers im Entwurfdes Zweiten Gesetzes<br />
zur Reform des <strong>Strafverfahren</strong>srechts. In: JZ 1974, S. 696-699.<br />
- <strong>Die</strong> Durchbrechung der materiellen Rechtskraft bei Strafurteilen. In: GA 1968, S. 33<br />
49.<br />
Langheineken, Uwe: Der Gr<strong>und</strong>satz der Verhältnismäßigkeit in der Rechtsprechung des<br />
B<strong>und</strong>esverfassungsgerichts, unter besonderer Berücksichtigung der Judikatur zu Art.<br />
12 Abs. 1 Satz 2 GG. Diss. iur. Freiburg 1972.<br />
Lappe, Friedrich: Gerichtskostengesetz. Kommentar. Köln 1975.<br />
Larenz, Karl: Allgemeiner Teil des deutschen Bürgerlichen Rechts. 6. Aufl. München<br />
198<strong>3.</strong><br />
Laufhütte, Heinrich / Möhrenschlager, Manfred: Umweltstrafrecht in neuer Gestalt. In:<br />
ZStW 92 (1980), S. 912-972.<br />
Lautmann, RÜdiger: Justiz - die stille Gewalt. Frankfurt/M. 1972.<br />
Lazarus, Willy: <strong>Die</strong> sog. Schuld-, Strafausschließungs- <strong>und</strong> Strafaufhebungsgründe im<br />
Strafprozeß. Breslau 1911.<br />
Lehmann, Helmuth: Sensationsprozesse. In: DRiZ 1932, S. 12<strong>3.</strong><br />
Lehmann, Karl-Heinz: Zur Aburteilung <strong>von</strong> Demonstranten im beschleunigten Verfahren.<br />
In: DRiZ 1970, S. 287 - 290.<br />
Schrifttumsverzeichnis 303<br />
Leihholz, Gerhard / Rinck, Hans-Justus / Hesselherger, <strong>Die</strong>ter: Gr<strong>und</strong>gesetz für die B<strong>und</strong>esrepublik<br />
Deutschland. Kommentar. Stand: 18. Lfg. 6. Aufl. Köln 1990.<br />
Leihholz, Gerhard / Rupprecht, Reinhard: B<strong>und</strong>esverfassungsgerichtsgesetz. Kommentar.<br />
Köln 1968.<br />
Leipold, <strong>Die</strong>ter: Anmerkung zu BGH, Urt. v. 11.<strong>3.</strong>1968 - III ZR 72/65. In: JZ 1968,<br />
S. 465 f.<br />
Leipziger Kommentar zum Strafgesetzbuch. 8. Aufl. Hrsg. v. H. Jagusch <strong>und</strong> E. Mezger.<br />
Berlin 1957 -1958.<br />
Leipziger Kommentar zum Strafgesetzbuch. 9. Aufl. Hrsg. v. P. Baldus <strong>und</strong> G. Willms.<br />
Berlin 1974-1977.<br />
Leipziger Kommentar zum Strafgesetzbuch. 10. Aufl. Hrsg. v. H.-H. Jescheck, W. Ruß<br />
<strong>und</strong> G. Willms. Berlin - New York 1985 - 1989.<br />
Lenckner, Theodor: Zum Tatbestand der Strafvereitelung. In: Gedächtnisschrift für Horst<br />
Schröder, München 1978, S. 339 - 357.<br />
Leppert, Norbert: Manche tauchen nie wieder auf. Aktenverlust bei der Justiz. In: Frankfurter<br />
R<strong>und</strong>schau v. 25.8.1988, S. 12.<br />
Lerche, Peter: Zum "Anspruch auf rechtliches Gehör". In: ZZP 78 (1965), S. 1-31.<br />
- Übermaß <strong>und</strong> Verfassungsrecht. Köln - Berlin - München - Bonn 1961.<br />
Liehl, Karlhans: <strong>Die</strong> Erfassung der Wirtschaftskriminalität. In: Krim 1982, S. 7 -10.<br />
- <strong>Die</strong> B<strong>und</strong>esweite Erfassung <strong>von</strong> Wirtschaftsstraftaten nach einheitlichen Gesichtspunkten.<br />
Freiburg 1984.<br />
- Steuerhinterziehung <strong>und</strong> ihre staatsanwaltschaftliche Erledigung. In: wistra 1983,<br />
S.85-94.<br />
Lindacher, Walter F.: Untätigkeitsbeschwerde im Verfahren der Freiwilligen Gerichtsbarkeit?<br />
In: DRiZ 1965, S. 198 f.<br />
Lindemann, Klaus: Hausgemachte Überlastung der Zivilgerichte? In: AnwBl. 1983,<br />
S.389-392.<br />
Liszt, Franz <strong>von</strong> / Schmidt, Eberhard: Lehrbuch des Deutschen Strafrechts. 1. Bd. 26. Aufl.<br />
Berlin - Leipzig 1932.<br />
Löwe / Rosenberg. <strong>Die</strong> Strafprozeßordnung <strong>und</strong> das Gerichtsverfassungsgesetz. Großkommentar.<br />
2<strong>3.</strong> Aufl. Hrsg. v. H. Dünnebier. Berlin - New York 1976-1980.<br />
Löwe / Rosenberg. <strong>Die</strong> Strafprozeßordnung <strong>und</strong> das Gerichtsverfassungsgesetz. Großkommentar.<br />
24. Aufl. Hrsg. v. P. Rieß. Berlin - New York ab 1984.<br />
Lorenz, Max: <strong>Die</strong> Regelung der Verjährung im Entwurf des Allgemeinen Teils eines<br />
Strafgesetzbuches. München - Berlin 1959.<br />
- <strong>Die</strong> Verjährung in der deutschen Strafgesetzgebung. München - Berlin 1955.<br />
- <strong>Die</strong> Verjährung im Strafrechte. Prag 1934.<br />
Lücke, Jörg: <strong>Die</strong> Gr<strong>und</strong>sätze der Verhältnismäßigkeit <strong>und</strong> der Zumutbarkeit. In: DÖV<br />
1974, S. 769-771.<br />
- <strong>Die</strong> (Un-)Zumutbarkeit als allgemeine Grenze öffentlich-rechtlicher Pflichten des<br />
Bürgers. Berlin 197<strong>3.</strong>
304 Schrifttumsverzeichnis Schrifttumsverzeichnis 305<br />
Lüderssen, Klaus: Grenzen des Legalitätsprinzips im effizienzorientierten modemen<br />
Rechtsstaat. Schluckt das Verfahrensrecht die sichernden Funktionen des materiellen<br />
Rechts? In: Denninger, E. / Lüderssen, K.: Polizei <strong>und</strong> Strafprozeß im demokratischen<br />
Rechtsstaat, Frankfurt/M. 1978, S. 188-237.<br />
- Zur "Unerreichbarkeit" des V-Mannes. In: Festschrift für Ulrich Klug, 2. Bd., Köln<br />
1983, S. 527 - 538.<br />
- <strong>Die</strong> V-Leute-Problematik ... oder: Zynismus, Borniertheit oder "Sachzwang"? In:<br />
Jura 1985, S. 113-127.<br />
Verbrechensprophylaxe durch Verbrechensprovokation? In: Einheit <strong>und</strong> Vielfalt des<br />
Strafrechts, Festschrift für Karl Peters, Tübingen 1974, S. 349- 371.<br />
<strong>Die</strong> Verständigung im Strafprozeß. In: StV 1990, S. 415-420.<br />
Lüke, Gerhard: Unorthodoxe Gedanken zur Verkürzung der Prozeßdauer <strong>und</strong> Entlastung<br />
der Zivilgerichte. In: Festschrift für Gottfried Baumgärtel, Köln - Berlin - Bonn <br />
München 1990, S. 349 - 361.<br />
Maassen, Bernhard M.: Beweismaßprobleme im Schadensersatzprozeß. Köln - Berlin<br />
Bonn - München 1975.<br />
Mache, Hans Michael: Anmerkung zu BGH, Urt. v. 6.2.1981 -<br />
1981, S.600f.<br />
2 StR 370/80. In: StV<br />
- <strong>Die</strong> Zulässigkeit des Einsatzes <strong>von</strong> agents provocateurs <strong>und</strong> die Verwertbarkeit der<br />
Ergebnisse im Strafprozeß. Frankfurt/M. 1984.<br />
Maeffert, Uwe: Strafjustiz. Vom Niedergang des Rechts auf Verteidigung. Hamburg<br />
1989.<br />
Mahler, Horst: <strong>Die</strong> Angemessenheit der Untersuchungshaftdauer nach der Menschenrechtskonvention.<br />
In: NJW 1969, S. 353 - 355.<br />
Maiwald, Manfred: Das Absehen <strong>von</strong> Strafe nach § 16 StGB. In: ZStW 83 (1971),<br />
S.663-696.<br />
Anmerkung zu OLG Karlsruhe, Urt. v. 7.<strong>3.</strong>1974 - 1 Ss 314/7<strong>3.</strong> In: JZ 1974,<br />
S.773-775.<br />
<strong>Die</strong> Verteidigung der Rechtsordnung - Analyse eines Begriffs. In: GA 1983, S. 49<br />
72.<br />
Mannheim, Hermann: <strong>Die</strong> Durchbrechung des Legalitätsgr<strong>und</strong>satzes. In: JW 1924,<br />
S. 1646-1650.<br />
Markl, Hermann: Gerichtskostengesetz. Kommentar. 2. Aufl. Berlin - New York 198<strong>3.</strong><br />
Marx, Erwin: Der gesetzliche Richter im Sinne <strong>von</strong> Art. 101 Abs. 1 Satz 2 Gr<strong>und</strong>gesetz.<br />
Berlin 1969.<br />
Matscher, Franz: Das Verfahren vor den Organen der EMRK. In: EuGRZ 1982, S. 489<br />
503; 517-528.<br />
- Der Rechtsmittelbegriff der EMRK. In: Festschrift für Wilfried Kralik, Wien 1986,<br />
S.257-271.<br />
Maunz / Dürig. Gr<strong>und</strong>gesetz. Kommentar. Bearb. v. Th. Maunz, G. Dürig, R. Herzog,<br />
R. Scholz, P. Lerche, H.-J. Papier, A. Randelzhofer <strong>und</strong> Eb. Schmidt-Aßmann. Stand:<br />
28. Lfg. 6. Aufl. München 1990.<br />
Maunz, Theodor / Schmidt-Bleibtreu, Bruno / Klein, Franz / Ulsamer, Gerhard: B<strong>und</strong>esverfassungsgerichtsgesetz.<br />
Kommentar. Stand: 11. Lfg. 2. Aufl. München 1989.<br />
Maurach, Reinhart: Deutsches Strafrecht. Allgemeiner Teil. 4. Aufl. Karlsruhe 1971.<br />
- / Gössel, Karl Heinz / Zipf, Heinz: Strafrecht. Allgemeiner Teil. 2. Teilbd. 7. Aufl.<br />
Heidelberg 1989.<br />
- / Schroeder, Friedrich-Christian: Strafrecht. Besonderer Teil. 2. Teilbd. 6. Aufl.<br />
Karlsruhe 1981.<br />
- / Zipf, Heinz: Strafrecht. Allgemeiner Teil. 1. Teilbd. 6. Aufl. Heidelberg 198<strong>3.</strong><br />
-- Strafrecht. Allgemeiner Teil. 1. Teilbd. 7. Aufl. Heidelberg 1987.<br />
Maurer, Axel: Das Begnadigungsrecht im modemen Verfassungs- <strong>und</strong> Kriminalrecht.<br />
Frankfurt/M. - Bern - Cirencester/U.K. 1979.<br />
Mayer, Hellmuth: Zum Aufbau des Strafprozesses. In: GerS 104 (1934), S. 302-342.<br />
- Das Strafbefehlsverfahren. In: GerS 96 (1928), S. 397 -435.<br />
- Strafrecht. Allgemeiner Teil. Stuttgart - Köln 195<strong>3.</strong><br />
- Zuchtgewalt <strong>und</strong> Strafrechtspflege. Leipzig 1922.<br />
Mayer, Max Ernst: Der allgemeine Teil der deutschen Strafrechts. 2. Aufl. Heidelberg<br />
192<strong>3.</strong><br />
Mehle, Volkmar: Strafvereitelung durch Wahrnehmung prozessualer Rechte? - Einige<br />
Anmerkungen zum Umgang mit Zeugen -. In: Strafverteidigung <strong>und</strong> Strafprozeß,<br />
Festgabe für Ludwig Koch, Heidelberg 1989, S. 179-189.<br />
Meinberg, Volker: Geringfügigkeitseinstellungen <strong>von</strong> Wirtschaftsstrafsachen. Freiburg<br />
1985.<br />
