Das formelle Publizitätsprinzip des Grundbuchs - REWI-Home
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Arkadiusz Wudarski, Czstochowa / Osnabrück<br />
<strong>Das</strong> <strong>formelle</strong> Publizitätsprinzip <strong>des</strong> <strong>Grundbuchs</strong><br />
I. Publizitätsbedürfnis und seine historische Umsetzung<br />
Die zuverlässige Angabe der Rechtsverhältnisse an Immobilien hat für den<br />
Rechtsverkehr, insbesondere für die Sicherung der Realkredite, oberste Priorität.<br />
Um die erforderliche rechtliche Klarheit zu erreichen, muss jede Rechtsordnung<br />
über ein Instrumentarium verfügen, mit <strong>des</strong>sen Hilfe es möglich ist, sich systematisch,<br />
eindeutig und vollständig über die rechtliche Situation einer Immobilie<br />
zu informieren. Um diesem Bedürfnis nachzukommen, werden Immobilien seit<br />
jeher vermessen und registriert. 1 Während die Publizitätsfunktion bei beweglichen<br />
Sachen nur teilweise durch den Besitz erfüllt wird, gilt das Grundbuch als<br />
der Publizitätsträger für unbewegliche Sachen und ist mittlerweile im Rechtsund<br />
Wirtschaftsleben so etabliert, dass es aus dem heutigen Rechtsverkehr kaum<br />
wegzudenken ist. <strong>Das</strong> Grundbuch hat die privaten dinglichen Rechte an Immobilien,<br />
also die Rechtsbeziehungen zwischen den Immobilieneigentümern und<br />
den an Immobilien dinglich Berechtigten, wiederzugeben. Seine rechtliche Aussagekraft<br />
hängt allerdings vor allem von dem Zusammenspiel der mit ihm verbundenen<br />
materiell- und verfassungsrechtlichen Prinzipien ab. Im Vordergrund<br />
steht das <strong>formelle</strong> Publizitätsprinzip, das im Zugang zum Grundbuch (Grundbucheinsichtsrecht)<br />
zum Ausdruck kommt. Seine Gestaltung beeinflusst die<br />
Entfaltung <strong>des</strong> gesamten Systems und spiegelt sich im öffentlichen Glauben <strong>des</strong><br />
<strong>Grundbuchs</strong> (materielles Publizitätsprinzip) wider. Der Publizitätsgedanke steht<br />
und stand immer im Dienste der Rechtssicherheit, obwohl sich das Bedürfnis<br />
nach Transparenz der Rechtsverhältnisse an Immobilien – historisch betrachtet –<br />
in unterschiedlichen Formen manifestierte.<br />
1 Zur historischen Entwicklung der Liegenschaftsregister z.B.: Menes, Wiadomoci wstpne<br />
dotyczce ksig wieczystych, Rejent Nr. 4/1994, 57 ff.; Stawecki, Rejestry nieruchomoci,<br />
ksigi hipoteczne i ksigi wieczyste od czasów najdawniejszych do XXI wieku,<br />
Studia Iuridica Nr. XL/2002, 167 ff.; Bauer/Oefele, Grundbuchordnung – Kommentar,<br />
München 2006, AT I Rn. 42 ff.; Böhringer, in: Meikel (Hrsg.), GBO Grundbuchordnung<br />
– Kommentar, Köln u.a. 2009, Einl. A Rn. 1 ff. m.w.N.; Stewing, Geschichte <strong>des</strong> <strong>Grundbuchs</strong>,<br />
Rpfleger 1989, 445 ff.
630<br />
Arkadiusz Wudarski<br />
1. Auf der Suche nach Publizitätsträgern<br />
a. Ursprung<br />
Die ersten Formen der Registrierung von Grundstücken für den Rechtsverkehr<br />
sind auf den Gebieten Mesopotamiens noch vor Gründung <strong>des</strong> babylonischen<br />
Staates bekannt. 2 Die Übertragung <strong>des</strong> Eigentums an Landflächen wurde nach<br />
dem Codex Hammurabi auf Lehmtafeln aufgezeichnet und als Beweis für den<br />
Erwerb von dinglichen Befugnissen aufbewahrt, 3 wobei deren Zerbrechung den<br />
Eigentumsverlust symbolisierte. 4<br />
Als das erste öffentliche Register gilt ein Tempel, in dem die Grenzsteine<br />
(Kudurru) 5 aufbewahrt wurden. Im Falle <strong>des</strong> Zweifels am Eigentumsrecht einer<br />
Person an einem Grundstück diente die Kudurru als Eigentumsnachweis.<br />
Dadurch hatte die im Tempel verwahrte Kudurru nicht nur eine informatorische<br />
Bedeutung, sondern erfüllte auch eine Schutzfunktion. 6 In politischen Gemeinden<br />
der Antike übernahm diese Funktion ein Gefäß, in dem – laut dem Alten<br />
Testament 7 – der versiegelte Kaufbrief samt der offenen Abschrift beim Erwerb<br />
eines Ackers niedergelegt wurde. 8 <strong>Das</strong> Gefäß wurde sorgfältig aufbewahrt, um<br />
eine Feststellung der Rechtsverhältnisse an der Liegenschaft zu ermöglichen. 9<br />
2 Stawecki (Fn. 1), 168; ders., Rejestry publiczne – funkcje instytucji, Warszawa 2005,<br />
182 f.; Böhringer, in: Meikel (Fn. 1), Einl. A Rn. 5.<br />
3 Stawecki (Fn. 1), 168; ders. (Fn. 2), 182 f.<br />
4 Vgl. § 37 Codex Hammurabi; übersetzt ins Polnische von Stpie, Ko<strong>des</strong> hammurabiego,<br />
Warszawa 1996, 89; deutsche Fassung: Winckler (Hrsg.), Die Gesetze Hammurabis in<br />
Umschrift und Übersetzung, Leipzig 1994, 19. Die Tafeln im Codex Hammurabi dienten<br />
grundsätzlich als Beweisträger für verschiedene vertragliche Abmachungen bzw. deren<br />
gesetzliche Änderungen (vgl. §§ 48, A, O, 171b, 177, 178a, 179), aber auch zur Dokumentation<br />
gerichtlicher Entscheidungen (§ 5). <strong>Das</strong> Wort „Tafel“ in polnischer Übersetzung<br />
wird in deutscher Fassung oft auch als „Urkunde“ wiedergegeben.<br />
5 Kudurru war ein spezieller Grenzstein, der eine Beschreibung eines Gebiets, und damit<br />
auch seiner Grenzen, enthielt und auf dem u.a. Aufschriften mit einem Hinweis angebracht<br />
waren, dass das gekennzeichnete Grundstück kraft der königlichen Schenkung in<br />
das Privateigentum einer bestimmten Person übergegangen ist; mehr zu Kudurru:<br />
Slanski, Classification, Historiography and monumental Authority: The Babylonian<br />
entitlement Narûs (kudurrus), Journal of Cuneiform Studies, Vol. 52 (2000), 95 ff.;<br />
Herles, Götterdarstellungen Mesopotamiens in der 2. Hälfte <strong>des</strong> 2. Jahrtausends v. Chr.,<br />
Münster 2006, 19 ff., passim; Seidl, Die babylonischen Kudurru-Reliefs, Göttingen 1989,<br />
17 f.; zur Untersuchung der einzelnen Elemente der Kudurru: dies., passim.<br />
6 Stawecki (Fn. 1), 168; ders. (Fn. 2), 183.<br />
7 Jeremia 32: 9-14.<br />
8 Jeremia 32: 14.<br />
9 Stawecki (Fn. 1), 168 f.
<strong>Das</strong> <strong>formelle</strong> Publizitätsprinzip <strong>des</strong> <strong>Grundbuchs</strong> 631<br />
Mit Ausnahme <strong>des</strong> römischen Rechts, das Mobilien und Immobilien grundsätzlich<br />
gleichstellte, 10 öffentliche Register nicht kannte 11 und in dem daher der Publizitätsgedanke<br />
in einer anderen Art und Weise realisiert wurde, 12 entwickelte<br />
sich die Idee der Grundstücksregistrierung in Europa weiter und verbreitete sich<br />
im Laufe der Zeit. 13<br />
b. Polnische Publizitätswurzeln<br />
Auch in Polen hat die öffentliche Manifestierung der Rechtsgeschäfte an<br />
Grundstücken eine lange Tradition, deren Wurzeln im Mittelalter zu finden<br />
sind. 14 Ihr Ursprung war mit der Eigentumsübertragung verbunden, zu der – neben<br />
dem Vertrag, der den Verzicht <strong>des</strong> Verkäufers auf das Grundstück zugunsten<br />
<strong>des</strong> Käufers umfasste (resignatio) 15 – eine Inbesitznahme erforderlich<br />
war. 16 Der Publizitätsakt manifestierte sich in verschiedenen symbolischen<br />
Handlungen, die die Abgabe von Willenserklärungen begleiteten. Dabei konnte<br />
es sich zunächst um die Übergabe von Gegenständen handeln, die die Landfläche<br />
(Erdklumpen oder Baumzweig) oder die Herrschaft darüber (Speer oder<br />
Messer, mit dem der Baumzweig abgeschnitten wurde) symbolisierten. 17 Zu<br />
symbolischen Gesten gehörte auch das Aufsetzen einer Mütze auf den Kopf <strong>des</strong><br />
Käufers 18 und das Trinken von Wasser seitens <strong>des</strong> Verkäufers. 19 Bei größeren<br />
Landflächen bedurfte es für die Rechtsübertragung der Festlegung der Grundstücksgrenzen,<br />
die durch Begehung oder Umreiten 20 erfolgte. 21 Schließlich wur-<br />
10 Vgl. Wołodkiewicz/Załbocka, Prawo rzymskie, Instytucje, Warszawa 2005, Rn. 158;<br />
Menes (Fn. 1), 57; Böhringer, in: Meikel (Fn. 1), Einl. A Rn. 6, 23.<br />
11 Vgl. Wołodkiewicz/Załbocka (Fn. 10), Rn. 219.<br />
12 Dazu Stawecki (Fn. 1), 172 f.; ders. (Fn. 2), 183 f.; zum Eigentumserwerb im römischen<br />
Recht: Wołodkiewicz/Załbocka (Fn. 10), Rn. 175 ff.; Böhringer, in: Meikel (Fn. 1), Einl.<br />
A Rn. 7.<br />
13 Der Überblick (einschließlich Australien, USA, Kanada) gibt Stawecki (Fn. 1), 174-186<br />
(Mittelalter und Neuzeit); 186-201 (Ende 18. Jh. bis Mitte <strong>des</strong> 20. Jh.); zur deutschen<br />
Entwicklung in der Neuzeit: Böhringer, in: Meikel (Fn. 1), Einl. A Rn. 26-34; zum internationalen<br />
Rechtsvergleich der geltenden Registrierungssysteme: ders., Einl. A Rn. 57-<br />
96; zum Überblick ausgewählter <strong>Grundbuchs</strong>ysteme in Europa: Weike, <strong>Das</strong> Grundbuch in<br />
Europa, RpflStud 2009, 138 ff.<br />
14 Ausführlich dazu: Stawecki (Fn. 1), 177-181, 189-194.<br />
15 Im Altertum wird dieser Begriff in polnischer Sprache mit dem derzeit obsoleten Wort<br />
wzdanie wiedergegeben.<br />
16 Stawecki (Fn. 1), 177.<br />
17 Vgl. Sójka-Zieliska, Historia prawa, Warszawa 2008, 119 f.<br />
18 Stawecki (Fn. 1), 177.<br />
19 Sójka-Zieliska (Fn. 17), 120.<br />
20 Die festgelegten Grenzen wurden anschließend in einem Schriftstück detailliert beschrieben,<br />
das im Falle einer Streitigkeit als Beweis verwendet werden konnte; Stawecki<br />
(Fn. 1), 177 f.
632<br />
Arkadiusz Wudarski<br />
de es allmählich Sitte, die Eigentumsübertragung in Anwesenheit eines Herrschers<br />
vorzunehmen, der den Vertragsabschluss bekräftigte 22<br />
(confirmatio).<br />
c. Gerichtsregister<br />
Diese traditionelle Form wurde im 13. Jh. durch die Ausstellung einer beweiskräftigen<br />
Urkunde ersetzt und im 14. Jh. durch Gerichte vorgenommen. 23 Die<br />
ältesten Gerichtsregister (tabulae iudicii) stammen in Polen aus dem Jahr 1322.<br />
Man unterschied dabei zwischen Stadtgerichtsbüchern (ksigi sdowe grodzkie)<br />
und Landgerichtsbüchern (ksigi sdowe ziemskie). In diesen Büchern wurden<br />
alle vor Gericht vorgenommenen Handlungen, darunter auch die resignatio,<br />
vermerkt. 24 Der Zugang zu Gerichtsbüchern war ursprünglich sehr eingeschränkt.<br />
So konnten die Landgerichtsbücher – nach Art. 13 <strong>des</strong> Warecki-Statuts<br />
von 1420 25 – mit drei separat aufbewahrten Schlüsseln unter gleichzeitiger<br />
Mitwirkung eines Richters, Richteranwärters (podsdek) und „Grundstückschreibers“<br />
(pisarz ziemski) nur an bestimmten Tagen 26 geöffnet werden. Die<br />
Eröffnung der Landgerichtsbücher zu einem anderen Termin bedurfte dagegen<br />
der königlichen Genehmigung. 27 Allmählich entwickelten sich die Gerichtsbücher<br />
zu einem staatlichen Hilfsmittel bei der Gestaltung der zivilrechtlichen<br />
Verhältnisse und führten dadurch auch zur Etablierung der Publizitätsfunktion. 28<br />
2. Entwicklung der Liegenschaftsregister<br />
a. Danziger Erbbücher (ab 1357)<br />
Die Eintragungen in die allgemeinen Gerichtsbücher wurden bis 1795 chronologisch<br />
vorgenommen. Bahnbrechend in dieser Hinsicht waren – und zur damaligen<br />
Zeit einen Ausnahmecharakter hatten – die Danziger Erbbücher, in denen ab<br />
1357 ein separates Blatt für einzelne Grundstücke geführt wurde. 29 Häuser<br />
waren dort nach Gassen verzeichnet und für je<strong>des</strong> Haus wurden – in entspre-<br />
21 Zu weiteren der Publizität dienenden Handlungen: Sójka-Zieliska (Fn. 17), 120.<br />
22 Menes (Fn. 1), 57; Sójka-Zieliska (Fn. 17), 120.<br />
23 Menes (Fn. 1), 57 f.<br />
24 Stawecki (Fn. 1), 178.<br />
25 Zu anderen Statuten, die ähnliche Regelungen enthalten: Dbkowski, Uwagi o urzdzaniu<br />
ksig sdowych w dawnej Polsce, Lwów 1918, 8.<br />
26 Viermal jährlich, und zwar jeweils am ersten Montag nach 6.1., 23.4., 24.6. und 15.10.<br />
27 Siciski, Ujawnianie treci ksigi wieczystej – tradycja i perspektywy – cz. I,<br />
Nieruchomoci Nr. 4/2001, 13; Dbkowski (Fn. 25), 7 f.<br />
28 Zur Entwicklung der Gerichtsbücher: Stawecki (Fn. 1), 178 f.; Bardach/Lenodorski/-<br />
Pietrzak, Historia ustroju i prawa polskiego, Warszawa 2005, 120; Menes (Fn. 1), 58.<br />
29 Vgl. Bauer/Oefele (Fn. 1), AT I Rn. 42; Stewing (Fn. 1), 446.
<strong>Das</strong> <strong>formelle</strong> Publizitätsprinzip <strong>des</strong> <strong>Grundbuchs</strong> 633<br />
chenden Spalten – Eigentümer und Grundzins eingetragen. 30 Im Unterschied<br />
zum sog. Personalfolium-System, in dem für mehrere Grundstücke eines Eigentümers<br />
ein gemeinschaftliches Grundbuchblatt geführt wird, wurden also die<br />
Eintragungen zum ersten Mal nicht dem Eigentümer, sondern dem betroffenen<br />
Grundstück zugeordnet. Diese älteste auf Grundstücke abstellende Sammlung<br />
ebnete den Weg für das sog. Realfolium-System, das heutzutage der Regelfall<br />
ist und sich dadurch kennzeichnet, dass für je<strong>des</strong> rechtlich selbständige Grundstück<br />
ein besonderes Grundbuch angelegt wird. <strong>Das</strong> Danziger Erbbuch kann<br />
daher als Prototyp <strong>des</strong> heutigen <strong>Grundbuchs</strong> angesehen werden.<br />
b. <strong>Das</strong> Gesetz von 1588<br />
Den Grundstein für die Entwicklung und Institutionalisierung <strong>des</strong> öffentlichen<br />
Registers hat in Polen das Gesetz von 1588 über die Geltung der Eintragungen 31<br />
gelegt. <strong>Das</strong> Gesetz gewährleistete interessierten Personen gegen ein kleines<br />
Entgelt den Zugang zu Gerichtsakten. Damit wurde also das <strong>formelle</strong> Publizitätsprinzip<br />
der öffentlichen Bücher gesetzlich verankert. 32 <strong>Das</strong> Gesetz von 1588<br />
bildete auch die Grundlage für die Entfaltung <strong>des</strong> materiellen Publizitätsprinzips<br />
und führte weitere Grundbuchprinzipien 33 ein, die später fortentwickelt und<br />
durch das Gesetz von 1768 gestärkt wurden. 34<br />
c. Periode der Teilung Polens (Gesetz von 1818)<br />
Während der Teilung Polens (1795-1918) galt grundsätzlich das jeweilige<br />
Grundbuchrecht der Besatzungsmächte. 35 Trotzdem gelang es, auf dem Gebiet<br />
30 Böhringer, in: Meikel (Fn. 1), Einl. A Rn. 20.<br />
31 Der Originaltitel lautet: O wanoci zapisow, Volumina legum: [leges, statuta, constitutiones<br />
et privilegia Regni Poloniae, Magni Ducatus Lithuaniae omniumque provinciarum<br />
annexarum, a Commitiis Visliciae anno 1347 celebratis usque ad ultima regni comitia],<br />
Band 2 [ab anno 1550 ad annum 1609]; neu veröffentlicht im Verlag Wydawnictwa<br />
Artystyczne i Filmowe, Warszawa 1980, Nr. 28, S. 258 Rn. 1220.<br />
32 Stawecki (Fn. 2), 185 f.<br />
33 Es handelte sich insbesondere um das Spezialitäts-, Vorrangs- und Legalitätsprinzip;<br />
Sójka-Zieliska (Fn. 17), 148 f.; Stawecki (Fn. 2), 185 f.<br />
34 Danach wurden Verträge, die Eigentumsübertragungen oder Belastungen an Immobilien<br />
zum Gegenstand hatten, inter partes wirkungslos, wenn diese in einem nicht zuständigen<br />
Bezirk geschlossen wurden und ihre Eintragung nicht innerhalb eines Jahres und sechs<br />
Tagen in das korrekte Buch erfolgte; Stawecki (Fn. 1), 180; Menes (Fn. 1), 58 f.<br />
35 Zum Gesamtüberblick vgl.: Stawecki (Fn. 1), 189 ff.; ders. (Fn. 2), 188; zu Preußen:<br />
Kraus, Prawo ksig gruntowych w b. zaborze pruskim, Warszawa/Kraków 1921, passim<br />
(zum <strong>formelle</strong>n Publizitätsprinzip, 11 f.); Konica (Begr.)/Zoll/Wasilewski (Red.), Encyklopedia<br />
podrczna prawa prywatnego, Band 2: Ksigi wieczyste – ordynacje rodowe,<br />
Warszawa 1934, 615 ff. (zum Publizitätsprinzip: 617 f.; 647 ff.); zum Königreich Polen:
634<br />
Arkadiusz Wudarski<br />
<strong>des</strong> 1815 gegründeten autonomen Königreichs Polen (sog. Kongresspolen) 36<br />
eigene Rechtskonzepte zu verwirklichen. <strong>Das</strong> dort geltende französische Recht<br />
kannte weder das Publizitätsprinzip noch den mit der Eintragung verbundenen<br />
Schutz und wies viele weitere Mängel auf. 37 Der unmittelbare Reformauslöser<br />
war die bevorstehende umständliche Erneuerung der Hypothekeneintragung, 38<br />
die jedoch vermieden werden sollte. 39 <strong>Das</strong> führte dazu, dass das Königreich<br />
Polen bereits seit dem Jahr 1818 über ein eigenes modern ausgestaltetes Recht<br />
verfügte: „das Gesetz über die Feststellung <strong>des</strong> Eigentums an unbeweglichen<br />
Gütern, über Privilegien und Hypotheken“. 40 Unter anderen wichtigen Grundsätzen,<br />
die dieses Gesetz einführte, 41 ist insbesondere die Verpflichtung hervorzuheben,<br />
sämtliche privaten Immobiliengüter, an denen Eigentum übertragen<br />
oder die mit einem Recht belastet werden konnten, in die Hypothekenbücher<br />
einzutragen. 42 Mit Ausnahme bestimmter Privilegien und Dienstbarkeiten<br />
mussten auch jegliche Rechtstitel bezüglich der Immobilie in den Hypothekenbüchern<br />
veröffentlicht werden. 43 <strong>Das</strong> Recht, über das Eigentum an den Immobiliengütern<br />
zu verfügen, konnte erst nach der Eintragung <strong>des</strong> Erwerbstitels in die<br />
Hypothekenbücher ausgeübt werden. 44 Damit wurde das materielle Publizitätsprinzip<br />
statuiert, das seine Wirkung zwischen dem Berechtigten und dem<br />
gutgläubigen Dritten entfaltete. 45 Mit der Eintragung kam es zudem zur Verdinglichung<br />
der Rechtstitel: persönliche Rechte (jus personale) wurden Sachenrechte<br />
(jus reale). 46<br />
Ursprünglich bezog sich das Gesetz von 1818 nur auf große Landgüter<br />
sowie Immobilien in acht Städten <strong>des</strong> Königsreichs, in denen Tribunale ihren<br />
Glass, Zarys Prawa Hipotecznego w b. Królestwie Polskim, Warszawa/Kraków, ca.<br />
1922, 1 f.<br />
36 Dazu Bardach/Lenodorski/Pietrzak (Fn. 28), 360 ff.<br />
37 Bardach/Lenodorski/Pietrzak (Fn. 28), 424; Stawecki (Fn. 1), 190.<br />
38 Nach dem damals dort geltenden französischen Recht war die Erneuerung der Hypothekeneintragung<br />
alle zehn Jahre erforderlich; diese Frist lief 1818 ab.<br />
39 Dazu Glass (Fn. 35), 2 f.<br />
40 Der Originaltitel lautet: Prawo o ustaleniu własnoci dóbr nieruchomych, o przywilejach<br />
i hypotekach w mieysce tytułu XVIII. ksigi III. kodexu cywilnego. <strong>Das</strong> Gesetz vom<br />
26.4.1818 wurde am 20.7.1818 im Gesetzblatt <strong>des</strong> Königreichs Polen (Band V, Nr. 21<br />
S. 295) veröffentlicht. Als Schöpfer dieses Gesetzes wird Antoni Wyczechowski gesehen;<br />
Glass (Fn. 35), 5.<br />
41 Dazu Bardach/Lenodorski/Pietrzak (Fn. 28), 424 f.<br />
42 Art. 146 <strong>des</strong> Gesetzes von 1818.<br />
43 Vgl. Art. 4-10 <strong>des</strong> Gesetzes von 1818.<br />
44 Art. 5 <strong>des</strong> Gesetzes von 1818; zur Rechtsprechung: Glass/Kuzior, Ustawa hipoteczna z<br />
1818 roku w brzmieniu z 1919 roku obowizujca na obszarze ziem wschodnich,<br />
Warszawa 1927, 13 ff.<br />
45 Art. 30, 31, 33 <strong>des</strong> Gesetzes von 1818; dazu Glass (Fn. 35), 9; zur Rechtsprechung<br />
Glass/Kuzior (Fn. 44), 50 ff.; Stawecki (Fn. 1), 191.<br />
46 Art. 11 <strong>des</strong> Gesetzes von 1818.
<strong>Das</strong> <strong>formelle</strong> Publizitätsprinzip <strong>des</strong> <strong>Grundbuchs</strong> 635<br />
Sitz hatten. 47 Im Jahre 1825 wurden – mit dem Gesetz über Privilegien und<br />
Hypotheken 48 – gewisse Modifikationen eingeführt, die unter anderem in der<br />
Ausweitung der besprochenen Institution auf andere Liegenschaften beruhten, 49<br />
wobei zugleich von der Festlegung einer allgemeinen Präklusionsfrist für die<br />
obligatorische Anlegung von Hypothekenbüchern abgesehen wurde 50 und dies<br />
schließlich zur geringeren Verbreitung der Grundbücher führte. 51<br />
Der öffentliche Zugang zu Grundbüchern verursachte während der Arbeiten<br />
an dem Gesetz von 1818 viele Kontroversen. 52 Im Ergebnis waren Hypothekenbücher<br />
nicht jedermann zugänglich. 53 Nach Art. 28 <strong>des</strong> Gesetzes von 1818<br />
konnten nur der Eigentümer einer Immobilie und die Person, die ein Recht an<br />
dieser Immobilie gesichert hatte, sowie diejenigen, die von diesen eingetragenen<br />
Berechtigten eine Genehmigung erhielten, jederzeit das betreffende Buch einsehen.<br />
Die Einsichtnahme durfte nur in Anwesenheit eines Aktenschreibers (pisarz<br />
aktowy) oder eines Regenten 54 erfolgen, die beide für den vollständigen Erhalt<br />
sowie die Unantastbarkeit der in den Büchern enthaltenen Akte verantwortlich<br />
waren. Andere Personen durften dagegen das Buch nur über einen Schreiber<br />
oder – im Falle der Verweigerung – über den Präsidenten <strong>des</strong> Grundstücksgerichts<br />
einsehen, wenn sie das Bedürfnis nachwiesen, über die Eintragungen<br />
informiert zu werden. <strong>Das</strong> Gleiche galt für die Erstellung der Abschriften. Diese<br />
Beschränkung hatte sich in der Praxis jedoch nicht bewährt, und in der Tat<br />
konnte jede Person das gewünschte Buch einsehen und die Erstellung von<br />
Abschriften beantragen. 55 Art. 28 <strong>des</strong> Gesetzes von 1818 überlebte allerdings in<br />
der kaum veränderten Fassung 56 bis zum Jahr 1919. 57 <strong>Das</strong> betrifft auch andere<br />
47 Vgl. Art. 162 <strong>des</strong> Gesetzes von 1818; Glass (Fn. 35), 2; Menes (Fn. 1), 59.<br />
48 Der Originaltitel lautet: Prawo o przywilejach i hypotekach. <strong>Das</strong> Gesetz wurde am<br />
13.6.1825 unterzeichnet und am 6.8.1825 im Gesetzblatt <strong>des</strong> Königreichs Polen (Band<br />
IX, Nr. 40 S. 355) veröffentlicht.<br />
49 Vgl. Art. 10 <strong>des</strong> Gesetzes von 1825.<br />
50 Vgl. Art. 11 <strong>des</strong> Gesetzes von 1825; Glass (Fn. 35), 2 f.; Stawecki (Fn. 1), 191.<br />
51 Menes (Fn. 1), 59.<br />
52 Zu den Gründen sowie zur gegenseitigen Argumentation: Siciski (Fn. 27), 13 f.; Litwin,<br />
Jawnoć formalna ksig wieczystych i innych ksig publicznych w prawie polskim (acta<br />
nemini deneganda), Demokratyczny Przegld Prawniczy Nr. 5/1947, 28.<br />
53 Kritisch dazu Litwin (Fn. 52), 29.<br />
54 Eine Eigenbezeichnung <strong>des</strong> für die Führung <strong>des</strong> Sekretariats und die Urkundensammlung<br />
zuständigen Gerichtsbeamten im alten Polen; Markowski/Pawelec, Wielki słownik wyrazów<br />
obcych i trudnych, Warszawa 2001, 640.<br />
55 Glass (Fn. 35), 8; Litwin (Fn. 52), 29.<br />
56 Geringfügige sprachliche Änderungen hatten keine inhaltliche Bedeutung und betrafen<br />
lediglich die Verwendung anderer Bezeichnung für den Präsidenten <strong>des</strong> Grundstücksgerichts<br />
(= „Vorsitzender der hypothekarischen Hoheit“) und den Aktenschreiber (= „Hypothekenschreiber“).<br />
57 Glass/Kuzior (Fn. 44), 40 f.
636<br />
Arkadiusz Wudarski<br />
Vorschriften der polnischen Hypothekengesetze, die trotz wechselnder Besatzungsmächte<br />
<strong>des</strong> damaligen Polen ihre Geltung behielten. 58<br />
d. Nachkriegszeit (Dekret von 1946)<br />
Die Zersplitterung der Grundbuchregelungen, die während der Teilung Polens<br />
entstand, setzte sich in der Zweiten Republik fort und wurde in der Zwischenkriegszeit<br />
nicht überwunden. 59 Die vor 1939 vorbereitete Unifikation <strong>des</strong> Sachenrechts<br />
wurde erst in der Nachkriegszeit verwirklicht. 60 Nach dem Zweiten<br />
Weltkrieg setzte sich – entgegen erster Versuche, den Grundbuchzugang von<br />
einem rationalen Bedürfnis abhängig zu machen 61 – die uneingeschränkte Publizität<br />
der Grundbücher durch. Nach Art. 13 <strong>des</strong> Dekrets vom 11. Oktober 1946 –<br />
„das Recht der Grundbücher“ 62 – waren Grundbücher öffentlich, und jedermann<br />
war berechtigt, diese unter Beachtung der Ordnungsvorschriften einzusehen. 63<br />
e. Kommunistische Ära (Gesetz von 1982)<br />
Trotz dieser Regelung wurde ein Teil der Grundbücher in den Jahren 1960-<br />
1982 als „geheim“ eingestuft und aus dem Rechtsverkehr ausgeschlossen. 64 In<br />
der kommunistischen Ära wurden Grundbücher grundsätzlich marginalisiert und<br />
galten als zeitlich überholtes und überflüssiges Rechtsinstrument. 65 Nicht zuletzt<br />
aus diesem Grund haben weder Grundbücher noch Hypothek Eingang in das<br />
1964 verabschiedete Zivilgesetzbuch gefunden. Mit der Grundbuchanlegung<br />
und -führung wurden staatliche Notariatsbüros „belastet“. 66<br />
Erst viel später – nämlich im Jahre 1982 – wurde diese Rechtsmaterie im bis<br />
heute geltenden Gesetz über Grundbücher und Hypotheken (GBHG) 67 neu<br />
58 Zu Ursachen der langen Dauer der Geltung dieser Hypothekengesetze: Glass (Fn. 35),<br />
3 f.; mehr zur geschichtlichen Entwicklung: Stawecki (Fn. 1), 191 ff.<br />
59 Bardach/Lenodorski/Pietrzak (Fn. 28), 560 f.<br />
60 Stawecki (Fn. 1), 193.<br />
61 Siciski (Fn. 27), 14.<br />
62 Dz. U. 1946 Nr. 57, Pos. 320.<br />
63 Infolge der Abspaltung der Grundakte von dem Grundbuch wurde der Umfang der Einsicht<br />
in die Informationen jedoch deutlich eingeschränkt; Siciski (Fn. 27), 13.<br />
64 Dazu Siciski (Fn. 27), 15.<br />
65 Vgl. Rudnicki, Zmiana ustawy o ksigach wieczystych i hipotece, Rejent Nr. 10/2001,<br />
31 f.; Gniewek, in: Gniewek (Hrsg.), System Prawa Prywatnego, Band 4: prawo rzeczowe,<br />
Warszawa 2007, § 10 Rn. 1.<br />
66 Vgl. das Gesetz vom 16.11.1964 über die Übergabe der Führung der Grundbücher an<br />
staatliche Notariatsbüros, Dz. U. 1964 Nr. 41, Pos. 278; dazu Kołodziej, Problemy wystpujce<br />
w funkcjonowaniu wydziałów ksig wieczystych w przededniu informatyzacji,<br />
Rejent Nr. 6/1998, 36 ff.<br />
67 <strong>Das</strong> Gesetz vom 6.7.1982, Dz. U. 1982 Nr. 19, Pos. 147; in der einheitlichen Fassung:<br />
Dz. U. 2001 Nr. 124, Pos. 1361 i.d.g.F.
