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Journal<br />
für das Lohnbüro<br />
04|2013<br />
Aktuelles aus <strong>de</strong>m Lohnsteuerrecht<br />
• Reform <strong>de</strong>s Reisekostenrechts<br />
• Steuerfreie Arbeitgeberleistungen Teil 1<br />
• Moches Meinung zum Betriebsfest<br />
Aktuelles aus <strong>de</strong>m Sozialversicherungsrecht<br />
• Ärztlicher Leiter ist abhängig beschäftigt<br />
• Schwerpunkt Entgeltbescheinigungsverordnung<br />
• Pflegepersonen und abhängige Beschäftigung<br />
Aktuelles aus <strong>de</strong>m Arbeitsrecht<br />
• Elternzeit und Teilzeit<br />
• Rechtsprechung für Sie aufbereitet<br />
Markus Matt<br />
Chefredakteur<br />
Das Finanzamt feiert gerne mit<br />
Liebe Leserinnen und Leser,<br />
die Reform <strong>de</strong>s Reisekostenrechts ist nun<br />
beschlossen und damit treten alle Neuregelungen<br />
zum 1.1.2014 in Kraft. Eine<br />
rechtzeitige Vorbereitung und Umstellung<br />
auf die neuen Regelungen, beson<strong><strong>de</strong>r</strong>s<br />
durch entsprechen<strong>de</strong> Anpassung betriebsinterner<br />
Reiserichtlinien und <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Lohnbuchhaltung ist dringend ratsam,<br />
wie unsere Autorin weiß.<br />
Personelle Engpässe und <strong><strong>de</strong>r</strong> Wunsch<br />
nach Flexibilität führen zu einer wachsen<strong>de</strong>n<br />
Zahl an Pflegekräften, die auf Honorarbasis<br />
in Krankenhäusern und Altenheimen<br />
arbeiten. Doch Achtung: Schnell<br />
wird aus einer Honorarkraft ein abhängig<br />
Beschäftigter - mit allen Pflichten für <strong>de</strong>n<br />
Arbeitgeber. Unser Autor weiß, worauf zu<br />
achten ist.<br />
Arbeitgeberleistungen wie Warengutscheine<br />
o<strong><strong>de</strong>r</strong> Fortbildungsmaßnahmen sind<br />
innerhalb bestimmter Grenzen steuerfrei<br />
o<strong><strong>de</strong>r</strong> pauschal besteuerbar und daher ein<br />
optimales Instrument zur Mitarbeitermotivation.<br />
Doch um welche Arbeitgeberleistungen<br />
geht es hier genau? Unser Autor erklärt<br />
es Ihnen.<br />
Auch unser Kommentator Werner Moche<br />
beschäftigt sich in seinem Kommentar dieses<br />
Mal mit steuerfreien Arbeitgeberleistungen,<br />
und zwar mit jenen im Rahmen<br />
von Betriebsfesten. Bei aller Freu<strong>de</strong> auf die<br />
Feier ist nämlich Vorsicht angesagt, dann<br />
schnell lan<strong>de</strong>n die guten Absichten <strong>de</strong>s<br />
Chefs in <strong><strong>de</strong>r</strong> Steuerpflicht - und spätestens<br />
dann feiert das Finanzamt freudig mit.<br />
In diesem Sinne wünsche ich Ihnen eine<br />
spannen<strong>de</strong> Lektüre<br />
Ihr Markus Matt<br />
2 | Journal für das Lohnbüro April 2013 Das Finanzamt feiert gerne mit
Aktuelles aus <strong>de</strong>m Lohnsteuerrecht<br />
Gebrauchte Geschäftswagen und<br />
1-Prozent-Metho<strong>de</strong><br />
Wer<strong>de</strong>n angestellten Geschäftsführern<br />
o<strong><strong>de</strong>r</strong> sonstigen Arbeitnehmern gebrauchte<br />
Dienstwagen auch zur privaten Nutzung<br />
zur Verfügung gestellt, muss dieser geldwerte<br />
Vorteil versteuert wer<strong>de</strong>n. Für <strong>de</strong>ssen<br />
Berechnung gibt es zwei Metho<strong>de</strong>n:<br />
die pauschale 1-Prozent-Metho<strong>de</strong> (zuzüglich<br />
0,03 Prozent für Fahrten zwischen<br />
Wohnung und Arbeitsstätte) o<strong><strong>de</strong>r</strong> die aufwendigere<br />
Fahrtenbuchmetho<strong>de</strong>, die auch<br />
in elektronischer Form bei Beachtung bestimmter<br />
Regeln als ordnungsgemäß anerkannt<br />
wird.<br />
In einem jetzt vom Bun<strong>de</strong>sfinanzhof entschie<strong>de</strong>nen<br />
Fall war umstritten, ob die Bewertung<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Privatnutzung nach <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
1-Prozent-Metho<strong>de</strong> noch insoweit verfassungsgemäß<br />
ist, als <strong><strong>de</strong>r</strong> Nutzungswert für<br />
das gebrauchte KFZ nach <strong>de</strong>m inländischen<br />
Bruttolistenpreis bei <strong><strong>de</strong>r</strong> Erstzulassung<br />
bemessen wird. Der Bun<strong>de</strong>sfinanzhof<br />
(BFH) hat diese Frage in Übereinstimmung<br />
mit <strong>de</strong>m Finanzgericht Nie<strong><strong>de</strong>r</strong>sachsen erneut<br />
bejaht.<br />
Es entspricht ständiger Rechtsprechung,<br />
dass die Überlassung eines Dienstwagens<br />
an <strong>de</strong>n Arbeitnehmer für <strong>de</strong>ssen Privatnutzung<br />
zu <strong>de</strong>ssen Bereicherung und damit<br />