Mendler, Friedrich: <strong>Die</strong> Rechtzeitigkeit des rechtlichen Gehörs. In: NJW 1961, S. 2103 f.<br />
Menzel, Andreas: Gr<strong>und</strong>fragen der Verwirkung dargestellt insbesondere anhand des<br />
öffentlichen Rechts. Frankfurt/M. - Bern - New York - Paris 1987.<br />
Mes, Peter: Eine Rechtstatsachenforschung zur Beschleunigung des Zivilprozesses. In:<br />
ZRP 1971, S. 90-94.<br />
- Mögliche Ursachen der Prozeßverzögerung. In: AnwBI. 1970, S. 333-34<strong>3.</strong><br />
Metzger, Gerhard: Ablehnung eines Beweisantrages jenseits gesetzlich geregelter Ablehnungsgründe?<br />
In: Dogmatik <strong>und</strong> Praxis des <strong>Strafverfahren</strong>s, Geburtstagscolloquium<br />
für Gerhard Kielwein, Köln - Berlin - Bonn - München 1989, S. 95-100.<br />
Meyer, <strong>Die</strong>ter: <strong>Die</strong> Entscheidung über die Entschädigung für Strafverfolgungsmaßnahmen<br />
durch das Revisionsgericht bei Freisprechung nach § 354 Abs. 1 StPO. In: MDR<br />
1978, S. 284 f.<br />
- Aus der neuesten Rechtsprechung. In: JurBüro 1983, Sp. 25 - 32.<br />
- Strafrechtsentschädigung <strong>und</strong> Auslagenerstattung. Kommentar. 2. Aufl. Frankfurt/M.<br />
1989.<br />
Meyer, Jürgen: Zur prozeßrechtlichen Problematik des V-Mannes. In: ZStW 95 (1983),<br />
S.834-861.<br />
- Rechtvergleichender Querschnitt. In: Eser, A. / Meyer, J. (Hrsg.), Öffentliche Vorverurteilung<br />
<strong>und</strong> faires <strong>Strafverfahren</strong>, Freiburg 1986, S. 323 - 35<strong>3.</strong><br />
20 Scheffle,
306 Schrifttumsverzeichnis Schrifttumsverzeichnis 307<br />
Meyer, Karlheinz: Zur Anfechtung der durch Vollzug erledigten Maßnahmen der Staatsanwaltschaft<br />
im Ermittlungsverfahren. In: Festschrift für Karl Schäfer, Berlin - New<br />
York 1980, S. 119-135.<br />
- Anmerkung zu BGH, Beschl. v. 6.2.1979 - 5 StR 713/78. In: JR 1980, S. 219 f.<br />
- Anmerkung zu BGH, Urt. v. 2<strong>3.</strong>5.1984 - I StR 148/84 (BGHSt 32, S. 345). In:<br />
NStZ 1985, S. 134 f.<br />
- Notwendigkeit <strong>und</strong> Grenzen der Heilung <strong>von</strong> Gr<strong>und</strong>rechtsverletzungen durch die<br />
Strafgerichte. In: <strong>Strafverfahren</strong> im Rechtsstaat, Festschrift für Theodor Kleinknecht,<br />
München 1985, S. 267-286.<br />
Meyer, Maria-Katharina: Zur Rechtsnatur <strong>und</strong> Funktion des Strafantrags. Heidelberg<br />
1984.<br />
Meyer-Goßner, Lutz: Das <strong>Strafverfahren</strong>sänderungsgesetz 1987. In: NJW 1987, S. 1161<br />
1169.<br />
Mezger, Edm<strong>und</strong>: Strafrecht. Ein Lehrbuch. <strong>3.</strong> Aufl. Berlin - München 1949.<br />
Michael, Andreas: Der Gr<strong>und</strong>satz in dubio pro reo im <strong>Strafverfahren</strong>srecht. Frankfurt/Mo<br />
- Bem 1981.<br />
Michaelsen, Horst D.: Möglichkeiten der Beschleunigung <strong>und</strong> Kosteneinsparung im<br />
Wirtschaftsstrafverfahren. In: Krim 1982, S. 498 - 501.<br />
Michalke, Regina: Anmerkung zu BGH, Urt. V. <strong>3.</strong>8.1988 - 2 StR 360/88. In: StV<br />
1989, S. 235-237.<br />
- Das staatsanwaltschaftliche Ermittlungsverfahren - eine "Waffe für den Umweltschutz"?<br />
In: ZRP 1988, S. 273-275.<br />
- / Hamm, Rainer: Rechtssstaatliche Bedenken gegen Nichtzulassung der Rechtsbeschwerde<br />
im Ordnungswidrigkeitenrecht. In: NJW 1990, S. 2369 f.<br />
Möhlmann, Rolf: Vereinbarungen im <strong>Strafverfahren</strong> - Rechtliche Möglichkeiten kooperativer<br />
Verfahrensbewältigung. In: DRiZ 1990, S. 201- 205.<br />
Möhrenschlager, Manfred: Neuere Entwicklungen im Umweltstrafrecht des Strafgesetzbuches.<br />
In: NuR 1983, S. 209-218.<br />
Mohrbotter, Kurt: Zur strafrechtlichen Verantwortlichkeit des Spruchrichters <strong>und</strong> Staatsanwalts<br />
für den Inhalt der richterlichen Entscheidung. In: JZ 1969, S. 491-495.<br />
Molketin, Rüdiger: Gedanken zur Strafaussetzung nach mehrjähriger Verfahrensdauer<br />
bei folgenschwerer Trunkenheitsfahrt. In: BA 1982, S. 181- 186.<br />
Montenbruck, Axel: Abwägung <strong>und</strong> Umwertung. Berlin 1989.<br />
Anmerkung zu BGH, Urt. v. 11.1.1984- 2 StR 541/8<strong>3.</strong> In: JR 1985, S. 115-119.<br />
In dubio pro reo aus normtheoretischer, straf- <strong>und</strong> strafverfahrensrechtlicher Sicht.<br />
Berlin 1985.<br />
Strafrahmen <strong>und</strong> Strafzumessung. Berlin 198<strong>3.</strong><br />
- / Kuhlmey, Rene / Enderlein, Uwe: <strong>Die</strong> Tätigkeit des Staatsanwalts in Wirtschaftsstrafverfahren<br />
- Einführung in die Probleme. In: JuS 1987, S. 713 - 719; 803 - 808;<br />
967-971.<br />
Moos, Ruth: Das Geständnis im <strong>Strafverfahren</strong> <strong>und</strong> in der Strafzumessung. Diss. iur.<br />
Göttingen 198<strong>3.</strong><br />
Moschüring, Helmut: Inwieweit lassen sich die Vorschläge zur Reform des <strong>Strafverfahren</strong>s<br />
mit dem Bedürfnis nach Verkürzung der Verfahrensdauer vereinbaren? In: RuP<br />
1988, S. 152-160.<br />
Mrozynski. Peter: Aussetzung des Strafrests <strong>und</strong> Resozialisierung. In: IR 1983, S. 133<br />
140.<br />
Müller, Egon: Einige Bemerkungen zur Bedeutung der Europäischen Menschenrechtskonvention<br />
für das Ermittlungsverfahren in der B<strong>und</strong>esrepublik Deutschland. In:<br />
Strafverteidigung <strong>und</strong> Strafprozeß, Festgabe für Ludwig Koch, Heidelberg 1989,<br />
S.191-197.<br />
Strafverteidigung. In: NIW 1981, S. 1801-1807.<br />
Müller, Holger: Zum Problem der Verzichtbarkeit <strong>und</strong> Unverzichtbarkeit <strong>von</strong> Verfahrensnormen<br />
im Strafprozeß. Göttingen 1984.<br />
Müller, Ingo: 100 Jahre Wahrheit <strong>und</strong> Gerechtigkeit. In: Kritl 10 (1977), S. 11-28.<br />
- Rechtsstaat <strong>und</strong> <strong>Strafverfahren</strong>. Frankfurt/M. 1980.<br />
- Der Vorsatz der Rechtsbeugung. In: NJW 1980, S. 2390-2395.<br />
Müller-<strong>Die</strong>tz, Heinz: Absehen <strong>von</strong> Strafe (§ 60 StGB n. F.). In: Festschrift für Richard<br />
Lange, Berlin - New York 1976, S. 303 - 322.<br />
Recht <strong>und</strong> Gnade. In: DRiZ 1987, S. 474-481.<br />
<strong>Die</strong> Stellung des Beschuldigten im Strafprozeß. In: ZStW 93 (1981), S. 1177 - 1270.<br />
Mümmler, Alfred: Zum Begriff der unrichtigen Sachbehandlung i. S. der §§ 7 GKG <strong>und</strong><br />
16 KostO. In: JVBI. 1971, S. 221-226.<br />
Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch. 2. Aufl. Hrsg. V. K. Rebmann<br />
<strong>und</strong> F. J. Säcker. München 1984 - 1990.<br />
Musielak, Hans-Joachim: <strong>Die</strong> Gr<strong>und</strong>lagen der Beweislast im Zivilprozeß. Berlin - New<br />
York 1975.<br />
- <strong>Die</strong> Rechtsbeugung (§ 336 StGB). Diss. iur. Köln 1960.<br />
Naucke, Wolfgang: Der Begriff der "geringen Schuld" (§ 153 StPO) im Straftatsystem.<br />
In: Festschrift für Reinhart Maurach, Karlsruhe 1972, S. 197-211.<br />
Nelles, Ursula: Der Einfluß der Verteidigung auf Beweiserhebungen im Ermittlungsverfahren.<br />
In: StV 1986, S. 74 - 80.<br />
Nestler-Tremel, Cornelius: Anmerkung zu LG Berlin, Urt. V. 2<strong>3.</strong><strong>3.</strong>1988 -<br />
Js 823/87 KLs (8/88). In: StV 1989, S. 109-112.<br />
(508) I Op<br />
- Der Handel um die Funktionstüchtigkeit der Strafrechtspflege. In: DRiZ 1988, S. 288<br />
296.<br />
Neumann, Ulfried: Materiale <strong>und</strong> prozedurale Gerechtigkeit im <strong>Strafverfahren</strong>. In: ZStW<br />
101 (1989), S. 52-74.<br />
Niebier, Engelbert: Der Einfluß der Rechtsprechung des B<strong>und</strong>esverfassungsgerichts auf<br />
das Strafprozeßrecht. In: <strong>Strafverfahren</strong> im Rechtsstaat, Festschrift für Theodor Kleinknecht,<br />
München 1985, S. 299 - 318.<br />
Niemöller, Martin: Absprachen im Strafprozeß. In: StV 1990, S. 34 - 38.<br />
- Besetzungsrü!!e <strong>und</strong> "WilIkürformel". In: StV 1987, S. 311- 317.<br />
20'
308 Schrifttumsverzeichnis<br />
- <strong>Die</strong> strafrichterliche Beweiswürdigung in der neueren Rechtsprechung des B<strong>und</strong>esgerichtshofs.<br />
In: StV 1984, S. 431-442.<br />
- / Schuppert, Gunnar Folke: <strong>Die</strong> Rechtsprechung des B<strong>und</strong>esverfassungsgerichts zum<br />
<strong>Strafverfahren</strong>srecht. In: AöR 107 (1982), S. 387 -498.<br />
Nikisch, Arthur: Zivilprozeßrecht. 2. Auf!. Tübingen 1952.<br />
Nose, Hiroyuki: Das Fehlen des "Anklageinteresses" - Ein Vergleich des japanischen<br />
<strong>und</strong> deutschen <strong>Strafverfahren</strong>srechts. In: ZStW 82 (1970), S. 782- 80<strong>3.</strong><br />
Noske, Thomas: <strong>Die</strong> Prozeßökonomie als Bestandteil des verfassungsrechtlichen Gr<strong>und</strong>satzes<br />
der Verhältnismäßigkeit. Diss. iur. Mainz 1989.<br />
Nowakowski, Friedrich: Freiheit, Schuld, Vergeltung. In: Festschrift für Theodor Ritter,<br />
Aalen 1957, S. 55 - 88.<br />
Oestreich, Arno / Winter, Gerhard: Gerichtskostengesetz. Kommentar. Stand: 4. Lfg.<br />
4. Auf!. Frankfurt/M. 1990.<br />
Oetker, Friedrich: Mündlichkeit <strong>und</strong> Unmittelbarkeit im <strong>Strafverfahren</strong> unter besonderer<br />