<strong>Das</strong> <strong>formelle</strong> Publizitätsprinzip <strong>des</strong> <strong>Grundbuchs</strong> 637<br />
geregelt. Während der Gesetzgebungsarbeiten stellte sich die Frage nach der<br />
Einschränkung <strong>des</strong> Grundbuchzugangs nicht. Die Grundbucheinsicht wurde<br />
jedermann gewährt, wobei die Verwirklichung <strong>des</strong> <strong>formelle</strong>n Publizitätsprinzips<br />
im Einzelnen nicht ganz unproblematisch war. Die Verabschiedung <strong>des</strong> GBHG<br />
änderte auch nichts daran, dass die Grundbuchanlegung und -führung im Kommunismus<br />
weiterhin vernachlässigt wurde und mangelhaft war. 68<br />
3. Auf dem Weg zum EDV-Grundbuch<br />
Die der Aufhebung <strong>des</strong> Eisernen Vorhangs folgende Umstellung der Planwirtschaft<br />
auf die Marktwirtschaft führte zu einer enormen Steigerung der Bedeutung<br />
der Grundbücher im Rechtsverkehr. Bei der Anpassung an die neuen<br />
Gegebenheiten wurde deutlich, dass die Beseitigung bestehender Hindernisse<br />
eine zeit- und kostenaufwändige Aufgabe darstellte, die gleichzeitig eine tiefgreifende<br />
Systemreform erforderte. 69<br />
Abgesehen von der unzureichenden Personalkapazität und dem Mangel an<br />
technischer Ausstattung hing die mangelnde Effizienz der Grundbuchgerichte<br />
unter anderem eng mit der papiernen Form <strong>des</strong> <strong>Grundbuchs</strong> zusammen. <strong>Das</strong> in<br />
Buchform geführte Grundbuch entsprach nicht mehr den Bedürfnissen der<br />
stetig steigenden Zahl von Geschäften im Immobiliensektor und führte schließlich<br />
zu einer monatelangen Wartezeit bei der Grundbucheintragung. 70 Dieser<br />
höchst unerfreuliche Zustand hemmte nicht nur den Immobilienverkehr, sondern<br />
behinderte auch den gesamten Immobilienmarkt und vor allem notwendige<br />
Investitionen. Die Ineffizienz <strong>des</strong> <strong>Grundbuchs</strong>ystems beeinträchtigte gleichzeitig<br />
die Sicherheit <strong>des</strong> Rechtsverkehrs und wurde indirekt auf Kreditnehmer abgewälzt,<br />
die für die Übergangsfristen zwischen Antragstellung und endgültiger<br />
Eintragung zusätzliche (oft kostspielige) Sicherheiten bereitstellen mussten. 71<br />
Um diesen Unzulänglichkeiten zu begegnen, wurde am 14. Februar 2003 das<br />
seit langem erwartete Gesetz über die Übertragung <strong>des</strong> Grundbuchinhalts in die<br />
Struktur <strong>des</strong> im elektronischen System geführten <strong>Grundbuchs</strong> (MigrationsG) 72<br />
68 Ausführlich zu Problemen in der Praxis der Grundbuchabteilungen in Polen vor der Umstellung<br />
auf die EDV-Grundbuchführung: Kołodziej (Fn. 66), 34 ff.<br />
69 Zu verschiedenen Reformversuchen <strong>des</strong> <strong>Grundbuchs</strong>ystems in den 1990er Jahren:<br />
Stawecki (Fn. 2), 308 ff.<br />
70 So betrug etwa die Erledigungsdauer einer Grundbucheintragung in Warschau im<br />
Durchschnitt 8,8 Monate und in Stettin sogar mehr als ein Jahr; Wudarski, Polen: Modernisierung<br />
<strong>des</strong> <strong>Grundbuchs</strong>, WGO 6/2003, 402 f.; vgl. statistische Angaben <strong>des</strong> Justizministeriums<br />
bei Stawecki (Fn. 2), 307 f.<br />
71 Die Kosten der Kreditversicherung betrugen jährlich 2% der ausgezahlten Summe;<br />
Biuletyn Bankowy, Nr. 1/2003, 39.<br />
72 Dz. U. 2003 Nr. 42, Pos. 363.
638<br />
Arkadiusz Wudarski<br />
verabschiedet. 73 Damit wurde die Grundlage für die Migration der Grundbücher<br />
74 geschaffen. 75 Infolge dieses andauernden Modernisierungsprozesses,<br />
der sich bereits über mehrere Jahre erstreckt, 76 besteht derzeit in Polen eine<br />
duale Grundbuchführung. Diese Zersplitterung spiegelt sich in abweichenden<br />
Regelungen der materiellrechtlichen und administrativen Rahmenbedingungen<br />
<strong>des</strong> Grundbuchzugangs wider und betrifft auch die Erteilung von Grundbuchabschriften.<br />
All dies hat weitreichende Auswirkungen auf die Verwirklichung<br />
<strong>des</strong> <strong>formelle</strong>n Publizitätsprinzips.<br />
II. Materiellrechtliche Rahmenbedingungen<br />
1. <strong>Das</strong> „gläserne“ Grundbuch<br />
<strong>Das</strong> geltende polnische <strong>Grundbuchs</strong>ystem kennt keine subjektiven Einschränkungen<br />
für die Grundbucheinsicht. Grundbücher sind öffentlich (Art. 2 Abs. 1<br />
S. 1 GBHG) und jede Person kann diese in Anwesenheit <strong>des</strong> Gerichtsmitarbeiters<br />
einsehen (Art. 36 1 Abs. 3 GBHG).<br />
Der Begriff „jede Person“ ist gesetzlich nicht bestimmt. Es besteht aber kein<br />
Zweifel, dass dieser im weiten Sinne zu verstehen ist. <strong>Das</strong> Recht auf Einsicht in<br />
das Grundbuch beschränkt sich nicht auf polnische Staatsbürger, sondern steht<br />
auch Ausländern, Staatenlosen sowie juristischen Personen zu. 77 Da mit der<br />
73 Dieses Gesetz regelt die Grundsätze und Verfahrensweise der Durchführung der Migration<br />
<strong>des</strong> <strong>Grundbuchs</strong>, die Organisation der Migrationsstellen der Grundbücher sowie die<br />
Aufgaben der Amtsgerichte und Migrationsstellen der Grundbücher während der Migration<br />
(Art. 2 Abs. 2 Nr. 2 MigrationsG).<br />
74 Unter „Migration <strong>des</strong> <strong>Grundbuchs</strong>“ werden alle Tätigkeiten verstanden, die der Übertragung<br />
<strong>des</strong> bisherigen Grundbuchinhalts in die Struktur <strong>des</strong> im elektronischen System<br />
geführten <strong>Grundbuchs</strong> dienen (Art. 2 Abs. 2 Nr. 2 MigrationsG).<br />
75 Ein Überblick über die Entwicklung der EDV-Grundbücher in ausgewählten europäischen<br />
Ländern gibt Stawecki (Fn. 1), 202 ff.; zur Einführung der EDV-Grundbücher in<br />
Polen: ders. (Fn. 2), 310 ff.<br />
76 In Polen gibt es 347 Grundbuchgerichte, davon 38 Außenstellen; vgl. Verordnung <strong>des</strong><br />
Justizministers vom 12.6.2002 über die Bestimmung der Amtsgerichte für die Grundbuchführung,<br />
Dz. U. 2002 Nr. 95 Pos. 843 i.d.g.F. Die erste Migrationsstelle für die<br />
Grundbuchumstellung wurde am 25.7.2003 in Góra Kalwaria eröffnet. Der vom Justizministerium<br />
ursprünglich für zehn Jahre geplante Umstellungsprozess der über 14 Mio.<br />
Grundbücher wird nicht einzuhalten sein; vgl. Wudarski (Fn. 70), 403 f.<br />
77 Eine solche Ungleichbehandlung würde zur offensichtlichen Diskriminierung aufgrund<br />
der Staatsangehörigkeit führen und wäre sowohl europarechts- als auch völkerrechtswidrig;<br />
vgl. Art. 12 EG; Art. I-4 Abs. 2 VE; zum Diskriminierungsverbot im Europarecht<br />
Frenz, Handbuch Europarecht, Band 1: Europäische Grundfreiheiten, Berlin/Heidelberg<br />
2004, Rn. 2899 ff.; vgl. Art. 14 EMRK; Art. 26 <strong>des</strong> Internationalen Paktes über bürgerliche<br />
und politische Rechte, völkerrechtlicher Vertrag vom 19.12.1966, deutsche Fassung
<strong>Das</strong> <strong>formelle</strong> Publizitätsprinzip <strong>des</strong> <strong>Grundbuchs</strong> 639<br />
Einsichtnahme kein Rechtsgeschäft vorgenommen wird, ist dafür keine Geschäftsfähigkeit<br />
erforderlich. Die freie Einsicht in das Grundbuch wird vielmehr<br />
dadurch untermauert, dass sie weder von rechtlichen oder berechtigten noch von<br />
sonstigen Interessen abhängig ist. Der Einsichtnehmende muss also seinen<br />
Antrag nicht begründen. 78 Ihm steht es auch frei, das Grundbuch aus bloßer<br />
Neugier einzusehen.<br />
Der Einsicht nehmenden Person ist es gestattet, Notizen zu machen. 79 Die<br />
Frage, ob das Grundbuch während der Einsichtnahme fotografiert oder gescannt<br />
werden kann, ist weder in der Zivilprozessordnung (ZPO) 80 noch in der Geschäftsordnung<br />
der allgemeinen Gerichte (GO-V) 81 und letztlich auch nicht in<br />
anderen Ausführungsbestimmungen 82 geregelt. Die Anwendung solcher technischen<br />
Aufnahmemittel wird in der Gerichtspraxis als Substitut der eigenständigen<br />
Anfertigung von Notizen betrachtet. 83<br />
Da das EDV-Grundbuch lediglich in Form einer elektronischen Datenbank<br />
existiert, kann nur <strong>des</strong>sen Inhalt und nicht das Grundbuch selbst sichtbar<br />
gemacht werden. In diesem Fall erfolgt die Einsichtnahme durch Abruf <strong>des</strong> beantragten<br />
<strong>Grundbuchs</strong> auf der Bildschirmoberfläche (§ 3 Abs. 1 EDV-V) 84 mit<br />
Hilfe <strong>des</strong> im Computer installierten Programms. 85<br />
<strong>Das</strong> Einsichtsrecht erstreckt sich auf das gesamte Grundbuch (vier Abteilungen)<br />
und umfasst alle dort befindlichen Informationen, die nicht nur der Sicherheit<br />
<strong>des</strong> Rechtsverkehrs dienen, sondern auch Auskunft über die Privatsphäre<br />
geben. Im Grundbuch findet man eine Fülle von Informationen sowohl über<br />
familiäre als auch über wirtschaftliche Beziehungen, insbesondere Informationen<br />
über Wohnanschrift, Schuldverhältnisse, Ehescheidung oder eheliche Güterstände.<br />
<strong>Das</strong> Grundbuch offenbart auch die persönliche Identifikationsnummer<br />
in BGBl. 1973 II, S. 1553. Diese Ausklammerung wäre zudem ineffektiv und könnte<br />
mühelos durch Mittelsmänner umgangen werden.<br />
78 Kisilowska (Red.), Nieruchomoci, zagadnienia prawne, Warszawa 2007, 67.<br />
79 Rudnicki, Ustawa o ksigach wieczystych i hipotece. Przepisy o postpowaniu w sprawach<br />
wieczystoksigowych – Komentarz, Warszawa 2006, 206.<br />
80 <strong>Das</strong> Gesetz vom 17.11.1964, Dz. U. 1964 Nr. 43, Pos. 296 i.d.g.F.<br />
81 Die Verordnung <strong>des</strong> Justizministers vom 23.2.2007, Dz. U. 2007 Nr. 38 Pos. 249.<br />
82 Siehe Anordnung <strong>des</strong> Justizministers vom 12.12.2003 über Organisation und Umfang der<br />
Tätigkeit der Gerichtssekretariate und anderer Abteilungen der Gerichtsverwaltung,<br />
Dz. Urz. MS 2003 Nr. 5, Pos. 22 i.d.g.F.<br />
83 Zum Fotografieren und Scannen der Gerichtsakte hat das Justizministerium zustimmend<br />
Stellung genommen; siehe Schreiben <strong>des</strong> Justizministeriums vom 11.5.2001 (Nr. DO.I.<br />
0133/33/01) und vom 20.6.2005 (Nr. DO.I.0033/90/04).<br />
84 Verordnung <strong>des</strong> Justizministers vom 20.8.2003 über Anlegung und Führung der Grundbücher<br />
im EDV-System; Dz. U. 2003 Nr. 162, Pos. 1575 i.d.g.F.<br />
85 System Wpisów Ksig Wieczystych (Eintragungssystem der Grundbücher), Version<br />
SWKW: 004.010.076.00001, Bürosystem: LMOS 004 010 092 002.
640<br />
Arkadiusz Wudarski<br />
(PESEL), 86 aufgrund derer weitere persönliche Informationen (wie etwa das<br />
Geburtsdatum) mühelos zu entziffern sind. <strong>Das</strong> „gläserne“ Grundbuch erlaubt<br />
also einen tiefen Einblick in die persönlichen Verhältnisse <strong>des</strong> eingetragenen<br />
Berechtigten.<br />
Diese unbegrenzte Befugnis zur Grundbucheinsicht wird damit gerechtfertigt,<br />
dass Grundbücher der Ermittlung der Rechtsverhältnisse an der Liegenschaft<br />
nur dann dienen können, wenn diese für jedermann zugänglich sind und<br />
deren Inhalt öffentlich ist. 87 Damit sollte die sozial-wirtschaftliche Hauptfunktion<br />
<strong>des</strong> <strong>Grundbuchs</strong> erfüllt werden, die in der Gewährleistung der Rechtssicherheit<br />
besteht. 88 Seine materiellrechtlichen Folgen spiegeln sich in Art. 2<br />
S. 2 GBHG wider, nach dem die Berufung auf die Unkenntnis der Eintragungen<br />
in das Grundbuch oder der im Grundbuch vermerkten Anträge rechtlich unwirksam<br />
ist. Der Gesetzgeber hat damit das Prinzip ignorantia iuris nocet nachgeahmt<br />
und die materielle Öffentlichkeit der Grundbücher negativ definiert. 89<br />
<strong>Das</strong> <strong>formelle</strong> Publizitätsprinzip gilt uneingeschränkt nur für das Grundbuch.<br />
90 Im Unterschied zum Grundbuch kann die Einsicht in die Grundakte – in<br />
Anwesenheit <strong>des</strong> Gerichtsmitarbeiters – ausschließlich dem Notar und einer<br />
Person gestattet werden, die das Rechtsinteresse nachweist. 91 Dieser Einschränkung<br />
liegt der Gedanke zugrunde, dass die freie Einsicht in die Grundakte für<br />
die Sicherheit <strong>des</strong> Rechtsverkehrs, insbesondere für den gutgläubigen Erwerb,<br />
nicht erforderlich ist. Die Rechtsverhältnisse <strong>des</strong> Grundstücks lassen sich<br />
anhand <strong>des</strong> Grundbuchinhalts feststellen. 92 Die materiellrechtlichen Prinzipien<br />
<strong>des</strong> <strong>Grundbuchs</strong> erstrecken sich auch nicht auf <strong>des</strong>sen Grundakte, die keinen<br />
öffentlichen Glauben genießt. <strong>Das</strong> gilt gleichermaßen für die in der Grundakte<br />
befindlichen Dokumente, die die Grundlage der Eintragung bilden. 93 Die<br />
86 Siciski, Wniosek o wpis do ksigi wieczystej po wprowadzeniu systemu informatycznego<br />
– wybrane zagadnienia, Monitor Prawniczy Nr. 20/2003, 955.<br />
87 Rudnicki (Fn. 79), 32.<br />
88 Gniewek (Fn. 65), § 11 Rn. 56; allgemein für die uneingeschränkte Zugänglichkeit <strong>des</strong><br />
Inhalts <strong>des</strong> <strong>Grundbuchs</strong> als Voraussetzung für die richtige Erfüllung seiner Funktion:<br />
Borkowski/Trzeniewski-Kwiecie, Wpisy do ksig wieczystych, Warszawa 2008, 16.<br />
89 Gniewek (Fn. 65), § 11 Rn. 59.<br />
90 Falsch und widersprüchlich dazu Ciepła/Bałan-Gonciarz [Ustawa o ksigach wieczystych<br />
i hipotece. Komentarz. Wzory wniosków o wpis. Wzory wpisów do ksigi<br />
wieczystej, Kraków 2007, LEX-Datenbank, Art. 2 GBHG, Anm. 1], die ohne jede<br />
Begründung behaupten, dass die <strong>formelle</strong> Publizität jedermann zur Akteneinsicht und zur<br />
Erteilung von Abschriften berechtige; gemeint waren damit wohl nicht Akten, sondern<br />
Grundbücher; vgl. dies. (Fn. 90), Art. 36 2 GBHG, Anm. 3.<br />
91 Art. 36 1 Abs. 4 GBHG.<br />
92 Vgl. Rudnicki (Fn. 79), 206.<br />
93 Nach Sługiewicz [Jak czytać ksig wieczyst, Warszawa 2007, 40] kann die Einschränkung<br />
der Einsicht der Dokumente, die die Grundlage für die Eintragung bilden, das <strong>formelle</strong><br />
Publizitätsprinzip <strong>des</strong> <strong>Grundbuchs</strong> verletzen. Auf diese Dokumente werde im<br />
Grundbuch verwiesen; sie seien <strong>des</strong>halb Bestandteil der Gerichtsentscheidung.
<strong>Das</strong> <strong>formelle</strong> Publizitätsprinzip <strong>des</strong> <strong>Grundbuchs</strong> 641<br />
Beschränkung der Einsicht in die Grundakte lässt sich daher nicht mit dem<br />
Erfordernis begründen, diese müsse vor Abhandenkommen und Beschädigung<br />
geschützt werden. 94 Die Gefahr einer Beschädigung oder eines Verlustes der<br />
Grundakte ist nicht anders oder größer gegeben als bei dem papiernen Grundbuch<br />
oder sonstigen Gerichtsakten, die zur Einsicht zugänglich gemacht werden.<br />
2. Grundbuchpublizität vs. Schutz der Privatsphäre<br />
a. Absoluter Vorrang der Publizität in Polen<br />
Die mit der „gläsernen“ Grundbucheinsicht angestrebten Ziele wurden in Polen<br />
in Abwägung zu anderen Rechtsprinzipien noch nie in Frage gestellt. Die Publizität<br />
<strong>des</strong> <strong>Grundbuchs</strong> wird insbesondere durch den im Datenschutz-Gesetz 95<br />
vorgesehenen Schutz der persönlichen Daten nicht eingeschränkt. Ihre Geltung<br />
für die im Grundbuch befindlichen Daten wird mit Hilfe <strong>des</strong> Kollisionsgrundsatzes<br />
lex specialis derogat legi generali ausgeschlossen. 96 Weder im Schrifttum<br />
noch in der Rechtsprechung werden bisher andere Kollisionsprobleme gesehen.<br />
Es scheint also, dass die unbeschränkte Grundbucheinsicht zurzeit einen unangefochtenen<br />
und absoluten Vorrang in Polen genießt. Bis heute wurde diese auch<br />
keiner verfassungsrechtlichen Prüfung unterzogen.<br />
b. Problemzone<br />
Diese absolute Priorität <strong>des</strong> uneingeschränkten <strong>formelle</strong>n Publizitätsprinzips ist<br />
jedoch nicht unproblematisch. Im Spannungsfeld steht einerseits das öffentliche<br />
Interesse (Informationsinteresse <strong>des</strong> Rechtsverkehrs), an das der öffentliche<br />
Glaube <strong>des</strong> <strong>Grundbuchs</strong> knüpft, und andererseits das Interesse <strong>des</strong> Eigentümers,<br />
<strong>des</strong>sen Privatsphäre zu schützen, die unter anderem in der informationellen<br />
Selbstbestimmung zum Ausdruck kommt. Besonders die EDV-Grundbuchführung<br />
ermöglicht so umfangreiche und fortgeschrittene Suchmöglichkeiten,<br />
dass die traditionelle Unterscheidung zwischen Real- und Personalfolium an<br />
praktischer Bedeutung verloren hat. 97 <strong>Das</strong> EDV-<strong>Grundbuchs</strong>ystem stellt derzeit<br />
in der Tat eine Datensammlung dar, die über die grundstücksbezogenen Informationen<br />
hinaus auch personenbezogene Angaben enthält, die technisch nach<br />
beliebigen Kriterien mühelos durchsucht, zugänglich gemacht und verarbeitet<br />
94 AA. Borkowski/Trzeniewski-Kwiecie (Fn. 88), 16; Rudnicki (Fn. 79), 206.<br />
95 Gesetz vom 29.8.1997 über den Schutz der personenbezogenen Daten, Dz. U. 2002<br />
Nr. 101, Pos. 926 i.d.g.F.<br />
96 Vgl. Barta/Fajgielski/Markiewicz, Ochrona danych osobowych. Komentarz, Kraków<br />
2007, 340, 342.<br />
97 Siciski, Ujawnianie treci ksigi wieczystej – tradycja i perspektywy – cz. II,<br />
Nieruchomoci Nr. 5/2001, 13.
642<br />
Arkadiusz Wudarski<br />
werden könnten. <strong>Das</strong> erhöht deutlich die Gefahr <strong>des</strong> Missbrauchs der Privatsphäre<br />
und bringt diese Kollisionsinteressen noch deutlicher ans Licht.<br />
Die im Grundbuch gesammelten Daten dienen dem Aufbau von Vertrauen<br />
und Sicherheit im Rechtsverkehr. Sie sollten daher allein nur für die grundstücksbezogenen,<br />
rechtlich begründeten Zwecke verwendet werden und sind<br />
nicht zur Befriedigung jeglichen Informationsbedürfnisses gedacht. Mit der freien<br />
Grundbucheinsicht wird dem Immobilieneigentümer sowie dem aus dem<br />
Grundbuch ersichtlichen Berechtigten der Schutz seiner persönlichen Lebensverhältnisse<br />
entzogen. So wird der Immobilienerwerber gesetzlich „gezwungen“,<br />
seine personengeschützten Daten öffentlich bekannt zu geben. Infolge<br />
<strong>des</strong>sen läuft er Gefahr, dass seine persönlichen Daten von Dritten missbraucht<br />
werden können. Präventive Rechtsmittel stehen ihm nicht zur Verfügung. Ist<br />
diese so breite Offenlegung der Privatsphäre im öffentlichen Interesse unentbehrlich<br />
und muss sie sogar pauschal für den Schutz <strong>des</strong> Rechtsverkehrs<br />
geopfert werden?<br />
c. <strong>Das</strong> europäische Mosaik 98<br />
Dieses Dilemma ist nicht ein typisch polnisches Problem, das sich etwa dem<br />
Erbe einer vergangenen Epoche zuschreiben ließe und nun der rechtspolitischen<br />
Auffassung in einer freien Marktwirtschaft widerspricht. Vielmehr trifft es auch<br />
auf andere europäische Rechtsordnungen zu und wird dort unterschiedlich<br />
gehandhabt.<br />
aa. Deutschland<br />
Im Gegensatz zum polnischen Recht erkennt das deutsche Recht das Problem<br />
und bemüht sich um eine Abwägung zwischen den kollidierenden Interessen.<br />
Nach § 12 Abs. 1 S. 1 GBO 99 ist die Einsicht <strong>des</strong> <strong>Grundbuchs</strong> jedem gestattet,<br />
der ein berechtigtes Interesse darlegt. Diese Einsicht umfasst auch die noch nicht<br />
erledigten Eintragungsanträge sowie Urkunden, auf die im Grundbuch zur Ergänzung<br />
einer Eintragung Bezug genommen ist. 100 Zur Einsicht ins Grundbuch,<br />
98 Für die Hilfe bei der Erstellung dieses europäischen Rechtsvergleichs danke ich den wissenschaftlichen<br />
Mitarbeitern im ELSI an der Universität Osnabrück: S. Swann (England),<br />
X. Borremans (Frankreich), C. Nóbrega (Portugal), F. Szilágyi (Ungarn) und zudem<br />
M. Koci (Tschechien), Á. Fuglinszky (Ungarn) und J. Weike (Deutschland).<br />
99 Grundbuchordnung vom 24.3.1897 in der Fassung der Bekanntmachung vom 26.5.1994<br />
(BGBl. I S. 1114), die zuletzt durch Art. 1 <strong>des</strong> Gesetzes vom 11.8.2009 (BGBl. I S. 2713)<br />
geändert worden ist.<br />
100 § 12 Abs. 1 S. 2 GBO (vgl. auch §§ 874, 885 Abs. 2, 1115 BGB und § 49 GBO). Neben<br />
dieser allgemeinen Rechtsnorm sieht der deutsche Gesetzgeber in §§ 131-133 GBO eine<br />
ergänzende Regelung für die Einsicht in das EDV-Grundbuch vor.
<strong>Das</strong> <strong>formelle</strong> Publizitätsprinzip <strong>des</strong> <strong>Grundbuchs</strong> 643<br />
ohne das berechtigte Interesse darlegen zu müssen, sind nach § 43 GBV 101<br />
Beauftragte inländischer öffentlicher Behörden, Notare und Rechtsanwälte, die<br />
im nachgewiesenen Auftrag eines Notars handeln, öffentlich bestellte Vermessungsingenieure<br />
sowie Berechtigte eines dinglichen Rechts am betreffenden<br />
Grundstück befugt. <strong>Das</strong> berechtigte Interesse wird in diesen Fällen vermutet. 102<br />
Schlüsselbedeutung hat jedenfalls der Begriff „das berechtigte Interesse“,<br />
welcher als Kompromisslösung zwischen der freien und der weitgehend eingeschränkten<br />
Einsicht (dem rechtlichen Interesse) 103 zu sehen ist. 104 Dieser Begriff<br />
könnte im heutigen Sprachgebrauch als eine Art „Firewall“-Funktion für die<br />
Datenbank <strong>des</strong> <strong>Grundbuchs</strong> gesehen werden. 105 <strong>Das</strong> berechtigte Interesse, das<br />
viel breiter ist als das Rechtsinteresse, aber enger als das bloße Interesse, 106 und<br />
das lediglich darzulegen und nicht zu beweisen ist, stellt allerdings einen sehr<br />
unscharfen Begriff dar, der gesetzlich nicht näher bestimmt wird und um <strong>des</strong>sen<br />
Definition die Rechtsprechung und das Schrifttum deutlich bemüht sind. 107 So<br />
wie im polnischen Recht finden nach der herrschenden Meinung weder das<br />
Bun<strong>des</strong>datenschutzgesetz noch die Datenschutzgesetze der Länder auf die<br />
Grundbucheinsicht Anwendung; 108 das Datenschutzrecht beschränkt die Grundbucheinsicht<br />
nicht. 109 Dennoch könnten datenschutzrechtliche Elemente bei der<br />
verfassungskonformen Auslegung <strong>des</strong> § 12 GBO von Bedeutung sein. 110<br />
Die Diskussion über die Auslegung <strong>des</strong> Begriffs „Darlegung eines berechtigten<br />
Interesses“ sowie die Verfassungskonformität der Einschränkung der Grund-<br />
101 Verordnung zur Durchführung der Grundbuchordnung (Grundbuchverfügung – GBV) in<br />
der Fassung der Bekanntmachung vom 24.1.1995 (BGBl. I S. 114), zuletzt geändert<br />
durch Art. 2 <strong>des</strong> Gesetzes vom 11.8.2009 (BGBl. I S. 2713).<br />
102 Maaß, in: Bauer/Oefele (Fn. 1), § 12 GBO Rn. 25, 33 f.; das Gleiche gilt für Bautenschutzvereine;<br />
ders., § 12 GBO Rn. 32.<br />
103 Zum historischen Regelungshintergrund: Melchers, <strong>Das</strong> Recht auf Grundbucheinsicht,<br />
Rpfleger 1993, 309, 309 f.<br />
104 Vgl. Maaß, in: Bauer/Oefele (Fn. 1), § 12 GBO Rn. 2 f.<br />
105 Vgl. Wilsch, in: Hügel (Hrsg.), Beck'scher Online-Kommentar zur Grundbuchordnung,<br />
München 2010, § 12 GBO, Vorbemerkung.<br />
106 Vgl. OLG Hamm 18.12.1985, DNotZ 1986, 497, 498; OLG Düsseldorf 19.2.1997,<br />
Rpfleger 1997, 258; Melchers (Fn. 103), 309, 310; Nieder, Entwicklungstendenzen und<br />
Probleme <strong>des</strong> Grundbuchverfahrensrechts, NJW 1984, 329, 336; Böttcher [in: Meikel<br />
(Fn. 1), § 12 GBO Rn. 5] bezeichnet es als Mittelweg zwischen § 299 ZPO (rechtliches<br />
Interesse) und § 9 Abs. 1 HGB (je<strong>des</strong> Interesse).<br />
107 Zur Begriffsauslegung: Melchers (Fn. 103), 309, 310 f.; Wilsch, in: Hügel (Fn. 105), § 12<br />
GBO Rn. 1 ff.; Böttcher, in: Meikel (Fn. 1), § 12 GBO Rn. 5 ff. m.w.N.; Böhringer,<br />
Informationelles Selbstbestimmungsrecht kontra Publizitätsprinzip bei § 12 GBO, Rpfleger<br />
1987, 181, 183 f.<br />
108 Maaß, in: Bauer/Oefele (Fn. 1), § 12 GBO Rn. 5; Melchers (Fn. 103), 309, 310; Böttcher,<br />
in: Meikel (Fn. 1), § 12 GBO Rn. 11 m.w.N.; aA Nieder (Fn. 106), 329, 336.<br />
109 Dazu Lüke, Registereinsicht und Datenschutz, NJW 1983, 1407, 1407 f.; Böhringer<br />
(Fn. 107), 181, 182.<br />
110 Maaß, in: Bauer/Oefele (Fn. 1), § 12 GBO Rn. 8.
644<br />
Arkadiusz Wudarski<br />
bucheinsicht kulminierte in der Entscheidung <strong>des</strong> Bun<strong>des</strong>verfassungsgerichts<br />
mit seinem Volkszählungsurteil vom 15. Dezember 1983, 111 in dem das Recht<br />
auf informationelle Selbstbestimmung von dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht<br />
abgeleitet und fortentwickelt wurde (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. 1 Abs. 1 GG 112 ).<br />
Daraus folgt die grundsätzliche 113 Befugnis <strong>des</strong> Einzelnen, über die Veröffentlichung<br />
und Verwendung seiner persönlichen Daten selbst bestimmen und<br />
entscheiden zu können. Die Beeinträchtigung der Privatsphäre besteht an sich<br />
nicht in der Sammlung personenbezogener Daten, sondern im Verlust der<br />
Verfügung darüber, an wen und zu welchen Zwecken diese vermittelt werden. 114<br />
Da das Grundbuch Auskunft über persönliche (familiäre, soziale und wirtschaftliche)<br />
Verhältnisse gibt, sollte bei der Auslegung <strong>des</strong> Begriffs „<strong>des</strong> berechtigten<br />
Interesses“ das informationelle Selbstbestimmungsrecht <strong>des</strong> eingetragenen<br />
Berechtigten mit herangezogen werden. 115<br />
Ob das berechtigte Interesse tatsächlich vorliegt, wird nach dem Einzelfall<br />
entschieden, 116 wobei die Entstehungsgeschichte, die Gesetzessystematik und<br />
der Normzweck berücksichtigt werden sollten. 117 Die Rechtsprechung ist jedoch<br />
zugunsten der Publizität teilweise sehr großzügig vorgegangen. 118 So wird etwa<br />
vertreten, dass das Grundbuch schon dann eingesehen werden könne, wenn die<br />
Verfolgung unbefugter Zwecke oder bloße Neugier ausgeschlossen erscheine. 119<br />
Die Grundbucheinsicht kann auch unter Berufung auf ein öffentliches Interesse<br />
begründet werden. 120 <strong>Das</strong> Grundbuch werde ferner sogar als öffentliches<br />
111 BVerfGE 65, 1 ff. = NJW 1984, 419 ff.; siehe dazu: Simitis, Die informationelle Selbstbestimmung<br />
– Grundbedingung einer verfassungskonformen Informationsordnung, NJW<br />
1984, 394 ff.<br />
112 Grundgesetz vom 23.5.1949 für die Bun<strong>des</strong>republik Deutschland in der im BGBl. III,<br />
100-1, veröffentlichten bereinigten Fassung, das zuletzt durch das Gesetz vom 29.7.2009<br />
(BGBl. I S. 2248) geändert worden ist.<br />
113 Ausnahmen können nur im überwiegenden Allgemeininteresse bestimmt und gesetzlich<br />
verankert werden; sie müssen ferner dem Gebot der Normenklarheit entsprechen und den<br />
Grundsatz der Verhältnismäßigkeit beachten; vgl. BVerfG NJW 1984, 419.<br />
114 Böttcher, in: Meikel (Fn. 1), § 12 GBO Rn. 2.<br />
115 Maaß, in: Bauer/Oefele (Fn. 1), § 12 GBO Rn. 8; Melchers (Fn. 103), 309, 311.<br />
116 Vgl. Einzelfälle bei Maaß, in: Bauer/Oefele (Fn. 1), § 12 GBO Rn. 26 ff.; Wilsch, in:<br />
Hügel (Fn. 105) § 12 GBO Rn. 30 ff.; Böttcher, in: Meikel (Fn. 1), § 12 GBO Rn. 14 ff.;<br />
Böhringer (Fn. 107), 181, 186 ff.<br />
117 Melchers (Fn. 103), 309, 310.<br />
118 Kritisch dazu Maaß, in: Bauer/Oefele (Fn. 1), § 12 GBO Rn. 11 f., 16.<br />
119 OLG Stuttgart 17.1.1983, Rpfleger 1983, 272; OLG Hamm 18.12.1985, DNotZ 1986,<br />
497; kritisch dazu: Eickmann, DNotZ 1986, 497, 499 f.; Melchers (Fn. 103), 309, 312;<br />
Böttcher, in: Meikel (Fn. 1), § 12 GBO Rn. 7.<br />
120 Für das Grundbucheinsichtsrecht der Presse: BVerfG NJW 2001, 503 ff.; OLG Düsseldorf<br />
12.6.1991, Rpfleger 1992, 18 f.; OLG Hamm 14.5.1988, NJW 1988, 2482 f.; vgl.<br />
Böttcher, in: Meikel (Fn. 1), § 12 GBO Rn. 6; Schöner/Stöber, Grundbuchrecht,<br />
Handbuch der Rechtspraxis, Band 4, München 2008, Rn. 526a; kritisch dazu: Maaß, in:
<strong>Das</strong> <strong>formelle</strong> Publizitätsprinzip <strong>des</strong> <strong>Grundbuchs</strong> 645<br />
Register betrachtet, das dem Handelsregister gleichgestellt sei. 121 Es waren zudem<br />
weitere gesetzliche Lockerungen geplant. 122 Diese uferlose Ausdehnung<br />
der Grundbucheinsicht führt allerdings zur „Verwässerung“ <strong>des</strong> informationellen<br />
Selbstbestimmungsrechts. Im Schrifttum wird diese Entwicklung grundsätzlich<br />
kritisiert 123 und es wird behauptet, dass es derzeit jedem ohne große Mühe<br />
gelingen dürfte, Einsicht in ein frem<strong>des</strong> Grundbuch zu nehmen. 124 Nicht zuletzt<br />
aus diesem Grund findet man aber auch Stimmen, die für eine weitere Ausdehnung<br />
<strong>des</strong> Rechts auf Grundbucheinsicht plädieren. 125<br />
Andererseits wird jüngst wieder betont, dass das deutsche Grundbuch eben<br />
kein öffentliches Register ist, welches – wie das Handelsregister – jedermann<br />
unbeschränkt zur Einsicht offen steht. 126 Die Grundbucheinsicht, die aus bloßer<br />
Neugier oder zu rechts- bzw. sittenwidrigen Zwecken beantragt wird, ist zu<br />
verweigern. 127 Es ist strittig, ob das Einsichtsrecht unteilbar ist und immer das<br />
gesamte Grundbuch umfasst, oder ob es – je nach dem Umfang <strong>des</strong> berechtigten<br />
Interesses – auf einzelne Abteilungen beschränkt werden kann. 128 Die Grundbucheinsicht<br />
ist jedenfalls nur demjenigen zu gewähren, der im Hinblick auf die<br />
materielle Publizität <strong>des</strong> <strong>Grundbuchs</strong> (§§ 891 ff. BGB) beabsichtigt, auf der<br />
Grundlage der Einsichtnahme unmittelbar rechtlich zu handeln. 129 So wurde<br />
unlängst das Einsichtsrecht Kindern und sonstigen Verwandten <strong>des</strong> Grundstückseigentümers<br />
verweigert, die wider seinen Willen erfahren wollten, ob und<br />
zu welchen Bedingungen er seine Immobilie verkauft hat. 130 Diese strenge<br />
Bauer/Oefele (Fn. 1), § 12 GBO Rn. 21; gegen das Einsichtsrecht aufgrund <strong>des</strong> öffentlichen<br />
Interesses: Melchers (Fn. 103), 309, 312 f.<br />
121 OLG Stuttgart 13.1.1992, Rpfleger 1992, 247.<br />
122 Im Rahmen <strong>des</strong> durch das Bun<strong>des</strong>ministerium für Wirtschaft und Arbeit in 2004 vorgelegten<br />
Programms „Entbürokratisierung und Deregulierung“ war der Verzicht auf die<br />
Darlegung eines berechtigten Interesses bei Einsichtnahme in das Bestandsverzeichnis<br />
und in die erste Abteilung <strong>des</strong> <strong>Grundbuchs</strong> geplant; Wilsch, in: Hügel (Fn. 105), § 12<br />
GBO, Rn. 85 (zu weiteren Reformvorschlägen Rn. 86 ff.).<br />
123 Melchers (Fn. 103), 309, 312 ff.<br />
124 Maaß, in: Bauer/Oefele (Fn. 1), § 12 GBO Rn. 12; Eickmann (Fn. 119), 497, 499.<br />
125 Siehe Franz, Ist das Interesse am Grundstückskauf ein berechtigtes Interesse zur Einsicht<br />
in das Grundbuch?, NJW 1999, 406, 407.<br />
126 OLG Karlsruhe 14.10.2008, ZEV 2009, 42, 43; so bereits: Böhringer (Fn. 107), 181, 183.<br />
127 Böttcher, in: Meikel (Fn. 1), § 12 GBO Rn. 7; Maaß, in: Bauer/Oefele (Fn. 1), § 12 GBO<br />
Rn. 3; Böhringer (Fn. 107), 181, 184.<br />
128 Für eine solche Einschränkung spricht sich die herrschende Meinung aus: Melchers<br />
(Fn. 103), 309, 314 f.; Maaß, in: Bauer/Oefele (Fn. 1), § 12 GBO Rn. 58; Schöner/Stöber<br />
(Fn. 120), Rn. 529; Böhringer, Gebietet das informationelle Selbstbestimmungsrecht die<br />
Grundbuchumschreibung wegen gelöschter Zwangseintragungen?, BWNotZ 1989, 1, 5;<br />
ders. (Fn. 107), 181, 185; aA.: Böttcher, in: Meikel (Fn. 1), § 12 GBO Rn. 67a.<br />
129 OLG Karlsruhe 14.10.2008, ZEV 2009, 42, 43, OLG Düsseldorf 19.2.1997, Rpfleger<br />
1997, 258; Böttcher, in: Meikel (Fn. 1), § 12 GBO Rn. 2; Melchers (Fn. 103), 309,<br />