zu Lohnzufluss führt. Steht <strong><strong>de</strong>r</strong> Vorteil<br />
<strong>de</strong>m Grun<strong>de</strong> nach fest, ist dieser<br />
entwe<strong><strong>de</strong>r</strong> mit <strong><strong>de</strong>r</strong> 1-Prozent-Regelung<br />
o<strong><strong>de</strong>r</strong> mit <strong><strong>de</strong>r</strong> Fahrtenbuch-Metho<strong>de</strong> zu bewerten.<br />
Wird ein (ordnungsgemäßes)<br />
Fahrtenbuch nicht geführt, gilt die 1-Prozent-Metho<strong>de</strong>.<br />
Dieser Nutzungsvorteil ist<br />
für je<strong>de</strong>n Kalen<strong><strong>de</strong>r</strong>monat mit 1 Prozent<br />
<strong>de</strong>s inländischen Listenpreises im Zeitpunkt<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Erstzulassung zzgl. <strong><strong>de</strong>r</strong> Kosten<br />
für Son<strong><strong>de</strong>r</strong>ausstattungen einschl. Umsatzsatzsteuer<br />
anzusetzen. Die 1-Prozent-Regelung<br />
ist insoweit eine grundsätzlich<br />
zwingen<strong>de</strong>, stark typisieren<strong>de</strong> und pauschalieren<strong>de</strong><br />
Bewertungsregelung. Deshalb<br />
bleiben individuelle Beson<strong><strong>de</strong>r</strong>heiten<br />
hinsichtlich <strong><strong>de</strong>r</strong> Art und <strong><strong>de</strong>r</strong> Nutzung <strong>de</strong>s<br />
Dienstwagens grds. ebenso unberücksichtigt<br />
wie nachträgliche Än<strong><strong>de</strong>r</strong>ungen<br />
<strong>de</strong>s Fahrzeugwertes. Dementsprechend<br />
erhöht etwa <strong><strong>de</strong>r</strong> nachträgliche Einbau von<br />
Zusatzausstattungen nicht die Bemessungsgrundlage.<br />
Weiter bleibt <strong><strong>de</strong>r</strong> inländische<br />
Listenpreis auch dann Bemessungsgrundlage,<br />
wenn <strong><strong>de</strong>r</strong> Arbeitgeber<br />
das Fahrzeug gebraucht angeschafft hatte<br />
o<strong><strong>de</strong>r</strong> wenn schon ein Großteil <strong><strong>de</strong>r</strong> Anschaffungskosten<br />
als Betriebsausgaben<br />
(AfA) geltend gemacht wor<strong>de</strong>n war.<br />
Die Bewertung <strong>de</strong>s Vorteils ist mit <strong>de</strong>m<br />
Ansatz eines Nutzungsvorteils in Höhe<br />
von 1 Prozent <strong>de</strong>s Bruttolistenpreises pro<br />
Monat zwar eine nur grob typisieren<strong>de</strong><br />
Regelung. Allerdings normiert diese Regelung<br />
keine zwingen<strong>de</strong> und unwi<strong><strong>de</strong>r</strong>legbare<br />
Typisierung, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n tritt nur alternativ<br />
zur Fahrtenbuchmetho<strong>de</strong> hinzu.<br />
Diese Metho<strong>de</strong> bewertet <strong>de</strong>n vom Arbeitgeber<br />
zugewandten Nutzungsvorteil nach<br />
Maßgabe <strong><strong>de</strong>r</strong> konkret entstan<strong>de</strong>nen Kosten.<br />
Insbeson<strong><strong>de</strong>r</strong>e im Hinblick auf dieses<br />
Wahlrecht (sog. „Escape-Klausel“) beurteilt<br />
die bisherige BFH-Rechtsprechung<br />
die Typisierung als unbe<strong>de</strong>nklich.<br />
Der erkennen<strong>de</strong> Senat folgt dieser Rechtsprechung.<br />
Denn wenn <strong><strong>de</strong>r</strong> Steuerpflichtige<br />
statt einer typisieren<strong>de</strong>n Regelung<br />
auch <strong>de</strong>n Nachweis <strong>de</strong>s tatsächlichen<br />
Sachverhalts und eine daran anknüpfen<strong>de</strong><br />
Besteuerung wählen kann, ist er<br />
durch eine ihm lediglich zusätzlich zur<br />
Wahl gestellte Typisierung in einer verfassungsrechtlichen<br />
Position auch dann<br />
nicht betroffen, wenn sie im Vergleich<br />
zur an<strong><strong>de</strong>r</strong>en Besteuerungsform im konkreten<br />
Fall nachteilig wirkt. Angesichts<br />
<strong>de</strong>ssen kann sich <strong><strong>de</strong>r</strong> Geschäftsführer<br />
nicht mit Erfolg darauf berufen, dass <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Kraftfahrzeughan<strong>de</strong>l beim Neuwagenverkauf<br />
mittlerweile regelmäßig Rabatte<br />
einräumt, also <strong><strong>de</strong>r</strong> Bruttolistenpreis nicht<br />
einmal mehr typisierend <strong>de</strong>n Verkaufspreis<br />
für Neufahrzeuge darstellt. Denn<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Gesetzgeber unterliegt gegenwärtig<br />
diesbezüglich keinem Anpassungszwang.<br />
Die Anwendung <strong><strong>de</strong>r</strong> 1-Prozent-Regelung<br />
bezweckt, <strong>de</strong>n beim Arbeitnehmer entstan<strong>de</strong>nen<br />
Vorteil <strong><strong>de</strong>r</strong> Nutzungsüberlassung<br />
eines betriebsbereiten KFZ zu bewerten.<br />
Dieser Vorteil umfasst nicht nur<br />
das Zurverfügungstellen <strong>de</strong>s Fahrzeugs<br />