Berücksichtigung der Monstreprozesse. In: GerS 105 (1935), S. I - 25.<br />
- Strafanspruch <strong>und</strong> strafprozessualer Parteibegriff. In: GerS 108 (1936), S. 1- 19.<br />
Olshausen's Kommentar zum Strafgesetzbuch für das Deutsche Reich. 11. Auf!. Bearb.<br />
v. K. Lorenz, H. Freiesleben, E. Niethammer, C. Kirchner <strong>und</strong> G. Gutjahr. Berlin<br />
1927.<br />
Olzen, Dirk: <strong>Die</strong> Wahrheitspflicht der Parteien im Zivilprozeß. In: ZZP 98 (1985),<br />
S.403-426.<br />
Oppitz, Ulrich-<strong>Die</strong>ter: <strong>Strafverfahren</strong> <strong>und</strong> Strafvollstreckung bei NS-Gewaltverbrechen.<br />
2. Auf!. Ulm 1979.<br />
Ossenhühl, Fritz: Staatshaftungsrecht. <strong>3.</strong> Auf!. München 198<strong>3.</strong><br />
- Zumutbarkeit als Verfassungsmaßstab. In: Freiheit <strong>und</strong> Verantwortung im Verfassungsstaat,<br />
Festgabe für die Gesellschaft für Rechtspolitik, München 1984, S. 315<br />
327.<br />
Ostendorj; Heribert: Alternativkommentar zum Jugendgerichtsgesetz. Neuwied - Darmstadt<br />
1897.<br />
Unschuldsvermutung <strong>und</strong> Bewährungswiderruf. In: StV 1990, S. 230-232.<br />
Ostermeyer, Helmut: Kollektivschuld im Strafrecht. Der Contergan-Prozeß zeigt die<br />
Grenzen der Strafjustiz. In: ZRP 1971, S. 75 f.<br />
Ostler, Fritz: Gesetzlicher Richter <strong>und</strong> willkürliche Entziehung. In: JR 1957, S. 454 -456.<br />
Ouo, Harro: Gr<strong>und</strong>kurs Strafrecht. <strong>Die</strong> einzelnen Delikte. 2. Auf!. Berlin - New York<br />
1984.<br />
Gr<strong>und</strong>kurs Strafrecht. Allgemeine Strafrechtslehre. <strong>3.</strong> Auf!. Berlin - New York 1988.<br />
- Pflichtenkollision <strong>und</strong> Rechtswidrigkeitsurteil. <strong>3.</strong> Auf!. Marburg 1978.<br />
Paeffgen, Hans-Ullrich: (Obergerichtliche) Rechtsprechung in Haft-Sachen. In: NStZ<br />
1990, S. 531-536.<br />
- Vorüberlegungen zu einer Dogmatik des Untersuchungshaft-Rechts. Köln - Berlin<br />
Bonn - München 1986.<br />
Schrifttumsverzeichnis 309<br />
Palandt. Bürgerliches Gesetzbuch. Kommentar. 49. Auf!. Bearb. v. U. <strong>Die</strong>derichsen, W.<br />
Edenhofer, H. Heinrichs, A. Heldrich, H. Putzo <strong>und</strong> H. Thomas. München 1990.<br />
Papier, Hans-Jürgen: Justizgewährungsanspruch. In: Isensee, J. / Kirchhof, P. (Hrsg.),<br />
Handbuch des Staatsrechts, Bd. VI, Heidelberg 1989, S. 1221-1232.<br />
- Rechtsschutzgarantie gegen die öffentliche Gewalt. In: Isensee, J. / Kirchhof, P.<br />
(Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Bd. VI, Heidelberg 1989, S. 1233 -1270.<br />
- Richterliche Unabhängigkeit <strong>und</strong> <strong>Die</strong>nstaufsicht. In: NJW 1990, S. 8-14.<br />
Parigger, Manfred: <strong>Die</strong> ~usschließung des Strafverteidigers de lege lata - de lege<br />
ferenda. In: Strafverteidigung <strong>und</strong> Strafprozeß, Festgabe für Ludwig Koch, Heidelberg<br />
1989, S. 199-214.<br />
Pasc.~~ann.s,Norbert: <strong>Die</strong> staatsanwaltschaftliche Verfahrenseinstellung wegen Geringfugigkeit<br />
nach §§ 153, 153 a StPO - Entscheidungsgrenzen <strong>und</strong> Entscheidungskontrolle.<br />
Frankfurt/M. - Bem - New York - Paris 1988.<br />
Paulus, Rainer: Anmerkung zu OLG Celle, Beschl. v. 17.5.1984 -<br />
NStZ 1985, S. 519-521.<br />
1 Ws 161/84. In:<br />
Pawlowski, Hans-Martin: Allgemeiner Teil des BGB. <strong>3.</strong> Auf!. Heidelberg 1987.<br />
Pestalozza, Christian: Verfassungsprozeßrecht. 2. Auf!. München 1982.<br />
Peters, Egbert: Beweisvereitelung <strong>und</strong> Mitwirkungspflicht des Beweisgegners. In: ZZP<br />
82 (1969), S. 200-224.<br />
- Der sogenannte Freibeweis im Zivilprozeß. Köln - Berlin - Bonn - München 1962.<br />
Peters, Karl: Anmerkung zu BGH, Urt. v. 12.10.1977 - 3 StR 287/77 (BGHSt 27,<br />
S. 274). In: JR 1978, S. 247 f.<br />
- Beiträge zum Wiederaufnahmerecht. In: Tübinger Festschrift für Eduard Kern, Tübingen<br />
1968, S. 335-361.<br />
- Beschleu~igung des <strong>Strafverfahren</strong>s <strong>und</strong> die Grenzen der Verfahrensbeschleunigung.<br />
In: SchreIber, H.-L. (Hrsg.), Strafprozeß <strong>und</strong> Reform, Neuwied - Darmstadt 1979,<br />
S.82-1I2.<br />
Beweisverbote im deutschen <strong>Strafverfahren</strong>. In: Verhandlungen des 46. DJT, 1. Bd.,<br />
München - Berlin 1966, S. 91-16<strong>3.</strong><br />
Fehlerquellen im Strafprozeß. <strong>3.</strong> Bd. Karlsruhe 1974.<br />
- <strong>Die</strong> Problematik der vorläufigen Einstellung nach § 154 Abs. 2 StPO. In: StV 1981,<br />
S. 411 f.<br />
Strafprozeß. 2. Auf!. Karlsruhe 1966.<br />
Strafprozeß. <strong>3.</strong> Auf!. Karlsruhe 1981.<br />
- Strafprozeß. 4. Auf!. Heidelberg 1985.<br />
Peukert, Wolfgang: <strong>Die</strong> <strong>überlange</strong> Verfahrensdauer (Art. 6 Abs. 1 EMRK) in der Rechtsprechung<br />
der Straßburger Instanzen. In: EuGRZ 1979, S. 261-27<strong>3.</strong><br />
Pfeiffer, Gerd: Zulässiges <strong>und</strong> unzulässiges Verteidigerhandeln. In: DRiZ 1984, S. 341<br />
349.<br />
Pföhler, Jürgen: Zur Unanwendbarkeit des strafrechtlichen Rückwirkungsverbots im<br />
Strafprozeßrecht in dogmenhistorischer Sicht. Berlin 1988.
------_._---<br />
310 Schrifttumsverzeichnis<br />
Pieck, Werner: Der Anspruch auf ein rechtsstaatliches Gerichtsverfahren - Art. 6 Abs. I<br />
der Europäischen Menschenrechtskonvention in seiner Bedeutung für das deutsche<br />
Verfahrensrecht. Berlin 1966.<br />
Preisendanz, Holger: Strafgesetzbuch. Kommentar. 30. Aufl. Berlin 1978.<br />
Priebe, Reinhard: <strong>Die</strong> <strong>Dauer</strong> <strong>von</strong> Gerichtsverfahren im Lichte der Europäischen Menschenrechtskonvention<br />
<strong>und</strong> des Gr<strong>und</strong>gesetzes. In: Gr<strong>und</strong>rechtsschutz im nationalen<br />
<strong>und</strong> internationalen Recht, Festschrift für Werner <strong>von</strong> Simson, Baden-Baden 1983,<br />
S.287-31O.<br />
Priestoph, Matthias: Beschleunigte Verurteilung festgestellter Fußbalirowdies am Beispiel<br />
Berlin. In: <strong>Die</strong> Polizei 1979, S. 296-299.<br />
Prochnow, Heinz-Erich: <strong>Die</strong> Beschleunigung des <strong>Strafverfahren</strong>s in rechtsvergleichender<br />
Betrachtung. Diss. iur. Freiburg/Brsg. 1971.<br />
Prölss, Jürgen: Beweiserleichterungen im Schadensersatzprozeß. Karlsruhe 1966.<br />
- Der Einwand der "unclean hands" im Bürgerlichen Recht sowie im Wettbewerbs<strong>und</strong><br />
Warenzeichenrecht. In: ZHR 132 (1969), S. 35-85.<br />
Prütting, Hanns: Gegenwartsprobleme der Beweislast. München 198<strong>3.</strong><br />
Puppe, Ingeborg: Der halbherzige Rücktritt. In: NStZ 1984, S. 488-491.<br />
- Verführung als Sonderopfer. In: NStZ 1986, S. 404-406.<br />
Quack, Karlheinz: Sinn <strong>und</strong> Grenzen anwaltlicher Unabhängigkeit heute. In: NJW 1975,<br />
S. 1337 -134<strong>3.</strong><br />
Rahn, Christian-Fr.: Ein Jahrh<strong>und</strong>ertprozeß. Das Verfahren gegen Kutlu <strong>und</strong> Sargin. In:<br />
DuR 1988, S. 264-268.<br />
Rahn, <strong>Die</strong>trich: Mustertexte zum Strafprozeß. 4. Aufl. München 1987.<br />
Randelzhojer, Albrecht / Wilke, <strong>Die</strong>ter: <strong>Die</strong> Duldung als Form flexiblen Verwaltungshandeins.<br />
Berlin 1981.<br />
Ranft, Otfried: <strong>Die</strong> Präklusion der Besetzungsrüge gemäß der Strafprozeßnovelie 1979<br />
<strong>und</strong> das Recht auf den gesetzlichen Richter. In: NJW 1981, S. 1473-1480.<br />
Rasehorn, Theo: <strong>Die</strong> verspätete Vernehmung des Beschuldigten in Verkehrsübertretungsverfahren.<br />
In: NJW 1964, S. 576-580.<br />
Rausche, Jens: <strong>Die</strong> Bedeutung des Art. 103 Abs. 1 GG für die Stellung des Angeklagten<br />
in der Hauptverhandlung der Tatsacheninstanz. Diss. iur. Hamburg 1967.<br />
Rebmann, Kurt: Strafprozessuale Bewältigung <strong>von</strong> Großverfahren. In: NStZ 1984,<br />
S.241-248.<br />
- Terrorismus <strong>und</strong> Rechtsordnung. In: DRiZ 1979, S. 363-370.<br />
Reinecke, Jan: <strong>Die</strong> Fernwirkung <strong>von</strong> Beweisverwertungsverboten. München 1990.<br />
Rengier, Rudolf: Der Große Senat für Strafsachen auf dem Prüfstand. In: NStZ 1982,<br />
S.225-230.<br />
Renz, Ulrich: Lauter pflichtbewußte Leute. Szenen aus NS-Prozessen. Köln 1989.<br />
Ress, Georg: Verfassungsrechtliche Auswirkungen der Fortentwicklung völkerrechtlicher<br />
Verträge - Überlegungen zum Verhältnis des Gr<strong>und</strong>gesetzes zur Europäischen<br />
Wirtschaftsgemeinschaft <strong>und</strong> zur Europäischen Menschenrechtskonvention. In: Festschrift<br />
für Wolfgang Zeid1er, 2. Bd., Berlin - New York 1987, S. 1775-1797.<br />
Schrifttumsverzeichnis 311<br />
- Der Gr<strong>und</strong>satz der Verhältnismäßigkeit im deutschen Recht. In: Der Gr<strong>und</strong>satz der<br />
Verhältnismäßigkeit in europäischen Rechtsordungen, Heidelberg 1985, S. 5-51.<br />
- <strong>Die</strong> Europäische Menschenrechtskonvention <strong>und</strong> die Vertragsstaaten: <strong>Die</strong> Wirkungen<br />
der Urteile des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte im innerstaatlichen<br />