311.<br />
130 OLG Karlsruhe 14.10.2008, ZEV 2009, 42, 43.
646<br />
Arkadiusz Wudarski<br />
Auslegung findet ihre Bestätigung auch in der früheren obergerichtlichen Rechtsprechung,<br />
nach der etwaige Pflichtteilergänzungsansprüche zu Lebzeiten <strong>des</strong><br />
Erblassers im Allgemeinen weder einen Bedarf noch die Möglichkeit zu rechtlichem<br />
Handeln begründen und die Grundbucheinsicht im Falle der Geltendmachung<br />
zukünftiger Ansprüche nur dann gerechtfertigt wird, wenn diese zur<br />
Feststellung <strong>des</strong> Umfangs oder zur Sicherung <strong>des</strong> Rechts bereits vorher erforderlich<br />
ist. 131 Demzufolge kann die Grundbucheinsicht nicht mit persönlichen<br />
Motiven, etwa dem gedeihlichen Zusammenleben innerhalb einer Familie,<br />
begründet werden. 132<br />
Im Ergebnis ist festzuhalten, dass die deutsche Rechtsprechung bei der<br />
Bestimmung <strong>des</strong> Rechts der Grundbucheinsicht keine einheitlichen Entscheidungskriterien<br />
vermittelt 133 und sich in einem Spagat befindet. Da sich zwei<br />
Grundwertungen gegenüber stehen und nicht beide in vollem Umfang realisiert<br />
werden können, muss eine Abwägung der gegenläufigen Interessen <strong>des</strong> Antragstellers<br />
und <strong>des</strong> im Grundbuch eingetragenen Berechtigten vorgenommen<br />
werden. 134 Die Rechtsprechung geht dabei sehr kasuistisch vor, was teilweise zu<br />
widersprüchlichen Ergebnissen führt.<br />
bb. Frankreich<br />
Die französischen Liegenschaftsregister, deren Charakter von dem polnischen<br />
und deutschen Grundbuch deutlich abweicht, 135 sind jedem uneingeschränkt<br />
zugänglich (la publicité foncière), obwohl die Einsichtnahme nicht unmittelbar<br />
erfolgt. 136 Nach Art. 2449 Code Civil und Art. 38-1 <strong>des</strong> Dekrets vom 14. Oktober<br />
1955 137 kann jede Person vom Grundbuchbeamten 138 eine Abschrift oder<br />
einen Auszug der Urkunden verlangen, die im registre <strong>des</strong> inscriptions und<br />
registre <strong>des</strong> publications oder in der Grundkartei (fichier immobilier) 139<br />
131 OLG Düsseldorf 19.2.1997, Rpfleger 1997, 258.<br />
132 BayObLG 25.3.1998, Rpfleger 1998, 338.<br />
133 Melchers (Fn. 103), 309, 315.<br />
134 Böttcher, in: Meikel (Fn. 1), § 12 GBO Rn. 2; gegen die Berücksichtigung der Geheimhaltungsbelange<br />
<strong>des</strong> Eigentümers bei der Auslegung <strong>des</strong> § 12 GBO: Franz (Fn. 125),<br />
407.<br />
135 In die französischen Liegenschaftsregister werden nicht Rechte an Grundstücken eingetragen,<br />
sondern nur die Urkunden registriert, aus denen sich die Rechte ergeben. Register<br />
genießen den öffentlichen Glauben nicht; Ferid/Sonnenberger, <strong>Das</strong> französische Zivilrecht,<br />
Heidelberg 1986, Band 2, 3 C 70, 599 f.<br />
136 Ferid/Sonnenberger (Fn. 135), 3 C 14, 587; Piedelièvre, Traité de droit civil. La publicité<br />
foncière, Paris 2000, Rn. 133.<br />
137 Nr. 55-1350.<br />
138 Conservateur <strong>des</strong> hypothèques (wörtlich: Hypothekenbewahrer).<br />
139 In der fichier immobilier findet man Auskünfte, die schon in den anderen Registern vorhanden<br />
sind. Fichier ist dazu bestimmt, die Recherche zu vereinfachen und kann als<br />
Suchmittel verwendet werden; dazu Piedelièvre (Fn. 136), Rn. 68; Malaurie/Aynès, Les<br />
sûretés. La publicité foncière, Paris 2006, Rn. 637.
<strong>Das</strong> <strong>formelle</strong> Publizitätsprinzip <strong>des</strong> <strong>Grundbuchs</strong> 647<br />
registriert sind. 140 Die Erteilung einer Abschrift ist gebührenpflichtig 141 und<br />
erfolgt auf Antrag, der schriftlich gestellt werden muss. 142 Es besteht auch die<br />
Möglichkeit, nur die zusammengefasste Auskunft 143 über bestimmte Eintragungen<br />
144 zu beantragen.<br />
Der Antragsteller muss dabei sein Interesse an den sich in diesen Registern<br />
befindlichen Daten nicht begründen. 145 Der Nachweis eines Rechtsinteresses<br />
bzw. berechtigten Interesses ist also nicht erforderlich. 146 Diese uneingeschränkte<br />
und mittelbare Gestaltung der <strong>formelle</strong>n Publizität erstreckt sich auf alle<br />
Registerteile und dort befindliche Informationen; sie betrifft nicht nur die Information<br />
über die geltenden Rechtsverhältnisse an der Liegenschaft, sondern auch<br />
die historischen, nicht mehr gültigen Eintragungen. 147 Darüber hinaus kann der<br />
Antrag auf Abschrifterteilung aus der fichier immobilier nicht nur grundstücks-,<br />
sondern auch personenbezogen gestellt werden. 148<br />
Auch französische Liegenschaftsregister enthalten eine Vielzahl persönlicher<br />
Informationen. Jede Urkunde oder Gerichtsentscheidung, die publikationspflichtig<br />
ist, muss unter anderem Namen, Vornamen, Wohnsitz, Geburtsdatum<br />
und -ort, Beruf der Beteiligten sowie den Namen <strong>des</strong> Ehegatten enthalten. 149<br />
Bislang wurden in Frankreich allerdings keine Kollisionsprobleme zwischen<br />
dem Schutz der Privatsphäre und der Publizität <strong>des</strong> <strong>Grundbuchs</strong> behandelt. 150<br />
cc. Tschechische Republik<br />
Der Grundsatz der <strong>formelle</strong>n Publizität (zásada formální publicity) findet auch<br />
im tschechischen Liegenschaftskatasterrecht seinen Ausdruck. Dieser ist einerseits<br />
in § 13 <strong>des</strong> Gesetzes über die Eintragungen der Eigentumsrechte und anderer<br />
dinglicher Rechte an Liegenschaften 151 und andererseits in § 21 Abs. 1 <strong>des</strong><br />
Gesetzes über das Liegenschaftskataster der Tschechischen Republik (Liegen-<br />
140 Malaurie/Aynès (Fn. 139), Rn. 639; Piedelièvre (Fn. 136), Rn. 137.<br />
141 Die Gebühren sind in Art. 288-299 Code général <strong>des</strong> impôts, annexe 3 geregelt und variieren<br />
je nach der gewünschten Information. Ein Auszug kostet 8-12 EUR, eine Kopie<br />
dagegen 6-30 EUR.<br />
142 Art. 39 <strong>des</strong> Dekrets vom 14.10.1955; Piedelièvre (Fn. 136), Rn. 133.<br />
143 Art. 42-1 <strong>des</strong> Dekrets vom 14.10.1955.<br />
144 Art. 40 Abs. 3 <strong>des</strong> Dekrets vom 14.10.1955; Piedelièvre (Fn. 136), Rn. 141.<br />
145 Piedelièvre (Fn. 136), Rn. 133.<br />
146 Wagemann, Funktion und Bedeutung von Grundstücksregistern, Heidelberg 2002, 23.<br />
147 Man kann jedoch nicht mehr als 50 Jahre vor Antragstellung zurückgehen; Art. 2449<br />
Code Civil und Art. 41 <strong>des</strong> Dekrets vom 14.10.1955.<br />
148 Art. 40 Abs. 2 Nr. 1-2 <strong>des</strong> Dekrets vom 14.10.1955; Piedelièvre (Fn. 136), Rn. 138;<br />
Malaurie/Aynès (Fn. 139), Rn. 637; Wagemann (Fn. 146), 24.<br />
149 Siehe Art. 5 <strong>des</strong> Dekrets vom 4.1.1995, Nr. 55-22.<br />
150 Den Schutz <strong>des</strong> Privatlebens regelt Art. 9 Code Civil.<br />
151 Nr. 265/1992 Slg. [Originaltitel: Zákon o zápisech vlastnických a jiných vcných práv k<br />
nemovitostem].
648<br />
Arkadiusz Wudarski<br />
schaftskatastergesetz – LKG) 152 verankert. 153 Danach ist das Liegenschaftskataster<br />
öffentlich, und jedermann hat das Recht, dieses einzusehen und daraus für<br />
seinen eigenen Bedarf Abschriften, Auszüge und Skizzen zu verlangen.<br />
<strong>Das</strong> tschechische Katastersystem ist seit 2001 auch in EDV-Form zugänglich.<br />
154 Bedingungen zur Gewährung der Informationen aus dem Liegenschaftskataster<br />
regelt die Bekanntmachung Nr. 162/2001 Slg. 155 Registrierte Benutzer<br />
haben umfangreiche online-Einsicht zu Informationen über das Katastralgebiet,<br />
Grundstücke, Gebäude, Eigentümer und andere Berechtigte bzw. Verpflichtete<br />
sowie über sonstige Rechtsverhältnisse. 156 Der registrierte Fernzugriff ist<br />
kostenpflichtig. 157 Im Antrag auf Eröffnung <strong>des</strong> Benutzerkontos, der schriftlich<br />
zu stellen ist, 158 verpflichtet sich der Antragsteller, dass er die Informationen im<br />
Einklang sowohl mit gesetzlichen Bestimmungen über den Zweck als auch mit<br />
dem Gesetz über den Personaldatenschutz verwenden wird. 159 Für nicht registrierte<br />
Internetbenutzer stehen kostenlos nur eingeschränkte Informationen zur<br />
Verfügung. 160 Als Suchbegriff kann nicht der Name <strong>des</strong> Eigentümers angegeben<br />
werden. Die Suche erfolgt lediglich nach Grundstück, Wohneinheit und Gebäude.<br />
Die Einschränkungen der Publizität <strong>des</strong> Liegenschaftskatasters haben einen<br />
Ausnahmecharakter und müssen gesetzlich bestimmt werden. 161 Neben den<br />
dinglichen Rechten 162 werden aber ebenfalls im tschechischen Liegenschaftskataster<br />
personenbezogene Informationen eingetragen. Der Umfang der Informa-<br />
152 Nr. 344/1992 Slg. [Originaltitel: Zákon o katastru nemovitostí České republiky (katastrální<br />
zákon)].<br />
153 Zu weiteren Rechtsquellen <strong>des</strong> tschechischen Immobilienrechts: Ebner, Grundeigentum<br />
und Sicherheiten in Tschechien, VdP-Schriftenreihe, Band 21, Wien/Berlin 2006, 2 f.<br />
154 § 22 Abs. 3 LKG. Švestka/Dvoák u.a., Občanské právo hmotné I, Praha 2009, 435; zur<br />
online-Einsicht siehe http://nahlizenidokn.cuzk.cz/.<br />
155 Die Bekanntmachung <strong>des</strong> tschechischen Amtes für Geodäsie und Liegenschaftskataster<br />
über die Gewährung der Informationen aus dem Liegenschaftskataster der Tschechischen<br />
Republik [Originaltitel: Vyhláška Českého úadu zemmičského a katastrálního č.<br />
162/2001 Slg., o poskytování údaj z katastru nemovitostí České republiky].<br />
156 Švestka/Dvoák u.a. (Fn. 154), 428.<br />
157 Dazu siehe das Gesetz Nr. 634/2004 Slg. über Gebühren in der Staatsverwaltung (20 Einheiten<br />
– 100 CZK) oder die Beilagen der Bekanntmachung Nr. 162/2001; Švestka/Dvoák<br />
u.a. (Fn. 154), 435. Nach dem Mittelkurs der tschechischen Zentralbank<br />
(http://www.cnb.cz/cs/index.html): 1 EUR = 25,670 CZK (Stand: 9.3.2010).<br />
158 Trajer, Katastr nemovitostí, Praha 2006, 305.<br />
159 Kuba/Olivová, Katastr nemovitostí České republiky, Praha 2004, 183 f.<br />
160 <strong>Das</strong> sind Informationen über das Grundstück, Gebäude, Wohneinheiten sowie verfahrensrelevante<br />
Informationen; Kuba/Olivová (Fn. 159), 184 f.<br />
161 Zum Beispiel zur Wahrung der Staatsgeheimnisse Ebner (Fn. 153), 47.<br />
162 In das Liegenschaftskataster werden folgende dingliche Rechte eingetragen: das Eigentumsrecht,<br />
das Pfandrecht, das Recht der Sachlast (entspricht der Dienstbarkeit) und das<br />
Vorkaufsrecht, wenn es sachenrechtlicher Natur ist; § 1 Abs. 1 <strong>des</strong> Gesetzes Nr. 265/<br />
1992 Slg. (Fn. 151).
<strong>Das</strong> <strong>formelle</strong> Publizitätsprinzip <strong>des</strong> <strong>Grundbuchs</strong> 649<br />
tionen über den Eigentümer oder andere berechtigte Personen bestimmt § 10 der<br />
Bekanntmachung Nr. 26/2007 Slg. 163 Für natürliche Personen werden Vor- und<br />
Nachname, Anschrift <strong>des</strong> ständigen Aufenthalts, bzw. Anschrift <strong>des</strong> Wohnorts<br />
im Ausland (wenn die Person keinen ständigen Aufenthalt in Tschechien hat),<br />
sog. Geburtsnummer (rodné číslo) 164 und auch – unter bestimmten Bedingungen<br />
– Titel oder akademische Grade gesammelt und aufbewahrt. Juristische Personen<br />
werden sinngemäß behandelt. 165<br />
Für die Gewährung <strong>des</strong> Umgangs mit den Informationen werden allerdings<br />
einige Bedingungen gestellt, die im LKG und in der Bekanntmachung<br />
Nr. 162/2001 Slg. geregelt sind. Diese Bedingungen zur Bereitstellung der<br />
Informationen aus der sog. Urkundensammlung 166 und der Eigentumsübersicht<br />
167 wurden durch die 2009 erfolgte LKG-Novelle 168 deutlich verschärft. 169<br />
Um Informationen aus diesen zwei Verzeichnissen gewinnen zu können, muss<br />
der Antragsteller seine Identität nachweisen und den Antrag begründen. 170 Die<br />
LKG-Novelle zählt in § 1 Abs. 3 lit. a) LKG abschließend Gründe auf, zu welchen<br />
die im Liegenschaftskataster gesammelten schutzwürdigen Informationen<br />
verwendet werden dürfen. Sie dienen Steuer- und Zahlungszwecken, dem Umweltschutz,<br />
dem Schutz <strong>des</strong> Agrarbodenfonds und dem Schutz der Grundstücke,<br />
die zur Erfüllung der Wald- und Forstwirtschaft bestimmt sind, dem Schutz von<br />
Bodenschätzen und kulturellen Sehenswürdigkeiten, der Erschließung der<br />
163 Die Bekanntmachung Nr. 26/2007 Slg. <strong>des</strong> tschechischen Amtes für Geodäsie und<br />
Liegenschaftskataster zur Durchführung <strong>des</strong> Gesetzes Nr. 265/1992 Slg. über die Eintragungen<br />
der Eigentumsrechte und anderer dinglicher Rechte an Liegenschaften und <strong>des</strong><br />
Gesetzes Nr. 344/1992 Slg. über das Liegenschaftskataster [Originaltitel: Vyhláška č.<br />
26/2007 Sb. Českého úadu zemmičského a katastrálního, kterou se provádí zákon č.<br />
265/1992 Sb., o zápisech vlastnických a jiných vcných práv k nemovitostem, a zákon č.<br />
344/1992 Sb., o katastru nemovitostí České republiky (katastrální vyhláška)]. Siehe auch<br />
Švestka/Dvoák u.a. (Fn. 154), 422.<br />
164 Bei der Geburtsnummer handelt es sich um die jedem Einwohner Tschechiens zugeteilte<br />
zehnstellige Identifikationsnummer, anhand derer sich auch das Geburtsdatum erschließt.<br />
Diese Nummer hat eine breite Verwendung (für Personalausweis, Bankkontoeröffnung,<br />
Kranken- und Rentenversicherung etc.) und fällt unter den Personaldatenschutz; vgl. § 13<br />
Abs. 3 <strong>des</strong> Gesetzes Nr. 133/2000 Slg. über die Registrierung der Einwohner und über die<br />
Geburtsnummern (Gesetz über die Registrierung der Einwohner) [Originaltitel: Zákon o<br />
evidenci obyvatel a rodných číslech (zákon o evidenci obyvatel)].<br />
165 Vgl. Trajer (Fn. 158), 27.<br />
166 Die Urkundensammlung enthält Urkunden, auf deren Grundlage die Eintragung in das<br />
Grundbuch erfolgt: Kaufverträge, Entscheidungen der staatlichen Organe, Pfandverträge<br />
u.a.<br />
167 Aufzählung aller Eigentumsrechte und anderer dinglicher Rechte einer bestimmten Person.<br />
168 Nr. 8/2009 Slg. [Originaltitel: Zákon, kterým se mní zákon č. 344/1992, o katastru<br />
nemovitostí České republiky (katastrální zákon), ve znní pozdjších pedpis].<br />
169 § 21 Abs. 2 LKG.<br />
170 § 21 Abs. 3 LKG.
650<br />
Arkadiusz Wudarski<br />
Grundstücke, der Wertbestimmung der Liegenschaften sowie wissenschaftlichen,<br />
wirtschaftlichen und statistischen Zwecken.<br />
<strong>Das</strong> LKG verbietet ausdrücklich, von diesen Bestimmungen über Zweck und<br />
Verbreitung bezüglich der gewährleisteten Informationen abzuweichen. 171 In<br />
diesem Zusammenhang werden die Identifikationsdaten aller Antragsteller vom<br />
Liegenschaftskatasteramt erfasst und in einem separaten Verzeichnis gesammelt.<br />
172 Sollte es zum Missbrauch der vom Katasteramt erstellten Informationen<br />
kommen, kann das Katasteramt Sanktionen 173 einleiten. Weiterhin sind zivilrechtliche<br />
Schadensersatzansprüche nicht ausgeschlossen. 174 Die Privatsphäre<br />
wird zudem verfassungsrechtlich geschützt. Nach Art. 7 Abs. 1 der tschechischen<br />
Charta 175 sind die Person und ihre Persönlichkeitssphäre unantastbar. 176<br />
Die Verletzung <strong>des</strong> informationellen Selbstbestimmungsrechts durch die Einsicht<br />
in das Liegenschaftskataster ist nicht bekannt und wurde bisher auch nicht<br />
behandelt. Die Bestimmungen zum Schutz der eingetragenen Berechtigten kommen<br />
dem Gedanken <strong>des</strong> informationellen Selbstbestimmungsrechts aber sehr<br />
nahe.<br />
dd. Ungarn<br />
Normative Grundlage für die <strong>formelle</strong> Publizität (nyilvánosság elve) <strong>des</strong> ungarischen<br />
Immobilienregisters stellt § 4 <strong>des</strong> Gesetzes CXLI aus dem Jahr 1997 über<br />
das Immobilienregister (ungIRG) 177 dar. 178 Danach ist das Immobilienregister<br />
171 § 23 lit. i) und j) LKG.<br />
172 § 21 Abs. 5 LKG.<br />
173 Die Sanktionen erschließen sich aus dem Min<strong>des</strong>tlohn, der durch einen bestimmten Koeffizienten<br />
vervielfacht wird. Die Höhe der Strafe hängt dann davon ab, welche Bestimmung<br />
in Verbindung mit der konkreten Person nicht eingehalten wurde (vgl. ausführlich:<br />
§ 24 i.V.m. § 25 Abs. 1-2 LKG). Die Sanktionen können innerhalb eines Jahres nach dem<br />
Tage, an dem das Katasteramt über den Verstoß gegen die Katasterordnung Kenntnis<br />
erlangt hat, spätestens jedoch innerhalb von drei Jahren nach dem Verstoß, eingeleitet<br />
werden (§ 25 Abs. 4 LKG).<br />
174 Vgl. § 415 i.V.m. § 420 <strong>des</strong> Gesetzes Nr. 40/1964 Slg. über das Zivilgesetzbuch [Originaltitel:<br />
Zákon č. 40/1964 Sb., Občanský zákoník)].<br />
175 Beschluss Nr. 2/1993 Slg. <strong>des</strong> Präsidiums <strong>des</strong> Tschechischen Nationalrates über die<br />
Publikation der Charta der fundamentalen Rechte und Freiheiten als Teil der<br />
Verfassungsordnung der Tschechischen Republik [Originaltitel: Usnesení č. 2/1993<br />
Pedsednictva České národní rady o vyhlášení Listiny základních práv a svobod jako<br />
součásti ústavního poádku České republiky].<br />
176 Einschränkungen können nur durch Gesetze festgelegt werden; vgl. Art. 4 Abs. 2 der<br />
tschechischen Charta.<br />
177 Ursprüngliche Fassung verkündet am 17.12.1997 [Originaltitel: 1997. évi CXLI. törvény<br />
az ingatlan-nyilvántartásról].<br />
178 Vgl. Ebner/Illa, Grundeigentum und Sicherheiten in Ungarn, VdP-Schriftenreihe, Band<br />
27, Wien/Berlin 2007, 66.
<strong>Das</strong> <strong>formelle</strong> Publizitätsprinzip <strong>des</strong> <strong>Grundbuchs</strong> 651<br />
öffentlich. 179 Jedermann ist der Inhalt <strong>des</strong> bestimmten Eigentumsblattes 180<br />
grundsätzlich ohne Einschränkung zugänglich, 181 also auch ohne Nachweis<br />
irgendeines berechtigten Interesses. 182<br />
Da das ungarische Immobilienregister vollständig auf EDV-Basis geführt<br />
wird, 183 ist der Inhalt <strong>des</strong> betreffenden Eigentumsblattes zur Einsichtnahme mittels<br />
eines Rechners in lesbarer Form dargestellt. <strong>Das</strong> Registersystem lässt bei<br />
entsprechender Zugangsberechtigung auch die online-Einsichtnahme zu. 184 Über<br />
den Inhalt <strong>des</strong> Eigentumsblattes können Notizen angefertigt und verschiedene<br />
Arten von Abschriften 185 kostenpflichtig 186 angefordert werden. In dem auf die<br />
Einsicht bzw. auf die Ausstellung einer beglaubigten Abschrift gerichteten<br />
Antrag müssen – im Unterschied zum polnischen Recht – die natürlichen Perso-<br />
179 § 4 Abs. 1 ungIRG.<br />
180 <strong>Das</strong> Grundbuch wurde in Ungarn in den 70er Jahren <strong>des</strong> letzten Jahrhunderts zum Eigentumsblatt<br />
umbenannt. Im alten Privatrecht bezeichnete man als Eigentumsblatt den zweiten<br />
Teil <strong>des</strong> <strong>Grundbuchs</strong>, der die Angaben über den Eigentümer enthält. Heute wird das<br />
Eigentumsblatt als Zusammenführung <strong>des</strong> bis zu diesem Zeitpunkt getrennten <strong>Grundbuchs</strong><br />
und Katasters zu einem einheitlichen und aufeinander abgestimmten Immobilienregister<br />
verstanden (Gesetzesverordnung Nr. 31 aus dem Jahre 1972 über das einheitliche<br />
Immobilienregister [Originaltitel: 1972. évi 32. törvényerej rendelet az egységes ingatlan-nyilvántartásról]<br />
sowie dazu gehörend Durchführungsverordnung 27/1972 (XII. 31.)<br />
MÉM). <strong>Das</strong> hat aber weder inhaltliche noch funktionelle Änderungen nach sich gezogen.<br />
<strong>Das</strong> Eigentumsblatt bezieht sich auf eine bestimmte Immobilie und enthält alle Informationen<br />
darüber (vgl. § 19 ungIRG: Überschrift „Eigentumsblatt“). <strong>Das</strong> Eigentumsblatt besteht<br />
aus drei Teilen, deren Inhalte in §§ 16-17 ungIRG (eintragungsfähige Rechte und<br />
anmerkungsfähige Fakten), in fine §§ 1-4 der Durchführungsverordnung zum ungIRG<br />
bestimmt werden [109/1999. (XII. 29.) FVM rendelet az ingatlan-nyilvántartásról szóló<br />
1997. évi CXLI. törvény végrehajtásáról]; zu eintragungsfähigen Rechten: §§ 6-21; zu<br />
anmerkungsfähigen Fakten: §§ 21/A-39/B, zu Arten der Immobilie: §§ 40-59.<br />
181 § 4 Abs. 2 ungIRG.<br />
182 Vgl. dazu Kurucz, Magyar Ingatlan-nyilvántartási jog a bizalomvédelmi hatások<br />
tükrében, Budapest 2007, 291.<br />
183 Vgl. §§ 1, 18 ungIRG.<br />
184 Für das im Jahre 2003 in Betrieb gesetzte System siehe: http://www.takarnet.hu/; zum<br />
Anschluss an die Datenbank der öffentlichen Institutionen: Ebner/Illa (Fn. 178), 66.<br />
185 § 4 Abs. 2 lit. a-b ungIRG.<br />
186 Die Gebühr für die beglaubigte Abschrift beträgt 6.250 HUF (§ 28 Abs. 1); 3.600 HUF<br />
für die beglaubigte Abschrift als Gebühr für die elektronische Datenauskunft (§ 28<br />
Abs. 2) bzw. 1.000 HUF für die unbeglaubigte Abschrift als Gebühr für die elektronische<br />
Datenauskunft; siehe Gesetz LXXXV aus dem Jahre 1996 über die Modifizierung <strong>des</strong><br />
Gesetzes aus dem Jahre 1990 Nr. XCIII über die Gebühren sowie über die Verwaltungsdienstleistungsgebühr<br />
der beglaubigten vollständigen Abschrift <strong>des</strong> Eigentumsblattes<br />
[Originaltitel: 1996. évi LXXXV. törvény az illetékekrl szóló 1990. évi XCIII. törvény<br />
módosításáról, valamint a hiteles tulajdonilap-másolat igazgatási szolgáltatási díjáról].<br />
Nach dem Mittelkurs der ungarischen Zentralbank (www.mnb.hu): 1 EUR = 266,79 HUF<br />
(Stand: 5.3.2010).
652<br />
Arkadiusz Wudarski<br />
nenidentifikationsmerkmale ausgewiesen sein, die von der Immobilienbehörde<br />
überprüft werden. 187<br />
Wie im polnischen und tschechischen Recht betrifft die Einschränkung der<br />
Einsicht Urkunden, die die Grundlage für die Eintragung oder Löschung eines<br />
Rechts darstellen, sowie das sog. Eigentümerverzeichnis. Diese können in der<br />
Regel nur den aufgrund dieser Urkunden eingetragenen Berechtigten bzw. Verpflichteten<br />
oder mit deren Zustimmung zur Einsicht gegeben werden. 188 Davon<br />
sind zwei Ausnahmen im ungarischen Recht vorgesehen. Die erste bezieht sich<br />
auf Dokumente, deren Zugang für den Antragsteller zur Geltendmachung seines<br />
Rechts bzw. zur Erfüllung seiner aufgrund einer Rechtsvorschrift bestehenden<br />
Verpflichtung erforderlich ist. 189 Die zweite umfasst den Inhalt der Urkunden,<br />
der zur Bestimmung der Immobilie als solcher dient, an der die Rechte, die Tatsachen<br />
und andere relevante Informationen geknüpft sind. Diese Inhalte sind<br />
dann ohne Einschränkung zugänglich. 190<br />
<strong>Das</strong> ungIRG enthält auch Einschränkungen der Verwendung der sich im<br />
Immobilienregister befindlichen personenbezogenen Identifikationsangaben.<br />
Nach § 70 Abs. 1 ungIRG können die persönlichen Daten bzw. die Personenidentifikation<br />
(„Personenkennzahl“) im Laufe <strong>des</strong> Datenbankabrufs aus dem<br />
EDV-Immobilienregister nicht dazu genutzt werden, alle Immobilien eines<br />
Eigentümers festzustellen oder darüber Datenauskunft zu leisten. 191<br />
Die Einschränkung im freien Zugang zu den im EDV-Liegenschaftsregister<br />
gespeicherten Daten im Hinblick auf den Schutz der Privatsphäre findet seine<br />
Bestätigung in der neuen ungarischen Rechtsprechung. Nach Ansicht <strong>des</strong> Komitatsgerichts<br />
– bestätigt vom Obersten Gericht (BH 2006/269 192 ) – kann der<br />
Öffentlichkeitsgrundsatz <strong>des</strong> Immobilienregisters nicht isoliert von <strong>des</strong>sen Zweck<br />
und von anderen Grundsätzen interpretiert und angewendet werden. <strong>Das</strong> ungIRG<br />
bildet eine Einheit materiell- und verfahrensrechtlicher Regeln, die der Erfüllung<br />
bestimmter Aufgaben und Erreichung bestimmter Ziele dienen. Dazu gehört<br />
zum Beispiel nicht die Erteilung der Grundbuchabschriften zwecks der Aktualisierung<br />
der Mitgliederliste einer Wasserwirtschaftsvereinigung. Die Erteilung<br />
solcher „Masseninformationen“ dient nicht mehr der Publizität <strong>des</strong> <strong>Grundbuchs</strong><br />
187 § 67 Abs. 1 und § 68 Abs. 1 ungIRG.<br />
188 § 4 Abs. 3 lit. a und c ungIRG; Ebner/Illa (Fn. 178), 66.<br />
189 § 4 Abs. 4 ungIRG.<br />
190 § 4 Abs. 5 ungIRG.<br />
191 Zu Ausnahmen siehe § 70 Abs. 2 ungIRG; es werden dort unter anderem folgende<br />
Subjekte genannt: Gericht, Gerichtsvollzieher, Steuerbehörde, Dienst für die nationale<br />
Sicherheit, Staatsanwaltschaft zur Erfüllung ihrer staatsanwaltlichen Aufgaben und der<br />
Notar zur Abwicklung <strong>des</strong> Nachlassverfahrens.<br />
192 Bírósági Határozatok [Gerichtsentscheidungen] 2006, S. 628-630.
<strong>Das</strong> <strong>formelle</strong> Publizitätsprinzip <strong>des</strong> <strong>Grundbuchs</strong> 653<br />
und verstößt gegen § 8 Abs. 1 Datenschutz-Gesetz. 193 <strong>Das</strong> Komitatsgericht stellte<br />
fest, dass sich die Wasserwirtschaftsvereinigung, die je<strong>des</strong> Jahr neue Grundbuchauszüge<br />
seiner Mitglieder einholen will, nach Maßgabe <strong>des</strong> Datenschutz-<br />
Gesetzes als Datenverwalter qualifiziert und somit die Daten nur aufgrund einer<br />
gesetzlichen Ermächtigung oder mit Zustimmung der eingetragenen Berechtigten<br />
erhalten kann. 194 Die Ausführungen in der Begründung dieser Entscheidung<br />
halten ferner fest, dass die Grundsätze <strong>des</strong> öffentlichen Glaubens und der Offenkundigkeit<br />
nicht ohne Einschränkung anwendbar sind. In mehreren Fällen bestimmt<br />
das ungIRG das Ausmaß der Datenauskunft und deren Modalitäten. So<br />
hebt es besonders die Verwendung und Verwaltung der Personenidentifikation<br />
hervor, bestimmt den Personenkreis, der zur Einsicht von Daten berechtigt ist<br />
und regelt den Inhaltsumfang der auszuhändigenden Dokumente. 195<br />
<strong>Das</strong> oben angeführte Urteil kann so interpretiert werden, dass der Offenkundigkeitsgrundsatz<br />
<strong>des</strong> <strong>Grundbuchs</strong> in Ungarn aufgrund der datenschutzrechtlichen<br />
Regelungen eingeschränkt ist. Aus dieser Sicht wird also das informationelle<br />
Selbstbestimmungsrecht 196 mit dem Publizitätsprinzip in Zusammenhang<br />
gebracht und auf der Ebene <strong>des</strong> Datenschutzes behandelt.<br />
Diese Problematik wird neuerdings auch in der Lehre diskutiert. Szalma plädiert<br />
gegen die Einschränkung der Registerpublizität bezüglich der Urkunden. 197<br />
Kurucz stellt die Kollision <strong>des</strong> informationellen Selbstbestimmungsrechts und<br />
der Öffentlichkeit <strong>des</strong> <strong>Grundbuchs</strong> aufgrund einer verfassungsrechtlichen und<br />
rechtsvergleichenden Analyse dar. Er weist unter anderem darauf hin, dass die<br />
Offenkundigkeit selbst ein verfassungsrechtlich relevantes Erfordernis ist; daher<br />
ist deren Einschränkung nur aufgrund eines anderen Grundrechts im Rahmen<br />
<strong>des</strong> Erforderlichen und Verhältnismäßigen möglich. 198 Die Kenntnis der im<br />
Grundbuch registrierten Informationen wird allen Staatsbürgern zugemutet,<br />
dementsprechend muss die Einsicht in die relevanten Daten durch den Staat<br />
sichergestellt werden. 199 <strong>Das</strong> informationelle Selbstbestimmungsrecht wird<br />
durch das Offenkundigkeitsprinzip verdrängt, wenn es sich um den Inhalt <strong>des</strong><br />
Eigentumsblattes handelt. 200 Kurucz ist aber grundsätzlich mit den gesetzlichen<br />
193 Gesetz LXIII aus dem Jahre 1992 über den Schutz personenbezogener Daten und die<br />
Öffentlichkeit der Daten von öffentlichem Interesse [Originaltitel: 1992. évi LXIII.<br />
törvény a személyes adatok védelmérl és a közérdek adatok nyilvánosságáról].<br />
194 § 2 Abs. 1 und § 8 Abs. 1 DatenSchG.<br />
195 BH 2006, S. 629.<br />
196 Zum informationellen Selbstbestimmungsrecht siehe: § 59 Abs. 1 ungVerfassung [Originaltitel:<br />
1949. évi XX. törvény a Magyar Köztársaság Alkotmánya]; zum Datenschutz<br />
§ 59 (2) ungVerfassung; zum Persönlichkeitsrecht §§ 75 ff. ungZGB [Originaltitel: 1959.<br />
