11.06.2014 Aufrufe

Das formelle Publizitätsprinzip des Grundbuchs - REWI-Home

Das formelle Publizitätsprinzip des Grundbuchs - REWI-Home

Das formelle Publizitätsprinzip des Grundbuchs - REWI-Home

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

Arkadiusz Wudarski, Czstochowa / Osnabrück<br />

<strong>Das</strong> <strong>formelle</strong> Publizitätsprinzip <strong>des</strong> <strong>Grundbuchs</strong><br />

I. Publizitätsbedürfnis und seine historische Umsetzung<br />

Die zuverlässige Angabe der Rechtsverhältnisse an Immobilien hat für den<br />

Rechtsverkehr, insbesondere für die Sicherung der Realkredite, oberste Priorität.<br />

Um die erforderliche rechtliche Klarheit zu erreichen, muss jede Rechtsordnung<br />

über ein Instrumentarium verfügen, mit <strong>des</strong>sen Hilfe es möglich ist, sich systematisch,<br />

eindeutig und vollständig über die rechtliche Situation einer Immobilie<br />

zu informieren. Um diesem Bedürfnis nachzukommen, werden Immobilien seit<br />

jeher vermessen und registriert. 1 Während die Publizitätsfunktion bei beweglichen<br />

Sachen nur teilweise durch den Besitz erfüllt wird, gilt das Grundbuch als<br />

der Publizitätsträger für unbewegliche Sachen und ist mittlerweile im Rechtsund<br />

Wirtschaftsleben so etabliert, dass es aus dem heutigen Rechtsverkehr kaum<br />

wegzudenken ist. <strong>Das</strong> Grundbuch hat die privaten dinglichen Rechte an Immobilien,<br />

also die Rechtsbeziehungen zwischen den Immobilieneigentümern und<br />

den an Immobilien dinglich Berechtigten, wiederzugeben. Seine rechtliche Aussagekraft<br />

hängt allerdings vor allem von dem Zusammenspiel der mit ihm verbundenen<br />

materiell- und verfassungsrechtlichen Prinzipien ab. Im Vordergrund<br />

steht das <strong>formelle</strong> Publizitätsprinzip, das im Zugang zum Grundbuch (Grundbucheinsichtsrecht)<br />

zum Ausdruck kommt. Seine Gestaltung beeinflusst die<br />

Entfaltung <strong>des</strong> gesamten Systems und spiegelt sich im öffentlichen Glauben <strong>des</strong><br />

<strong>Grundbuchs</strong> (materielles Publizitätsprinzip) wider. Der Publizitätsgedanke steht<br />

und stand immer im Dienste der Rechtssicherheit, obwohl sich das Bedürfnis<br />

nach Transparenz der Rechtsverhältnisse an Immobilien – historisch betrachtet –<br />

in unterschiedlichen Formen manifestierte.<br />

1 Zur historischen Entwicklung der Liegenschaftsregister z.B.: Menes, Wiadomoci wstpne<br />

dotyczce ksig wieczystych, Rejent Nr. 4/1994, 57 ff.; Stawecki, Rejestry nieruchomoci,<br />

ksigi hipoteczne i ksigi wieczyste od czasów najdawniejszych do XXI wieku,<br />

Studia Iuridica Nr. XL/2002, 167 ff.; Bauer/Oefele, Grundbuchordnung – Kommentar,<br />

München 2006, AT I Rn. 42 ff.; Böhringer, in: Meikel (Hrsg.), GBO Grundbuchordnung<br />

– Kommentar, Köln u.a. 2009, Einl. A Rn. 1 ff. m.w.N.; Stewing, Geschichte <strong>des</strong> <strong>Grundbuchs</strong>,<br />

Rpfleger 1989, 445 ff.


630<br />

Arkadiusz Wudarski<br />

1. Auf der Suche nach Publizitätsträgern<br />

a. Ursprung<br />

Die ersten Formen der Registrierung von Grundstücken für den Rechtsverkehr<br />

sind auf den Gebieten Mesopotamiens noch vor Gründung <strong>des</strong> babylonischen<br />

Staates bekannt. 2 Die Übertragung <strong>des</strong> Eigentums an Landflächen wurde nach<br />

dem Codex Hammurabi auf Lehmtafeln aufgezeichnet und als Beweis für den<br />

Erwerb von dinglichen Befugnissen aufbewahrt, 3 wobei deren Zerbrechung den<br />

Eigentumsverlust symbolisierte. 4<br />

Als das erste öffentliche Register gilt ein Tempel, in dem die Grenzsteine<br />

(Kudurru) 5 aufbewahrt wurden. Im Falle <strong>des</strong> Zweifels am Eigentumsrecht einer<br />

Person an einem Grundstück diente die Kudurru als Eigentumsnachweis.<br />

Dadurch hatte die im Tempel verwahrte Kudurru nicht nur eine informatorische<br />

Bedeutung, sondern erfüllte auch eine Schutzfunktion. 6 In politischen Gemeinden<br />

der Antike übernahm diese Funktion ein Gefäß, in dem – laut dem Alten<br />

Testament 7 – der versiegelte Kaufbrief samt der offenen Abschrift beim Erwerb<br />

eines Ackers niedergelegt wurde. 8 <strong>Das</strong> Gefäß wurde sorgfältig aufbewahrt, um<br />

eine Feststellung der Rechtsverhältnisse an der Liegenschaft zu ermöglichen. 9<br />

2 Stawecki (Fn. 1), 168; ders., Rejestry publiczne – funkcje instytucji, Warszawa 2005,<br />

182 f.; Böhringer, in: Meikel (Fn. 1), Einl. A Rn. 5.<br />

3 Stawecki (Fn. 1), 168; ders. (Fn. 2), 182 f.<br />

4 Vgl. § 37 Codex Hammurabi; übersetzt ins Polnische von Stpie, Ko<strong>des</strong> hammurabiego,<br />

Warszawa 1996, 89; deutsche Fassung: Winckler (Hrsg.), Die Gesetze Hammurabis in<br />

Umschrift und Übersetzung, Leipzig 1994, 19. Die Tafeln im Codex Hammurabi dienten<br />

grundsätzlich als Beweisträger für verschiedene vertragliche Abmachungen bzw. deren<br />

gesetzliche Änderungen (vgl. §§ 48, A, O, 171b, 177, 178a, 179), aber auch zur Dokumentation<br />

gerichtlicher Entscheidungen (§ 5). <strong>Das</strong> Wort „Tafel“ in polnischer Übersetzung<br />

wird in deutscher Fassung oft auch als „Urkunde“ wiedergegeben.<br />

5 Kudurru war ein spezieller Grenzstein, der eine Beschreibung eines Gebiets, und damit<br />

auch seiner Grenzen, enthielt und auf dem u.a. Aufschriften mit einem Hinweis angebracht<br />

waren, dass das gekennzeichnete Grundstück kraft der königlichen Schenkung in<br />

das Privateigentum einer bestimmten Person übergegangen ist; mehr zu Kudurru:<br />

Slanski, Classification, Historiography and monumental Authority: The Babylonian<br />

entitlement Narûs (kudurrus), Journal of Cuneiform Studies, Vol. 52 (2000), 95 ff.;<br />

Herles, Götterdarstellungen Mesopotamiens in der 2. Hälfte <strong>des</strong> 2. Jahrtausends v. Chr.,<br />

Münster 2006, 19 ff., passim; Seidl, Die babylonischen Kudurru-Reliefs, Göttingen 1989,<br />

17 f.; zur Untersuchung der einzelnen Elemente der Kudurru: dies., passim.<br />

6 Stawecki (Fn. 1), 168; ders. (Fn. 2), 183.<br />

7 Jeremia 32: 9-14.<br />

8 Jeremia 32: 14.<br />

9 Stawecki (Fn. 1), 168 f.


<strong>Das</strong> <strong>formelle</strong> Publizitätsprinzip <strong>des</strong> <strong>Grundbuchs</strong> 631<br />

Mit Ausnahme <strong>des</strong> römischen Rechts, das Mobilien und Immobilien grundsätzlich<br />

gleichstellte, 10 öffentliche Register nicht kannte 11 und in dem daher der Publizitätsgedanke<br />

in einer anderen Art und Weise realisiert wurde, 12 entwickelte<br />

sich die Idee der Grundstücksregistrierung in Europa weiter und verbreitete sich<br />

im Laufe der Zeit. 13<br />

b. Polnische Publizitätswurzeln<br />

Auch in Polen hat die öffentliche Manifestierung der Rechtsgeschäfte an<br />

Grundstücken eine lange Tradition, deren Wurzeln im Mittelalter zu finden<br />

sind. 14 Ihr Ursprung war mit der Eigentumsübertragung verbunden, zu der – neben<br />

dem Vertrag, der den Verzicht <strong>des</strong> Verkäufers auf das Grundstück zugunsten<br />

<strong>des</strong> Käufers umfasste (resignatio) 15 – eine Inbesitznahme erforderlich<br />

war. 16 Der Publizitätsakt manifestierte sich in verschiedenen symbolischen<br />

Handlungen, die die Abgabe von Willenserklärungen begleiteten. Dabei konnte<br />

es sich zunächst um die Übergabe von Gegenständen handeln, die die Landfläche<br />

(Erdklumpen oder Baumzweig) oder die Herrschaft darüber (Speer oder<br />

Messer, mit dem der Baumzweig abgeschnitten wurde) symbolisierten. 17 Zu<br />

symbolischen Gesten gehörte auch das Aufsetzen einer Mütze auf den Kopf <strong>des</strong><br />

Käufers 18 und das Trinken von Wasser seitens <strong>des</strong> Verkäufers. 19 Bei größeren<br />

Landflächen bedurfte es für die Rechtsübertragung der Festlegung der Grundstücksgrenzen,<br />

die durch Begehung oder Umreiten 20 erfolgte. 21 Schließlich wur-<br />

10 Vgl. Wołodkiewicz/Załbocka, Prawo rzymskie, Instytucje, Warszawa 2005, Rn. 158;<br />

Menes (Fn. 1), 57; Böhringer, in: Meikel (Fn. 1), Einl. A Rn. 6, 23.<br />

11 Vgl. Wołodkiewicz/Załbocka (Fn. 10), Rn. 219.<br />

12 Dazu Stawecki (Fn. 1), 172 f.; ders. (Fn. 2), 183 f.; zum Eigentumserwerb im römischen<br />

Recht: Wołodkiewicz/Załbocka (Fn. 10), Rn. 175 ff.; Böhringer, in: Meikel (Fn. 1), Einl.<br />

A Rn. 7.<br />

13 Der Überblick (einschließlich Australien, USA, Kanada) gibt Stawecki (Fn. 1), 174-186<br />

(Mittelalter und Neuzeit); 186-201 (Ende 18. Jh. bis Mitte <strong>des</strong> 20. Jh.); zur deutschen<br />

Entwicklung in der Neuzeit: Böhringer, in: Meikel (Fn. 1), Einl. A Rn. 26-34; zum internationalen<br />

Rechtsvergleich der geltenden Registrierungssysteme: ders., Einl. A Rn. 57-<br />

96; zum Überblick ausgewählter <strong>Grundbuchs</strong>ysteme in Europa: Weike, <strong>Das</strong> Grundbuch in<br />

Europa, RpflStud 2009, 138 ff.<br />

14 Ausführlich dazu: Stawecki (Fn. 1), 177-181, 189-194.<br />

15 Im Altertum wird dieser Begriff in polnischer Sprache mit dem derzeit obsoleten Wort<br />

wzdanie wiedergegeben.<br />

16 Stawecki (Fn. 1), 177.<br />

17 Vgl. Sójka-Zieliska, Historia prawa, Warszawa 2008, 119 f.<br />

18 Stawecki (Fn. 1), 177.<br />

19 Sójka-Zieliska (Fn. 17), 120.<br />

20 Die festgelegten Grenzen wurden anschließend in einem Schriftstück detailliert beschrieben,<br />

das im Falle einer Streitigkeit als Beweis verwendet werden konnte; Stawecki<br />

(Fn. 1), 177 f.


632<br />

Arkadiusz Wudarski<br />

de es allmählich Sitte, die Eigentumsübertragung in Anwesenheit eines Herrschers<br />

vorzunehmen, der den Vertragsabschluss bekräftigte 22<br />

(confirmatio).<br />

c. Gerichtsregister<br />

Diese traditionelle Form wurde im 13. Jh. durch die Ausstellung einer beweiskräftigen<br />

Urkunde ersetzt und im 14. Jh. durch Gerichte vorgenommen. 23 Die<br />

ältesten Gerichtsregister (tabulae iudicii) stammen in Polen aus dem Jahr 1322.<br />

Man unterschied dabei zwischen Stadtgerichtsbüchern (ksigi sdowe grodzkie)<br />

und Landgerichtsbüchern (ksigi sdowe ziemskie). In diesen Büchern wurden<br />

alle vor Gericht vorgenommenen Handlungen, darunter auch die resignatio,<br />

vermerkt. 24 Der Zugang zu Gerichtsbüchern war ursprünglich sehr eingeschränkt.<br />

So konnten die Landgerichtsbücher – nach Art. 13 <strong>des</strong> Warecki-Statuts<br />

von 1420 25 – mit drei separat aufbewahrten Schlüsseln unter gleichzeitiger<br />

Mitwirkung eines Richters, Richteranwärters (podsdek) und „Grundstückschreibers“<br />

(pisarz ziemski) nur an bestimmten Tagen 26 geöffnet werden. Die<br />

Eröffnung der Landgerichtsbücher zu einem anderen Termin bedurfte dagegen<br />

der königlichen Genehmigung. 27 Allmählich entwickelten sich die Gerichtsbücher<br />

zu einem staatlichen Hilfsmittel bei der Gestaltung der zivilrechtlichen<br />

Verhältnisse und führten dadurch auch zur Etablierung der Publizitätsfunktion. 28<br />

2. Entwicklung der Liegenschaftsregister<br />

a. Danziger Erbbücher (ab 1357)<br />

Die Eintragungen in die allgemeinen Gerichtsbücher wurden bis 1795 chronologisch<br />

vorgenommen. Bahnbrechend in dieser Hinsicht waren – und zur damaligen<br />

Zeit einen Ausnahmecharakter hatten – die Danziger Erbbücher, in denen ab<br />

1357 ein separates Blatt für einzelne Grundstücke geführt wurde. 29 Häuser<br />

waren dort nach Gassen verzeichnet und für je<strong>des</strong> Haus wurden – in entspre-<br />

21 Zu weiteren der Publizität dienenden Handlungen: Sójka-Zieliska (Fn. 17), 120.<br />

22 Menes (Fn. 1), 57; Sójka-Zieliska (Fn. 17), 120.<br />

23 Menes (Fn. 1), 57 f.<br />

24 Stawecki (Fn. 1), 178.<br />

25 Zu anderen Statuten, die ähnliche Regelungen enthalten: Dbkowski, Uwagi o urzdzaniu<br />

ksig sdowych w dawnej Polsce, Lwów 1918, 8.<br />

26 Viermal jährlich, und zwar jeweils am ersten Montag nach 6.1., 23.4., 24.6. und 15.10.<br />

27 Siciski, Ujawnianie treci ksigi wieczystej – tradycja i perspektywy – cz. I,<br />

Nieruchomoci Nr. 4/2001, 13; Dbkowski (Fn. 25), 7 f.<br />

28 Zur Entwicklung der Gerichtsbücher: Stawecki (Fn. 1), 178 f.; Bardach/Lenodorski/-<br />

Pietrzak, Historia ustroju i prawa polskiego, Warszawa 2005, 120; Menes (Fn. 1), 58.<br />

29 Vgl. Bauer/Oefele (Fn. 1), AT I Rn. 42; Stewing (Fn. 1), 446.


<strong>Das</strong> <strong>formelle</strong> Publizitätsprinzip <strong>des</strong> <strong>Grundbuchs</strong> 633<br />

chenden Spalten – Eigentümer und Grundzins eingetragen. 30 Im Unterschied<br />

zum sog. Personalfolium-System, in dem für mehrere Grundstücke eines Eigentümers<br />

ein gemeinschaftliches Grundbuchblatt geführt wird, wurden also die<br />

Eintragungen zum ersten Mal nicht dem Eigentümer, sondern dem betroffenen<br />

Grundstück zugeordnet. Diese älteste auf Grundstücke abstellende Sammlung<br />

ebnete den Weg für das sog. Realfolium-System, das heutzutage der Regelfall<br />

ist und sich dadurch kennzeichnet, dass für je<strong>des</strong> rechtlich selbständige Grundstück<br />

ein besonderes Grundbuch angelegt wird. <strong>Das</strong> Danziger Erbbuch kann<br />

daher als Prototyp <strong>des</strong> heutigen <strong>Grundbuchs</strong> angesehen werden.<br />

b. <strong>Das</strong> Gesetz von 1588<br />

Den Grundstein für die Entwicklung und Institutionalisierung <strong>des</strong> öffentlichen<br />

Registers hat in Polen das Gesetz von 1588 über die Geltung der Eintragungen 31<br />

gelegt. <strong>Das</strong> Gesetz gewährleistete interessierten Personen gegen ein kleines<br />

Entgelt den Zugang zu Gerichtsakten. Damit wurde also das <strong>formelle</strong> Publizitätsprinzip<br />

der öffentlichen Bücher gesetzlich verankert. 32 <strong>Das</strong> Gesetz von 1588<br />

bildete auch die Grundlage für die Entfaltung <strong>des</strong> materiellen Publizitätsprinzips<br />

und führte weitere Grundbuchprinzipien 33 ein, die später fortentwickelt und<br />

durch das Gesetz von 1768 gestärkt wurden. 34<br />

c. Periode der Teilung Polens (Gesetz von 1818)<br />

Während der Teilung Polens (1795-1918) galt grundsätzlich das jeweilige<br />

Grundbuchrecht der Besatzungsmächte. 35 Trotzdem gelang es, auf dem Gebiet<br />

30 Böhringer, in: Meikel (Fn. 1), Einl. A Rn. 20.<br />

31 Der Originaltitel lautet: O wanoci zapisow, Volumina legum: [leges, statuta, constitutiones<br />

et privilegia Regni Poloniae, Magni Ducatus Lithuaniae omniumque provinciarum<br />

annexarum, a Commitiis Visliciae anno 1347 celebratis usque ad ultima regni comitia],<br />

Band 2 [ab anno 1550 ad annum 1609]; neu veröffentlicht im Verlag Wydawnictwa<br />

Artystyczne i Filmowe, Warszawa 1980, Nr. 28, S. 258 Rn. 1220.<br />

32 Stawecki (Fn. 2), 185 f.<br />

33 Es handelte sich insbesondere um das Spezialitäts-, Vorrangs- und Legalitätsprinzip;<br />

Sójka-Zieliska (Fn. 17), 148 f.; Stawecki (Fn. 2), 185 f.<br />

34 Danach wurden Verträge, die Eigentumsübertragungen oder Belastungen an Immobilien<br />

zum Gegenstand hatten, inter partes wirkungslos, wenn diese in einem nicht zuständigen<br />

Bezirk geschlossen wurden und ihre Eintragung nicht innerhalb eines Jahres und sechs<br />

Tagen in das korrekte Buch erfolgte; Stawecki (Fn. 1), 180; Menes (Fn. 1), 58 f.<br />

35 Zum Gesamtüberblick vgl.: Stawecki (Fn. 1), 189 ff.; ders. (Fn. 2), 188; zu Preußen:<br />

Kraus, Prawo ksig gruntowych w b. zaborze pruskim, Warszawa/Kraków 1921, passim<br />

(zum <strong>formelle</strong>n Publizitätsprinzip, 11 f.); Konica (Begr.)/Zoll/Wasilewski (Red.), Encyklopedia<br />

podrczna prawa prywatnego, Band 2: Ksigi wieczyste – ordynacje rodowe,<br />

Warszawa 1934, 615 ff. (zum Publizitätsprinzip: 617 f.; 647 ff.); zum Königreich Polen:


634<br />

Arkadiusz Wudarski<br />

<strong>des</strong> 1815 gegründeten autonomen Königreichs Polen (sog. Kongresspolen) 36<br />

eigene Rechtskonzepte zu verwirklichen. <strong>Das</strong> dort geltende französische Recht<br />

kannte weder das Publizitätsprinzip noch den mit der Eintragung verbundenen<br />

Schutz und wies viele weitere Mängel auf. 37 Der unmittelbare Reformauslöser<br />

war die bevorstehende umständliche Erneuerung der Hypothekeneintragung, 38<br />

die jedoch vermieden werden sollte. 39 <strong>Das</strong> führte dazu, dass das Königreich<br />

Polen bereits seit dem Jahr 1818 über ein eigenes modern ausgestaltetes Recht<br />

verfügte: „das Gesetz über die Feststellung <strong>des</strong> Eigentums an unbeweglichen<br />

Gütern, über Privilegien und Hypotheken“. 40 Unter anderen wichtigen Grundsätzen,<br />

die dieses Gesetz einführte, 41 ist insbesondere die Verpflichtung hervorzuheben,<br />

sämtliche privaten Immobiliengüter, an denen Eigentum übertragen<br />

oder die mit einem Recht belastet werden konnten, in die Hypothekenbücher<br />

einzutragen. 42 Mit Ausnahme bestimmter Privilegien und Dienstbarkeiten<br />

mussten auch jegliche Rechtstitel bezüglich der Immobilie in den Hypothekenbüchern<br />

veröffentlicht werden. 43 <strong>Das</strong> Recht, über das Eigentum an den Immobiliengütern<br />

zu verfügen, konnte erst nach der Eintragung <strong>des</strong> Erwerbstitels in die<br />

Hypothekenbücher ausgeübt werden. 44 Damit wurde das materielle Publizitätsprinzip<br />

statuiert, das seine Wirkung zwischen dem Berechtigten und dem<br />

gutgläubigen Dritten entfaltete. 45 Mit der Eintragung kam es zudem zur Verdinglichung<br />

der Rechtstitel: persönliche Rechte (jus personale) wurden Sachenrechte<br />

(jus reale). 46<br />

Ursprünglich bezog sich das Gesetz von 1818 nur auf große Landgüter<br />

sowie Immobilien in acht Städten <strong>des</strong> Königsreichs, in denen Tribunale ihren<br />

Glass, Zarys Prawa Hipotecznego w b. Królestwie Polskim, Warszawa/Kraków, ca.<br />

1922, 1 f.<br />

36 Dazu Bardach/Lenodorski/Pietrzak (Fn. 28), 360 ff.<br />

37 Bardach/Lenodorski/Pietrzak (Fn. 28), 424; Stawecki (Fn. 1), 190.<br />

38 Nach dem damals dort geltenden französischen Recht war die Erneuerung der Hypothekeneintragung<br />

alle zehn Jahre erforderlich; diese Frist lief 1818 ab.<br />

39 Dazu Glass (Fn. 35), 2 f.<br />

40 Der Originaltitel lautet: Prawo o ustaleniu własnoci dóbr nieruchomych, o przywilejach<br />

i hypotekach w mieysce tytułu XVIII. ksigi III. kodexu cywilnego. <strong>Das</strong> Gesetz vom<br />

26.4.1818 wurde am 20.7.1818 im Gesetzblatt <strong>des</strong> Königreichs Polen (Band V, Nr. 21<br />

S. 295) veröffentlicht. Als Schöpfer dieses Gesetzes wird Antoni Wyczechowski gesehen;<br />

Glass (Fn. 35), 5.<br />

41 Dazu Bardach/Lenodorski/Pietrzak (Fn. 28), 424 f.<br />

42 Art. 146 <strong>des</strong> Gesetzes von 1818.<br />

43 Vgl. Art. 4-10 <strong>des</strong> Gesetzes von 1818.<br />

44 Art. 5 <strong>des</strong> Gesetzes von 1818; zur Rechtsprechung: Glass/Kuzior, Ustawa hipoteczna z<br />

1818 roku w brzmieniu z 1919 roku obowizujca na obszarze ziem wschodnich,<br />

Warszawa 1927, 13 ff.<br />

45 Art. 30, 31, 33 <strong>des</strong> Gesetzes von 1818; dazu Glass (Fn. 35), 9; zur Rechtsprechung<br />

Glass/Kuzior (Fn. 44), 50 ff.; Stawecki (Fn. 1), 191.<br />

46 Art. 11 <strong>des</strong> Gesetzes von 1818.


<strong>Das</strong> <strong>formelle</strong> Publizitätsprinzip <strong>des</strong> <strong>Grundbuchs</strong> 635<br />

Sitz hatten. 47 Im Jahre 1825 wurden – mit dem Gesetz über Privilegien und<br />

Hypotheken 48 – gewisse Modifikationen eingeführt, die unter anderem in der<br />

Ausweitung der besprochenen Institution auf andere Liegenschaften beruhten, 49<br />

wobei zugleich von der Festlegung einer allgemeinen Präklusionsfrist für die<br />

obligatorische Anlegung von Hypothekenbüchern abgesehen wurde 50 und dies<br />

schließlich zur geringeren Verbreitung der Grundbücher führte. 51<br />

Der öffentliche Zugang zu Grundbüchern verursachte während der Arbeiten<br />

an dem Gesetz von 1818 viele Kontroversen. 52 Im Ergebnis waren Hypothekenbücher<br />

nicht jedermann zugänglich. 53 Nach Art. 28 <strong>des</strong> Gesetzes von 1818<br />

konnten nur der Eigentümer einer Immobilie und die Person, die ein Recht an<br />

dieser Immobilie gesichert hatte, sowie diejenigen, die von diesen eingetragenen<br />

Berechtigten eine Genehmigung erhielten, jederzeit das betreffende Buch einsehen.<br />

Die Einsichtnahme durfte nur in Anwesenheit eines Aktenschreibers (pisarz<br />

aktowy) oder eines Regenten 54 erfolgen, die beide für den vollständigen Erhalt<br />

sowie die Unantastbarkeit der in den Büchern enthaltenen Akte verantwortlich<br />

waren. Andere Personen durften dagegen das Buch nur über einen Schreiber<br />

oder – im Falle der Verweigerung – über den Präsidenten <strong>des</strong> Grundstücksgerichts<br />

einsehen, wenn sie das Bedürfnis nachwiesen, über die Eintragungen<br />

informiert zu werden. <strong>Das</strong> Gleiche galt für die Erstellung der Abschriften. Diese<br />

Beschränkung hatte sich in der Praxis jedoch nicht bewährt, und in der Tat<br />

konnte jede Person das gewünschte Buch einsehen und die Erstellung von<br />

Abschriften beantragen. 55 Art. 28 <strong>des</strong> Gesetzes von 1818 überlebte allerdings in<br />

der kaum veränderten Fassung 56 bis zum Jahr 1919. 57 <strong>Das</strong> betrifft auch andere<br />

47 Vgl. Art. 162 <strong>des</strong> Gesetzes von 1818; Glass (Fn. 35), 2; Menes (Fn. 1), 59.<br />

48 Der Originaltitel lautet: Prawo o przywilejach i hypotekach. <strong>Das</strong> Gesetz wurde am<br />

13.6.1825 unterzeichnet und am 6.8.1825 im Gesetzblatt <strong>des</strong> Königreichs Polen (Band<br />

IX, Nr. 40 S. 355) veröffentlicht.<br />

49 Vgl. Art. 10 <strong>des</strong> Gesetzes von 1825.<br />

50 Vgl. Art. 11 <strong>des</strong> Gesetzes von 1825; Glass (Fn. 35), 2 f.; Stawecki (Fn. 1), 191.<br />

51 Menes (Fn. 1), 59.<br />

52 Zu den Gründen sowie zur gegenseitigen Argumentation: Siciski (Fn. 27), 13 f.; Litwin,<br />

Jawnoć formalna ksig wieczystych i innych ksig publicznych w prawie polskim (acta<br />

nemini deneganda), Demokratyczny Przegld Prawniczy Nr. 5/1947, 28.<br />

53 Kritisch dazu Litwin (Fn. 52), 29.<br />

54 Eine Eigenbezeichnung <strong>des</strong> für die Führung <strong>des</strong> Sekretariats und die Urkundensammlung<br />

zuständigen Gerichtsbeamten im alten Polen; Markowski/Pawelec, Wielki słownik wyrazów<br />

obcych i trudnych, Warszawa 2001, 640.<br />

55 Glass (Fn. 35), 8; Litwin (Fn. 52), 29.<br />

56 Geringfügige sprachliche Änderungen hatten keine inhaltliche Bedeutung und betrafen<br />

lediglich die Verwendung anderer Bezeichnung für den Präsidenten <strong>des</strong> Grundstücksgerichts<br />

(= „Vorsitzender der hypothekarischen Hoheit“) und den Aktenschreiber (= „Hypothekenschreiber“).<br />

57 Glass/Kuzior (Fn. 44), 40 f.


636<br />

Arkadiusz Wudarski<br />

Vorschriften der polnischen Hypothekengesetze, die trotz wechselnder Besatzungsmächte<br />

<strong>des</strong> damaligen Polen ihre Geltung behielten. 58<br />

d. Nachkriegszeit (Dekret von 1946)<br />

Die Zersplitterung der Grundbuchregelungen, die während der Teilung Polens<br />

entstand, setzte sich in der Zweiten Republik fort und wurde in der Zwischenkriegszeit<br />

nicht überwunden. 59 Die vor 1939 vorbereitete Unifikation <strong>des</strong> Sachenrechts<br />

wurde erst in der Nachkriegszeit verwirklicht. 60 Nach dem Zweiten<br />

Weltkrieg setzte sich – entgegen erster Versuche, den Grundbuchzugang von<br />

einem rationalen Bedürfnis abhängig zu machen 61 – die uneingeschränkte Publizität<br />

der Grundbücher durch. Nach Art. 13 <strong>des</strong> Dekrets vom 11. Oktober 1946 –<br />

„das Recht der Grundbücher“ 62 – waren Grundbücher öffentlich, und jedermann<br />

war berechtigt, diese unter Beachtung der Ordnungsvorschriften einzusehen. 63<br />

e. Kommunistische Ära (Gesetz von 1982)<br />

Trotz dieser Regelung wurde ein Teil der Grundbücher in den Jahren 1960-<br />

1982 als „geheim“ eingestuft und aus dem Rechtsverkehr ausgeschlossen. 64 In<br />

der kommunistischen Ära wurden Grundbücher grundsätzlich marginalisiert und<br />

galten als zeitlich überholtes und überflüssiges Rechtsinstrument. 65 Nicht zuletzt<br />

aus diesem Grund haben weder Grundbücher noch Hypothek Eingang in das<br />

1964 verabschiedete Zivilgesetzbuch gefunden. Mit der Grundbuchanlegung<br />

und -führung wurden staatliche Notariatsbüros „belastet“. 66<br />

Erst viel später – nämlich im Jahre 1982 – wurde diese Rechtsmaterie im bis<br />

heute geltenden Gesetz über Grundbücher und Hypotheken (GBHG) 67 neu<br />

58 Zu Ursachen der langen Dauer der Geltung dieser Hypothekengesetze: Glass (Fn. 35),<br />

3 f.; mehr zur geschichtlichen Entwicklung: Stawecki (Fn. 1), 191 ff.<br />

59 Bardach/Lenodorski/Pietrzak (Fn. 28), 560 f.<br />

60 Stawecki (Fn. 1), 193.<br />

61 Siciski (Fn. 27), 14.<br />

62 Dz. U. 1946 Nr. 57, Pos. 320.<br />

63 Infolge der Abspaltung der Grundakte von dem Grundbuch wurde der Umfang der Einsicht<br />

in die Informationen jedoch deutlich eingeschränkt; Siciski (Fn. 27), 13.<br />

64 Dazu Siciski (Fn. 27), 15.<br />

65 Vgl. Rudnicki, Zmiana ustawy o ksigach wieczystych i hipotece, Rejent Nr. 10/2001,<br />

31 f.; Gniewek, in: Gniewek (Hrsg.), System Prawa Prywatnego, Band 4: prawo rzeczowe,<br />

Warszawa 2007, § 10 Rn. 1.<br />

66 Vgl. das Gesetz vom 16.11.1964 über die Übergabe der Führung der Grundbücher an<br />

staatliche Notariatsbüros, Dz. U. 1964 Nr. 41, Pos. 278; dazu Kołodziej, Problemy wystpujce<br />

w funkcjonowaniu wydziałów ksig wieczystych w przededniu informatyzacji,<br />

Rejent Nr. 6/1998, 36 ff.<br />

67 <strong>Das</strong> Gesetz vom 6.7.1982, Dz. U. 1982 Nr. 19, Pos. 147; in der einheitlichen Fassung:<br />

Dz. U. 2001 Nr. 124, Pos. 1361 i.d.g.F.


