Geschäftsgrundlage
Geschäftsgrundlage
Geschäftsgrundlage
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1<br />
§ 13<br />
Störung der Geschäftsgrundlage
2<br />
Einführung
3<br />
Begriff und Funktion
Störung der Geschäftsgrundlage<br />
4<br />
Prinzip<br />
Pacta sunt servanda<br />
Durchbrechung des Prinzips<br />
[…] "wenn der Vertrag durch nachträglich eingetretene<br />
oder bekannt gewordene Umstände in seinen Grund-lagen<br />
so nachhaltig gestört wird, dass seine unver-änderte<br />
Durchführung unter Berücksichtigung aller Umstände des<br />
Einzelfalls, insb. der vertraglichen oder gesetzlichen<br />
Risikoverteilung, unzumutbar wäre (Begründung, BT-<br />
Drucks.14/6040, S.174)."<br />
• […] gravierende soziale, ökonomische oder ökologische Umbrüchen
Störung der Geschäftsgrundlage<br />
5<br />
Beispielsfall<br />
V verkauft sein Hotel in Frankfurt (Oder) am<br />
30.04.1922 für 100.000,- Reichsmark an K. Der Kaufvertrag<br />
soll im Folgejahr erfüllt werden. Die<br />
(unvorhersehbare) Hyperinflation führt jedoch dazu,<br />
dass der vereinbarte Kaufpreis im Folgejahr nur noch<br />
ausreichen würde, um ein (kleines) Brot zu kaufen (vgl.:<br />
RGZ 103, 328 - Spinnerei).
6<br />
Typologie
Typologie<br />
7<br />
Große und kleine Geschäftsgrundlage<br />
Obektive und subjektive Geschäftsgrundlage
8<br />
Prüfungsschema
Störung der GG –Prüfungsschema<br />
9<br />
I. Vertragliches Schuldverhältnis<br />
II. Geschäftsgrundlage<br />
1. Objektive Geschäftsgrundlage (§ 313 Abs.1) – "Umstände,<br />
die zur Grundlage des Vertrags geworden sind"<br />
2. Subjektive Geschäftsgrundlage (§ 313 Abs.2) –<br />
"Wesentliche Vorstellungen [der Parteien], die zur<br />
Grundlage des Vertrags geworden sind"<br />
II. Erhebliche Störung der Geschäftsgrundlage<br />
III. Hypothetische Kausalität<br />
IV. Unzumutbarkeit der Bindung an den unveränderten Vertrag
10<br />
Tatbestand
11<br />
Vertragliches Schuldverhältnis<br />
Regelungssystematik & Wortlaut
12<br />
Geschäftsgrundlage
Geschäftsgrundlage<br />
13<br />
Geschäftsgrundlage sind nach std. Rspr. des<br />
Bundesgerichtshofs "die bei Vertragsschluss<br />
bestehenden gemeinsamen Vorstellungen beider<br />
Parteien oder die dem Geschäftsgegner<br />
erkennbaren und von ihm nicht beanstandeten<br />
Vorstellungen der einen Vertragspartei von dem<br />
Vorhandensein oder dem künftigen Eintritt gewisser<br />
Umstände, sofern der Geschäftswille der Parteien<br />
auf dieser Vorstellung aufbaut (BGH-NJW-RR<br />
2006, 1037).
Geschäftsgrundlage<br />
14<br />
Objektive Geschäftsgrundlage (§ 313 Abs.1)<br />
Rechtliche oder tatsächliche Umstände, die zur<br />
Grundlage des Vertrags geworden sind<br />
• Keine Umstände, die zum Inahlt des Vertrags zählen!<br />
• Umstände, die eine/beide Partei(en) wie selbstverständlich<br />
als gegeben unterstellt haben<br />
• Beispiel: Krönungszugfall
Geschäftsgrundlage<br />
15<br />
Subjektive Geschäftsgrundlage (§ 313 Abs.2)<br />
Wesentliche (Fehl-)Vorstellungen, die dem<br />
Vertragsschluss zugrunde lagen<br />
• Gemeinschaftlicher Irrtum<br />
• BGH NJW 2005, 2069<br />
• BGH NJW 1990, 567<br />
• Einseitige Fehlvorstellungen
16<br />
Beispiele aus der Rspr.