selbst, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n auch die Übernahme<br />
sämtlicher damit verbun<strong>de</strong>ner Kosten wie<br />
Steuern, Versicherungsprämien, Reparatur-<br />
und Wartungskosten sowie insb. <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Treibstoffkosten. Das alles sind Aufwendungen,<br />
die sich we<strong><strong>de</strong>r</strong> im Bruttolistenneupreis<br />
noch in <strong>de</strong>n tatsächlichen Neuanschaffungskosten<br />
mit einem festen<br />
Prozentsatz unmittelbar abbil<strong>de</strong>n.<br />
Die vom Gesetzgeber zu Grun<strong>de</strong> gelegte<br />
Bemessungsgrundlage <strong>de</strong>s Bruttolistenneupreises<br />
bezweckt also nicht, die tatsächlichen<br />
Neuanschaffungskosten und<br />
erst recht nicht <strong>de</strong>ssen gegenwärtigen<br />
Wert im Zeitpunkt <strong><strong>de</strong>r</strong> Überlassung realitätsgerecht<br />
abzubil<strong>de</strong>n. Der Bruttolistenneupreis<br />
erweist sich vielmehr als generalisieren<strong>de</strong><br />
Bemessungsgrundlage, die<br />
aus typisierten Neuanschaffungskosten<br />
<strong>de</strong>n Nutzungsvorteil insgesamt zu gewinnen<br />
sucht, <strong><strong>de</strong>r</strong> ungleich mehr umfasst als<br />
die Überlassung <strong>de</strong>s Fahrzeugs selbst.<br />
Denn <strong><strong>de</strong>r</strong> tatsächliche geldwerte Vorteil<br />
entspricht <strong>de</strong>m Betrag, <strong><strong>de</strong>r</strong> von einem Arbeitnehmer<br />
für eine vergleichbare Nutzung<br />
aufgewandt wer<strong>de</strong>n müsste und <strong>de</strong>n<br />
er durch die Überlassung erspart.<br />
(BFH v. 13.12.2012, Az.: VI R 51/11; Pressemitteilung<br />
Nr. 14 v. 06.03.2013;<br />
www.bun<strong>de</strong>sfinanzhof.<strong>de</strong>).<br />
Wolfgang Gamp<br />
Rechtsassessor,<br />
Lohnsteuerhilfeverein<br />
LoBe e.V.,<br />
Her<strong>de</strong>cke<br />
www.lohnsteuerhilfeher<strong>de</strong>cke.<strong>de</strong><br />
Aktuelles aus <strong>de</strong>m Lohnsteuerrecht<br />
Journal für das Lohnbüro April 2013 | 3
Reform <strong>de</strong>s Reisekostenrechts zum 01.01.2014<br />
Die Reform <strong>de</strong>s Reisekostenrechts ist nun beschlossen<br />
und damit treten alle Neuregelungen<br />
zum 01.01.2014 in Kraft. Sie gelten somit<br />
für alle nach <strong>de</strong>m 31. Dezember 2013 gelten<strong>de</strong>n<br />
Lohnzahlungszeiträume. Eine rechtzeitige<br />
Vorbereitung und Umstellung auf die<br />
neuen Regelungen, beson<strong><strong>de</strong>r</strong>s durch eine entsprechen<strong>de</strong><br />
Anpassung betriebsinterner Reiserichtlinien<br />
und <strong><strong>de</strong>r</strong> Lohnbuchhaltung, ist<br />
dringend ratsam.<br />
1. Fahrtkosten<br />
Abgrenzung Entfernungspauschale/<br />
Reisekosten<br />
Im Bereich <strong><strong>de</strong>r</strong> Fahrtkosten wird neu geregelt,<br />
für welche Fahrten (Auswärtstätigkeiten) die<br />
gesamten Fahrtkosten steuerfrei erstattet<br />
wer<strong>de</strong>n können (Kilometerpauschale i. H. v.<br />
0,30 Euro für je<strong>de</strong>n tatsächlich gefahrenen<br />
Kilometer) o<strong><strong>de</strong>r</strong> nur die Entfernungspauschale<br />
(Pauschale i. H. v. 0,30 Euro für die<br />
einfache Entfernung zwischen Wohnung<br />
und Tätigkeitsstätte) angesetzt wer<strong>de</strong>n kann.<br />
Hierzu wird <strong><strong>de</strong>r</strong> Begriff einer „ersten Tätigkeitsstätte“<br />
gesetzlich neu <strong>de</strong>finiert und <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
bisherige Begriff <strong><strong>de</strong>r</strong> „regelmäßigen Arbeitsstätte“<br />
hierdurch ersetzt. Folge ist, dass nur<br />
für die Fahrten von <strong><strong>de</strong>r</strong> Wohnung zur „ersten<br />
Tätigkeitsstätte“ die Entfernungspauschale<br />
anzusetzen ist und für alle übrigen<br />
Fahrten die tatsächlichen Kosten bzw. die Kilometerpauschale<br />
als Werbungskosten angesetzt<br />
bzw. vom Arbeitgeber steuerfrei erstattet<br />
wer<strong>de</strong>n können.<br />
Gesetzliche Definition <strong><strong>de</strong>r</strong> „ersten Tätigkeitsstätte“<br />
Nach<strong>de</strong>m in <strong>de</strong>n letzten Jahren ein ständiges<br />
Wechselspiel zwischen Rechtsprechung<br />
und Verwaltung zur Bestimmung<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> regelmäßigen Arbeitsstätte erfolgte,<br />
soll nun Rechtssicherheit und eine ein<strong>de</strong>utige<br />
gesetzliche Definition geschaffen wer<strong>de</strong>n<br />
(§ 9 Abs. 4 EStG-neu). Der bisherige<br />