Recht <strong>und</strong> vor innerstaatlichen Gerichten. In: Maier, I. (Hrsg.), Europäischer Menschenrechtsschutz,<br />
Heidelberg 1982, S. 227 -287.<br />
Rieß, Peter: Anmerkung zu BGH, Urt. v. 2.6. 1981 - 5 StR 175/81 (BGHSt 30, S. 149).<br />
In: JR 1982, S. 256 f.<br />
- Anmerkung zu BGH, Urt. v. 2.12.1986 - I StR 433/86. In: JR 1987, S. 389-39<strong>3.</strong><br />
- Anmerkung zu HansOLG Hamburg, Besch!. v. 18.10.1982 - 2 Ws 292/82. In: JR<br />
1983, S. 260 f.<br />
Anmerkung zu OLG Karlsruhe, Besch!. v. 30.4.1982 -<br />
1982, S. 435 f.<br />
4 VAs 22/82. In: NStZ<br />
Statistische Beiträge zur Wirklichkeit des <strong>Strafverfahren</strong>s. In: Festschrift für Werner<br />
Sarstedt, Berlin - New York 1981, S. 253-328.<br />
- Einige statistische Bemerkungen <strong>und</strong> Hinweise zur Revisionstätigkeit des B<strong>und</strong>esgerichtshofes<br />
in Strafsachen. In: AG Strafrecht des DAV 3 (1986), S. 40 -77.<br />
- <strong>Die</strong> Besetzungsrügepräklusion (§§ 222a, 222b StPO) auf dem Prüfstand der Rechtsprechung.<br />
In: JR 1981, S. 89-95.<br />
- <strong>Die</strong> Durchführung der Hauptverhandlung ohne den Angeklagten. In: JZ 1975, S. 265<br />
272.<br />
- Legalitätsprinzip - Interessenabwägung - Verhältnismäßigkeit. In: Festschrift für<br />
Hanns Dünnebier, Berlin - New York 1982, S. 149-169.<br />
- <strong>Die</strong> Urteilsabsetzungsfrist (§ 275 I StPO). In: NStZ 1982, S. 441-446.<br />
- Vereinfachte Verfahrensarten für die kleinere Kriminalität. In: Schreiber, H.-L.<br />
(Hrsg.), Strafprozeß <strong>und</strong> Reform, Neuwied- Darmstadt 1979, S. 113-149.<br />
- Verfahrenshindernisse <strong>von</strong> Verfassungs wegen? In: JR 1985, S. 45-48.<br />
- Vereinfachte Verfahrensvorschriften für den Einzelrichter in Strafsachen. In: JR<br />
1975, S. 224-229.<br />
- / Thym, Jörg: Rechtsschutz gegen strafprozessuale Zwangsmaßnahmen. In: GA 1981,<br />
S.189-212.<br />
Riezler, Erwin: Berufung auf eigenes Unrecht. In: JherJb. 89 (1941), S. 177 - 276.<br />
Rimmelspacher, Bruno: Zur Prüfung <strong>von</strong> Amts wegen im Zivilprozeß. Göttingen 1966.<br />
Ritter, Kurt-Lennart: Der praktische Gang der Strafrechtspflege. Bonn 1960.<br />
Röhl, HelImut: Das rechtliche Gehör. In: NJW 1964, S. 273 - 279.<br />
Römer, Josef: Empfiehlt es sich, besondere strafprozessuale Vorschriften für Großverfahren<br />
einzuführen? In: Verhandlungen des 50. DJT, 2. Bd., München 1974,<br />
S.K7-K41.<br />
- Kooperatives Verhalten der Rechtspflegeorgane im <strong>Strafverfahren</strong>? In: Festschrift<br />
für Erich Schmidt-Leichner, München 1977, S. 133 -144.<br />
Rönnau, Thomas: <strong>Die</strong> Absprache im Strafprozeß. Baden-Baden 1990.
312 Schrifttumsverzeichnis<br />
Rogall, Klaus: Der Beschuldigte als Beweismittel gegen sich selbst. Berlin 1977.<br />
- Hypothetische Ermittlungsverläufe im Strafprozeß. In: NStZ 1988, S. 385 -39<strong>3.</strong><br />
Rosenberg, Leo: <strong>Die</strong> Beweislast. 5. Aufl. München 1965.<br />
- / Schwab, Karl Heinz: Zivilprozeßrecht. 14. Aufl. München 1986.<br />
RosenthaI, Claudia: § 121 StPO - <strong>Die</strong> Verkürzung der <strong>Dauer</strong> der Untersuchungshaft<br />
durch die Beschleunigung des Verfahrens. Diss. iur. München 1975.<br />
Rothenfluth, Walter: <strong>Die</strong> <strong>Dauer</strong> des Strafprozesses. In: SchwZStR 100 (1983), S. 366<br />
38<strong>3.</strong><br />
Rottleuthner, Hubert / Rottleuthner-Lutter, Margret: <strong>Die</strong> <strong>Dauer</strong> <strong>von</strong> Gerichtsverfahren.<br />
Baden-Baden 1990.<br />
- Zur Wirksamkeit der ZPO-Vereinfachungsnovelle. In: DRiZ 1987, S. 139-144.<br />
Rottleuthner-Lutter, Margret: Evaluation mit Hilfe der Box-Jenkins-Methode. Frankfurt/Mo<br />
- Bern - New York 1986.<br />
Roxin, Claus: <strong>Strafverfahren</strong>srecht. 19. Aufl. München 1985.<br />
<strong>Strafverfahren</strong>srecht. 20. Aufl. München 1987.<br />
<strong>Strafverfahren</strong>srecht. 21. Aufl. München 1989.<br />
Roxin, Imme: <strong>Die</strong> Rechtsfolgen schwerwiegender Rechtsstaatsverstöße in der Strafrechtspflege.<br />
München 1988. (zit.: Rechtsfolgen).<br />
Rudolph, Kurt: Beschleunigung des Zivilprozesses. In: Justiz,<strong>und</strong> Recht, Festschrift für<br />
die Deutsche Richterakademie, Heidelberg 1983, S. 151-17<strong>3.</strong><br />
Rudolphi, Hans-Joachim: Strafvereitelung durch Verzögerung der Bestrafung <strong>und</strong> Selbstbegünstigung<br />
durch Vortäuschen einer Straftat - BayObLG, NJW 1978,256<strong>3.</strong> In:<br />
JuS 1979, S. 859 - 86<strong>3.</strong><br />
- Das <strong>Strafverfahren</strong>sänderungsgesetz 1979. In: JuS 1978, S. 864-867.<br />
- Zum Wesen der Rechtsbeugung. In: ZStW 82 (1970), S. 610-632.<br />
RückeI, Christoph: Verteidigertaktik bei Verständigungen <strong>und</strong> Vereinbarungen im <strong>Strafverfahren</strong>.<br />
In: NStZ 1987, S. 297 - 304.<br />
Rückerl, Adalbert: NS-Verbrechen vor Gericht. 2. Aufl. Heidelberg 1984.<br />
Rüping, Hinrich: Beendigung der Tat <strong>und</strong> Beginn der Verjährung. In: GA 1985, S. 437<br />
448.<br />
- Gr<strong>und</strong>riß der Strafrechtsgeschichte. München 1981.<br />
- Der Gr<strong>und</strong>satz des rechtlichen Gehörs <strong>und</strong> seine Bedeutung im <strong>Strafverfahren</strong>. Berlin<br />
1976.<br />
- <strong>Die</strong> Mitverantwortung des Staates als Strafverfolgungsverbot. Köln 198<strong>3.</strong><br />
- Der Schutz der Menschenrechte im <strong>Strafverfahren</strong> - Wesentliche Erfordernisse<br />
eines gerechten <strong>Strafverfahren</strong>s. In: ZStW 91 (1979), S. 351-36<strong>3.</strong><br />
- Das <strong>Strafverfahren</strong>. 2. Aufl. München 198<strong>3.</strong><br />
- / Dornseifer, Gerhard: Dysfunktionales Verhalten im Prozeß. In: JZ 1977, S. 417-<br />
420.<br />
Rupprecht. Reinhard: Vorprüfung der Verfassungsbeschwerde. In: JZ 1970, S. 207 - 212.<br />
Schrifttumsverzeichnis 313<br />
Sachs, Michael: Effektive Rechtsschutzgewährleistung in einer einheitlichen Verwaltungsprozeßordnung.<br />
In: ZRP 1982, S. 227 - 232.<br />
Sack, Hans-Jürgen: Beschleunigung <strong>von</strong> <strong>Strafverfahren</strong> durch Aufteilung <strong>und</strong> Beschränkung<br />
des Prozeßstoffs. In: NJW 1976, S. 604 -606.<br />
Salditt, Franz: Anmerkung zu BGH, Urt. v. 9.12.1988 - 2 StR 279/88 (BGHSt 36,<br />
S. 44). In: NStZ 1989, S. 332 f.<br />
SaIger, Hannskarl: <strong>Die</strong> Bedeutung des Tatzeit-Blutalkoholwertes für die Beurteilung der<br />
erheblich verminderten Schuldfähigkeit. In: Strafrecht, Unternehmensrecht, Anwaltsrecht,<br />
Festschrift für Gerd Pfeiffer, Köln - Berlin - Bonn - München 1988, S. 379<br />
395.<br />
Samson, Erich: Strafvereitelung auf Zeit. In: JA 1982, S. 181 - 184.<br />
Sarstedt, Werner: Fragen zur Rechtsbeugung. In: Festschrift für Ernst Heinitz, Berlin<br />
1972, S. 427-444.<br />
- Reform der Untersuchungshaft. In: <strong>Die</strong> Justiz 1963, S. 184-191.<br />
- <strong>Die</strong> Überlastung des Richters (1957). In: ders., Rechtsstaat als Aufgabe, Berlin-<br />
New York 1987, S. 213-216.<br />
- Überlastung der Strafjustiz (1971). In: ders., Rechtsstaat als Aufgabe, Berlin - New<br />
York 1987, S. 217-228.<br />
- / Hamm, Rainer: <strong>Die</strong> Revision in Strafsachen. 5. Aufl. Berlin - New York 198<strong>3.</strong><br />
Sauer, Wilhelm: Gr<strong>und</strong>lagen des Prozeßrechts. 2. Aufl. Stuttgart 1929.<br />
- Gr<strong>und</strong>lagen des Strafrechts. 1. Aufl. Berlin-Leipzig 1921.<br />
- Allgemeine Strafrechtslehre. <strong>3.</strong> Aufl. Berlin 1955.<br />
Sax, Walter: Gr<strong>und</strong>sätze der Strafrechtspflege. In: Bettermann, K. A. / Nipperdey, H. C.<br />
/ Scheuner, U. (Hrsg.), <strong>Die</strong> Gr<strong>und</strong>rechte, <strong>3.</strong> Bd., 2. Halbbd., Berlin 1959, S. 909-1014.<br />
Schäfer, Gerhard: <strong>Die</strong> Praxis des <strong>Strafverfahren</strong>s. 4. Aufl. Stuttgart - Berlin - Köln <br />
Mainz 1986.<br />
- Praxis der Strafzumessung. München 1990.<br />
Schäfer, Karl: Referat. In: Niederschriften über die Sitzungen der Großen Strafrechtskommission,<br />
2. Bd., Bonn 1958, S. 332-34<strong>3.</strong><br />
Schätzler, Johann-Georg: Anmerkung zu OLG Düsseldorf, Beschl. V. 12.1.1989 <br />
5 Ss 337/88 - 63/88 IV. In: GA 1990, S. 36-38.<br />
- Gesetz über die Entschädigung für Strafverfolgungsmaßnahmen (StrEG). Kommentar.<br />
2. Aufl. München 1982.<br />
- Handbuch des Gnadenrechts. München 1976.<br />
Schaffstein, Friedrich: Der Begriff "Strafanspruch" <strong>und</strong> sein rechtspolitischer Gehalt.<br />
In: DJZ 1934, Sp. 1174-1179.<br />
- <strong>Die</strong> Zulässigkeit der alternativen Tatbestandsfeststellung im Strafprozeßrecht. In:<br />
JW 1934, S. 531 f.<br />
Schairer, Martin: Der befangene Staatsanwalt. Berlin 198<strong>3.</strong><br />
Schaupp-Haag, Judith: <strong>Die</strong> Erschöpfung des innerstaatlichen Rechtsweges nach Art. 26<br />
EMRK <strong>und</strong> das deutsche Recht. Frankfurt/M. - Bern - New York 1987.