17<br />
Erheblichkeit der Störung
18<br />
Hypothetische Kausalität
19<br />
Unzumutbarkeit der Bindung<br />
[…] an den unveränderten Vertrag
Unzumutbarkeit der Bindung<br />
20<br />
Risikoverteilung<br />
Kraft Vertrags<br />
Kraft Gesetzes<br />
Beispielsfall<br />
OLG Frankfurt, GuT 2010, 205<br />
• Materialien [271]
21<br />
Fallgruppen
22<br />
Äquivalenzstörung<br />
Fall Nr.1 [Hotel]
23<br />
Leistungserschwerung
24<br />
Fall Nr.2 [Krieg im Nahen Osten]
Fall Nr.2 [Krieg im Nahen Osten]<br />
25<br />
K gegen V auf Lieferung des Restmenge – gegen<br />
Bezahlung des Festpreises in Höhe von 40,- Euro/<br />
Barrel – gem. § 433 Abs.1<br />
Kaufvertrag<br />
Leistungsfreiheit gem. § 275 Abs.1<br />
• Nein!<br />
Leistungsfreiheit gem. § 275 Abs.2?
Fall Nr.2 [Krieg im Nahen Osten]<br />
26<br />
Leistungsfreiheit gem. § 275 Abs.2?<br />
• Begr., BT-Drucks. 14/6040, S.130: "Nicht erfasst werden<br />
von [§ 275] Abs.2 Satz 1 dagegen die Fälle der sog.<br />
"wirtschaftlichen" oder "sittlichen" Unmöglichkeit i.S. der<br />
bloßen Leistungserschwerung für den Schuldner. Diese<br />
Fallgruppen sind im [BGB vor 2001] nicht geregelt und nach<br />
den Grundsätzen des Wegfalls der Geschäftsgrundlage zu<br />
behandeln. Daran ändert Absatz 2 nichts. Dies folgt daraus,<br />
dass Absatz 2 Satz 1 allein auf das Leistungsinteresse des<br />
Gläubigers abstellt und die eigenen Interessen des<br />
Schuldners, um deren Berücksichtigung es in dien Fällen<br />
typischerweise geht, nicht in den Blick nimmt."
Fall Nr.2 [Krieg im Nahen Osten]<br />
27<br />
Leistungsfreiheit gem. § 275 Abs.2?<br />
• Hier: Kein grobes Missverhältnis zwischen dem Leistungsaufwand,<br />
den V für die Lieferung des Heizöls treiben muss<br />
(Erwerb für 170,- Euro/Barrel) und dem Leistungsinteresse<br />
des K, der auf die Lieferung des Heizöls (mit einem<br />
aktuellen Marktwert in Höhe von 170,- Euro + ) angewiesen<br />
ist.
Fall Nr.2 [Krieg im Nahen Osten]<br />
28<br />
Einrede der unzulässigen Rechtsausübung gem. § 242 BGB,<br />
wenn und weil V von K gem. § 313 Abs.1 die Anpassung des<br />
Vertrags an die veränderten Umstände verlangen kann?<br />
• Haben sich bestimmte Umstände nach Vertragsschluss<br />
schwerwiegend verändert?<br />
• Importpreis hat sich vervielfacht<br />
• Handelt es sich um Umstände, die nicht Inhalt, wohl aber zur<br />
Grundlage des Kaufvertrags geworden sind?<br />
• Importpreis ist nicht vereinbart, liegt jedoch erkennbar der<br />
Kalkulation des Kaufpreises zugrunde<br />
• Ist anzunehmen, dass die Parteien den Vertrag nicht oder nur mit<br />
anderem Inhalt geschlossen hätten, wenn sie die Veränderung<br />
vorausgesehen hätten?<br />
• Hätte V die Preisentwicklung gekannt, hätte er keinen Festpreis in<br />
Höhe von 40,- Euro/Barrel vereinbart
Fall Nr.2 [Krieg im Nahen Osten]<br />
29<br />
Einrede der unzulässigen Rechtsausübung gem. § 242 BGB,<br />
wenn und weil V von K gem. § 313 Abs.1 die Anpassung des<br />
Vertrags an die veränderten Umstände verlangen kann?<br />
• Ist einer der Parteien das Festhalten am unveränderten Vertrag<br />
unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insb. der<br />
vertraglichen oder gesetzlichen Risikoverteilung nicht zuzumuten?<br />
• Bekannte Preivolatilität auf Rohstoffmärkten<br />
Ergebnis<br />
• Bekannte Kriegsgefahr im Nahen Osten<br />
• Möglichkeit des V, sich gegen entsprechende Risiken auf<br />
Terminmärkten abzusichern<br />
• Keine gestörte Geschäftsgrundlage!