Begriff <strong><strong>de</strong>r</strong> „regelmäßigen Arbeitsstätte“<br />
wird durch einen neuen Begriff einer „ersten<br />
Tätigkeitsstätte“ ersetzt.<br />
Folge: Je Dienstverhältnis gibt es nur noch<br />
maximal eine erste Tätigkeitsstätte, die zu<br />
einem beschränkten Werbungskostenabzug<br />
bzw. Reisekostenersatz (Entfernungspauschale,<br />
keine Verpflegungspauschale, Übernachtungskosten<br />
nur im Rahmen <strong><strong>de</strong>r</strong> doppelten<br />
Haushaltsführung) o<strong><strong>de</strong>r</strong> zur<br />
Versteuerung eines geldwerten Vorteils im<br />
Falle einer Dienstwagengestellung führt. Bei<br />
je<strong><strong>de</strong>r</strong> beruflichen Tätigkeit an an<strong><strong>de</strong>r</strong>en Tätigkeitsstätten<br />
o<strong><strong>de</strong>r</strong> auch in <strong>de</strong>n Fällen, in <strong>de</strong>nen<br />
gar keine Tätigkeitsstätte vorhan<strong>de</strong>n ist, ist<br />
voller steuerfreier Reisekostenersatz möglich.<br />
Die „erste Tätigkeitsstätte“ ist künftig<br />
nach folgen<strong>de</strong>m Schema zu bestimmen:<br />
(1) Zuordnung <strong>de</strong>s Arbeitgebers<br />
An<strong><strong>de</strong>r</strong>s als bisher wird die erste Tätigkeitsstätte<br />
künftig in erster Linie anhand<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> arbeitsrechtlichen bzw. dienstrechtlichen<br />
Zuordnung <strong>de</strong>s Arbeitgebers bestimmt.<br />
Entschei<strong>de</strong>nd ist also, ob <strong><strong>de</strong>r</strong> Arbeitnehmer<br />
nach <strong>de</strong>n Festlegungen <strong>de</strong>s<br />
Arbeitgebers (auch mündliche Absprachen<br />
o<strong><strong>de</strong>r</strong> Weisungen ausreichend) dauerhaft<br />
an einer Tätigkeitsstätte tätig wer<strong>de</strong>n<br />
soll. Dabei kommt es nur darauf an,<br />
was im Vorhinein vom Arbeitgeber festgelegt<br />
ist; weichen die tatsächlichen Verhältnisse<br />
zum Beispiel durch unvorhergesehene<br />
Ereignisse von <strong><strong>de</strong>r</strong> vereinbarten<br />
Festlegung ab, bleibt die getroffene Prognoseentscheidung<br />
bezüglich <strong><strong>de</strong>r</strong> dauerhaften<br />
Zuordnung davon unberührt.<br />
Hinweis: Es spielt keine Rolle, ob die Tätigkeitsstätte<br />
als „erste Tätigkeitsstätte“<br />
o<strong><strong>de</strong>r</strong> zum Beispiel als „Haupttätigkeitsstätte“<br />
o<strong><strong>de</strong>r</strong> als „Stammdienststelle“ o. Ä.<br />
bezeichnet wird. Das steuerliche Reisekostenrecht<br />
soll im Prinzip grundsätzlich<br />
<strong>de</strong>m Arbeitsrecht folgen.<br />
a) Betriebliche Einrichtung<br />
Bisher konnte eine regelmäßige Arbeitsstätte<br />
nur an betrieblichen Einrichtungen<br />
<strong>de</strong>s Arbeitgebers vorliegen. Nun wird <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Anwendungsbereich gesetzlich erweitert<br />
und eine erste Tätigkeitsstätte kann eine<br />
ortsfeste betriebliche Einrichtung<br />
• <strong>de</strong>s Arbeitgebers<br />
• eines verbun<strong>de</strong>nen, rechtlich selbständigen<br />
Unternehmens (z. B. Tochtergesellschaft)<br />
o<strong><strong>de</strong>r</strong><br />
• eines vom Arbeitgeber bestimmten<br />
Dritten (z. B. Kun<strong>de</strong>) sein.<br />
olly © www.fotolia.<strong>de</strong><br />
Die Welt zu Füßen: Das Reisekostenrecht wird reformiert<br />
Hinweis:<br />
Zu Einschränkungen <strong>de</strong>s steuerfreien Reisekostenersatzes<br />
o<strong><strong>de</strong>r</strong> zur Besteuerung eines<br />
geldwerten Vorteils im Falle einer Dienstwagengestellung<br />
(0,03-Prozent-Zuschlag) führt<br />
dies beson<strong><strong>de</strong>r</strong>s in <strong>de</strong>n Fällen, in <strong>de</strong>nen ein<br />
Arbeitnehmer innerhalb einer Unternehmensgruppe<br />
bei einem verbun<strong>de</strong>nen Unternehmen<br />
eingesetzt wird, und bei längerfristigen<br />
Einsätzen bei Kun<strong>de</strong>n (Einschränkung<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> sog. „Kun<strong>de</strong>nrechtsprechung“ <strong>de</strong>s Bun<strong>de</strong>sfinanzhofs).<br />
Bisher gab es keinen „Konzernarbeitgeber“,<br />
d. h. bei Tätigkeiten bei einem<br />
verbun<strong>de</strong>nen Unternehmen konnte<br />
nach Reisekostengrundsätzen abgerechnet<br />
wer<strong>de</strong>n. Ebenso wur<strong>de</strong> bisher nach gefestigter<br />
Rechtsprechung <strong>de</strong>s BFH durch eine Tätigkeit<br />
beim Kun<strong>de</strong>n generell keine regelmäßige<br />
Arbeitsstätte begrün<strong>de</strong>t. Nun kann in<br />
diesen Fällen eine erste Tätigkeitsstätte<br />
grundsätzlich begrün<strong>de</strong>t wer<strong>de</strong>n, allerdings<br />