<strong>Das</strong> <strong>formelle</strong> Publizitätsprinzip <strong>des</strong> <strong>Grundbuchs</strong> 637<br />

geregelt. Während der Gesetzgebungsarbeiten stellte sich die Frage nach der<br />

Einschränkung <strong>des</strong> Grundbuchzugangs nicht. Die Grundbucheinsicht wurde<br />

jedermann gewährt, wobei die Verwirklichung <strong>des</strong> <strong>formelle</strong>n Publizitätsprinzips<br />

im Einzelnen nicht ganz unproblematisch war. Die Verabschiedung <strong>des</strong> GBHG<br />

änderte auch nichts daran, dass die Grundbuchanlegung und -führung im Kommunismus<br />

weiterhin vernachlässigt wurde und mangelhaft war. 68<br />

3. Auf dem Weg zum EDV-Grundbuch<br />

Die der Aufhebung <strong>des</strong> Eisernen Vorhangs folgende Umstellung der Planwirtschaft<br />

auf die Marktwirtschaft führte zu einer enormen Steigerung der Bedeutung<br />

der Grundbücher im Rechtsverkehr. Bei der Anpassung an die neuen<br />

Gegebenheiten wurde deutlich, dass die Beseitigung bestehender Hindernisse<br />

eine zeit- und kostenaufwändige Aufgabe darstellte, die gleichzeitig eine tiefgreifende<br />

Systemreform erforderte. 69<br />

Abgesehen von der unzureichenden Personalkapazität und dem Mangel an<br />

technischer Ausstattung hing die mangelnde Effizienz der Grundbuchgerichte<br />

unter anderem eng mit der papiernen Form <strong>des</strong> <strong>Grundbuchs</strong> zusammen. <strong>Das</strong> in<br />

Buchform geführte Grundbuch entsprach nicht mehr den Bedürfnissen der<br />

stetig steigenden Zahl von Geschäften im Immobiliensektor und führte schließlich<br />

zu einer monatelangen Wartezeit bei der Grundbucheintragung. 70 Dieser<br />

höchst unerfreuliche Zustand hemmte nicht nur den Immobilienverkehr, sondern<br />

behinderte auch den gesamten Immobilienmarkt und vor allem notwendige<br />

Investitionen. Die Ineffizienz <strong>des</strong> <strong>Grundbuchs</strong>ystems beeinträchtigte gleichzeitig<br />

die Sicherheit <strong>des</strong> Rechtsverkehrs und wurde indirekt auf Kreditnehmer abgewälzt,<br />

die für die Übergangsfristen zwischen Antragstellung und endgültiger<br />

Eintragung zusätzliche (oft kostspielige) Sicherheiten bereitstellen mussten. 71<br />

Um diesen Unzulänglichkeiten zu begegnen, wurde am 14. Februar 2003 das<br />

seit langem erwartete Gesetz über die Übertragung <strong>des</strong> Grundbuchinhalts in die<br />

Struktur <strong>des</strong> im elektronischen System geführten <strong>Grundbuchs</strong> (MigrationsG) 72<br />

68 Ausführlich zu Problemen in der Praxis der Grundbuchabteilungen in Polen vor der Umstellung<br />

auf die EDV-Grundbuchführung: Kołodziej (Fn. 66), 34 ff.<br />

69 Zu verschiedenen Reformversuchen <strong>des</strong> <strong>Grundbuchs</strong>ystems in den 1990er Jahren:<br />

Stawecki (Fn. 2), 308 ff.<br />

70 So betrug etwa die Erledigungsdauer einer Grundbucheintragung in Warschau im<br />

Durchschnitt 8,8 Monate und in Stettin sogar mehr als ein Jahr; Wudarski, Polen: Modernisierung<br />

<strong>des</strong> <strong>Grundbuchs</strong>, WGO 6/2003, 402 f.; vgl. statistische Angaben <strong>des</strong> Justizministeriums<br />

bei Stawecki (Fn. 2), 307 f.<br />

71 Die Kosten der Kreditversicherung betrugen jährlich 2% der ausgezahlten Summe;<br />

Biuletyn Bankowy, Nr. 1/2003, 39.<br />

72 Dz. U. 2003 Nr. 42, Pos. 363.


638<br />

Arkadiusz Wudarski<br />

verabschiedet. 73 Damit wurde die Grundlage für die Migration der Grundbücher<br />

74 geschaffen. 75 Infolge dieses andauernden Modernisierungsprozesses,<br />

der sich bereits über mehrere Jahre erstreckt, 76 besteht derzeit in Polen eine<br />

duale Grundbuchführung. Diese Zersplitterung spiegelt sich in abweichenden<br />

Regelungen der materiellrechtlichen und administrativen Rahmenbedingungen<br />

<strong>des</strong> Grundbuchzugangs wider und betrifft auch die Erteilung von Grundbuchabschriften.<br />

All dies hat weitreichende Auswirkungen auf die Verwirklichung<br />

<strong>des</strong> <strong>formelle</strong>n Publizitätsprinzips.<br />

II. Materiellrechtliche Rahmenbedingungen<br />

1. <strong>Das</strong> „gläserne“ Grundbuch<br />

<strong>Das</strong> geltende polnische <strong>Grundbuchs</strong>ystem kennt keine subjektiven Einschränkungen<br />

für die Grundbucheinsicht. Grundbücher sind öffentlich (Art. 2 Abs. 1<br />

S. 1 GBHG) und jede Person kann diese in Anwesenheit <strong>des</strong> Gerichtsmitarbeiters<br />

einsehen (Art. 36 1 Abs. 3 GBHG).<br />

Der Begriff „jede Person“ ist gesetzlich nicht bestimmt. Es besteht aber kein<br />

Zweifel, dass dieser im weiten Sinne zu verstehen ist. <strong>Das</strong> Recht auf Einsicht in<br />

das Grundbuch beschränkt sich nicht auf polnische Staatsbürger, sondern steht<br />

auch Ausländern, Staatenlosen sowie juristischen Personen zu. 77 Da mit der<br />

73 Dieses Gesetz regelt die Grundsätze und Verfahrensweise der Durchführung der Migration<br />

<strong>des</strong> <strong>Grundbuchs</strong>, die Organisation der Migrationsstellen der Grundbücher sowie die<br />

Aufgaben der Amtsgerichte und Migrationsstellen der Grundbücher während der Migration<br />

(Art. 2 Abs. 2 Nr. 2 MigrationsG).<br />

74 Unter „Migration <strong>des</strong> <strong>Grundbuchs</strong>“ werden alle Tätigkeiten verstanden, die der Übertragung<br />

<strong>des</strong> bisherigen Grundbuchinhalts in die Struktur <strong>des</strong> im elektronischen System<br />

geführten <strong>Grundbuchs</strong> dienen (Art. 2 Abs. 2 Nr. 2 MigrationsG).<br />

75 Ein Überblick über die Entwicklung der EDV-Grundbücher in ausgewählten europäischen<br />

Ländern gibt Stawecki (Fn. 1), 202 ff.; zur Einführung der EDV-Grundbücher in<br />

Polen: ders. (Fn. 2), 310 ff.<br />

76 In Polen gibt es 347 Grundbuchgerichte, davon 38 Außenstellen; vgl. Verordnung <strong>des</strong><br />

Justizministers vom 12.6.2002 über die Bestimmung der Amtsgerichte für die Grundbuchführung,<br />

Dz. U. 2002 Nr. 95 Pos. 843 i.d.g.F. Die erste Migrationsstelle für die<br />

Grundbuchumstellung wurde am 25.7.2003 in Góra Kalwaria eröffnet. Der vom Justizministerium<br />

ursprünglich für zehn Jahre geplante Umstellungsprozess der über 14 Mio.<br />

Grundbücher wird nicht einzuhalten sein; vgl. Wudarski (Fn. 70), 403 f.<br />

77 Eine solche Ungleichbehandlung würde zur offensichtlichen Diskriminierung aufgrund<br />

der Staatsangehörigkeit führen und wäre sowohl europarechts- als auch völkerrechtswidrig;<br />

vgl. Art. 12 EG; Art. I-4 Abs. 2 VE; zum Diskriminierungsverbot im Europarecht<br />

Frenz, Handbuch Europarecht, Band 1: Europäische Grundfreiheiten, Berlin/Heidelberg<br />

2004, Rn. 2899 ff.; vgl. Art. 14 EMRK; Art. 26 <strong>des</strong> Internationalen Paktes über bürgerliche<br />

und politische Rechte, völkerrechtlicher Vertrag vom 19.12.1966, deutsche Fassung


<strong>Das</strong> <strong>formelle</strong> Publizitätsprinzip <strong>des</strong> <strong>Grundbuchs</strong> 639<br />

Einsichtnahme kein Rechtsgeschäft vorgenommen wird, ist dafür keine Geschäftsfähigkeit<br />

erforderlich. Die freie Einsicht in das Grundbuch wird vielmehr<br />

dadurch untermauert, dass sie weder von rechtlichen oder berechtigten noch von<br />

sonstigen Interessen abhängig ist. Der Einsichtnehmende muss also seinen<br />

Antrag nicht begründen. 78 Ihm steht es auch frei, das Grundbuch aus bloßer<br />

Neugier einzusehen.<br />

Der Einsicht nehmenden Person ist es gestattet, Notizen zu machen. 79 Die<br />

Frage, ob das Grundbuch während der Einsichtnahme fotografiert oder gescannt<br />

werden kann, ist weder in der Zivilprozessordnung (ZPO) 80 noch in der Geschäftsordnung<br />

der allgemeinen Gerichte (GO-V) 81 und letztlich auch nicht in<br />

anderen Ausführungsbestimmungen 82 geregelt. Die Anwendung solcher technischen<br />

Aufnahmemittel wird in der Gerichtspraxis als Substitut der eigenständigen<br />

Anfertigung von Notizen betrachtet. 83<br />

Da das EDV-Grundbuch lediglich in Form einer elektronischen Datenbank<br />

existiert, kann nur <strong>des</strong>sen Inhalt und nicht das Grundbuch selbst sichtbar<br />

gemacht werden. In diesem Fall erfolgt die Einsichtnahme durch Abruf <strong>des</strong> beantragten<br />

<strong>Grundbuchs</strong> auf der Bildschirmoberfläche (§ 3 Abs. 1 EDV-V) 84 mit<br />

Hilfe <strong>des</strong> im Computer installierten Programms. 85<br />

<strong>Das</strong> Einsichtsrecht erstreckt sich auf das gesamte Grundbuch (vier Abteilungen)<br />

und umfasst alle dort befindlichen Informationen, die nicht nur der Sicherheit<br />

<strong>des</strong> Rechtsverkehrs dienen, sondern auch Auskunft über die Privatsphäre<br />

geben. Im Grundbuch findet man eine Fülle von Informationen sowohl über<br />

familiäre als auch über wirtschaftliche Beziehungen, insbesondere Informationen<br />

über Wohnanschrift, Schuldverhältnisse, Ehescheidung oder eheliche Güterstände.<br />

<strong>Das</strong> Grundbuch offenbart auch die persönliche Identifikationsnummer<br />

in BGBl. 1973 II, S. 1553. Diese Ausklammerung wäre zudem ineffektiv und könnte<br />

mühelos durch Mittelsmänner umgangen werden.<br />

78 Kisilowska (Red.), Nieruchomoci, zagadnienia prawne, Warszawa 2007, 67.<br />

79 Rudnicki, Ustawa o ksigach wieczystych i hipotece. Przepisy o postpowaniu w sprawach<br />

wieczystoksigowych – Komentarz, Warszawa 2006, 206.<br />

80 <strong>Das</strong> Gesetz vom 17.11.1964, Dz. U. 1964 Nr. 43, Pos. 296 i.d.g.F.<br />

81 Die Verordnung <strong>des</strong> Justizministers vom 23.2.2007, Dz. U. 2007 Nr. 38 Pos. 249.<br />

82 Siehe Anordnung <strong>des</strong> Justizministers vom 12.12.2003 über Organisation und Umfang der<br />

Tätigkeit der Gerichtssekretariate und anderer Abteilungen der Gerichtsverwaltung,<br />

Dz. Urz. MS 2003 Nr. 5, Pos. 22 i.d.g.F.<br />

83 Zum Fotografieren und Scannen der Gerichtsakte hat das Justizministerium zustimmend<br />

Stellung genommen; siehe Schreiben <strong>des</strong> Justizministeriums vom 11.5.2001 (Nr. DO.I.<br />

0133/33/01) und vom 20.6.2005 (Nr. DO.I.0033/90/04).<br />

84 Verordnung <strong>des</strong> Justizministers vom 20.8.2003 über Anlegung und Führung der Grundbücher<br />

im EDV-System; Dz. U. 2003 Nr. 162, Pos. 1575 i.d.g.F.<br />

85 System Wpisów Ksig Wieczystych (Eintragungssystem der Grundbücher), Version<br />

SWKW: 004.010.076.00001, Bürosystem: LMOS 004 010 092 002.


640<br />

Arkadiusz Wudarski<br />

(PESEL), 86 aufgrund derer weitere persönliche Informationen (wie etwa das<br />

Geburtsdatum) mühelos zu entziffern sind. <strong>Das</strong> „gläserne“ Grundbuch erlaubt<br />

also einen tiefen Einblick in die persönlichen Verhältnisse <strong>des</strong> eingetragenen<br />

Berechtigten.<br />

Diese unbegrenzte Befugnis zur Grundbucheinsicht wird damit gerechtfertigt,<br />

dass Grundbücher der Ermittlung der Rechtsverhältnisse an der Liegenschaft<br />

nur dann dienen können, wenn diese für jedermann zugänglich sind und<br />

deren Inhalt öffentlich ist. 87 Damit sollte die sozial-wirtschaftliche Hauptfunktion<br />

<strong>des</strong> <strong>Grundbuchs</strong> erfüllt werden, die in der Gewährleistung der Rechtssicherheit<br />

besteht. 88 Seine materiellrechtlichen Folgen spiegeln sich in Art. 2<br />

S. 2 GBHG wider, nach dem die Berufung auf die Unkenntnis der Eintragungen<br />

in das Grundbuch oder der im Grundbuch vermerkten Anträge rechtlich unwirksam<br />

ist. Der Gesetzgeber hat damit das Prinzip ignorantia iuris nocet nachgeahmt<br />

und die materielle Öffentlichkeit der Grundbücher negativ definiert. 89<br />

<strong>Das</strong> <strong>formelle</strong> Publizitätsprinzip gilt uneingeschränkt nur für das Grundbuch.<br />

90 Im Unterschied zum Grundbuch kann die Einsicht in die Grundakte – in<br />

Anwesenheit <strong>des</strong> Gerichtsmitarbeiters – ausschließlich dem Notar und einer<br />

Person gestattet werden, die das Rechtsinteresse nachweist. 91 Dieser Einschränkung<br />

liegt der Gedanke zugrunde, dass die freie Einsicht in die Grundakte für<br />

die Sicherheit <strong>des</strong> Rechtsverkehrs, insbesondere für den gutgläubigen Erwerb,<br />

nicht erforderlich ist. Die Rechtsverhältnisse <strong>des</strong> Grundstücks lassen sich<br />

anhand <strong>des</strong> Grundbuchinhalts feststellen. 92 Die materiellrechtlichen Prinzipien<br />

<strong>des</strong> <strong>Grundbuchs</strong> erstrecken sich auch nicht auf <strong>des</strong>sen Grundakte, die keinen<br />

öffentlichen Glauben genießt. <strong>Das</strong> gilt gleichermaßen für die in der Grundakte<br />

befindlichen Dokumente, die die Grundlage der Eintragung bilden. 93 Die<br />

86 Siciski, Wniosek o wpis do ksigi wieczystej po wprowadzeniu systemu informatycznego<br />

– wybrane zagadnienia, Monitor Prawniczy Nr. 20/2003, 955.<br />

87 Rudnicki (Fn. 79), 32.<br />

88 Gniewek (Fn. 65), § 11 Rn. 56; allgemein für die uneingeschränkte Zugänglichkeit <strong>des</strong><br />

Inhalts <strong>des</strong> <strong>Grundbuchs</strong> als Voraussetzung für die richtige Erfüllung seiner Funktion:<br />

Borkowski/Trzeniewski-Kwiecie, Wpisy do ksig wieczystych, Warszawa 2008, 16.<br />

89 Gniewek (Fn. 65), § 11 Rn. 59.<br />

90 Falsch und widersprüchlich dazu Ciepła/Bałan-Gonciarz [Ustawa o ksigach wieczystych<br />

i hipotece. Komentarz. Wzory wniosków o wpis. Wzory wpisów do ksigi<br />

wieczystej, Kraków 2007, LEX-Datenbank, Art. 2 GBHG, Anm. 1], die ohne jede<br />

Begründung behaupten, dass die <strong>formelle</strong> Publizität jedermann zur Akteneinsicht und zur<br />

Erteilung von Abschriften berechtige; gemeint waren damit wohl nicht Akten, sondern<br />

Grundbücher; vgl. dies. (Fn. 90), Art. 36 2 GBHG, Anm. 3.<br />

91 Art. 36 1 Abs. 4 GBHG.<br />

92 Vgl. Rudnicki (Fn. 79), 206.<br />

93 Nach Sługiewicz [Jak czytać ksig wieczyst, Warszawa 2007, 40] kann die Einschränkung<br />

der Einsicht der Dokumente, die die Grundlage für die Eintragung bilden, das <strong>formelle</strong><br />

Publizitätsprinzip <strong>des</strong> <strong>Grundbuchs</strong> verletzen. Auf diese Dokumente werde im<br />

Grundbuch verwiesen; sie seien <strong>des</strong>halb Bestandteil der Gerichtsentscheidung.


<strong>Das</strong> <strong>formelle</strong> Publizitätsprinzip <strong>des</strong> <strong>Grundbuchs</strong> 641<br />

Beschränkung der Einsicht in die Grundakte lässt sich daher nicht mit dem<br />

Erfordernis begründen, diese müsse vor Abhandenkommen und Beschädigung<br />

geschützt werden. 94 Die Gefahr einer Beschädigung oder eines Verlustes der<br />

Grundakte ist nicht anders oder größer gegeben als bei dem papiernen Grundbuch<br />

oder sonstigen Gerichtsakten, die zur Einsicht zugänglich gemacht werden.<br />

2. Grundbuchpublizität vs. Schutz der Privatsphäre<br />

a. Absoluter Vorrang der Publizität in Polen<br />

Die mit der „gläsernen“ Grundbucheinsicht angestrebten Ziele wurden in Polen<br />

in Abwägung zu anderen Rechtsprinzipien noch nie in Frage gestellt. Die Publizität<br />

<strong>des</strong> <strong>Grundbuchs</strong> wird insbesondere durch den im Datenschutz-Gesetz 95<br />

vorgesehenen Schutz der persönlichen Daten nicht eingeschränkt. Ihre Geltung<br />

für die im Grundbuch befindlichen Daten wird mit Hilfe <strong>des</strong> Kollisionsgrundsatzes<br />

lex specialis derogat legi generali ausgeschlossen. 96 Weder im Schrifttum<br />

noch in der Rechtsprechung werden bisher andere Kollisionsprobleme gesehen.<br />

Es scheint also, dass die unbeschränkte Grundbucheinsicht zurzeit einen unangefochtenen<br />

und absoluten Vorrang in Polen genießt. Bis heute wurde diese auch<br />

keiner verfassungsrechtlichen Prüfung unterzogen.<br />

b. Problemzone<br />

Diese absolute Priorität <strong>des</strong> uneingeschränkten <strong>formelle</strong>n Publizitätsprinzips ist<br />

jedoch nicht unproblematisch. Im Spannungsfeld steht einerseits das öffentliche<br />

Interesse (Informationsinteresse <strong>des</strong> Rechtsverkehrs), an das der öffentliche<br />

Glaube <strong>des</strong> <strong>Grundbuchs</strong> knüpft, und andererseits das Interesse <strong>des</strong> Eigentümers,<br />

<strong>des</strong>sen Privatsphäre zu schützen, die unter anderem in der informationellen<br />

Selbstbestimmung zum Ausdruck kommt. Besonders die EDV-Grundbuchführung<br />

ermöglicht so umfangreiche und fortgeschrittene Suchmöglichkeiten,<br />

dass die traditionelle Unterscheidung zwischen Real- und Personalfolium an<br />

praktischer Bedeutung verloren hat. 97 <strong>Das</strong> EDV-<strong>Grundbuchs</strong>ystem stellt derzeit<br />

in der Tat eine Datensammlung dar, die über die grundstücksbezogenen Informationen<br />

hinaus auch personenbezogene Angaben enthält, die technisch nach<br />

beliebigen Kriterien mühelos durchsucht, zugänglich gemacht und verarbeitet<br />

94 AA. Borkowski/Trzeniewski-Kwiecie (Fn. 88), 16; Rudnicki (Fn. 79), 206.<br />

95 Gesetz vom 29.8.1997 über den Schutz der personenbezogenen Daten, Dz. U. 2002<br />

Nr. 101, Pos. 926 i.d.g.F.<br />

96 Vgl. Barta/Fajgielski/Markiewicz, Ochrona danych osobowych. Komentarz, Kraków<br />

2007, 340, 342.<br />

97 Siciski, Ujawnianie treci ksigi wieczystej – tradycja i perspektywy – cz. II,<br />

Nieruchomoci Nr. 5/2001, 13.


642<br />

Arkadiusz Wudarski<br />

werden könnten. <strong>Das</strong> erhöht deutlich die Gefahr <strong>des</strong> Missbrauchs der Privatsphäre<br />

und bringt diese Kollisionsinteressen noch deutlicher ans Licht.<br />

Die im Grundbuch gesammelten Daten dienen dem Aufbau von Vertrauen<br />

und Sicherheit im Rechtsverkehr. Sie sollten daher allein nur für die grundstücksbezogenen,<br />

rechtlich begründeten Zwecke verwendet werden und sind<br />

nicht zur Befriedigung jeglichen Informationsbedürfnisses gedacht. Mit der freien<br />

Grundbucheinsicht wird dem Immobilieneigentümer sowie dem aus dem<br />

Grundbuch ersichtlichen Berechtigten der Schutz seiner persönlichen Lebensverhältnisse<br />

entzogen. So wird der Immobilienerwerber gesetzlich „gezwungen“,<br />

seine personengeschützten Daten öffentlich bekannt zu geben. Infolge<br />

<strong>des</strong>sen läuft er Gefahr, dass seine persönlichen Daten von Dritten missbraucht<br />

werden können. Präventive Rechtsmittel stehen ihm nicht zur Verfügung. Ist<br />

diese so breite Offenlegung der Privatsphäre im öffentlichen Interesse unentbehrlich<br />

und muss sie sogar pauschal für den Schutz <strong>des</strong> Rechtsverkehrs<br />

geopfert werden?<br />

c. <strong>Das</strong> europäische Mosaik 98<br />

Dieses Dilemma ist nicht ein typisch polnisches Problem, das sich etwa dem<br />

Erbe einer vergangenen Epoche zuschreiben ließe und nun der rechtspolitischen<br />

Auffassung in einer freien Marktwirtschaft widerspricht. Vielmehr trifft es auch<br />

auf andere europäische Rechtsordnungen zu und wird dort unterschiedlich<br />

gehandhabt.<br />

aa. Deutschland<br />

Im Gegensatz zum polnischen Recht erkennt das deutsche Recht das Problem<br />

und bemüht sich um eine Abwägung zwischen den kollidierenden Interessen.<br />

Nach § 12 Abs. 1 S. 1 GBO 99 ist die Einsicht <strong>des</strong> <strong>Grundbuchs</strong> jedem gestattet,<br />

der ein berechtigtes Interesse darlegt. Diese Einsicht umfasst auch die noch nicht<br />

erledigten Eintragungsanträge sowie Urkunden, auf die im Grundbuch zur Ergänzung<br />

einer Eintragung Bezug genommen ist. 100 Zur Einsicht ins Grundbuch,<br />

98 Für die Hilfe bei der Erstellung dieses europäischen Rechtsvergleichs danke ich den wissenschaftlichen<br />

Mitarbeitern im ELSI an der Universität Osnabrück: S. Swann (England),<br />

X. Borremans (Frankreich), C. Nóbrega (Portugal), F. Szilágyi (Ungarn) und zudem<br />

M. Koci (Tschechien), Á. Fuglinszky (Ungarn) und J. Weike (Deutschland).<br />

99 Grundbuchordnung vom 24.3.1897 in der Fassung der Bekanntmachung vom 26.5.1994<br />

(BGBl. I S. 1114), die zuletzt durch Art. 1 <strong>des</strong> Gesetzes vom 11.8.2009 (BGBl. I S. 2713)<br />

geändert worden ist.<br />

100 § 12 Abs. 1 S. 2 GBO (vgl. auch §§ 874, 885 Abs. 2, 1115 BGB und § 49 GBO). Neben<br />

dieser allgemeinen Rechtsnorm sieht der deutsche Gesetzgeber in §§ 131-133 GBO eine<br />

ergänzende Regelung für die Einsicht in das EDV-Grundbuch vor.


<strong>Das</strong> <strong>formelle</strong> Publizitätsprinzip <strong>des</strong> <strong>Grundbuchs</strong> 643<br />

ohne das berechtigte Interesse darlegen zu müssen, sind nach § 43 GBV 101<br />

Beauftragte inländischer öffentlicher Behörden, Notare und Rechtsanwälte, die<br />

im nachgewiesenen Auftrag eines Notars handeln, öffentlich bestellte Vermessungsingenieure<br />

sowie Berechtigte eines dinglichen Rechts am betreffenden<br />

Grundstück befugt. <strong>Das</strong> berechtigte Interesse wird in diesen Fällen vermutet. 102<br />

Schlüsselbedeutung hat jedenfalls der Begriff „das berechtigte Interesse“,<br />

welcher als Kompromisslösung zwischen der freien und der weitgehend eingeschränkten<br />

Einsicht (dem rechtlichen Interesse) 103 zu sehen ist. 104 Dieser Begriff<br />

könnte im heutigen Sprachgebrauch als eine Art „Firewall“-Funktion für die<br />

Datenbank <strong>des</strong> <strong>Grundbuchs</strong> gesehen werden. 105 <strong>Das</strong> berechtigte Interesse, das<br />

viel breiter ist als das Rechtsinteresse, aber enger als das bloße Interesse, 106 und<br />

das lediglich darzulegen und nicht zu beweisen ist, stellt allerdings einen sehr<br />

unscharfen Begriff dar, der gesetzlich nicht näher bestimmt wird und um <strong>des</strong>sen<br />

Definition die Rechtsprechung und das Schrifttum deutlich bemüht sind. 107 So<br />

wie im polnischen Recht finden nach der herrschenden Meinung weder das<br />

Bun<strong>des</strong>datenschutzgesetz noch die Datenschutzgesetze der Länder auf die<br />

Grundbucheinsicht Anwendung; 108 das Datenschutzrecht beschränkt die Grundbucheinsicht<br />

nicht. 109 Dennoch könnten datenschutzrechtliche Elemente bei der<br />

verfassungskonformen Auslegung <strong>des</strong> § 12 GBO von Bedeutung sein. 110<br />

Die Diskussion über die Auslegung <strong>des</strong> Begriffs „Darlegung eines berechtigten<br />

Interesses“ sowie die Verfassungskonformität der Einschränkung der Grund-<br />

101 Verordnung zur Durchführung der Grundbuchordnung (Grundbuchverfügung – GBV) in<br />

der Fassung der Bekanntmachung vom 24.1.1995 (BGBl. I S. 114), zuletzt geändert<br />

durch Art. 2 <strong>des</strong> Gesetzes vom 11.8.2009 (BGBl. I S. 2713).<br />

102 Maaß, in: Bauer/Oefele (Fn. 1), § 12 GBO Rn. 25, 33 f.; das Gleiche gilt für Bautenschutzvereine;<br />

ders., § 12 GBO Rn. 32.<br />

103 Zum historischen Regelungshintergrund: Melchers, <strong>Das</strong> Recht auf Grundbucheinsicht,<br />

Rpfleger 1993, 309, 309 f.<br />

104 Vgl. Maaß, in: Bauer/Oefele (Fn. 1), § 12 GBO Rn. 2 f.<br />

105 Vgl. Wilsch, in: Hügel (Hrsg.), Beck'scher Online-Kommentar zur Grundbuchordnung,<br />

München 2010, § 12 GBO, Vorbemerkung.<br />

106 Vgl. OLG Hamm 18.12.1985, DNotZ 1986, 497, 498; OLG Düsseldorf 19.2.1997,<br />

Rpfleger 1997, 258; Melchers (Fn. 103), 309, 310; Nieder, Entwicklungstendenzen und<br />

Probleme <strong>des</strong> Grundbuchverfahrensrechts, NJW 1984, 329, 336; Böttcher [in: Meikel<br />

(Fn. 1), § 12 GBO Rn. 5] bezeichnet es als Mittelweg zwischen § 299 ZPO (rechtliches<br />

Interesse) und § 9 Abs. 1 HGB (je<strong>des</strong> Interesse).<br />

107 Zur Begriffsauslegung: Melchers (Fn. 103), 309, 310 f.; Wilsch, in: Hügel (Fn. 105), § 12<br />

GBO Rn. 1 ff.; Böttcher, in: Meikel (Fn. 1), § 12 GBO Rn. 5 ff. m.w.N.; Böhringer,<br />

Informationelles Selbstbestimmungsrecht kontra Publizitätsprinzip bei § 12 GBO, Rpfleger<br />

1987, 181, 183 f.<br />

108 Maaß, in: Bauer/Oefele (Fn. 1), § 12 GBO Rn. 5; Melchers (Fn. 103), 309, 310; Böttcher,<br />

in: Meikel (Fn. 1), § 12 GBO Rn. 11 m.w.N.; aA Nieder (Fn. 106), 329, 336.<br />

109 Dazu Lüke, Registereinsicht und Datenschutz, NJW 1983, 1407, 1407 f.; Böhringer<br />

(Fn. 107), 181, 182.<br />

110 Maaß, in: Bauer/Oefele (Fn. 1), § 12 GBO Rn. 8.


644<br />

Arkadiusz Wudarski<br />

bucheinsicht kulminierte in der Entscheidung <strong>des</strong> Bun<strong>des</strong>verfassungsgerichts<br />

mit seinem Volkszählungsurteil vom 15. Dezember 1983, 111 in dem das Recht<br />

auf informationelle Selbstbestimmung von dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht<br />

abgeleitet und fortentwickelt wurde (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. 1 Abs. 1 GG 112 ).<br />

Daraus folgt die grundsätzliche 113 Befugnis <strong>des</strong> Einzelnen, über die Veröffentlichung<br />

und Verwendung seiner persönlichen Daten selbst bestimmen und<br />

entscheiden zu können. Die Beeinträchtigung der Privatsphäre besteht an sich<br />

nicht in der Sammlung personenbezogener Daten, sondern im Verlust der<br />

Verfügung darüber, an wen und zu welchen Zwecken diese vermittelt werden. 114<br />

Da das Grundbuch Auskunft über persönliche (familiäre, soziale und wirtschaftliche)<br />

Verhältnisse gibt, sollte bei der Auslegung <strong>des</strong> Begriffs „<strong>des</strong> berechtigten<br />

Interesses“ das informationelle Selbstbestimmungsrecht <strong>des</strong> eingetragenen<br />

Berechtigten mit herangezogen werden. 115<br />

Ob das berechtigte Interesse tatsächlich vorliegt, wird nach dem Einzelfall<br />

entschieden, 116 wobei die Entstehungsgeschichte, die Gesetzessystematik und<br />

der Normzweck berücksichtigt werden sollten. 117 Die Rechtsprechung ist jedoch<br />

zugunsten der Publizität teilweise sehr großzügig vorgegangen. 118 So wird etwa<br />

vertreten, dass das Grundbuch schon dann eingesehen werden könne, wenn die<br />

Verfolgung unbefugter Zwecke oder bloße Neugier ausgeschlossen erscheine. 119<br />

Die Grundbucheinsicht kann auch unter Berufung auf ein öffentliches Interesse<br />

begründet werden. 120 <strong>Das</strong> Grundbuch werde ferner sogar als öffentliches<br />

111 BVerfGE 65, 1 ff. = NJW 1984, 419 ff.; siehe dazu: Simitis, Die informationelle Selbstbestimmung<br />

– Grundbedingung einer verfassungskonformen Informationsordnung, NJW<br />

1984, 394 ff.<br />

112 Grundgesetz vom 23.5.1949 für die Bun<strong>des</strong>republik Deutschland in der im BGBl. III,<br />

100-1, veröffentlichten bereinigten Fassung, das zuletzt durch das Gesetz vom 29.7.2009<br />

(BGBl. I S. 2248) geändert worden ist.<br />

113 Ausnahmen können nur im überwiegenden Allgemeininteresse bestimmt und gesetzlich<br />

verankert werden; sie müssen ferner dem Gebot der Normenklarheit entsprechen und den<br />

Grundsatz der Verhältnismäßigkeit beachten; vgl. BVerfG NJW 1984, 419.<br />

114 Böttcher, in: Meikel (Fn. 1), § 12 GBO Rn. 2.<br />

115 Maaß, in: Bauer/Oefele (Fn. 1), § 12 GBO Rn. 8; Melchers (Fn. 103), 309, 311.<br />

116 Vgl. Einzelfälle bei Maaß, in: Bauer/Oefele (Fn. 1), § 12 GBO Rn. 26 ff.; Wilsch, in:<br />

Hügel (Fn. 105) § 12 GBO Rn. 30 ff.; Böttcher, in: Meikel (Fn. 1), § 12 GBO Rn. 14 ff.;<br />

Böhringer (Fn. 107), 181, 186 ff.<br />

117 Melchers (Fn. 103), 309, 310.<br />

118 Kritisch dazu Maaß, in: Bauer/Oefele (Fn. 1), § 12 GBO Rn. 11 f., 16.<br />

119 OLG Stuttgart 17.1.1983, Rpfleger 1983, 272; OLG Hamm 18.12.1985, DNotZ 1986,<br />

497; kritisch dazu: Eickmann, DNotZ 1986, 497, 499 f.; Melchers (Fn. 103), 309, 312;<br />

Böttcher, in: Meikel (Fn. 1), § 12 GBO Rn. 7.<br />

120 Für das Grundbucheinsichtsrecht der Presse: BVerfG NJW 2001, 503 ff.; OLG Düsseldorf<br />

12.6.1991, Rpfleger 1992, 18 f.; OLG Hamm 14.5.1988, NJW 1988, 2482 f.; vgl.<br />

Böttcher, in: Meikel (Fn. 1), § 12 GBO Rn. 6; Schöner/Stöber, Grundbuchrecht,<br />

Handbuch der Rechtspraxis, Band 4, München 2008, Rn. 526a; kritisch dazu: Maaß, in:


<strong>Das</strong> <strong>formelle</strong> Publizitätsprinzip <strong>des</strong> <strong>Grundbuchs</strong> 645<br />

Register betrachtet, das dem Handelsregister gleichgestellt sei. 121 Es waren zudem<br />

weitere gesetzliche Lockerungen geplant. 122 Diese uferlose Ausdehnung<br />

der Grundbucheinsicht führt allerdings zur „Verwässerung“ <strong>des</strong> informationellen<br />

Selbstbestimmungsrechts. Im Schrifttum wird diese Entwicklung grundsätzlich<br />

kritisiert 123 und es wird behauptet, dass es derzeit jedem ohne große Mühe<br />

gelingen dürfte, Einsicht in ein frem<strong>des</strong> Grundbuch zu nehmen. 124 Nicht zuletzt<br />

aus diesem Grund findet man aber auch Stimmen, die für eine weitere Ausdehnung<br />

<strong>des</strong> Rechts auf Grundbucheinsicht plädieren. 125<br />

Andererseits wird jüngst wieder betont, dass das deutsche Grundbuch eben<br />

kein öffentliches Register ist, welches – wie das Handelsregister – jedermann<br />

unbeschränkt zur Einsicht offen steht. 126 Die Grundbucheinsicht, die aus bloßer<br />

Neugier oder zu rechts- bzw. sittenwidrigen Zwecken beantragt wird, ist zu<br />

verweigern. 127 Es ist strittig, ob das Einsichtsrecht unteilbar ist und immer das<br />

gesamte Grundbuch umfasst, oder ob es – je nach dem Umfang <strong>des</strong> berechtigten<br />

Interesses – auf einzelne Abteilungen beschränkt werden kann. 128 Die Grundbucheinsicht<br />

ist jedenfalls nur demjenigen zu gewähren, der im Hinblick auf die<br />

materielle Publizität <strong>des</strong> <strong>Grundbuchs</strong> (§§ 891 ff. BGB) beabsichtigt, auf der<br />

Grundlage der Einsichtnahme unmittelbar rechtlich zu handeln. 129 So wurde<br />

unlängst das Einsichtsrecht Kindern und sonstigen Verwandten <strong>des</strong> Grundstückseigentümers<br />

verweigert, die wider seinen Willen erfahren wollten, ob und<br />

zu welchen Bedingungen er seine Immobilie verkauft hat. 130 Diese strenge<br />

Bauer/Oefele (Fn. 1), § 12 GBO Rn. 21; gegen das Einsichtsrecht aufgrund <strong>des</strong> öffentlichen<br />

Interesses: Melchers (Fn. 103), 309, 312 f.<br />

121 OLG Stuttgart 13.1.1992, Rpfleger 1992, 247.<br />

122 Im Rahmen <strong>des</strong> durch das Bun<strong>des</strong>ministerium für Wirtschaft und Arbeit in 2004 vorgelegten<br />