314 Schrifttumsverzeichnis Schrifttumsverzeichnis 315<br />
Schautz, Walter: Strafrechtliche Grenzen des Verteidigerhandeins, insbesondere im Hinblick<br />
auf die Strafvereitelung, § 258 StGB. Diss. iur. Würzburg 1988.<br />
Scheffler, Uwe: Anmerkung zu BGH, Urt. v. 18.4.1990 -<br />
1990, S. 319-321.<br />
3 StR 252/88. In: wistra<br />
- Buchbesprechung: Küng-Hofer, R., <strong>Die</strong> Beschleunigung des <strong>Strafverfahren</strong>s unter<br />
Wahrung der Rechtsstaatlichkeit. In: MschrKrim 68 (1985), S. 67 f.<br />
- Gr<strong>und</strong>legung eines kriminologisch orientierten Strafrechtssystems. Frankfurt/M.<br />
Bern - New York - Paris 1987.<br />
- Der Hilfsbeweisantrag <strong>und</strong> seine Bescheidung in der Hauptverhandlung. In: NStZ<br />
1989, S. 158-160.<br />
- Kriminologische Kritik des Schuldstrafrechts. Frankfurt/M. - Bern - New York 1985.<br />
- Legitimation <strong>und</strong> Funktion des Beschleunigungsprinzips im Jugendstrafrecht. In:<br />
RdJB 1981, S. 451-464.<br />
Schenke, Wolf-Rüdiger: Rechtsschutz bei strafprozessualen Eingriffen <strong>von</strong> Staatsanwaltschaft<br />
<strong>und</strong> Polizei. In: NJW 1976, S. 1816-182<strong>3.</strong><br />
Schewe, Günter: <strong>Die</strong> "mögliche" Blutalkoholkonzentration <strong>von</strong> 2 %0 als "Grenzwert der<br />
absoluten verminderten Schuldfähigkeit"? In: JR 1987, S. 179 -185.<br />
Schindler, <strong>Die</strong>trich: <strong>Die</strong> innerstaatlichen Wirkungen der Entscheidungen der europäischen<br />
Menschenrechtsorgane. In: Festschrift für Max Guldener, Zürich 1973, S. 273<br />
290.<br />
Schlaich, Klaus: Das B<strong>und</strong>esverfassungsgericht -<br />
München 1985.<br />
Stellung, Verfahren, Entscheidungen.<br />
Schlüchter, Ellen: Anmerkung zu OLG Frankfurt, Beschl. v. 14.2.1986 - 1 Ss 7/86.<br />
In: JR 1987, S. 81-8<strong>3.</strong><br />
- Das <strong>Strafverfahren</strong>. 2. Auf!. Köln - Berlin - Bonn - München 198<strong>3.</strong><br />
- Wider die Verwirkung <strong>von</strong> Verfahrensrügen im Strafprozeß. In: Gedächtnisschrift<br />
für Karlheinz Meyer, Berlin - New York 1990, S. 445-467.<br />
Schlüter, Wilfried: Das Obiter dictum. München 197<strong>3.</strong><br />
Schmalz, <strong>Die</strong>ter: Strafprozeß <strong>und</strong> Staatsrecht: Überlänge <strong>von</strong> Gerichts-, insbesondere<br />
<strong>Strafverfahren</strong>. In: JuraTelegramm 1990, S. 30-32.<br />
Schmid, Werner: <strong>Die</strong> "Verwirkung" <strong>von</strong> VerfahrensfÜgen im Strafprozeß. Frankfurt/M.<br />
1967.<br />
Schmidhäuser, Eberhard: Zur Frage nach dem Ziel des Strafprozesses. In: Festschrift<br />
für Eberhard Schmidt, Göttingen 1961, S. 511-524.<br />
Objektive Strafbarkeitsbedingungen. In: ZStW 71 (1959), S. 545-564.<br />
Strafrecht. Allgemeiner Teil. 2. Auf!. Tübingen 1975.<br />
Strafrecht. Besonderer Teil. Tübingen 1980.<br />
Der Verdeckungsmord <strong>und</strong> das Urteil BGH - 2 StR 559/87. In: NStZ 1989, S. 55<br />
58.<br />
Schmidt, Eberhard: Begnadigung <strong>und</strong> Amnestie. In: Anschütz, G. / Thoma, R. (Hrsg.),<br />
Handbuch des Deutschen Strafrechts, 2. Bd., Tübingen 1932, S. 563 -571.<br />
- Einführung in die Geschichte der deutschen Strafrechtspf!ege. <strong>3.</strong> Auf!. Göttingen<br />
1965.<br />
- Kammergericht <strong>und</strong> Rechtsstaat. Berlin 1968.<br />
- <strong>Die</strong> oberlandesgerichtliche Kontrolle der <strong>Dauer</strong> der Untersuchungshaft (StPO §§ 121,<br />
122). In: NJW 1968, S. 2209-2219.<br />
- Lehrkommentar zur Strafprozeßordnung <strong>und</strong> zum Gerichtsverfassungsgesetz. Teil I.<br />
2. Auf!. Göttingen 1964.<br />
- Lehrkommentar zur Strafprozeßordnung <strong>und</strong> zum Gerichtsverfassungsgesetz. Teil 11.<br />
Göttingen 1957.<br />
- Das deutsche Richtergesetz. In: JZ 1963, S. 73 - 81.<br />
Schmidt, Gerhard: Großverfahren <strong>und</strong> Strafprozeßrecht. In: JR 1974, S. 320- 325.<br />
- Vorschläge zur Beschleunigung <strong>und</strong> Straffung des <strong>Strafverfahren</strong>s. In: DRiZ 1971,<br />
S.77-79.<br />
Schmidt, Hans Wolfgang: Gr<strong>und</strong>sätze der Rechtsprechung des BGH zu § 137 Abs. 1<br />
Satz 2 <strong>und</strong> § 146 StPO. In: MDR 1977, S. 529- 532.<br />
Schmidt-Aßmann, Eberhard: Konzentrierter oder phasenspezifischer Rechtsschutz? In:<br />
DVBl. 1981, S. 334-339.<br />
Privileg des Wohlstandskriminel<br />
Schmidt-Hieber, Werner: Absprache im Strafprozeß -<br />
len? In: NJW 1990, S. 1884 - 1888.<br />
- Absprachen im Strafprozeß - Rechtsbeugung <strong>und</strong> Klassenjustiz? In: DRiZ 1990,<br />
S.321-326.<br />
- Beschleunigung des <strong>Strafverfahren</strong>s durch Kooperation? In: Justiz <strong>und</strong> Recht, Festschrift<br />
für die Deutsche Richterakademie, Heidelberg 1983, S. 193 -207.<br />
- Buchbesprechung: Dencker, F. / Hamm, R., Der Vergleich im Strafprozeß. In: NJW<br />
1989, S. 284.<br />
- Hinweis auf die strafmildernden Wirkungen eines Geständnisses? In: Festschrift für<br />
Rudolf Wassermann, Neuwied - Darmstadt 1985, S. 995 -1005.<br />
- Verständigung im <strong>Strafverfahren</strong>. München 1986.<br />
- Verständigung im <strong>Strafverfahren</strong>. In: Absprache im Strafprozeß - ein Handel mit<br />
der Gerechtigkeit? Bericht über das Symposium am 20. <strong>und</strong> 21. November 1986 in<br />
Triberg, Stuttgart 1987, S. 50-65.<br />
Schmidt-Leichner, Erich: <strong>Strafverfahren</strong>srecht 1975 -<br />
NJW 1975, S. 417-422.<br />
Fortschritt oder Rückschritt? In:<br />
Schmidt-Räntsch, Günther / Schmidt-Räntsch, Jürgen: Deutsches Richtergesetz. Kommentar.<br />
4. Auf!. München 1988.<br />
Schmidt-Räntsch, Ruth: <strong>Die</strong>nstaufsicht über Richter. Bielefeld 1985.<br />
Schmidt-Speicher, Ursula: Hauptprobleme der Rechtsbeugung unter besonderer Berücksichtigung<br />
der historischen Entwicklung des Tatbestandes. Berlin 1982.<br />
Schmidt-<strong>von</strong> Rhein, Georg: Das Reichskammergericht in Wetzlar. In: NJW 1990, S. 489<br />
494.<br />
Schnapp, Friedrich E.: <strong>Die</strong> Verhältnismäßigkeit des Gr<strong>und</strong>rechtseingriffs. In: JuS 1983,<br />
S.850-855.