Leistungserschwerung<br />
30<br />
(P) Abgrenzung § 275 Abs.2 vs. § 313 Abs.1?<br />
Stürner, JURA 2010, 721<br />
• "vertragliche Risikostruktur"
31<br />
Zweckstörung
32<br />
Fall Nr.3 [Karneval]
Fall Nr.3 [Kölner Karneval]<br />
33<br />
J gegen T auf die Miete (§ 535 Abs.2)<br />
Leistungsfreiheit gem. § 326 Abs.1<br />
• Gegenseitiger Vertrag<br />
• Unmöglichkeit der Leistung<br />
• Keine Unmöglichkeit: Die Leistung ist möglich, auch wenn sie ihren<br />
Sinn verloren hat!<br />
• Rücktritt vom Mietvertrag gem. § 313 Abs.3, 1<br />
• Störung der Geschäftsgrundlage?
Fall Nr.3 [Kölner Karneval]<br />
34<br />
• Störung der Geschäftsgrundlage?<br />
• Haben sich bestimmte Umstände nach Vertragsschluss<br />
schwerwiegend verändert?<br />
• Handelt es sich um Umstände, die nicht Inhalt, wohl aber zur<br />
Grundlage des Kaufvertrags geworden sind?<br />
• Ist anzunehmen, dass die Parteien den Vertrag nicht oder nur<br />
mit anderem Inhalt geschlossen hätten, wenn sie die<br />
Veränderung vorausgesehen hätten?<br />
• Ist einer der Parteien das Festhalten am unveränderten<br />
Vertrag unter Berücksichtigung aller Umstände des<br />
Einzelfalls, insb. der vertraglichen oder gesetzlichen<br />
Risikoverteilung nicht zuzumuten?<br />
• Ergebnis
35<br />
Rechtsfolgen
36<br />
Anpassung des Vertrags
Anapassung des Vertrags<br />
37<br />
§ 313 Abs.3 Satz 1 räumt dem Benachteiligten<br />
einen Anpassungsanspruch ein.<br />
Daraus folgt, dass die Anpassung nicht ipso iure und –<br />
im Prozess – auch nicht von Amts wegen stattfindet;<br />
vielmehr muss der Berechtigte den Anpassungsanspruch<br />
geltend machen; ggf. wird gem. § 894 ZPO vollstreckt.<br />
• Begründung (BT-Drucks.14/6040, S.176): "Gründe der<br />
Rechtssicherheit sprechen aber dafür, als Rechtsfolge einen<br />
Anspruch auf Anpassung festzuschreiben. Insb. sollen die<br />
Parteien zunächst selbst über die Anpassung verhandeln. Im<br />
Falle eines Prozesses wäre dann, ... eine Klage unmittelbar<br />
auf die angepasste Leistung möglich … ."
38<br />
Beendigung des Vertrags<br />
§ 313 Abs.3
Beendigung des Vertrags<br />
39<br />
Beendigung durch<br />
Rücktritt<br />
• § 313 Abs.3 Satz 1<br />
Kündigung<br />
• § 313 Abs.3 Satz 2<br />
Beachte<br />
Beendigung ist ultima ratio!
40<br />
Konkurrenzen
41<br />
Fall Nr.4 [Bauland]
Fall Nr.4 [Bauland]<br />
42<br />
<br />
V gegen K auf Rückübertragung des Eigentums gem. § 812 Abs.1<br />
Satz 1 Fall 1<br />
Etwas erlangt<br />
• Besitz und Eigentum an dem Bauland<br />
Leistung<br />
• Eigentumsübertragung (§§ 873, 925) solvendi causa<br />
Kein Rechtsgrund<br />
• Kaufvertrag<br />
• Nichtigkeit des Kaufvertrags (§§ 142 Abs.1, 119 Abs.2)?<br />
• Bebaubarkeit als wertbildender Faktor<br />
• Keine Irrtumsanfechtung gem. § 119 Abs.2 bei beiderseitigen Irrtum<br />
(Dauner/Lieb)?<br />
• Begründung: Irren sich beide, so ist es unbillig, wenn derjenige, der anficht,<br />
gem. § 122 auf das negative Interesse haftet<br />
• Ergebnis<br />
• Ergebnis
Fall Nr.4 [Bauland]<br />
43<br />
V gegen K auf Rückübertragung des Eigentums<br />
gem. §§ 346, 313 Abs.3 Satz 1<br />
Rücktrittsgrund (§ 313 Abs.2)<br />
• Subsidiarität<br />
V gegen K auf Anpassung des Vertrags gem. § 313<br />
Abs.3 Satz 1