Programms „Entbürokratisierung und Deregulierung“ war der Verzicht auf die<br />

Darlegung eines berechtigten Interesses bei Einsichtnahme in das Bestandsverzeichnis<br />

und in die erste Abteilung <strong>des</strong> <strong>Grundbuchs</strong> geplant; Wilsch, in: Hügel (Fn. 105), § 12<br />

GBO, Rn. 85 (zu weiteren Reformvorschlägen Rn. 86 ff.).<br />

123 Melchers (Fn. 103), 309, 312 ff.<br />

124 Maaß, in: Bauer/Oefele (Fn. 1), § 12 GBO Rn. 12; Eickmann (Fn. 119), 497, 499.<br />

125 Siehe Franz, Ist das Interesse am Grundstückskauf ein berechtigtes Interesse zur Einsicht<br />

in das Grundbuch?, NJW 1999, 406, 407.<br />

126 OLG Karlsruhe 14.10.2008, ZEV 2009, 42, 43; so bereits: Böhringer (Fn. 107), 181, 183.<br />

127 Böttcher, in: Meikel (Fn. 1), § 12 GBO Rn. 7; Maaß, in: Bauer/Oefele (Fn. 1), § 12 GBO<br />

Rn. 3; Böhringer (Fn. 107), 181, 184.<br />

128 Für eine solche Einschränkung spricht sich die herrschende Meinung aus: Melchers<br />

(Fn. 103), 309, 314 f.; Maaß, in: Bauer/Oefele (Fn. 1), § 12 GBO Rn. 58; Schöner/Stöber<br />

(Fn. 120), Rn. 529; Böhringer, Gebietet das informationelle Selbstbestimmungsrecht die<br />

Grundbuchumschreibung wegen gelöschter Zwangseintragungen?, BWNotZ 1989, 1, 5;<br />

ders. (Fn. 107), 181, 185; aA.: Böttcher, in: Meikel (Fn. 1), § 12 GBO Rn. 67a.<br />

129 OLG Karlsruhe 14.10.2008, ZEV 2009, 42, 43, OLG Düsseldorf 19.2.1997, Rpfleger<br />

1997, 258; Böttcher, in: Meikel (Fn. 1), § 12 GBO Rn. 2; Melchers (Fn. 103), 309,<br />

311.<br />

130 OLG Karlsruhe 14.10.2008, ZEV 2009, 42, 43.


646<br />

Arkadiusz Wudarski<br />

Auslegung findet ihre Bestätigung auch in der früheren obergerichtlichen Rechtsprechung,<br />

nach der etwaige Pflichtteilergänzungsansprüche zu Lebzeiten <strong>des</strong><br />

Erblassers im Allgemeinen weder einen Bedarf noch die Möglichkeit zu rechtlichem<br />

Handeln begründen und die Grundbucheinsicht im Falle der Geltendmachung<br />

zukünftiger Ansprüche nur dann gerechtfertigt wird, wenn diese zur<br />

Feststellung <strong>des</strong> Umfangs oder zur Sicherung <strong>des</strong> Rechts bereits vorher erforderlich<br />

ist. 131 Demzufolge kann die Grundbucheinsicht nicht mit persönlichen<br />

Motiven, etwa dem gedeihlichen Zusammenleben innerhalb einer Familie,<br />

begründet werden. 132<br />

Im Ergebnis ist festzuhalten, dass die deutsche Rechtsprechung bei der<br />

Bestimmung <strong>des</strong> Rechts der Grundbucheinsicht keine einheitlichen Entscheidungskriterien<br />

vermittelt 133 und sich in einem Spagat befindet. Da sich zwei<br />

Grundwertungen gegenüber stehen und nicht beide in vollem Umfang realisiert<br />

werden können, muss eine Abwägung der gegenläufigen Interessen <strong>des</strong> Antragstellers<br />

und <strong>des</strong> im Grundbuch eingetragenen Berechtigten vorgenommen<br />

werden. 134 Die Rechtsprechung geht dabei sehr kasuistisch vor, was teilweise zu<br />

widersprüchlichen Ergebnissen führt.<br />

bb. Frankreich<br />

Die französischen Liegenschaftsregister, deren Charakter von dem polnischen<br />

und deutschen Grundbuch deutlich abweicht, 135 sind jedem uneingeschränkt<br />

zugänglich (la publicité foncière), obwohl die Einsichtnahme nicht unmittelbar<br />

erfolgt. 136 Nach Art. 2449 Code Civil und Art. 38-1 <strong>des</strong> Dekrets vom 14. Oktober<br />

1955 137 kann jede Person vom Grundbuchbeamten 138 eine Abschrift oder<br />

einen Auszug der Urkunden verlangen, die im registre <strong>des</strong> inscriptions und<br />

registre <strong>des</strong> publications oder in der Grundkartei (fichier immobilier) 139<br />

131 OLG Düsseldorf 19.2.1997, Rpfleger 1997, 258.<br />

132 BayObLG 25.3.1998, Rpfleger 1998, 338.<br />

133 Melchers (Fn. 103), 309, 315.<br />

134 Böttcher, in: Meikel (Fn. 1), § 12 GBO Rn. 2; gegen die Berücksichtigung der Geheimhaltungsbelange<br />

<strong>des</strong> Eigentümers bei der Auslegung <strong>des</strong> § 12 GBO: Franz (Fn. 125),<br />

407.<br />

135 In die französischen Liegenschaftsregister werden nicht Rechte an Grundstücken eingetragen,<br />

sondern nur die Urkunden registriert, aus denen sich die Rechte ergeben. Register<br />

genießen den öffentlichen Glauben nicht; Ferid/Sonnenberger, <strong>Das</strong> französische Zivilrecht,<br />

Heidelberg 1986, Band 2, 3 C 70, 599 f.<br />

136 Ferid/Sonnenberger (Fn. 135), 3 C 14, 587; Piedelièvre, Traité de droit civil. La publicité<br />

foncière, Paris 2000, Rn. 133.<br />

137 Nr. 55-1350.<br />

138 Conservateur <strong>des</strong> hypothèques (wörtlich: Hypothekenbewahrer).<br />

139 In der fichier immobilier findet man Auskünfte, die schon in den anderen Registern vorhanden<br />

sind. Fichier ist dazu bestimmt, die Recherche zu vereinfachen und kann als<br />

Suchmittel verwendet werden; dazu Piedelièvre (Fn. 136), Rn. 68; Malaurie/Aynès, Les<br />

sûretés. La publicité foncière, Paris 2006, Rn. 637.


<strong>Das</strong> <strong>formelle</strong> Publizitätsprinzip <strong>des</strong> <strong>Grundbuchs</strong> 647<br />

registriert sind. 140 Die Erteilung einer Abschrift ist gebührenpflichtig 141 und<br />

erfolgt auf Antrag, der schriftlich gestellt werden muss. 142 Es besteht auch die<br />

Möglichkeit, nur die zusammengefasste Auskunft 143 über bestimmte Eintragungen<br />

144 zu beantragen.<br />

Der Antragsteller muss dabei sein Interesse an den sich in diesen Registern<br />

befindlichen Daten nicht begründen. 145 Der Nachweis eines Rechtsinteresses<br />

bzw. berechtigten Interesses ist also nicht erforderlich. 146 Diese uneingeschränkte<br />

und mittelbare Gestaltung der <strong>formelle</strong>n Publizität erstreckt sich auf alle<br />

Registerteile und dort befindliche Informationen; sie betrifft nicht nur die Information<br />

über die geltenden Rechtsverhältnisse an der Liegenschaft, sondern auch<br />

die historischen, nicht mehr gültigen Eintragungen. 147 Darüber hinaus kann der<br />

Antrag auf Abschrifterteilung aus der fichier immobilier nicht nur grundstücks-,<br />

sondern auch personenbezogen gestellt werden. 148<br />

Auch französische Liegenschaftsregister enthalten eine Vielzahl persönlicher<br />

Informationen. Jede Urkunde oder Gerichtsentscheidung, die publikationspflichtig<br />

ist, muss unter anderem Namen, Vornamen, Wohnsitz, Geburtsdatum<br />

und -ort, Beruf der Beteiligten sowie den Namen <strong>des</strong> Ehegatten enthalten. 149<br />

Bislang wurden in Frankreich allerdings keine Kollisionsprobleme zwischen<br />

dem Schutz der Privatsphäre und der Publizität <strong>des</strong> <strong>Grundbuchs</strong> behandelt. 150<br />

cc. Tschechische Republik<br />

Der Grundsatz der <strong>formelle</strong>n Publizität (zásada formální publicity) findet auch<br />

im tschechischen Liegenschaftskatasterrecht seinen Ausdruck. Dieser ist einerseits<br />

in § 13 <strong>des</strong> Gesetzes über die Eintragungen der Eigentumsrechte und anderer<br />

dinglicher Rechte an Liegenschaften 151 und andererseits in § 21 Abs. 1 <strong>des</strong><br />

Gesetzes über das Liegenschaftskataster der Tschechischen Republik (Liegen-<br />

140 Malaurie/Aynès (Fn. 139), Rn. 639; Piedelièvre (Fn. 136), Rn. 137.<br />

141 Die Gebühren sind in Art. 288-299 Code général <strong>des</strong> impôts, annexe 3 geregelt und variieren<br />

je nach der gewünschten Information. Ein Auszug kostet 8-12 EUR, eine Kopie<br />

dagegen 6-30 EUR.<br />

142 Art. 39 <strong>des</strong> Dekrets vom 14.10.1955; Piedelièvre (Fn. 136), Rn. 133.<br />

143 Art. 42-1 <strong>des</strong> Dekrets vom 14.10.1955.<br />

144 Art. 40 Abs. 3 <strong>des</strong> Dekrets vom 14.10.1955; Piedelièvre (Fn. 136), Rn. 141.<br />

145 Piedelièvre (Fn. 136), Rn. 133.<br />

146 Wagemann, Funktion und Bedeutung von Grundstücksregistern, Heidelberg 2002, 23.<br />

147 Man kann jedoch nicht mehr als 50 Jahre vor Antragstellung zurückgehen; Art. 2449<br />

Code Civil und Art. 41 <strong>des</strong> Dekrets vom 14.10.1955.<br />

148 Art. 40 Abs. 2 Nr. 1-2 <strong>des</strong> Dekrets vom 14.10.1955; Piedelièvre (Fn. 136), Rn. 138;<br />

Malaurie/Aynès (Fn. 139), Rn. 637; Wagemann (Fn. 146), 24.<br />

149 Siehe Art. 5 <strong>des</strong> Dekrets vom 4.1.1995, Nr. 55-22.<br />

150 Den Schutz <strong>des</strong> Privatlebens regelt Art. 9 Code Civil.<br />

151 Nr. 265/1992 Slg. [Originaltitel: Zákon o zápisech vlastnických a jiných vcných práv k<br />

nemovitostem].


648<br />

Arkadiusz Wudarski<br />

schaftskatastergesetz – LKG) 152 verankert. 153 Danach ist das Liegenschaftskataster<br />

öffentlich, und jedermann hat das Recht, dieses einzusehen und daraus für<br />

seinen eigenen Bedarf Abschriften, Auszüge und Skizzen zu verlangen.<br />

<strong>Das</strong> tschechische Katastersystem ist seit 2001 auch in EDV-Form zugänglich.<br />

154 Bedingungen zur Gewährung der Informationen aus dem Liegenschaftskataster<br />

regelt die Bekanntmachung Nr. 162/2001 Slg. 155 Registrierte Benutzer<br />

haben umfangreiche online-Einsicht zu Informationen über das Katastralgebiet,<br />

Grundstücke, Gebäude, Eigentümer und andere Berechtigte bzw. Verpflichtete<br />

sowie über sonstige Rechtsverhältnisse. 156 Der registrierte Fernzugriff ist<br />

kostenpflichtig. 157 Im Antrag auf Eröffnung <strong>des</strong> Benutzerkontos, der schriftlich<br />

zu stellen ist, 158 verpflichtet sich der Antragsteller, dass er die Informationen im<br />

Einklang sowohl mit gesetzlichen Bestimmungen über den Zweck als auch mit<br />

dem Gesetz über den Personaldatenschutz verwenden wird. 159 Für nicht registrierte<br />

Internetbenutzer stehen kostenlos nur eingeschränkte Informationen zur<br />

Verfügung. 160 Als Suchbegriff kann nicht der Name <strong>des</strong> Eigentümers angegeben<br />

werden. Die Suche erfolgt lediglich nach Grundstück, Wohneinheit und Gebäude.<br />

Die Einschränkungen der Publizität <strong>des</strong> Liegenschaftskatasters haben einen<br />

Ausnahmecharakter und müssen gesetzlich bestimmt werden. 161 Neben den<br />

dinglichen Rechten 162 werden aber ebenfalls im tschechischen Liegenschaftskataster<br />

personenbezogene Informationen eingetragen. Der Umfang der Informa-<br />

152 Nr. 344/1992 Slg. [Originaltitel: Zákon o katastru nemovitostí České republiky (katastrální<br />

zákon)].<br />

153 Zu weiteren Rechtsquellen <strong>des</strong> tschechischen Immobilienrechts: Ebner, Grundeigentum<br />

und Sicherheiten in Tschechien, VdP-Schriftenreihe, Band 21, Wien/Berlin 2006, 2 f.<br />

154 § 22 Abs. 3 LKG. Švestka/Dvoák u.a., Občanské právo hmotné I, Praha 2009, 435; zur<br />

online-Einsicht siehe http://nahlizenidokn.cuzk.cz/.<br />

155 Die Bekanntmachung <strong>des</strong> tschechischen Amtes für Geodäsie und Liegenschaftskataster<br />

über die Gewährung der Informationen aus dem Liegenschaftskataster der Tschechischen<br />

Republik [Originaltitel: Vyhláška Českého úadu zemmičského a katastrálního č.<br />

162/2001 Slg., o poskytování údaj z katastru nemovitostí České republiky].<br />

156 Švestka/Dvoák u.a. (Fn. 154), 428.<br />

157 Dazu siehe das Gesetz Nr. 634/2004 Slg. über Gebühren in der Staatsverwaltung (20 Einheiten<br />

– 100 CZK) oder die Beilagen der Bekanntmachung Nr. 162/2001; Švestka/Dvoák<br />

u.a. (Fn. 154), 435. Nach dem Mittelkurs der tschechischen Zentralbank<br />

(http://www.cnb.cz/cs/index.html): 1 EUR = 25,670 CZK (Stand: 9.3.2010).<br />

158 Trajer, Katastr nemovitostí, Praha 2006, 305.<br />

159 Kuba/Olivová, Katastr nemovitostí České republiky, Praha 2004, 183 f.<br />

160 <strong>Das</strong> sind Informationen über das Grundstück, Gebäude, Wohneinheiten sowie verfahrensrelevante<br />

Informationen; Kuba/Olivová (Fn. 159), 184 f.<br />

161 Zum Beispiel zur Wahrung der Staatsgeheimnisse Ebner (Fn. 153), 47.<br />

162 In das Liegenschaftskataster werden folgende dingliche Rechte eingetragen: das Eigentumsrecht,<br />

das Pfandrecht, das Recht der Sachlast (entspricht der Dienstbarkeit) und das<br />

Vorkaufsrecht, wenn es sachenrechtlicher Natur ist; § 1 Abs. 1 <strong>des</strong> Gesetzes Nr. 265/<br />

1992 Slg. (Fn. 151).


<strong>Das</strong> <strong>formelle</strong> Publizitätsprinzip <strong>des</strong> <strong>Grundbuchs</strong> 649<br />

tionen über den Eigentümer oder andere berechtigte Personen bestimmt § 10 der<br />

Bekanntmachung Nr. 26/2007 Slg. 163 Für natürliche Personen werden Vor- und<br />

Nachname, Anschrift <strong>des</strong> ständigen Aufenthalts, bzw. Anschrift <strong>des</strong> Wohnorts<br />

im Ausland (wenn die Person keinen ständigen Aufenthalt in Tschechien hat),<br />

sog. Geburtsnummer (rodné číslo) 164 und auch – unter bestimmten Bedingungen<br />

– Titel oder akademische Grade gesammelt und aufbewahrt. Juristische Personen<br />

werden sinngemäß behandelt. 165<br />

Für die Gewährung <strong>des</strong> Umgangs mit den Informationen werden allerdings<br />

einige Bedingungen gestellt, die im LKG und in der Bekanntmachung<br />

Nr. 162/2001 Slg. geregelt sind. Diese Bedingungen zur Bereitstellung der<br />

Informationen aus der sog. Urkundensammlung 166 und der Eigentumsübersicht<br />

167 wurden durch die 2009 erfolgte LKG-Novelle 168 deutlich verschärft. 169<br />

Um Informationen aus diesen zwei Verzeichnissen gewinnen zu können, muss<br />

der Antragsteller seine Identität nachweisen und den Antrag begründen. 170 Die<br />

LKG-Novelle zählt in § 1 Abs. 3 lit. a) LKG abschließend Gründe auf, zu welchen<br />

die im Liegenschaftskataster gesammelten schutzwürdigen Informationen<br />

verwendet werden dürfen. Sie dienen Steuer- und Zahlungszwecken, dem Umweltschutz,<br />

dem Schutz <strong>des</strong> Agrarbodenfonds und dem Schutz der Grundstücke,<br />

die zur Erfüllung der Wald- und Forstwirtschaft bestimmt sind, dem Schutz von<br />

Bodenschätzen und kulturellen Sehenswürdigkeiten, der Erschließung der<br />

163 Die Bekanntmachung Nr. 26/2007 Slg. <strong>des</strong> tschechischen Amtes für Geodäsie und<br />

Liegenschaftskataster zur Durchführung <strong>des</strong> Gesetzes Nr. 265/1992 Slg. über die Eintragungen<br />

der Eigentumsrechte und anderer dinglicher Rechte an Liegenschaften und <strong>des</strong><br />

Gesetzes Nr. 344/1992 Slg. über das Liegenschaftskataster [Originaltitel: Vyhláška č.<br />

26/2007 Sb. Českého úadu zemmičského a katastrálního, kterou se provádí zákon č.<br />

265/1992 Sb., o zápisech vlastnických a jiných vcných práv k nemovitostem, a zákon č.<br />

344/1992 Sb., o katastru nemovitostí České republiky (katastrální vyhláška)]. Siehe auch<br />

Švestka/Dvoák u.a. (Fn. 154), 422.<br />

164 Bei der Geburtsnummer handelt es sich um die jedem Einwohner Tschechiens zugeteilte<br />

zehnstellige Identifikationsnummer, anhand derer sich auch das Geburtsdatum erschließt.<br />

Diese Nummer hat eine breite Verwendung (für Personalausweis, Bankkontoeröffnung,<br />

Kranken- und Rentenversicherung etc.) und fällt unter den Personaldatenschutz; vgl. § 13<br />

Abs. 3 <strong>des</strong> Gesetzes Nr. 133/2000 Slg. über die Registrierung der Einwohner und über die<br />

Geburtsnummern (Gesetz über die Registrierung der Einwohner) [Originaltitel: Zákon o<br />

evidenci obyvatel a rodných číslech (zákon o evidenci obyvatel)].<br />

165 Vgl. Trajer (Fn. 158), 27.<br />

166 Die Urkundensammlung enthält Urkunden, auf deren Grundlage die Eintragung in das<br />

Grundbuch erfolgt: Kaufverträge, Entscheidungen der staatlichen Organe, Pfandverträge<br />

u.a.<br />

167 Aufzählung aller Eigentumsrechte und anderer dinglicher Rechte einer bestimmten Person.<br />

168 Nr. 8/2009 Slg. [Originaltitel: Zákon, kterým se mní zákon č. 344/1992, o katastru<br />

nemovitostí České republiky (katastrální zákon), ve znní pozdjších pedpis].<br />

169 § 21 Abs. 2 LKG.<br />

170 § 21 Abs. 3 LKG.


650<br />

Arkadiusz Wudarski<br />

Grundstücke, der Wertbestimmung der Liegenschaften sowie wissenschaftlichen,<br />

wirtschaftlichen und statistischen Zwecken.<br />

<strong>Das</strong> LKG verbietet ausdrücklich, von diesen Bestimmungen über Zweck und<br />

Verbreitung bezüglich der gewährleisteten Informationen abzuweichen. 171 In<br />

diesem Zusammenhang werden die Identifikationsdaten aller Antragsteller vom<br />

Liegenschaftskatasteramt erfasst und in einem separaten Verzeichnis gesammelt.<br />

172 Sollte es zum Missbrauch der vom Katasteramt erstellten Informationen<br />

kommen, kann das Katasteramt Sanktionen 173 einleiten. Weiterhin sind zivilrechtliche<br />

Schadensersatzansprüche nicht ausgeschlossen. 174 Die Privatsphäre<br />

wird zudem verfassungsrechtlich geschützt. Nach Art. 7 Abs. 1 der tschechischen<br />

Charta 175 sind die Person und ihre Persönlichkeitssphäre unantastbar. 176<br />

Die Verletzung <strong>des</strong> informationellen Selbstbestimmungsrechts durch die Einsicht<br />

in das Liegenschaftskataster ist nicht bekannt und wurde bisher auch nicht<br />

behandelt. Die Bestimmungen zum Schutz der eingetragenen Berechtigten kommen<br />

dem Gedanken <strong>des</strong> informationellen Selbstbestimmungsrechts aber sehr<br />

nahe.<br />

dd. Ungarn<br />

Normative Grundlage für die <strong>formelle</strong> Publizität (nyilvánosság elve) <strong>des</strong> ungarischen<br />

Immobilienregisters stellt § 4 <strong>des</strong> Gesetzes CXLI aus dem Jahr 1997 über<br />

das Immobilienregister (ungIRG) 177 dar. 178 Danach ist das Immobilienregister<br />

171 § 23 lit. i) und j) LKG.<br />

172 § 21 Abs. 5 LKG.<br />

173 Die Sanktionen erschließen sich aus dem Min<strong>des</strong>tlohn, der durch einen bestimmten Koeffizienten<br />

vervielfacht wird. Die Höhe der Strafe hängt dann davon ab, welche Bestimmung<br />

in Verbindung mit der konkreten Person nicht eingehalten wurde (vgl. ausführlich:<br />

§ 24 i.V.m. § 25 Abs. 1-2 LKG). Die Sanktionen können innerhalb eines Jahres nach dem<br />

Tage, an dem das Katasteramt über den Verstoß gegen die Katasterordnung Kenntnis<br />

erlangt hat, spätestens jedoch innerhalb von drei Jahren nach dem Verstoß, eingeleitet<br />

werden (§ 25 Abs. 4 LKG).<br />

174 Vgl. § 415 i.V.m. § 420 <strong>des</strong> Gesetzes Nr. 40/1964 Slg. über das Zivilgesetzbuch [Originaltitel:<br />

Zákon č. 40/1964 Sb., Občanský zákoník)].<br />

175 Beschluss Nr. 2/1993 Slg. <strong>des</strong> Präsidiums <strong>des</strong> Tschechischen Nationalrates über die<br />

Publikation der Charta der fundamentalen Rechte und Freiheiten als Teil der<br />

Verfassungsordnung der Tschechischen Republik [Originaltitel: Usnesení č. 2/1993<br />

Pedsednictva České národní rady o vyhlášení Listiny základních práv a svobod jako<br />

součásti ústavního poádku České republiky].<br />

176 Einschränkungen können nur durch Gesetze festgelegt werden; vgl. Art. 4 Abs. 2 der<br />

tschechischen Charta.<br />

177 Ursprüngliche Fassung verkündet am 17.12.1997 [Originaltitel: 1997. évi CXLI. törvény<br />

az ingatlan-nyilvántartásról].<br />

178 Vgl. Ebner/Illa, Grundeigentum und Sicherheiten in Ungarn, VdP-Schriftenreihe, Band<br />

27, Wien/Berlin 2007, 66.


<strong>Das</strong> <strong>formelle</strong> Publizitätsprinzip <strong>des</strong> <strong>Grundbuchs</strong> 651<br />

öffentlich. 179 Jedermann ist der Inhalt <strong>des</strong> bestimmten Eigentumsblattes 180<br />

grundsätzlich ohne Einschränkung zugänglich, 181 also auch ohne Nachweis<br />

irgendeines berechtigten Interesses. 182<br />

Da das ungarische Immobilienregister vollständig auf EDV-Basis geführt<br />

wird, 183 ist der Inhalt <strong>des</strong> betreffenden Eigentumsblattes zur Einsichtnahme mittels<br />

eines Rechners in lesbarer Form dargestellt. <strong>Das</strong> Registersystem lässt bei<br />

entsprechender Zugangsberechtigung auch die online-Einsichtnahme zu. 184 Über<br />

den Inhalt <strong>des</strong> Eigentumsblattes können Notizen angefertigt und verschiedene<br />

Arten von Abschriften 185 kostenpflichtig 186 angefordert werden. In dem auf die<br />

Einsicht bzw. auf die Ausstellung einer beglaubigten Abschrift gerichteten<br />

Antrag müssen – im Unterschied zum polnischen Recht – die natürlichen Perso-<br />

179 § 4 Abs. 1 ungIRG.<br />

180 <strong>Das</strong> Grundbuch wurde in Ungarn in den 70er Jahren <strong>des</strong> letzten Jahrhunderts zum Eigentumsblatt<br />

umbenannt. Im alten Privatrecht bezeichnete man als Eigentumsblatt den zweiten<br />

Teil <strong>des</strong> <strong>Grundbuchs</strong>, der die Angaben über den Eigentümer enthält. Heute wird das<br />

Eigentumsblatt als Zusammenführung <strong>des</strong> bis zu diesem Zeitpunkt getrennten <strong>Grundbuchs</strong><br />

und Katasters zu einem einheitlichen und aufeinander abgestimmten Immobilienregister<br />

verstanden (Gesetzesverordnung Nr. 31 aus dem Jahre 1972 über das einheitliche<br />

Immobilienregister [Originaltitel: 1972. évi 32. törvényerej rendelet az egységes ingatlan-nyilvántartásról]<br />

sowie dazu gehörend Durchführungsverordnung 27/1972 (XII. 31.)<br />

MÉM). <strong>Das</strong> hat aber weder inhaltliche noch funktionelle Änderungen nach sich gezogen.<br />

<strong>Das</strong> Eigentumsblatt bezieht sich auf eine bestimmte Immobilie und enthält alle Informationen<br />

darüber (vgl. § 19 ungIRG: Überschrift „Eigentumsblatt“). <strong>Das</strong> Eigentumsblatt besteht<br />

aus drei Teilen, deren Inhalte in §§ 16-17 ungIRG (eintragungsfähige Rechte und<br />

anmerkungsfähige Fakten), in fine §§ 1-4 der Durchführungsverordnung zum ungIRG<br />

bestimmt werden [109/1999. (XII. 29.) FVM rendelet az ingatlan-nyilvántartásról szóló<br />

1997. évi CXLI. törvény végrehajtásáról]; zu eintragungsfähigen Rechten: §§ 6-21; zu<br />

anmerkungsfähigen Fakten: §§ 21/A-39/B, zu Arten der Immobilie: §§ 40-59.<br />

181 § 4 Abs. 2 ungIRG.<br />

182 Vgl. dazu Kurucz, Magyar Ingatlan-nyilvántartási jog a bizalomvédelmi hatások<br />

tükrében, Budapest 2007, 291.<br />

183 Vgl. §§ 1, 18 ungIRG.<br />

184 Für das im Jahre 2003 in Betrieb gesetzte System siehe: http://www.takarnet.hu/; zum<br />

Anschluss an die Datenbank der öffentlichen Institutionen: Ebner/Illa (Fn. 178), 66.<br />

185 § 4 Abs. 2 lit. a-b ungIRG.<br />

186 Die Gebühr für die beglaubigte Abschrift beträgt 6.250 HUF (§ 28 Abs. 1); 3.600 HUF<br />

für die beglaubigte Abschrift als Gebühr für die elektronische Datenauskunft (§ 28<br />

Abs. 2) bzw. 1.000 HUF für die unbeglaubigte Abschrift als Gebühr für die elektronische<br />

Datenauskunft; siehe Gesetz LXXXV aus dem Jahre 1996 über die Modifizierung <strong>des</strong><br />

Gesetzes aus dem Jahre 1990 Nr. XCIII über die Gebühren sowie über die Verwaltungsdienstleistungsgebühr<br />

der beglaubigten vollständigen Abschrift <strong>des</strong> Eigentumsblattes<br />

[Originaltitel: 1996. évi LXXXV. törvény az illetékekrl szóló 1990. évi XCIII. törvény<br />

módosításáról, valamint a hiteles tulajdonilap-másolat igazgatási szolgáltatási díjáról].<br />

Nach dem Mittelkurs der ungarischen Zentralbank (www.mnb.hu): 1 EUR = 266,79 HUF<br />

(Stand: 5.3.2010).


652<br />

Arkadiusz Wudarski<br />

nenidentifikationsmerkmale ausgewiesen sein, die von der Immobilienbehörde<br />

überprüft werden. 187<br />

Wie im polnischen und tschechischen Recht betrifft die Einschränkung der<br />

Einsicht Urkunden, die die Grundlage für die Eintragung oder Löschung eines<br />

Rechts darstellen, sowie das sog. Eigentümerverzeichnis. Diese können in der<br />

Regel nur den aufgrund dieser Urkunden eingetragenen Berechtigten bzw. Verpflichteten<br />

oder mit deren Zustimmung zur Einsicht gegeben werden. 188 Davon<br />

sind zwei Ausnahmen im ungarischen Recht vorgesehen. Die erste bezieht sich<br />

auf Dokumente, deren Zugang für den Antragsteller zur Geltendmachung seines<br />

Rechts bzw. zur Erfüllung seiner aufgrund einer Rechtsvorschrift bestehenden<br />

Verpflichtung erforderlich ist. 189 Die zweite umfasst den Inhalt der Urkunden,<br />

der zur Bestimmung der Immobilie als solcher dient, an der die Rechte, die Tatsachen<br />

und andere relevante Informationen geknüpft sind. Diese Inhalte sind<br />

dann ohne Einschränkung zugänglich. 190<br />

<strong>Das</strong> ungIRG enthält auch Einschränkungen der Verwendung der sich im<br />

Immobilienregister befindlichen personenbezogenen Identifikationsangaben.<br />

Nach § 70 Abs. 1 ungIRG können die persönlichen Daten bzw. die Personenidentifikation<br />

(„Personenkennzahl“) im Laufe <strong>des</strong> Datenbankabrufs aus dem<br />

EDV-Immobilienregister nicht dazu genutzt werden, alle Immobilien eines<br />

Eigentümers festzustellen oder darüber Datenauskunft zu leisten. 191<br />

Die Einschränkung im freien Zugang zu den im EDV-Liegenschaftsregister<br />

gespeicherten Daten im Hinblick auf den Schutz der Privatsphäre findet seine<br />

Bestätigung in der neuen ungarischen Rechtsprechung. Nach Ansicht <strong>des</strong> Komitatsgerichts<br />

– bestätigt vom Obersten Gericht (BH 2006/269 192 ) – kann der<br />

Öffentlichkeitsgrundsatz <strong>des</strong> Immobilienregisters nicht isoliert von <strong>des</strong>sen Zweck<br />

und von anderen Grundsätzen interpretiert und angewendet werden. <strong>Das</strong> ungIRG<br />

bildet eine Einheit materiell- und verfahrensrechtlicher Regeln, die der Erfüllung<br />

bestimmter Aufgaben und Erreichung bestimmter Ziele dienen. Dazu gehört<br />

zum Beispiel nicht die Erteilung der Grundbuchabschriften zwecks der Aktualisierung<br />

der Mitgliederliste einer Wasserwirtschaftsvereinigung. Die Erteilung<br />

solcher „Masseninformationen“ dient nicht mehr der Publizität <strong>des</strong> <strong>Grundbuchs</strong><br />

187 § 67 Abs. 1 und § 68 Abs. 1 ungIRG.<br />

188 § 4 Abs. 3 lit. a und c ungIRG; Ebner/Illa (Fn. 178), 66.<br />

189 § 4 Abs. 4 ungIRG.<br />

190 § 4 Abs. 5 ungIRG.<br />

191 Zu Ausnahmen siehe § 70 Abs. 2 ungIRG; es werden dort unter anderem folgende<br />

Subjekte genannt: Gericht, Gerichtsvollzieher, Steuerbehörde, Dienst für die nationale<br />

Sicherheit, Staatsanwaltschaft zur Erfüllung ihrer staatsanwaltlichen Aufgaben und der<br />

Notar zur Abwicklung <strong>des</strong> Nachlassverfahrens.<br />

192 Bírósági Határozatok [Gerichtsentscheidungen] 2006, S. 628-630.


<strong>Das</strong> <strong>formelle</strong> Publizitätsprinzip <strong>des</strong> <strong>Grundbuchs</strong> 653<br />

und verstößt gegen § 8 Abs. 1 Datenschutz-Gesetz. 193 <strong>Das</strong> Komitatsgericht stellte<br />

fest, dass sich die Wasserwirtschaftsvereinigung, die je<strong>des</strong> Jahr neue Grundbuchauszüge<br />

seiner Mitglieder einholen will, nach Maßgabe <strong>des</strong> Datenschutz-<br />

Gesetzes als Datenverwalter qualifiziert und somit die Daten nur aufgrund einer<br />

gesetzlichen Ermächtigung oder mit Zustimmung der eingetragenen Berechtigten<br />

erhalten kann. 194 Die Ausführungen in der Begründung dieser Entscheidung<br />

halten ferner fest, dass die Grundsätze <strong>des</strong> öffentlichen Glaubens und der Offenkundigkeit<br />

nicht ohne Einschränkung anwendbar sind. In mehreren Fällen bestimmt<br />

das ungIRG das Ausmaß der Datenauskunft und deren Modalitäten. So<br />

hebt es besonders die Verwendung und Verwaltung der Personenidentifikation<br />

hervor, bestimmt den Personenkreis, der zur Einsicht von Daten berechtigt ist<br />

und regelt den Inhaltsumfang der auszuhändigenden Dokumente. 195<br />

<strong>Das</strong> oben angeführte Urteil kann so interpretiert werden, dass der Offenkundigkeitsgrundsatz<br />

<strong>des</strong> <strong>Grundbuchs</strong> in Ungarn aufgrund der datenschutzrechtlichen<br />

Regelungen eingeschränkt ist. Aus dieser Sicht wird also das informationelle<br />

Selbstbestimmungsrecht 196 mit dem Publizitätsprinzip in Zusammenhang<br />

gebracht und auf der Ebene <strong>des</strong> Datenschutzes behandelt.<br />

Diese Problematik wird neuerdings auch in der Lehre diskutiert. Szalma plädiert<br />

gegen die Einschränkung der Registerpublizität bezüglich der Urkunden. 197<br />

Kurucz stellt die Kollision <strong>des</strong> informationellen Selbstbestimmungsrechts und<br />

der Öffentlichkeit <strong>des</strong> <strong>Grundbuchs</strong> aufgrund einer verfassungsrechtlichen und<br />

rechtsvergleichenden Analyse dar. Er weist unter anderem darauf hin, dass die<br />