nur, wenn <strong><strong>de</strong>r</strong> Arbeitgeber <strong>de</strong>n Arbeitnehmer<br />
im Vorhinein länger als 48 Monate o<strong><strong>de</strong>r</strong><br />
unbefristet zuordnet.<br />
4 | Journal für das Lohnbüro April 2013 Reform <strong>de</strong>s Reisekostenrechts zum 01.01.2014
Beispiel:<br />
Ein Außendienstmitarbeiter wird nach Weisung<br />
seines Arbeitgebers befristet für drei<br />
Jahre bei einem Kun<strong>de</strong>n eingesetzt: Da er<br />
dort nicht länger als 48 Monate tätig ist,<br />
begrün<strong>de</strong>t er dort keine erste Tätigkeitsstätte<br />
und kann für die gesamten zwei Jahre<br />
vollen Fahrtkostenersatz (Kilometerpauschale)<br />
erhalten.<br />
b) Ortsfest<br />
Wie bisher muss die erste Tätigkeitsstätte<br />
„ortsfest“ sein. Die bisherige Rechtsprechung<br />
und Verwaltungsauffassung, wonach<br />
auf einem Fahrzeug o<strong><strong>de</strong>r</strong> auf einem<br />
fahren<strong>de</strong>n Schiff keine erste Tätigkeitsstätte<br />
begrün<strong>de</strong>t wird, gilt fort.<br />
Hinweis:<br />
Eine erste Tätigkeitsstätte kann aber am<br />
Übernahmeort (z. B. Bus<strong>de</strong>pot, Treffpunkt<br />
für Sammeltransport, Fährhafen) entstehen,<br />
von <strong>de</strong>m <strong><strong>de</strong>r</strong> Arbeitnehmer arbeitstäglich<br />
unterschiedliche Einsatzorte aufsucht („bei<br />
dauerhaftem Aufsuchen <strong>de</strong>sselben Ortes,<br />
§ 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 4a S. 3 EStG-neu). Damit<br />
soll im Hinblick auf die Fahrtkosten eine<br />
Gleichbehandlung mit an<strong><strong>de</strong>r</strong>en Arbeitnehmern<br />
erfolgen, die Verpflegungspauschale<br />
ist allerdings davon unabhängig (Anspruch<br />
besteht immer bei mind. acht Stun<strong>de</strong>n Abwesenheit<br />
von <strong><strong>de</strong>r</strong> Wohnung).<br />
c) Dauerhaft<br />
Die Zuordnung <strong>de</strong>s Arbeitgebers begrün<strong>de</strong>t<br />
nur dann eine erste Tätigkeitsstätte<br />
<strong>de</strong>s Arbeitnehmers, wenn diese dauerhaft<br />
ist: Das be<strong>de</strong>utet, dass <strong><strong>de</strong>r</strong> Arbeitnehmer<br />
einer Tätigkeitsstätte dauerhaft zugeordnet<br />
sein muss, auf die „Regelmäßigkeit“<br />
<strong>de</strong>s Aufsuchens einer Arbeitsstätte kommt<br />
es künftig nicht mehr an. Typisierend<br />
wird eine „dauerhafte“ Zuordnung für<br />
folgen<strong>de</strong> Fällen angenommen (§ 9 Abs. 4<br />
S. 3 EStG-neu):<br />
• die unbefristete Zuordnung<br />
• die Zuordnung für die Dauer eines<br />
Dienstverhältnisses (befristete Arbeitsverträge)<br />
• die Zuordnung über einen Zeitraum<br />
von 48 Monaten hinaus<br />
Reform <strong>de</strong>s Reisekostenrechts zum 01.01.2014<br />
Maßstab ist, ob <strong><strong>de</strong>r</strong> Arbeitnehmer an einer<br />
Tätigkeitsstätte dauerhaft tätig wer<strong>de</strong>n<br />
soll. Es kommt somit nur auf die Prognose<br />
<strong>de</strong>s Arbeitgebers an, unbeachtlich ist es,<br />
wenn die tatsächlichen Verhältnisse von<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> vereinbarten Festlegung abweichen.<br />
(Tipp: Um Streitigkeiten mit <strong>de</strong>m Prüfer<br />
zu vermei<strong>de</strong>n, sollte die tatsächliche Tätigkeit<br />
in <strong><strong>de</strong>r</strong> Praxis <strong><strong>de</strong>r</strong> formalen Zuordnung<br />
<strong>de</strong>s Arbeitgebers möglichst entsprechen,<br />
ansonsten kann <strong><strong>de</strong>r</strong> Vorwurf eines<br />
Gestaltungsmissbrauchs nach § 42 Abgabenordnung<br />
(AO) entstehen).<br />
Hinweis:<br />
Bei bestehen<strong>de</strong>n Arbeitsverträgen muss geprüft<br />
wer<strong>de</strong>n, ob sich hieraus eine ein<strong>de</strong>utige<br />
Zuordnung ergibt, ansonsten kommt<br />
es auf <strong>de</strong>n zeitlichen Umfang einer Tätigkeit<br />
an (siehe unten). Bei neuen Arbeitsverträgen<br />
sollte möglichst eine ein<strong>de</strong>utige Festlegung<br />
einer ersten Tätigkeitsstätte vorgenommen<br />
wer<strong>de</strong>n, um spätere Streitigkeiten mit <strong>de</strong>m<br />
Finanzamt zu vermei<strong>de</strong>n.<br />
Beispiele zur „dauerhaften Zuordnung“:<br />
• Ein IT-Berater wird befristet für zwei<br />
Jahre bei einem Kun<strong>de</strong>n eingesetzt: Da<br />
er dort we<strong><strong>de</strong>r</strong> unbefristet, noch im Rahmen<br />
eines befristeten Arbeitsvertrages,<br />
noch länger als 48 Monate tätig ist, begrün<strong>de</strong>t<br />
er dort keine erste Tätigkeitsstätte<br />
und kann für die gesamten zwei<br />