316 Schrifttumsverzeichnis Schrifttumsverzeichnis 317<br />
Schneider, Egon: Anmerkung zu BGH, Urt. v. 1<strong>3.</strong>2.1974 - 2 StR 552/73 (BGHSt 25,<br />
S. 285). In: MDR 1974, S. 944 f.<br />
- <strong>Die</strong> Beweisvereitelung. In: MDR 1969, S. 4-10.<br />
- Nichterhebung <strong>von</strong> Kosten nach § 7 GKG. In: JurBüro 1975, Sp. 869-878.<br />
- Überlastung <strong>und</strong> Entlastung der Justiz. In: MDR 1989, S. 870-872.<br />
- Urteilskritik. In: MDR 1971, S. 182-185.<br />
Schneider, Hans: Zur Verhältnismäßigkeits-Kontrolie insbesondere bei Gesetzen. In:<br />
B<strong>und</strong>esverfassungsgericht <strong>und</strong> Gr<strong>und</strong>gesetz, Festgabe für das B<strong>und</strong>esverfassungsgefleht,<br />
2. Bd., Tübingen 1976, S. 390-404.<br />
Schänke, Adolf: Beweislast, tatsächliche Vermutungen <strong>und</strong> schuldhafte Vereitelung der<br />
Beweisführung. In: ZAkDR 1939, S. 193 f.<br />
- / Kuchinke, Kurt: Zivilprozeßrecht. 9. Auf!. Karlsruhe 1969.<br />
Schönke / Schröder. Strafgesetzbuch. Kommentar. 2<strong>3.</strong> Auf!. Bearb. v. Th. Lenckner, P.<br />
Cramer, A. Eser <strong>und</strong> W. Stree. München 1988.<br />
Scham, Hubert: <strong>Die</strong> Europäische Konvention zum Schutze der Menschenrechte <strong>und</strong><br />
Gr<strong>und</strong>freiheiten. Kommentar. Frankfurt/M. 1965.<br />
- Der Schutz der Menschenwürde im <strong>Strafverfahren</strong>. Neuwied - Berlin 196<strong>3.</strong><br />
Schreiber, Hans-Ludwig: Akteneinsicht für Laienrichter? Zu den Gr<strong>und</strong>sätzen <strong>von</strong> Mündlichkeit<br />
<strong>und</strong> Unmittelbarkeit im Strafprozeß. In: Festschrift für Hans Welzel, Berlin _<br />
New York 1974, S. 941-956.<br />
- Parteispenden <strong>und</strong> Strafrecht. In: Gedächtnisschrift für Armin Kaufmann Köln-<br />
Berlin - Bonn - München 1989, S. 819-838.<br />
'<br />
- Probleme der Rechtsbeugung. In: GA 1972, S. 193-208.<br />
Schroeder, Friedrich-Christian: Anmerkung zu LG Hannover, Urt. v. 7.10.1975 _<br />
12 Kls 4/7<strong>3.</strong> In: NJW 1976, S. 980.<br />
- Kritische Bemerkungen zum <strong>Strafverfahren</strong>sänderungsgesetz 1989. In: NJW 1979<br />
S. 1527 -1530. '<br />
- Grenzen der Rationalisierung des <strong>Strafverfahren</strong>s. In: NJW 1983, S. 137 -142.<br />
- Legalitäts- <strong>und</strong> Opportunitätsprinzip heute. In: Einheit <strong>und</strong> Vielfalt des Strafrechts<br />
Festschrift für Karl Peters, Tübingen 1974, S. 411-427.<br />
'<br />
- Strafprozeßrecht. Fälle <strong>und</strong> Lösungen nach höchstrichterlichen Entscheidungen.<br />
1. Aufl. Karlsruhe 1969.<br />
- Strafprozeßrecht. Fälle <strong>und</strong> Lösungen nach höchstrichterlichen Entscheidungen.<br />
2. Aufl. Heidelberg 198<strong>3.</strong><br />
Schröder, Horst: Anmerkung zu BGH, Urt. v. 2<strong>3.</strong>7.1970 - 4 StR 241/70 (BGHSt 23,<br />
S. 307). In: JR 1971, S. 28 f.<br />
- Zur Verteidigung der Rechtsordnung. In: JZ 1971, S. 241 - 244.<br />
Schrath, Ulrich: Buchbesprechung: Bruns, H.-J., Neues Strafzumessungsrecht? In:<br />
MschrKrim 72 (1989), S. 492.<br />
- Strafrechtliche <strong>und</strong> strafprozessuale Konsequenzen aus der Überlänge <strong>von</strong> <strong>Strafverfahren</strong>.<br />
In: NJW 1990, S. 29-31.<br />
Schubarth, Martin: Faustrecht statt Auslieferungsrecht? In: StV 1987, S. 173 - 175.<br />
Schubert, Wemer: Anmerkung zu BGH, Urt. v. 6.12.1988 -<br />
1989, S. 280.<br />
XI ZR 19/88. In: JR<br />
Schünemann, Bemd: Absprachen im <strong>Strafverfahren</strong>? Gr<strong>und</strong>lagen, Gegenstände <strong>und</strong><br />
Grenzen. In: Verhandlungen des 58. DJT, 1. Bd., München 1990, S. B I-B 178.<br />
- Anmerkung zu LG Hamburg, Beschl. v. 16.1.1981 - (90) 3/80 Ks - 147 Js<br />
8/75. In: NStZ 1981, S. 143 f.<br />
- Der polizeiliche Lockspitzel- Kontroverse ohne Ende? In: StV 1985, S. 424-431.<br />
- Reflexionen über die Zukunft des deutschen <strong>Strafverfahren</strong>s. In: Strafrecht, Untemehmensrecht,<br />
Anwaltsrecht, Festschrift für Gerd Pfeiffer, Köln - Berlin - Bonn - München<br />
1988, S. 461-484.<br />
- Das beschleunigte Verfahren im Zwiespalt <strong>von</strong> Gerechtigkeit <strong>und</strong> Politik. In: NJW<br />
1968, S. 975 f.<br />
- Prozeßrechtliche Vorgaben für die Kommunikation im Strafprozeß. In: Absprache<br />
im Strafprozeß - ein Handel mit der Gerechtigkeit? Bericht über das Symposium<br />
am 20. <strong>und</strong> 21. November 1986 in Triberg, Stuttgart 1987, S. 24-49.<br />
Schultz, Günther: Blick in die Zeit. In: MDR 1971, S. 191-19<strong>3.</strong><br />
Schutz, Joachim: Anmerkung zu BGH, Urt. v. 6.12.1983 -<br />
1985, S. 312 f.<br />
5 StR 677 /8<strong>3.</strong> In: StV<br />
Schumacher, Ulrich: Kontinuität <strong>und</strong> Diskontinuität im <strong>Strafverfahren</strong>srecht. Köln 1987.<br />
Schumann, Ekkehard: <strong>Die</strong> Gegenvorstellung im Zivi1prozeßrecht. In: Festschrift für<br />
Gottfried Baumgärtei, Köln - Berlin - Bonn - München 1990, S. 491-502.<br />
- Menschenrechtskonvention <strong>und</strong> Wiederaufnahme des Verfahrens. In: NJW 1964,<br />
S. 753 -756.<br />
- Menschenrechtskonvention <strong>und</strong> Zivilprozeß. In: Festschrift für Karl Heinz Schwab,<br />
München 1990, S. 449-46<strong>3.</strong><br />
- <strong>Die</strong> Prozeßökonomie als rechtsethisches Prinzip. In: Festschrift für Karl Larenz,<br />
München 1973, S. 271-287.<br />
- Verfassungs- <strong>und</strong> Menschenrechtsbeschwerde gegen richterliche Entscheidungen.<br />
Berlin 196<strong>3.</strong><br />
Schumann, Heribert: Verfahrenshindemis bei Einsatz <strong>von</strong> V-Leuten als agents provocateurs?<br />
In: JZ 1986, S. 66-72.<br />
Schwarz, Ouo: Das neue Strafrecht. In: DJZ 1934, Sp. 43 - 50.<br />
Schwenk, Edm<strong>und</strong> H.: <strong>Die</strong> strafprozessualen Bestimmungen des NATO-Truppenstatus,<br />
des Zusatzabkommens <strong>und</strong> des Unterzeichnungsprotokolls zum Zusatzabkommen.<br />
In: NJW 1963, S.1425-1430.<br />
- Strafprozessuale Probleme des NATO-Truppenstatuts. In: JZ 1976, S. 581- 58<strong>3.</strong><br />
- Das Recht des Beschuldigten auf alsbaldige Hauptverhandlung. In: ZStW 79 (1967),<br />
S.721-740.<br />
Schwentker, Wolfgang: Der Ausschluß der Beschwerde nach § 305 StPO. Pfaffenweiler<br />
1990.
318 Schrifttumsverzeichnis Schrifttumsverzeichnis 319<br />
Schwind / Böhm. Strafvollzugsgesetz. Großkommentar. Hrsg. v. H.-D. Schwind <strong>und</strong> A.<br />
Böhm. Berlin - New York 198<strong>3.</strong><br />
Seebade, Manfred: Anmerkung zu BGH, Urt. v. 1<strong>3.</strong>8.1985 -<br />
33, S. 290). In: JR 1986, S. 474-478.<br />
1 StR 330/85 (BGHSt<br />
- Anmerkung zu OLG Hamm, Beschl. v. 22.4.1988 - 11 W 133/87. In: NStZ 1989,<br />
S. 328 f.<br />
- Zur Bedeutung der Gesetzgebung für die Haftpraxis. In: StV 1989, S. 118 - 122.<br />
- Das Verbrechen der Rechtsbeugung. Neuwied-Berlin 1969.<br />
Seelmann, Kurt: Zur materiell-rechtlichen Problematik des V-Mannes. In: ZStW 95<br />
(1983), S. 797-83<strong>3.</strong><br />
- Staatliches venire contra factum proprium als strafprozessuales Problem. In: Dogmatik<br />
<strong>und</strong> Praxis des <strong>Strafverfahren</strong>s, Geburtstagscolloquium für Gerhard Kielwein,<br />
Köln - Berlin - Bonn - München 1989, S. 25-30.<br />
- Der anonyme Zeuge - ein erstrebenswertes Ziel der Gesetzgebung? In: StV 1984,<br />
S.477-48<strong>3.</strong><br />
Seetzen, Uwe: Untersuchungshaft <strong>und</strong> Verfahrensverzögerung insbesondere nach erstinstanzlicher<br />
Hauptverhandlung. In: ZRP 1975, S. 29-32.<br />
- Zur Verhandlungs(un)fähigkeit. In: DRiZ 1974, S. 259-261.<br />
Seibert, Helga: Europäische Menschenrechtskonvention <strong>und</strong> B<strong>und</strong>esverfassungsgericht.<br />
In: <strong>Die</strong> Freiheit der Anderen, Festschrift für Martin Hirsch, Baden-Baden 1981,<br />
S.519-527.<br />
Sendler, Horst: Möglichkeiten der Beschleunigung des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens.<br />
In: DVBl. 1982, S. 923 - 93<strong>3.</strong><br />
- Zu wenig durch zu viel Rechtsschutz im Verwaltungsprozeß? Oder: Wäre weniger<br />
mehr? In: Justiz <strong>und</strong> Recht, Festschrift für die Deutsche Richterakademie, Heidelberg<br />
1983, S.175-192.<br />
Shin, Dong Woon: Anklagepflicht <strong>und</strong> Opportunitätsprinzip im deutschen <strong>und</strong> koreanischen<br />
Recht. Pfaffenweiler 1984.<br />
Siebert, Wolfgang: Verwirkung <strong>und</strong> Unzulässigkeit der Rechtsausübung. Marburg 1934.<br />
Sieg, Hans 0.: <strong>Die</strong> staatlich provozierte Straftat. In: StV 1981, S. 636-638.<br />
- Unzulässige Tatprovokation nur Beweisverwertungsverbot? In: MDR 1987, S. 368 f.<br />
Siegert, Karl: Zum Kampf gegen die Riesenprozesse. In: DRiZ 1932, S. 203-205.<br />
Siolek, Wolfgang: Verständigung im <strong>Strafverfahren</strong> -<br />
In: DRiZ 1989, S. 321-330.<br />
eine verfassungswidrige Praxis!<br />
Soergel. Bürgerliches Gesetzbuch mit Einführungsgesetz <strong>und</strong> Nebengesetzen. Kommentar.<br />
11. Auf!. Bearb. v. H.J. Abraham u. a. Stuttgart - Berlin - Köln - Mainz 1978<br />