Offenkundigkeit selbst ein verfassungsrechtlich relevantes Erfordernis ist; daher<br />

ist deren Einschränkung nur aufgrund eines anderen Grundrechts im Rahmen<br />

<strong>des</strong> Erforderlichen und Verhältnismäßigen möglich. 198 Die Kenntnis der im<br />

Grundbuch registrierten Informationen wird allen Staatsbürgern zugemutet,<br />

dementsprechend muss die Einsicht in die relevanten Daten durch den Staat<br />

sichergestellt werden. 199 <strong>Das</strong> informationelle Selbstbestimmungsrecht wird<br />

durch das Offenkundigkeitsprinzip verdrängt, wenn es sich um den Inhalt <strong>des</strong><br />

Eigentumsblattes handelt. 200 Kurucz ist aber grundsätzlich mit den gesetzlichen<br />

193 Gesetz LXIII aus dem Jahre 1992 über den Schutz personenbezogener Daten und die<br />

Öffentlichkeit der Daten von öffentlichem Interesse [Originaltitel: 1992. évi LXIII.<br />

törvény a személyes adatok védelmérl és a közérdek adatok nyilvánosságáról].<br />

194 § 2 Abs. 1 und § 8 Abs. 1 DatenSchG.<br />

195 BH 2006, S. 629.<br />

196 Zum informationellen Selbstbestimmungsrecht siehe: § 59 Abs. 1 ungVerfassung [Originaltitel:<br />

1949. évi XX. törvény a Magyar Köztársaság Alkotmánya]; zum Datenschutz<br />

§ 59 (2) ungVerfassung; zum Persönlichkeitsrecht §§ 75 ff. ungZGB [Originaltitel: 1959.<br />

évi IV. törvény a Polgári Törvénykönyvrl].<br />

197 Vgl. Szalma, Ingatlan-nyilvántartás, Telekkönyvi jog és eljárás, Budapest 2005, 58 f.<br />

198 Kurucz (Fn. 182), 284 ff.<br />

199 Kurucz (Fn. 182), 288.<br />

200 Kurucz (Fn. 182), 291.


654<br />

Arkadiusz Wudarski<br />

Einschränkungen bezüglich der Urkunden einverstanden, mit der Begründung,<br />

man brauche die in den Urkunden angegebenen persönlichen Angaben nicht, um<br />

die im Eigentumsblatt registrierten Informationen wahrnehmen zu können. Um<br />

auch zu diesen persönlichen Daten Zugang zu erlangen, setzt das Gesetz zu<br />

Recht voraus, dass man ein berechtigtes Interesse an der Einsichtnahme in die<br />

Urkunden nachweist. Dieses Erfordernis garantiere das Gleichgewicht zwischen<br />

der Offenkundigkeit einerseits und dem informationellen Selbstbestimmungsrecht<br />

andererseits. 201<br />

ee. Portugal<br />

<strong>Das</strong> Grundstücksregister (Registro predial) wird in Portugal sowohl in traditioneller<br />

papierner als auch in EDV-Form geführt. 202 Dessen <strong>formelle</strong>s Publizitätsprinzip<br />

(publicidade) ist im portugiesischen Recht anerkannt, obwohl es an einer<br />

Legaldefinition fehlt. Die wichtigste Funktion <strong>des</strong> Grundstücksregisters wird<br />

bereits in Art. 1 <strong>des</strong> Código do Registro Predial (Grundstücksregistergesetz –<br />

GRG) 203 deutlich, nach dem das Grundstückregister im Wesentlichen dazu<br />

dient, im Hinblick auf die Sicherheit <strong>des</strong> Immobiliarrechtsverkehrs den rechtlichen<br />

Verhältnissen der Grundstücke Publizität zu verleihen. 204 Ferner ergibt sich<br />

die <strong>formelle</strong> Publizität aus Art. 104 f. GRG. Danach hat die Eintragung in das<br />

Grundstücksregister einen öffentlichen Charakter und jede Person kann<br />

Abschriften der Urkunden der Registerakte und der Dokumente aus dem Archiv<br />

beantragen. Die Informationen über den Registerinhalt einschließlich der<br />

Dokumente im Archiv können mündlich oder schriftlich erteilt werden. 205 Es<br />

handelt sich hier aber – so wie in Frankreich – um eine mittelbare Publizität,<br />

denn in der Regel kann nur das Personal der Registerbehörde in den Büchern,<br />

Karteien und Dokumenten nachschlagen. 206 Dem Antragsteller werden Kopien<br />

in vollständiger oder unvollständiger Form gegen Gebühr 207 ausgestellt. 208<br />

201 Kurucz (Fn. 182), 292 f., 296 f.<br />

202 Art. 110 GRG und Erlass (Portaria) Nr. 1513/2008 von 23.12.2008; siehe:<br />

www.predialonline.mj.pt/.<br />

203 Decreto-Lei Nr. 224/84 vom 6.7.1984, zuletzt geändert durch Decreto-Lei Nr. 116/2008<br />

vom 4.7.2008; zur Veranschaulichung der zahlreichen gesetzlichen Änderungen im<br />

Bereich <strong>des</strong> Grundstücksregisters siehe die amtlichen Angaben <strong>des</strong> portugiesischen<br />

Justizministeriums unter:<br />

http://www.dgpj.mj.pt/sections/leis-da-justica/livro-vii-leis-da/registo-predial/codigo-do-registo/.<br />

204 Artigo 1.º (Fins do registo) O registo predial <strong>des</strong>tina-se essencialmente a dar publicidade<br />

à situação jurídica dos prédios, tendo em vista a segurança do comércio jurídico<br />

imobiliário.<br />

205 Art. 104 GRG.<br />

206 Art. 105 Abs. 1 GRG.<br />

207 Art. 109-B Abs. 4 GRG.<br />

208 Art. 105 Abs. 2 GRG.


<strong>Das</strong> <strong>formelle</strong> Publizitätsprinzip <strong>des</strong> <strong>Grundbuchs</strong> 655<br />

Im Grundstücksregister werden nach Art. 108 Abs. 1 GRG von allen eingetragenen<br />

Personen folgende persönliche Daten gespeichert: Name, Zivilstand (falls<br />

ledig Erwähnung über Minderjährigkeit), Name <strong>des</strong> Ehegatten und eheliche<br />

Güterstände, übliche Wohnadresse bzw. berufliche Anschrift und die Steuernummer.<br />

Zusätzlich werden von der einzutragenden Person die Nummer <strong>des</strong><br />

Personal- bzw. Berufsausweises und, falls von ihr vorgelegt, deren Bankkontodaten<br />

gespeichert. 209<br />

Um der unrechtmäßigen Verwendung der im Grundstücksregister gesammelten<br />

Daten vorzubeugen, werden diese nur insoweit öffentlich gemacht, als<br />

dies angesichts der Sicherheit <strong>des</strong> Immobiliarrechtsverkehrs unbedingt erforderlich<br />

ist. 210 Infolge <strong>des</strong>sen wird strikt zwischen grundstücks- und personenbezogenen<br />

Daten unterschieden. Während die Daten hinsichtlich der rechtlichen<br />

Verhältnisse an sämtlichen Grundstücken aus den Datenbanken jeder beantragenden<br />

Person mitgeteilt werden können (Art. 109-A Abs. 1 GRG), werden die<br />

persönlichen Daten prinzipiell nur den staatlichen Organen bzw. juristischen<br />

Personen <strong>des</strong> öffentlichen Rechts zugänglich gemacht (Art. 109-A Abs. 2 i.V.m.<br />

Art. 109-C GRG). Darüber hinaus hat jede Person das Recht, über ihre eigenen<br />

persönlichen Daten informiert zu werden und dementsprechend diese Daten<br />

aktualisieren oder korrigieren zu lassen. 211 Für die wissenschaftliche Forschung<br />

bzw. Statistiken sind die Informationen aus dem Grundstücksregister unter der<br />

Bedingung zugänglich zu machen, dass die betroffenen Personen nicht identifizierbar<br />

sind. 212<br />

In Antragsformularen auf Eintragung ins Grundstücksregister ist ein ausdrücklicher<br />

Hinweis auf die Anweisungen <strong>des</strong> Gesetzes über den Schutz persönlicher<br />

Daten 213 erforderlich. 214 Der Schutz der Privatsphäre wird durch den in<br />

Art. 109-B GRG ausdrücklich enthaltenen Verweis auf dieses Gesetz zusätzlich<br />

verstärkt, sodass die Mitteilung von Daten aus dem Grundstücksregister nur<br />

unter Berücksichtigung der dort vorgesehenen Bedingungen möglich ist. 215 <strong>Das</strong><br />

Personal <strong>des</strong> Grundstücksregisters unterliegt der dienstlichen Verschwiegenheitspflicht.<br />

216 Im Ergebnis ist die Registereinsicht im Interesse <strong>des</strong> Schutzes der<br />

209 Art. 108 Abs. 2 GRG.<br />

210 Art. 106 i.V.m. Art. 1 GRG.<br />

211 Art. 109-D GRG.<br />

212 Art. 109 Abs. 5 GRG.<br />

213 Lei da Protecção dos Dados Pessoais – Lei Nr. 67/98 vom 26.10.1998 (Umsetzung der<br />

RL (EG) Nr. 95/46 <strong>des</strong> Europäischen Parlaments und <strong>des</strong> Rates vom 24.10.1995 zum<br />

Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten und zum<br />

freien Datenverkehr, Abl. EG L 281/31);<br />

http://www.irn.mj.pt/sections/irn/legislacao/ docs-legislacao/legislacao-significativa.<br />

214 Art. 109 Abs. 2 GRG.<br />

215 Art. 106 GRG; dazu Vieira, Direitos Reais, Coimbra 2008, 253.<br />

216 Art. 109-F GRG mit Verweis auf Art. 17 Abs. 1 Gesetz Nr. 67/98.


656<br />

Arkadiusz Wudarski<br />

Privatsphäre weitgehend eingeschränkt. Die sich daraus ergebenden Beeinträchtigungen<br />

im Interesse eines sicheren Rechtsverkehrs sind nicht bekannt. 217<br />

ff. England<br />

(1) <strong>Das</strong> duale Eintragungssystem<br />

<strong>Das</strong> englische Recht kennt zwei Eintragungssysteme für Rechte an Grundstücken<br />

in England und Wales, die 1926 als Teil einer umfassenden Reform <strong>des</strong><br />

Immobilienrechts parallel in Kraft getreten sind. Ziel der Gesetzgebung 218 war<br />

die Errichtung eines Landregistersystems (registered land system). Eintragungsfähig<br />

in dieses System waren: legal estates, d.h. die dinglichen Rechte, die nach<br />

englischem Sachenrecht als „eigentumsähnlich“ gelten, 219 sowie einige dingliche<br />

Rechte, die diese „Eigentumsrechte“ belasten. 220<br />

217 Vgl. vor allem Vieira (Fn. 215), 267-315; Santos Justo, Direitos Reais, Coimbra 2007,<br />

53-80; Menezes Cordeiro, Direitos Reais, Lissabon 1993, 269-285; Oliveira Ascensão,<br />

Direito Civil – Reais, Coimbra 2000, 335-389.<br />

218 <strong>Das</strong> Landregistersystem wurde mittels <strong>des</strong> Land Registration Act 1925 (15 & 16 Geo. 5<br />

c. 21) eingeführt. Im Wege einer umfassenden Novellierung wurde das Gesetz aufgehoben,<br />

und das Land Registration Act 2002 (2002 c. 9) ist an <strong>des</strong>sen Stelle getreten; zur<br />

Vorgeschichte und Beginn <strong>des</strong> Projekts „e-conveyancing“ in England und Wales ausführlich:<br />

Biederer, Die rechtlichen Voraussetzungen elektronischer Grundstückstransaktionen<br />

in rechtsvergleichender Sicht, VdP-Schriftenreihe, Band 22, Berlin 2006, 23 ff.; zur historischen<br />

Entwicklung <strong>des</strong> Registerwesens in England vgl.: Wagemann (Fn. 146), 33 ff.<br />

219 Diese Rechte sind: (1) ein bestehen<strong>des</strong> unbefristetes, unqualifiziertes (d.h. keiner Bedingung<br />

unterworfenes) freehold estate (= ein aus der feudalen Rechtsgeschichte abgeleitetes<br />

Besitzrecht, das dem Eigentum im Endeffekt gleichsteht); (2) ein langfristiges und<br />

ebenso unqualifiziertes leasehold estate (d.h. das befristete Besitzrecht eines Mieters<br />

bzw. eines Pächters, das nach englischem Recht ebenfalls auf der „Eigentums-Ebene“ in<br />

der Hierarchie der dinglichen Rechte steht).<br />

In beiden Fällen muss das estate nach Common Law gelten. Estates, die nur nach<br />

Equity gelten, stellen aus der Sicht <strong>des</strong> reformierten Immobilienrechts gemäß dem Law of<br />

Property Act 1925 (15 & 16 Geo. 5 c. 20), section 1 nur beschränkte bzw. untergeordnete<br />

dingliche Rechte dar. Im Gegensatz zum freehold kann ein leasehold auch nach Common<br />

Law bestehen, wenn es sich um ein Recht an zukünftigem Besitz handelt. Ein leasehold<br />

estate kann gleichzeitig auf zwei Weisen eintragungsfähig sein: erstens als eine Last in<br />

Bezug auf den damit betroffenen fremden (freehold- bzw. leashold-)„Titel“ und zweitens<br />

als ein selbständiger „Titel“, der wiederum auch mit leaseholds sowie beschränkten dinglichen<br />

Rechten belastet werden kann.<br />

<strong>Das</strong> moderne Recht (Commonhold and Leasehold Reform Act 2002, Part 1) kennt<br />

auch ein estate, das z.B. mit dem deutschen Wohnungseigentum vergleichbar ist: nämlich<br />

das commonhold. Dies setzt eine Körperschaft (commonhold association) als Inhaberin<br />

<strong>des</strong> freehold voraus. Es gibt allerdings relativ wenige commonholds: siehe dazu Beitrag<br />

von Smith in diesem Band, 519 ff.; zum Überblick dieser Rechte: Havergal/Banfield,<br />

Land Tenure – Freehold/Leasehold – Registration and Title Issues, in: Rechtsfragen der


<strong>Das</strong> <strong>formelle</strong> Publizitätsprinzip <strong>des</strong> <strong>Grundbuchs</strong> 657<br />

Aus Kostengründen sowie anderen praktischen Überlegungen war von Anfang<br />

an vorgesehen, das Landregister zunächst schrittweise auf das Territorium der<br />

Gerichtsbarkeit zu erstrecken. So entstand aufgrund der vermögensrechtlichen<br />

„Gesetzgebungslawine“ 221 im Jahre 1925 ein paralleles System für unregistered<br />

land (das Immobilienrechtssystem für die nicht eingetragenen Liegenschaften),<br />

das den am Ende viel längeren als ursprünglich gedachten Zeitraum bis zur<br />

Vollständigkeit <strong>des</strong> neuen Landregistersystems überbrücken und mehr oder<br />

weniger äquivalente Lösungen für die vom Landregister noch nicht abgedeckten<br />

Liegenschaften ermöglichen sollte. In diesem Nebensystem wurden nur belastende<br />

Rechte eingetragen, und zwar in Bezug auf den Namen <strong>des</strong> Inhabers <strong>des</strong><br />

betroffenen estate. 222 <strong>Das</strong> System war von Anfang an als „Auslaufmodell“ konzipiert;<br />

im Hinblick auf die inzwischen erfolgte Erstreckung <strong>des</strong> eigentlichen<br />

Landregisters auf sämtliche Grafschaften 223 verliert es allmählich an praktischer<br />

Bedeutung.<br />

(2) Gegenstand und Umfang der Eintragung<br />

<strong>Das</strong> Eintragen im Rahmen <strong>des</strong> Landregistersystems <strong>des</strong> Land Registration Act<br />

sowie <strong>des</strong> „Aschenputtel“-Systems <strong>des</strong> Land Charges Act obliegt Her Majesty‘s<br />

Land Registry, 224 einer Dienststelle der Krone, die 1862 errichtet wurde. 225<br />

Immobilienfinanzierung in England und Wales, VdP-Schriftenreihe, Band 25, Berlin<br />

2006, 8 ff.<br />

220 Zum Beispiel: Grundpfandrechte, Dienstbarkeiten, Miet- und Pachtrechte.<br />

221 Neben der Reform vieler Grundzüge <strong>des</strong> Sachenrechts, insbesondere <strong>des</strong> Immobilienrechts,<br />

kraft <strong>des</strong> Law of Property Act 1925, sowie der Einführung <strong>des</strong> Landregistersystems<br />

gemäß dem Land Registration Act 1925 verabschiedete das Parlament auch Gesetze<br />

für weitgehende Reformen im Erbrecht (Administration of Estates Act 1925 (15 & 16<br />

Geo. 5 c. 23)) sowie das Recht <strong>des</strong> trust (Trustee Act 1925 (c. 19), Settled Land Act 1925<br />

(c. 18)). <strong>Das</strong> Eintragungssystem für einige beschränkte dingliche Rechte (in diesem<br />

Zusammenhang als land charges bezeichnet), die estates belasten, die außerhalb <strong>des</strong><br />

Landregistersystems liegen, wurde mit dem Land Charges Act 1925 (c. 22) eingeführt.<br />

<strong>Das</strong> aktuelle Gesetz ist das Land Charges Act 1972 (c. 61).<br />

222 Land Charges Act 1972, section 3(1).<br />

223 Die Pflicht zur Eintragung in sämtlichen Gebieten Englands und Wales wurde erst 1990<br />

eingeführt.<br />

224 Land Registration Act 2002, section 99(1) (für registered land). Für das land charges<br />

register ist es streng genommen <strong>des</strong>sen Chef (der Chief Registrar: section 99(2)), der<br />

handelt: Land Charges Act 1972, section 1(1) i.V.m. den Definitionen von „registrar“ und<br />

„registry“ in section 17(1).<br />

225 Land Registry Act 1862 (25 & 26 Vict. c. 53), section 2. <strong>Das</strong> damalige Registersystem<br />

basierte auf der Freiwilligkeit der Eintragung und kam vor allem gegen den Widerstand<br />

der im Bereich der conveyancing tätigen Anwälte, die um ihr berufliches Einkommen<br />

bangten, wenig voran.


658<br />

Arkadiusz Wudarski<br />

Der Eintrag eines estate im registered land system besteht aus drei Teilen: 226<br />

– das property register beschreibt den Gegenstand <strong>des</strong> Eigentums (Anschrift<br />

oder Ort – das Ausmaß <strong>des</strong> estate erfolgt unter Hinweis auf einen Plan 227 ),<br />

erwähnt zugehörige Rechte zugunsten <strong>des</strong> estate wie Wegerechte 228 und im<br />

Falle eines leasehold estate ausreichende Einzelheiten zum Miet- bzw.<br />

Pachtvertrag, damit dieser identifiziert werden kann; 229<br />

– das proprietorship register bestimmt, wer Eigentümer ist (Name und Zustellanschrift)<br />

und die Art <strong>des</strong> „Eigentums“ oder die Qualifizierung <strong>des</strong> „Titels“<br />

(sog. class of title); 230 und<br />

– das charges register führt, soweit erforderlich, die Belastungen auf (charges<br />

– hier im weiteren Sinne, also nicht nur Grundpfandrechte, sondern auch<br />

Miet- und Pachtverträge, Grunddienstbarkeiten, usw.).<br />

Neben rein sachenrechtlichen Informationen zeigt das Register, wer Eigentümer<br />

ist (d.h. Name und Zustellanschrift) und, wenn das Recht nach dem 1. April<br />

2000 eingetragen wurde, 231 welcher Preis laut dem zugrunde liegenden Rechtsgeschäft<br />

für den Erwerb <strong>des</strong> estate bezahlt wurde. 232<br />

Im charges register 233 werden die Einzelheiten der Rechtsgeschäfte wie<br />

Datum, Parteien und Art der Verfügung aufgelistet, die Belastungen enthalten,<br />

zusammen mit einem Auszug aus dem Dokument, sofern die Belastung eindeutig<br />

nur einer Klausel im Dokument zuzuordnen ist. Die Identifizierung <strong>des</strong> Dokuments<br />

ermöglicht in jedem Fall auch, dieses einzusehen bzw. eine Kopie<br />

davon zu verlangen. Ist das Grundstück mit einem Grundpfandrecht belastet,<br />

wird die Identität <strong>des</strong> Inhabers <strong>des</strong> Sicherungsrechts sichtbar, jedoch in der Regel<br />

nicht die Höhe der Schuld. Der Name und die Zustellanschrift <strong>des</strong> Inhabers<br />

<strong>des</strong> beschränkten dinglichen Rechts werden ebenfalls angegeben.<br />

226 Land Registration Rules 2003 SI Nr. 1417, rule 4(2); vgl. dazu: Havergal/Banfield<br />

(Fn. 219), 21.<br />

227 Rule 5(a).<br />

228 Rule 5(b).<br />

229 Rule 6(1).<br />

230 Rule 8(1).<br />

231 An diesem trat eine neue Fassung von rule 247 der (damals geltenden) Land Registration<br />

Rules 1925 S.R. & O. Nr. 1093 in Kraft: siehe Land Registration (No. 3) Rules SI<br />

Nr. 3462.<br />

232 Gemäß der Land Registration Rules 2003, rule 8(2) (in geänderter Fassung nach den<br />

Land Registration (Amendment) Rules 2008 SI Nr. 1919, Schedule 1, para. 4(b)) ist der<br />

Erwerbspreis im proprietorship register einzutragen.<br />

233 Land Registration Rules 2003, rule 9 regelt <strong>des</strong>sen Inhalt.


<strong>Das</strong> <strong>formelle</strong> Publizitätsprinzip <strong>des</strong> <strong>Grundbuchs</strong> 659<br />

(3) Uneingeschränkte Einsicht in das Land Charges Register<br />

Zum unregistered land system, in dem nur die belastenden land charges, nicht<br />

die legal estates selbst eingetragen werden, ist öffentlicher Zugang zu den eingetragenen<br />

Informationen stets die Regel. <strong>Das</strong> Land Charges Act 1972, das die<br />

Regelung <strong>des</strong> ursprünglichen Gesetzes von 1925 mit fast identischem Wortlaut<br />

wiedergibt, 234 bestimmt, dass jede Person bei Zahlung der vorgeschriebenen<br />

Gebühr in jedem der nach diesem Gesetz geführten Register suchen darf<br />

(search) 235 und damit unbeschränktes Einsichtsrecht hat.<br />

Allerdings erbringt eine Suche für den Einsichtnehmenden notwendigerweise<br />

nur wenig, da ausschließlich Belastungen eingetragen werden. Einzelheiten<br />

über das estate <strong>des</strong> Inhabers gibt es nicht. Auch die Informationen über die Belastungen<br />

sind auf das Notwendigste beschränkt, um einen potentiellen Erwerber<br />

oder Hypothekar vor den sachenrechtlichen Folgen seines angestrebten Rechtsgeschäfts<br />

eventuell zu warnen. <strong>Das</strong> Register enthält nur den Namen und die Anschrift<br />

<strong>des</strong> Inhabers <strong>des</strong> belastenden Rechts, das Datum und die Namen der<br />

Parteien aus der Vertragsurkunde, die die Grundlage der Belastung bildet.<br />

Ferner enthält das Register die Klassifizierung der Belastung nach dem Schema<br />

<strong>des</strong> Land Charges Act sowie den Namen und die Anschrift <strong>des</strong> Inhabers <strong>des</strong><br />

belasteten estate und schließlich Einzelheiten über das Grundstück, um dieses<br />

identifizieren zu können. 236<br />

(4) Ursprünglich eingeschränkte Einsicht ins Landregister<br />

Im Gegensatz zum land charges register unterlag das registered land system zunächst<br />

nicht dem Prinzip <strong>des</strong> öffentlichen Zugangs <strong>des</strong> Registers für die Allgemeinheit.<br />

In seiner verabschiedeten Fassung bestimmte section 112 <strong>des</strong> Land<br />

Registration Act 1925, dass nur der eingetragene Eigentümer bzw. Inhaber eines<br />

beschränkten dinglichen Rechts und Dritte, die vom Eigentümer dazu befugt<br />

waren (i.d.R. Käufer oder Darlehensgeber), die Register oder die beim Registrar<br />

eingereichten Urkunden einsehen und kopieren durften. Die Vorschrift legte<br />

jedoch den (im Gesetz nicht näher bestimmten) Rahmen für einige Ausnahmen<br />

vor: weitere Einsichtsberechtigungen durften kraft Verordnung oder gerichtlicher<br />

Verfügung bestimmt werden. 237 Außerdem räumte das Gesetz von Anfang<br />

an ein Einsichtsrecht für Vollstreckungsgläubiger 238 sowie die Verwalter einer<br />

Konkursmasse 239 ein.<br />

234 Vgl. Land Charges Act 1925, section 16.<br />

235 Section 9(1); siehe auch die Land Charges Rules 1974 SI Nr. 1286, rule 3(2) (die Form<br />

<strong>des</strong> Antrages bestimmend); vgl. Wagemann (Fn. 146), 38.<br />

236 Land Charges Rules 1974, rule 3(1) („relevant particulars“) i.V.m. Schedule 1.<br />

237 Land Registration Act 1925, section 112.<br />

238 Section 59(3).<br />

239 Section 61(10).


660<br />

Arkadiusz Wudarski<br />

Bei der Neubestimmung <strong>des</strong> Inhalts von section 112 <strong>des</strong> Land Registration Act<br />

durch das Administration of Justice Act 1982 240 wurde an diesem Grundsatz nur<br />

mäßig gerüttelt. Demnach durfte ein County Court oder High Court ein Recht<br />

auf Einsicht und Kopieren eines Registereintrags oder Dokuments einräumen,<br />

soweit nach Überzeugung <strong>des</strong> Gerichts diese Eintragungen Informationen<br />

enthielten, die für ein rechtsanhängiges Verfahren relevant seien. 241 Die Einsicht<br />

oder das Kopieren wurde dem High Court auch „aus sonstigem Grund“ gestattet.<br />

242<br />

(5) Breite Erweiterung <strong>des</strong> Zugangs zum Landregister<br />

Eine Vielzahl von Erweiterungen der gesetzlichen Berechtigungen, die auf bestimmte<br />

Kategorien von Parteien ausgerichtet waren, 243 gab jedoch Anlass, den<br />

Grundsatz neu zu überdenken. 1985 empfahl die Law Commission die Öffnung<br />

<strong>des</strong> Registers für die Öffentlichkeit. 244 Als Begründung verwies die Kommission<br />

auf die Vielzahl von Dritten, die ein berechtigtes Interesse an den Informationen<br />

haben könnten, und meinte, dieses Interesse überwiege den <strong>des</strong> Eingriffs in die<br />

Privatsphäre. Als Beispiele wurden genannt: Mieter oder Pächter, die die Vermieter<br />

(Verpächter) identifizieren müssten; Erschließungsunternehmen, die über<br />

den Erwerb verfallener Grundstücke zu verhandeln gedachten; Eigentümer, die<br />

über die Aufgabe von Grunddienstbarkeiten verhandeln wollten; Eigentümer,<br />

die Zugang zu Nachbargrundstücken zur Durchführung von Reparaturen oder<br />

Beseitigung von Störungen benötigten, sowie Bücherrevisoren, die Betrugsfällen<br />

nachforschen oder Vermögen verfolgen wollten.<br />

Diese Empfehlung wurde vom Parlament im Land Registration Act 1988 245<br />

umgesetzt, der am 3. Dezember 1990 in Kraft trat. 246 Die dadurch neu bestimmte<br />

section 112 <strong>des</strong> Gesetzes von 1925 ermöglichte jeder Person 247 das Recht auf<br />

240 1982 c. 53, section 67(1) i.V.m. Schedule 5, para. (b).<br />

241 Land Registration Act 1925, section 112(2),(3) in der Fassung vom 1.1.1983.<br />

242 Land Registration Act 1925, section 112(2)(ii).<br />

243 Diese wirkten zugunsten der Polizei und der Staatsanwaltschaft (Land Registration Act<br />

1925, section 112 A, eingefügt durch das Administration of Justice Act 1977 (c. 38),<br />

section 25(1)), <strong>des</strong> Insolvenzverwalters und Liquidators (section 112 AA, eingefügt durch<br />

das Insolvency Act 1985 (c. 65), section 215), <strong>des</strong> Grundpfandrechtsgläubigers und der<br />

Bank (section 112B, eingefügt durch das Matrimonial <strong>Home</strong>s and Property Act 1981<br />

(c. 24), section 4(4)) und der Mieter (section 112C, eingefügt durch das Landlord and<br />

Tenant Act 1987 (c. 31), section 51(2)).<br />

244 Property Law: Second Report on Land Registration. Inspection of the Register, Law.<br />

Com. No. 148.<br />

245 1988 c. 3, section 1.<br />

246 Land Registration Act 1988 (Commencement) Order 1990 SI Nr. 1359, Art. 2.<br />

247 Vorbehaltlich der Zahlung einer Gebühr und der Erfüllung sonstiger Bedingungen, die in<br />

einer Verordnung vorgeschrieben werden konnten.


<strong>Das</strong> <strong>formelle</strong> Publizitätsprinzip <strong>des</strong> <strong>Grundbuchs</strong> 661<br />

Einsicht und Kopieren der Eintragungen im Register. 248 <strong>Das</strong> Einsichtsrecht<br />

erstreckte sich auf die im Register erwähnten Dokumente, jedoch unter Ausschluss<br />

von Miet- und Pachtverträgen und Verträgen zu Grundpfandrechten, 249<br />

die offensichtlich die Privatsphäre bzw. Geschäftspraxis der Parteien tangierten.<br />

250<br />

(6) Interessenabwägung bei der Einsicht<br />

Die neue Regelung in section 66 <strong>des</strong> aktuellen Gesetzes von 2002 setzt das Prinzip<br />

<strong>des</strong> offenen Registers anders um. Grundsätzlich sind neben dem Register der<br />

estates und der Vormerkungen nunmehr sämtliche relevanten Dokumente, die<br />

sich in Verwahrung <strong>des</strong> Registrators befinden, dem öffentlichen Einsichts- und<br />

Kopierrecht unterworfen. 251 Ausnahmen sowie Gebühren können per Verordnung<br />

bestimmt werden. 252 Von diesem Recht machen die Land Registration<br />

Rules 2003 Gebrauch. 253 Danach kann jede betroffene Person beantragen, dass<br />

ein Dokument von der Einsicht ausgenommen wird, und zwar dann, wenn dieses<br />

Dokument „prejudicial information“ enthält. 254 Dies geschieht, indem die von<br />

der Einsicht ausgeschlossenen Dokumentteile durch den Vermerk „excluded<br />

information“ ersetzt werden. Der Ausschluss ist bereits bei der Antragstellung<br />

mit einzureichen. 255 Ist der Registrator überzeugt, dass der Antrag nicht grundlos<br />

ist, muss er ihm stattgeben. 256 Würde dagegen seiner Meinung nach der Einsichtsausschluss<br />

das Landregistersystem beeinträchtigen, muss er den Antrag<br />

ablehnen. 257 Eine Ablehnung käme z.B. in Betracht, wenn es sich um den<br />

Erwerbspreis <strong>des</strong> estate oder um eine die Grunddienstbarkeit enthaltende Klausel<br />

handelt. 258<br />

248 Subsection (1)(a) n.F.; vgl. Wagemann (Fn. 146), 43; zur Diskussion über den Zugang<br />

zum elektronischen Grundstückstransaktionssystem vgl.: Biederer (Fn. 218), 66 ff.<br />

249 Subsection (1)(b) n.F.<br />

250 Für sonstige Dokumente im amtlichen Verwahr <strong>des</strong> Registrators sollte eine Verordnung<br />

bestimmen, welche von Rechts wegen und welche nach dem Ermessen <strong>des</strong> Registrators<br />

eingesehen und kopiert werden durften.<br />

251 Subsection (1).<br />

252 Subsection (2).<br />

253 Rules 133, 136 (zum Teil in geänderter Fassung nach den Land Registration (Amendment)<br />

Rules 2008 SI Nr. 1919, Schedule 1, paras. 46, 48)<br />

254 Rule 136(1). Die Formulierung muss vermutlich in dem Sinne verstanden werden, die<br />

Verbreitung der Information wäre nachteilig für den Antragsteller. Als Beispiel nennt das<br />

Land Registry (implizit) die Summe, die durch ein Grundpfandrecht gesichert wird: Land<br />

Registry Public Guide 15 (November 2008). Exempting documents from the general right<br />

to inspect and copy, S. 6.<br />

255 Rule 136(2).<br />

256 Rule 136(3).<br />

257 Rule 136(4).<br />

258 Land Registry Public Guide 15, S. 6.


662<br />

Arkadiusz Wudarski<br />

Die Regelung ermöglicht, den Einsichtsausschluss hinsichtlich unterschiedlicher<br />

Textstellen in demselben Dokument von mehreren Parteien zu beantragen. In<br />

diesem Fall hat der Registrator die Pflicht, eine neu editierte Version <strong>des</strong> Dokuments<br />

vorzubereiten, die alle stattzugebenden Einsichtsausschlüsse berücksichtigt.<br />

259 Der Einsichtsausschluss geht nicht auf den neuen Eigentümer über. Er<br />

bleibt jedoch solange bestehen, bis er entfernt oder vom Antragsteller zurückgenommen<br />

wird. 260<br />

Im Gegenzug dazu kann jede Person eine Kopie der nicht editierten Fassung<br />

beantragen. 261 Die Person, zugunsten derer die Information ausgeschlossen wurde,<br />

wird über den Antrag informiert, es sei denn, eine solche Mitteilung sei<br />

unnötig oder nicht opportun. 262 <strong>Das</strong> bietet dem Betroffenen die Gelegenheit, auf<br />

den Registrator bei seiner Entscheidung einzuwirken. Dem Antrag wird stattgegeben,<br />

wenn nach Überzeugung <strong>des</strong> Registrators feststeht, die ausgenommene<br />

Information sei nicht „prejudicial“ oder das öffentliche Interesse an der Herausgabe<br />

der Kopie überwiege dem öffentlichen Interesse daran, dies nicht zu tun. 263<br />

Eine Revision der Entscheidung <strong>des</strong> Registrators erfolgt durch den High Court<br />

im Wege <strong>des</strong> judicial review. 264<br />

(7) Gebühren<br />

Die Gebühren für die Ausübung der Einsichtsrechte im Landregister 265 sowie im<br />

Register der land charges 266 sind moderat. Etwas höher ist die Gebühr für den<br />

Antrag auf Ausschluss von Informationen aus einem Dokument. 267<br />

259 Rule 136(6).<br />

260 Land Registry Public Guide 15, S. 6.<br />

261 Rule 137(1); siehe auch rule 140, die zugunsten der Polizei, der Staatsanwaltschaft, dem<br />

Finanzamt, dem Insolvenzverwalter und den anderen im Schedule 5 bestimmten Personen<br />

wirkt.<br />

262 Rule 137(3).<br />

263 Rule 137(4).<br />

264 Für ein jüngstes Beispiel dieser Art Verfahren (allerdings betreffend eine ganz andere<br />

sachliche Frage im Zuständigkeitsbereich der Land Registry) siehe R (Smith) v Land<br />

Registry [2009] EWHC 328 (Admin); bejaht [2010] EWCA Civ 200.<br />

265 Der Land Registration Fee Order 2009 SI Nr. 845, Art. 9(1) i.V.m. Schedule 3, Part 2,<br />

para. (1) bestimmt die folgenden Gebühren: Wenn die Suche elektronisch erfolgt, sind<br />

£ 4 pro Register, Vormerkung oder Grundstücksplan zu bezahlen. Für ein im Register<br />

erwähntes oder sonstiges vom Registrator erhaltenes Dokument sind £ 6 fällig, £ 12 für<br />

einen Mietvertrag. Die Gebühren verdoppeln sich, wenn die Suche auf sonstige Weise<br />

erfolgt: para. (2). Für „official copies“ gelten entsprechende Gebühren: paras. (3)-(7). Für<br />

zusätzliche Regelungen für commonholds, die teils abweichen: siehe auch Art. 9(2). Die<br />

Verordnung regelt Gebühren für weitere Dienste wie beispielsweise das Suchen im<br />

Eigentümerverzeichnis oder Kopien historischer Fassungen eines Titels.<br />

266 Land Charges Fees Rules 1990 SI Nr. 327, rule 2 i.V.m. Schedule 1 (£ 1 pro Einsicht<br />

oder Kopie).