évi IV. törvény a Polgári Törvénykönyvrl].<br />
197 Vgl. Szalma, Ingatlan-nyilvántartás, Telekkönyvi jog és eljárás, Budapest 2005, 58 f.<br />
198 Kurucz (Fn. 182), 284 ff.<br />
199 Kurucz (Fn. 182), 288.<br />
200 Kurucz (Fn. 182), 291.
654<br />
Arkadiusz Wudarski<br />
Einschränkungen bezüglich der Urkunden einverstanden, mit der Begründung,<br />
man brauche die in den Urkunden angegebenen persönlichen Angaben nicht, um<br />
die im Eigentumsblatt registrierten Informationen wahrnehmen zu können. Um<br />
auch zu diesen persönlichen Daten Zugang zu erlangen, setzt das Gesetz zu<br />
Recht voraus, dass man ein berechtigtes Interesse an der Einsichtnahme in die<br />
Urkunden nachweist. Dieses Erfordernis garantiere das Gleichgewicht zwischen<br />
der Offenkundigkeit einerseits und dem informationellen Selbstbestimmungsrecht<br />
andererseits. 201<br />
ee. Portugal<br />
<strong>Das</strong> Grundstücksregister (Registro predial) wird in Portugal sowohl in traditioneller<br />
papierner als auch in EDV-Form geführt. 202 Dessen <strong>formelle</strong>s Publizitätsprinzip<br />
(publicidade) ist im portugiesischen Recht anerkannt, obwohl es an einer<br />
Legaldefinition fehlt. Die wichtigste Funktion <strong>des</strong> Grundstücksregisters wird<br />
bereits in Art. 1 <strong>des</strong> Código do Registro Predial (Grundstücksregistergesetz –<br />
GRG) 203 deutlich, nach dem das Grundstückregister im Wesentlichen dazu<br />
dient, im Hinblick auf die Sicherheit <strong>des</strong> Immobiliarrechtsverkehrs den rechtlichen<br />
Verhältnissen der Grundstücke Publizität zu verleihen. 204 Ferner ergibt sich<br />
die <strong>formelle</strong> Publizität aus Art. 104 f. GRG. Danach hat die Eintragung in das<br />
Grundstücksregister einen öffentlichen Charakter und jede Person kann<br />
Abschriften der Urkunden der Registerakte und der Dokumente aus dem Archiv<br />
beantragen. Die Informationen über den Registerinhalt einschließlich der<br />
Dokumente im Archiv können mündlich oder schriftlich erteilt werden. 205 Es<br />
handelt sich hier aber – so wie in Frankreich – um eine mittelbare Publizität,<br />
denn in der Regel kann nur das Personal der Registerbehörde in den Büchern,<br />
Karteien und Dokumenten nachschlagen. 206 Dem Antragsteller werden Kopien<br />
in vollständiger oder unvollständiger Form gegen Gebühr 207 ausgestellt. 208<br />
201 Kurucz (Fn. 182), 292 f., 296 f.<br />
202 Art. 110 GRG und Erlass (Portaria) Nr. 1513/2008 von 23.12.2008; siehe:<br />
www.predialonline.mj.pt/.<br />
203 Decreto-Lei Nr. 224/84 vom 6.7.1984, zuletzt geändert durch Decreto-Lei Nr. 116/2008<br />
vom 4.7.2008; zur Veranschaulichung der zahlreichen gesetzlichen Änderungen im<br />
Bereich <strong>des</strong> Grundstücksregisters siehe die amtlichen Angaben <strong>des</strong> portugiesischen<br />
Justizministeriums unter:<br />
http://www.dgpj.mj.pt/sections/leis-da-justica/livro-vii-leis-da/registo-predial/codigo-do-registo/.<br />
204 Artigo 1.º (Fins do registo) O registo predial <strong>des</strong>tina-se essencialmente a dar publicidade<br />
à situação jurídica dos prédios, tendo em vista a segurança do comércio jurídico<br />
imobiliário.<br />
205 Art. 104 GRG.<br />
206 Art. 105 Abs. 1 GRG.<br />
207 Art. 109-B Abs. 4 GRG.<br />
208 Art. 105 Abs. 2 GRG.
<strong>Das</strong> <strong>formelle</strong> Publizitätsprinzip <strong>des</strong> <strong>Grundbuchs</strong> 655<br />
Im Grundstücksregister werden nach Art. 108 Abs. 1 GRG von allen eingetragenen<br />
Personen folgende persönliche Daten gespeichert: Name, Zivilstand (falls<br />
ledig Erwähnung über Minderjährigkeit), Name <strong>des</strong> Ehegatten und eheliche<br />
Güterstände, übliche Wohnadresse bzw. berufliche Anschrift und die Steuernummer.<br />
Zusätzlich werden von der einzutragenden Person die Nummer <strong>des</strong><br />
Personal- bzw. Berufsausweises und, falls von ihr vorgelegt, deren Bankkontodaten<br />
gespeichert. 209<br />
Um der unrechtmäßigen Verwendung der im Grundstücksregister gesammelten<br />
Daten vorzubeugen, werden diese nur insoweit öffentlich gemacht, als<br />
dies angesichts der Sicherheit <strong>des</strong> Immobiliarrechtsverkehrs unbedingt erforderlich<br />
ist. 210 Infolge <strong>des</strong>sen wird strikt zwischen grundstücks- und personenbezogenen<br />
Daten unterschieden. Während die Daten hinsichtlich der rechtlichen<br />
Verhältnisse an sämtlichen Grundstücken aus den Datenbanken jeder beantragenden<br />
Person mitgeteilt werden können (Art. 109-A Abs. 1 GRG), werden die<br />
persönlichen Daten prinzipiell nur den staatlichen Organen bzw. juristischen<br />
Personen <strong>des</strong> öffentlichen Rechts zugänglich gemacht (Art. 109-A Abs. 2 i.V.m.<br />
Art. 109-C GRG). Darüber hinaus hat jede Person das Recht, über ihre eigenen<br />
persönlichen Daten informiert zu werden und dementsprechend diese Daten<br />
aktualisieren oder korrigieren zu lassen. 211 Für die wissenschaftliche Forschung<br />
bzw. Statistiken sind die Informationen aus dem Grundstücksregister unter der<br />
Bedingung zugänglich zu machen, dass die betroffenen Personen nicht identifizierbar<br />
sind. 212<br />
In Antragsformularen auf Eintragung ins Grundstücksregister ist ein ausdrücklicher<br />
Hinweis auf die Anweisungen <strong>des</strong> Gesetzes über den Schutz persönlicher<br />
Daten 213 erforderlich. 214 Der Schutz der Privatsphäre wird durch den in<br />
Art. 109-B GRG ausdrücklich enthaltenen Verweis auf dieses Gesetz zusätzlich<br />
verstärkt, sodass die Mitteilung von Daten aus dem Grundstücksregister nur<br />
unter Berücksichtigung der dort vorgesehenen Bedingungen möglich ist. 215 <strong>Das</strong><br />
Personal <strong>des</strong> Grundstücksregisters unterliegt der dienstlichen Verschwiegenheitspflicht.<br />
216 Im Ergebnis ist die Registereinsicht im Interesse <strong>des</strong> Schutzes der<br />
209 Art. 108 Abs. 2 GRG.<br />
210 Art. 106 i.V.m. Art. 1 GRG.<br />
211 Art. 109-D GRG.<br />
212 Art. 109 Abs. 5 GRG.<br />
213 Lei da Protecção dos Dados Pessoais – Lei Nr. 67/98 vom 26.10.1998 (Umsetzung der<br />
RL (EG) Nr. 95/46 <strong>des</strong> Europäischen Parlaments und <strong>des</strong> Rates vom 24.10.1995 zum<br />
Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten und zum<br />
freien Datenverkehr, Abl. EG L 281/31);<br />
http://www.irn.mj.pt/sections/irn/legislacao/ docs-legislacao/legislacao-significativa.<br />
214 Art. 109 Abs. 2 GRG.<br />
215 Art. 106 GRG; dazu Vieira, Direitos Reais, Coimbra 2008, 253.<br />
216 Art. 109-F GRG mit Verweis auf Art. 17 Abs. 1 Gesetz Nr. 67/98.
656<br />
Arkadiusz Wudarski<br />
Privatsphäre weitgehend eingeschränkt. Die sich daraus ergebenden Beeinträchtigungen<br />
im Interesse eines sicheren Rechtsverkehrs sind nicht bekannt. 217<br />
ff. England<br />
(1) <strong>Das</strong> duale Eintragungssystem<br />
<strong>Das</strong> englische Recht kennt zwei Eintragungssysteme für Rechte an Grundstücken<br />
in England und Wales, die 1926 als Teil einer umfassenden Reform <strong>des</strong><br />
Immobilienrechts parallel in Kraft getreten sind. Ziel der Gesetzgebung 218 war<br />
die Errichtung eines Landregistersystems (registered land system). Eintragungsfähig<br />
in dieses System waren: legal estates, d.h. die dinglichen Rechte, die nach<br />
englischem Sachenrecht als „eigentumsähnlich“ gelten, 219 sowie einige dingliche<br />
Rechte, die diese „Eigentumsrechte“ belasten. 220<br />
217 Vgl. vor allem Vieira (Fn. 215), 267-315; Santos Justo, Direitos Reais, Coimbra 2007,<br />
53-80; Menezes Cordeiro, Direitos Reais, Lissabon 1993, 269-285; Oliveira Ascensão,<br />
Direito Civil – Reais, Coimbra 2000, 335-389.<br />
218 <strong>Das</strong> Landregistersystem wurde mittels <strong>des</strong> Land Registration Act 1925 (15 & 16 Geo. 5<br />
c. 21) eingeführt. Im Wege einer umfassenden Novellierung wurde das Gesetz aufgehoben,<br />
und das Land Registration Act 2002 (2002 c. 9) ist an <strong>des</strong>sen Stelle getreten; zur<br />
Vorgeschichte und Beginn <strong>des</strong> Projekts „e-conveyancing“ in England und Wales ausführlich:<br />
Biederer, Die rechtlichen Voraussetzungen elektronischer Grundstückstransaktionen<br />
in rechtsvergleichender Sicht, VdP-Schriftenreihe, Band 22, Berlin 2006, 23 ff.; zur historischen<br />
Entwicklung <strong>des</strong> Registerwesens in England vgl.: Wagemann (Fn. 146), 33 ff.<br />
219 Diese Rechte sind: (1) ein bestehen<strong>des</strong> unbefristetes, unqualifiziertes (d.h. keiner Bedingung<br />
unterworfenes) freehold estate (= ein aus der feudalen Rechtsgeschichte abgeleitetes<br />
Besitzrecht, das dem Eigentum im Endeffekt gleichsteht); (2) ein langfristiges und<br />
ebenso unqualifiziertes leasehold estate (d.h. das befristete Besitzrecht eines Mieters<br />
bzw. eines Pächters, das nach englischem Recht ebenfalls auf der „Eigentums-Ebene“ in<br />
der Hierarchie der dinglichen Rechte steht).<br />
In beiden Fällen muss das estate nach Common Law gelten. Estates, die nur nach<br />
Equity gelten, stellen aus der Sicht <strong>des</strong> reformierten Immobilienrechts gemäß dem Law of<br />
Property Act 1925 (15 & 16 Geo. 5 c. 20), section 1 nur beschränkte bzw. untergeordnete<br />
dingliche Rechte dar. Im Gegensatz zum freehold kann ein leasehold auch nach Common<br />
Law bestehen, wenn es sich um ein Recht an zukünftigem Besitz handelt. Ein leasehold<br />
estate kann gleichzeitig auf zwei Weisen eintragungsfähig sein: erstens als eine Last in<br />
Bezug auf den damit betroffenen fremden (freehold- bzw. leashold-)„Titel“ und zweitens<br />
als ein selbständiger „Titel“, der wiederum auch mit leaseholds sowie beschränkten dinglichen<br />
Rechten belastet werden kann.<br />
<strong>Das</strong> moderne Recht (Commonhold and Leasehold Reform Act 2002, Part 1) kennt<br />
auch ein estate, das z.B. mit dem deutschen Wohnungseigentum vergleichbar ist: nämlich<br />
das commonhold. Dies setzt eine Körperschaft (commonhold association) als Inhaberin<br />
<strong>des</strong> freehold voraus. Es gibt allerdings relativ wenige commonholds: siehe dazu Beitrag<br />
von Smith in diesem Band, 519 ff.; zum Überblick dieser Rechte: Havergal/Banfield,<br />
Land Tenure – Freehold/Leasehold – Registration and Title Issues, in: Rechtsfragen der
<strong>Das</strong> <strong>formelle</strong> Publizitätsprinzip <strong>des</strong> <strong>Grundbuchs</strong> 657<br />
Aus Kostengründen sowie anderen praktischen Überlegungen war von Anfang<br />
an vorgesehen, das Landregister zunächst schrittweise auf das Territorium der<br />
Gerichtsbarkeit zu erstrecken. So entstand aufgrund der vermögensrechtlichen<br />
„Gesetzgebungslawine“ 221 im Jahre 1925 ein paralleles System für unregistered<br />
land (das Immobilienrechtssystem für die nicht eingetragenen Liegenschaften),<br />
das den am Ende viel längeren als ursprünglich gedachten Zeitraum bis zur<br />
Vollständigkeit <strong>des</strong> neuen Landregistersystems überbrücken und mehr oder<br />
weniger äquivalente Lösungen für die vom Landregister noch nicht abgedeckten<br />
Liegenschaften ermöglichen sollte. In diesem Nebensystem wurden nur belastende<br />
Rechte eingetragen, und zwar in Bezug auf den Namen <strong>des</strong> Inhabers <strong>des</strong><br />
betroffenen estate. 222 <strong>Das</strong> System war von Anfang an als „Auslaufmodell“ konzipiert;<br />
im Hinblick auf die inzwischen erfolgte Erstreckung <strong>des</strong> eigentlichen<br />
Landregisters auf sämtliche Grafschaften 223 verliert es allmählich an praktischer<br />
Bedeutung.<br />
(2) Gegenstand und Umfang der Eintragung<br />
<strong>Das</strong> Eintragen im Rahmen <strong>des</strong> Landregistersystems <strong>des</strong> Land Registration Act<br />
sowie <strong>des</strong> „Aschenputtel“-Systems <strong>des</strong> Land Charges Act obliegt Her Majesty‘s<br />
Land Registry, 224 einer Dienststelle der Krone, die 1862 errichtet wurde. 225<br />
Immobilienfinanzierung in England und Wales, VdP-Schriftenreihe, Band 25, Berlin<br />
2006, 8 ff.<br />
220 Zum Beispiel: Grundpfandrechte, Dienstbarkeiten, Miet- und Pachtrechte.<br />
221 Neben der Reform vieler Grundzüge <strong>des</strong> Sachenrechts, insbesondere <strong>des</strong> Immobilienrechts,<br />
kraft <strong>des</strong> Law of Property Act 1925, sowie der Einführung <strong>des</strong> Landregistersystems<br />
gemäß dem Land Registration Act 1925 verabschiedete das Parlament auch Gesetze<br />
für weitgehende Reformen im Erbrecht (Administration of Estates Act 1925 (15 & 16<br />
Geo. 5 c. 23)) sowie das Recht <strong>des</strong> trust (Trustee Act 1925 (c. 19), Settled Land Act 1925<br />
(c. 18)). <strong>Das</strong> Eintragungssystem für einige beschränkte dingliche Rechte (in diesem<br />
Zusammenhang als land charges bezeichnet), die estates belasten, die außerhalb <strong>des</strong><br />
Landregistersystems liegen, wurde mit dem Land Charges Act 1925 (c. 22) eingeführt.<br />
<strong>Das</strong> aktuelle Gesetz ist das Land Charges Act 1972 (c. 61).<br />
222 Land Charges Act 1972, section 3(1).<br />
223 Die Pflicht zur Eintragung in sämtlichen Gebieten Englands und Wales wurde erst 1990<br />
eingeführt.<br />
224 Land Registration Act 2002, section 99(1) (für registered land). Für das land charges<br />
register ist es streng genommen <strong>des</strong>sen Chef (der Chief Registrar: section 99(2)), der<br />
handelt: Land Charges Act 1972, section 1(1) i.V.m. den Definitionen von „registrar“ und<br />
„registry“ in section 17(1).<br />
225 Land Registry Act 1862 (25 & 26 Vict. c. 53), section 2. <strong>Das</strong> damalige Registersystem<br />
basierte auf der Freiwilligkeit der Eintragung und kam vor allem gegen den Widerstand<br />
der im Bereich der conveyancing tätigen Anwälte, die um ihr berufliches Einkommen<br />
bangten, wenig voran.
658<br />
Arkadiusz Wudarski<br />
Der Eintrag eines estate im registered land system besteht aus drei Teilen: 226<br />
– das property register beschreibt den Gegenstand <strong>des</strong> Eigentums (Anschrift<br />
oder Ort – das Ausmaß <strong>des</strong> estate erfolgt unter Hinweis auf einen Plan 227 ),<br />
erwähnt zugehörige Rechte zugunsten <strong>des</strong> estate wie Wegerechte 228 und im<br />
Falle eines leasehold estate ausreichende Einzelheiten zum Miet- bzw.<br />
Pachtvertrag, damit dieser identifiziert werden kann; 229<br />
– das proprietorship register bestimmt, wer Eigentümer ist (Name und Zustellanschrift)<br />
und die Art <strong>des</strong> „Eigentums“ oder die Qualifizierung <strong>des</strong> „Titels“<br />
(sog. class of title); 230 und<br />
– das charges register führt, soweit erforderlich, die Belastungen auf (charges<br />
– hier im weiteren Sinne, also nicht nur Grundpfandrechte, sondern auch<br />
Miet- und Pachtverträge, Grunddienstbarkeiten, usw.).<br />
Neben rein sachenrechtlichen Informationen zeigt das Register, wer Eigentümer<br />
ist (d.h. Name und Zustellanschrift) und, wenn das Recht nach dem 1. April<br />
2000 eingetragen wurde, 231 welcher Preis laut dem zugrunde liegenden Rechtsgeschäft<br />
für den Erwerb <strong>des</strong> estate bezahlt wurde. 232<br />
Im charges register 233 werden die Einzelheiten der Rechtsgeschäfte wie<br />
Datum, Parteien und Art der Verfügung aufgelistet, die Belastungen enthalten,<br />
zusammen mit einem Auszug aus dem Dokument, sofern die Belastung eindeutig<br />
nur einer Klausel im Dokument zuzuordnen ist. Die Identifizierung <strong>des</strong> Dokuments<br />
ermöglicht in jedem Fall auch, dieses einzusehen bzw. eine Kopie<br />
davon zu verlangen. Ist das Grundstück mit einem Grundpfandrecht belastet,<br />
wird die Identität <strong>des</strong> Inhabers <strong>des</strong> Sicherungsrechts sichtbar, jedoch in der Regel<br />
nicht die Höhe der Schuld. Der Name und die Zustellanschrift <strong>des</strong> Inhabers<br />
<strong>des</strong> beschränkten dinglichen Rechts werden ebenfalls angegeben.<br />
226 Land Registration Rules 2003 SI Nr. 1417, rule 4(2); vgl. dazu: Havergal/Banfield<br />
(Fn. 219), 21.<br />
227 Rule 5(a).<br />
228 Rule 5(b).<br />
229 Rule 6(1).<br />
230 Rule 8(1).<br />
231 An diesem trat eine neue Fassung von rule 247 der (damals geltenden) Land Registration<br />
Rules 1925 S.R. & O. Nr. 1093 in Kraft: siehe Land Registration (No. 3) Rules SI<br />
Nr. 3462.<br />
232 Gemäß der Land Registration Rules 2003, rule 8(2) (in geänderter Fassung nach den<br />
Land Registration (Amendment) Rules 2008 SI Nr. 1919, Schedule 1, para. 4(b)) ist der<br />
Erwerbspreis im proprietorship register einzutragen.<br />
233 Land Registration Rules 2003, rule 9 regelt <strong>des</strong>sen Inhalt.
<strong>Das</strong> <strong>formelle</strong> Publizitätsprinzip <strong>des</strong> <strong>Grundbuchs</strong> 659<br />
(3) Uneingeschränkte Einsicht in das Land Charges Register<br />
Zum unregistered land system, in dem nur die belastenden land charges, nicht<br />
die legal estates selbst eingetragen werden, ist öffentlicher Zugang zu den eingetragenen<br />
Informationen stets die Regel. <strong>Das</strong> Land Charges Act 1972, das die<br />
Regelung <strong>des</strong> ursprünglichen Gesetzes von 1925 mit fast identischem Wortlaut<br />
wiedergibt, 234 bestimmt, dass jede Person bei Zahlung der vorgeschriebenen<br />
Gebühr in jedem der nach diesem Gesetz geführten Register suchen darf<br />
(search) 235 und damit unbeschränktes Einsichtsrecht hat.<br />
Allerdings erbringt eine Suche für den Einsichtnehmenden notwendigerweise<br />
nur wenig, da ausschließlich Belastungen eingetragen werden. Einzelheiten<br />
über das estate <strong>des</strong> Inhabers gibt es nicht. Auch die Informationen über die Belastungen<br />
sind auf das Notwendigste beschränkt, um einen potentiellen Erwerber<br />
oder Hypothekar vor den sachenrechtlichen Folgen seines angestrebten Rechtsgeschäfts<br />
eventuell zu warnen. <strong>Das</strong> Register enthält nur den Namen und die Anschrift<br />
<strong>des</strong> Inhabers <strong>des</strong> belastenden Rechts, das Datum und die Namen der<br />
Parteien aus der Vertragsurkunde, die die Grundlage der Belastung bildet.<br />
Ferner enthält das Register die Klassifizierung der Belastung nach dem Schema<br />
<strong>des</strong> Land Charges Act sowie den Namen und die Anschrift <strong>des</strong> Inhabers <strong>des</strong><br />
belasteten estate und schließlich Einzelheiten über das Grundstück, um dieses<br />
identifizieren zu können. 236<br />
(4) Ursprünglich eingeschränkte Einsicht ins Landregister<br />
Im Gegensatz zum land charges register unterlag das registered land system zunächst<br />
nicht dem Prinzip <strong>des</strong> öffentlichen Zugangs <strong>des</strong> Registers für die Allgemeinheit.<br />
In seiner verabschiedeten Fassung bestimmte section 112 <strong>des</strong> Land<br />
Registration Act 1925, dass nur der eingetragene Eigentümer bzw. Inhaber eines<br />
beschränkten dinglichen Rechts und Dritte, die vom Eigentümer dazu befugt<br />
waren (i.d.R. Käufer oder Darlehensgeber), die Register oder die beim Registrar<br />
eingereichten Urkunden einsehen und kopieren durften. Die Vorschrift legte<br />
jedoch den (im Gesetz nicht näher bestimmten) Rahmen für einige Ausnahmen<br />
vor: weitere Einsichtsberechtigungen durften kraft Verordnung oder gerichtlicher<br />
Verfügung bestimmt werden. 237 Außerdem räumte das Gesetz von Anfang<br />
an ein Einsichtsrecht für Vollstreckungsgläubiger 238 sowie die Verwalter einer<br />
Konkursmasse 239 ein.<br />
234 Vgl. Land Charges Act 1925, section 16.<br />
235 Section 9(1); siehe auch die Land Charges Rules 1974 SI Nr. 1286, rule 3(2) (die Form<br />
<strong>des</strong> Antrages bestimmend); vgl. Wagemann (Fn. 146), 38.<br />
236 Land Charges Rules 1974, rule 3(1) („relevant particulars“) i.V.m. Schedule 1.<br />
237 Land Registration Act 1925, section 112.<br />
238 Section 59(3).<br />
239 Section 61(10).
660<br />
Arkadiusz Wudarski<br />
Bei der Neubestimmung <strong>des</strong> Inhalts von section 112 <strong>des</strong> Land Registration Act<br />
durch das Administration of Justice Act 1982 240 wurde an diesem Grundsatz nur<br />
mäßig gerüttelt. Demnach durfte ein County Court oder High Court ein Recht<br />
auf Einsicht und Kopieren eines Registereintrags oder Dokuments einräumen,<br />
soweit nach Überzeugung <strong>des</strong> Gerichts diese Eintragungen Informationen<br />
enthielten, die für ein rechtsanhängiges Verfahren relevant seien. 241 Die Einsicht<br />
oder das Kopieren wurde dem High Court auch „aus sonstigem Grund“ gestattet.<br />
242<br />
(5) Breite Erweiterung <strong>des</strong> Zugangs zum Landregister<br />
Eine Vielzahl von Erweiterungen der gesetzlichen Berechtigungen, die auf bestimmte<br />
Kategorien von Parteien ausgerichtet waren, 243 gab jedoch Anlass, den<br />
Grundsatz neu zu überdenken. 1985 empfahl die Law Commission die Öffnung<br />
<strong>des</strong> Registers für die Öffentlichkeit. 244 Als Begründung verwies die Kommission<br />
auf die Vielzahl von Dritten, die ein berechtigtes Interesse an den Informationen<br />
haben könnten, und meinte, dieses Interesse überwiege den <strong>des</strong> Eingriffs in die<br />
Privatsphäre. Als Beispiele wurden genannt: Mieter oder Pächter, die die Vermieter<br />
(Verpächter) identifizieren müssten; Erschließungsunternehmen, die über<br />
den Erwerb verfallener Grundstücke zu verhandeln gedachten; Eigentümer, die<br />
über die Aufgabe von Grunddienstbarkeiten verhandeln wollten; Eigentümer,<br />
die Zugang zu Nachbargrundstücken zur Durchführung von Reparaturen oder<br />
Beseitigung von Störungen benötigten, sowie Bücherrevisoren, die Betrugsfällen<br />
nachforschen oder Vermögen verfolgen wollten.<br />
Diese Empfehlung wurde vom Parlament im Land Registration Act 1988 245<br />
umgesetzt, der am 3. Dezember 1990 in Kraft trat. 246 Die dadurch neu bestimmte<br />
section 112 <strong>des</strong> Gesetzes von 1925 ermöglichte jeder Person 247 das Recht auf<br />
240 1982 c. 53, section 67(1) i.V.m. Schedule 5, para. (b).<br />
241 Land Registration Act 1925, section 112(2),(3) in der Fassung vom 1.1.1983.<br />
242 Land Registration Act 1925, section 112(2)(ii).<br />
243 Diese wirkten zugunsten der Polizei und der Staatsanwaltschaft (Land Registration Act<br />
1925, section 112 A, eingefügt durch das Administration of Justice Act 1977 (c. 38),<br />
section 25(1)), <strong>des</strong> Insolvenzverwalters und Liquidators (section 112 AA, eingefügt durch<br />
das Insolvency Act 1985 (c. 65), section 215), <strong>des</strong> Grundpfandrechtsgläubigers und der<br />
Bank (section 112B, eingefügt durch das Matrimonial <strong>Home</strong>s and Property Act 1981<br />
(c. 24), section 4(4)) und der Mieter (section 112C, eingefügt durch das Landlord and<br />
Tenant Act 1987 (c. 31), section 51(2)).<br />
244 Property Law: Second Report on Land Registration. Inspection of the Register, Law.<br />
Com. No. 148.<br />
245 1988 c. 3, section 1.<br />
246 Land Registration Act 1988 (Commencement) Order 1990 SI Nr. 1359, Art. 2.<br />
247 Vorbehaltlich der Zahlung einer Gebühr und der Erfüllung sonstiger Bedingungen, die in<br />
einer Verordnung vorgeschrieben werden konnten.
<strong>Das</strong> <strong>formelle</strong> Publizitätsprinzip <strong>des</strong> <strong>Grundbuchs</strong> 661<br />
Einsicht und Kopieren der Eintragungen im Register. 248 <strong>Das</strong> Einsichtsrecht<br />
erstreckte sich auf die im Register erwähnten Dokumente, jedoch unter Ausschluss<br />
von Miet- und Pachtverträgen und Verträgen zu Grundpfandrechten, 249<br />
die offensichtlich die Privatsphäre bzw. Geschäftspraxis der Parteien tangierten.<br />
250<br />
(6) Interessenabwägung bei der Einsicht<br />
Die neue Regelung in section 66 <strong>des</strong> aktuellen Gesetzes von 2002 setzt das Prinzip<br />
<strong>des</strong> offenen Registers anders um. Grundsätzlich sind neben dem Register der<br />
estates und der Vormerkungen nunmehr sämtliche relevanten Dokumente, die<br />
sich in Verwahrung <strong>des</strong> Registrators befinden, dem öffentlichen Einsichts- und<br />
Kopierrecht unterworfen. 251 Ausnahmen sowie Gebühren können per Verordnung<br />
bestimmt werden. 252 Von diesem Recht machen die Land Registration<br />
Rules 2003 Gebrauch. 253 Danach kann jede betroffene Person beantragen, dass<br />
ein Dokument von der Einsicht ausgenommen wird, und zwar dann, wenn dieses<br />
Dokument „prejudicial information“ enthält. 254 Dies geschieht, indem die von<br />
der Einsicht ausgeschlossenen Dokumentteile durch den Vermerk „excluded<br />
information“ ersetzt werden. Der Ausschluss ist bereits bei der Antragstellung<br />
mit einzureichen. 255 Ist der Registrator überzeugt, dass der Antrag nicht grundlos<br />
ist, muss er ihm stattgeben. 256 Würde dagegen seiner Meinung nach der Einsichtsausschluss<br />
das Landregistersystem beeinträchtigen, muss er den Antrag<br />
ablehnen. 257 Eine Ablehnung käme z.B. in Betracht, wenn es sich um den<br />
Erwerbspreis <strong>des</strong> estate oder um eine die Grunddienstbarkeit enthaltende Klausel<br />
handelt. 258<br />
248 Subsection (1)(a) n.F.; vgl. Wagemann (Fn. 146), 43; zur Diskussion über den Zugang<br />
zum elektronischen Grundstückstransaktionssystem vgl.: Biederer (Fn. 218), 66 ff.<br />
249 Subsection (1)(b) n.F.<br />
250 Für sonstige Dokumente im amtlichen Verwahr <strong>des</strong> Registrators sollte eine Verordnung<br />
bestimmen, welche von Rechts wegen und welche nach dem Ermessen <strong>des</strong> Registrators<br />
eingesehen und kopiert werden durften.<br />
251 Subsection (1).<br />
252 Subsection (2).<br />
253 Rules 133, 136 (zum Teil in geänderter Fassung nach den Land Registration (Amendment)<br />
Rules 2008 SI Nr. 1919, Schedule 1, paras. 46, 48)<br />
254 Rule 136(1). Die Formulierung muss vermutlich in dem Sinne verstanden werden, die<br />
Verbreitung der Information wäre nachteilig für den Antragsteller. Als Beispiel nennt das<br />
Land Registry (implizit) die Summe, die durch ein Grundpfandrecht gesichert wird: Land<br />
Registry Public Guide 15 (November 2008). Exempting documents from the general right<br />
to inspect and copy, S. 6.<br />
255 Rule 136(2).<br />
256 Rule 136(3).<br />
257 Rule 136(4).<br />
258 Land Registry Public Guide 15, S. 6.
662<br />
Arkadiusz Wudarski<br />
Die Regelung ermöglicht, den Einsichtsausschluss hinsichtlich unterschiedlicher<br />
Textstellen in demselben Dokument von mehreren Parteien zu beantragen. In<br />
diesem Fall hat der Registrator die Pflicht, eine neu editierte Version <strong>des</strong> Dokuments<br />
vorzubereiten, die alle stattzugebenden Einsichtsausschlüsse berücksichtigt.<br />
259 Der Einsichtsausschluss geht nicht auf den neuen Eigentümer über. Er<br />
bleibt jedoch solange bestehen, bis er entfernt oder vom Antragsteller zurückgenommen<br />
wird. 260<br />
Im Gegenzug dazu kann jede Person eine Kopie der nicht editierten Fassung<br />
beantragen. 261 Die Person, zugunsten derer die Information ausgeschlossen wurde,<br />
wird über den Antrag informiert, es sei denn, eine solche Mitteilung sei<br />
unnötig oder nicht opportun. 262 <strong>Das</strong> bietet dem Betroffenen die Gelegenheit, auf<br />
den Registrator bei seiner Entscheidung einzuwirken. Dem Antrag wird stattgegeben,<br />
wenn nach Überzeugung <strong>des</strong> Registrators feststeht, die ausgenommene<br />
Information sei nicht „prejudicial“ oder das öffentliche Interesse an der Herausgabe<br />
der Kopie überwiege dem öffentlichen Interesse daran, dies nicht zu tun. 263<br />
Eine Revision der Entscheidung <strong>des</strong> Registrators erfolgt durch den High Court<br />
im Wege <strong>des</strong> judicial review. 264<br />
(7) Gebühren<br />
Die Gebühren für die Ausübung der Einsichtsrechte im Landregister 265 sowie im<br />
Register der land charges 266 sind moderat. Etwas höher ist die Gebühr für den<br />
Antrag auf Ausschluss von Informationen aus einem Dokument. 267<br />
259 Rule 136(6).<br />
260 Land Registry Public Guide 15, S. 6.<br />
261 Rule 137(1); siehe auch rule 140, die zugunsten der Polizei, der Staatsanwaltschaft, dem<br />
Finanzamt, dem Insolvenzverwalter und den anderen im Schedule 5 bestimmten Personen<br />
wirkt.<br />
262 Rule 137(3).<br />
263 Rule 137(4).<br />
264 Für ein jüngstes Beispiel dieser Art Verfahren (allerdings betreffend eine ganz andere<br />
sachliche Frage im Zuständigkeitsbereich der Land Registry) siehe R (Smith) v Land<br />
Registry [2009] EWHC 328 (Admin); bejaht [2010] EWCA Civ 200.<br />
265 Der Land Registration Fee Order 2009 SI Nr. 845, Art. 9(1) i.V.m. Schedule 3, Part 2,<br />
para. (1) bestimmt die folgenden Gebühren: Wenn die Suche elektronisch erfolgt, sind<br />
£ 4 pro Register, Vormerkung oder Grundstücksplan zu bezahlen. Für ein im Register<br />
erwähntes oder sonstiges vom Registrator erhaltenes Dokument sind £ 6 fällig, £ 12 für<br />
einen Mietvertrag. Die Gebühren verdoppeln sich, wenn die Suche auf sonstige Weise<br />
erfolgt: para. (2). Für „official copies“ gelten entsprechende Gebühren: paras. (3)-(7). Für<br />
zusätzliche Regelungen für commonholds, die teils abweichen: siehe auch Art. 9(2). Die<br />
Verordnung regelt Gebühren für weitere Dienste wie beispielsweise das Suchen im<br />
Eigentümerverzeichnis oder Kopien historischer Fassungen eines Titels.<br />
266 Land Charges Fees Rules 1990 SI Nr. 327, rule 2 i.V.m. Schedule 1 (£ 1 pro Einsicht<br />
oder Kopie).