1986.<br />
Soergel. Bürgerliches Gesetzbuch mit Einführungsgesetz <strong>und</strong> Nebengesetzen. Kommentar.<br />
12. Auf!. Bearb. v. J. F. Baur u. a. Stuttgart - Berlin - Köln - Mainz ab 1988.<br />
Sommer, Wolf-Eckart: Straßenplanung durch Bebauungsplan <strong>und</strong> die Rechtsstellung des<br />
Anliegers. In: DVBl. 1973, S. 481-484.<br />
Sommermann, Karl-Peter: Völkerrechtlich garantierte Menschenrechte als Maßstab der<br />
Verfassungskonkretisierung - <strong>Die</strong> Menschenrechtsfre<strong>und</strong>lichkeit des Gr<strong>und</strong>gesetzes.<br />
In: AöR 114 (1989), S. 391-422.<br />
Spaniol, Margret: Das Recht auf Verteidigerbeistand im Gr<strong>und</strong>gesetz <strong>und</strong> in der Europäischen<br />
Menschenrechtskonvention. Berlin 1990.<br />
Spendei, Günter: Der BGH <strong>und</strong> das Mordmerkmal "Heimtücke". In: StV 1984, S. 45 -48.<br />
- "Heimtücke" <strong>und</strong> gesetzliche Strafe bei Mord. In: JR 1983, S. 269-27<strong>3.</strong><br />
- Rechtsbeugung im Jugendstrafverfahren. In: JR 1985, S. 485-490.<br />
Stackelberg, Curt Freiherr <strong>von</strong>: Anmerkung zu OLG Bremen, Beschl. v. 17.2.1960<br />
Ws 15/60. In: NJW 1960, S. 1265 f.<br />
- Verjährung <strong>und</strong> Verwirkung des Rechts auf Strafverfolgung. In: Festschrift für Paul<br />
Bockelmann, München 1979, S. 759-769.<br />
- / Stackelberg jun., Curt Freiherr <strong>von</strong>: <strong>Die</strong> Verfahren der deutschen Verfassungsbeschwerde<br />
<strong>und</strong> der europäischen Menschenrechtsbeschwerde. Köln - Berlin - Bonn <br />
München 1988.<br />
Staudinger. Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch mit Einführungsgesetz <strong>und</strong> Nebengesetzen.<br />
12. Auf!. Bearb. v. H. Amann u. a. Berlin ab 1978.<br />
Stein, Ekkehart / Schumann, Karl F. / Winter, Gerd: Organisatorische Probleme des Strafprozesses.<br />
In: Steinert, H. (Hrsg.), Der Prozeß der Kriminalisierung, München 1973,<br />
S. 112-12<strong>3.</strong><br />
Stein / Jonas. Kommentar zur Zivilprozeßordnung. 20. Auf!. Bearb. v. W. Grunsky, D.<br />
Leipold, W. Münzberg, P. Schlosser <strong>und</strong> E. Schumann. Tübingen 1977 -1989.<br />
Steinberg, Wilhelm: Das Problem der Zumutbarkeit im Steuerrecht. In: BB 1968, S. 433-<br />
438.<br />
Stiefel, Karl Herrnann: Zur Entlastung der Zivilgerichtsbarkeit. In: ZRP 1989, S. 324 f.<br />
Stötter, Viktor: Lange Prozeßdauer <strong>und</strong> ihre Ursachen. In: NJW 1968, S. 521-526.<br />
Strate, Gerhard: Anmerkung zu BGH, Urt. v. 7.6.1989 - 2 StR 66/89 (BGHSt 36,<br />
S. 210). In: NStZ 1989, S. 439 f.<br />
- Anmerkung zu BGH, Urt. v. 15.2.1990 - 4 StR 658/89. In: StV 1990, S. 392 f.<br />
- Richterliche Befangenheit <strong>und</strong> rechtliches Gehör. In: Strafverteidigung <strong>und</strong> Strafprozeß,<br />
Festgabe für Ludwig Koch, Heidelberg 1989, S. 261-275.<br />
- Urteil im Schmücker-Prozeß. In: DuR 1986, S. 363-365.<br />
Stratenwerth, Günter: Objektive Strafbarkeitsbedingungen im Entwurf eines StGB 1959.<br />
In: ZStW 71 (1959), S. 565-578.<br />
- Tatschuld <strong>und</strong> Strafzumessung. Tübingen 1972.<br />
Stree, Walter: Anmerkung zu BGH, Urt. v. 1<strong>3.</strong>2.1974 - 2 StR 552/73 (BGHSt 25,<br />
S. 285). In: JA 1974, S. 299 f.<br />
- Begünstigung, Strafvereitelung <strong>und</strong> Hehlerei. In: JuS 1976, S. 137 - 145.<br />
Streng, Franz: Mittelbare Strafwirkungen <strong>und</strong> Strafzumessung. In: NStZ 1988, S. 485 <br />
487.<br />
Strubei, Bemd-Jochen / Sprenger, Wolfgang: <strong>Die</strong> gerichtliche NachpfÜfbarkeit staatsanwaltschaftlicher<br />
Verfügungen. In: NJW 1972, S. 1734-1739.
320 Schrifttumsverzeichnis<br />
Stürner, Rolf: <strong>Die</strong> Aufklärungspflicht der Parteien des Zivilprozesses. Tübingen 1976.<br />
Systematischer Kommentar zum Strafgesetzbuch. Allgemeiner Teil. Bearb. v. H.-J.<br />
Rudolphi, E. Horn <strong>und</strong> E. Samson. Stand: 12. Lfg. 5. Aufl. Frankfurt/M. 1989.<br />
Systematischer Kommentar zum Strafgesetzbuch. Besonderer Teil. Bearb. v. H.-J. Rudolphi,<br />
E. Horn <strong>und</strong> E. Samson. Stand: 26. Lfg. 4. Aufl. Frankfurt/M. 1989.<br />
Systematischer Kommentar zur Strafprozeßordnung. Bearb. v. H.-J. Rudolphi, W. Frisch,<br />
H.-U. Paeffgen, K. Rogall, E. Schlüchter <strong>und</strong> J. Wolter. Stand: 4. Lfg. Frankfurt/M.<br />
1990.<br />
Ein Teilaspekt rechtsmißbräuchli-<br />
Teichmann, Amdt: Venire contra factum proprium -<br />
chen HandeIns. In: JA 1985, S. 497-502.<br />
Tenckhojf, Jörg: Anmerkung zu BGH v. 7.6. 1977 - 1 StR 283/77. In: JR 1978, S. 348 f.<br />
- <strong>Die</strong> Wahrunterstellung im Strafprozeß. Berlin 1980.<br />
Terhorst, Bruno: Informelle Absprachen im Strafprozeß. In: DRiZ 1988, S. 296-298.<br />
Teske, D.: Erläuterung zu BGH, Urt. v. 2<strong>3.</strong>7.1985 - 5 StR 166/85 (BGHSt 33, S. 283).<br />
In: JA 1986, S. 108 f.<br />
Theune, Werner: Zum Strafzumessungs- <strong>und</strong> Maßregelrecht. In: NStZ 1986, S. 493 -498.<br />
Thiel, Dagmar: <strong>Die</strong> polizeiliche Verfolgungspflicht im Rahmen verdeckter Ermittlungen.<br />
Pfaffenweiler 1989.<br />
Tiedemann, Klaus: Zeitliche Grenzen des Strafrechts. In: Einheit <strong>und</strong> Vielfalt des Strafrechts,<br />
Festschrift für Karl Peters, Tübingen 1974, S. 193 - 208.<br />
- Welche strafrechtlichen Mittel empfehlen sich für eine wirksamere Bekämpfung der<br />
Wirtschaftskriminalität? In: Verhandlungen des 49. DJT, 1. Bd., München 1972,<br />
Teil C.<br />
- Wirtschaftsstrafrecht als Aufgabe. In: ders. (Hrsg.), <strong>Die</strong> Verbrechen in der Wirtschaft,<br />
1. Aufl. Karlsruhe 1970, S. 9-39.<br />
Tönnies, Sibylle: Fair trial oder Kann die Flucht in die Generalklausel gegen Kabinettsjustiz<br />
helfen? In: ZRP 1990, S. 292-295.<br />
Tolksdorj, Klaus: Mitwirkungsverbot für den befangenen Staatsanwalt. Berlin 1989.<br />
Tondorj, Günter: Buchbesprechung: Beulke, W., <strong>Die</strong> Strafbarkeit des Verteidigers. In:<br />
StV 1990, S. 285 f.<br />
Triffterer, Otto: Können Mord-Gehilfen der Nationalsozialisten heute noch bestraft werden?<br />
In: NJW 1980, S. 2049-2055.<br />
Tröndle, Herbert: Anmerkung zu BGH, Beschl. v. <strong>3.</strong>5.1978 -<br />
28, S. 29). In: JR 1979, S. 73 f.<br />
3 StR 143/78 (BGHSt<br />
Verwaltungshandeln <strong>und</strong> Strafverfolgung - konkurrierende Instrumente des Umweltrechts?<br />
In: Gedächtnisschrift für Karlheinz Meyer, Berlin - New York 1990,<br />
S.607-631.<br />
Ule, earl Hermann: Rechtstatsachen zur <strong>Dauer</strong> des Verwaltungs-(Finanz-)prozesses.<br />
Berlin 1977.<br />
Ulsamer, Gerhard: Art. 6 Menschenrechtskonvention <strong>und</strong> die <strong>Dauer</strong> <strong>von</strong> <strong>Strafverfahren</strong>.<br />
In: Festschrift für Hans Joachim Faller, München 1984, S. 373 - 385.<br />
Schrifttumsverzeichnis 321<br />
- Europäische Menschenrechtskonvention <strong>und</strong> deutsche Strafverfolgungspraxis. In:<br />
Festschrift für Wolfgang Zeidler, 2. Bd., Berlin - New York 1987, S. 1799-1815.<br />
Ulsenheimer, Klaus: Gr<strong>und</strong>fragen des Rücktritts vom Versuch in Theorie <strong>und</strong> Praxis.<br />
Berlin - New York 1976.<br />
- Zur Problematik der <strong>überlange</strong>n Verfahrensdauer <strong>und</strong> richterlichen Aufklärungspflicht<br />
im Strafprozeß sowie zur Frage der Steuerhinterziehung durch Steuerumgehung.<br />
In: wistra 1983, S. 12-17.<br />
- Zur Regelung des Verteidigerausschlusses in §§ 138a-d, 146 n. F. StPO. In: GA<br />
1975, S. 103-120.<br />
- Verfahrensdauer, <strong>überlange</strong>. In: Krekeler, W. / Tiedemann, K. / Ulsenheimer, K. /<br />
Weinmann, G. (Hrsg.): Handwörterbuch des Wirtschafts- <strong>und</strong> Steuerstrafrechts, Köln<br />
1985.<br />
Veen, Heiner ter: Das unerreichbare Beweismittel <strong>und</strong> seine prozessualen Folgen <br />
eine Übersicht zur Rechtsprechung des BGH <strong>und</strong> anderer Obergerichte. In: StV<br />
1985, S. 295 - 305.<br />
Vogel, Hans-Jochen: <strong>Strafverfahren</strong>srecht <strong>und</strong> Terrorismus -<br />
1978, S. 1217-1228.<br />
eine Bilanz. In: NJW<br />
Vogler, Theo: Straf- <strong>und</strong> strafverfahrensrechtliche Fragen in der Spruchpraxis der Europäischen<br />
Kommission <strong>und</strong> des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte. In:<br />
ZStW 89 (1977), S. 761-795.<br />
- <strong>Die</strong> Untersuchungshaft in der Spruchpraxis des Europäischen Gerichtshofes <strong>und</strong><br />
der Europäischen Kommission für Menschenrechte. In: Jescheck, H.-H. / Krümpelmann,<br />
J. (Hrsg.), <strong>Die</strong> Untersuchungshaft im deutschen, ausländischen <strong>und</strong> internationalen<br />
Recht, Bonn 1971, S. 873-884.<br />
- <strong>Die</strong> strafschärfende Verwertung strafbarer Vor- <strong>und</strong> Nachtaten bei der Strafzumessung<br />
<strong>und</strong> die Unschuldsvermutung (Art. 6 Abs. 2 EMRK). In: <strong>Strafverfahren</strong> im<br />
Rechtsstaat, Festschrift für Theodor Kleinknecht, München 1985, S. 429-44<strong>3.</strong><br />
- <strong>Die</strong> Wiederaufnahme des <strong>Strafverfahren</strong>s bei Verstößen gegen die Konvention zum<br />