<strong>Das</strong> <strong>formelle</strong> Publizitätsprinzip <strong>des</strong> <strong>Grundbuchs</strong> 663<br />

(8) Anwendung <strong>des</strong> Freedom of Information Act 2000<br />

In diesem Zusammenhang kommt das Freedom of Information Act 2000 268<br />

kaum zur Anwendung. Dieser enthält ein allgemeines Recht auf Herausgabe von<br />

Informationen im Besitz einer öffentlichen Behörde, 269 das allerdings durch<br />

verschiedene Ausnahmen eingeschränkt wird. Eine breite Ausnahme, die hier<br />

wegen der gesetzlichen Einsichtsrechte zur Anwendung kommt, 270 bestimmt<br />

section 21(1) <strong>des</strong> Gesetzes. Danach kann die Information, die aus anderen Quellen<br />

„zumutbar zugänglich“ („reasonably accessible“) bezogen werden könnte,<br />

nicht auf diese Weise verlangt werden. 271 Außerdem kann die Herausgabe von<br />

„personal data“ im Sinne <strong>des</strong> Data Protection Act 1998 272 nicht gefordert werden.<br />

273 In diesem Zusammenhang könnte das Freedom of Information Act 2000<br />

allein dann zur Geltung kommen, wenn es um die Offenlegung von Anträgen<br />

(gemäß rule 136 der Land Registration Rules) auf Ausschluss von Informationen<br />

geht. 274<br />

d. Auf der Suche nach einem abgewogenen Publizitätskonzept<br />

aa. Rechtsvergleichende Bewertung<br />

Aufgrund <strong>des</strong> vorgenommenen Streifzugs durch ausgewählte Rechtsordnungen<br />

der EU-Mitgliedstaaten lässt sich feststellen, dass das <strong>formelle</strong> Publizitätsprinzip<br />

<strong>des</strong> Liegenschaftsregisters europaweit bekannt ist und gleichzeitig unterschiedlich<br />

gehandhabt wird. Auf den ersten Blick scheinen die untersuchten Liegenschaftsregister<br />

für jede Person zugänglich zu sein. Am transparentesten ist das<br />

aufwändige französische Registersystem, zu dem der Zugang nicht nur von der<br />

Darlegung irgendeines Interesses unabhängig ist, sondern das auch nach grundstücksbezogenen<br />

und sogar nach personenbezogenen Daten beliebig durchsucht<br />

werden kann. Diese Offenlegung und der Umgang mit den in französischen Registern<br />

befindlichen Daten gehen weit über das Bedürfnis nach Gewährleistung<br />

der Rechtssicherheit hinaus.<br />

Grundsätzlich zeichnen sich jedoch in anderen EU-Ländern die Bemühungen<br />

um eine sachgerechte Abwägung zwischen dem Informationsbedürfnis im<br />

Grundstücksverkehr und dem Schutz der Privatsphäre <strong>des</strong> Eigentümers und<br />

267 Dies kostet £ 26: Land Registration Fee Order 2009, Art. 9(1) i.V.m. Schedule 3, Part 4,<br />

para. (2).<br />

268 2000 c. 36.<br />

269 Section 1(1)(b).<br />

270 Land Registry Public Guide 15 (Juni 2008). Your rights under the Freedom of Information<br />

Act 2000, S. 2.<br />

271 Die Ausnahme gilt absolut: Freedom of Information Act 2000, section 2(2), (3)(a).<br />

272 1998 c. 29.<br />

273 Freedom of Information Act 2000, section 40(1).<br />

274 Vgl. Land Registry Public Guide 15, S. 8.


664<br />

Arkadiusz Wudarski<br />

sonstiger Berechtigter ab. Europäische Rechtsordnungen haben zur Erreichung<br />

dieses Ziels unterschiedliche Wege gewählt, die auch nicht zu gleichen bzw.<br />

optimalen Lösungen führen.<br />

Die Verankerung <strong>des</strong> Schutzes der Privatsphäre in einer allgemeinen Generalklausel<br />

bzw. in einem unscharfen Begriff führt – wie die deutsche Auslegung<br />

„<strong>des</strong> berechtigten Interesses“ zeigt – nicht zur Lösung <strong>des</strong> Problems, sondern zu<br />

<strong>des</strong>sen Verlagerung auf die Rechtsprechung. Wird kein schutzwürdiges Interesse<br />

am derzeitigen oder künftigen Grundbuchinhalt dargelegt, ist – entgegen der<br />

Tendenz zur uferlosen Einsichtsausdehnung – im Hinblick auf das informationelle<br />

Selbstbestimmungsrecht mit besonderer Sorgfalt und Zurückhaltung zu<br />

prüfen, ob ein Anspruch auf Grundbucheinsicht tatsächlich besteht.<br />

Im Gegensatz zur deutschen Rechtslage wird – wie in Frankreich – weder in<br />

Tschechien noch in Ungarn vom Antragsteller eine Darlegung <strong>des</strong> Einsichtsinteresses<br />

gefordert. Die Gewährung der Registereinsicht wird jedoch von der Erfüllung<br />

bestimmter Bedingungen verfahrensrechtlicher Natur abhängig gemacht,<br />

die allerdings keine Hürde für die Einsicht in das Register und in die dort<br />

ersichtlichen personenbezogenen Daten darstellen. Besondere Einschränkungen<br />

gelten dagegen – wie in Polen – für die Urkundensammlung und die Eigentumsübersicht<br />

(das Eigentümerverzeichnis). Die Registersuche nach dem Namen <strong>des</strong><br />

Eigentümers oder sonstiger Berechtigten ist – im Unterschied zu Frankreich und<br />

abgesehen von gesetzlich bestimmten Ausnahmefällen – nicht zulässig. Es werden<br />

auch abschließend Konstellationen vorgegeben, zu denen die im Register<br />

ersichtlichen Informationen verwendet werden können. In der ungarischen<br />

Rechtsprechung wird zudem die Einschränkung der Registerpublizität – im<br />

Gegensatz zu Polen und Deutschland – auf datenschutzrechtlicher Ebene<br />

begründet. Auf der datenschutzrechtlichen Gesetzgebung basiert auch der<br />

Schutz der im portugiesischen Grundstücksregister enthaltenen Daten. Die Verwendung<br />

dieses allgemeinen Schutzmittels berücksichtigt jedoch nicht die Besonderheit<br />

und Funktion <strong>des</strong> <strong>Grundbuchs</strong>. Werden außerdem die im Grundbuch<br />

ersichtlichen Informationen lediglich unter Vorbehalt der in der datenschutzrechtlichen<br />

Regelung vorgesehenen Sanktionen zugänglich gemacht, wird die<br />

Privatsphäre nur nachträglich, also erst nach deren Verletzung, geschützt.<br />

Darüber hinaus erfolgt aber die Interessenabwägung in Portugal präventiv und<br />

besteht in der strikten Unterscheidung zwischen den personen- und den grundstücksbezogenen<br />

Informationen, wobei nur die letzteren von jedermann frei<br />

eingesehen werden können. Die mittelbare Einsicht wird allerdings im Ergebnis<br />

von einer aufgrund dieses Kriteriums vorzunehmenden Entscheidung eines<br />

Beamten abhängig gemacht.<br />

Der dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung zugrunde liegende<br />

Gedanke ist auch der englischen Rechtsordnung nicht fremd, wird jedoch anders<br />

realisiert. Die Einsicht in das Landregister ist derzeit jeder Person möglich und<br />

alles durch Eintragung Schutzfähige ist sichtbar. Die Interessenabwägung


<strong>Das</strong> <strong>formelle</strong> Publizitätsprinzip <strong>des</strong> <strong>Grundbuchs</strong> 665<br />

manifestiert sich aber im Umfang der Eintragung, die sich – im Unterschied zu<br />

anderen Ländern (insbesondere zu Polen) – strikt auf die sachenrechtlich relevanten<br />

Informationen beschränkt. Darüber hinaus umfasst die freie Einsicht<br />

grundsätzlich auch alle die Eintragung begründenden Urkunden. In diesem Fall<br />

bleibt jedoch die Entscheidung über den erforderlichen Schutzumfang der Privatsphäre<br />

möglich, wenn auch jedem Einzelnen überlassen. Der Betroffene kann<br />

die Einsicht in solche Teile der Dokumente ausschließen, die persönlichen<br />

Charakter haben, also nur die betreffenden Parteien angehen und sachenrechtlich<br />

ohne Bedeutung sind. Die Privatsphäre wird also hier nicht von Gesetzes wegen<br />

– wie in anderen europäischen Ländern (Ungarn, Tschechien, Polen, Deutschland)<br />

– geschützt, sondern bedarf <strong>des</strong> aktiven Handelns in Form der Antragstellung<br />

bei dem Registrator. Mit anderen Worten, das Interesse an dem, was in<br />

England von der Einsichtnahme nicht ausgeschlossen werden darf, wird<br />

wahrscheinlich in den meisten Rechtsordnungen die Gewährung der Einsicht<br />

rechtfertigen.<br />

bb. Vorschlag der zweistufigen Publizität für das polnische Grundbuch<br />

Im europäischen Rechtsvergleich stellt sich die polnische Gestaltung der <strong>formelle</strong>n<br />

Grundbuchpublizität als weitgehend liberal dar. Die gesetzlich bestimmten<br />

Einschränkungen bei Einsicht der Grundakte sind zwar angebracht, aber<br />

angesichts <strong>des</strong> Umfangs der Grundbucheintragung nicht ausreichend. Der uneingeschränkte<br />

Zugang zu allen derzeit im polnischen Grundbuch enthaltenen<br />

personenbezogenen Angaben lässt sich mit dem öffentlichen Interesse am<br />

Schutz <strong>des</strong> Rechtsverkehrs nicht rechtfertigen. Diese uneingeschränkte Offenlegung<br />

aller familiären und wirtschaftlichen Angaben ist abzulehnen, denn einerseits<br />

trägt diese nicht zur Erhöhung der Rechtssicherheit bei und andererseits<br />

greift sie sehr weit in die Privatsphäre ein.<br />

Die Ableitung <strong>des</strong> Rechts auf informationelle Selbstbestimmung aus dem<br />

allgemeinen Persönlichkeitsrecht, das durch die deutsche BVerfG-Rechtsprechung<br />

275 fortentwickelt wurde, könnte den Anstoß für die Überprüfung der<br />

Verfassungskonformität der derzeitig uneingeschränkten Einsichtsgewährung in<br />

das polnische Grundbuch geben. Zu diesem Zweck könnte man sich auf Art. 47<br />

Verf. 276 stützen. Danach hat jedermann das Recht auf Schutz <strong>des</strong> Privat- und<br />

Familienlebens, der Ehre, <strong>des</strong> guten Rufes sowie die Entscheidung über sein<br />

persönliches Leben.<br />

Diese Erkenntnis ist nicht ohne Folgen für die Publizität <strong>des</strong> <strong>Grundbuchs</strong>,<br />

deren Umfang durch den Schutz <strong>des</strong> Rechtsverkehrs bedingt wird. Die im<br />

Grundbuch gesammelten Daten sollten daher nur öffentlich gemacht werden,<br />

soweit dies zur Erreichung dieses Ziels unbedingt erforderlich ist. Die Aufgabe<br />

275 Vgl. Barta/Fajgielski/Markiewicz (Fn. 96), 116 f.<br />

276 Die Verfassung der Republik Polen vom 2.4.1997, Dz.U. 1997 Nr. 78, Pos. 483 i.d.g.F.


666<br />

Arkadiusz Wudarski<br />

<strong>des</strong> Gesetzgebers wäre es daher, aufgrund dieses Kriteriums die im Grundbuch<br />

für jedermann zugänglichen Informationen zu verifizieren. Dieses Kriterium<br />

sollte also lediglich der Ausgangspunkt für gesetzgeberische Änderungen sein<br />

und nicht als eine weitere Generalklausel dienen, deren Auslegung der Rechtspraxis<br />

zu überlassen wäre. Geht man von diesem Kriterium aus, so werden viele<br />

Informationen, die sich derzeit im polnischen Grundbuch befinden und die für<br />

jedermann uneingeschränkt zugänglich sind, diesem Maßstab nicht standhalten<br />

können. Die Informationen über Identifikationsnummer, Geburtsdatum, Wohnanschrift,<br />

eheliche Güterstände, nicht mehr geltende historische Eintragungen,<br />

gelöschte Vermerke und die Höhe der dinglichen Belastung müssen sicherlich<br />

nicht für jedermann offengelegt werden. Erstreckt sich der öffentliche Glaube<br />

<strong>des</strong> <strong>Grundbuchs</strong> auf das Bestehen bzw. Nichtbestehen der dinglichen Rechte, so<br />

ist die Angabe <strong>des</strong> dieser Eintragung zugrunde liegenden Rechtsgeschäfts ebenfalls<br />

nicht unbedingt erforderlich.<br />

Der Verzicht auf den Zugang zu solchen Informationen für jedermann, also<br />

auch für Personen, die kein Interesse an den bestehenden Rechten <strong>des</strong> betroffenen<br />

Grundstücks nachweisen können und sich etwa nur aus Neugier über die<br />

Rechtsverhältnisse an dem Grundstück eines Mitarbeiters oder Bekannten<br />

informieren wollen, würde den Schutz der Privatsphäre deutlich verbessern und<br />

zugleich zur besseren Übersichtlichkeit <strong>des</strong> <strong>Grundbuchs</strong> führen. Durch eine<br />

solche engere, aber für jedermann gewährte Offenlegung <strong>des</strong> Grundbuchinhalts<br />

wäre eine Beeinträchtigung <strong>des</strong> Grundstücksverkehrs nicht gegeben.<br />

Wer jedoch das Grundstück kauft oder seine Geldforderungen auf dem<br />

Grundstück absichert, also Personen, die aktiv am Immobilienrechtsverkehr teilnehmen,<br />

müssen selbstverständlich über den aktuellen Rechtsstand <strong>des</strong> Grundstücks<br />

ausführlicher informiert werden. Der Zugang zu weiteren Informationen<br />

<strong>des</strong> <strong>Grundbuchs</strong> sollte also nicht jeder Person, sondern lediglich derjenigen<br />

offen stehen, die bezüglich <strong>des</strong> betroffenen Grundstücks rechtlich handeln will.<br />

In diesem Fall ist nicht nur – wie in Deutschland – die Darlegung eines berechtigten<br />

Interesses, sondern auch der Nachweis <strong>des</strong> Rechtsinteresses keine unzumutbare<br />

Aufgabe. <strong>Das</strong> Zugänglichmachen der erforderlichen Informationen liegt<br />

aber vor allem im Interesse <strong>des</strong> Eigentümers, der seine Vertragspartner zur<br />

Einsicht in das Grundbuch ermächtigen kann. In den meisten Fällen wird<br />

schließlich auch der Notar eingeschaltet, der kraft Amtes im Rahmen seiner<br />

Tätigkeit die Grundbucheinsicht vornimmt.<br />

Im Ergebnis würden zwei gesetzlich bestimmte und nicht durch die Rechtsprechung<br />

bzw. von Betroffenen gebildete Publizitätsebenen entstehen. Auf der<br />

ersten Ebene sollte eine begrenzte Einsicht für jedermann gewährleistet werden.<br />

Auf der zweiten Ebene wird demjenigen, der bezüglich <strong>des</strong> im betreffenden<br />

Grundbuch eingetragenen Grundstücks rechtlich handeln möchte, die erweiterte<br />

Information zugänglich gemacht. Auch im letzteren Fall gilt die Regel: offenkundig<br />

muss nur das sein, was angesichts der Rechtssicherheit nicht verborgen


<strong>Das</strong> <strong>formelle</strong> Publizitätsprinzip <strong>des</strong> <strong>Grundbuchs</strong> 667<br />

werden darf. <strong>Das</strong> Publizitätsprinzip steht im Dienste der Rechtssicherheit und<br />

kann ausschließlich in diesem engen Bezug dem Schutz der Privatsphäre vorgehen.<br />

cc. Grundbuchpublizität und absoluter Charakter der Sachenrechte<br />

Diese Ausführungen geben schließlich Anlass, die Funktion der Publizität der<br />

Immobiliarsachenrechte und ihre Verbindung mit absoluten Rechten zu überdenken.<br />

Heutzutage gibt es eine Vielzahl öffentlicher Register (Handelsregister,<br />

Urheberrechtsregister, Mobiliarpfandregister etc.), die der Offenlegung verschiedener<br />

Rechtsverhältnisse und damit der Rechtssicherheit dienen. Der Publizitätsgedanke<br />

ist also keine Besonderheit der Immobiliarsachenrechte und<br />

kann nicht als aussagekräftiges Abgrenzungskriterium zu anderen Rechten dienen.<br />

Es gibt auch keinen allgemeinen Publizitäts- oder Registrierungszwang für<br />

alle absoluten Rechte, zu denen neben Sachenrechten noch Persönlichkeitsrechte<br />

und Immaterialgüterrechte gehören. Die mangelnde Publizität führt nicht<br />

notwendigerweise zum Verlust <strong>des</strong> absoluten Charakters eines Rechts, denn es<br />

kommt nicht auf seine Publizität, sondern auf seinen Inhalt an.<br />

<strong>Das</strong> polnische Recht gehört zudem – ähnlich wie Frankreich 277 und Italien 278<br />

– zu denjenigen Rechtsordnungen, deren Grundbuchpublizität nicht immer an<br />

die konstitutive Wirkung der Grundbucheintragung anknüpft. Der Erwerb, die<br />

Aufhebung und die Übertragung polnischer Immobiliarsachenrechte sind unterschiedlich<br />

geregelt und erfolgen oft außerhalb <strong>des</strong> <strong>Grundbuchs</strong>. <strong>Das</strong> trifft insbesondere<br />

auf das Eigentumsrecht zu. Erfüllt der Eigentümer die Pflicht zur<br />

obligatorischen, aber nicht konstitutiven Grundbucheintragung nicht, verliert<br />

sein Eigentumsrecht dadurch nicht seinen absoluten Charakter. Besonders<br />

deutlich kommt dieses Auseinanderfallen beim Eigentumserwerb im Wege der<br />

Erbfolge oder Ersitzung zum Ausdruck. Der Eigentümer muss allerdings mit<br />

negativen Rechtsfolgen seiner Unterlassung rechnen.<br />

Im Ergebnis ist festzustellen, dass die Publizität kein unentbehrliches Attribut<br />

<strong>des</strong> absoluten Rechts ist. Der Schutz der absoluten Rechte und insbesondere<br />

ihre erga omnes-Wirkung hängen nicht notwendigerweise von deren Publizität<br />

ab. <strong>Das</strong> absolute Recht und die Publizität sind unabhängige Begriffe, die sowohl<br />

gemeinsam als auch getrennt bestehen können. 279 <strong>Das</strong> ändert nichts daran, dass<br />

die Eintragung in das Grundbuch die Rechtssicherheit gewährleistet und dem<br />

Verkehrsschutz dient.<br />

277 Vgl. Art. 1138 Code Civil.<br />

278 Vgl. Art. 1376 und Art. 2644 Codice Civile, R.D. 16 marzo 1942 n. 262.<br />

279 So auch zum deutschen Recht: Füller, Eigenständiges Sachenrecht?, Tübingen 2006, 252.


668<br />

Arkadiusz Wudarski<br />

III. Administrative Rahmenbedingungen<br />

Neben der oben behandelten materiellrechtlichen Regelung wird die Gestaltung<br />

der Grundbuchpublizität von administrativen Rahmenbedingungen beeinflusst.<br />

Der Grundbuchzugang hängt insbesondere von der Regelung räumlicher und<br />

zeitlicher Bedingungen der Einsichtnahme und deren Umfang ab. In diesem<br />

Zusammenhang bedarf es auch der Prüfung anderer Umstände verfahrensrechtlicher<br />

Natur, die für die Ausübung <strong>des</strong> Einsichtsrechts von Bedeutung sind.<br />

1. <strong>Das</strong> räumlich und zeitlich beschränkte Einsichtsrecht<br />

Polnische Grundbücher sind im Gericht aufzubewahren 280 und dürfen grundsätzlich<br />

nicht aus <strong>des</strong>sen Räumlichkeiten herausgegeben werden. 281 Wird die<br />

Grundakte versandt, ist das Grundbuch davon zu trennen und in der Grundbuchabteilung<br />

zu belassen. 282 Dieses Herausgabeverbot betrifft nicht nur außergerichtliche<br />

Institutionen wie Regierungs- oder Verwaltungsorgane, sondern<br />

auch andere Gerichte. 283 Die Grundbucheinsicht ist derzeit ausschließlich im<br />

Grundbuchgericht und nur während seiner Öffnungszeiten möglich. 284 Der<br />

Präsident <strong>des</strong> Bezirksgerichts kann im Einvernehmen mit Berufsorganisationen<br />

der Notare, Vermögenssachverständigen und Geodäten für Mitglieder dieser<br />

Organisationen bestimmte Tage und Uhrzeiten für das Zugänglichmachen der<br />

Grundbücher 285 vereinbaren. 286 Die Einsicht der Grundbücher 287 erfolgt in ei-<br />

280 Art. 36 1 Abs. 1 GBHG.<br />

281 Art. 36 1 Abs. 2 GBHG.<br />

282 § 95 Abs. 5 S. 1 GO-V.<br />

283 Wird die Grundakte dem Bezirksgericht zur Entscheidung über Rechtsmittel vorgelegt, so<br />

wird der Akte die vollständige Abschrift <strong>des</strong> betreffenden <strong>Grundbuchs</strong> beigefügt, soweit<br />

es im EDV-System geführt wird. Im Falle <strong>des</strong> papiernen <strong>Grundbuchs</strong> wird seine Kopie<br />

beigefügt; § 200 GO-V.<br />

284 Außenstellen der Zentralen Grundbuchinformation sind für Interessenten min<strong>des</strong>tens für<br />

sechs Stunden an jedem Werktag und jeden Montag bis 18 Uhr geöffnet; § 45 Abs. 4 S. 1<br />

i.V.m. Abs. 5 GO-V; vgl. auch § 236 der Anordnung <strong>des</strong> Justizministers vom 12.12.2003<br />

über Organisation und Umfang der Tätigkeit der Gerichtssekretariate und anderer Abteilungen<br />

der Gerichtsverwaltung, Dz. Urz. MS 2003 Nr. 5, Pos. 22 i.d.g.F. (Organisations-A).<br />

285 <strong>Das</strong> Gleiche gilt für Grundakten, geschlossene Bücher oder die vom Notar in ein Depot<br />

gegebenen Dokumente.<br />

286 § 203 Abs. 3 GO-V.<br />

287 <strong>Das</strong> Gleiche gilt für Grundakten, geschlossene Bücher oder die vom Notar in ein Depot<br />

gegebenen Dokumente.


<strong>Das</strong> <strong>formelle</strong> Publizitätsprinzip <strong>des</strong> <strong>Grundbuchs</strong> 669<br />

nem dafür gesondert vorbereiteten Raum oder im ausgesonderten Teil <strong>des</strong> Abteilungssekretariats<br />

(§ 203 Abs. 2 GO-V). 288<br />

2. Zugangsüberwachung<br />

Die Grundbucheinsicht selbst findet in Anwesenheit <strong>des</strong> Gerichtsmitarbeiters<br />

statt, der Grundbücher und deren Akten zur Einsicht zugänglich macht (§ 18<br />

Abs. 1 Nr. 6 FGD-V) 289 und überwacht, ob der Einsichtnehmende keinen Eingriff<br />

in das Grundbuch vornimmt, der die Änderung <strong>des</strong> Grundbuchinhalts,<br />

<strong>des</strong>sen Verlust, Beschädigung oder andere Einschränkungen der Beweiswirkung<br />

zur Folge hätte. 290 Der Gerichtsmitarbeiter erfüllt somit lediglich eine administrative<br />

Schutzfunktion. Darüber hinaus kann er bei der Suche nach den für den<br />

rechtsunkundigen Einsichtnehmenden relevanten Informationen behilflich sein<br />

und beim Lesen und richtigen Verstehen <strong>des</strong> <strong>Grundbuchs</strong> helfen. Dabei kann es<br />

sich grundsätzlich nur um allgemeine Hinweise und technische Hilfen (etwa<br />

beim Umgang mit dem EDV-Grundbuch), nicht aber um eine rechtliche Beratung<br />

handeln, für die das Gericht weder zuständig ist noch haftet.<br />

3. Territorialer Umfang<br />

Alle im EDV-System registrierten Grundbücher können in jeder beliebigen<br />

Grundbuchabteilung eines Amtsgerichts eingesehen werden. 291 Die Einsichtnahme<br />

in papierne Grundbücher ist dagegen territorial beschränkt und kann<br />

lediglich vor Ort in derjenigen Grundbuchabteilung <strong>des</strong> Amtsgerichts erfolgen,<br />

in der sich das betroffene Grundbuch befindet. Mit der vollständigen Einführung<br />

<strong>des</strong> EDV-<strong>Grundbuchs</strong>ystems wird diese Einschränkung beseitigt. Die Einsicht<br />

geht dann über den Gerichtsbezirk hinaus, in dem das Grundbuch geführt wird.<br />

Damit wird die Grundbuchauskunft wesentlich erleichtert und schneller erteilt.<br />

Vorteile der EDV-Grundbucheinsicht können bereits genutzt werden, soweit die<br />

Migration <strong>des</strong> beantragten <strong>Grundbuchs</strong> beendet wurde. 292<br />

288 Räume <strong>des</strong> Grundbucharchivs können dagegen ausschließlich von dort angestellten und<br />

vom Präsidenten <strong>des</strong> Amtsgerichts hierzu ermächtigten Personen betreten werden (§ 203<br />

Abs. 1 GO-V).<br />

289 Die Verordnung <strong>des</strong> Justizministers vom 17.9.2001 über die Führung der Grundbücher<br />

und Dokumentensammlungen, Dz. U. 2001 Nr. 102, Pos. 1122 i.d.g.F.<br />

290 Vgl. Rudnicki (Fn. 79), 206.<br />

291 Vgl. Ciepła/Bałan-Gonciarz (Fn. 90), Art. 36 1 GBHG Anm. 1.<br />

292 Derzeit ist die Migration der Grundbücher in 105 von insgesamt 347 Grundbuchabteilungen<br />

der Amtsgerichte vollständig abgeschlossen; das Verzeichnis ist abrufbar unter:<br />

http://ms.gov.pl/kw/ kw.php#wykaz.


670<br />

Arkadiusz Wudarski<br />

4. Zugangsausschluss<br />

Um die Effektivität der Grundbuchmigration zu gewährleisten, wird die Umstellung<br />

der papiernen Grundbücher auf das EDV-System nicht alleine durch jede<br />

Grundbuchabteilung, sondern durch die besonders zu diesem Zweck errichteten<br />

sog. Migrationsstellen 293 durchgeführt. 294 Der Zugang zu dem sich in der Migration<br />

befindlichen Grundbuch wird daher eingeschränkt, denn das papierne<br />

Grundbuch muss ausnahmsweise die Grundbuchabteilung <strong>des</strong> Amtsgerichts vorübergehend<br />

verlassen und in die jeweils zuständige Migrationsstelle transportiert<br />

werden. Während der Migration kann weder das Grundbuch eingesehen noch<br />

<strong>des</strong>sen Abschrift erteilt werden. 295 Da die Grundbuchmigration zehn Tage nicht<br />

überschreiten darf, 296 stellt diese Abweichung vom <strong>formelle</strong>n Publizitätsprinzip<br />

keine große Gefahr für die Sicherheit <strong>des</strong> Rechtsverkehrs dar. 297 Nach der Rückkehr<br />

<strong>des</strong> <strong>Grundbuchs</strong> aus der Migrationsstelle hat das Amtsgericht unverzüglich<br />

den in der zentralen Datenbank der Grundbücher gespeicherten Grundbuchinhalt<br />

um Vermerke über Anträge, über die von Amts wegen eingeleiteten Verfahren,<br />

über Anfechtungsmittel sowie über Beschwerden gegen Entscheidungen der<br />

Rechtspfleger zu ergänzen, die während <strong>des</strong> Migrationsvorgangs eingegangen<br />

sind. 298 Danach wird der Grundbuchinhalt im EDV-System zugänglich. 299 Der<br />

Inhalt <strong>des</strong> Datenspeichers selbst stellt das Grundbuch im Sinne <strong>des</strong> Gesetzes dar.<br />

Mit dem Zeitpunkt der Speicherung <strong>des</strong> Grundbuchinhalts in der zentralen<br />

Datenbank der Grundbücher wird das bisherige Grundbuch Bestandteil der<br />

Grundakte 300 und kann nur noch von einer Person, die ein rechtliches Interesse<br />

nachweist oder von einem Notar eingesehen werden. 301 Im Falle der Unmöglichkeit<br />

der Beseitigung <strong>des</strong> Hindernisses für die unmittelbare Einsichtnahme in das<br />

293 Die Migrationsstelle der Grundbücher ist die Abteilung <strong>des</strong> Bezirksgerichts, das für das<br />

Amtsgericht handelt, das die bisherigen Grundbücher führt (Art. 2 Abs. 2 Nr. 3 MigrationsG).<br />

294 Nach Art. 3 MigrationsG wird die Übertragung <strong>des</strong> bisherigen Grundbuchinhalts in die<br />

Struktur <strong>des</strong> im elektronischen System geführten <strong>Grundbuchs</strong> durch die Migrationsstelle<br />

unter Anwendung <strong>des</strong> elektronischen Systems vorgenommen, von dem in Art. 251 <strong>des</strong><br />

Gesetzes vom 6.7.1982 über Grundbücher und Hypothek (Dz. U. von 2001 Nr. 124,<br />

Pos. 1361 und Nr. 125, Pos. 1368 sowie von 2002 Nr. 169, Pos. 1387) die Rede ist. Der<br />

Justizminister entscheidet im Wege der Anordnung über die Errichtung und Aufhebung<br />

der Migrationsstellen, bestimmt deren Anzahl und Sitz und benennt die Amtsgerichte,<br />

deren Bücher der Migration in die zuständige Stelle unterliegen. Die Aufsicht über die<br />

Tätigkeit der Migrationsstelle übt der Präsident <strong>des</strong> Bezirksgerichts aus.<br />

295 Borkowski/Trzeniewski-Kwiecie (Fn. 88), 17.<br />

296 Art. 7 Abs. 2 MigrationsG.<br />

297 Borkowski/Trzeniewski-Kwiecie (Fn. 88), 17.<br />

298 Art. 15 Abs. 2 MigrationsG.<br />

299 Rudnicki (Fn. 79), 32; Ciepła/Bałan-Gonciarz (Fn. 90), Art. 36 1 GBHG Anm. 2.<br />

300 Art. 15 Abs. 1 MigrationsG.<br />

301 Art. 36 1 Abs. 4 GBHG; Ciepła/Bałan-Gonciarz (Fn. 90), Art. 2 GBHG Anm. 2.


<strong>Das</strong> <strong>formelle</strong> Publizitätsprinzip <strong>des</strong> <strong>Grundbuchs</strong> 671<br />

EDV-Grundbuch ist jedermann berechtigt, sich über den Grundbuchausdruck 302<br />

zu informieren. 303<br />

5. Antragstellung<br />

Die Einsicht erfolgt auf Antrag und ist gebührenfrei. Ist das Grundbuch bereits<br />

im EDV-System geführt, so ist für die Antragstellung ein besonderer amtlicher<br />

Vordruck vorgesehen, <strong>des</strong>sen Muster in der nach Art. 125 § 3 S. 1 ZPO erlassenen<br />

Verordnung 304 bestimmt wurde. 305 Die Nutzung dieses Vordrucks ist keine<br />

zwingende Voraussetzung für die Einsicht in das Grundbuch und somit führt<br />

deren Nichtbeachtung nicht zur Zurückweisung <strong>des</strong> Antrags. Diese Folge könnte<br />

nur dann eintreten, wenn eine Sondervorschrift die Antragstellung auf amtlichem<br />

Vordruck explizit vorgeschrieben hätte. 306 Hier fehlt es an einer solchen<br />

Rechtsgrundlage. Die für den Antrag auf Erteilung der Grundbuchabschrift<br />

(in § 4 Abs. 1 ZGI-V 307 ) oder auf Grundbucheintragung (in Art. 626 2 § 1 ZPO)<br />

ausdrücklich geregelte zwingende Form ist restriktiv auszulegen und kann nicht<br />

auf die Grundbucheinsicht ausgedehnt werden. Der Vordruck für die Antragstellung<br />

auf Grundbucheinsicht hat daher Ordnungscharakter und dient lediglich der<br />

effizienten Antragsbearbeitung und statistischen Zwecken.<br />

Offen bleibt die Frage, ob der Antrag auch mündlich gestellt werden kann.<br />

Dagegen könnte allerdings sprechen, dass das Grundbuchverfahren ein Außerstreitverfahren<br />

ist, bei dem der für die Prozessführung charakteristische Mündlichkeitsgrundsatz<br />

sehr eingeschränkt ist. 308 Alle Handlungen werden in Schrift-<br />

302 Der Grundbuchausdruck wird bei der Änderung <strong>des</strong> Grundbuchinhalts angefertigt und<br />

durch die Person unterschrieben, die diese Änderung vorgenommen hat; er hat Beweisfunktion<br />

und wird in der Grundakte aufbewahrt.<br />

303 Art. 36 4 Abs. 5 GBHG.<br />

304 Verordnung <strong>des</strong> Justizministers vom 14.8.2003 über die Bestimmung der Muster und der<br />

Art und Weise <strong>des</strong> Zugänglichmachens der amtlichen Antragsvordrucke, die in Amtsgerichten,<br />

die Grundbücher im EDV-System führen, angewendet werden, Dz. U. 2003<br />

Nr. 156, Pos. 1527 i.d.g.F. (Form-V).<br />

305 Dieser wird in der nach Art. 125 § 3 S. 1 ZPO erlassenen Verordnung (Form-V) geregelt.<br />

Amtliche Vordrucke sind in den Grundbuchabteilungen der Amtsgerichte und in der<br />