Jahre vollen Fahrtkostenersatz (Kilometerpauschale)<br />
erhalten. Bei einer Verlängerung<br />
<strong>de</strong>s Vertrages um weitere zwei<br />
Jahre gilt dasselbe (sog. Kettenabordnungen<br />
sind unschädlich)<br />
• Ein Arbeitnehmer wird über einen Zeitraum<br />
von fünf Jahren als Kun<strong>de</strong>ndienstmonteur<br />
einem Großkun<strong>de</strong>n zugeordnet:<br />
Für die Fahrten von seiner Wohnung<br />
dorthin kann er nur die Entfernungspauschale<br />
geltend machen. Im Falle einer<br />
Dienstwagengestellung ist ein geldwerter<br />
Vorteil (0,03-Prozent-Zuschlag) zu<br />
besteuern.<br />
(2) Bei Fehlen einer Zuordnung:<br />
Zeitlicher Umfang einer Tätigkeit<br />
Wenn eine arbeitsrechtliche Festlegung<br />
gar nicht vorhan<strong>de</strong>n o<strong><strong>de</strong>r</strong> diese nicht ein<strong>de</strong>utig<br />
ist, sind hilfsweise zeitliche (quantitative)<br />
Kriterien heranzuziehen, insbeson<strong><strong>de</strong>r</strong>e<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Umfang <strong><strong>de</strong>r</strong> zu leisten<strong>de</strong>n<br />
vertraglichen Arbeitszeit an einer Tätigkeitsstätte:<br />
Eine erste Tätigkeitsstätte wird<br />
dann begrün<strong>de</strong>t, wenn <strong><strong>de</strong>r</strong> Arbeitnehmer<br />
dort typischerweise arbeitstäglich o<strong><strong>de</strong>r</strong><br />
mehr als zwei volle Arbeitstage pro Woche<br />
o<strong><strong>de</strong>r</strong> min<strong>de</strong>stens 1/3 seiner Arbeitszeit<br />
tätig wer<strong>de</strong>n soll (§ 9 Abs. 4 S. 4 EStG-neu):<br />
Nicht mehr möglich ist es – wie bisher<br />
nach <strong>de</strong>m BMF-Schreiben vom 15. Dezember<br />
2012 – anhand qualitativer Kriterien<br />
das Vorliegen einer an<strong><strong>de</strong>r</strong>en ersten Tätigkeitsstätte<br />
nachzuweisen. Damit kann es<br />
zum Beispiel bei Geschäftsstellen- o<strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Filialleitern im Falle einer Dienstwagengestellung<br />
zu einer Besteuerung eines<br />
geldwerten Vorteils (0,03-Prozent-Zuschlag)<br />
für Fahrten zu einer weiter entfernten<br />
Tätigkeitsstätte kommen, auch<br />
wenn diese inhaltlich nicht <strong>de</strong>n Schwerpunkt<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Tätigkeit darstellt.<br />
Hinweis:<br />
Prüfen einer „ersten Tätigkeitsstätte“ bei<br />
mehreren Tätigkeitsstätten:<br />
(1) Zuordnung <strong>de</strong>s Arbeitgebers<br />
(2) Bei Fehlen einer ein<strong>de</strong>utigen Zuordnung<br />
hat ein Arbeitnehmer dort seine<br />
erste Tätigkeitsstätte, wo er je Arbeitswoche<br />
zwei volle Arbeitstage o<strong><strong>de</strong>r</strong> min<strong>de</strong>stens<br />
1/3 seiner Arbeitszeit regelmäßig tätig<br />
wer<strong>de</strong>n soll (Prognose, tatsächliches<br />
Abweichen unbeachtlich).<br />
(3) Soll <strong><strong>de</strong>r</strong> Arbeitnehmer an mehreren Tätigkeitsstätten<br />
min<strong>de</strong>stens 1/3 seiner Arbeitszeit<br />
tätig wer<strong>de</strong>n (z. B. Filialbetreuer,<br />
Monteure), so ist zu prüfen, ob <strong><strong>de</strong>r</strong> Arbeitgeber<br />
bestimmt hat, welche dieser Tätigkeitsstätten<br />
seine erste Tätigkeitsstätte<br />
sein soll (§ 9 Abs. 4 S. 6 EStG-neu).<br />
(4) Fehlt eine solche Bestimmung, gilt die<br />
zur Wohnung nächstgelegene Tätigkeitsstätte<br />
als erste Tätigkeitsstätte (§ 9 Abs. 4<br />
S. 7 EStG-neu).<br />
Wie bisher kann auch gar keine erste Tätigkeitsstätte<br />
begrün<strong>de</strong>t wer<strong>de</strong>n: Ist <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Arbeitnehmer an keiner Tätigkeitsstätte<br />
min<strong>de</strong>stens 1/3 seiner Arbeitszeit tätig<br />
(ständig wechseln<strong>de</strong> Tätigkeitsstätten),<br />
dann hat er keine erste Tätigkeitsstätte<br />
und kann für alle Fahrten unbegrenzten<br />
steuerfreien Reisekostenersatz erhalten.<br />
Beispiele zu <strong>de</strong>n „zeitlichen Kriterien“:<br />
• Ein Arbeitnehmer ist als Kun<strong>de</strong>ndienstmonteur<br />
an drei Tagen in <strong><strong>de</strong>r</strong> Woche bei<br />
einem Großkun<strong>de</strong>n tätig: Für die Fahrten<br />
von seiner Wohnung dorthin kann er<br />
nur die Entfernungspauschale geltend<br />
machen und nicht die Kilometerpauschale.<br />
• Ein Arbeitnehmer ist als EDV-Berater an<br />
zwei Tagen in <strong><strong>de</strong>r</strong> Woche am Hauptsitz<br />
eines Betriebes und an drei Tagen in <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Woche bei einer Filiale in einer an<strong><strong>de</strong>r</strong>en<br />
Stadt (Tochtergesellschaft) tätig: Für die<br />