Schutze der Menschenrechte <strong>und</strong> Gr<strong>und</strong>freiheiten (MRK). In: Jescheck, H.-H. /<br />
Meyer, J. (Hrsg.), <strong>Die</strong> Wiederaufnahme des <strong>Strafverfahren</strong>s im deutschen <strong>und</strong> ausländischen<br />
Recht, Bonn 1974, S. 713-727.<br />
- Strafprozessuale Wirkungen völkerrechtswidriger Entführungen <strong>von</strong> Straftätern aus<br />
dem Ausland. In: Festschrift für <strong>Die</strong>trich Oehler, Köln - Berlin - Bonn - München<br />
1985, S. 379-39<strong>3.</strong><br />
Volk, Klaus: Anmerkung zu BGH, Urt. v. 29.<strong>3.</strong>1983 - 1 StR 50/8<strong>3.</strong> In: NStZ 1983,<br />
S. 423 f.<br />
- In dubio pro reD <strong>und</strong> Alibibeweis - BGHSt 25,285. In: JuS 1975, S. 25-29.<br />
- Prozeßvoraussetzungen im Strafrecht. Ebelsbach 1978.<br />
- Verfahrensfehler <strong>und</strong> Verfahrenshindernisse. In: StV 1986, S. 34-37.<br />
Val/kammer, Max: <strong>Die</strong> lange <strong>Dauer</strong> der Zivilprozesse <strong>und</strong> ihre Ursachen. In: ZZP 81<br />
(1968), S. 102-135.<br />
Vormbaum, Thomas: <strong>Die</strong> Lex Emminger vom 4. Januar 1924. Berlin 1988.<br />
- Der strafrechtliche Schutz des Strafurteils. Berlin 1987.<br />
21 Scheffler
322 Schrifttumsverzeichnis Schrifttumsverzeichnis 323<br />
Voss, Rainer: Wirklich überlastet? In: DRiZ 1988, S. 466.<br />
Wacker, Hans: <strong>Die</strong> Rechtsbeugung. Diss. iur. Kiel 1931.<br />
Wagner, Beatrice: Anmerkung zu EuGH, Urt. v. 1<strong>3.</strong>7.1983 -Zimmermann <strong>und</strong> Steiner<br />
gegen die Schweiz. In: EuGRZ 1983, S. 484 f.<br />
Wagner, Heinz: Amtsverbrechen. Berlin 1975.<br />
- <strong>Die</strong> selbständige Bedeutung des Schuldspruchs im Strafrecht, insbesondere beim<br />
Absehen <strong>von</strong> Strafe gemäß § 16 StGB. In: GA 1972, S. 33-5<strong>3.</strong><br />
- / Rönnau, Thomas: Das "einvernehmliche" Verfahren im Strafprozeß. In: RuP 1990,<br />
S. 161-169.<br />
- - <strong>Die</strong> Absprachen im Strafprozeß. Ein Beitrag zur Gesamtreform des <strong>Strafverfahren</strong>s<br />
mit Gesetzesvorschlägen. In: GA 1990, S. 387 -406.<br />
Wagner, Joachim: Strafprozeßführung über Medien. Baden-Baden 1987.<br />
Wahrendorf, Volker: <strong>Die</strong> Prinzipien der Beweislast im Haftungsrecht. Köln - Berlin<br />
Bonn - München 1976.<br />
Walder, Hans: Schuldspruch trotz Verfolgungsverjährung? In: Gedächtnisschrift für Peter<br />
NoH, Zürich 1984, S. 313-317.<br />
Walter, Gerhard: Freie Beweiswürdigung. Tübingen 1979.<br />
Walter, Michael: <strong>Die</strong> Rücknahme kriminalrechtlicher Eingriffe als Leitgedanke künftiger<br />
Reformen. In: Hirsch, H. J. (Hrsg.), Deutsch-Spanisches Strafrechtskolloquium 1986,<br />
Baden-Baden 1987, S. 181-191.<br />
Walther, Edelbert: "Verwirkung" <strong>von</strong> Verfahrensrügen? Diss. iur. Münster 1960.<br />
Warburg, Justus R. G.: <strong>Die</strong> Entscheidung über die Kosten der Revision nach erfolgreicher<br />
Verfahrensrüge des Angeklagten im Strafprozeß. In: NJW 1973, S. 23-25.<br />
Warda, Günter: Hauptverhandlung mit dem verhandlungsunfähigen, aber verhandlungswilligen<br />
Angeklagten? In: Festschrift für Hans-Jürgen Bruns, Köln - Berlin - Bonn <br />
München 1979, S. 415-455.<br />
Wasmuth, Johannes / Koch, Matthias: Rechtfertigende Wirkung der behördlichen Duldung<br />
im Umweltstrafrecht. In: NJW 1990, S. 2434-2441.<br />
Wasserburg, Klaus: <strong>Die</strong> Wiederaufnahme des <strong>Strafverfahren</strong>s. Stuttgart - Berlin - Köln-<br />
Mainz 198<strong>3.</strong><br />
Wassmann, Hans-Jörg: Strafverteidigung <strong>und</strong> Strafvereitelung. Diss. iur. Hamburg 1982.<br />
Weber, Hans: Das veraltete Revisionsverfahren im Strafprozeß. In: NJW 1961, S. 1388 f.<br />
Weber, Hellmuth <strong>von</strong>: Anmerkung zu OGH BZ, Urt. v. 15.11. 1949 -<br />
NJW 1950, S 272-274.<br />
- Das Absehen <strong>von</strong> Strafe. In: MDR 1956, S. 705 -707.<br />
StS 227/49. In:<br />
- <strong>Die</strong> strafrechtliche Bedeutung der europäischen Menschenrechtskonvention. In:<br />
ZStW 65 (1953), S. 334 - 350.<br />
Weber, Ulrich: Der Mißbrauch prozessualer Rechte im <strong>Strafverfahren</strong>. In: GA 1975,<br />
S.289-305.<br />
Weber-Grellet, Heinrich: (Irr-)Wege aus der Justizmisere. In: NJW 1990, S. 1777 f.<br />
Weider, Hans-Joachim: Anmerkung zu BGH, Beschl. v. 8.8.1989 -<br />
StV 1990, S. 108.<br />
1 StR 369/89. In:<br />
- Anmerkung zu BGH, Urt. v. 16.<strong>3.</strong>1983 - 2 StR 543/82 (BGHSt 31, S. 290). In:<br />
StV 1983, S. 227-229.<br />
Weidmann, Klaus W.: Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte auf dem Weg<br />
zu einem europäischen Verfassungsgerichtshof. Frankfurt/M. - Bern - New York<br />
1985.<br />
Weigend, Thomas: Abgesprochene Gerechtigkeit. In: JZ 1990, S. 774-782.<br />
Weihrauch, Matthias: Verteidigung im Ermittlungsverfahren. 2. Aufl. Heidelberg 1985.<br />
Weiss, Alois: "Mißbrauch" <strong>von</strong> Anwaltsrechten zur "Prozeßsabotage"? In: AnwBl. 1981,<br />
S. 321- 326.<br />
WeÜzel, Jürgen: Der Kampf um die Appellation ans Reichskammergericht. Köln - Wien<br />
1976.<br />
Wetzei, Hans: Das Deutsche Strafrecht. 11. Aufl. Berlin 1969.<br />
Werle, Gerhard: "Sparsamer" Strafprozeß? In: ZRP 1983, S. 197 - 20<strong>3.</strong><br />
Wieacker, Franz: Zur rechtstheoretischen Präzisierung des § 242 BGB. Tübingen 1956.<br />
Wieczorek, Bernhard: Zivilprozeßordnung <strong>und</strong> Nebengesetze. 2. Aufl. Teilw. bearb. v.<br />
G. F. Rössler <strong>und</strong> R. A. Schütze. Berlin - New York 1976-1988.<br />
Wieling, Hans J.: Buchbesprechung: Dette, H. W., Venire contra factum proprium nulli<br />
conceditur. In: AcP 187 (1987), S. 95-102.<br />
- Venire contra factum proprium <strong>und</strong> Verschulden gegen sich selbst. In: AcP 176<br />
(1976), S. 334-355.<br />
Willms, Günther: Anmerkung zu BGH, Urt. v. 1<strong>3.</strong>2.1974 - 2 StR 552/73 (BGHSt 25,<br />
S. 285). In: LM Nr. 61 zu § 261 StPO.<br />
Winterfeld, Achim <strong>von</strong>: Abbau des gesetzlichen Richters? In: NJW 1972, S. 1399-1402.<br />
Witt, Jürgen: Verhältnismäßigkeitsgr<strong>und</strong>satz - Untersuchungshaft, körperliche Eingriffe<br />
<strong>und</strong> Gutachten über den Geisteszustand. Diss. iur. Mainz 1968.<br />
WÜte, Leo: Rechtsstaat <strong>und</strong> Terrorismus. In: DRiZ 1978, S. 289 - 29<strong>3.</strong><br />
WÜtig, Peter: Zum Standort des Verhältnismäßigkeitsgr<strong>und</strong>satzes im System des Gr<strong>und</strong>gesetzes.<br />
In: DÖV 1968, S. 817 - 825.<br />
Woesner, Horst: <strong>Die</strong> Gegenvorstellung im <strong>Strafverfahren</strong>. In: NJW 1960, S. 2129-2132.<br />
Woljf, Adalbert: Verwirken der Verfahrensrüge durch den Angeklagten. In: NJW 1953,<br />
S. 1656-1658.<br />
Wolfslast, Gabriele: Absprachen im Strafprozeß. In: NStZ 1990, S.409-416.<br />
Wolter, Jürgen: Informelle Erledigungsarten <strong>und</strong> summarische Verfahren bei geringfügiger<br />
<strong>und</strong> minderschwerer Kriminalität. In: GA 1989, S. 397 -429.<br />
- <strong>Strafverfahren</strong>srecht <strong>und</strong> Strafprozeßreform. In: GA 1985, S. 49-92.<br />
Ziegler, Ursula: <strong>Die</strong> Aussagegenehmigung im Beamtenrecht. Baden-Baden 1989.<br />
Zielinski, <strong>Die</strong>thart: Strafantrag - Strafantragsrecht. Zur Frage der Funktion des Strafantrags<br />
<strong>und</strong> seinen Wirksamkeitsvoraussetzungen. In: Gedächtnisschrift für Hilde Kaufmann,<br />
Berlin - New York 1986, S. 875-890.<br />
21*
324 Schrifttumsverzeichnis<br />
Zierl, Gerhard: Der Vergleich im <strong>Strafverfahren</strong> -<br />
Bewährung". In: AnwBI. 1985, S. 505.<br />
Oder ,;rausche Geständnis gegen<br />
Zimmerli, Ulrich: Der Gr<strong>und</strong>satz der Verhältnismäßigkeit im öffentlichen Recht. In:<br />
ZSchwR 97 II (1978), S. 1-131.<br />
Zipf, Heinz: Anmerkung zu OLG Karlsruhe, Urt. v. 7.<strong>3.</strong>1974 -<br />
1975, S. 162-164.<br />
I Ss 314/7<strong>3.</strong> In: JR<br />
- Anmerkung zu OLG Karlsruhe, Urt. v. 8.8.1974 - 1 Ws 249/74. In: JR 1975,<br />
S. 296 f.<br />
- Strafantrag, Privatklage <strong>und</strong> staatlicher Strafanspruch. In: GA 1969, S. 234 - 246.<br />
- <strong>Die</strong> Strafmaßrevision. München 1969.<br />
- Strafprozeßrecht. 2. Auf!. Berlin - New York 1977.<br />
- <strong>Die</strong> "Verteidigung der Rechtsordnung". In: Festschrift für Hans-Jürgen Bruns, Köln-<br />
Berlin - Bonn - München 1978, S. 205-221.<br />
ZöHer. Zivilprozeßordnung. Kommentar. 16. Auf!. Bearb. v. R. Geimer, P. Gummer,<br />
K. Herget, P. Philippi, E. Schneider, D. Stephan, K. Stöber <strong>und</strong> M. VoHkommer.<br />
Köln 1990.<br />
Zörb, Klaus P.: Untersuchungshaftentschädigung für Ausländer nach UHaftEntschG<br />
oder Europäischer Menschenrechtskonvention? In: NJW 1970, S. 2146 f.<br />
Zuck, Rüdiger: Einige verfassungsrechtliche Bemerkungen zum Gr<strong>und</strong>satz "ein Verteidiger<br />
- ein Beschuldigter" (§ 146 StPO n. F.). In: NJW 1975, S. 434 f.<br />
- Neue Tendenzen in der Kammerrechtsprechung des BVerfG. In: NJW 1990,<br />
S. 2449 f.