<strong>Das</strong> <strong>formelle</strong> Publizitätsprinzip <strong>des</strong> <strong>Grundbuchs</strong> 663<br />
(8) Anwendung <strong>des</strong> Freedom of Information Act 2000<br />
In diesem Zusammenhang kommt das Freedom of Information Act 2000 268<br />
kaum zur Anwendung. Dieser enthält ein allgemeines Recht auf Herausgabe von<br />
Informationen im Besitz einer öffentlichen Behörde, 269 das allerdings durch<br />
verschiedene Ausnahmen eingeschränkt wird. Eine breite Ausnahme, die hier<br />
wegen der gesetzlichen Einsichtsrechte zur Anwendung kommt, 270 bestimmt<br />
section 21(1) <strong>des</strong> Gesetzes. Danach kann die Information, die aus anderen Quellen<br />
„zumutbar zugänglich“ („reasonably accessible“) bezogen werden könnte,<br />
nicht auf diese Weise verlangt werden. 271 Außerdem kann die Herausgabe von<br />
„personal data“ im Sinne <strong>des</strong> Data Protection Act 1998 272 nicht gefordert werden.<br />
273 In diesem Zusammenhang könnte das Freedom of Information Act 2000<br />
allein dann zur Geltung kommen, wenn es um die Offenlegung von Anträgen<br />
(gemäß rule 136 der Land Registration Rules) auf Ausschluss von Informationen<br />
geht. 274<br />
d. Auf der Suche nach einem abgewogenen Publizitätskonzept<br />
aa. Rechtsvergleichende Bewertung<br />
Aufgrund <strong>des</strong> vorgenommenen Streifzugs durch ausgewählte Rechtsordnungen<br />
der EU-Mitgliedstaaten lässt sich feststellen, dass das <strong>formelle</strong> Publizitätsprinzip<br />
<strong>des</strong> Liegenschaftsregisters europaweit bekannt ist und gleichzeitig unterschiedlich<br />
gehandhabt wird. Auf den ersten Blick scheinen die untersuchten Liegenschaftsregister<br />
für jede Person zugänglich zu sein. Am transparentesten ist das<br />
aufwändige französische Registersystem, zu dem der Zugang nicht nur von der<br />
Darlegung irgendeines Interesses unabhängig ist, sondern das auch nach grundstücksbezogenen<br />
und sogar nach personenbezogenen Daten beliebig durchsucht<br />
werden kann. Diese Offenlegung und der Umgang mit den in französischen Registern<br />
befindlichen Daten gehen weit über das Bedürfnis nach Gewährleistung<br />
der Rechtssicherheit hinaus.<br />
Grundsätzlich zeichnen sich jedoch in anderen EU-Ländern die Bemühungen<br />
um eine sachgerechte Abwägung zwischen dem Informationsbedürfnis im<br />
Grundstücksverkehr und dem Schutz der Privatsphäre <strong>des</strong> Eigentümers und<br />
267 Dies kostet £ 26: Land Registration Fee Order 2009, Art. 9(1) i.V.m. Schedule 3, Part 4,<br />
para. (2).<br />
268 2000 c. 36.<br />
269 Section 1(1)(b).<br />
270 Land Registry Public Guide 15 (Juni 2008). Your rights under the Freedom of Information<br />
Act 2000, S. 2.<br />
271 Die Ausnahme gilt absolut: Freedom of Information Act 2000, section 2(2), (3)(a).<br />
272 1998 c. 29.<br />
273 Freedom of Information Act 2000, section 40(1).<br />
274 Vgl. Land Registry Public Guide 15, S. 8.
664<br />
Arkadiusz Wudarski<br />
sonstiger Berechtigter ab. Europäische Rechtsordnungen haben zur Erreichung<br />
dieses Ziels unterschiedliche Wege gewählt, die auch nicht zu gleichen bzw.<br />
optimalen Lösungen führen.<br />
Die Verankerung <strong>des</strong> Schutzes der Privatsphäre in einer allgemeinen Generalklausel<br />
bzw. in einem unscharfen Begriff führt – wie die deutsche Auslegung<br />
„<strong>des</strong> berechtigten Interesses“ zeigt – nicht zur Lösung <strong>des</strong> Problems, sondern zu<br />
<strong>des</strong>sen Verlagerung auf die Rechtsprechung. Wird kein schutzwürdiges Interesse<br />
am derzeitigen oder künftigen Grundbuchinhalt dargelegt, ist – entgegen der<br />
Tendenz zur uferlosen Einsichtsausdehnung – im Hinblick auf das informationelle<br />
Selbstbestimmungsrecht mit besonderer Sorgfalt und Zurückhaltung zu<br />
prüfen, ob ein Anspruch auf Grundbucheinsicht tatsächlich besteht.<br />
Im Gegensatz zur deutschen Rechtslage wird – wie in Frankreich – weder in<br />
Tschechien noch in Ungarn vom Antragsteller eine Darlegung <strong>des</strong> Einsichtsinteresses<br />
gefordert. Die Gewährung der Registereinsicht wird jedoch von der Erfüllung<br />
bestimmter Bedingungen verfahrensrechtlicher Natur abhängig gemacht,<br />
die allerdings keine Hürde für die Einsicht in das Register und in die dort<br />
ersichtlichen personenbezogenen Daten darstellen. Besondere Einschränkungen<br />
gelten dagegen – wie in Polen – für die Urkundensammlung und die Eigentumsübersicht<br />
(das Eigentümerverzeichnis). Die Registersuche nach dem Namen <strong>des</strong><br />
Eigentümers oder sonstiger Berechtigten ist – im Unterschied zu Frankreich und<br />
abgesehen von gesetzlich bestimmten Ausnahmefällen – nicht zulässig. Es werden<br />
auch abschließend Konstellationen vorgegeben, zu denen die im Register<br />
ersichtlichen Informationen verwendet werden können. In der ungarischen<br />
Rechtsprechung wird zudem die Einschränkung der Registerpublizität – im<br />
Gegensatz zu Polen und Deutschland – auf datenschutzrechtlicher Ebene<br />
begründet. Auf der datenschutzrechtlichen Gesetzgebung basiert auch der<br />
Schutz der im portugiesischen Grundstücksregister enthaltenen Daten. Die Verwendung<br />
dieses allgemeinen Schutzmittels berücksichtigt jedoch nicht die Besonderheit<br />
und Funktion <strong>des</strong> <strong>Grundbuchs</strong>. Werden außerdem die im Grundbuch<br />
ersichtlichen Informationen lediglich unter Vorbehalt der in der datenschutzrechtlichen<br />
Regelung vorgesehenen Sanktionen zugänglich gemacht, wird die<br />
Privatsphäre nur nachträglich, also erst nach deren Verletzung, geschützt.<br />
Darüber hinaus erfolgt aber die Interessenabwägung in Portugal präventiv und<br />
besteht in der strikten Unterscheidung zwischen den personen- und den grundstücksbezogenen<br />
Informationen, wobei nur die letzteren von jedermann frei<br />
eingesehen werden können. Die mittelbare Einsicht wird allerdings im Ergebnis<br />
von einer aufgrund dieses Kriteriums vorzunehmenden Entscheidung eines<br />
Beamten abhängig gemacht.<br />
Der dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung zugrunde liegende<br />
Gedanke ist auch der englischen Rechtsordnung nicht fremd, wird jedoch anders<br />
realisiert. Die Einsicht in das Landregister ist derzeit jeder Person möglich und<br />
alles durch Eintragung Schutzfähige ist sichtbar. Die Interessenabwägung
<strong>Das</strong> <strong>formelle</strong> Publizitätsprinzip <strong>des</strong> <strong>Grundbuchs</strong> 665<br />
manifestiert sich aber im Umfang der Eintragung, die sich – im Unterschied zu<br />
anderen Ländern (insbesondere zu Polen) – strikt auf die sachenrechtlich relevanten<br />
Informationen beschränkt. Darüber hinaus umfasst die freie Einsicht<br />
grundsätzlich auch alle die Eintragung begründenden Urkunden. In diesem Fall<br />
bleibt jedoch die Entscheidung über den erforderlichen Schutzumfang der Privatsphäre<br />
möglich, wenn auch jedem Einzelnen überlassen. Der Betroffene kann<br />
die Einsicht in solche Teile der Dokumente ausschließen, die persönlichen<br />
Charakter haben, also nur die betreffenden Parteien angehen und sachenrechtlich<br />
ohne Bedeutung sind. Die Privatsphäre wird also hier nicht von Gesetzes wegen<br />
– wie in anderen europäischen Ländern (Ungarn, Tschechien, Polen, Deutschland)<br />
– geschützt, sondern bedarf <strong>des</strong> aktiven Handelns in Form der Antragstellung<br />
bei dem Registrator. Mit anderen Worten, das Interesse an dem, was in<br />
England von der Einsichtnahme nicht ausgeschlossen werden darf, wird<br />
wahrscheinlich in den meisten Rechtsordnungen die Gewährung der Einsicht<br />
rechtfertigen.<br />
bb. Vorschlag der zweistufigen Publizität für das polnische Grundbuch<br />
Im europäischen Rechtsvergleich stellt sich die polnische Gestaltung der <strong>formelle</strong>n<br />
Grundbuchpublizität als weitgehend liberal dar. Die gesetzlich bestimmten<br />
Einschränkungen bei Einsicht der Grundakte sind zwar angebracht, aber<br />
angesichts <strong>des</strong> Umfangs der Grundbucheintragung nicht ausreichend. Der uneingeschränkte<br />
Zugang zu allen derzeit im polnischen Grundbuch enthaltenen<br />
personenbezogenen Angaben lässt sich mit dem öffentlichen Interesse am<br />
Schutz <strong>des</strong> Rechtsverkehrs nicht rechtfertigen. Diese uneingeschränkte Offenlegung<br />
aller familiären und wirtschaftlichen Angaben ist abzulehnen, denn einerseits<br />
trägt diese nicht zur Erhöhung der Rechtssicherheit bei und andererseits<br />
greift sie sehr weit in die Privatsphäre ein.<br />
Die Ableitung <strong>des</strong> Rechts auf informationelle Selbstbestimmung aus dem<br />
allgemeinen Persönlichkeitsrecht, das durch die deutsche BVerfG-Rechtsprechung<br />
275 fortentwickelt wurde, könnte den Anstoß für die Überprüfung der<br />
Verfassungskonformität der derzeitig uneingeschränkten Einsichtsgewährung in<br />
das polnische Grundbuch geben. Zu diesem Zweck könnte man sich auf Art. 47<br />
Verf. 276 stützen. Danach hat jedermann das Recht auf Schutz <strong>des</strong> Privat- und<br />
Familienlebens, der Ehre, <strong>des</strong> guten Rufes sowie die Entscheidung über sein<br />
persönliches Leben.<br />
Diese Erkenntnis ist nicht ohne Folgen für die Publizität <strong>des</strong> <strong>Grundbuchs</strong>,<br />
deren Umfang durch den Schutz <strong>des</strong> Rechtsverkehrs bedingt wird. Die im<br />
Grundbuch gesammelten Daten sollten daher nur öffentlich gemacht werden,<br />
soweit dies zur Erreichung dieses Ziels unbedingt erforderlich ist. Die Aufgabe<br />
275 Vgl. Barta/Fajgielski/Markiewicz (Fn. 96), 116 f.<br />
276 Die Verfassung der Republik Polen vom 2.4.1997, Dz.U. 1997 Nr. 78, Pos. 483 i.d.g.F.
666<br />
Arkadiusz Wudarski<br />
<strong>des</strong> Gesetzgebers wäre es daher, aufgrund dieses Kriteriums die im Grundbuch<br />
für jedermann zugänglichen Informationen zu verifizieren. Dieses Kriterium<br />
sollte also lediglich der Ausgangspunkt für gesetzgeberische Änderungen sein<br />
und nicht als eine weitere Generalklausel dienen, deren Auslegung der Rechtspraxis<br />
zu überlassen wäre. Geht man von diesem Kriterium aus, so werden viele<br />
Informationen, die sich derzeit im polnischen Grundbuch befinden und die für<br />
jedermann uneingeschränkt zugänglich sind, diesem Maßstab nicht standhalten<br />
können. Die Informationen über Identifikationsnummer, Geburtsdatum, Wohnanschrift,<br />
eheliche Güterstände, nicht mehr geltende historische Eintragungen,<br />
gelöschte Vermerke und die Höhe der dinglichen Belastung müssen sicherlich<br />
nicht für jedermann offengelegt werden. Erstreckt sich der öffentliche Glaube<br />
<strong>des</strong> <strong>Grundbuchs</strong> auf das Bestehen bzw. Nichtbestehen der dinglichen Rechte, so<br />
ist die Angabe <strong>des</strong> dieser Eintragung zugrunde liegenden Rechtsgeschäfts ebenfalls<br />
nicht unbedingt erforderlich.<br />
Der Verzicht auf den Zugang zu solchen Informationen für jedermann, also<br />
auch für Personen, die kein Interesse an den bestehenden Rechten <strong>des</strong> betroffenen<br />
Grundstücks nachweisen können und sich etwa nur aus Neugier über die<br />
Rechtsverhältnisse an dem Grundstück eines Mitarbeiters oder Bekannten<br />
informieren wollen, würde den Schutz der Privatsphäre deutlich verbessern und<br />
zugleich zur besseren Übersichtlichkeit <strong>des</strong> <strong>Grundbuchs</strong> führen. Durch eine<br />
solche engere, aber für jedermann gewährte Offenlegung <strong>des</strong> Grundbuchinhalts<br />
wäre eine Beeinträchtigung <strong>des</strong> Grundstücksverkehrs nicht gegeben.<br />
Wer jedoch das Grundstück kauft oder seine Geldforderungen auf dem<br />
Grundstück absichert, also Personen, die aktiv am Immobilienrechtsverkehr teilnehmen,<br />
müssen selbstverständlich über den aktuellen Rechtsstand <strong>des</strong> Grundstücks<br />
ausführlicher informiert werden. Der Zugang zu weiteren Informationen<br />
<strong>des</strong> <strong>Grundbuchs</strong> sollte also nicht jeder Person, sondern lediglich derjenigen<br />
offen stehen, die bezüglich <strong>des</strong> betroffenen Grundstücks rechtlich handeln will.<br />
In diesem Fall ist nicht nur – wie in Deutschland – die Darlegung eines berechtigten<br />
Interesses, sondern auch der Nachweis <strong>des</strong> Rechtsinteresses keine unzumutbare<br />
Aufgabe. <strong>Das</strong> Zugänglichmachen der erforderlichen Informationen liegt<br />
aber vor allem im Interesse <strong>des</strong> Eigentümers, der seine Vertragspartner zur<br />
Einsicht in das Grundbuch ermächtigen kann. In den meisten Fällen wird<br />
schließlich auch der Notar eingeschaltet, der kraft Amtes im Rahmen seiner<br />
Tätigkeit die Grundbucheinsicht vornimmt.<br />
Im Ergebnis würden zwei gesetzlich bestimmte und nicht durch die Rechtsprechung<br />
bzw. von Betroffenen gebildete Publizitätsebenen entstehen. Auf der<br />
ersten Ebene sollte eine begrenzte Einsicht für jedermann gewährleistet werden.<br />
Auf der zweiten Ebene wird demjenigen, der bezüglich <strong>des</strong> im betreffenden<br />
Grundbuch eingetragenen Grundstücks rechtlich handeln möchte, die erweiterte<br />
Information zugänglich gemacht. Auch im letzteren Fall gilt die Regel: offenkundig<br />
muss nur das sein, was angesichts der Rechtssicherheit nicht verborgen
<strong>Das</strong> <strong>formelle</strong> Publizitätsprinzip <strong>des</strong> <strong>Grundbuchs</strong> 667<br />
werden darf. <strong>Das</strong> Publizitätsprinzip steht im Dienste der Rechtssicherheit und<br />
kann ausschließlich in diesem engen Bezug dem Schutz der Privatsphäre vorgehen.<br />
cc. Grundbuchpublizität und absoluter Charakter der Sachenrechte<br />
Diese Ausführungen geben schließlich Anlass, die Funktion der Publizität der<br />
Immobiliarsachenrechte und ihre Verbindung mit absoluten Rechten zu überdenken.<br />
Heutzutage gibt es eine Vielzahl öffentlicher Register (Handelsregister,<br />
Urheberrechtsregister, Mobiliarpfandregister etc.), die der Offenlegung verschiedener<br />
Rechtsverhältnisse und damit der Rechtssicherheit dienen. Der Publizitätsgedanke<br />
ist also keine Besonderheit der Immobiliarsachenrechte und<br />
kann nicht als aussagekräftiges Abgrenzungskriterium zu anderen Rechten dienen.<br />
Es gibt auch keinen allgemeinen Publizitäts- oder Registrierungszwang für<br />
alle absoluten Rechte, zu denen neben Sachenrechten noch Persönlichkeitsrechte<br />
und Immaterialgüterrechte gehören. Die mangelnde Publizität führt nicht<br />
notwendigerweise zum Verlust <strong>des</strong> absoluten Charakters eines Rechts, denn es<br />
kommt nicht auf seine Publizität, sondern auf seinen Inhalt an.<br />
<strong>Das</strong> polnische Recht gehört zudem – ähnlich wie Frankreich 277 und Italien 278<br />
– zu denjenigen Rechtsordnungen, deren Grundbuchpublizität nicht immer an<br />
die konstitutive Wirkung der Grundbucheintragung anknüpft. Der Erwerb, die<br />
Aufhebung und die Übertragung polnischer Immobiliarsachenrechte sind unterschiedlich<br />
geregelt und erfolgen oft außerhalb <strong>des</strong> <strong>Grundbuchs</strong>. <strong>Das</strong> trifft insbesondere<br />
auf das Eigentumsrecht zu. Erfüllt der Eigentümer die Pflicht zur<br />
obligatorischen, aber nicht konstitutiven Grundbucheintragung nicht, verliert<br />
sein Eigentumsrecht dadurch nicht seinen absoluten Charakter. Besonders<br />
deutlich kommt dieses Auseinanderfallen beim Eigentumserwerb im Wege der<br />
Erbfolge oder Ersitzung zum Ausdruck. Der Eigentümer muss allerdings mit<br />
negativen Rechtsfolgen seiner Unterlassung rechnen.<br />
Im Ergebnis ist festzustellen, dass die Publizität kein unentbehrliches Attribut<br />
<strong>des</strong> absoluten Rechts ist. Der Schutz der absoluten Rechte und insbesondere<br />
ihre erga omnes-Wirkung hängen nicht notwendigerweise von deren Publizität<br />
ab. <strong>Das</strong> absolute Recht und die Publizität sind unabhängige Begriffe, die sowohl<br />
gemeinsam als auch getrennt bestehen können. 279 <strong>Das</strong> ändert nichts daran, dass<br />
die Eintragung in das Grundbuch die Rechtssicherheit gewährleistet und dem<br />
Verkehrsschutz dient.<br />
277 Vgl. Art. 1138 Code Civil.<br />
278 Vgl. Art. 1376 und Art. 2644 Codice Civile, R.D. 16 marzo 1942 n. 262.<br />
279 So auch zum deutschen Recht: Füller, Eigenständiges Sachenrecht?, Tübingen 2006, 252.
668<br />
Arkadiusz Wudarski<br />
III. Administrative Rahmenbedingungen<br />
Neben der oben behandelten materiellrechtlichen Regelung wird die Gestaltung<br />
der Grundbuchpublizität von administrativen Rahmenbedingungen beeinflusst.<br />
Der Grundbuchzugang hängt insbesondere von der Regelung räumlicher und<br />
zeitlicher Bedingungen der Einsichtnahme und deren Umfang ab. In diesem<br />
Zusammenhang bedarf es auch der Prüfung anderer Umstände verfahrensrechtlicher<br />
Natur, die für die Ausübung <strong>des</strong> Einsichtsrechts von Bedeutung sind.<br />
1. <strong>Das</strong> räumlich und zeitlich beschränkte Einsichtsrecht<br />
Polnische Grundbücher sind im Gericht aufzubewahren 280 und dürfen grundsätzlich<br />
nicht aus <strong>des</strong>sen Räumlichkeiten herausgegeben werden. 281 Wird die<br />
Grundakte versandt, ist das Grundbuch davon zu trennen und in der Grundbuchabteilung<br />
zu belassen. 282 Dieses Herausgabeverbot betrifft nicht nur außergerichtliche<br />
Institutionen wie Regierungs- oder Verwaltungsorgane, sondern<br />
auch andere Gerichte. 283 Die Grundbucheinsicht ist derzeit ausschließlich im<br />
Grundbuchgericht und nur während seiner Öffnungszeiten möglich. 284 Der<br />
Präsident <strong>des</strong> Bezirksgerichts kann im Einvernehmen mit Berufsorganisationen<br />
der Notare, Vermögenssachverständigen und Geodäten für Mitglieder dieser<br />
Organisationen bestimmte Tage und Uhrzeiten für das Zugänglichmachen der<br />
Grundbücher 285 vereinbaren. 286 Die Einsicht der Grundbücher 287 erfolgt in ei-<br />
280 Art. 36 1 Abs. 1 GBHG.<br />
281 Art. 36 1 Abs. 2 GBHG.<br />
282 § 95 Abs. 5 S. 1 GO-V.<br />
283 Wird die Grundakte dem Bezirksgericht zur Entscheidung über Rechtsmittel vorgelegt, so<br />
wird der Akte die vollständige Abschrift <strong>des</strong> betreffenden <strong>Grundbuchs</strong> beigefügt, soweit<br />
es im EDV-System geführt wird. Im Falle <strong>des</strong> papiernen <strong>Grundbuchs</strong> wird seine Kopie<br />
beigefügt; § 200 GO-V.<br />
284 Außenstellen der Zentralen Grundbuchinformation sind für Interessenten min<strong>des</strong>tens für<br />
sechs Stunden an jedem Werktag und jeden Montag bis 18 Uhr geöffnet; § 45 Abs. 4 S. 1<br />
i.V.m. Abs. 5 GO-V; vgl. auch § 236 der Anordnung <strong>des</strong> Justizministers vom 12.12.2003<br />
über Organisation und Umfang der Tätigkeit der Gerichtssekretariate und anderer Abteilungen<br />
der Gerichtsverwaltung, Dz. Urz. MS 2003 Nr. 5, Pos. 22 i.d.g.F. (Organisations-A).<br />
285 <strong>Das</strong> Gleiche gilt für Grundakten, geschlossene Bücher oder die vom Notar in ein Depot<br />
gegebenen Dokumente.<br />
286 § 203 Abs. 3 GO-V.<br />
287 <strong>Das</strong> Gleiche gilt für Grundakten, geschlossene Bücher oder die vom Notar in ein Depot<br />
gegebenen Dokumente.
<strong>Das</strong> <strong>formelle</strong> Publizitätsprinzip <strong>des</strong> <strong>Grundbuchs</strong> 669<br />
nem dafür gesondert vorbereiteten Raum oder im ausgesonderten Teil <strong>des</strong> Abteilungssekretariats<br />
(§ 203 Abs. 2 GO-V). 288<br />
2. Zugangsüberwachung<br />
Die Grundbucheinsicht selbst findet in Anwesenheit <strong>des</strong> Gerichtsmitarbeiters<br />
statt, der Grundbücher und deren Akten zur Einsicht zugänglich macht (§ 18<br />
Abs. 1 Nr. 6 FGD-V) 289 und überwacht, ob der Einsichtnehmende keinen Eingriff<br />
in das Grundbuch vornimmt, der die Änderung <strong>des</strong> Grundbuchinhalts,<br />
<strong>des</strong>sen Verlust, Beschädigung oder andere Einschränkungen der Beweiswirkung<br />
zur Folge hätte. 290 Der Gerichtsmitarbeiter erfüllt somit lediglich eine administrative<br />
Schutzfunktion. Darüber hinaus kann er bei der Suche nach den für den<br />
rechtsunkundigen Einsichtnehmenden relevanten Informationen behilflich sein<br />
und beim Lesen und richtigen Verstehen <strong>des</strong> <strong>Grundbuchs</strong> helfen. Dabei kann es<br />
sich grundsätzlich nur um allgemeine Hinweise und technische Hilfen (etwa<br />
beim Umgang mit dem EDV-Grundbuch), nicht aber um eine rechtliche Beratung<br />
handeln, für die das Gericht weder zuständig ist noch haftet.<br />
3. Territorialer Umfang<br />
Alle im EDV-System registrierten Grundbücher können in jeder beliebigen<br />
Grundbuchabteilung eines Amtsgerichts eingesehen werden. 291 Die Einsichtnahme<br />
in papierne Grundbücher ist dagegen territorial beschränkt und kann<br />
lediglich vor Ort in derjenigen Grundbuchabteilung <strong>des</strong> Amtsgerichts erfolgen,<br />
in der sich das betroffene Grundbuch befindet. Mit der vollständigen Einführung<br />
<strong>des</strong> EDV-<strong>Grundbuchs</strong>ystems wird diese Einschränkung beseitigt. Die Einsicht<br />
geht dann über den Gerichtsbezirk hinaus, in dem das Grundbuch geführt wird.<br />
Damit wird die Grundbuchauskunft wesentlich erleichtert und schneller erteilt.<br />
Vorteile der EDV-Grundbucheinsicht können bereits genutzt werden, soweit die<br />
Migration <strong>des</strong> beantragten <strong>Grundbuchs</strong> beendet wurde. 292<br />
288 Räume <strong>des</strong> Grundbucharchivs können dagegen ausschließlich von dort angestellten und<br />
vom Präsidenten <strong>des</strong> Amtsgerichts hierzu ermächtigten Personen betreten werden (§ 203<br />
Abs. 1 GO-V).<br />
289 Die Verordnung <strong>des</strong> Justizministers vom 17.9.2001 über die Führung der Grundbücher<br />
und Dokumentensammlungen, Dz. U. 2001 Nr. 102, Pos. 1122 i.d.g.F.<br />
290 Vgl. Rudnicki (Fn. 79), 206.<br />
291 Vgl. Ciepła/Bałan-Gonciarz (Fn. 90), Art. 36 1 GBHG Anm. 1.<br />
292 Derzeit ist die Migration der Grundbücher in 105 von insgesamt 347 Grundbuchabteilungen<br />
der Amtsgerichte vollständig abgeschlossen; das Verzeichnis ist abrufbar unter:<br />
http://ms.gov.pl/kw/ kw.php#wykaz.
670<br />
Arkadiusz Wudarski<br />
4. Zugangsausschluss<br />
Um die Effektivität der Grundbuchmigration zu gewährleisten, wird die Umstellung<br />
der papiernen Grundbücher auf das EDV-System nicht alleine durch jede<br />
Grundbuchabteilung, sondern durch die besonders zu diesem Zweck errichteten<br />
sog. Migrationsstellen 293 durchgeführt. 294 Der Zugang zu dem sich in der Migration<br />
befindlichen Grundbuch wird daher eingeschränkt, denn das papierne<br />
Grundbuch muss ausnahmsweise die Grundbuchabteilung <strong>des</strong> Amtsgerichts vorübergehend<br />
verlassen und in die jeweils zuständige Migrationsstelle transportiert<br />
werden. Während der Migration kann weder das Grundbuch eingesehen noch<br />
<strong>des</strong>sen Abschrift erteilt werden. 295 Da die Grundbuchmigration zehn Tage nicht<br />
überschreiten darf, 296 stellt diese Abweichung vom <strong>formelle</strong>n Publizitätsprinzip<br />
keine große Gefahr für die Sicherheit <strong>des</strong> Rechtsverkehrs dar. 297 Nach der Rückkehr<br />
<strong>des</strong> <strong>Grundbuchs</strong> aus der Migrationsstelle hat das Amtsgericht unverzüglich<br />
den in der zentralen Datenbank der Grundbücher gespeicherten Grundbuchinhalt<br />
um Vermerke über Anträge, über die von Amts wegen eingeleiteten Verfahren,<br />
über Anfechtungsmittel sowie über Beschwerden gegen Entscheidungen der<br />
Rechtspfleger zu ergänzen, die während <strong>des</strong> Migrationsvorgangs eingegangen<br />
sind. 298 Danach wird der Grundbuchinhalt im EDV-System zugänglich. 299 Der<br />
Inhalt <strong>des</strong> Datenspeichers selbst stellt das Grundbuch im Sinne <strong>des</strong> Gesetzes dar.<br />
Mit dem Zeitpunkt der Speicherung <strong>des</strong> Grundbuchinhalts in der zentralen<br />
Datenbank der Grundbücher wird das bisherige Grundbuch Bestandteil der<br />
Grundakte 300 und kann nur noch von einer Person, die ein rechtliches Interesse<br />
nachweist oder von einem Notar eingesehen werden. 301 Im Falle der Unmöglichkeit<br />
der Beseitigung <strong>des</strong> Hindernisses für die unmittelbare Einsichtnahme in das<br />
293 Die Migrationsstelle der Grundbücher ist die Abteilung <strong>des</strong> Bezirksgerichts, das für das<br />
Amtsgericht handelt, das die bisherigen Grundbücher führt (Art. 2 Abs. 2 Nr. 3 MigrationsG).<br />
294 Nach Art. 3 MigrationsG wird die Übertragung <strong>des</strong> bisherigen Grundbuchinhalts in die<br />
Struktur <strong>des</strong> im elektronischen System geführten <strong>Grundbuchs</strong> durch die Migrationsstelle<br />
unter Anwendung <strong>des</strong> elektronischen Systems vorgenommen, von dem in Art. 251 <strong>des</strong><br />
Gesetzes vom 6.7.1982 über Grundbücher und Hypothek (Dz. U. von 2001 Nr. 124,<br />
Pos. 1361 und Nr. 125, Pos. 1368 sowie von 2002 Nr. 169, Pos. 1387) die Rede ist. Der<br />
Justizminister entscheidet im Wege der Anordnung über die Errichtung und Aufhebung<br />
der Migrationsstellen, bestimmt deren Anzahl und Sitz und benennt die Amtsgerichte,<br />
deren Bücher der Migration in die zuständige Stelle unterliegen. Die Aufsicht über die<br />
Tätigkeit der Migrationsstelle übt der Präsident <strong>des</strong> Bezirksgerichts aus.<br />