Zentralen Grundbuchinformation unentgeltlich erhältlich; sie sind auch im Internet auf<br />

der offiziellen Webseite <strong>des</strong> Justizministers jederzeit abrufbar. <strong>Das</strong> Vordrucksmuster<br />

„Antrag auf Grundbucheinsicht/Erteilung <strong>des</strong> Grundbuchausdrucks“ ist mit dem Symbol<br />

KW-WGLAD versehen und stellt den Anhang Nr. 8 zur Form-V dar.<br />

306 Vgl. Art. 125 § 2 i.V.m. Art. 130 1 § 1 1 , § 2 S. 1 ZPO.<br />

307 Verordnung <strong>des</strong> Justizministers vom 14.8.2003 über die Zentrale Grundbuchinformation,<br />

Dz. U. 2003 Nr. 162, Pos. 1571 i.d.g.F.<br />

308 Nach Art. 148 § 2 ZPO kann das Gericht eine Sache zu einer öffentlichen Sitzung überweisen<br />

und eine mündliche Verhandlung auch dann anberaumen, wenn die Sache in einer<br />

nichtöffentlichen Sitzung zu entscheiden ist; in dieser Hinsicht auf das Grundbuchverfah-


672<br />

Arkadiusz Wudarski<br />

form vorgenommen und in nichtöffentlicher Sitzung entschieden. 309 Für den<br />

Ausschluss mündlicher Form spricht auch die Abkehr <strong>des</strong> polnischen Gesetzgebers<br />

von der mündlichen Klageerhebung im Streitverfahren 310 durch die Aufhebung<br />

<strong>des</strong> Art. 188 ZPO. 311 Hat der Gesetzgeber die mündliche Form der Einleitung<br />

<strong>des</strong> Streitverfahrens auch für Ausnahmefälle ausgeschlossen, umso weniger<br />

könnte diese dann in dem noch stärker formalisierten Grundbuchverfahren<br />

zulässig sein. Andererseits hat der Antrag auf Grundbucheinsicht einen anderen<br />

Charakter als die Klageschrift und weist auch viele Abweichungen vom Grundbuchverfahren<br />

im engeren Sinne auf. 312 Berücksichtigt man diese Besonderheiten<br />

und geht man von der derzeit unbeschränkten Gestaltung <strong>des</strong> <strong>formelle</strong>n<br />

Publizitätsprinzips in Polen aus, sollte der mündliche Antrag zugelassen<br />

werden. 313 Im Falle <strong>des</strong> EDV-<strong>Grundbuchs</strong> könnte die Antragstellung sogar konkludent<br />

möglich sein, indem der Antragsteller das Grundbuch auf der Bildschirmoberfläche<br />

abruft. Dies liegt sogar im beiderseitigen Interesse, denn es<br />

führt zur Arbeitsentlastung und wäre sogar erwünscht, wenn der Antragsteller –<br />

in Ausnahmefällen – nicht oder nur mit großer Mühe in der Lage wäre, die<br />

Schriftform einzuhalten.<br />

Aus der Tatsache, dass ein amtlicher Vordruck zur Verfügung gestellt wird,<br />

ergibt sich allerdings deutlich, dass diese Form bevorzugt wird. Im Unterschied<br />

zu anderen Gerichtsformularen und zu Grundbuchabschriften ist dieser<br />

Vordruck verständlich, kurz gefasst und kann daher mühelos in kurzer Zeit<br />

ren: Maziarz, Postpowanie wieczystoksigowe – Komentarz, Warszawa 2008, Art. 626 1<br />

§ 1 ZPO, 14 f.<br />

309 Art. 626 1 § 1 ZPO.<br />

310 Vgl. Ereciski/Gudowski/Jdrzejewska, Kodeks postpowania cywilnego, Komentarz,<br />

Band 3, Warszawa 2007, Art. 511 ZPO Anm. 7.<br />

311 Art. 188 ZPO wurde durch Art. 1 Nr. 11 der ZPO-Novelle vom 24.5.2000 (Dz. U. 2000<br />

Nr. 48, Pos. 554) aufgehoben. Vorher konnte die von Gerichtskosten befreite und ohne<br />

Rechtsanwalt oder Rechtsberater tätige Partei bei dem zuständigen Gericht oder bei dem<br />

Kreisgericht ihres Wohnsitzes eine Klage auch mündlich erheben. Bei entsprechender<br />

Sachlage hatte das Gericht den Kläger auf die Unzulässigkeit der Klage aus <strong>formelle</strong>n<br />

Gründen bzw. auf ihre offensichtliche Unbegründetheit hinzuweisen. Wurde die Klage<br />

bei dem (nicht zuständigen) Kreisgericht eingereicht, hatte dieses die Akte unverzüglich<br />

an das zuständige Gericht weiterzuleiten.<br />

312 Es handelt sich insbesondere nicht um ein Grundbucheintragungsverfahren (Art. 626 1-13<br />

ZPO), sondern um Grundbuchführung (§ 2 FGD-V). Es wird keine Eintragung in das<br />

Grundbuch, sondern der Zugang zu dem Grundbuch beantragt. Neben dem Antragsteller<br />

gibt es keine anderen Beteiligten. Grundbücher werden von Gerichtsmitarbeitern zur Einsicht<br />

freigegeben; hierfür bedarf es keiner Entscheidung <strong>des</strong> Gerichts. Eine Verweigerung<br />

der Einsicht in das Grundbuch, die aber in der Praxis nicht vorkommt und deren Folgen<br />

auch nicht ausdrücklich geregelt sind, müsste – durch entsprechende Anwendung <strong>des</strong><br />

§ 201 Abs. 4 GO-V – mittels der Beschwerde an den Präsidenten <strong>des</strong> Amtsgerichts und<br />

nicht im Wege der Berufung an die zweite Gerichtsinstanz angefochten werden.<br />

313 Für mündliche Antragsform ohne Begründung Sługiewicz (Fn. 93), 41.


<strong>Das</strong> <strong>formelle</strong> Publizitätsprinzip <strong>des</strong> <strong>Grundbuchs</strong> 673<br />

ausgefüllt werden. Deswegen stellt er kein Hindernis für die Grundbucheinsicht<br />

dar 314 und wird in der Praxis sogar bei Antragstellung auf Einsicht in das papierne<br />

Grundbuch verwendet, obwohl es dafür keine amtlichen Vordrucke gibt.<br />

6. Ermittlung <strong>des</strong> <strong>Grundbuchs</strong><br />

Der Antragsteller hat im Vordruck – neben seinen Vor- und Nachnamen (bzw.<br />

der Firmenbezeichnung) – nur die Nummer <strong>des</strong> <strong>Grundbuchs</strong> anzugeben. Weitere<br />

Informationen, wie etwa Wohnanschrift, Nummer <strong>des</strong> Personalausweises oder<br />

Lage der gesuchten Liegenschaft, sind entbehrlich. Ist ihm die Nummer <strong>des</strong><br />

<strong>Grundbuchs</strong> nicht bekannt, kann er sie aufgrund <strong>des</strong> Verzeichnisses „Evidenz<br />

der Grundstücke und Gebäude“ 315 zu ermitteln versuchen. Im Falle der genossenschaftlichen<br />

Räumlichkeiten sollten erforderliche Identifikationsangaben in<br />

der zuständigen Genossenschaft zu finden sein. Im Übrigen ist die Ermittlung<br />

<strong>des</strong> EDV-<strong>Grundbuchs</strong> aufgrund anderer Angaben mit keinem großen zeitlichen<br />

Aufwand verbunden und kann sogar durch eine durchschnittlich PC-kundige<br />

Person im EDV-<strong>Grundbuchs</strong>ystem mühelos erfolgen. Im Falle <strong>des</strong> papiernen<br />

<strong>Grundbuchs</strong> wird die Suche allerdings erschwert, aber nicht unmöglich. Andererseits<br />

ist dem Gericht vom Gesetzgeber keine Pflicht auferlegt, die Nummer<br />

<strong>des</strong> <strong>Grundbuchs</strong> zu ermitteln. In der Gerichtspraxis wird zwar bei der Ermittlung<br />

der Grundbuchnummer geholfen, aber es besteht kein rechtlicher Anspruch<br />

darauf. Die Ermittlung der Grundbuchnummer hängt also vom guten Willen <strong>des</strong><br />

Gerichtsmitarbeiters ab.<br />

Darüber hinaus beschränken sich die vom Gericht vorgenommenen Bemühungen<br />

um die Ermittlung der Nummer <strong>des</strong> papiernen <strong>Grundbuchs</strong> in der Praxis<br />

lediglich auf die Einsicht in zwei Verzeichnisse (Eigentümerverzeichnis und<br />

Verzeichnis der eingetragenen Berechtigten der beschränkt dinglichen Rechte),<br />

314 Die Verwendung <strong>des</strong> amtlichen Vordrucks im Gerichtsverfahren wurde verfassungsrechtlich<br />

überprüft. Im Rahmen dieser Prüfung wurde Art. 130 1 § 1 ZPO für unvereinbar<br />

mit Art. 32 Abs. 1 Art. 45 Abs. 1 und Art. 78 Verf. und mit Art. 6 Abs. 1 EMRK erklärt;<br />

für verfassungswidrig wurde auch die Verordnung vom 20.9.2000 über die Bestimmung<br />

der Muster und der Art und Weise <strong>des</strong> Zugänglichmachens der amtlichen Antragsvordrucke<br />

der Gerichtsstücke für die Parteien im Zivilverfahren (Dz. U. Nr. 81, Pos. 911)<br />

erklärt. Aus dem Urteil <strong>des</strong> Verfassungsgerichtshofs ergibt sich aber, dass es dem Gesetzgeber<br />

freisteht, amtliche Vordrucke einzuführen, soweit sie allgemein zugänglich sind,<br />

die Gleichbehandlung der Parteien gewährleistet wird und der Schwierigkeitsgrad ihrer<br />

Ausfüllung einen effektiven Rechtsschutz weder verhindert noch zu sehr erschwert. Die<br />

Barriere für den Zugang zum Gericht sind also nicht die Vordrucke, sondern Einschränkungen<br />

in der Möglichkeit, fehlerhafte Ausfüllungen zu korrigieren. Für verbesserungsbedürftig<br />

wurden auch die Struktur und die Belehrungsformel der Vordrucke gehalten;<br />

Urteil <strong>des</strong> Verfassungsgerichtshofs vom 12.3.2002 (Az.: P 9/01), Anm. 11, 13, Dz. U.<br />

2002 Nr. 26, Pos. 265, OTK-A 2002 Nr. 2, Pos. 14, LEX-Datenbank Nr. 54048; vgl.<br />

Siciski (Fn. 86), 953.<br />

315 Siehe dazu: S. 689 f. (IV.6.c.dd.).


674<br />

Arkadiusz Wudarski<br />

die das Grundbuchgericht führt 316 und die in der Praxis in einem Verzeichnis<br />

zusammengefasst werden. Verläuft diese Ermittlung erfolglos, stellt das Gericht<br />

eine Bescheinigung aus, dass das gesuchte Grundbuch in diesen Verzeichnissen<br />

nicht gefunden wurde. <strong>Das</strong> bedeutet aber keinesfalls, dass das gesuchte Grundbuch<br />

überhaupt nicht existiert. Wenn auch die Einsicht in diese Verzeichnisse in<br />

den meisten Fällen für die Ermittlung der Grundbuchnummer ausreicht, sind sie<br />

leider keine lückenlose Informationsquelle. 317 <strong>Das</strong> hängt mit ihrer früheren,<br />

nicht immer zuverlässigen Führung durch staatliche Notariatsbüros und mit deren<br />

späteren ungeordneten Übergabe an die Gerichte zusammen. 318 In manchen<br />

Gerichtsbezirken sind die Eigentümerverzeichnisse überhaupt nicht errichtet<br />

worden. 319<br />

Die Unkenntnis der Grundbuchnummer kann negative Folgen hervorrufen,<br />

die nicht nur in die Verweigerung der Einsicht in das Grundbuch, sondern auch<br />

in die Nichtbearbeitung <strong>des</strong> Antrags auf Grundbucheintragung 320 münden können.<br />

<strong>Das</strong> könnte zum eventuellen Rangverlust und darüber hinaus sogar zur<br />

Errichtung eines neuen (zweiten) <strong>Grundbuchs</strong> für dasselbe Grundstück führen.<br />

Daher ist die strikte Abhängigkeit der Grundbucheinsicht von der Kenntnis der<br />

Grundbuchnummer zu bemängeln, ohne zugleich einen rechtlich gesicherten<br />

Weg zu deren Ermittlung zu gewährleisten. Ist die Nummer <strong>des</strong> <strong>Grundbuchs</strong><br />

dem Antragsteller nicht bekannt, sollte das Grundbuchgericht gesetzlich verpflichtet<br />

werden, diese Nummer auf Antrag zu ermitteln. 321 Dem Grundbuchgericht<br />

weitgehende Prüfpflichten aufzuerlegen, wird allerdings nicht empfohlen,<br />

denn dies könnte zu einer Arbeitsüberlastung führen, die das Grundbuchgericht<br />

hindern würde, seine Hauptfunktionen ordnungsgemäß wahrzunehmen. Im Ergebnis<br />

würde dies den Immobilienverkehr mehr behindern als ihm dienen.<br />

316 § 238 Abs. 1 Nr. 8-9; § 258 Organisations-A.<br />

317 Sługiewicz (Fn. 93), 90.<br />

318 Ausführlich zu diesen Problemen und Strukturveränderugen: Kołodziej (Fn. 66), 35 ff.<br />

319 So etwa für Warschau: Siciski (Fn. 97), 13.<br />

320 Fehlt im Antrag auf Eintragung die Grundbuchnummer, so kann das die Zurückweisung<br />

<strong>des</strong> Antrags auch dann zur Folge haben, wenn es dem Gericht in seinem eigenen<br />

Geschäftsbereich aufgrund anderer im Antrag enthaltener Angaben möglich wäre, die<br />

Grundbuchnummer zu ermitteln; Maziarz (Fn. 308), Art. 626 2 § 1 ZPO, 36 f.; Siciski<br />

(Fn. 86), 954.<br />

321 Vgl. zum deutschen Recht § 12a Abs. 1 S. 3 GBO; dazu Maaß, in: Bauer/Oefele (Fn. 1),<br />

§ 12a GBO Rn. 3 f.


<strong>Das</strong> <strong>formelle</strong> Publizitätsprinzip <strong>des</strong> <strong>Grundbuchs</strong> 675<br />

IV. Grundbuchabschrift als Publikationsform<br />

1. Differenzierte Betrachtung<br />

Die Grundbuchabschrift ist nichts anderes als eine besondere Form der Grundbucheinsicht.<br />

Sie spiegelt den Grundbuchinhalt wider und ist sehr oft eine im<br />

Rechtsverkehr unentbehrliche Grundlage für Bewertung, Belastung, Kauf sowie<br />

für die Vornahme sonstiger Rechtsgeschäfte bezüglich der Grundstücke. Ist das<br />

Grundbuch als öffentliches Register konzipiert, in das jedermann Einsicht hat,<br />

so sollte ebenfalls jede Person berechtigt sein, Grundbuchabschriften aller Art<br />

zu beantragen. Jedenfalls soll der Kreis der berechtigten Personen identisch<br />

geregelt werden. Die Berechtigung zum Erhalt der Grundbuchabschrift weicht<br />

jedoch von der Rechtslage bei der Grundbucheinsicht deutlich ab. Während die<br />

Einsicht in das Grundbuch jeder Person zusteht, ist der Kreis der zur<br />

Grundbuchabschrift berechtigten Personen von der Form der Grundbuchführung<br />

und, im Falle <strong>des</strong> papiernen <strong>Grundbuchs</strong>, zusätzlich von der Art der Abschrift<br />

abhängig.<br />

2. Arten und Inhalt der Abschriften<br />

Aus dem in der Papierform geführten Grundbuch können Abschriften erstellt<br />

werden, die den letzten Stand der Eintragungen wiedergeben (Art. 36 2 Abs. 1<br />

GBHG) 322 oder zusätzlich auch gelöschte Eintragungen enthalten (Art. 36 2<br />

Abs. 2 GBHG). 323<br />

Beide Grundbuchabschriften enthalten gegebenenfalls die nicht rechtskräftigen<br />

Eintragungen sowie Vermerke über die in entsprechenden Abteilungen<br />

<strong>des</strong> <strong>Grundbuchs</strong> eingetragenen Anträge und die von Amts wegen eingeleiteten<br />

Verfahren. 324 Um die Sicherheit <strong>des</strong> Rechtsverkehrs nicht zu beeinträchtigen,<br />

muss die Grundbuchabschrift die Information darüber enthalten, dass die Eintragung<br />

noch nicht rechtskräftig ist. Nur dann wird die Abschrift den wahren<br />

322 Der letzte Eintragungsstand gibt den aktuellen Stand der einzelnen Abteilungen <strong>des</strong><br />

<strong>Grundbuchs</strong> wieder, d.h. sämtliche nicht gelöschte Eintragungen, insbesondere auch<br />

diejenigen, die die Gewähr <strong>des</strong> öffentlichen Glaubens der Grundbücher ausschließen;<br />

Rudnicki (Fn. 79), 207.<br />

323 Nach Sługiewicz [(Fn. 93), 91] handele es sich im letzteren Fall um die Abschrift, die die<br />

nicht mehr bestehenden Rechtsverhältnisse an der Liegenschaft feststelle. Diese Abschrift<br />

spiegele also lediglich die zu einem bestimmten Zeitpunkt in der Vergangenheit geltenden<br />

Rechtsverhältnisse an der Liegenschaft wider. Die genaue Angabe dieses Zeitpunkts<br />

setze ferner das Formerfordernis bei der Antragstellung voraus. Sługiewicz erweitert<br />

damit das Angabeerfordernis bei der Antragstellung und schränkt den Umfang der vollständigen<br />

Grundbuchabschrift ein. Diese Ansicht findet keine normative Rechtfertigung.<br />

324 § 201 Abs. 2 GO-V; § 254 Abs. 1 Organisations-A; das Gleiche gilt für vollständige<br />

Grundbuchabschriften (§ 201 Abs. 3 GO-V; § 254 Abs. 2 Organisations-A).


676<br />

Arkadiusz Wudarski<br />

Grundbuchinhalt widerspiegeln können. Fehlt eine solche Information in der<br />

Grundbuchabschrift, so bedeutet dies, dass sämtliche Eintragungen rechtskräftig<br />

sind.<br />

Die für die Abschriften aus dem papiernen Grundbuch vorgenommene Aufteilung<br />

entspricht sinngemäß der Unterscheidung zwischen einfachen und<br />

vollständigen Abschriften aus dem EDV-Grundbuch, deren Definition und Erstellung<br />

in der ZGI-V geregelt ist. 325 Danach ist die einfache Grundbuchabschrift<br />

ein amtliches, von der Zentralen Grundbuchinformation 326 erstelltes<br />

Dokument, das den letzten Stand der Eintragungen im Grundbuch sowie<br />

Vermerke über Eintragungen, Beschwerden gegen Entscheidungen <strong>des</strong> Rechtspflegers,<br />

Berufungen, Kassationsklagen und die von Amts wegen eingeleiteten<br />

Verfahren enthält (§ 2 Nr. 2 ZGI-V). Die einfache Abschrift gibt also die aktuellen,<br />

aus dem Grundbuch ersichtlichen Rechtsverhältnisse an der Liegenschaft<br />

wieder und wird in der Praxis am häufigsten verwendet. Die vollständige<br />

Grundbuchabschrift enthält dagegen – neben dem aktuellen Eintragungsstand –<br />

zusätzlich alle bereits gelöschten Eintragungen und Vermerke, die ab dem Zeitpunkt<br />

der Übertragung <strong>des</strong> Grundbuchinhalts in die Struktur <strong>des</strong> im EDV-<br />

System geführten <strong>Grundbuchs</strong> ersichtlich gemacht wurden (§ 2 Nr. 3 ZGI-V). 327<br />

In beiden Arten der Grundbuchabschriften werden sämtliche Abteilungen <strong>des</strong><br />

<strong>Grundbuchs</strong> behandelt. 328<br />

325 Es kann zudem eine Bescheinigung über die Schließung <strong>des</strong> <strong>Grundbuchs</strong> ausgestellt werden.<br />

Es handelt sich dabei um ein amtliches Dokument mit der Information, dass das<br />

Grundbuch mit der vom Antragsteller angegebenen Nummer geschlossen wurde (§ 2<br />

Nr. 4 ZGI-V).<br />

326 Die Zentrale Grundbuchinformation ist eine Organisationseinheit <strong>des</strong> Justizministeriums;<br />

sie besteht aus der Zentrale und Außenstellen, die bei den Grundbuchabteilungen der<br />

Amtsgerichte errichtet werden; vgl. § 1 ZGI-V.<br />

327 Die vollständige Abschrift aus dem EDV-Grundbuch umfasst nicht die Eintragungen, die<br />

in das EDV-Grundbuch nicht übertragen wurden. Die nicht übernommenen Eintragungen<br />

befinden sich ausschließlich in dem papiernen Grundbuch, das nach der Migration zum<br />

Bestandteil der Grundakte wird und nach den für die Grundakte maßgeblichen Regeln<br />

zugänglich gemacht wird. Der Zugang zu diesen Eintragungen wird damit erschwert. Da<br />

es sich aber lediglich um Archiveintragungen handelt, wird der Rechtsverkehr damit<br />

nicht beeinträchtigt.<br />

328 Im Falle <strong>des</strong> papiernen <strong>Grundbuchs</strong> hat sich die Praxis bewährt, auch Abschriften<br />

(Auszüge) zu erstellen, die lediglich bestimmte Teile <strong>des</strong> <strong>Grundbuchs</strong> betreffen (sog.<br />

Teilabschriften); sie wurden gelegentlich auch „Grundbuchbescheinigung“ genannt. Ihre<br />

Erstellung kam den praktischen Bedürfnissen (Arbeits- und Kostenersparnis) entgegen<br />

und wurde insbesondere bei einem sehr umfangreichen Grundbuchinhalt mit vielen<br />

Miteigentümern praktiziert. Diese Art der Grundbuchabschrift ist zwar gesetzlich nicht<br />

vorgesehen, wird aber von dem Institut der Abschrift erfasst. Die Fortführung dieser Praxis<br />

für die EDV-Abschrift ist weder begründet noch erwünscht; vgl. Rudnicki (Fn. 79),<br />

207; gegen Erteilung <strong>des</strong> (Teil-)Auszuges aus dem Grundbuch: Sługiewicz (Fn. 93), 90;<br />

zur Erstellung der Bescheinigungen aus den alten (geschlossenen) Grundbüchern:<br />

Siciski (Fn. 97), 10 f.


<strong>Das</strong> <strong>formelle</strong> Publizitätsprinzip <strong>des</strong> <strong>Grundbuchs</strong> 677<br />

3. Berechtigung zur Grundbuchabschrift<br />

a. <strong>Das</strong> papierne Grundbuch<br />

Beide Arten der Abschriften sind auf Verlangen eines Gerichts, Staatsanwalts,<br />

Notars oder <strong>des</strong> Organs der Regierungsverwaltung 329 oder der Einheit der territorialen<br />

Selbstverwaltung 330 zu erteilen. Abgesehen von diesen öffentlichen<br />

Amtsträgern sind Grundbuchabschriften, die die gelöschten Eintragungen umfassen,<br />

ausnahmsweise – und zwar in begründeten Fällen – nur auf Antrag der<br />

Person zu erstellen, deren Recht im Grundbuch gelöscht wurde. 331 Diese<br />

Berechtigung ergibt sich also unmittelbar aus der Grundbucheintragung und<br />

betrifft einen engen Personenkreis, der abschließend geregelt ist. An die Stelle<br />

der berechtigten Person treten deren Rechtsnachfolger. 332<br />

Die Grundbuchabschrift nach dem letzten Stand der Eintragung ist dagegen<br />

in breiterem Umfang zugänglich und wird auf Antrag der interessierten Person<br />

erteilt. 333 Der Begriff „interessierte Person“ wurde gesetzlich nicht näher<br />

bestimmt und muss im Wege der Auslegung ermittelt werden. Interessiert ist<br />

zunächst eine Person, zu deren Gunsten Rechte, Widersprüche, persönliche<br />

Rechte und Ansprüche oder Vermerke über eine Antragstellung eingetragen<br />

sind. Darunter fällt auch eine Person, die berechtigt ist, eine Anpassung der<br />

Rechtslage, die sich aus dem Grundbuch ergibt, an die tatsächliche Rechtslage<br />

zu fordern. 334<br />

Der Begriff geht ferner über den Personenkreis hinaus, der von Amts wegen<br />

über die Eintragung in das Grundbuch benachrichtigt wird (Art. 626 10 § 1 S. 1<br />

ZPO), 335 und umfasst jede Person, deren Rechte eintragungsfähig sind. Die<br />

Person, die Interesse an der Erteilung der Grundbuchabschrift hat, kann auch<br />

diejenige sein, die kein Rechtsinteresse an der Einsicht in die Grundakte nachweist.<br />

Ein solches Rechtsinteresse (Art. 36 1 Abs. 4 GBHG) ist enger als das<br />

Interesse an der Erteilung der Grundbuchabschrift (Art. 36 2 Abs. 1 GBHG) zu<br />

329 Zur Verfassung der Regierungsverwaltung z.B.: Lipowicz, in: Niewiadomski/Cielak/<br />

Lipowicz/Szpor, Prawo administracyjne, Warszawa 2007, 189 ff.; Ura/Ura, Prawo administracyjne,<br />

Warszawa 2008, 143 ff.; Boć (Red.), Prawo administracyjne, Wrocław 2007,<br />

141 ff.<br />

330 Darunter sind Gemeinden, Kreise und Woiwodschaften zu verstehen; vgl. Art. 1 Abs. 2<br />

<strong>des</strong> Gesetzes vom 24.7.1998 über die Einführung der dreistufigen territorialen Grundeinteilung<br />

<strong>des</strong> Staates, Dz. U. 1998 Nr. 96, Pos. 603 i.d.g.F.; zur Verfassung der territorialen<br />

Selbstverwaltung z.B.: Ura/Ura (Fn. 329), 184 ff.; Boć (Fn. 329), 191 ff.<br />

331 Art. 36 2 Abs. 2 GBHG.<br />

332 Sługiewicz (Fn. 93), 91.<br />

333 Art. 36 2 Abs. 1 GBHG.<br />

334 Ciepła/Bałan-Gonciarz (Fn. 90), Art. 36 1 GBHG Anm. 4; Kisilowska (Fn. 78), 67.<br />

335 Rudnicki (Fn. 79), 207.


678<br />

Arkadiusz Wudarski<br />

verstehen. 336 <strong>Das</strong> Rechtsinteresse an der Einsicht in die Grundakte muss zudem<br />

bewiesen werden, und für die Erteilung der Grundbuchabschrift genügt es, wenn<br />

das Interesse daran glaubhaft gemacht wird. 337<br />

Die weite Auslegung <strong>des</strong> Begriffs „interessierte Person“ könnte schließlich<br />

dazu führen, dass sich darunter jede Person subsumieren lässt. Obwohl dieses<br />

Ergebnis mit der Regelung der Grundbucheinsicht kompatibel und wünschenswert<br />

wäre, ist es abzulehnen, denn <strong>des</strong>selben Begriffs bedient sich der Gesetzgeber<br />

– und zwar noch im gleichen Artikel 338 – bei der Einschränkung der<br />

Berechtigung für die Erteilung der Abschriften aus der Grundakte. 339 Wortgleichen<br />

Begriffen eine unterschiedliche Bedeutung zuzuschreiben, ist methodologisch<br />

nicht vertretbar.<br />

Der mit vernünftiger Wahrscheinlichkeit anzunehmende Sinn der Verwendung<br />

dieses Begriffs liegt in der Einschränkung und nicht in der Öffnung <strong>des</strong><br />

berechtigten Personenkreises. Hätte der Gesetzgeber darunter den freien Zugang<br />

für jedermann verstanden, hätte er diesen Begriff so nicht verwendet. Dann wäre<br />

auch die ihm folgende und gesetzlich geschlossene Aufzählung berechtigter<br />

Rechtsträger überflüssig. Es kann sich also nicht um ein Interesse jeder Art handeln,<br />

sondern um ein „berechtigtes Interesse“ – ein Begriff, <strong>des</strong>sen sich der<br />

deutsche Gesetzgeber explizit in § 12 GBO bedient.<br />

b. <strong>Das</strong> EDV-Grundbuch<br />

Die für das traditionelle Grundbuch vorgesehenen Einschränkungen finden auf<br />

Abschriften aus den im EDV-System geführten Grundbüchern keine Anwendung<br />

(Art. 36 2 Abs. 5 GBHG). 340 Weder Art. 24 Nr. 5 MigrationsG, der diese<br />

Regelung einführt, noch die ZGI-V, die die Erteilung der Abschriften aus EDV-<br />

Grundbüchern regelt, führen Einschränkungen ein. In dem amtlich vorgegebenen<br />

und zwingenden Antragsvordruck auf Erteilung der Grundbuchabschrift<br />

ist auch kein Raum für die Antragsbegründung, insbesondere kein Interessensnachweis,<br />

vorgesehen. Daraus folgt, dass jedermann berechtigt ist, die Erteilung<br />

der Abschrift aus dem EDV-Grundbuch zu beantragen. 341 Der freie Zugang<br />

336 Cierpiał, Polnisches Immobilienrecht, Wien 2006, 54 f.; Rudnicki (Fn. 79), 207;<br />

widersprüchlich Borkowski/Trzeniewski-Kwiecie (Fn. 88), 18.<br />

337 Cierpiał (Fn. 336), 54 f.; Rudnicki (Fn. 79), 207.<br />

338 Vgl. Art. 36 2 Abs. 1 und Art. 36 2 Abs. 3 GBHG.<br />

339 Im Übrigen ist die unterschiedliche Bezeichnung „die interessierte Person“ für diejenige,<br />

die die Erteilung der Abschrift aus der Grundakte verlangen kann, und „Rechtsinteresse“<br />

als Voraussetzung für diejenige, die die Grundakte einsehen will, unverständlich und<br />

sogar widersprüchlich; vgl. Art. 36 1 Abs. 4 und Art. 36 2 Abs. 3 GBHG.<br />

340 Anders bzw. unpräzise und ohne jegliche Begründung dazu Ciepła/Bałan-Gonciarz<br />

(Fn. 90), Art. 2 GBHG Anm. 2.<br />

341 Vgl. Borkowski/Trzeniewski-Kwiecie (Fn. 88), 16; so auch in Berufung auf Art. 36 4<br />

Abs. 2 GBHG Kisilowska (Fn. 78), 67, Fn. 25.


<strong>Das</strong> <strong>formelle</strong> Publizitätsprinzip <strong>des</strong> <strong>Grundbuchs</strong> 679<br />

betrifft alle Arten von Abschriften. Damit werden sämtliche Personenkreise hinsichtlich<br />

Erteilung der Abschrift aus dem EDV-Grundbuch und einer Grundbucheinsicht<br />

gleichgestellt.<br />

4. Form der Grundbuchabschrift<br />

<strong>Das</strong> duale System der Grundbuchführung spiegelt sich auch in den abweichenden<br />

Formen der Abschriften wider. Die Abschrift aus dem papiernen Grundbuch<br />

ist von dem Präsidenten <strong>des</strong> Amtsgerichts oder von durch den Gerichtsvorsitzenden<br />

der Abteilung dieses Gerichts bestimmten Gerichtsmitarbeitern 342 aufgrund<br />

<strong>des</strong> Grundbuchinhalts schriftlich vorzubereiten. Diese Form der Abschrift<br />

erteilen die Gerichte, bei denen der Justizminister die Errichtung und die Führung<br />

der Grundbücher im elektronischen System noch nicht angeordnet hat. 343<br />

Auch nach Beginn der Migration der Grundbücher sollte die Abschrift in dieser<br />

Form bis zur Übergabe <strong>des</strong> <strong>Grundbuchs</strong> an die Migrationsstelle erteilt werden.<br />

344<br />

Diese traditionelle Art und Weise der Anfertigung der Grundbuchabschrift<br />

hat allerdings viele Nachteile. Sie trägt ein gewisses Risiko der Erteilung fehlerhafter<br />

Abschriften in sich (Übertragungsfehler); das hängt nicht zuletzt mit der<br />

Überforderung der Mitarbeiter, deren Routine oder mit dem Zeitdruck durch<br />

Arbeitsüberlastung zusammen. Ferner ist diese Form der Abschrifterteilung sehr<br />

aufwändig und arbeitsintensiv. <strong>Das</strong> hat zusammen mit dem Mangel an Personal<br />

und technischer Ausstattung sowie angesichts sonstiger vielfältiger Aufgaben<br />

<strong>des</strong> Personals der Grundbuchabteilung zu eingeschränkter Effizienz <strong>des</strong> <strong>Grundbuchs</strong>ystems<br />

geführt. Diese Situation wirkte sich hemmend auf den Immobilienverkehr<br />

und die Entwicklung von Investitionen aus und war schließlich Auslöser<br />

der Grundbuchreform, deren Ergebnis unter anderem die neue Form der Grundbuchabschrift<br />

darstellt.<br />

Die Abschrift aus dem EDV-Grundbuch hat die Form eines Vordruckausdrucks<br />

345 und wird automatisch aufgrund <strong>des</strong> in der zentralen Datenbank der<br />

Grundbücher gespeicherten Grundbuchinhalts erstellt. Die Antragsbearbeitung<br />

ist völlig automatisiert. Dies führt zu einer deutlichen Beschleunigung <strong>des</strong><br />

Rechtsverkehrs und kommt damit den Bedürfnissen der steigenden Zahl von<br />

Geschäften im Immobiliensektor entgegen. Trotz dieser offensichtlichen Vortei-<br />

342 § 18 Abs. 1 Nr. 5 FGD-V.<br />

343 Amtsgerichte, die Grundbuchbücher im elektronischen System errichten und führen,<br />

bestimmt die Verordnung <strong>des</strong> Justizministers vom 16.3.2006 über die Bestimmung der<br />

Amtsgerichte, die Grundbücher im elektronischen System errichten und führen, Dz. U.<br />

2006 Nr. 49, Pos. 353 i.d.g.F.<br />

344 Vgl. Art. 8 Abs. 2 MigrationsG.<br />

345 Beispiel der einfachen Abschrift aus dem EDV-Grundbuch wird von Stefaska [Elektroniczna<br />

ksiga wieczysta, Warszawa 2008, 110 ff.] abgebildet.