Fahrten von seiner Wohnung zu <strong><strong>de</strong>r</strong> Filiale<br />
kann er nur die Entfernungspauschale<br />
geltend machen und nicht die Kilometerpauschale.<br />
Im Falle einer Dienstwagengestellung<br />
ist ein geldwerter Vorteil<br />
(0,03-Prozent-Zuschlag) zu besteuern.<br />
• Ein Arbeitnehmer ist als Kun<strong>de</strong>ndienstmonteur<br />
täglich wechselnd bei verschie<strong>de</strong>nen<br />
Kun<strong>de</strong>n tätig: Er hat keine<br />
erste Tätigkeitsstätte und kann für alle<br />
Fahrten unbegrenzten Reisekostenersatz<br />
bzw. Werbungskostenabzug im<br />
Rahmen <strong><strong>de</strong>r</strong> Kilometerpauschale geltend<br />
machen.<br />
Journal für das Lohnbüro April 2013 | 5
Hinweis:<br />
Auch wenn mangels Zuordnung o<strong><strong>de</strong>r</strong><br />
zeitlicher Kriterien keine erste Tätigkeitsstätte<br />
vorliegt, kann eine Begrenzung <strong>de</strong>s<br />
steuerfreien Fahrtkostenersatzes auf die<br />
Entfernungspauschale erfolgen. Dies gilt<br />
immer dann, wenn <strong><strong>de</strong>r</strong> Arbeitnehmer arbeitstäglich<br />
<strong>de</strong>nselben Ort aufsucht, um<br />
von dort unterschiedliche eigentliche Einsatzorte<br />
aufzusuchen (§ 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 4a<br />
S. 3 EStG-neu). Als Beispiel ist <strong><strong>de</strong>r</strong> tägliche<br />
Übernahmeort eines Fahrzeugs (z. B. Betriebssitz<br />
o<strong><strong>de</strong>r</strong> auch ein Bus<strong>de</strong>pot) zu nennen.<br />
Allein durch das Aufla<strong>de</strong>n von Material<br />
o<strong><strong>de</strong>r</strong> Abholen bzw. Bringen von<br />
Unterlagen, Krankmeldungen o. Ä. wird<br />
allerdings noch keine erste Tätigkeitsstätte<br />
am Betriebssitz begrün<strong>de</strong>t.<br />
(3) Son<strong><strong>de</strong>r</strong>fall „weiträumiges<br />
Arbeitsgebiet“<br />
Arbeitnehmer mit einem weiträumigen<br />
Arbeitsgebiet (z. B. Zusteller, Forstarbeiter,<br />
Hafenarbeiter, Schornsteinfeger), die<br />
ihre Tätigkeit dauerhaft in einem festgelegten<br />
Tätigkeitsgebiet – außerhalb von<br />
ortsfesten Tätigkeitsstätten – ausüben,<br />
können zukünftig für die Fahrten zu diesem<br />
Tätigkeitsgebiet nur noch die Entfernungspauschale<br />
geltend machen (§ 9<br />
Abs. 1 S. 3 Nr. 4a S. 3 EStG-neu). Lediglich<br />
die Fahrten innerhalb <strong>de</strong>s weiträumigen<br />
Arbeitsgebietes können nach Reisekostengrundsätzen<br />
(Kilometerpauschale)<br />
abgerechnet wer<strong>de</strong>n.<br />
Hinweis:<br />
Kein weiträumiges Arbeitsgebiet in diesem<br />
Sinne hat, wer in mehreren festen<br />
Tätigkeitsstätten, die innerhalb eines bestimmten<br />
Bezirks liegen, arbeitet. Das be<strong>de</strong>utet,<br />
dass z. B. Filialbetreuer o<strong><strong>de</strong>r</strong> mobile<br />
Pflegekräfte weiterhin für alle<br />
Fahrten von zu Hause aus steuerfrei die<br />
Kilometerpauschale erhalten können.<br />
(4) Son<strong><strong>de</strong>r</strong>fall „Aufsuchen einer Bildungseinrichtung“<br />
Als erste Tätigkeitsstätte gilt künftig auch<br />
eine Bildungseinrichtung, die außerhalb<br />
eines Dienstverhältnisses zum Zwecke eines<br />
Vollzeitstudiums o<strong><strong>de</strong>r</strong> einer vollzeitigen<br />
Bildungsmaßnahme aufgesucht wird<br />
(§ 9 Abs. 4 S. 7 EStG). Fahrtkosten wegen<br />
eines Vollzeitstudiums können damit nur<br />
noch im Rahmen <strong><strong>de</strong>r</strong> Entfernungspauschale<br />
geltend gemacht wer<strong>de</strong>n. Nebenberufliche<br />
Fortbildungsmaßnahmen sind<br />
hiervon allerdings nicht betroffen.<br />
(5) Einzelfälle<br />
• Filialbetreuer/Bezirksleiter: erste Tätigkeitsstätte<br />
nur dann, wenn <strong><strong>de</strong>r</strong> Arbeitnehmer<br />
dort mehr als 1/3 <strong><strong>de</strong>r</strong> Arbeitszeit<br />
tätig ist; ansonsten keine<br />
erste Tätigkeitsstätte.<br />
• Außendienstmitarbeiter/Monteure/<br />
Bauarbeiter: im Regelfall keine erste<br />
Tätigkeitsstätte (es sei <strong>de</strong>nn, Fahrzeug<br />
wird arbeitstäglich an Sammel<strong>de</strong>pot<br />
o. Ä. abgeholt).<br />
• Zeit-/Leiharbeitnehmer: im Regelfall<br />
keine erste Tätigkeitsstätte beim Entleiher<br />
(es sei <strong>de</strong>nn, es wird arbeitsvertraglich<br />
von Anfang an festgelegt,<br />
dass <strong><strong>de</strong>r</strong> Arbeitnehmer beim Entleiher<br />
für die gesamte Dauer seines Arbeitsverhältnisses<br />
o<strong><strong>de</strong>r</strong> länger als 48 Monate<br />
tätig wer<strong>de</strong>n soll).<br />
• Outsourcing-Fälle: im Regelfall keine<br />