295 Borkowski/Trzeniewski-Kwiecie (Fn. 88), 17.<br />
296 Art. 7 Abs. 2 MigrationsG.<br />
297 Borkowski/Trzeniewski-Kwiecie (Fn. 88), 17.<br />
298 Art. 15 Abs. 2 MigrationsG.<br />
299 Rudnicki (Fn. 79), 32; Ciepła/Bałan-Gonciarz (Fn. 90), Art. 36 1 GBHG Anm. 2.<br />
300 Art. 15 Abs. 1 MigrationsG.<br />
301 Art. 36 1 Abs. 4 GBHG; Ciepła/Bałan-Gonciarz (Fn. 90), Art. 2 GBHG Anm. 2.
<strong>Das</strong> <strong>formelle</strong> Publizitätsprinzip <strong>des</strong> <strong>Grundbuchs</strong> 671<br />
EDV-Grundbuch ist jedermann berechtigt, sich über den Grundbuchausdruck 302<br />
zu informieren. 303<br />
5. Antragstellung<br />
Die Einsicht erfolgt auf Antrag und ist gebührenfrei. Ist das Grundbuch bereits<br />
im EDV-System geführt, so ist für die Antragstellung ein besonderer amtlicher<br />
Vordruck vorgesehen, <strong>des</strong>sen Muster in der nach Art. 125 § 3 S. 1 ZPO erlassenen<br />
Verordnung 304 bestimmt wurde. 305 Die Nutzung dieses Vordrucks ist keine<br />
zwingende Voraussetzung für die Einsicht in das Grundbuch und somit führt<br />
deren Nichtbeachtung nicht zur Zurückweisung <strong>des</strong> Antrags. Diese Folge könnte<br />
nur dann eintreten, wenn eine Sondervorschrift die Antragstellung auf amtlichem<br />
Vordruck explizit vorgeschrieben hätte. 306 Hier fehlt es an einer solchen<br />
Rechtsgrundlage. Die für den Antrag auf Erteilung der Grundbuchabschrift<br />
(in § 4 Abs. 1 ZGI-V 307 ) oder auf Grundbucheintragung (in Art. 626 2 § 1 ZPO)<br />
ausdrücklich geregelte zwingende Form ist restriktiv auszulegen und kann nicht<br />
auf die Grundbucheinsicht ausgedehnt werden. Der Vordruck für die Antragstellung<br />
auf Grundbucheinsicht hat daher Ordnungscharakter und dient lediglich der<br />
effizienten Antragsbearbeitung und statistischen Zwecken.<br />
Offen bleibt die Frage, ob der Antrag auch mündlich gestellt werden kann.<br />
Dagegen könnte allerdings sprechen, dass das Grundbuchverfahren ein Außerstreitverfahren<br />
ist, bei dem der für die Prozessführung charakteristische Mündlichkeitsgrundsatz<br />
sehr eingeschränkt ist. 308 Alle Handlungen werden in Schrift-<br />
302 Der Grundbuchausdruck wird bei der Änderung <strong>des</strong> Grundbuchinhalts angefertigt und<br />
durch die Person unterschrieben, die diese Änderung vorgenommen hat; er hat Beweisfunktion<br />
und wird in der Grundakte aufbewahrt.<br />
303 Art. 36 4 Abs. 5 GBHG.<br />
304 Verordnung <strong>des</strong> Justizministers vom 14.8.2003 über die Bestimmung der Muster und der<br />
Art und Weise <strong>des</strong> Zugänglichmachens der amtlichen Antragsvordrucke, die in Amtsgerichten,<br />
die Grundbücher im EDV-System führen, angewendet werden, Dz. U. 2003<br />
Nr. 156, Pos. 1527 i.d.g.F. (Form-V).<br />
305 Dieser wird in der nach Art. 125 § 3 S. 1 ZPO erlassenen Verordnung (Form-V) geregelt.<br />
Amtliche Vordrucke sind in den Grundbuchabteilungen der Amtsgerichte und in der<br />
Zentralen Grundbuchinformation unentgeltlich erhältlich; sie sind auch im Internet auf<br />
der offiziellen Webseite <strong>des</strong> Justizministers jederzeit abrufbar. <strong>Das</strong> Vordrucksmuster<br />
„Antrag auf Grundbucheinsicht/Erteilung <strong>des</strong> Grundbuchausdrucks“ ist mit dem Symbol<br />
KW-WGLAD versehen und stellt den Anhang Nr. 8 zur Form-V dar.<br />
306 Vgl. Art. 125 § 2 i.V.m. Art. 130 1 § 1 1 , § 2 S. 1 ZPO.<br />
307 Verordnung <strong>des</strong> Justizministers vom 14.8.2003 über die Zentrale Grundbuchinformation,<br />
Dz. U. 2003 Nr. 162, Pos. 1571 i.d.g.F.<br />
308 Nach Art. 148 § 2 ZPO kann das Gericht eine Sache zu einer öffentlichen Sitzung überweisen<br />
und eine mündliche Verhandlung auch dann anberaumen, wenn die Sache in einer<br />
nichtöffentlichen Sitzung zu entscheiden ist; in dieser Hinsicht auf das Grundbuchverfah-
672<br />
Arkadiusz Wudarski<br />
form vorgenommen und in nichtöffentlicher Sitzung entschieden. 309 Für den<br />
Ausschluss mündlicher Form spricht auch die Abkehr <strong>des</strong> polnischen Gesetzgebers<br />
von der mündlichen Klageerhebung im Streitverfahren 310 durch die Aufhebung<br />
<strong>des</strong> Art. 188 ZPO. 311 Hat der Gesetzgeber die mündliche Form der Einleitung<br />
<strong>des</strong> Streitverfahrens auch für Ausnahmefälle ausgeschlossen, umso weniger<br />
könnte diese dann in dem noch stärker formalisierten Grundbuchverfahren<br />
zulässig sein. Andererseits hat der Antrag auf Grundbucheinsicht einen anderen<br />
Charakter als die Klageschrift und weist auch viele Abweichungen vom Grundbuchverfahren<br />
im engeren Sinne auf. 312 Berücksichtigt man diese Besonderheiten<br />
und geht man von der derzeit unbeschränkten Gestaltung <strong>des</strong> <strong>formelle</strong>n<br />
Publizitätsprinzips in Polen aus, sollte der mündliche Antrag zugelassen<br />
werden. 313 Im Falle <strong>des</strong> EDV-<strong>Grundbuchs</strong> könnte die Antragstellung sogar konkludent<br />
möglich sein, indem der Antragsteller das Grundbuch auf der Bildschirmoberfläche<br />
abruft. Dies liegt sogar im beiderseitigen Interesse, denn es<br />
führt zur Arbeitsentlastung und wäre sogar erwünscht, wenn der Antragsteller –<br />
in Ausnahmefällen – nicht oder nur mit großer Mühe in der Lage wäre, die<br />
Schriftform einzuhalten.<br />
Aus der Tatsache, dass ein amtlicher Vordruck zur Verfügung gestellt wird,<br />
ergibt sich allerdings deutlich, dass diese Form bevorzugt wird. Im Unterschied<br />
zu anderen Gerichtsformularen und zu Grundbuchabschriften ist dieser<br />
Vordruck verständlich, kurz gefasst und kann daher mühelos in kurzer Zeit<br />
ren: Maziarz, Postpowanie wieczystoksigowe – Komentarz, Warszawa 2008, Art. 626 1<br />
§ 1 ZPO, 14 f.<br />
309 Art. 626 1 § 1 ZPO.<br />
310 Vgl. Ereciski/Gudowski/Jdrzejewska, Kodeks postpowania cywilnego, Komentarz,<br />
Band 3, Warszawa 2007, Art. 511 ZPO Anm. 7.<br />
311 Art. 188 ZPO wurde durch Art. 1 Nr. 11 der ZPO-Novelle vom 24.5.2000 (Dz. U. 2000<br />
Nr. 48, Pos. 554) aufgehoben. Vorher konnte die von Gerichtskosten befreite und ohne<br />
Rechtsanwalt oder Rechtsberater tätige Partei bei dem zuständigen Gericht oder bei dem<br />
Kreisgericht ihres Wohnsitzes eine Klage auch mündlich erheben. Bei entsprechender<br />
Sachlage hatte das Gericht den Kläger auf die Unzulässigkeit der Klage aus <strong>formelle</strong>n<br />
Gründen bzw. auf ihre offensichtliche Unbegründetheit hinzuweisen. Wurde die Klage<br />
bei dem (nicht zuständigen) Kreisgericht eingereicht, hatte dieses die Akte unverzüglich<br />
an das zuständige Gericht weiterzuleiten.<br />
312 Es handelt sich insbesondere nicht um ein Grundbucheintragungsverfahren (Art. 626 1-13<br />
ZPO), sondern um Grundbuchführung (§ 2 FGD-V). Es wird keine Eintragung in das<br />
Grundbuch, sondern der Zugang zu dem Grundbuch beantragt. Neben dem Antragsteller<br />
gibt es keine anderen Beteiligten. Grundbücher werden von Gerichtsmitarbeitern zur Einsicht<br />
freigegeben; hierfür bedarf es keiner Entscheidung <strong>des</strong> Gerichts. Eine Verweigerung<br />
der Einsicht in das Grundbuch, die aber in der Praxis nicht vorkommt und deren Folgen<br />
auch nicht ausdrücklich geregelt sind, müsste – durch entsprechende Anwendung <strong>des</strong><br />
§ 201 Abs. 4 GO-V – mittels der Beschwerde an den Präsidenten <strong>des</strong> Amtsgerichts und<br />
nicht im Wege der Berufung an die zweite Gerichtsinstanz angefochten werden.<br />
313 Für mündliche Antragsform ohne Begründung Sługiewicz (Fn. 93), 41.
<strong>Das</strong> <strong>formelle</strong> Publizitätsprinzip <strong>des</strong> <strong>Grundbuchs</strong> 673<br />
ausgefüllt werden. Deswegen stellt er kein Hindernis für die Grundbucheinsicht<br />
dar 314 und wird in der Praxis sogar bei Antragstellung auf Einsicht in das papierne<br />
Grundbuch verwendet, obwohl es dafür keine amtlichen Vordrucke gibt.<br />
6. Ermittlung <strong>des</strong> <strong>Grundbuchs</strong><br />
Der Antragsteller hat im Vordruck – neben seinen Vor- und Nachnamen (bzw.<br />
der Firmenbezeichnung) – nur die Nummer <strong>des</strong> <strong>Grundbuchs</strong> anzugeben. Weitere<br />
Informationen, wie etwa Wohnanschrift, Nummer <strong>des</strong> Personalausweises oder<br />
Lage der gesuchten Liegenschaft, sind entbehrlich. Ist ihm die Nummer <strong>des</strong><br />
<strong>Grundbuchs</strong> nicht bekannt, kann er sie aufgrund <strong>des</strong> Verzeichnisses „Evidenz<br />
der Grundstücke und Gebäude“ 315 zu ermitteln versuchen. Im Falle der genossenschaftlichen<br />
Räumlichkeiten sollten erforderliche Identifikationsangaben in<br />
der zuständigen Genossenschaft zu finden sein. Im Übrigen ist die Ermittlung<br />
<strong>des</strong> EDV-<strong>Grundbuchs</strong> aufgrund anderer Angaben mit keinem großen zeitlichen<br />
Aufwand verbunden und kann sogar durch eine durchschnittlich PC-kundige<br />
Person im EDV-<strong>Grundbuchs</strong>ystem mühelos erfolgen. Im Falle <strong>des</strong> papiernen<br />
<strong>Grundbuchs</strong> wird die Suche allerdings erschwert, aber nicht unmöglich. Andererseits<br />
ist dem Gericht vom Gesetzgeber keine Pflicht auferlegt, die Nummer<br />
<strong>des</strong> <strong>Grundbuchs</strong> zu ermitteln. In der Gerichtspraxis wird zwar bei der Ermittlung<br />
der Grundbuchnummer geholfen, aber es besteht kein rechtlicher Anspruch<br />
darauf. Die Ermittlung der Grundbuchnummer hängt also vom guten Willen <strong>des</strong><br />
Gerichtsmitarbeiters ab.<br />
Darüber hinaus beschränken sich die vom Gericht vorgenommenen Bemühungen<br />
um die Ermittlung der Nummer <strong>des</strong> papiernen <strong>Grundbuchs</strong> in der Praxis<br />
lediglich auf die Einsicht in zwei Verzeichnisse (Eigentümerverzeichnis und<br />
Verzeichnis der eingetragenen Berechtigten der beschränkt dinglichen Rechte),<br />
314 Die Verwendung <strong>des</strong> amtlichen Vordrucks im Gerichtsverfahren wurde verfassungsrechtlich<br />
überprüft. Im Rahmen dieser Prüfung wurde Art. 130 1 § 1 ZPO für unvereinbar<br />
mit Art. 32 Abs. 1 Art. 45 Abs. 1 und Art. 78 Verf. und mit Art. 6 Abs. 1 EMRK erklärt;<br />
für verfassungswidrig wurde auch die Verordnung vom 20.9.2000 über die Bestimmung<br />
der Muster und der Art und Weise <strong>des</strong> Zugänglichmachens der amtlichen Antragsvordrucke<br />
der Gerichtsstücke für die Parteien im Zivilverfahren (Dz. U. Nr. 81, Pos. 911)<br />
erklärt. Aus dem Urteil <strong>des</strong> Verfassungsgerichtshofs ergibt sich aber, dass es dem Gesetzgeber<br />
freisteht, amtliche Vordrucke einzuführen, soweit sie allgemein zugänglich sind,<br />
die Gleichbehandlung der Parteien gewährleistet wird und der Schwierigkeitsgrad ihrer<br />
Ausfüllung einen effektiven Rechtsschutz weder verhindert noch zu sehr erschwert. Die<br />
Barriere für den Zugang zum Gericht sind also nicht die Vordrucke, sondern Einschränkungen<br />
in der Möglichkeit, fehlerhafte Ausfüllungen zu korrigieren. Für verbesserungsbedürftig<br />
wurden auch die Struktur und die Belehrungsformel der Vordrucke gehalten;<br />
Urteil <strong>des</strong> Verfassungsgerichtshofs vom 12.3.2002 (Az.: P 9/01), Anm. 11, 13, Dz. U.<br />
2002 Nr. 26, Pos. 265, OTK-A 2002 Nr. 2, Pos. 14, LEX-Datenbank Nr. 54048; vgl.<br />
Siciski (Fn. 86), 953.<br />
315 Siehe dazu: S. 689 f. (IV.6.c.dd.).
674<br />
Arkadiusz Wudarski<br />
die das Grundbuchgericht führt 316 und die in der Praxis in einem Verzeichnis<br />
zusammengefasst werden. Verläuft diese Ermittlung erfolglos, stellt das Gericht<br />
eine Bescheinigung aus, dass das gesuchte Grundbuch in diesen Verzeichnissen<br />
nicht gefunden wurde. <strong>Das</strong> bedeutet aber keinesfalls, dass das gesuchte Grundbuch<br />
überhaupt nicht existiert. Wenn auch die Einsicht in diese Verzeichnisse in<br />
den meisten Fällen für die Ermittlung der Grundbuchnummer ausreicht, sind sie<br />
leider keine lückenlose Informationsquelle. 317 <strong>Das</strong> hängt mit ihrer früheren,<br />
nicht immer zuverlässigen Führung durch staatliche Notariatsbüros und mit deren<br />
späteren ungeordneten Übergabe an die Gerichte zusammen. 318 In manchen<br />
Gerichtsbezirken sind die Eigentümerverzeichnisse überhaupt nicht errichtet<br />
worden. 319<br />
Die Unkenntnis der Grundbuchnummer kann negative Folgen hervorrufen,<br />
die nicht nur in die Verweigerung der Einsicht in das Grundbuch, sondern auch<br />
in die Nichtbearbeitung <strong>des</strong> Antrags auf Grundbucheintragung 320 münden können.<br />
<strong>Das</strong> könnte zum eventuellen Rangverlust und darüber hinaus sogar zur<br />
Errichtung eines neuen (zweiten) <strong>Grundbuchs</strong> für dasselbe Grundstück führen.<br />
Daher ist die strikte Abhängigkeit der Grundbucheinsicht von der Kenntnis der<br />
Grundbuchnummer zu bemängeln, ohne zugleich einen rechtlich gesicherten<br />
Weg zu deren Ermittlung zu gewährleisten. Ist die Nummer <strong>des</strong> <strong>Grundbuchs</strong><br />
dem Antragsteller nicht bekannt, sollte das Grundbuchgericht gesetzlich verpflichtet<br />
werden, diese Nummer auf Antrag zu ermitteln. 321 Dem Grundbuchgericht<br />
weitgehende Prüfpflichten aufzuerlegen, wird allerdings nicht empfohlen,<br />
denn dies könnte zu einer Arbeitsüberlastung führen, die das Grundbuchgericht<br />
hindern würde, seine Hauptfunktionen ordnungsgemäß wahrzunehmen. Im Ergebnis<br />
würde dies den Immobilienverkehr mehr behindern als ihm dienen.<br />
316 § 238 Abs. 1 Nr. 8-9; § 258 Organisations-A.<br />
317 Sługiewicz (Fn. 93), 90.<br />
318 Ausführlich zu diesen Problemen und Strukturveränderugen: Kołodziej (Fn. 66), 35 ff.<br />
319 So etwa für Warschau: Siciski (Fn. 97), 13.<br />
320 Fehlt im Antrag auf Eintragung die Grundbuchnummer, so kann das die Zurückweisung<br />
<strong>des</strong> Antrags auch dann zur Folge haben, wenn es dem Gericht in seinem eigenen<br />
Geschäftsbereich aufgrund anderer im Antrag enthaltener Angaben möglich wäre, die<br />
Grundbuchnummer zu ermitteln; Maziarz (Fn. 308), Art. 626 2 § 1 ZPO, 36 f.; Siciski<br />
(Fn. 86), 954.<br />
321 Vgl. zum deutschen Recht § 12a Abs. 1 S. 3 GBO; dazu Maaß, in: Bauer/Oefele (Fn. 1),<br />
§ 12a GBO Rn. 3 f.
<strong>Das</strong> <strong>formelle</strong> Publizitätsprinzip <strong>des</strong> <strong>Grundbuchs</strong> 675<br />
IV. Grundbuchabschrift als Publikationsform<br />
1. Differenzierte Betrachtung<br />
Die Grundbuchabschrift ist nichts anderes als eine besondere Form der Grundbucheinsicht.<br />
Sie spiegelt den Grundbuchinhalt wider und ist sehr oft eine im<br />
Rechtsverkehr unentbehrliche Grundlage für Bewertung, Belastung, Kauf sowie<br />
für die Vornahme sonstiger Rechtsgeschäfte bezüglich der Grundstücke. Ist das<br />
Grundbuch als öffentliches Register konzipiert, in das jedermann Einsicht hat,<br />
so sollte ebenfalls jede Person berechtigt sein, Grundbuchabschriften aller Art<br />
zu beantragen. Jedenfalls soll der Kreis der berechtigten Personen identisch<br />
geregelt werden. Die Berechtigung zum Erhalt der Grundbuchabschrift weicht<br />
jedoch von der Rechtslage bei der Grundbucheinsicht deutlich ab. Während die<br />
Einsicht in das Grundbuch jeder Person zusteht, ist der Kreis der zur<br />
Grundbuchabschrift berechtigten Personen von der Form der Grundbuchführung<br />
und, im Falle <strong>des</strong> papiernen <strong>Grundbuchs</strong>, zusätzlich von der Art der Abschrift<br />
abhängig.<br />
2. Arten und Inhalt der Abschriften<br />
Aus dem in der Papierform geführten Grundbuch können Abschriften erstellt<br />
werden, die den letzten Stand der Eintragungen wiedergeben (Art. 36 2 Abs. 1<br />
GBHG) 322 oder zusätzlich auch gelöschte Eintragungen enthalten (Art. 36 2<br />
Abs. 2 GBHG). 323<br />
Beide Grundbuchabschriften enthalten gegebenenfalls die nicht rechtskräftigen<br />
Eintragungen sowie Vermerke über die in entsprechenden Abteilungen<br />
<strong>des</strong> <strong>Grundbuchs</strong> eingetragenen Anträge und die von Amts wegen eingeleiteten<br />
Verfahren. 324 Um die Sicherheit <strong>des</strong> Rechtsverkehrs nicht zu beeinträchtigen,<br />
muss die Grundbuchabschrift die Information darüber enthalten, dass die Eintragung<br />
noch nicht rechtskräftig ist. Nur dann wird die Abschrift den wahren<br />
322 Der letzte Eintragungsstand gibt den aktuellen Stand der einzelnen Abteilungen <strong>des</strong><br />
<strong>Grundbuchs</strong> wieder, d.h. sämtliche nicht gelöschte Eintragungen, insbesondere auch<br />
diejenigen, die die Gewähr <strong>des</strong> öffentlichen Glaubens der Grundbücher ausschließen;<br />
Rudnicki (Fn. 79), 207.<br />
323 Nach Sługiewicz [(Fn. 93), 91] handele es sich im letzteren Fall um die Abschrift, die die<br />
nicht mehr bestehenden Rechtsverhältnisse an der Liegenschaft feststelle. Diese Abschrift<br />
spiegele also lediglich die zu einem bestimmten Zeitpunkt in der Vergangenheit geltenden<br />
Rechtsverhältnisse an der Liegenschaft wider. Die genaue Angabe dieses Zeitpunkts<br />
setze ferner das Formerfordernis bei der Antragstellung voraus. Sługiewicz erweitert<br />
damit das Angabeerfordernis bei der Antragstellung und schränkt den Umfang der vollständigen<br />
Grundbuchabschrift ein. Diese Ansicht findet keine normative Rechtfertigung.<br />
324 § 201 Abs. 2 GO-V; § 254 Abs. 1 Organisations-A; das Gleiche gilt für vollständige<br />
Grundbuchabschriften (§ 201 Abs. 3 GO-V; § 254 Abs. 2 Organisations-A).
676<br />
Arkadiusz Wudarski<br />
Grundbuchinhalt widerspiegeln können. Fehlt eine solche Information in der<br />
Grundbuchabschrift, so bedeutet dies, dass sämtliche Eintragungen rechtskräftig<br />
sind.<br />
Die für die Abschriften aus dem papiernen Grundbuch vorgenommene Aufteilung<br />
entspricht sinngemäß der Unterscheidung zwischen einfachen und<br />
vollständigen Abschriften aus dem EDV-Grundbuch, deren Definition und Erstellung<br />
in der ZGI-V geregelt ist. 325 Danach ist die einfache Grundbuchabschrift<br />
ein amtliches, von der Zentralen Grundbuchinformation 326 erstelltes<br />
Dokument, das den letzten Stand der Eintragungen im Grundbuch sowie<br />
Vermerke über Eintragungen, Beschwerden gegen Entscheidungen <strong>des</strong> Rechtspflegers,<br />
Berufungen, Kassationsklagen und die von Amts wegen eingeleiteten<br />
Verfahren enthält (§ 2 Nr. 2 ZGI-V). Die einfache Abschrift gibt also die aktuellen,<br />
aus dem Grundbuch ersichtlichen Rechtsverhältnisse an der Liegenschaft<br />
wieder und wird in der Praxis am häufigsten verwendet. Die vollständige<br />
Grundbuchabschrift enthält dagegen – neben dem aktuellen Eintragungsstand –<br />
zusätzlich alle bereits gelöschten Eintragungen und Vermerke, die ab dem Zeitpunkt<br />
der Übertragung <strong>des</strong> Grundbuchinhalts in die Struktur <strong>des</strong> im EDV-<br />
System geführten <strong>Grundbuchs</strong> ersichtlich gemacht wurden (§ 2 Nr. 3 ZGI-V). 327<br />
In beiden Arten der Grundbuchabschriften werden sämtliche Abteilungen <strong>des</strong><br />
<strong>Grundbuchs</strong> behandelt. 328<br />
325 Es kann zudem eine Bescheinigung über die Schließung <strong>des</strong> <strong>Grundbuchs</strong> ausgestellt werden.<br />
Es handelt sich dabei um ein amtliches Dokument mit der Information, dass das<br />
Grundbuch mit der vom Antragsteller angegebenen Nummer geschlossen wurde (§ 2<br />
Nr. 4 ZGI-V).<br />
326 Die Zentrale Grundbuchinformation ist eine Organisationseinheit <strong>des</strong> Justizministeriums;<br />
sie besteht aus der Zentrale und Außenstellen, die bei den Grundbuchabteilungen der<br />
Amtsgerichte errichtet werden; vgl. § 1 ZGI-V.<br />
327 Die vollständige Abschrift aus dem EDV-Grundbuch umfasst nicht die Eintragungen, die<br />
in das EDV-Grundbuch nicht übertragen wurden. Die nicht übernommenen Eintragungen<br />
befinden sich ausschließlich in dem papiernen Grundbuch, das nach der Migration zum<br />
Bestandteil der Grundakte wird und nach den für die Grundakte maßgeblichen Regeln<br />
zugänglich gemacht wird. Der Zugang zu diesen Eintragungen wird damit erschwert. Da<br />
es sich aber lediglich um Archiveintragungen handelt, wird der Rechtsverkehr damit<br />
nicht beeinträchtigt.<br />
328 Im Falle <strong>des</strong> papiernen <strong>Grundbuchs</strong> hat sich die Praxis bewährt, auch Abschriften<br />
(Auszüge) zu erstellen, die lediglich bestimmte Teile <strong>des</strong> <strong>Grundbuchs</strong> betreffen (sog.<br />
Teilabschriften); sie wurden gelegentlich auch „Grundbuchbescheinigung“ genannt. Ihre<br />
Erstellung kam den praktischen Bedürfnissen (Arbeits- und Kostenersparnis) entgegen<br />
und wurde insbesondere bei einem sehr umfangreichen Grundbuchinhalt mit vielen<br />
Miteigentümern praktiziert. Diese Art der Grundbuchabschrift ist zwar gesetzlich nicht<br />
vorgesehen, wird aber von dem Institut der Abschrift erfasst. Die Fortführung dieser Praxis<br />
für die EDV-Abschrift ist weder begründet noch erwünscht; vgl. Rudnicki (Fn. 79),<br />
207; gegen Erteilung <strong>des</strong> (Teil-)Auszuges aus dem Grundbuch: Sługiewicz (Fn. 93), 90;<br />
zur Erstellung der Bescheinigungen aus den alten (geschlossenen) Grundbüchern:<br />
Siciski (Fn. 97), 10 f.
<strong>Das</strong> <strong>formelle</strong> Publizitätsprinzip <strong>des</strong> <strong>Grundbuchs</strong> 677<br />
3. Berechtigung zur Grundbuchabschrift<br />
a. <strong>Das</strong> papierne Grundbuch<br />
Beide Arten der Abschriften sind auf Verlangen eines Gerichts, Staatsanwalts,<br />
Notars oder <strong>des</strong> Organs der Regierungsverwaltung 329 oder der Einheit der territorialen<br />
Selbstverwaltung 330 zu erteilen. Abgesehen von diesen öffentlichen<br />
Amtsträgern sind Grundbuchabschriften, die die gelöschten Eintragungen umfassen,<br />
ausnahmsweise – und zwar in begründeten Fällen – nur auf Antrag der<br />
Person zu erstellen, deren Recht im Grundbuch gelöscht wurde. 331 Diese<br />
Berechtigung ergibt sich also unmittelbar aus der Grundbucheintragung und<br />
betrifft einen engen Personenkreis, der abschließend geregelt ist. An die Stelle<br />
der berechtigten Person treten deren Rechtsnachfolger. 332<br />
Die Grundbuchabschrift nach dem letzten Stand der Eintragung ist dagegen<br />
in breiterem Umfang zugänglich und wird auf Antrag der interessierten Person<br />
erteilt. 333 Der Begriff „interessierte Person“ wurde gesetzlich nicht näher<br />
bestimmt und muss im Wege der Auslegung ermittelt werden. Interessiert ist<br />
zunächst eine Person, zu deren Gunsten Rechte, Widersprüche, persönliche<br />
Rechte und Ansprüche oder Vermerke über eine Antragstellung eingetragen<br />
sind. Darunter fällt auch eine Person, die berechtigt ist, eine Anpassung der<br />
Rechtslage, die sich aus dem Grundbuch ergibt, an die tatsächliche Rechtslage<br />
zu fordern. 334<br />
Der Begriff geht ferner über den Personenkreis hinaus, der von Amts wegen<br />
über die Eintragung in das Grundbuch benachrichtigt wird (Art. 626 10 § 1 S. 1<br />
ZPO), 335 und umfasst jede Person, deren Rechte eintragungsfähig sind. Die<br />
Person, die Interesse an der Erteilung der Grundbuchabschrift hat, kann auch<br />
diejenige sein, die kein Rechtsinteresse an der Einsicht in die Grundakte nachweist.<br />
Ein solches Rechtsinteresse (Art. 36 1 Abs. 4 GBHG) ist enger als das<br />
Interesse an der Erteilung der Grundbuchabschrift (Art. 36 2 Abs. 1 GBHG) zu<br />
329 Zur Verfassung der Regierungsverwaltung z.B.: Lipowicz, in: Niewiadomski/Cielak/<br />
Lipowicz/Szpor, Prawo administracyjne, Warszawa 2007, 189 ff.; Ura/Ura, Prawo administracyjne,<br />
Warszawa 2008, 143 ff.; Boć (Red.), Prawo administracyjne, Wrocław 2007,<br />
141 ff.<br />
330 Darunter sind Gemeinden, Kreise und Woiwodschaften zu verstehen; vgl. Art. 1 Abs. 2<br />
<strong>des</strong> Gesetzes vom 24.7.1998 über die Einführung der dreistufigen territorialen Grundeinteilung<br />
<strong>des</strong> Staates, Dz. U. 1998 Nr. 96, Pos. 603 i.d.g.F.; zur Verfassung der territorialen<br />
Selbstverwaltung z.B.: Ura/Ura (Fn. 329), 184 ff.; Boć (Fn. 329), 191 ff.<br />
331 Art. 36 2 Abs. 2 GBHG.<br />
332 Sługiewicz (Fn. 93), 91.<br />
333 Art. 36 2 Abs. 1 GBHG.<br />
334 Ciepła/Bałan-Gonciarz (Fn. 90), Art. 36 1 GBHG Anm. 4; Kisilowska (Fn. 78), 67.<br />
335 Rudnicki (Fn. 79), 207.
678<br />
Arkadiusz Wudarski<br />
verstehen. 336 <strong>Das</strong> Rechtsinteresse an der Einsicht in die Grundakte muss zudem<br />
bewiesen werden, und für die Erteilung der Grundbuchabschrift genügt es, wenn<br />
das Interesse daran glaubhaft gemacht wird. 337<br />
Die weite Auslegung <strong>des</strong> Begriffs „interessierte Person“ könnte schließlich<br />
dazu führen, dass sich darunter jede Person subsumieren lässt. Obwohl dieses<br />
Ergebnis mit der Regelung der Grundbucheinsicht kompatibel und wünschenswert<br />
wäre, ist es abzulehnen, denn <strong>des</strong>selben Begriffs bedient sich der Gesetzgeber<br />
– und zwar noch im gleichen Artikel 338 – bei der Einschränkung der<br />
Berechtigung für die Erteilung der Abschriften aus der Grundakte. 339 Wortgleichen<br />
Begriffen eine unterschiedliche Bedeutung zuzuschreiben, ist methodologisch<br />
nicht vertretbar.<br />
Der mit vernünftiger Wahrscheinlichkeit anzunehmende Sinn der Verwendung<br />
dieses Begriffs liegt in der Einschränkung und nicht in der Öffnung <strong>des</strong><br />
berechtigten Personenkreises. Hätte der Gesetzgeber darunter den freien Zugang<br />
für jedermann verstanden, hätte er diesen Begriff so nicht verwendet. Dann wäre<br />
auch die ihm folgende und gesetzlich geschlossene Aufzählung berechtigter<br />
Rechtsträger überflüssig. Es kann sich also nicht um ein Interesse jeder Art handeln,<br />
sondern um ein „berechtigtes Interesse“ – ein Begriff, <strong>des</strong>sen sich der<br />
deutsche Gesetzgeber explizit in § 12 GBO bedient.<br />
b. <strong>Das</strong> EDV-Grundbuch<br />
Die für das traditionelle Grundbuch vorgesehenen Einschränkungen finden auf<br />
Abschriften aus den im EDV-System geführten Grundbüchern keine Anwendung<br />
(Art. 36 2 Abs. 5 GBHG). 340 Weder Art. 24 Nr. 5 MigrationsG, der diese<br />
Regelung einführt, noch die ZGI-V, die die Erteilung der Abschriften aus EDV-<br />
Grundbüchern regelt, führen Einschränkungen ein. In dem amtlich vorgegebenen<br />
und zwingenden Antragsvordruck auf Erteilung der Grundbuchabschrift<br />
ist auch kein Raum für die Antragsbegründung, insbesondere kein Interessensnachweis,<br />
vorgesehen. Daraus folgt, dass jedermann berechtigt ist, die Erteilung<br />
der Abschrift aus dem EDV-Grundbuch zu beantragen. 341 Der freie Zugang<br />
336 Cierpiał, Polnisches Immobilienrecht, Wien 2006, 54 f.; Rudnicki (Fn. 79), 207;<br />
widersprüchlich Borkowski/Trzeniewski-Kwiecie (Fn. 88), 18.<br />
337 Cierpiał (Fn. 336), 54 f.; Rudnicki (Fn. 79), 207.<br />
338 Vgl. Art. 36 2 Abs. 1 und Art. 36 2 Abs. 3 GBHG.<br />
339 Im Übrigen ist die unterschiedliche Bezeichnung „die interessierte Person“ für diejenige,<br />
die die Erteilung der Abschrift aus der Grundakte verlangen kann, und „Rechtsinteresse“<br />
als Voraussetzung für diejenige, die die Grundakte einsehen will, unverständlich und<br />
sogar widersprüchlich; vgl. Art. 36 1 Abs. 4 und Art. 36 2 Abs. 3 GBHG.<br />
340 Anders bzw. unpräzise und ohne jegliche Begründung dazu Ciepła/Bałan-Gonciarz<br />
(Fn. 90), Art. 2 GBHG Anm. 2.<br />
341 Vgl. Borkowski/Trzeniewski-Kwiecie (Fn. 88), 16; so auch in Berufung auf Art. 36 4<br />
Abs. 2 GBHG Kisilowska (Fn. 78), 67, Fn. 25.
<strong>Das</strong> <strong>formelle</strong> Publizitätsprinzip <strong>des</strong> <strong>Grundbuchs</strong> 679<br />
betrifft alle Arten von Abschriften. Damit werden sämtliche Personenkreise hinsichtlich<br />
Erteilung der Abschrift aus dem EDV-Grundbuch und einer Grundbucheinsicht<br />
gleichgestellt.<br />
4. Form der Grundbuchabschrift<br />
<strong>Das</strong> duale System der Grundbuchführung spiegelt sich auch in den abweichenden<br />
Formen der Abschriften wider. Die Abschrift aus dem papiernen Grundbuch<br />
ist von dem Präsidenten <strong>des</strong> Amtsgerichts oder von durch den Gerichtsvorsitzenden<br />
der Abteilung dieses Gerichts bestimmten Gerichtsmitarbeitern 342 aufgrund<br />
<strong>des</strong> Grundbuchinhalts schriftlich vorzubereiten. Diese Form der Abschrift<br />
erteilen die Gerichte, bei denen der Justizminister die Errichtung und die Führung<br />
der Grundbücher im elektronischen System noch nicht angeordnet hat. 343<br />
Auch nach Beginn der Migration der Grundbücher sollte die Abschrift in dieser<br />
Form bis zur Übergabe <strong>des</strong> <strong>Grundbuchs</strong> an die Migrationsstelle erteilt werden.<br />
344<br />
Diese traditionelle Art und Weise der Anfertigung der Grundbuchabschrift<br />
hat allerdings viele Nachteile. Sie trägt ein gewisses Risiko der Erteilung fehlerhafter<br />
Abschriften in sich (Übertragungsfehler); das hängt nicht zuletzt mit der<br />
Überforderung der Mitarbeiter, deren Routine oder mit dem Zeitdruck durch<br />
Arbeitsüberlastung zusammen. Ferner ist diese Form der Abschrifterteilung sehr<br />
aufwändig und arbeitsintensiv. <strong>Das</strong> hat zusammen mit dem Mangel an Personal<br />
und technischer Ausstattung sowie angesichts sonstiger vielfältiger Aufgaben<br />
<strong>des</strong> Personals der Grundbuchabteilung zu eingeschränkter Effizienz <strong>des</strong> <strong>Grundbuchs</strong>ystems<br />
geführt. Diese Situation wirkte sich hemmend auf den Immobilienverkehr<br />
und die Entwicklung von Investitionen aus und war schließlich Auslöser<br />
der Grundbuchreform, deren Ergebnis unter anderem die neue Form der Grundbuchabschrift<br />
darstellt.<br />
Die Abschrift aus dem EDV-Grundbuch hat die Form eines Vordruckausdrucks<br />
345 und wird automatisch aufgrund <strong>des</strong> in der zentralen Datenbank der<br />
Grundbücher gespeicherten Grundbuchinhalts erstellt. Die Antragsbearbeitung<br />
ist völlig automatisiert. Dies führt zu einer deutlichen Beschleunigung <strong>des</strong><br />
Rechtsverkehrs und kommt damit den Bedürfnissen der steigenden Zahl von<br />
Geschäften im Immobiliensektor entgegen. Trotz dieser offensichtlichen Vortei-<br />
342 § 18 Abs. 1 Nr. 5 FGD-V.<br />
343 Amtsgerichte, die Grundbuchbücher im elektronischen System errichten und führen,<br />
bestimmt die Verordnung <strong>des</strong> Justizministers vom 16.3.2006 über die Bestimmung der<br />
Amtsgerichte, die Grundbücher im elektronischen System errichten und führen, Dz. U.<br />
2006 Nr. 49, Pos. 353 i.d.g.F.<br />
344 Vgl. Art. 8 Abs. 2 MigrationsG.<br />
345 Beispiel der einfachen Abschrift aus dem EDV-Grundbuch wird von Stefaska [Elektroniczna<br />
ksiga wieczysta, Warszawa 2008, 110 ff.] abgebildet.