680<br />

Arkadiusz Wudarski<br />

le wird die EDV-Abschrift in der Praxis vor allem wegen ihrer unübersichtlichen<br />

Form stark kritisiert. Sie besitzt eine tabellarische Struktur, die durch das<br />

elektronische System, in dem die Grundbücher geführt werden, bedingt ist.<br />

Unabhängig von dem tatsächlichen Grundbuchinhalt hat jede Abschrift die<br />

volle, tabellarisch tief gegliederte Struktur und enthält viele für das jeweilige<br />

Grundbuch irrelevante und überflüssige Rubriken und Zahlen. Verwendet wird<br />

das rein numerische Wittgenstein-Gliederungssystem, das zur Entstehung von<br />

Zahlenketten führt und insbesondere durch die Vielzahl der auf jeder Seite<br />

aufgeführten Zahlen optisch unübersichtlich wird. In Überschriften werden diese<br />

Gliederungsnummern und sogar die Gliederungsbezeichnungen (Abschnitt,<br />

Rubrik, Unterrubrik) vor der richtigen Inhaltsüberschrift angegeben; das<br />

erschwert den Überblick und die Suche nach relevanten Informationen wesentlich.<br />

Die deutliche Markierung der Gliederungsebene ist dabei nicht konsequent<br />

durchgeführt; nicht jede Überschrift hat ihre Gliederungsnummer und -bezeichnung.<br />

<strong>Das</strong> numerische System wird schließlich im letzten Teil der Abschrift<br />

„Anträge und Grundlagen der Eintragungen im Grundbuch“ durchbrochen.<br />

Die Nachvollziehbarkeit und die Prüfung der Richtigkeit der in der Abschrift<br />

enthaltenen Informationen wird besonders dadurch erschwert, dass Dokumente,<br />

die die Grundlage für die Eintragung in einem bestimmten Feld <strong>des</strong> <strong>Grundbuchs</strong><br />

darstellen, erst am Ende der Grundbuchabschrift angegeben werden. Jedem<br />

Dokument wird eine Ordnungsnummer verliehen, die dann neben jeder Eintragung<br />

in der sich dort befindlichen Rubrik „Index der Eintragung“ angegeben<br />

wird und lediglich eine Verweisfunktion erfüllt. Zur Unübersichtlichkeit dieser<br />

tabellarischen Struktur trägt zusätzlich das von dem System erzwungene Druckformat<br />

bei. Die EDV-Abschrift wird doppelseitig und verkleinert (zwei DIN-A4<br />

Seiten auf einer Seite) ausgedruckt.<br />

All das führt dazu, dass die EDV-Abschrift den Grundbuchinhalt in so ungewöhnlicher<br />

und leserunfreundlicher Weise wiedergibt, dass für das richtige Verständnis<br />

der in der Abschrift enthaltenen Informationen eine besondere Sorgfalt<br />

vorauszusetzen ist und es auch Fachleuten Mühe bereitet, den Inhalt zu verstehen.<br />

346 Personen, die mit dem Lesen der EDV-Abschrift nicht vertraut sind,<br />

können so verwirrt werden, dass sie wichtige Informationen über die Rechtsverhältnisse<br />

an dem Grundstück übersehen. Die Schwierigkeit, eine Abschrift aus<br />

dem EDV-Grundbuch richtig zu lesen, kann im Ergebnis weitergehende<br />

Schäden anrichten, da keine Schutzmechanismen vorgesehen sind. Die Berufung<br />

auf die Unkenntnis von Eintragungen im Grundbuch oder von den im Grundbuch<br />

vermerkten Eintragungsanträgen ist rechtlich unerheblich (Art. 2 S. 2<br />

GBHG). Davon sind besonders unprofessionelle Teilnehmer <strong>des</strong> Rechtsverkehrs<br />

346 Vgl. Pisuliski, Odpisy z ksig s nieczytelne, bo tworzyli je informatycy, a nie prawnicy,<br />

Rzeczpospolita 10.11.2008.


<strong>Das</strong> <strong>formelle</strong> Publizitätsprinzip <strong>des</strong> <strong>Grundbuchs</strong> 681<br />

betroffen. Im Ergebnis verliert der reale Schutz ihrer im Grundbuch eingetragenen<br />

Rechte damit deutlich an Effektivität.<br />

<strong>Das</strong> Grundbuch kann seine Informations- und Schutzfunktion nur dann angemessen<br />

erfüllen, wenn es nicht nur öffentlich zugänglich ist, sondern auch in<br />

einer für den Benutzer verständlichen Weise geführt wird. Als Maßstab sollte<br />

eine rechtlich nicht vorgebildete Person (rechtlicher Laie) dienen. Eine der<br />

wichtigsten Aufgaben der Grundbücher besteht dabei in der einfachen und eindeutigen<br />

Aufklärung über die Rechtsverhältnisse an den Grundstücken. Wird<br />

diese Funktion im Rechtsverkehr einer EDV-Grundbuchabschrift nicht erfüllt,<br />

ist deren weitgehende Verbesserung oder Neugestaltung unentbehrlich. <strong>Das</strong><br />

elektronische System, in dem Grundbücher geführt werden, wurde zwar schon<br />

vielfach modifiziert, ohne jedoch die Form der Abschrift im Wesentlichen zu<br />

ändern, obwohl es von Anfang an kritische Stimmen sowohl von professionellen<br />

als auch von nichtprofessionellen Teilnehmern am Rechtsverkehr gab. Nun sollten<br />

die Änderungen mit dem Ziel vorgenommen werden, die beschriebenen<br />

Mängel zu beseitigen, um nicht nur den <strong>formelle</strong>n Zugang zum Grundbuch<strong>des</strong>sen<br />

Übersichtlichkeit und Verständnis zu inhalt, sondern auch<br />

gewährleisten.<br />

5. Antragstellung<br />

a. <strong>Das</strong> papierne Grundbuch<br />

aa. Form<br />

Solange das papierne Grundbuch der Migrationsstelle nicht übergegeben wurde,<br />

kann es eingesehen werden und Abschriften können daraus in traditioneller<br />

Form erteilt werden (Art. 8 Abs. 2 MigrationsG). Für diese Antragstellung gibt<br />

es keine besondere Form. Neben den allgemeinen, für Prozessschriftsätze vorgesehenen<br />

Erfordernissen 347 sollte der Antrag die Bezeichnung <strong>des</strong> <strong>Grundbuchs</strong><br />

bzw. den Hinweis auf das Dokument enthalten, das die Bestimmung <strong>des</strong> Grundbuchinhalts<br />

ermöglicht. Wird der Antrag von einem Interessierten gestellt,<br />

<strong>des</strong>sen Rechte in dem betroffenen Grundbuch nicht ersichtlich sind, ist zusätzlich<br />

eine Begründung für die Erteilung der Grundbuchabschrift erforderlich. 348<br />

Der amtliche Vordruck, der für den Antrag auf Erteilung der Abschrift aus dem<br />

EDV-Grundbuch vorgesehen ist, kann wegen der Unterschiede der Voraussetzungen<br />

für die Erteilung der Abschriften nur bedingt verwendet werden. Seine<br />

Anwendung setzt daher seine entsprechende Anpassung voraus, die von dem<br />

Antragsteller vorgenommen werden sollte.<br />

347 Vgl. Art. 126 ZPO; kritisch dazu Siciski (Fn. 97), 12, der die Anwendung der ZPO ausschließt,<br />

da die Erteilung der Grundbuchabschrift nicht im gerichtsverfahrensrechtlichen<br />

Rahmen stattfinde, sondern einen verwaltungsrechtlichen Charakter habe.<br />

348 § 201 Abs. 1 GO-V; § 253 Organisations-A.


682<br />

Arkadiusz Wudarski<br />

bb. Bearbeitung<br />

Der Antrag auf Erteilung der Grundbuchabschriften wird in das Tagebuch der<br />

Abschriften „Odp“ eingetragen. 349 Zuständig für die Erteilung der Abschrift aus<br />

dem papiernen Grundbuch ist ausschließlich diejenige Grundbuchabteilung, die<br />

das betreffende Grundbuch führt. Wird der Antrag bei der Zentralen Grundbuchinformation<br />

eingereicht, so wird dieser zusammen mit dem Einzahlungsbeleg an<br />

die zuständige Grundbuchabteilung zur Bearbeitung weitergeleitet. 350 In solchen<br />

Fällen hat sich in der Praxis bewährt, statt eine Abschrift aus dem papiernen<br />

Grundbuch auszustellen, das betreffende Grundbuch zunächst der Migrationsstelle<br />

zur Umstellung auf das EDV-System zu übergeben. Diese Praxis mag<br />

zwar den Arbeitsaufwand im Grundbuchgericht verringern, widerspricht aber<br />

Art. 8 Abs. 2 MigrationsG und kann zu einer unnötigen Verzögerung <strong>des</strong><br />

Rechtsverkehrs führen. 351 Diese Gefahr besteht jedoch in der Regel nur zu<br />

Beginn <strong>des</strong> Umstellungsprozesses, da die Anzahl der im EDV-System geführten<br />

Grundbücher noch gering ist und der Eingang der Anträge auf Erteilung der<br />

Abschriften aus den papiernen Grundbüchern die Bearbeitungskapazitäten der<br />

Migrationsstellen deutlich überschreiten könnte. Allerdings gleicht sich die zeitliche<br />

Verzögerung spätestens dann aus, wenn Anträge auf Eintragung in das auf<br />

EDV umgestellte Grundbuch zu bearbeiten sind, denn die Bearbeitung geht im<br />

EDV-Grundbuch deutlich zügiger als die im Grundbuch herkömmliche Art vonstatten.<br />

Bei der Erteilung der Grundbuchabschrift ist besonders darauf zu achten,<br />

dass die Eintragungen im Grundbuch durch den Richter bzw. Rechtspfleger<br />

unterschrieben sind. Kritisch wäre die Situation, wenn eine Abschrift lediglich<br />

aufgrund <strong>des</strong> von Gerichtsmitarbeitern vorbereiteten Eintragungsentwurfs 352<br />

erteilt wird. Ist der Antrag auf die Eintragung zurückgewiesen worden, 353 hätte<br />

das zur Folge, dass sich im Rechtsverkehr eine falsche Abschrift befindet. Bei<br />

einer solchen Abschrift wird die Rechtskraft <strong>des</strong> amtlichen Dokuments weiterhin<br />

vermutet. 354 In diesem Fall hat der Richter durch eine Anordnung nach<br />

Art. 208 § 1 ZPO i.V.m. Art. 13 § 2 ZPO den Antragsteller aufzufordern, die<br />

erteilte Abschrift zurückzugeben. Folgt dieser der gerichtlichen Aufforderung<br />

349 In dasselbe Tagebuch werden auch Anträge auf Erteilung einer Abschrift aus den Dokumenten<br />

in der Grundakte oder Dokumentensammlung, aus Ausfertigungen der Notarakten<br />

sowie Anträge auf die Ausstellung der Bescheinigungen aus den geschlossenen und<br />

alten Büchern eingetragen (§ 252 Organisations-A).<br />

350 § 9 ZGI-V.<br />

351 Vgl. Stefaska (Fn. 345), 106.<br />

352 § 18 Abs. 2 FGD-V.<br />

353 Nach Art. 626 9 ZPO weist das Gericht den Antrag auf die Eintragung zurück, wenn die<br />

Grundlagen für eine Eintragung nicht gegeben sind oder Hindernisse für ihre Vornahme<br />

vorliegen.<br />

354 § 18 Abs. 1 Nr. 5 FGD-V i.V.m. 244 § 1 ZPO.


<strong>Das</strong> <strong>formelle</strong> Publizitätsprinzip <strong>des</strong> <strong>Grundbuchs</strong> 683<br />

nicht, so haftet er für den durch die Verwendung der Abschrift im Rechtsverkehr<br />

entstandenen Schaden. 355<br />

cc. Abschriftverweigerung<br />

Die Verweigerung der Erteilung der Grundbuchabschrift erfolgt durch entsprechenden<br />

schriftlichen Vermerk auf dem Antrag und ist mit dem Datum und mit<br />

der lesbaren Unterschrift <strong>des</strong> Gerichtsvorsitzenden der Grundbuchabteilung zu<br />

versehen. Gegen diese Entscheidung kann eine Beschwerde an den Präsidenten<br />

<strong>des</strong> Amtsgerichts eingereicht werden (§ 201 Abs. 4 GO-V). Dieses Rechtsmittel<br />

ist weder näher geregelt noch in der Praxis bekannt. Es ist anzunehmen, dass der<br />

Präsident <strong>des</strong> Amtsgerichts über diese Beschwerde im Rahmen seiner Gerichtsverwaltung<br />

entscheidet. 356 Demzufolge werden auf dieses Rechtsmittel verwaltungsrechtliche<br />

Vorschriften Anwendung finden müssen. 357<br />

b. <strong>Das</strong> EDV-Grundbuch<br />

aa. Form<br />

Die Abschrift aus dem EDV-Grundbuch sowie die Bescheinigung über die<br />

Schließung <strong>des</strong> <strong>Grundbuchs</strong> werden auf Antrag von der Zentralen Grundbuchinformation<br />

erteilt. 358 Der Antrag ist auf einem amtlichen Vordruck (KW-ODPIS)<br />

direkt oder auf dem Postweg bei der Zentral- oder Außenstelle der Zentralen<br />

Grundbuchinformation zu stellen. 359 Ein Muster für den Antrag enthält die nach<br />

Art. 36 4 Abs. 3 GBHG erlassene Verordnung 360 und ist für die Antragstellung<br />

verbindlich. 361 Der amtliche Vordruck ist in der Zentralstelle und den Außenstellen<br />

der Zentralen Grundbuchinformation unentgeltlich erhältlich sowie im<br />

Internet auf der offiziellen Webseite <strong>des</strong> Justizministeriums abrufbar. 362 Im Antrag<br />

sind die Art <strong>des</strong> beantragten Dokuments und die Anzahl der gewünschten<br />

Exemplare anzugeben.<br />

355 Oleszko, Rejent Nr. 5/2004, 151 f.<br />

356 Die Beschwerde an den Präsidenten <strong>des</strong> Amtsgerichts gehört nicht zu den gesetzlich vorgesehenen<br />

Rechtsmitteln gegen gerichtliche Entscheidungen (vgl. Art. 367 ff. ZPO).<br />

357 § 56 GO-V; Art. 221 ff. <strong>des</strong> Gesetzes vom 14.6.1960 – Verwaltungsverfahrensgesetzbuch,<br />

in der einheitlichen Fassung: Dz. U. 2000 Nr. 98, Pos. 1071 i.d.g.F. und die Verordnung<br />

<strong>des</strong> Ministerrates vom 8.1.2002 über die Organisation der Annahme und der<br />

Erledigung von Beschwerden und Anträgen, Dz. U. 2002 Nr. 5, Pos. 46: ebenso aufgrund<br />

<strong>des</strong> früheren Rechtsstands: Siciski (Fn. 97), 11.<br />

358 Art. 36 4 Abs. 2 GBHG.<br />

359 § 3 Abs. 1 ZGI-V.<br />

360 Die Verordnung <strong>des</strong> Justizministers vom 14.8.2003 über den Musterantrag auf Erteilung<br />

der Dokumente durch die Zentrale Grundbuchinformation; Dz. U. 2003 Nr. 162, Pos.<br />

1572.<br />

361 § 4 Abs. 1 ZGI-V.<br />

362 § 4 Abs. 1-2 ZGI-V.


684<br />

Arkadiusz Wudarski<br />

bb. Bearbeitung<br />

Der eingegangene Antrag wird in dem von der Zentralen Grundbuchinformation<br />

oder deren Außenstellen geführten Antragsnachweis registriert; anzugeben sind<br />

der Zeitpunkt <strong>des</strong> Eingangs, die Art <strong>des</strong> Antrags sowie die Art und Weise der<br />

Bearbeitung. 363 Dem Registrierungszweck in der Grundbuchabteilung dient das<br />

in elektronischer Form geführte Tagebuch der Abschriften (dziennik odpisów –<br />

„Dz.Odp“). 364 Die Grundbuchabschrift kann dem Antragsteller ausgehändigt<br />

oder an <strong>des</strong>sen Postadresse zugestellt werden. 365 Wird das beantragte Dokument<br />

nicht persönlich abgeholt, so hat der Antragsteller zusätzlich die Zustelladresse<br />

anzugeben. Unabhängig von der Antragstellung stellt das von der Zentralen<br />

Grundbuchinformation gefertigte Dokument stets den tatsächlichen Stand <strong>des</strong><br />

<strong>Grundbuchs</strong> fest. 366 Grundbuchabschriften sind mit dem Amtssiegel und mit der<br />

Unterschrift <strong>des</strong> zuständigen Mitarbeiters zu versehen; 367 sie haben die Wirkung<br />

öffentlicher Urkunden <strong>des</strong> Gerichts. 368<br />

cc. Abschriftverweigerung<br />

Ein Antrag, der nicht auf amtlichem Vordruck gestellt, falsch ausgefüllt oder für<br />

den keine oder eine zu niedrigere Gebühr entrichtet wurde oder der andere der in<br />

§ 4a Abs. 1-3 ZGI-V bestimmten Erfordernisse nicht erfüllt, wird nicht bearbeitet.<br />

Hierüber ist der Antragsteller zu informieren. 369 Werden diese <strong>formelle</strong>n Antragsmängel<br />

innerhalb eines Monats ab Zustellung der Mitteilung beseitigt, wird<br />

das beantragte Dokument erteilt. 370<br />

363 § 5 ZGI-V.<br />

364 § 260 Abs. 1 Nr. 3 Organisations-A; in dieses Tagebuch werden eingetragen: (1) Anträge<br />

auf Erteilung der Abschriften aus Dokumenten in der Grundakte oder Dokumentensammlung,<br />

(2) Anträge auf die Ausstellung von Bescheinigungen über Eintragungen in geschlossene<br />

Bücher, die der Migration nicht unterliegen, sowie in alte Bücher, (3) Anträge<br />

auf Ausstellung der Ausfertigungen der Notarakte sowie (4) die von der Außenstelle der<br />

Zentralen Grundbuchinformation weitergeleiteten Anträge auf Erteilung der Grundbuchabschriften<br />

(§ 266 Abs. 1 Organisations-A).<br />

365 § 8 ZGI-V.<br />

366 § 7 Abs. 2 ZGI-V.<br />

367 Sie enthalten zudem die Signaturangabe, die Seitenanzahl <strong>des</strong> Dokuments sowie den Ort<br />

und die Zeit von <strong>des</strong>sen Erstellung; § 7 Abs. 1 ZGI-V.<br />

368 Art. 36 4 Abs. 4 GBHG; Dokumente, die von der Zentralen Information über Pfandregister<br />

sowie von der Zentralen Information <strong>des</strong> Lan<strong>des</strong>gerichtsregisters erteilt werden, haben<br />

die Wirkung öffentlicher Urkunden <strong>des</strong> Gerichts; vgl. Stefaska (Fn. 345), 103.<br />

369 § 6 Abs. 1 ZGI-V.<br />

370 § 6 Abs. 2 ZGI-V.


6. Gebührenentrichtung<br />

<strong>Das</strong> <strong>formelle</strong> Publizitätsprinzip <strong>des</strong> <strong>Grundbuchs</strong> 685<br />

Der Antrag auf Erteilung der Grundbuchabschrift ist grundsätzlich gebührenpflichtig.<br />

Die Gebühren hängen von der Grundbuchform ab und variieren je<br />

nach Art der Grundbuchabschrift.<br />

a. <strong>Das</strong> papierne Grundbuch<br />

Im Gegensatz zu Abschriften aus dem EDV-Grundbuch ist die Gebühr für die<br />

Abschriften aus papiernen Grundbüchern nicht gesondert geregelt. Der Gesetzgeber<br />

hat auch keinen Spielraum für die analoge Anwendung der für EDV-<br />

Abschriften geltenden Vorschriften gelassen, 371 was zu inhaltlich unbegründeten<br />

Unterschieden in der Gebührenhöhe führt. Im Ergebnis wird die Abschrift aus<br />

dem papiernen Grundbuch als die beglaubigte Abschrift <strong>des</strong> aufgrund der<br />

Gerichtsakte erstellten Dokuments betrachtet und für jede angefangene Seite<br />

eine Gebühr in Höhe von 6 PLN 372 erhoben. 373 Die Gebührenhöhe hängt also<br />

von dem Seitenumfang der Abschrift ab, der sich nicht im Zeitpunkt der Antragstellung,<br />

sondern erst nach Anfertigung der Abschrift bestimmen lässt. Der Antragsteller<br />

wird dann durch das Gericht zur Entrichtung der fälligen Gebühr<br />

aufgefordert. Die Gebühr kann bar bei der Gerichtskasse, mittels Banküberweisung<br />

oder in Form von Gebührenmarken entrichtet werden. 374 Erst nach Eingang<br />

<strong>des</strong> Einzahlungsbelegs wird die Zustellung der beantragten Abschrift angeordnet.<br />

Diese von der Art und Weise der Gebührenberechnung erzwungene Verfahrensweise<br />

verursacht mehr Arbeitsaufwand, unübersehbare Kosten, verlängert<br />

die Antragserledigung und ist daher für die zügige Erteilung der Grundbuchabschrift<br />

wenig geeignet.<br />

b. <strong>Das</strong> EDV-Grundbuch<br />

Die Gebühr für die Abschrift aus dem EDV-Grundbuch sowie für die Bescheinigung<br />

über die Schließung <strong>des</strong> <strong>Grundbuchs</strong> ist explizit geregelt und wird durch<br />

die Zentrale Grundbuchinformation erhoben. 375 Die Höhe dieser Gebühren hat<br />

der Justizminister im Einvernehmen mit dem für öffentliche Finanzen zuständigen<br />

Minister – unter Berücksichtigung der Differenzierung von Gebühren für<br />

371 Zu Abweichungen der Gerichtspraxis: Cierpiał (Fn. 336), 81.<br />

372 Nach dem Mittelkurs der polnischen Nationalbank (http://nbp.pl/): 1 EUR = 3,87 PLN<br />

(Stand: 8.3.2010).<br />

373 Art. 77 Abs. 3 Kosten-G.<br />

374 Die Einzelheiten regelt die Verordnung <strong>des</strong> Justizministers vom 31.1.2006 über die Art<br />

und Weise der Entrichtung der Gerichtsgebühren in Zivilsachen, Dz. U. 2006 Nr. 27,<br />

Pos. 199 i.d.g.F.<br />

375 Art. 36 5 Abs. 1 GBHG.


686<br />

Arkadiusz Wudarski<br />

Anträge auf Erteilung einzelner Urkunden – in der Verordnung vom 25. August<br />

2003 376 bestimmt. 377 Danach erhebt die Zentrale Grundbuchinformation für jede<br />

einfache Grundbuchabschrift einen Betrag in Höhe von 30 PLN. Diese Gebühr<br />

wird bei einer vollständigen Grundbuchabschrift verdoppelt. Für die Bescheinigung<br />

über die Schließung <strong>des</strong> <strong>Grundbuchs</strong> ist der Betrag von 10 PLN zu entrichten.<br />

Der Beleg über die Gebührenzahlung auf das angegebene Bankkonto <strong>des</strong><br />

Justizministeriums ist dem Antrag im Original beizulegen. Wird der Antrag in<br />

der Außenstelle der Zentralen Grundbuchinformation gestellt, ist die Gebühr auf<br />

das angegebene Bankkonto <strong>des</strong> Gerichts, in <strong>des</strong>sen Grundbuchabteilung die Außenstelle<br />

geführt wird, oder an die Kasse dieses Gerichts zu entrichten. Der Beleg<br />

über die Gebührenentrichtung ist – nachdem die Herausgabe <strong>des</strong> Dokuments<br />

darauf bestätigt wird – dem Antragsteller zurückzugeben. 378 Wird der Antrag<br />

durch die Post gestellt, so genügt es, eine Kopie <strong>des</strong> Einzahlungsbelegs beizufügen.<br />

Die Gebühr kann auch im Wege <strong>des</strong> online-banking entrichtet werden. Der<br />

Einzahlungsbeleg in Form eines EDV-Ausdrucks muss dann zusätzlich mit<br />

einem eigenhändig unterschriebenen Vermerk versehen werden, dass der darauf<br />

ersichtliche Betrag eine Gebühr für die Antragstellung darstellt. Weder die<br />

Kopie noch der Ausdruck werden dem Antragsteller zurückgegeben. 379<br />

c. Gebührenbefreiung<br />

aa. Gesetzliche Befreiung<br />

Die Abschrift aus dem EDV-Grundbuch und die Bescheinigung über die Schließung<br />

<strong>des</strong> <strong>Grundbuchs</strong> werden ex lege gebührenfrei erteilt, wenn der Antrag<br />

durch die in Art. 36 5 Abs. 3 GBHG bestimmten Organe gestellt wird. Dazu zählen<br />

Gerichte, Staatsanwälte und Organe der Regierungsverwaltung. Diese<br />

gesetzliche Gebührenbefreiung hat also einen sehr engen Anwendungsbereich;<br />

sie betrifft nur einen beschränkten Kreis öffentlicher Rechtsträger, umfasst nicht<br />

alle staatlichen Institutionen und gilt ausschließlich für die Erteilung der Abschriften<br />

aus dem EDV-Grundbuch. Die ratio legis dieser Begrenzung ist im<br />

Hinblick auf Art. 94 Kosten-G 380 fraglich, denn danach hat der Fiskus keine<br />

Pflicht, Gebühren zu entrichten. Diese allgemeine und breite Befreiung <strong>des</strong><br />

Fiskus von Gerichtsgebühren umfasst alle Gebühren einschließlich derjenigen<br />

376 Verordnung über die Höhe der Gebühren für Anträge auf Erteilung der Grundbuchabschriften<br />

und der Bescheinigung über die Schließung <strong>des</strong> <strong>Grundbuchs</strong>, die von der Zentralen<br />

Grundbuchinformation erteilt werden; Dz. U. 2003, Nr. 156, Pos. 1528.<br />

377 Art. 36 5 Abs. 2 GBHG.<br />

378 § 4a Abs.1 ZGI-V.<br />

379 § 4a Abs. 2-4 ZGI-V.<br />

380 Gesetz vom 28.7.2005 über Gerichtskosten in Zivilsachen, Dz. U. 2005 Nr. 167,<br />

Pos. 1398 i.d.g.F.


<strong>Das</strong> <strong>formelle</strong> Publizitätsprinzip <strong>des</strong> <strong>Grundbuchs</strong> 687<br />

für die Erteilung aller Arten von Grundbuchabschriften. In<strong>des</strong> enthält Art. 36 5<br />

Abs. 3 GBHG eine Sonderregelung, die diese breite gesetzliche Gebührenbefreiung<br />

in Bezug auf die EDV-Abschrift einschränkt. Im Übrigen gilt weiterhin<br />

das Kosten-G. <strong>Das</strong> führt zu dem verwirrenden Ergebnis, dass der Fiskus bei der<br />

Antragstellung auf die Erteilung der Abschrift aus dem papiernen Grundbuch<br />

von Gebühren befreit wird, während die EDV-Abschrift nur die in Art. 36 5<br />

Abs. 3 GBHG genannten Organe gebührenfrei erhalten können. <strong>Das</strong> widerspricht<br />

dem Sinn der in Art. 94 Kosten-G geregelten subjektiven Befreiung,<br />

denn der Begünstigte kann nicht zugleich der Verpflichtete sein. 381 Art. 36 5<br />

Abs. 3 GBHG wäre sinnvoll, wenn <strong>des</strong>sen Auslegung zur Erweiterung der gesetzlichen<br />

Befreiung führen würde. <strong>Das</strong> kommt aber nicht vor, denn Organe der<br />

Regierungsverwaltung handeln stets im Namen <strong>des</strong> Fiskus und sind daher<br />

bereits aufgrund <strong>des</strong> Art. 94 Kosten-G von der Gebührenentrichtung befreit.<br />

Würden sie den Fiskus nicht vertreten, gäbe es keine Gründe, die dieses Privileg<br />

den anderen Teilnehmern <strong>des</strong> Rechtsverkehrs gegenüber rechtfertigen würden.<br />

Im Gegenteil kommt es oft dazu, dass die Aufgaben der Regierungsverwaltung<br />

an Einheiten der territorialen Selbstverwaltung delegiert werden, die in diesem<br />

Fall den Fiskus vertreten und ebenfalls von der Gebührenentrichtung befreit<br />

werden müssen. 382 Art. 36 5 Abs. 3 GBHG führt zu der inhaltlich unbegründeten<br />

Abweichung in der gesetzlichen Gebührenbefreiung und steht im Widerspruch<br />

zu Art. 94 Kosten-G. Daher sollte diese Vorschrift ersatzlos aufgehoben werden.<br />

bb. Befreiung auf Antrag<br />

Eine Befreiung von Gebühren für die Erteilung der Grundbuchabschrift kann auf<br />

Antrag erfolgen. Mangels Sonderregelung finden die allgemeinen Vorschriften<br />

über die Befreiung von Gerichtskosten Anwendung; sie sind in Art. 94-118<br />

Kosten-G geregelt. Der Antragsteller hat dabei eine Erklärung auf amtlichem<br />

Vordruck abzugeben, dass er nicht in der Lage ist, die Gerichtskosten ohne<br />

Nachteil <strong>des</strong> für ihn und seiner Familie notwendigen Unterhalts zu tragen. 383<br />

Strittig ist, ob der Antrag auf Gebührenbefreiung dem Antrag auf Erteilung<br />

der Grundbuchabschrift vorangehen muss oder ob beide Anträge gleichzeitig<br />

gestellt werden können. Dieser Zweifel ist aufgrund <strong>des</strong> Art. 511 1 § 1 S. 1 ZPO<br />

entstanden, nach dem der Antrag, der im Grundbuchverfahren einer festen Gebühr<br />

unterliegt und bei seiner Einreichung nicht ordnungsgemäß bezahlt wurde,<br />

von dem Gerichtsvorsitzenden zurückzusenden ist, ohne den Antragsteller zur<br />

Entrichtung dieser Gebühr aufzufordern. Aus der strikten Auslegung dieser Vorschrift<br />

folgt, dass der gerichtliche Beschluss über die Gebührenbefreiung bereits<br />

bei der Antragstellung vorgelegt werden muss. Die Gerichtspraxis ist aber nicht<br />

381 Górski/Walentynowicz, Koszty sdowe w sprawach cywilnych. Ustawa i orzekanie.<br />

Komentarz praktyczny, Warszawa 2008, Art. 94 Kosten-G Anm. 1.<br />

382 Górski/Walentynowicz (Fn. 381), Art. 94 Kosten-G Anm. 7.<br />

383 Art. 102 Abs. 1 Kosten-G.


688<br />

Arkadiusz Wudarski<br />

einheitlich. Nach dem Grundsatz der Prozessökonomie setzt sich allmählich die<br />

Praxis durch, die eine gleichzeitige Stellung beider Anträge zulässt. Die Entscheidung<br />

über den Antrag auf Erteilung der Grundbuchabschrift wird in diesem<br />

Fall allerdings erst nach der rechtskräftigen Entscheidung über den Antrag auf<br />

Gebührenbefreiung getroffen. Für die Entscheidung über die Gebührenbefreiung<br />

ist die Zivil- und nicht die Grundbuchabteilung <strong>des</strong> Amtsgerichts zuständig. 384<br />

Die Grundbuchabteilung hat also den Antrag auf Gebührenbefreiung an die<br />

Zivilabteilung weiterzuleiten.<br />

Je nach Finanzlage kann der Antragsteller teilweise 385 oder in vollem Umfang<br />

386 von Gerichtskosten befreit werden. Da die Gebühren für die Erteilung<br />

der Grundbuchabschrift relativ niedrig sind und die Grundbuchabschrift überwiegend<br />

als Vorlage zum Abschluss von Rechtsgeschäften wie Kauf- oder Kreditverträgen<br />

dient, wird eine Gebührenbefreiung nur in Ausnahmenfällen in<br />

Betracht kommen. Die Anträge auf Gebührenbefreiung können etwa von<br />

minderjährigen Erben ohne Einkommen oder Arbeitslosen im Rahmen eines<br />

Erbschaftsverfahrens (Bestätigung <strong>des</strong> Erbschaftserwerbs, Nachlassteilung)<br />

sowie von Straftätern gestellt werden, die keine Berufstätigkeit ausüben und ihre<br />

Liegenschaften als Sicherheitsleistung gegen eine vorläufige Festnahme verwenden<br />

wollen. Wird die Erteilung der Grundbuchabschrift als Beweismittel im<br />

Rahmen eines anhängigen Gerichtsverfahrens beantragt, in dem der Antragsteller<br />

in vollem Umfang von Kosten befreit wurde, ist die Grundbuchabschrift<br />

gebührenfrei. In diesem Fall kann das zuständige Gericht unmittelbar die Grundbuchabteilung<br />

um Übersendung der Grundbuchabschrift ersuchen.<br />

cc. Erteilung der berichtigten Abschrift<br />

Die infolge <strong>des</strong> Migrationsprozesses aufgetretenen Fehler im Grundbuch hat das<br />

Gericht unverzüglich von Amts wegen oder auf Antrag <strong>des</strong> Interessierten im<br />

384 Diese Zuständigkeit <strong>des</strong> allgemeinen Zivilgerichts für die Entscheidung über die Gebührenbefreiung<br />

ergibt sich daraus, dass der Antrag auf Gebührenbefreiung nicht unter der<br />

Aktensignatur <strong>des</strong> Grundbuchgerichts bearbeitet werden kann. <strong>Das</strong> Grundbuchgericht<br />

verfügt über kein geeignetes Registrierungssystem und kann diesen Antrag nicht mit<br />

einer separaten Aktensignatur versehen. Der Antrag kann insbesondere im Tagebuch in<br />

<strong>Grundbuchs</strong>achen nicht registriert werden. Eine abweichende Praxis hat sich dagegen im<br />

Falle der Einlegung eines Rechtsmittels (Beschwerde oder Berufungsklage) entwickelt.<br />

Im Rahmen eines solchen Verfahrens kann das Grundbuchgericht über den Antrag auf<br />

Gebührenbefreiung selbst entscheiden. Für diese Divergenz gibt es keine inhaltliche<br />

Begründung. Die Grundsätze der Leistungsfähigkeit, der Rationalität sowie <strong>des</strong> ökonomischen<br />

und raschen Handelns sprechen für die Zuständigkeit <strong>des</strong> <strong>Grundbuchs</strong>gerichts für<br />

sämtliche Anträge auf Gebührenbefreiung, die Grundbuchangelegenheiten betreffen.<br />

385 Art. 101 Kosten-G.<br />

386 Art. 100 Abs. 2 Kosten-G.


<strong>Das</strong> <strong>formelle</strong> Publizitätsprinzip <strong>des</strong> <strong>Grundbuchs</strong> 689<br />

außerstreitigen Verfahren zu beseitigen. 387 Grundsätzlich handelt es sich dabei<br />

um Schreibfehler oder sonstige Versehen, die jedoch den Rechtsverkehr deutlich<br />

erschweren oder gar unmöglich machen können. 388 Die Berichtigung erfolgt im<br />