680<br />
Arkadiusz Wudarski<br />
le wird die EDV-Abschrift in der Praxis vor allem wegen ihrer unübersichtlichen<br />
Form stark kritisiert. Sie besitzt eine tabellarische Struktur, die durch das<br />
elektronische System, in dem die Grundbücher geführt werden, bedingt ist.<br />
Unabhängig von dem tatsächlichen Grundbuchinhalt hat jede Abschrift die<br />
volle, tabellarisch tief gegliederte Struktur und enthält viele für das jeweilige<br />
Grundbuch irrelevante und überflüssige Rubriken und Zahlen. Verwendet wird<br />
das rein numerische Wittgenstein-Gliederungssystem, das zur Entstehung von<br />
Zahlenketten führt und insbesondere durch die Vielzahl der auf jeder Seite<br />
aufgeführten Zahlen optisch unübersichtlich wird. In Überschriften werden diese<br />
Gliederungsnummern und sogar die Gliederungsbezeichnungen (Abschnitt,<br />
Rubrik, Unterrubrik) vor der richtigen Inhaltsüberschrift angegeben; das<br />
erschwert den Überblick und die Suche nach relevanten Informationen wesentlich.<br />
Die deutliche Markierung der Gliederungsebene ist dabei nicht konsequent<br />
durchgeführt; nicht jede Überschrift hat ihre Gliederungsnummer und -bezeichnung.<br />
<strong>Das</strong> numerische System wird schließlich im letzten Teil der Abschrift<br />
„Anträge und Grundlagen der Eintragungen im Grundbuch“ durchbrochen.<br />
Die Nachvollziehbarkeit und die Prüfung der Richtigkeit der in der Abschrift<br />
enthaltenen Informationen wird besonders dadurch erschwert, dass Dokumente,<br />
die die Grundlage für die Eintragung in einem bestimmten Feld <strong>des</strong> <strong>Grundbuchs</strong><br />
darstellen, erst am Ende der Grundbuchabschrift angegeben werden. Jedem<br />
Dokument wird eine Ordnungsnummer verliehen, die dann neben jeder Eintragung<br />
in der sich dort befindlichen Rubrik „Index der Eintragung“ angegeben<br />
wird und lediglich eine Verweisfunktion erfüllt. Zur Unübersichtlichkeit dieser<br />
tabellarischen Struktur trägt zusätzlich das von dem System erzwungene Druckformat<br />
bei. Die EDV-Abschrift wird doppelseitig und verkleinert (zwei DIN-A4<br />
Seiten auf einer Seite) ausgedruckt.<br />
All das führt dazu, dass die EDV-Abschrift den Grundbuchinhalt in so ungewöhnlicher<br />
und leserunfreundlicher Weise wiedergibt, dass für das richtige Verständnis<br />
der in der Abschrift enthaltenen Informationen eine besondere Sorgfalt<br />
vorauszusetzen ist und es auch Fachleuten Mühe bereitet, den Inhalt zu verstehen.<br />
346 Personen, die mit dem Lesen der EDV-Abschrift nicht vertraut sind,<br />
können so verwirrt werden, dass sie wichtige Informationen über die Rechtsverhältnisse<br />
an dem Grundstück übersehen. Die Schwierigkeit, eine Abschrift aus<br />
dem EDV-Grundbuch richtig zu lesen, kann im Ergebnis weitergehende<br />
Schäden anrichten, da keine Schutzmechanismen vorgesehen sind. Die Berufung<br />
auf die Unkenntnis von Eintragungen im Grundbuch oder von den im Grundbuch<br />
vermerkten Eintragungsanträgen ist rechtlich unerheblich (Art. 2 S. 2<br />
GBHG). Davon sind besonders unprofessionelle Teilnehmer <strong>des</strong> Rechtsverkehrs<br />
346 Vgl. Pisuliski, Odpisy z ksig s nieczytelne, bo tworzyli je informatycy, a nie prawnicy,<br />
Rzeczpospolita 10.11.2008.
<strong>Das</strong> <strong>formelle</strong> Publizitätsprinzip <strong>des</strong> <strong>Grundbuchs</strong> 681<br />
betroffen. Im Ergebnis verliert der reale Schutz ihrer im Grundbuch eingetragenen<br />
Rechte damit deutlich an Effektivität.<br />
<strong>Das</strong> Grundbuch kann seine Informations- und Schutzfunktion nur dann angemessen<br />
erfüllen, wenn es nicht nur öffentlich zugänglich ist, sondern auch in<br />
einer für den Benutzer verständlichen Weise geführt wird. Als Maßstab sollte<br />
eine rechtlich nicht vorgebildete Person (rechtlicher Laie) dienen. Eine der<br />
wichtigsten Aufgaben der Grundbücher besteht dabei in der einfachen und eindeutigen<br />
Aufklärung über die Rechtsverhältnisse an den Grundstücken. Wird<br />
diese Funktion im Rechtsverkehr einer EDV-Grundbuchabschrift nicht erfüllt,<br />
ist deren weitgehende Verbesserung oder Neugestaltung unentbehrlich. <strong>Das</strong><br />
elektronische System, in dem Grundbücher geführt werden, wurde zwar schon<br />
vielfach modifiziert, ohne jedoch die Form der Abschrift im Wesentlichen zu<br />
ändern, obwohl es von Anfang an kritische Stimmen sowohl von professionellen<br />
als auch von nichtprofessionellen Teilnehmern am Rechtsverkehr gab. Nun sollten<br />
die Änderungen mit dem Ziel vorgenommen werden, die beschriebenen<br />
Mängel zu beseitigen, um nicht nur den <strong>formelle</strong>n Zugang zum Grundbuch<strong>des</strong>sen<br />
Übersichtlichkeit und Verständnis zu inhalt, sondern auch<br />
gewährleisten.<br />
5. Antragstellung<br />
a. <strong>Das</strong> papierne Grundbuch<br />
aa. Form<br />
Solange das papierne Grundbuch der Migrationsstelle nicht übergegeben wurde,<br />
kann es eingesehen werden und Abschriften können daraus in traditioneller<br />
Form erteilt werden (Art. 8 Abs. 2 MigrationsG). Für diese Antragstellung gibt<br />
es keine besondere Form. Neben den allgemeinen, für Prozessschriftsätze vorgesehenen<br />
Erfordernissen 347 sollte der Antrag die Bezeichnung <strong>des</strong> <strong>Grundbuchs</strong><br />
bzw. den Hinweis auf das Dokument enthalten, das die Bestimmung <strong>des</strong> Grundbuchinhalts<br />
ermöglicht. Wird der Antrag von einem Interessierten gestellt,<br />
<strong>des</strong>sen Rechte in dem betroffenen Grundbuch nicht ersichtlich sind, ist zusätzlich<br />
eine Begründung für die Erteilung der Grundbuchabschrift erforderlich. 348<br />
Der amtliche Vordruck, der für den Antrag auf Erteilung der Abschrift aus dem<br />
EDV-Grundbuch vorgesehen ist, kann wegen der Unterschiede der Voraussetzungen<br />
für die Erteilung der Abschriften nur bedingt verwendet werden. Seine<br />
Anwendung setzt daher seine entsprechende Anpassung voraus, die von dem<br />
Antragsteller vorgenommen werden sollte.<br />
347 Vgl. Art. 126 ZPO; kritisch dazu Siciski (Fn. 97), 12, der die Anwendung der ZPO ausschließt,<br />
da die Erteilung der Grundbuchabschrift nicht im gerichtsverfahrensrechtlichen<br />
Rahmen stattfinde, sondern einen verwaltungsrechtlichen Charakter habe.<br />
348 § 201 Abs. 1 GO-V; § 253 Organisations-A.
682<br />
Arkadiusz Wudarski<br />
bb. Bearbeitung<br />
Der Antrag auf Erteilung der Grundbuchabschriften wird in das Tagebuch der<br />
Abschriften „Odp“ eingetragen. 349 Zuständig für die Erteilung der Abschrift aus<br />
dem papiernen Grundbuch ist ausschließlich diejenige Grundbuchabteilung, die<br />
das betreffende Grundbuch führt. Wird der Antrag bei der Zentralen Grundbuchinformation<br />
eingereicht, so wird dieser zusammen mit dem Einzahlungsbeleg an<br />
die zuständige Grundbuchabteilung zur Bearbeitung weitergeleitet. 350 In solchen<br />
Fällen hat sich in der Praxis bewährt, statt eine Abschrift aus dem papiernen<br />
Grundbuch auszustellen, das betreffende Grundbuch zunächst der Migrationsstelle<br />
zur Umstellung auf das EDV-System zu übergeben. Diese Praxis mag<br />
zwar den Arbeitsaufwand im Grundbuchgericht verringern, widerspricht aber<br />
Art. 8 Abs. 2 MigrationsG und kann zu einer unnötigen Verzögerung <strong>des</strong><br />
Rechtsverkehrs führen. 351 Diese Gefahr besteht jedoch in der Regel nur zu<br />
Beginn <strong>des</strong> Umstellungsprozesses, da die Anzahl der im EDV-System geführten<br />
Grundbücher noch gering ist und der Eingang der Anträge auf Erteilung der<br />
Abschriften aus den papiernen Grundbüchern die Bearbeitungskapazitäten der<br />
Migrationsstellen deutlich überschreiten könnte. Allerdings gleicht sich die zeitliche<br />
Verzögerung spätestens dann aus, wenn Anträge auf Eintragung in das auf<br />
EDV umgestellte Grundbuch zu bearbeiten sind, denn die Bearbeitung geht im<br />
EDV-Grundbuch deutlich zügiger als die im Grundbuch herkömmliche Art vonstatten.<br />
Bei der Erteilung der Grundbuchabschrift ist besonders darauf zu achten,<br />
dass die Eintragungen im Grundbuch durch den Richter bzw. Rechtspfleger<br />
unterschrieben sind. Kritisch wäre die Situation, wenn eine Abschrift lediglich<br />
aufgrund <strong>des</strong> von Gerichtsmitarbeitern vorbereiteten Eintragungsentwurfs 352<br />
erteilt wird. Ist der Antrag auf die Eintragung zurückgewiesen worden, 353 hätte<br />
das zur Folge, dass sich im Rechtsverkehr eine falsche Abschrift befindet. Bei<br />
einer solchen Abschrift wird die Rechtskraft <strong>des</strong> amtlichen Dokuments weiterhin<br />
vermutet. 354 In diesem Fall hat der Richter durch eine Anordnung nach<br />
Art. 208 § 1 ZPO i.V.m. Art. 13 § 2 ZPO den Antragsteller aufzufordern, die<br />
erteilte Abschrift zurückzugeben. Folgt dieser der gerichtlichen Aufforderung<br />
349 In dasselbe Tagebuch werden auch Anträge auf Erteilung einer Abschrift aus den Dokumenten<br />
in der Grundakte oder Dokumentensammlung, aus Ausfertigungen der Notarakten<br />
sowie Anträge auf die Ausstellung der Bescheinigungen aus den geschlossenen und<br />
alten Büchern eingetragen (§ 252 Organisations-A).<br />
350 § 9 ZGI-V.<br />
351 Vgl. Stefaska (Fn. 345), 106.<br />
352 § 18 Abs. 2 FGD-V.<br />
353 Nach Art. 626 9 ZPO weist das Gericht den Antrag auf die Eintragung zurück, wenn die<br />
Grundlagen für eine Eintragung nicht gegeben sind oder Hindernisse für ihre Vornahme<br />
vorliegen.<br />
354 § 18 Abs. 1 Nr. 5 FGD-V i.V.m. 244 § 1 ZPO.
<strong>Das</strong> <strong>formelle</strong> Publizitätsprinzip <strong>des</strong> <strong>Grundbuchs</strong> 683<br />
nicht, so haftet er für den durch die Verwendung der Abschrift im Rechtsverkehr<br />
entstandenen Schaden. 355<br />
cc. Abschriftverweigerung<br />
Die Verweigerung der Erteilung der Grundbuchabschrift erfolgt durch entsprechenden<br />
schriftlichen Vermerk auf dem Antrag und ist mit dem Datum und mit<br />
der lesbaren Unterschrift <strong>des</strong> Gerichtsvorsitzenden der Grundbuchabteilung zu<br />
versehen. Gegen diese Entscheidung kann eine Beschwerde an den Präsidenten<br />
<strong>des</strong> Amtsgerichts eingereicht werden (§ 201 Abs. 4 GO-V). Dieses Rechtsmittel<br />
ist weder näher geregelt noch in der Praxis bekannt. Es ist anzunehmen, dass der<br />
Präsident <strong>des</strong> Amtsgerichts über diese Beschwerde im Rahmen seiner Gerichtsverwaltung<br />
entscheidet. 356 Demzufolge werden auf dieses Rechtsmittel verwaltungsrechtliche<br />
Vorschriften Anwendung finden müssen. 357<br />
b. <strong>Das</strong> EDV-Grundbuch<br />
aa. Form<br />
Die Abschrift aus dem EDV-Grundbuch sowie die Bescheinigung über die<br />
Schließung <strong>des</strong> <strong>Grundbuchs</strong> werden auf Antrag von der Zentralen Grundbuchinformation<br />
erteilt. 358 Der Antrag ist auf einem amtlichen Vordruck (KW-ODPIS)<br />
direkt oder auf dem Postweg bei der Zentral- oder Außenstelle der Zentralen<br />
Grundbuchinformation zu stellen. 359 Ein Muster für den Antrag enthält die nach<br />
Art. 36 4 Abs. 3 GBHG erlassene Verordnung 360 und ist für die Antragstellung<br />
verbindlich. 361 Der amtliche Vordruck ist in der Zentralstelle und den Außenstellen<br />
der Zentralen Grundbuchinformation unentgeltlich erhältlich sowie im<br />
Internet auf der offiziellen Webseite <strong>des</strong> Justizministeriums abrufbar. 362 Im Antrag<br />
sind die Art <strong>des</strong> beantragten Dokuments und die Anzahl der gewünschten<br />
Exemplare anzugeben.<br />
355 Oleszko, Rejent Nr. 5/2004, 151 f.<br />
356 Die Beschwerde an den Präsidenten <strong>des</strong> Amtsgerichts gehört nicht zu den gesetzlich vorgesehenen<br />
Rechtsmitteln gegen gerichtliche Entscheidungen (vgl. Art. 367 ff. ZPO).<br />
357 § 56 GO-V; Art. 221 ff. <strong>des</strong> Gesetzes vom 14.6.1960 – Verwaltungsverfahrensgesetzbuch,<br />
in der einheitlichen Fassung: Dz. U. 2000 Nr. 98, Pos. 1071 i.d.g.F. und die Verordnung<br />
<strong>des</strong> Ministerrates vom 8.1.2002 über die Organisation der Annahme und der<br />
Erledigung von Beschwerden und Anträgen, Dz. U. 2002 Nr. 5, Pos. 46: ebenso aufgrund<br />
<strong>des</strong> früheren Rechtsstands: Siciski (Fn. 97), 11.<br />
358 Art. 36 4 Abs. 2 GBHG.<br />
359 § 3 Abs. 1 ZGI-V.<br />
360 Die Verordnung <strong>des</strong> Justizministers vom 14.8.2003 über den Musterantrag auf Erteilung<br />
der Dokumente durch die Zentrale Grundbuchinformation; Dz. U. 2003 Nr. 162, Pos.<br />
1572.<br />
361 § 4 Abs. 1 ZGI-V.<br />
362 § 4 Abs. 1-2 ZGI-V.
684<br />
Arkadiusz Wudarski<br />
bb. Bearbeitung<br />
Der eingegangene Antrag wird in dem von der Zentralen Grundbuchinformation<br />
oder deren Außenstellen geführten Antragsnachweis registriert; anzugeben sind<br />
der Zeitpunkt <strong>des</strong> Eingangs, die Art <strong>des</strong> Antrags sowie die Art und Weise der<br />
Bearbeitung. 363 Dem Registrierungszweck in der Grundbuchabteilung dient das<br />
in elektronischer Form geführte Tagebuch der Abschriften (dziennik odpisów –<br />
„Dz.Odp“). 364 Die Grundbuchabschrift kann dem Antragsteller ausgehändigt<br />
oder an <strong>des</strong>sen Postadresse zugestellt werden. 365 Wird das beantragte Dokument<br />
nicht persönlich abgeholt, so hat der Antragsteller zusätzlich die Zustelladresse<br />
anzugeben. Unabhängig von der Antragstellung stellt das von der Zentralen<br />
Grundbuchinformation gefertigte Dokument stets den tatsächlichen Stand <strong>des</strong><br />
<strong>Grundbuchs</strong> fest. 366 Grundbuchabschriften sind mit dem Amtssiegel und mit der<br />
Unterschrift <strong>des</strong> zuständigen Mitarbeiters zu versehen; 367 sie haben die Wirkung<br />
öffentlicher Urkunden <strong>des</strong> Gerichts. 368<br />
cc. Abschriftverweigerung<br />
Ein Antrag, der nicht auf amtlichem Vordruck gestellt, falsch ausgefüllt oder für<br />
den keine oder eine zu niedrigere Gebühr entrichtet wurde oder der andere der in<br />
§ 4a Abs. 1-3 ZGI-V bestimmten Erfordernisse nicht erfüllt, wird nicht bearbeitet.<br />
Hierüber ist der Antragsteller zu informieren. 369 Werden diese <strong>formelle</strong>n Antragsmängel<br />
innerhalb eines Monats ab Zustellung der Mitteilung beseitigt, wird<br />
das beantragte Dokument erteilt. 370<br />
363 § 5 ZGI-V.<br />
364 § 260 Abs. 1 Nr. 3 Organisations-A; in dieses Tagebuch werden eingetragen: (1) Anträge<br />
auf Erteilung der Abschriften aus Dokumenten in der Grundakte oder Dokumentensammlung,<br />
(2) Anträge auf die Ausstellung von Bescheinigungen über Eintragungen in geschlossene<br />
Bücher, die der Migration nicht unterliegen, sowie in alte Bücher, (3) Anträge<br />
auf Ausstellung der Ausfertigungen der Notarakte sowie (4) die von der Außenstelle der<br />
Zentralen Grundbuchinformation weitergeleiteten Anträge auf Erteilung der Grundbuchabschriften<br />
(§ 266 Abs. 1 Organisations-A).<br />
365 § 8 ZGI-V.<br />
366 § 7 Abs. 2 ZGI-V.<br />
367 Sie enthalten zudem die Signaturangabe, die Seitenanzahl <strong>des</strong> Dokuments sowie den Ort<br />
und die Zeit von <strong>des</strong>sen Erstellung; § 7 Abs. 1 ZGI-V.<br />
368 Art. 36 4 Abs. 4 GBHG; Dokumente, die von der Zentralen Information über Pfandregister<br />
sowie von der Zentralen Information <strong>des</strong> Lan<strong>des</strong>gerichtsregisters erteilt werden, haben<br />
die Wirkung öffentlicher Urkunden <strong>des</strong> Gerichts; vgl. Stefaska (Fn. 345), 103.<br />
369 § 6 Abs. 1 ZGI-V.<br />
370 § 6 Abs. 2 ZGI-V.
6. Gebührenentrichtung<br />
<strong>Das</strong> <strong>formelle</strong> Publizitätsprinzip <strong>des</strong> <strong>Grundbuchs</strong> 685<br />
Der Antrag auf Erteilung der Grundbuchabschrift ist grundsätzlich gebührenpflichtig.<br />
Die Gebühren hängen von der Grundbuchform ab und variieren je<br />
nach Art der Grundbuchabschrift.<br />
a. <strong>Das</strong> papierne Grundbuch<br />
Im Gegensatz zu Abschriften aus dem EDV-Grundbuch ist die Gebühr für die<br />
Abschriften aus papiernen Grundbüchern nicht gesondert geregelt. Der Gesetzgeber<br />
hat auch keinen Spielraum für die analoge Anwendung der für EDV-<br />
Abschriften geltenden Vorschriften gelassen, 371 was zu inhaltlich unbegründeten<br />
Unterschieden in der Gebührenhöhe führt. Im Ergebnis wird die Abschrift aus<br />
dem papiernen Grundbuch als die beglaubigte Abschrift <strong>des</strong> aufgrund der<br />
Gerichtsakte erstellten Dokuments betrachtet und für jede angefangene Seite<br />
eine Gebühr in Höhe von 6 PLN 372 erhoben. 373 Die Gebührenhöhe hängt also<br />
von dem Seitenumfang der Abschrift ab, der sich nicht im Zeitpunkt der Antragstellung,<br />
sondern erst nach Anfertigung der Abschrift bestimmen lässt. Der Antragsteller<br />
wird dann durch das Gericht zur Entrichtung der fälligen Gebühr<br />
aufgefordert. Die Gebühr kann bar bei der Gerichtskasse, mittels Banküberweisung<br />
oder in Form von Gebührenmarken entrichtet werden. 374 Erst nach Eingang<br />
<strong>des</strong> Einzahlungsbelegs wird die Zustellung der beantragten Abschrift angeordnet.<br />
Diese von der Art und Weise der Gebührenberechnung erzwungene Verfahrensweise<br />
verursacht mehr Arbeitsaufwand, unübersehbare Kosten, verlängert<br />
die Antragserledigung und ist daher für die zügige Erteilung der Grundbuchabschrift<br />
wenig geeignet.<br />
b. <strong>Das</strong> EDV-Grundbuch<br />
Die Gebühr für die Abschrift aus dem EDV-Grundbuch sowie für die Bescheinigung<br />
über die Schließung <strong>des</strong> <strong>Grundbuchs</strong> ist explizit geregelt und wird durch<br />
die Zentrale Grundbuchinformation erhoben. 375 Die Höhe dieser Gebühren hat<br />
der Justizminister im Einvernehmen mit dem für öffentliche Finanzen zuständigen<br />
Minister – unter Berücksichtigung der Differenzierung von Gebühren für<br />
371 Zu Abweichungen der Gerichtspraxis: Cierpiał (Fn. 336), 81.<br />
372 Nach dem Mittelkurs der polnischen Nationalbank (http://nbp.pl/): 1 EUR = 3,87 PLN<br />
(Stand: 8.3.2010).<br />
373 Art. 77 Abs. 3 Kosten-G.<br />
374 Die Einzelheiten regelt die Verordnung <strong>des</strong> Justizministers vom 31.1.2006 über die Art<br />
und Weise der Entrichtung der Gerichtsgebühren in Zivilsachen, Dz. U. 2006 Nr. 27,<br />
Pos. 199 i.d.g.F.<br />
375 Art. 36 5 Abs. 1 GBHG.
686<br />
Arkadiusz Wudarski<br />
Anträge auf Erteilung einzelner Urkunden – in der Verordnung vom 25. August<br />
2003 376 bestimmt. 377 Danach erhebt die Zentrale Grundbuchinformation für jede<br />
einfache Grundbuchabschrift einen Betrag in Höhe von 30 PLN. Diese Gebühr<br />
wird bei einer vollständigen Grundbuchabschrift verdoppelt. Für die Bescheinigung<br />
über die Schließung <strong>des</strong> <strong>Grundbuchs</strong> ist der Betrag von 10 PLN zu entrichten.<br />
Der Beleg über die Gebührenzahlung auf das angegebene Bankkonto <strong>des</strong><br />
Justizministeriums ist dem Antrag im Original beizulegen. Wird der Antrag in<br />
der Außenstelle der Zentralen Grundbuchinformation gestellt, ist die Gebühr auf<br />
das angegebene Bankkonto <strong>des</strong> Gerichts, in <strong>des</strong>sen Grundbuchabteilung die Außenstelle<br />
geführt wird, oder an die Kasse dieses Gerichts zu entrichten. Der Beleg<br />
über die Gebührenentrichtung ist – nachdem die Herausgabe <strong>des</strong> Dokuments<br />
darauf bestätigt wird – dem Antragsteller zurückzugeben. 378 Wird der Antrag<br />
durch die Post gestellt, so genügt es, eine Kopie <strong>des</strong> Einzahlungsbelegs beizufügen.<br />
Die Gebühr kann auch im Wege <strong>des</strong> online-banking entrichtet werden. Der<br />
Einzahlungsbeleg in Form eines EDV-Ausdrucks muss dann zusätzlich mit<br />
einem eigenhändig unterschriebenen Vermerk versehen werden, dass der darauf<br />
ersichtliche Betrag eine Gebühr für die Antragstellung darstellt. Weder die<br />
Kopie noch der Ausdruck werden dem Antragsteller zurückgegeben. 379<br />
c. Gebührenbefreiung<br />
aa. Gesetzliche Befreiung<br />
Die Abschrift aus dem EDV-Grundbuch und die Bescheinigung über die Schließung<br />
<strong>des</strong> <strong>Grundbuchs</strong> werden ex lege gebührenfrei erteilt, wenn der Antrag<br />
durch die in Art. 36 5 Abs. 3 GBHG bestimmten Organe gestellt wird. Dazu zählen<br />
Gerichte, Staatsanwälte und Organe der Regierungsverwaltung. Diese<br />
gesetzliche Gebührenbefreiung hat also einen sehr engen Anwendungsbereich;<br />
sie betrifft nur einen beschränkten Kreis öffentlicher Rechtsträger, umfasst nicht<br />
alle staatlichen Institutionen und gilt ausschließlich für die Erteilung der Abschriften<br />
aus dem EDV-Grundbuch. Die ratio legis dieser Begrenzung ist im<br />
Hinblick auf Art. 94 Kosten-G 380 fraglich, denn danach hat der Fiskus keine<br />
Pflicht, Gebühren zu entrichten. Diese allgemeine und breite Befreiung <strong>des</strong><br />
Fiskus von Gerichtsgebühren umfasst alle Gebühren einschließlich derjenigen<br />
376 Verordnung über die Höhe der Gebühren für Anträge auf Erteilung der Grundbuchabschriften<br />
und der Bescheinigung über die Schließung <strong>des</strong> <strong>Grundbuchs</strong>, die von der Zentralen<br />
Grundbuchinformation erteilt werden; Dz. U. 2003, Nr. 156, Pos. 1528.<br />
377 Art. 36 5 Abs. 2 GBHG.<br />
378 § 4a Abs.1 ZGI-V.<br />
379 § 4a Abs. 2-4 ZGI-V.<br />
380 Gesetz vom 28.7.2005 über Gerichtskosten in Zivilsachen, Dz. U. 2005 Nr. 167,<br />
Pos. 1398 i.d.g.F.
<strong>Das</strong> <strong>formelle</strong> Publizitätsprinzip <strong>des</strong> <strong>Grundbuchs</strong> 687<br />
für die Erteilung aller Arten von Grundbuchabschriften. In<strong>des</strong> enthält Art. 36 5<br />
Abs. 3 GBHG eine Sonderregelung, die diese breite gesetzliche Gebührenbefreiung<br />
in Bezug auf die EDV-Abschrift einschränkt. Im Übrigen gilt weiterhin<br />
das Kosten-G. <strong>Das</strong> führt zu dem verwirrenden Ergebnis, dass der Fiskus bei der<br />
Antragstellung auf die Erteilung der Abschrift aus dem papiernen Grundbuch<br />
von Gebühren befreit wird, während die EDV-Abschrift nur die in Art. 36 5<br />
Abs. 3 GBHG genannten Organe gebührenfrei erhalten können. <strong>Das</strong> widerspricht<br />
dem Sinn der in Art. 94 Kosten-G geregelten subjektiven Befreiung,<br />
denn der Begünstigte kann nicht zugleich der Verpflichtete sein. 381 Art. 36 5<br />
Abs. 3 GBHG wäre sinnvoll, wenn <strong>des</strong>sen Auslegung zur Erweiterung der gesetzlichen<br />
Befreiung führen würde. <strong>Das</strong> kommt aber nicht vor, denn Organe der<br />
Regierungsverwaltung handeln stets im Namen <strong>des</strong> Fiskus und sind daher<br />
bereits aufgrund <strong>des</strong> Art. 94 Kosten-G von der Gebührenentrichtung befreit.<br />
Würden sie den Fiskus nicht vertreten, gäbe es keine Gründe, die dieses Privileg<br />
den anderen Teilnehmern <strong>des</strong> Rechtsverkehrs gegenüber rechtfertigen würden.<br />
Im Gegenteil kommt es oft dazu, dass die Aufgaben der Regierungsverwaltung<br />
an Einheiten der territorialen Selbstverwaltung delegiert werden, die in diesem<br />
Fall den Fiskus vertreten und ebenfalls von der Gebührenentrichtung befreit<br />
werden müssen. 382 Art. 36 5 Abs. 3 GBHG führt zu der inhaltlich unbegründeten<br />
Abweichung in der gesetzlichen Gebührenbefreiung und steht im Widerspruch<br />
zu Art. 94 Kosten-G. Daher sollte diese Vorschrift ersatzlos aufgehoben werden.<br />
bb. Befreiung auf Antrag<br />
Eine Befreiung von Gebühren für die Erteilung der Grundbuchabschrift kann auf<br />
Antrag erfolgen. Mangels Sonderregelung finden die allgemeinen Vorschriften<br />
über die Befreiung von Gerichtskosten Anwendung; sie sind in Art. 94-118<br />
Kosten-G geregelt. Der Antragsteller hat dabei eine Erklärung auf amtlichem<br />
Vordruck abzugeben, dass er nicht in der Lage ist, die Gerichtskosten ohne<br />
Nachteil <strong>des</strong> für ihn und seiner Familie notwendigen Unterhalts zu tragen. 383<br />
Strittig ist, ob der Antrag auf Gebührenbefreiung dem Antrag auf Erteilung<br />
der Grundbuchabschrift vorangehen muss oder ob beide Anträge gleichzeitig<br />
gestellt werden können. Dieser Zweifel ist aufgrund <strong>des</strong> Art. 511 1 § 1 S. 1 ZPO<br />
entstanden, nach dem der Antrag, der im Grundbuchverfahren einer festen Gebühr<br />
unterliegt und bei seiner Einreichung nicht ordnungsgemäß bezahlt wurde,<br />
von dem Gerichtsvorsitzenden zurückzusenden ist, ohne den Antragsteller zur<br />
Entrichtung dieser Gebühr aufzufordern. Aus der strikten Auslegung dieser Vorschrift<br />
folgt, dass der gerichtliche Beschluss über die Gebührenbefreiung bereits<br />
bei der Antragstellung vorgelegt werden muss. Die Gerichtspraxis ist aber nicht<br />
381 Górski/Walentynowicz, Koszty sdowe w sprawach cywilnych. Ustawa i orzekanie.<br />
Komentarz praktyczny, Warszawa 2008, Art. 94 Kosten-G Anm. 1.<br />
382 Górski/Walentynowicz (Fn. 381), Art. 94 Kosten-G Anm. 7.<br />
383 Art. 102 Abs. 1 Kosten-G.
688<br />
Arkadiusz Wudarski<br />
einheitlich. Nach dem Grundsatz der Prozessökonomie setzt sich allmählich die<br />
Praxis durch, die eine gleichzeitige Stellung beider Anträge zulässt. Die Entscheidung<br />
über den Antrag auf Erteilung der Grundbuchabschrift wird in diesem<br />
Fall allerdings erst nach der rechtskräftigen Entscheidung über den Antrag auf<br />
Gebührenbefreiung getroffen. Für die Entscheidung über die Gebührenbefreiung<br />
ist die Zivil- und nicht die Grundbuchabteilung <strong>des</strong> Amtsgerichts zuständig. 384<br />
Die Grundbuchabteilung hat also den Antrag auf Gebührenbefreiung an die<br />
Zivilabteilung weiterzuleiten.<br />
Je nach Finanzlage kann der Antragsteller teilweise 385 oder in vollem Umfang<br />
386 von Gerichtskosten befreit werden. Da die Gebühren für die Erteilung<br />
der Grundbuchabschrift relativ niedrig sind und die Grundbuchabschrift überwiegend<br />
als Vorlage zum Abschluss von Rechtsgeschäften wie Kauf- oder Kreditverträgen<br />
dient, wird eine Gebührenbefreiung nur in Ausnahmenfällen in<br />
Betracht kommen. Die Anträge auf Gebührenbefreiung können etwa von<br />
minderjährigen Erben ohne Einkommen oder Arbeitslosen im Rahmen eines<br />
Erbschaftsverfahrens (Bestätigung <strong>des</strong> Erbschaftserwerbs, Nachlassteilung)<br />
sowie von Straftätern gestellt werden, die keine Berufstätigkeit ausüben und ihre<br />
Liegenschaften als Sicherheitsleistung gegen eine vorläufige Festnahme verwenden<br />
wollen. Wird die Erteilung der Grundbuchabschrift als Beweismittel im<br />
Rahmen eines anhängigen Gerichtsverfahrens beantragt, in dem der Antragsteller<br />
in vollem Umfang von Kosten befreit wurde, ist die Grundbuchabschrift<br />
gebührenfrei. In diesem Fall kann das zuständige Gericht unmittelbar die Grundbuchabteilung<br />
um Übersendung der Grundbuchabschrift ersuchen.<br />
cc. Erteilung der berichtigten Abschrift<br />
Die infolge <strong>des</strong> Migrationsprozesses aufgetretenen Fehler im Grundbuch hat das<br />
Gericht unverzüglich von Amts wegen oder auf Antrag <strong>des</strong> Interessierten im<br />
384 Diese Zuständigkeit <strong>des</strong> allgemeinen Zivilgerichts für die Entscheidung über die Gebührenbefreiung<br />
ergibt sich daraus, dass der Antrag auf Gebührenbefreiung nicht unter der<br />
Aktensignatur <strong>des</strong> Grundbuchgerichts bearbeitet werden kann. <strong>Das</strong> Grundbuchgericht<br />
verfügt über kein geeignetes Registrierungssystem und kann diesen Antrag nicht mit<br />
einer separaten Aktensignatur versehen. Der Antrag kann insbesondere im Tagebuch in<br />
<strong>Grundbuchs</strong>achen nicht registriert werden. Eine abweichende Praxis hat sich dagegen im<br />
Falle der Einlegung eines Rechtsmittels (Beschwerde oder Berufungsklage) entwickelt.<br />
Im Rahmen eines solchen Verfahrens kann das Grundbuchgericht über den Antrag auf<br />
Gebührenbefreiung selbst entscheiden. Für diese Divergenz gibt es keine inhaltliche<br />
Begründung. Die Grundsätze der Leistungsfähigkeit, der Rationalität sowie <strong>des</strong> ökonomischen<br />
und raschen Handelns sprechen für die Zuständigkeit <strong>des</strong> <strong>Grundbuchs</strong>gerichts für<br />
sämtliche Anträge auf Gebührenbefreiung, die Grundbuchangelegenheiten betreffen.<br />
385 Art. 101 Kosten-G.<br />
386 Art. 100 Abs. 2 Kosten-G.
<strong>Das</strong> <strong>formelle</strong> Publizitätsprinzip <strong>des</strong> <strong>Grundbuchs</strong> 689<br />
außerstreitigen Verfahren zu beseitigen. 387 Grundsätzlich handelt es sich dabei<br />
um Schreibfehler oder sonstige Versehen, die jedoch den Rechtsverkehr deutlich<br />
erschweren oder gar unmöglich machen können. 388 Die Berichtigung erfolgt im<br />
Wege <strong>des</strong> Beschlusses, der nur im Falle der Anfechtung begründet wird. 389 Werden<br />
solche Fehler erst in der Grundbuchabschrift ausfindig gemacht, sollte dem<br />
Antragsteller die korrigierte Grundbuchabschrift gebührenfrei ausgestellt werden.<br />
Die in solchen Fällen einschlägige Gerichtspraxis, für die berichtigte<br />
Abschrift erneut Gebühren zu verlangen, ist zu kritisieren. Sie belastet den<br />
Antragsteller mit den Kosten der Fehler eines Dritten, die er keinesfalls zu vertreten<br />
hat. Der Antragsteller ist auch nicht verpflichtet, vor der Antragstellung<br />
das betroffene Grundbuch einzusehen, um damit der Erteilung fehlerhafter<br />
Abschriften vorzubeugen. Art. 18 Abs. 3 MigrationsG, nach dem das Verfahren<br />
zur Berichtigung solcher Fehler gerichtsgebührenfrei ist, könnte sinngemäß ausgelegt<br />
und auf die Erteilung der berichtigten Grundbuchabschrift ausgedehnt<br />
werden. 390<br />
dd. Katasteramt<br />
Um die Übereinstimmung der Angaben aus dem Liegenschaftskataster mit dem<br />
Grundbuchinhalt zu überprüfen, wird der direkte und gebührenfreie Zugang zu<br />
der Datenbank der Grundbücher auch dem Katasteramt gewährleistet. Von<br />
dieser Möglichkeit wurde bis jetzt wegen technischer Hindernisse noch kein<br />
Gebrauch gemacht. Dem Katasteramt obliegt zurzeit die Führung <strong>des</strong> Verzeichnisses<br />
„Evidenz der Grundstücke und Gebäude“. 391 Dieses Verzeichnis enthält<br />
eine für das ganze Land einheitliche und regelmäßig aktualisierte Sammlung der<br />
Informationen über Grundstücke, Gebäude und Räume, deren Eigentümer und<br />
andere natürliche oder juristische Personen, die über diese Grundstücke, Gebäude<br />
und Räume verfügen. 392 Dessen Umstellung in das moderne Liegenschafts-<br />
387 Diese Gerichtstätigkeiten können von Rechtspflegern ausgeübt werden; Art. 18 Abs. 1<br />
MigrationsG.<br />
388 <strong>Das</strong> kann etwa durch Verwechslung <strong>des</strong> Vornamens durch Versehen der Endbuchstaben<br />
„a“ geschehen: Stanisław (männlicher Vorname) – Stanisława (weiblicher Vorname);<br />
entsprechend: Henryk – Henryka, Krzysztof – Krzysztofa, Władysław – Władysława etc.<br />
389 Dieser Beschluss kann mit dem Rechtsmittel der Beschwerde angefochten werden;<br />
Art. 18 Abs. 2 MigrationsG.<br />
390 Stefaska (Fn. 345), 106.<br />
391 Die Rechtsgrundlage für dieses Register findet sich in Art. 20-26 <strong>des</strong> Gesetzes vom<br />
17.5.1989 – das geodätische und kartographische Recht, einheitliche Fassung: Dz. U.<br />
2005 Nr. 240, Pos. 2027 i.d.g.F. (GKR) sowie in der Verordnung <strong>des</strong> Ministers für regionale<br />
Entwicklung und Bauwesen vom 29.3.2001 über die Evidenz der Grundstücke und<br />
Gebäude, Dz. U. 2001 Nr. 38, Pos. 454; vgl. dazu Stawecki (Fn. 2), 373 f.<br />
392 Vgl. Art. 2 Nr. 8 GKR; dazu Bieniek/Rudnicki, Nieruchomoci – Problematyka prawna,<br />
Warszawa 2009, 91 ff.; mit dem historischen und vergleichenden Hintergrund: Stawecki<br />
(Fn. 2), 370 ff.; zum Verhältnis von Grundbuch und Evidenz: Cierpiał (Fn. 336), 40 ff.;
690<br />
Arkadiusz Wudarski<br />
kataster kann erst nach der Durchführung der erforderlichen Vorbereitungen<br />
erfolgen. Da der Zugang zum Grundbuch für das Katasteramt lediglich die<br />
Kompatibilität beider Register gewährleisten soll, wurde der Zugang auf die<br />
erste Grundbuchabteilung (tatsächliche Angaben zum Grundstück) und auf die<br />
zweite (Eigentumsverhältnisse am Grundstück) beschränkt. Den Behörden ist<br />
gleichzeitig untersagt, Informationen aus dieser Datenbank an Dritte weiterzugeben<br />
(Art. 36 5 Abs. 4 GBHG).<br />
V. Gemeinschaftliche Relevanz der Grundbuchregister<br />
Die Bedeutung der Liegenschaftsregister – „Grundbuchregister“ genannt – der<br />
EU-Mitgliedstaaten für die Integration der Märkte wurde auch seitens der Europäischen<br />
Kommission und <strong>des</strong> Europäischen Parlaments anerkannt und die Verbesserung<br />
ihrer rechtlichen Gestaltung als wichtiges Mittel zur Erhöhung der<br />
Leistung <strong>des</strong> Binnenmarktes und zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit der<br />
Europäischen Union gesehen.<br />
1. Empfehlungen der Forum Group on Mortgage Credit<br />
Im März 2003 hat die Europäische Kommission die sog. Forum Group on<br />
Mortgage Credit ins Leben gerufen und ihr die Aufgabe übertragen, Hindernisse<br />
für die weitere Integration der Hypothekarkreditmärkte in der Europäischen<br />
Union zu ermitteln und Wege für ihre Beseitigung vorzuschlagen. In ihrem<br />
Bericht 393 ist die Forum Group – neben anderen relevanten Fragen – auf die<br />
Transparenz der Grundbuchregister eingegangen und hat dies in die Liste ihrer<br />
Empfehlungen aufgenommen. Nach Ansicht der Forum Group sind bestehende<br />
Unterschiede in der Liegenschaftsregistrierung und in den Sicherheitsstandards<br />
an sich keine Hindernisse für die Entwicklung <strong>des</strong> Binnenmarkts. Doch der gleiche<br />
Zugang zum Hypothekarkreditmarkt kann wegen der mangelnden Zentralisierung<br />
der für ausländische Marktteilnehmer erforderlichen Informationen<br />
erschwert sein. 394 Darüber hinaus wurde der Kommission empfohlen, Kontrollmaßnahmen<br />
bezüglich der Grundbuchregister zu ergreifen, um sicherzustellen,<br />
dass:<br />
Stawecki (Fn. 2), 375 ff.; Hoffmann, Dane i informacje z ewidencji gruntów i budynków<br />
a ksigi wieczyste, Rejent Nr. 5/2002, 95 ff.<br />
393 Report of the Forum Group on Mortgage Market “The Integration of the EU Mortgage<br />
Credit Markets”, published by the European Commission 2004; abrufbar unter:<br />
http://ec.europa.eu/internal_market/finservices-retail/docs/home-loans/2004-report-integration_en.pdf; vgl.:<br />
http://ec.europa.eu/internal_market/finservices-retail/docs/home-loans/2004-report-integration_de.pdf/.<br />
394 Report (Fn. 393), Anm. 108.
<strong>Das</strong> <strong>formelle</strong> Publizitätsprinzip <strong>des</strong> <strong>Grundbuchs</strong> 691<br />
– „sämtliche Grundpfandrechte gleich welcher Art in einem öffentlichen Register<br />
(Grundbuch) eingetragen werden müssen, um für Dritte verbindlich und<br />
wirksam zu werden;<br />
– die Bestellung, Änderung oder Löschung eines Grundpfandrechts erst mit der<br />
Eintragung im öffentlichen Register gegenüber Dritten wirksam wird, und<br />
– für eingetragene Grundpfandrechte an ein und derselben Immobilie die Rangfolge<br />
gilt, die im öffentlichen Register ausgewiesen ist.“ 395 Wird die Rangfolge<br />
der Grundbucheintragung aber nach dem Antragseingang und nicht nach<br />
der tatsächlichen Eintragung bestimmt, so sollten die Mitgliedstaaten sicherstellen,<br />
dass das öffentliche Register die Einreichung von Anträgen in der<br />
Reihenfolge ihres Eingangs zu registrieren oder abzulehnen hat; 396<br />
– „die öffentlichen Register allen Parteien oder ihren Vertretern, sämtliche relevanten<br />
Informationen zur Verfügung stellen“; 397<br />
– „die Mitgliedstaaten für die zuständige Beglaubigungsstelle <strong>des</strong> öffentlichen<br />
Registers Amtshaftung vorsehen. Falls die Zuständigkeit Dritten übertragen<br />
wird, sollten diese durch eine geeignete Berufshaftpflichtversicherung mit angemessener<br />
Deckungssumme abgesichert sein“. 398<br />
2. <strong>Das</strong> Grünbuch zu Hypothekarkrediten in der Europäischen Union<br />
Den Empfehlungen der Forum Group on Mortgage Credit folgend, hat sich die<br />
Europäische Kommission mit Grundbuchfragen in dem am 19. Juli 2005 veröffentlichten<br />
Grünbuch zu Hypothekarkrediten in der EU 399 beschäftigt. Grundbuchregister<br />
werden dort im Rahmen der hypothekarischen Sicherheiten – neben<br />
der Eurohypothek 400 – behandelt. 401 Im Grünbuch wird betont, dass der leichte<br />
Zugang zu Grundbuchregistern und die Kenntnis ihres Inhalts und ihrer Funktionsweise<br />
Grundvoraussetzungen für grenzübergreifende Hypothekarkreditgeschäfte,<br />
einschließlich der Finanzierung, sind. 402 Die Kommission äußerte<br />
jedoch gleichzeitig die Befürchtung, dass die Grundbuchregister in Europa nicht<br />
395 Report (Fn. 393), Empfehlung Nr. 30.<br />
396 Report (Fn. 393), Empfehlung Nr. 31.<br />
397 Report (Fn. 393), Empfehlung Nr. 32.<br />
398 Report (Fn. 393), Empfehlung Nr. 33.<br />
399 KOM(2005)327;<br />
http://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/LexUriServ.do?uri=COM:2005:0327:FIN:DE:PDF/.<br />
400 Zur Eurohypothek vgl. etwa: Nasarre-Aznar, Looking for a model for a Eurohypothec,<br />
European University Institute 2004; Drewicz-Tułodziecka (Hrsg.), Basic Guidelines for a<br />
Eurohypothec, Warsaw 2005; Stöcker, Die Eurohypothek, IJVO-Jahresheft, Osnabrück<br />
2007, 61 ff.; Wudarski, W poszukiwaniu konstrukcji eurohipoteki, KPP Nr. 1/2009,<br />
205 ff.<br />
401 <strong>Das</strong> Grünbuch (Fn. 399), Nr. 44-46.<br />
402 <strong>Das</strong> Grünbuch (Fn. 399), Nr. 44.
692<br />
Arkadiusz Wudarski<br />
immer über sämtliche Pfandrechte, die die Eigentumsrechte belasten könnten,<br />
vollständige Auskunft geben und stellte damit deren Aussagekraft in Frage.<br />
3. Der Bericht <strong>des</strong> Europäischen Parlaments<br />
In dem Bericht vom 19. Oktober 2006, 403 dem die Stellungnahmen <strong>des</strong> Ausschusses<br />
für Binnenmarkt und Verbraucherschutz 404 und <strong>des</strong> Rechtsausschusses<br />
405 zugrunde lagen, teilte auch das Europäische Parlament die Ansicht,<br />
dass eine weitere Integration <strong>des</strong> EU-Hypothekarkreditmarktes für Verbraucher<br />
und Wirtschaft von Relevanz sei. <strong>Das</strong> Europäische Parlament hat dabei den<br />
leichten Zugang zu vollständigen und korrekten Informationen über hypothekarische<br />
Sicherheiten und Eigentumsrechte für Kreditgeber unterstrichen. 406<br />
Soweit rechtliche Vorschriften nicht entgegenstehen, sollten also der Zugang zu<br />
Grundbuchregistern gefördert und darüber hinaus alle Bestrebungen auf nationaler<br />
Ebene unterstützt werden, die auf die Angleichung und die Aussagekraft der<br />
Register in den EU-Mitgliedstaaten abzielen. Gemäß den oben erwähnten Stellungnahmen<br />
befürwortete das Europäische Parlament auch einen Ausbau <strong>des</strong><br />
bestehenden europäischen Grundstücksinformationsdienstes EULIS. 407<br />
4. European Union Land Information Service<br />
a. Gründung und Zielsetzung<br />
Die grundlegende Bedeutung der Transparenz der Grundstücksregister für die<br />
Schaffung <strong>des</strong> Binnenmarktes für das europäische Immobiliengeschäft wurde<br />
von der Kommission bereits mit der Finanzierung der Pilotphase <strong>des</strong> Projekts<br />
EULIS (European Union Land Information Service) untermauert. 408<br />
Dieses von den Grundbucheinrichtungen der nordeuropäischen Staaten eingeleitete<br />
Projekt setzt sich zum Ziel, die Zusammenarbeit zwischen Eigentümern<br />
und den die Register führenden Behörden zu verbessern sowie den grenzüberschreitenden<br />
Zugang zu diesen Registern zu erleichtern. Dieses Ziel sollte<br />
zunächst durch die Einrichtung eines gemeinsamen Internet-Portals der europäischen<br />
Grundbücher bzw. Liegenschaftsregister erreicht werden. Die Grundstücksdatenbank<br />
wurde am 22. November 2006 in sechs europäischen Staaten<br />
403 Der Bericht über Hypothekarkredite in der Europäischen Union (2006/2102(INI)), A6-<br />
0370/2006;<br />
http://www.europarl.europa.eu/si<strong>des</strong>/getDoc.do?pubRef=//EP//NONSGML+REPORT+A6-2006-0370+0+-<br />
DOC+PDF+V0//DE/.<br />
404 Stellungnahme vom 6.10.2006, abrufbar (Fn. 403, S. 18 ff.), Nr. 15.<br />
405 Stellungnahme vom 4.10.2006, abrufbar (Fn.403, S. 24 ff.), Nr. 8.<br />
406 Bericht (Fn. 403), Nr. 42.<br />
407 Bericht (Fn. 403), Nr. 43; vgl. Report (Fn. 393), Empfehlung Nr. 35.<br />
408 Vgl. das Grünbuch (Fn. 399), Nr. 45.
<strong>Das</strong> <strong>formelle</strong> Publizitätsprinzip <strong>des</strong> <strong>Grundbuchs</strong> 693<br />
gestartet. 409 <strong>Das</strong> Internet-basierte EULIS-System stellt neben den Grundbuchdaten<br />
Informationen zu den jeweiligen Rechtsordnungen sowie ein Glossar zur<br />
Verfügung. 410<br />
Seine Fortentwicklung ist während der Konsultationen zum Grünbuch der<br />
Hypothekarkredite in der EU auf sehr positive Resonanz gestoßen. 411 Die Befragten<br />
betonten übereinstimmend, dass große Anstrengungen unternommen<br />
werden sollten, um weitere Länder zu einer Teilnahme zu ermutigen.<br />
b. Entwicklung und Ausblick<br />
Obwohl das Projekt bereits seit einigen Jahren läuft, befindet es sich noch weiter<br />
in der Anfangsphase. Auch die Anzahl der beteiligten Länder hat sich seither<br />
kaum vergrößert. 412 Dieser Zustand hängt nicht nur mit organisatorischen und<br />
technischen Schwierigkeiten zusammen, sondern auch mit den datenschutz- und<br />
verfassungsrechtlichen Fragen, die weiterhin auf der nationalen Ebene geregelt<br />
werden und für die EULIS keine grenzüberschreitende Lösung anbietet. Unter<br />
vielen Faktoren, von denen seine Ausbaufähigkeit abhängt, rückt die Gestaltung<br />
der Publizität nationaler Register in den Vordergrund. 413<br />
<strong>Das</strong> betrifft insbesondere Deutschland, das bisher an EULIS nicht beteiligt<br />
ist. Eine materiellrechtliche Barriere ist sicherlich in § 12 GBO zu suchen. Ein<br />
weiterer Grund liegt zudem darin, dass die Bun<strong>des</strong>gesetzgebung und die Verwaltungszuständigkeit<br />
von 16 Bun<strong>des</strong>ländern zuerst koordiniert werden müssen.<br />
In Deutschland wird intensiv an der Elektronisierung <strong>des</strong> Grundbuchinhalts<br />
gearbeitet; im Vergleich zu anderen europäischen Ländern besteht aber noch ein<br />
gewisser Rückstand. Polen wirkte zwar offiziell im Programm EULIS Plus mit,<br />
aber die polnische Teilnahme stieß wegen der Zersplitterung verschiedener<br />
Liegenschaftsregister, <strong>des</strong> dauernden Umstellungsprozesses <strong>des</strong> traditionellen<br />
<strong>Grundbuchs</strong> auf das EDV-Grundbuch und auch nicht zuletzt aus datenschutzrechtlichen<br />
Gründen auf Schwierigkeiten und brachte es bis heute zu keinen<br />
Fortschritten oder Ergebnissen.<br />
409 Schweden, Niederlande, England und Wales, Norwegen, Litauen und Irland.<br />
410 Mehr zu EULIS: http://www.eulis.org/; vgl. auch Van Loenen/Ploeger/Nasarre-Aznar,<br />
EuroTitle: Land Registry Standard, GIM International, 29.12.2005, 2 f.; Ploeger/Van<br />
Loenen, EULIS – At the beginning of the road to harmonization of land registry in<br />
Europe, ERPL Nr. 3/2004, 379 ff.<br />
411 <strong>Das</strong> Projekt wollen 91% Mitgliedstaaten, 100% Finanzinstitutionen, 100% Verbraucher<br />
sowie 82% sonstiger Marktteilnehmern unterstützen; Feedback on the Consultation on<br />
the Green Paper on Mortgage Credit 2006, Brussels, 23.5.2006 (MARKT/H3/JR<br />
D(2006)); Nr. 8.1., 42; abrufbar unter:<br />
http://ec.europa.eu/internal_market/finservices-retail/docs/home-loans/feedback_gp-en.pdf/.<br />
412 Derzeit beteiligt am EULIS sind acht Länder: Österreich, Schweden, Niederlande, Schottland,<br />
England und Wales, Norwegen, Litauen und Irland.<br />
413 Vgl. Ploeger/Van Loenen (Fn. 410), 386.
694<br />
Arkadiusz Wudarski<br />
Aus europäischer Sicht ist dagegen von entscheidender Bedeutung, dass EULIS<br />
keine standardisierten und vereinheitlichten Informationen über die Grundstücke<br />
in den EU-Mitgliedstaaten bietet. Die Angaben, die man mit Hilfe von EULIS<br />
erhält, basieren auf den in der nationalen Datenbank gesammelten Informationen.<br />
Auch die Art und Weise <strong>des</strong> Zugänglichmachens der Informationen hängt<br />
von der Gestaltung der nationalen Register ab. Der Wert dieser Informationen<br />
kann daher voneinander deutlich abweichen. 414 Würden also sogar die EU-<br />
Mitgliedstaaten ihre Register und dort befindliche Daten für jedermann und<br />
zwar online zugänglich machen wollen, scheint EULIS für Informationen suchende<br />
und europaweit tätige Kreditgeber vielleicht gewisse praktische Vorteile<br />
zu bringen, kann aber – angesichts bestehender Divergenzen in dem Zugang und<br />
der Aussagekraft der Grundbuchregister in Europa – die Einschaltung eines<br />
Rechtskundigen vor Ort nicht ersetzen. 415 EULIS löst nicht die mit der Vielfalt<br />
nationaler Register verbundenen Probleme. 416 Auch eine reale Kostenersparnis<br />
ist nicht ersichtlich. Im derzeitigen Entwicklungsstadium sind daher mit EULIS<br />
bahn-brechende Fortschritte für die europäische Integration, insbesondere für<br />
grenzüberschreitende Hypothekarkreditgeschäfte, nicht zu erblicken.<br />
VI. Gesamtbewertung und Reformvorschläge<br />
1. <strong>Das</strong> Grundbuch ist ein Instrument zum Aufbau <strong>des</strong> Vertrauens und der<br />
Sicherheit im Rechtsverkehr und gilt als Garant für einen funktionierenden Kreditmarkt<br />
und die wirtschaftliche Entwicklung. Zur Erfüllung dieser Funktion<br />
dient unter einer Vielzahl von materiell- und verfahrensrechtlichen Prinzipien<br />
auch die <strong>formelle</strong> Grundbuchpublizität, die jedoch im Spannungsverhältnis zum<br />
Schutz der Privatsphäre <strong>des</strong> Eigentümers und sonstiger Berechtigter steht. Da<br />
diese Prinzipien miteinander kollidieren, können sie nicht beide in vollem Umfang<br />
verwirklicht werden. Es muss daher eine Interessenabwägung erfolgen,<br />
wobei keines der kollidierenden Prinzipien dabei gänzlich ohne Auswirkung<br />
bleiben darf; dies würde außerdem nicht als gleichermaßen gültiges Prinzip<br />
durch die Rechtsordnung anerkannt.<br />
2. Die meisten EU-Staaten sind sich dieses Spannungsverhältnisses bewusst und<br />
bemühen sich um eine mittlere Abgrenzungslinie, die jedoch auf unterschiedliche<br />
Art und Weise gezogen wird und zu mehreren Lösungen führt. Für die Gestaltung<br />
<strong>des</strong> <strong>formelle</strong>n Publizitätsprinzips muss jedenfalls immer und europaweit gelten,<br />
dass Einschränkungen <strong>des</strong> informationellen Selbstbestimmungsrechts nur zuläs-<br />
414 Vgl. Ploeger/Van Loenen (Fn. 410), 385.<br />
415 Vgl. Remien, Immobiliarsachenrecht in Europa – Skizze eines unvermessenen Gebiets,<br />
Festschrift Tuğrul Ansay, Alphen aan den Rijn 2006, 310.<br />
416 So auch Van Loenen/Ploeger/Nasarre-Aznar (Fn. 410), 3.
<strong>Das</strong> <strong>formelle</strong> Publizitätsprinzip <strong>des</strong> <strong>Grundbuchs</strong> 695<br />
sig sind, wenn dies zur Gewährleistung der Rechtssicherheit im Grundstücksverkehr<br />
unentbehrlich ist. Von entscheidender Bedeutung und hilfreich ist dabei<br />
die klare Unterscheidung zwischen grundstücks- und personenbezogenen Angaben.<br />
3. Diesem Kriterium hält insbesondere das polnische Recht nicht stand. Die<br />
Grundbuchpublizität genießt in Polen den Vorrang und verdrängt weitgehend<br />
den Schutz der Privatsphäre, wobei der derzeitige Umfang der im Grundbuch<br />
befindlichen und für jedermann zugänglichen personenbezogenen Daten für die<br />
Sicherheit <strong>des</strong> Grundstücksverkehrs nicht erforderlich ist. Die Verfassungskonformität<br />
dieses Rechtszustands sollte überprüft werden. Angesichts <strong>des</strong> bestehenden<br />
Ungleichgewichts sind gesetzliche Änderungen jedenfalls angebracht.<br />
<strong>Das</strong> Publizitätserfordernis der im Grundbuch befindlichen Informationen sollte<br />
verifiziert und die Privatsphäre mehr geschützt werden. Auf der Suche nach der<br />
gerechten Interessenabwägung könnte eine mögliche Lösung in der Einführung<br />
der vorgeschlagenen zweistufigen Grundbuchpublizität bestehen.<br />
4. Die derzeitige Spaltung der Grundbuchführung in Polen wirkt sich auf die<br />
Transparenz und die Funktionsfähigkeit <strong>des</strong> gesamten <strong>Grundbuchs</strong>ystems aus.<br />
Im traditionellen <strong>Grundbuchs</strong>ystem Polens weicht das Einsichtsrecht von der<br />
Berechtigung zur Erteilung einer Abschrift ab, wobei letztere nichts anderes als<br />
eine sehr geläufige Ausübungsform der Einsichtnahme darstellt. Obwohl die<br />
Einsicht in das Grundbuch jeder Person zusteht, wird das Recht auf Erteilung<br />
der Grundbuchabschrift eingeschränkt und zusätzlich von der Art der Abschrift<br />
abhängig gemacht. Die Meinung, nach der die Vorschriften darüber, wann und<br />
welcher Person die Abschriften erteilt werden, lediglich Ordnungscharakter<br />
haben und nicht als Einschränkung <strong>des</strong> <strong>formelle</strong>n Publizitätsprinzips anzusehen<br />
sind, 417 ist abzulehnen. Von der unterschiedlichen Gestaltung <strong>des</strong> <strong>formelle</strong>n<br />
Publizitätsprinzips hinsichtlich der Grundbucheinsicht und der Erteilung der<br />
Grundbuchabschrift wird im elektronischen <strong>Grundbuchs</strong>ystem zu Recht abgesehen.<br />
Die bestehende Differenzierung ist nicht nur inkonsequent, sondern auch<br />
inhaltlich falsch. Die ihr zugrunde liegenden Kriterien wurden vom Gesetzgeber<br />
nicht erläutert. Sie ergeben sich insbesondere nicht aus der Begründung zum<br />
MigrationsG, 418 das den uneingeschränkten Zugang ausschließlich für Abschriften<br />
aus dem EDV-Grundbuch eingeführt hat. Sie lassen sich auch nicht aufgrund<br />
einer teleologischen Gesetzesauslegung gewinnen. Die Übersichtlichkeit der<br />
normativen Regelung wird zudem durch ihre nicht nachvollziehbare Ansiedlung<br />
in einer Vielzahl von Gesetzen und Ausführungsbestimmungen deutlich erschwert.<br />
Diese Inkohärenz basiert auf keiner inhaltsrelevanten Begründung und<br />
sollte daher umgehend beseitigt werden. Der Kreis der berechtigten Personen<br />
417<br />
418<br />
So ohne weitere Begründung Rudnicki (Fn. 79), 207.<br />
Sejm-Drucksache Nr. 773 vom 23.7.2002, 11 ff.
696<br />
Arkadiusz Wudarski<br />
zur Grundbucheinsicht und zur Erteilung der Grundbuchabschrift muss gleichgestellt<br />
werden.<br />
5. Keine Rechtfertigung findet auch die bestehende Divergenz in der Gebührenhöhe<br />
für die Erteilung der Abschriften. Von der derzeitigen ineffizienten<br />
Verfahrensweise bei der Abrechnung und Entrichtung von Gebühren für die<br />
Abschrift aus dem papiernen Grundbuch ist abzusehen und deren Harmonisierung<br />
mit der Erstellung der EDV-Grundbuchabschrift anzustreben. Gleiches<br />
trifft für die Unterschiede in der Antragsform zu.<br />
6. Manche Differenzen der dualen Grundbuchführung (Anm. 4-5) mögen vorübergehenden<br />
Charakter haben und mit der vollen Elektronisierung <strong>des</strong> <strong>Grundbuchs</strong><br />
an Bedeutung verlieren; dies ist zu begrüßen. Berücksichtigt man jedoch,<br />
dass es in Polen über 14 Mio. Grundbücher gibt und sich die vollständige<br />
Umstellung <strong>des</strong> <strong>Grundbuchs</strong>ystems – nicht zuletzt wegen der Kosten und <strong>des</strong><br />
Mangels an Personal – noch auf mehrere Jahre erstreckt, wäre ein Einschreiten<br />
<strong>des</strong> Gesetzgebers zur Beseitigung der genannten Unterschiede bereits für die<br />
Übergangszeit erforderlich.<br />
7. Art. 36 5 Abs. 3 GBHG führt zur Einschränkung der allgemeinen, zugunsten<br />
<strong>des</strong> Fiskus breit geregelten gesetzlichen Gebührenbefreiung. Diese Abweichung<br />
von Art. 94 Kosten-G ist inhaltlich unbegründet und sollte ersatzlos aufgehoben<br />
werden.<br />
8. Dem Grundsatz der Prozessökonomie folgend, sollte es nicht nur möglich,<br />
sondern sogar geboten sein, den Antrag auf Gebührenbefreiung nicht ausschließlich<br />
vor, sondern auch mit dem Antrag auf Erteilung der Grundbuchabschrift zu<br />
stellen. Aus demselben Grund sollte für die Entscheidung über die Gebührenbefreiung<br />
in <strong>Grundbuchs</strong>achen das Grundbuchgericht und nicht das allgemeine<br />
Zivilgericht zuständig sein.<br />
9. Die Erteilung einer berichtigten Abschrift sollte – mit Hilfe der extensiven<br />
Auslegung <strong>des</strong> Art. 18 Abs. 3 MigrationsG – gebührenfrei erfolgen. Die gegenläufige<br />
Gerichtspraxis ist falsch. Dem Antragsteller dürfen wegen der fehlerhaften<br />
Gerichtshandlungen, die er nicht zu vertreten hat, keine zusätzlichen Kosten<br />
entstehen.<br />
10. Im Unterschied zur Abschrift aus dem papiernen Grundbuch hat die Abschrift<br />
aus dem EDV-Grundbuch eine Form eines automatisch erstellten Vordrucks<br />
und bedarf nur eines geringen Aufwan<strong>des</strong>. Trotz dieser Vorteile ist ihre<br />
derzeitige Gestalt wegen der Unübersichtlichkeit weit von der gewünschten<br />
Form entfernt und kann dadurch sogar irreführend sein. Um diese Mängel zu
<strong>Das</strong> <strong>formelle</strong> Publizitätsprinzip <strong>des</strong> <strong>Grundbuchs</strong> 697<br />
beseitigen, muss die EDV-Grundbuchabschrift neu gestaltet werden. <strong>Das</strong> EDV-<br />
Grundbuch wird dann seine Informations- und Schutzfunktion viel effizienter<br />
erfüllen können. Auf Angaben, die in Bezug auf die Sicherheit <strong>des</strong> Rechtsverkehrs<br />
entbehrlich sind, sollte verzichtet werden.<br />
11. Die Anlegung der neuen Grundbücher im EDV-System und die Beendigung<br />
der Migration der papiernen Grundbücher in dieses System tragen zur besseren<br />
Verwirklichung <strong>des</strong> <strong>formelle</strong>n Publizitätsprinzips bei. Die Einsicht in das EDV-<br />
Grundbuch ist nicht mehr territorial beschränkt und kann in jedem Grundbuchgericht<br />
vorgenommen werden. Angebracht wären weitere Verbesserungen,<br />
insbesondere der Abbau administrativer Hindernisse. Sowohl die Überwachung<br />
<strong>des</strong> Grundbuchzugangs als auch der räumliche und zeitliche Rahmen der<br />
Einsichtnahme orientierten sich ursprünglich am Schutz der in Papierform<br />
geführten Grundbücher. Für das EDV-Grundbuch treffen diese Überlegungen<br />
nicht mehr zu. Soweit sichergestellt wird, dass eine Veränderung <strong>des</strong> Grundbuchinhalts<br />
durch die Einsicht nehmende Person ausgeschlossen ist und sich die<br />
Grundbucheinsicht auf die für den Grundstücksverkehr erforderlichen Informationen<br />
beschränkt, die für jedermann zugänglich sind (engere Publizitätsebene),<br />
spricht nichts gegen den selbständigen Abruf <strong>des</strong> EDV-<strong>Grundbuchs</strong>. Die Anwesenheit<br />
<strong>des</strong> Gerichtsmitarbeiters wäre dann entbehrlich. Darüber hinaus entfiele<br />
der Zweck der räumlichen und damit auch zeitlichen Einschränkung der Ausübung<br />
<strong>des</strong> Einsichtsrechts.<br />
12. De lege ferenda sollte die Grundbucheinsicht mit Hilfe eines verschlüsselten<br />
Online-Anschlusses bzw. der Datenfernübertragung ohne Einschaltung <strong>des</strong><br />
Grundbuchgerichts bei jedem Notar möglich sein. <strong>Das</strong> würde nicht nur den<br />
Bedürfnissen der Rechtspraxis entgegenkommen, sondern zugleich die Grundbuchgerichte<br />
vom Publikumsverkehr entlasten und zur Senkung <strong>des</strong> Personalaufwan<strong>des</strong><br />
führen, die Arbeitseffizienz der Grundbuchgerichte verbessern und<br />
zur Beschleunigung der Grundbucheintragungen beitragen. Den Notaren als<br />
Personen öffentlichen Vertrauens sollte zudem ermöglicht werden, im Interesse<br />
der Rechtssicherheit weitere Vorgänge vorzunehmen, insbesondere eintragungspflichtige<br />
Rechte bereits zum Zeitpunkt <strong>des</strong> Abschlusses der ihnen zugrunde<br />
liegenden Rechtsgeschäfte unmittelbar auf elektronischem Wege im Grundbuch<br />
vorzumerken. Damit könnten Missbrauchsfälle ausgeschlossen werden, die etwa<br />
mit der verspäteten Einreichung <strong>des</strong> Eintragungsantrags und mit der zwar<br />
obligatorischen, aber nicht konstitutiven Grundbucheintragung <strong>des</strong> Eigentumserwerbs<br />
verbunden sind.
698<br />
Arkadiusz Wudarski<br />
13. Im Falle der Rechtsgeschäfte ist de lege ferenda jedoch für konstitutive Wirkung<br />
der Grundbucheintragung für alle dinglichen Rechte an Immobilien zu<br />
plädieren. Ist eine konstitutive Grundbucheintragung für die Entstehung und<br />
Übertragung eines beschränkt dinglichen Rechts (wie etwa der Hypothek)<br />
vorgesehen, umso mehr sollte Gleiches für die umfassendste rechtliche Herrschaftsform<br />
über eine Sache (das Eigentum) gelten. Der Hypothekengläubiger<br />
verdient doch nicht den besseren Rechtsschutz als der Eigentümer. Bedauerlicherweise<br />
ist die Rechtslage zurzeit unter anderem in Polen so, dass der Eigentumsübergang<br />
grundsätzlich außerhalb <strong>des</strong> <strong>Grundbuchs</strong> erfolgt. Konstitutiver<br />
Eintragungszwang für alle Immobiliarsachenrechte würde gleichzeitig für deren<br />
Publizität sorgen.<br />
14. Die Fortentwicklung und Aufbau <strong>des</strong> modernen <strong>Grundbuchs</strong>ystems in den<br />
EU-Mitgliedstaaten setzt die Ausarbeitung und Durchsetzung der Qualitätsleitlinien<br />
für Grundbuchregister in Europa voraus, die die Rechtssicherheit im<br />
europäischen Immobiliengeschäft erhöhen und damit zur Verbesserung der<br />
Leistungs- und Wettbewerbsfähigkeit <strong>des</strong> Binnenmarktes für Immobiliengeschäfte<br />
beitragen. EULIS kann diese Aufgabe heutzutage nicht erfüllen.