Wege <strong>des</strong> Beschlusses, der nur im Falle der Anfechtung begründet wird. 389 Werden<br />

solche Fehler erst in der Grundbuchabschrift ausfindig gemacht, sollte dem<br />

Antragsteller die korrigierte Grundbuchabschrift gebührenfrei ausgestellt werden.<br />

Die in solchen Fällen einschlägige Gerichtspraxis, für die berichtigte<br />

Abschrift erneut Gebühren zu verlangen, ist zu kritisieren. Sie belastet den<br />

Antragsteller mit den Kosten der Fehler eines Dritten, die er keinesfalls zu vertreten<br />

hat. Der Antragsteller ist auch nicht verpflichtet, vor der Antragstellung<br />

das betroffene Grundbuch einzusehen, um damit der Erteilung fehlerhafter<br />

Abschriften vorzubeugen. Art. 18 Abs. 3 MigrationsG, nach dem das Verfahren<br />

zur Berichtigung solcher Fehler gerichtsgebührenfrei ist, könnte sinngemäß ausgelegt<br />

und auf die Erteilung der berichtigten Grundbuchabschrift ausgedehnt<br />

werden. 390<br />

dd. Katasteramt<br />

Um die Übereinstimmung der Angaben aus dem Liegenschaftskataster mit dem<br />

Grundbuchinhalt zu überprüfen, wird der direkte und gebührenfreie Zugang zu<br />

der Datenbank der Grundbücher auch dem Katasteramt gewährleistet. Von<br />

dieser Möglichkeit wurde bis jetzt wegen technischer Hindernisse noch kein<br />

Gebrauch gemacht. Dem Katasteramt obliegt zurzeit die Führung <strong>des</strong> Verzeichnisses<br />

„Evidenz der Grundstücke und Gebäude“. 391 Dieses Verzeichnis enthält<br />

eine für das ganze Land einheitliche und regelmäßig aktualisierte Sammlung der<br />

Informationen über Grundstücke, Gebäude und Räume, deren Eigentümer und<br />

andere natürliche oder juristische Personen, die über diese Grundstücke, Gebäude<br />

und Räume verfügen. 392 Dessen Umstellung in das moderne Liegenschafts-<br />

387 Diese Gerichtstätigkeiten können von Rechtspflegern ausgeübt werden; Art. 18 Abs. 1<br />

MigrationsG.<br />

388 <strong>Das</strong> kann etwa durch Verwechslung <strong>des</strong> Vornamens durch Versehen der Endbuchstaben<br />

„a“ geschehen: Stanisław (männlicher Vorname) – Stanisława (weiblicher Vorname);<br />

entsprechend: Henryk – Henryka, Krzysztof – Krzysztofa, Władysław – Władysława etc.<br />

389 Dieser Beschluss kann mit dem Rechtsmittel der Beschwerde angefochten werden;<br />

Art. 18 Abs. 2 MigrationsG.<br />

390 Stefaska (Fn. 345), 106.<br />

391 Die Rechtsgrundlage für dieses Register findet sich in Art. 20-26 <strong>des</strong> Gesetzes vom<br />

17.5.1989 – das geodätische und kartographische Recht, einheitliche Fassung: Dz. U.<br />

2005 Nr. 240, Pos. 2027 i.d.g.F. (GKR) sowie in der Verordnung <strong>des</strong> Ministers für regionale<br />

Entwicklung und Bauwesen vom 29.3.2001 über die Evidenz der Grundstücke und<br />

Gebäude, Dz. U. 2001 Nr. 38, Pos. 454; vgl. dazu Stawecki (Fn. 2), 373 f.<br />

392 Vgl. Art. 2 Nr. 8 GKR; dazu Bieniek/Rudnicki, Nieruchomoci – Problematyka prawna,<br />

Warszawa 2009, 91 ff.; mit dem historischen und vergleichenden Hintergrund: Stawecki<br />

(Fn. 2), 370 ff.; zum Verhältnis von Grundbuch und Evidenz: Cierpiał (Fn. 336), 40 ff.;


690<br />

Arkadiusz Wudarski<br />

kataster kann erst nach der Durchführung der erforderlichen Vorbereitungen<br />

erfolgen. Da der Zugang zum Grundbuch für das Katasteramt lediglich die<br />

Kompatibilität beider Register gewährleisten soll, wurde der Zugang auf die<br />

erste Grundbuchabteilung (tatsächliche Angaben zum Grundstück) und auf die<br />

zweite (Eigentumsverhältnisse am Grundstück) beschränkt. Den Behörden ist<br />

gleichzeitig untersagt, Informationen aus dieser Datenbank an Dritte weiterzugeben<br />

(Art. 36 5 Abs. 4 GBHG).<br />

V. Gemeinschaftliche Relevanz der Grundbuchregister<br />

Die Bedeutung der Liegenschaftsregister – „Grundbuchregister“ genannt – der<br />

EU-Mitgliedstaaten für die Integration der Märkte wurde auch seitens der Europäischen<br />

Kommission und <strong>des</strong> Europäischen Parlaments anerkannt und die Verbesserung<br />

ihrer rechtlichen Gestaltung als wichtiges Mittel zur Erhöhung der<br />

Leistung <strong>des</strong> Binnenmarktes und zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit der<br />

Europäischen Union gesehen.<br />

1. Empfehlungen der Forum Group on Mortgage Credit<br />

Im März 2003 hat die Europäische Kommission die sog. Forum Group on<br />

Mortgage Credit ins Leben gerufen und ihr die Aufgabe übertragen, Hindernisse<br />

für die weitere Integration der Hypothekarkreditmärkte in der Europäischen<br />

Union zu ermitteln und Wege für ihre Beseitigung vorzuschlagen. In ihrem<br />

Bericht 393 ist die Forum Group – neben anderen relevanten Fragen – auf die<br />

Transparenz der Grundbuchregister eingegangen und hat dies in die Liste ihrer<br />

Empfehlungen aufgenommen. Nach Ansicht der Forum Group sind bestehende<br />

Unterschiede in der Liegenschaftsregistrierung und in den Sicherheitsstandards<br />

an sich keine Hindernisse für die Entwicklung <strong>des</strong> Binnenmarkts. Doch der gleiche<br />

Zugang zum Hypothekarkreditmarkt kann wegen der mangelnden Zentralisierung<br />

der für ausländische Marktteilnehmer erforderlichen Informationen<br />

erschwert sein. 394 Darüber hinaus wurde der Kommission empfohlen, Kontrollmaßnahmen<br />

bezüglich der Grundbuchregister zu ergreifen, um sicherzustellen,<br />

dass:<br />

Stawecki (Fn. 2), 375 ff.; Hoffmann, Dane i informacje z ewidencji gruntów i budynków<br />

a ksigi wieczyste, Rejent Nr. 5/2002, 95 ff.<br />

393 Report of the Forum Group on Mortgage Market “The Integration of the EU Mortgage<br />

Credit Markets”, published by the European Commission 2004; abrufbar unter:<br />

http://ec.europa.eu/internal_market/finservices-retail/docs/home-loans/2004-report-integration_en.pdf; vgl.:<br />

http://ec.europa.eu/internal_market/finservices-retail/docs/home-loans/2004-report-integration_de.pdf/.<br />

394 Report (Fn. 393), Anm. 108.


<strong>Das</strong> <strong>formelle</strong> Publizitätsprinzip <strong>des</strong> <strong>Grundbuchs</strong> 691<br />

– „sämtliche Grundpfandrechte gleich welcher Art in einem öffentlichen Register<br />

(Grundbuch) eingetragen werden müssen, um für Dritte verbindlich und<br />

wirksam zu werden;<br />

– die Bestellung, Änderung oder Löschung eines Grundpfandrechts erst mit der<br />

Eintragung im öffentlichen Register gegenüber Dritten wirksam wird, und<br />

– für eingetragene Grundpfandrechte an ein und derselben Immobilie die Rangfolge<br />

gilt, die im öffentlichen Register ausgewiesen ist.“ 395 Wird die Rangfolge<br />

der Grundbucheintragung aber nach dem Antragseingang und nicht nach<br />

der tatsächlichen Eintragung bestimmt, so sollten die Mitgliedstaaten sicherstellen,<br />

dass das öffentliche Register die Einreichung von Anträgen in der<br />

Reihenfolge ihres Eingangs zu registrieren oder abzulehnen hat; 396<br />

– „die öffentlichen Register allen Parteien oder ihren Vertretern, sämtliche relevanten<br />

Informationen zur Verfügung stellen“; 397<br />

– „die Mitgliedstaaten für die zuständige Beglaubigungsstelle <strong>des</strong> öffentlichen<br />

Registers Amtshaftung vorsehen. Falls die Zuständigkeit Dritten übertragen<br />

wird, sollten diese durch eine geeignete Berufshaftpflichtversicherung mit angemessener<br />

Deckungssumme abgesichert sein“. 398<br />

2. <strong>Das</strong> Grünbuch zu Hypothekarkrediten in der Europäischen Union<br />

Den Empfehlungen der Forum Group on Mortgage Credit folgend, hat sich die<br />

Europäische Kommission mit Grundbuchfragen in dem am 19. Juli 2005 veröffentlichten<br />

Grünbuch zu Hypothekarkrediten in der EU 399 beschäftigt. Grundbuchregister<br />

werden dort im Rahmen der hypothekarischen Sicherheiten – neben<br />

der Eurohypothek 400 – behandelt. 401 Im Grünbuch wird betont, dass der leichte<br />

Zugang zu Grundbuchregistern und die Kenntnis ihres Inhalts und ihrer Funktionsweise<br />

Grundvoraussetzungen für grenzübergreifende Hypothekarkreditgeschäfte,<br />

einschließlich der Finanzierung, sind. 402 Die Kommission äußerte<br />

jedoch gleichzeitig die Befürchtung, dass die Grundbuchregister in Europa nicht<br />

395 Report (Fn. 393), Empfehlung Nr. 30.<br />

396 Report (Fn. 393), Empfehlung Nr. 31.<br />

397 Report (Fn. 393), Empfehlung Nr. 32.<br />

398 Report (Fn. 393), Empfehlung Nr. 33.<br />

399 KOM(2005)327;<br />

http://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/LexUriServ.do?uri=COM:2005:0327:FIN:DE:PDF/.<br />

400 Zur Eurohypothek vgl. etwa: Nasarre-Aznar, Looking for a model for a Eurohypothec,<br />

European University Institute 2004; Drewicz-Tułodziecka (Hrsg.), Basic Guidelines for a<br />

Eurohypothec, Warsaw 2005; Stöcker, Die Eurohypothek, IJVO-Jahresheft, Osnabrück<br />

2007, 61 ff.; Wudarski, W poszukiwaniu konstrukcji eurohipoteki, KPP Nr. 1/2009,<br />

205 ff.<br />

401 <strong>Das</strong> Grünbuch (Fn. 399), Nr. 44-46.<br />

402 <strong>Das</strong> Grünbuch (Fn. 399), Nr. 44.


692<br />

Arkadiusz Wudarski<br />

immer über sämtliche Pfandrechte, die die Eigentumsrechte belasten könnten,<br />

vollständige Auskunft geben und stellte damit deren Aussagekraft in Frage.<br />

3. Der Bericht <strong>des</strong> Europäischen Parlaments<br />

In dem Bericht vom 19. Oktober 2006, 403 dem die Stellungnahmen <strong>des</strong> Ausschusses<br />

für Binnenmarkt und Verbraucherschutz 404 und <strong>des</strong> Rechtsausschusses<br />

405 zugrunde lagen, teilte auch das Europäische Parlament die Ansicht,<br />

dass eine weitere Integration <strong>des</strong> EU-Hypothekarkreditmarktes für Verbraucher<br />

und Wirtschaft von Relevanz sei. <strong>Das</strong> Europäische Parlament hat dabei den<br />

leichten Zugang zu vollständigen und korrekten Informationen über hypothekarische<br />

Sicherheiten und Eigentumsrechte für Kreditgeber unterstrichen. 406<br />

Soweit rechtliche Vorschriften nicht entgegenstehen, sollten also der Zugang zu<br />

Grundbuchregistern gefördert und darüber hinaus alle Bestrebungen auf nationaler<br />

Ebene unterstützt werden, die auf die Angleichung und die Aussagekraft der<br />

Register in den EU-Mitgliedstaaten abzielen. Gemäß den oben erwähnten Stellungnahmen<br />

befürwortete das Europäische Parlament auch einen Ausbau <strong>des</strong><br />

bestehenden europäischen Grundstücksinformationsdienstes EULIS. 407<br />

4. European Union Land Information Service<br />

a. Gründung und Zielsetzung<br />

Die grundlegende Bedeutung der Transparenz der Grundstücksregister für die<br />

Schaffung <strong>des</strong> Binnenmarktes für das europäische Immobiliengeschäft wurde<br />

von der Kommission bereits mit der Finanzierung der Pilotphase <strong>des</strong> Projekts<br />

EULIS (European Union Land Information Service) untermauert. 408<br />

Dieses von den Grundbucheinrichtungen der nordeuropäischen Staaten eingeleitete<br />

Projekt setzt sich zum Ziel, die Zusammenarbeit zwischen Eigentümern<br />

und den die Register führenden Behörden zu verbessern sowie den grenzüberschreitenden<br />

Zugang zu diesen Registern zu erleichtern. Dieses Ziel sollte<br />

zunächst durch die Einrichtung eines gemeinsamen Internet-Portals der europäischen<br />

Grundbücher bzw. Liegenschaftsregister erreicht werden. Die Grundstücksdatenbank<br />

wurde am 22. November 2006 in sechs europäischen Staaten<br />

403 Der Bericht über Hypothekarkredite in der Europäischen Union (2006/2102(INI)), A6-<br />

0370/2006;<br />

http://www.europarl.europa.eu/si<strong>des</strong>/getDoc.do?pubRef=//EP//NONSGML+REPORT+A6-2006-0370+0+-<br />

DOC+PDF+V0//DE/.<br />

404 Stellungnahme vom 6.10.2006, abrufbar (Fn. 403, S. 18 ff.), Nr. 15.<br />

405 Stellungnahme vom 4.10.2006, abrufbar (Fn.403, S. 24 ff.), Nr. 8.<br />

406 Bericht (Fn. 403), Nr. 42.<br />

407 Bericht (Fn. 403), Nr. 43; vgl. Report (Fn. 393), Empfehlung Nr. 35.<br />

408 Vgl. das Grünbuch (Fn. 399), Nr. 45.


<strong>Das</strong> <strong>formelle</strong> Publizitätsprinzip <strong>des</strong> <strong>Grundbuchs</strong> 693<br />

gestartet. 409 <strong>Das</strong> Internet-basierte EULIS-System stellt neben den Grundbuchdaten<br />

Informationen zu den jeweiligen Rechtsordnungen sowie ein Glossar zur<br />

Verfügung. 410<br />

Seine Fortentwicklung ist während der Konsultationen zum Grünbuch der<br />

Hypothekarkredite in der EU auf sehr positive Resonanz gestoßen. 411 Die Befragten<br />

betonten übereinstimmend, dass große Anstrengungen unternommen<br />

werden sollten, um weitere Länder zu einer Teilnahme zu ermutigen.<br />

b. Entwicklung und Ausblick<br />

Obwohl das Projekt bereits seit einigen Jahren läuft, befindet es sich noch weiter<br />

in der Anfangsphase. Auch die Anzahl der beteiligten Länder hat sich seither<br />

kaum vergrößert. 412 Dieser Zustand hängt nicht nur mit organisatorischen und<br />

technischen Schwierigkeiten zusammen, sondern auch mit den datenschutz- und<br />

verfassungsrechtlichen Fragen, die weiterhin auf der nationalen Ebene geregelt<br />

werden und für die EULIS keine grenzüberschreitende Lösung anbietet. Unter<br />

vielen Faktoren, von denen seine Ausbaufähigkeit abhängt, rückt die Gestaltung<br />

der Publizität nationaler Register in den Vordergrund. 413<br />

<strong>Das</strong> betrifft insbesondere Deutschland, das bisher an EULIS nicht beteiligt<br />

ist. Eine materiellrechtliche Barriere ist sicherlich in § 12 GBO zu suchen. Ein<br />

weiterer Grund liegt zudem darin, dass die Bun<strong>des</strong>gesetzgebung und die Verwaltungszuständigkeit<br />

von 16 Bun<strong>des</strong>ländern zuerst koordiniert werden müssen.<br />

In Deutschland wird intensiv an der Elektronisierung <strong>des</strong> Grundbuchinhalts<br />

gearbeitet; im Vergleich zu anderen europäischen Ländern besteht aber noch ein<br />

gewisser Rückstand. Polen wirkte zwar offiziell im Programm EULIS Plus mit,<br />

aber die polnische Teilnahme stieß wegen der Zersplitterung verschiedener<br />

Liegenschaftsregister, <strong>des</strong> dauernden Umstellungsprozesses <strong>des</strong> traditionellen<br />

<strong>Grundbuchs</strong> auf das EDV-Grundbuch und auch nicht zuletzt aus datenschutzrechtlichen<br />

Gründen auf Schwierigkeiten und brachte es bis heute zu keinen<br />

Fortschritten oder Ergebnissen.<br />

409 Schweden, Niederlande, England und Wales, Norwegen, Litauen und Irland.<br />

410 Mehr zu EULIS: http://www.eulis.org/; vgl. auch Van Loenen/Ploeger/Nasarre-Aznar,<br />

EuroTitle: Land Registry Standard, GIM International, 29.12.2005, 2 f.; Ploeger/Van<br />

Loenen, EULIS – At the beginning of the road to harmonization of land registry in<br />

Europe, ERPL Nr. 3/2004, 379 ff.<br />

411 <strong>Das</strong> Projekt wollen 91% Mitgliedstaaten, 100% Finanzinstitutionen, 100% Verbraucher<br />

sowie 82% sonstiger Marktteilnehmern unterstützen; Feedback on the Consultation on<br />

the Green Paper on Mortgage Credit 2006, Brussels, 23.5.2006 (MARKT/H3/JR<br />

D(2006)); Nr. 8.1., 42; abrufbar unter:<br />

http://ec.europa.eu/internal_market/finservices-retail/docs/home-loans/feedback_gp-en.pdf/.<br />

412 Derzeit beteiligt am EULIS sind acht Länder: Österreich, Schweden, Niederlande, Schottland,<br />

England und Wales, Norwegen, Litauen und Irland.<br />

413 Vgl. Ploeger/Van Loenen (Fn. 410), 386.


694<br />

Arkadiusz Wudarski<br />

Aus europäischer Sicht ist dagegen von entscheidender Bedeutung, dass EULIS<br />

keine standardisierten und vereinheitlichten Informationen über die Grundstücke<br />

in den EU-Mitgliedstaaten bietet. Die Angaben, die man mit Hilfe von EULIS<br />

erhält, basieren auf den in der nationalen Datenbank gesammelten Informationen.<br />

Auch die Art und Weise <strong>des</strong> Zugänglichmachens der Informationen hängt<br />

von der Gestaltung der nationalen Register ab. Der Wert dieser Informationen<br />

kann daher voneinander deutlich abweichen. 414 Würden also sogar die EU-<br />

Mitgliedstaaten ihre Register und dort befindliche Daten für jedermann und<br />

zwar online zugänglich machen wollen, scheint EULIS für Informationen suchende<br />

und europaweit tätige Kreditgeber vielleicht gewisse praktische Vorteile<br />

zu bringen, kann aber – angesichts bestehender Divergenzen in dem Zugang und<br />

der Aussagekraft der Grundbuchregister in Europa – die Einschaltung eines<br />

Rechtskundigen vor Ort nicht ersetzen. 415 EULIS löst nicht die mit der Vielfalt<br />

nationaler Register verbundenen Probleme. 416 Auch eine reale Kostenersparnis<br />

ist nicht ersichtlich. Im derzeitigen Entwicklungsstadium sind daher mit EULIS<br />

bahn-brechende Fortschritte für die europäische Integration, insbesondere für<br />

grenzüberschreitende Hypothekarkreditgeschäfte, nicht zu erblicken.<br />

VI. Gesamtbewertung und Reformvorschläge<br />

1. <strong>Das</strong> Grundbuch ist ein Instrument zum Aufbau <strong>des</strong> Vertrauens und der<br />

Sicherheit im Rechtsverkehr und gilt als Garant für einen funktionierenden Kreditmarkt<br />

und die wirtschaftliche Entwicklung. Zur Erfüllung dieser Funktion<br />

dient unter einer Vielzahl von materiell- und verfahrensrechtlichen Prinzipien<br />

auch die <strong>formelle</strong> Grundbuchpublizität, die jedoch im Spannungsverhältnis zum<br />

Schutz der Privatsphäre <strong>des</strong> Eigentümers und sonstiger Berechtigter steht. Da<br />

diese Prinzipien miteinander kollidieren, können sie nicht beide in vollem Umfang<br />

verwirklicht werden. Es muss daher eine Interessenabwägung erfolgen,<br />

wobei keines der kollidierenden Prinzipien dabei gänzlich ohne Auswirkung<br />

bleiben darf; dies würde außerdem nicht als gleichermaßen gültiges Prinzip<br />

durch die Rechtsordnung anerkannt.<br />

2. Die meisten EU-Staaten sind sich dieses Spannungsverhältnisses bewusst und<br />

bemühen sich um eine mittlere Abgrenzungslinie, die jedoch auf unterschiedliche<br />

Art und Weise gezogen wird und zu mehreren Lösungen führt. Für die Gestaltung<br />

<strong>des</strong> <strong>formelle</strong>n Publizitätsprinzips muss jedenfalls immer und europaweit gelten,<br />

dass Einschränkungen <strong>des</strong> informationellen Selbstbestimmungsrechts nur zuläs-<br />

414 Vgl. Ploeger/Van Loenen (Fn. 410), 385.<br />

415 Vgl. Remien, Immobiliarsachenrecht in Europa – Skizze eines unvermessenen Gebiets,<br />

Festschrift Tuğrul Ansay, Alphen aan den Rijn 2006, 310.<br />

416 So auch Van Loenen/Ploeger/Nasarre-Aznar (Fn. 410), 3.


<strong>Das</strong> <strong>formelle</strong> Publizitätsprinzip <strong>des</strong> <strong>Grundbuchs</strong> 695<br />

sig sind, wenn dies zur Gewährleistung der Rechtssicherheit im Grundstücksverkehr<br />

unentbehrlich ist. Von entscheidender Bedeutung und hilfreich ist dabei<br />

die klare Unterscheidung zwischen grundstücks- und personenbezogenen Angaben.<br />

3. Diesem Kriterium hält insbesondere das polnische Recht nicht stand. Die<br />

Grundbuchpublizität genießt in Polen den Vorrang und verdrängt weitgehend<br />

den Schutz der Privatsphäre, wobei der derzeitige Umfang der im Grundbuch<br />

befindlichen und für jedermann zugänglichen personenbezogenen Daten für die<br />

Sicherheit <strong>des</strong> Grundstücksverkehrs nicht erforderlich ist. Die Verfassungskonformität<br />

dieses Rechtszustands sollte überprüft werden. Angesichts <strong>des</strong> bestehenden<br />

Ungleichgewichts sind gesetzliche Änderungen jedenfalls angebracht.<br />

<strong>Das</strong> Publizitätserfordernis der im Grundbuch befindlichen Informationen sollte<br />

verifiziert und die Privatsphäre mehr geschützt werden. Auf der Suche nach der<br />

gerechten Interessenabwägung könnte eine mögliche Lösung in der Einführung<br />

der vorgeschlagenen zweistufigen Grundbuchpublizität bestehen.<br />

4. Die derzeitige Spaltung der Grundbuchführung in Polen wirkt sich auf die<br />

Transparenz und die Funktionsfähigkeit <strong>des</strong> gesamten <strong>Grundbuchs</strong>ystems aus.<br />

Im traditionellen <strong>Grundbuchs</strong>ystem Polens weicht das Einsichtsrecht von der<br />

Berechtigung zur Erteilung einer Abschrift ab, wobei letztere nichts anderes als<br />

eine sehr geläufige Ausübungsform der Einsichtnahme darstellt. Obwohl die<br />

Einsicht in das Grundbuch jeder Person zusteht, wird das Recht auf Erteilung<br />

der Grundbuchabschrift eingeschränkt und zusätzlich von der Art der Abschrift<br />

abhängig gemacht. Die Meinung, nach der die Vorschriften darüber, wann und<br />

welcher Person die Abschriften erteilt werden, lediglich Ordnungscharakter<br />

haben und nicht als Einschränkung <strong>des</strong> <strong>formelle</strong>n Publizitätsprinzips anzusehen<br />

sind, 417 ist abzulehnen. Von der unterschiedlichen Gestaltung <strong>des</strong> <strong>formelle</strong>n<br />

Publizitätsprinzips hinsichtlich der Grundbucheinsicht und der Erteilung der<br />

Grundbuchabschrift wird im elektronischen <strong>Grundbuchs</strong>ystem zu Recht abgesehen.<br />

Die bestehende Differenzierung ist nicht nur inkonsequent, sondern auch<br />

inhaltlich falsch. Die ihr zugrunde liegenden Kriterien wurden vom Gesetzgeber<br />

nicht erläutert. Sie ergeben sich insbesondere nicht aus der Begründung zum<br />

MigrationsG, 418 das den uneingeschränkten Zugang ausschließlich für Abschriften<br />

aus dem EDV-Grundbuch eingeführt hat. Sie lassen sich auch nicht aufgrund<br />

einer teleologischen Gesetzesauslegung gewinnen. Die Übersichtlichkeit der<br />

normativen Regelung wird zudem durch ihre nicht nachvollziehbare Ansiedlung<br />

in einer Vielzahl von Gesetzen und Ausführungsbestimmungen deutlich erschwert.<br />

Diese Inkohärenz basiert auf keiner inhaltsrelevanten Begründung und<br />

sollte daher umgehend beseitigt werden. Der Kreis der berechtigten Personen<br />

417<br />

418<br />

So ohne weitere Begründung Rudnicki (Fn. 79), 207.<br />

Sejm-Drucksache Nr. 773 vom 23.7.2002, 11 ff.


696<br />

Arkadiusz Wudarski<br />

zur Grundbucheinsicht und zur Erteilung der Grundbuchabschrift muss gleichgestellt<br />

werden.<br />

5. Keine Rechtfertigung findet auch die bestehende Divergenz in der Gebührenhöhe<br />

für die Erteilung der Abschriften. Von der derzeitigen ineffizienten<br />

Verfahrensweise bei der Abrechnung und Entrichtung von Gebühren für die<br />

Abschrift aus dem papiernen Grundbuch ist abzusehen und deren Harmonisierung<br />

mit der Erstellung der EDV-Grundbuchabschrift anzustreben. Gleiches<br />

trifft für die Unterschiede in der Antragsform zu.<br />

6. Manche Differenzen der dualen Grundbuchführung (Anm. 4-5) mögen vorübergehenden<br />

Charakter haben und mit der vollen Elektronisierung <strong>des</strong> <strong>Grundbuchs</strong><br />

an Bedeutung verlieren; dies ist zu begrüßen. Berücksichtigt man jedoch,<br />

dass es in Polen über 14 Mio. Grundbücher gibt und sich die vollständige<br />

Umstellung <strong>des</strong> <strong>Grundbuchs</strong>ystems – nicht zuletzt wegen der Kosten und <strong>des</strong><br />

Mangels an Personal – noch auf mehrere Jahre erstreckt, wäre ein Einschreiten<br />

<strong>des</strong> Gesetzgebers zur Beseitigung der genannten Unterschiede bereits für die<br />

Übergangszeit erforderlich.<br />

7. Art. 36 5 Abs. 3 GBHG führt zur Einschränkung der allgemeinen, zugunsten<br />

<strong>des</strong> Fiskus breit geregelten gesetzlichen Gebührenbefreiung. Diese Abweichung<br />

von Art. 94 Kosten-G ist inhaltlich unbegründet und sollte ersatzlos aufgehoben<br />

werden.<br />

8. Dem Grundsatz der Prozessökonomie folgend, sollte es nicht nur möglich,<br />

sondern sogar geboten sein, den Antrag auf Gebührenbefreiung nicht ausschließlich<br />

vor, sondern auch mit dem Antrag auf Erteilung der Grundbuchabschrift zu<br />

stellen. Aus demselben Grund sollte für die Entscheidung über die Gebührenbefreiung<br />

in <strong>Grundbuchs</strong>achen das Grundbuchgericht und nicht das allgemeine<br />

Zivilgericht zuständig sein.<br />

9. Die Erteilung einer berichtigten Abschrift sollte – mit Hilfe der extensiven<br />

Auslegung <strong>des</strong> Art. 18 Abs. 3 MigrationsG – gebührenfrei erfolgen. Die gegenläufige<br />

Gerichtspraxis ist falsch. Dem Antragsteller dürfen wegen der fehlerhaften<br />

Gerichtshandlungen, die er nicht zu vertreten hat, keine zusätzlichen Kosten<br />

entstehen.<br />

10. Im Unterschied zur Abschrift aus dem papiernen Grundbuch hat die Abschrift<br />

aus dem EDV-Grundbuch eine Form eines automatisch erstellten Vordrucks<br />

und bedarf nur eines geringen Aufwan<strong>des</strong>. Trotz dieser Vorteile ist ihre<br />

derzeitige Gestalt wegen der Unübersichtlichkeit weit von der gewünschten<br />

Form entfernt und kann dadurch sogar irreführend sein. Um diese Mängel zu


<strong>Das</strong> <strong>formelle</strong> Publizitätsprinzip <strong>des</strong> <strong>Grundbuchs</strong> 697<br />

beseitigen, muss die EDV-Grundbuchabschrift neu gestaltet werden. <strong>Das</strong> EDV-<br />

Grundbuch wird dann seine Informations- und Schutzfunktion viel effizienter<br />

erfüllen können. Auf Angaben, die in Bezug auf die Sicherheit <strong>des</strong> Rechtsverkehrs<br />

entbehrlich sind, sollte verzichtet werden.<br />

11. Die Anlegung der neuen Grundbücher im EDV-System und die Beendigung<br />

der Migration der papiernen Grundbücher in dieses System tragen zur besseren<br />

Verwirklichung <strong>des</strong> <strong>formelle</strong>n Publizitätsprinzips bei. Die Einsicht in das EDV-<br />

Grundbuch ist nicht mehr territorial beschränkt und kann in jedem Grundbuchgericht<br />

vorgenommen werden. Angebracht wären weitere Verbesserungen,<br />

insbesondere der Abbau administrativer Hindernisse. Sowohl die Überwachung<br />

<strong>des</strong> Grundbuchzugangs als auch der räumliche und zeitliche Rahmen der<br />

Einsichtnahme orientierten sich ursprünglich am Schutz der in Papierform<br />

geführten Grundbücher. Für das EDV-Grundbuch treffen diese Überlegungen<br />

nicht mehr zu. Soweit sichergestellt wird, dass eine Veränderung <strong>des</strong> Grundbuchinhalts<br />

durch die Einsicht nehmende Person ausgeschlossen ist und sich die<br />

Grundbucheinsicht auf die für den Grundstücksverkehr erforderlichen Informationen<br />

beschränkt, die für jedermann zugänglich sind (engere Publizitätsebene),<br />

spricht nichts gegen den selbständigen Abruf <strong>des</strong> EDV-<strong>Grundbuchs</strong>. Die Anwesenheit<br />

<strong>des</strong> Gerichtsmitarbeiters wäre dann entbehrlich. Darüber hinaus entfiele<br />

der Zweck der räumlichen und damit auch zeitlichen Einschränkung der Ausübung<br />

<strong>des</strong> Einsichtsrechts.<br />

12. De lege ferenda sollte die Grundbucheinsicht mit Hilfe eines verschlüsselten<br />

Online-Anschlusses bzw. der Datenfernübertragung ohne Einschaltung <strong>des</strong><br />

Grundbuchgerichts bei jedem Notar möglich sein. <strong>Das</strong> würde nicht nur den<br />

Bedürfnissen der Rechtspraxis entgegenkommen, sondern zugleich die Grundbuchgerichte<br />

vom Publikumsverkehr entlasten und zur Senkung <strong>des</strong> Personalaufwan<strong>des</strong><br />

führen, die Arbeitseffizienz der Grundbuchgerichte verbessern und<br />

zur Beschleunigung der Grundbucheintragungen beitragen. Den Notaren als<br />

Personen öffentlichen Vertrauens sollte zudem ermöglicht werden, im Interesse<br />

der Rechtssicherheit weitere Vorgänge vorzunehmen, insbesondere eintragungspflichtige<br />

Rechte bereits zum Zeitpunkt <strong>des</strong> Abschlusses der ihnen zugrunde<br />

liegenden Rechtsgeschäfte unmittelbar auf elektronischem Wege im Grundbuch<br />

vorzumerken. Damit könnten Missbrauchsfälle ausgeschlossen werden, die etwa<br />

mit der verspäteten Einreichung <strong>des</strong> Eintragungsantrags und mit der zwar<br />

obligatorischen, aber nicht konstitutiven Grundbucheintragung <strong>des</strong> Eigentumserwerbs<br />

verbunden sind.


698<br />

Arkadiusz Wudarski<br />

13. Im Falle der Rechtsgeschäfte ist de lege ferenda jedoch für konstitutive Wirkung<br />

der Grundbucheintragung für alle dinglichen Rechte an Immobilien zu<br />

plädieren. Ist eine konstitutive Grundbucheintragung für die Entstehung und<br />

Übertragung eines beschränkt dinglichen Rechts (wie etwa der Hypothek)<br />

vorgesehen, umso mehr sollte Gleiches für die umfassendste rechtliche Herrschaftsform<br />

über eine Sache (das Eigentum) gelten. Der Hypothekengläubiger<br />

verdient doch nicht den besseren Rechtsschutz als der Eigentümer. Bedauerlicherweise<br />

ist die Rechtslage zurzeit unter anderem in Polen so, dass der Eigentumsübergang<br />

grundsätzlich außerhalb <strong>des</strong> <strong>Grundbuchs</strong> erfolgt. Konstitutiver<br />

Eintragungszwang für alle Immobiliarsachenrechte würde gleichzeitig für deren<br />

Publizität sorgen.<br />

14. Die Fortentwicklung und Aufbau <strong>des</strong> modernen <strong>Grundbuchs</strong>ystems in den<br />

EU-Mitgliedstaaten setzt die Ausarbeitung und Durchsetzung der Qualitätsleitlinien<br />

für Grundbuchregister in Europa voraus, die die Rechtssicherheit im<br />

europäischen Immobiliengeschäft erhöhen und damit zur Verbesserung der<br />

Leistungs- und Wettbewerbsfähigkeit <strong>des</strong> Binnenmarktes für Immobiliengeschäfte<br />

beitragen. EULIS kann diese Aufgabe heutzutage nicht erfüllen.

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!