erste Tätigkeitsstätte (es sei <strong>de</strong>nn, es<br />
wird arbeitsvertraglich von Anfang an<br />
festgelegt, dass <strong><strong>de</strong>r</strong> Arbeitnehmer bei<br />
<strong>de</strong>m neuen Arbeitgeber für die gesamte<br />
Dauer seines Arbeitsverhältnisses<br />
o<strong><strong>de</strong>r</strong> länger als 48 Monate tätig wer<strong>de</strong>n<br />
soll).<br />
• In verbun<strong>de</strong>nen Unternehmen (Tochtergesellschaft)<br />
tätige Arbeitnehmer:<br />
grundsätzlich keine erste Tätigkeitsstätte<br />
bei verbun<strong>de</strong>nem Unternehmen<br />
(es sei <strong>de</strong>nn, es wird arbeitsvertraglich<br />
von Anfang an festgelegt, dass <strong><strong>de</strong>r</strong> Arbeitnehmer<br />
bei <strong>de</strong>m neuen Arbeitgeber<br />
für die gesamte Dauer seines Arbeitsverhältnisses<br />
o<strong><strong>de</strong>r</strong> länger als 48<br />
Monate tätig wer<strong>de</strong>n soll).<br />
• Mobile Pflegekräfte: im Regelfall keine<br />
erste Tätigkeitsstätte (es sei <strong>de</strong>nn,<br />
Fahrzeug wird arbeitstäglich an Sammel<strong>de</strong>pot<br />
o. Ä. abgeholt).<br />
• Busfahrer/Lkw-Fahrer: im Regelfall<br />
keine erste Tätigkeitsstätte (es sei <strong>de</strong>nn,<br />
Fahrzeug wird arbeitstäglich an Sammel<strong>de</strong>pot<br />
o. Ä. abgeholt).<br />
• Postzusteller, Schornsteinfeger: Für<br />
Fahrten von <strong><strong>de</strong>r</strong> Wohnung zu <strong>de</strong>m<br />
weiträumigen Arbeitsgebiet gilt die<br />
Entfernungspauschale, für Fahrten innerhalb<br />
<strong>de</strong>s weiträumigen Arbeitsgebiets<br />
die Kilometerpauschale.<br />
2. Verpflegungsmehraufwand<br />
Der Werbungskostenabzug bzw. die steuerfreie<br />
Erstattung von Verpflegungsmehraufwand<br />
wird vereinfacht und in § 9 Abs. 4a<br />
EStG neu geregelt.<br />
Eintägige Auswärtstätigkeiten<br />
Bei eintägigen Dienstreisen gibt es zukünftig<br />
nur noch einen Pauschbetrag in<br />
Höhe von 12 Euro bei einer Min<strong>de</strong>stabwesenheit<br />
von mehr als acht Stun<strong>de</strong>n (maßgeblich<br />
ist die Abwesenheit von <strong><strong>de</strong>r</strong> Wohnung).<br />
Im Vergleich zur bisherigen<br />
Rechtslage (sechs Euro bei Abwesenheit<br />
von mehr als acht Stun<strong>de</strong>n, 12 Euro bei<br />
Abwesenheit von mehr 14 Stun<strong>de</strong>n) wer<strong>de</strong>n<br />
zahlreiche Arbeitnehmer zukünftig<br />
bessergestellt sein. Arbeitgeber wer<strong>de</strong>n<br />
umgekehrt auch einem höheren Kostendruck<br />
unterliegen, da Arbeitnehmer sich<br />
auf die günstigeren gesetzlichen Regelungen<br />
berufen wer<strong>de</strong>n.<br />
Hinweis:<br />
Es bleibt nach wie vor die Möglichkeit <strong>de</strong>s<br />
Arbeitgebers, <strong>de</strong>m Arbeitnehmer weniger<br />
als die steuerfreien Pauschalen zu zahlen<br />
(z. B. sechs Euro), die Differenz zu 12 Euro<br />
kann <strong><strong>de</strong>r</strong> Arbeitnehmer im Rahmen <strong>de</strong>s<br />
Werbungskostenabzugs geltend machen.<br />
Beispiel:<br />
Ein Arbeitnehmer unternimmt eine eintägige<br />
Dienstreise und startet hierzu um 7.00 Uhr<br />
von seiner Wohnung und kehrt um 16.00 Uhr<br />
zurück. Da er mehr als acht Stun<strong>de</strong>n auswärts<br />
tätig ist, kann ihm <strong><strong>de</strong>r</strong> Arbeitgeber<br />
eine steuerfreie Verpflegungspauschale von<br />
12 Euro erstatten.<br />
Mehrtägige Auswärtstätigkeiten<br />
Bei mehrtägigen Auswärtstätigkeiten erfolgt<br />
ebenfalls eine Vereinfachung, in<strong>de</strong>m<br />
für <strong>de</strong>n An- und Abreisetag künftig pauschal<br />
ohne Prüfung einer Min<strong>de</strong>stabwesenheit<br />
ein Betrag von 12 Euro angesetzt<br />
wer<strong>de</strong>n kann. Für die Zwischentage (zwischen<br />
zwei Übernachtungen, Abwesenheit<br />
24 Stun<strong>de</strong>n) kann ein Betrag von 24<br />
Euro angesetzt wer<strong>de</strong>n.<br />
Hinweis:<br />
Da es bei <strong>de</strong>m An- und Abreisetag nicht<br />
auf eine Min<strong>de</strong>stabwesenheit ankommt,<br />
ist es unerheblich, ob <strong><strong>de</strong>r</strong> Arbeitnehmer<br />
die Auswärtstätigkeit von <strong><strong>de</strong>r</strong> Wohnung,<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> ersten o<strong><strong>de</strong>r</strong> einer an<strong><strong>de</strong>r</strong>en Tätigkeitsstätte<br />
beginnt. Es genügt, wenn <strong><strong>de</strong>r</strong> Arbeitnehmer<br />
unmittelbar nach <strong><strong>de</strong>r</strong> Anreise<br />
o<strong><strong>de</strong>r</strong> vor <strong><strong>de</strong>r</strong> Abreise auswärts übernachtet.<br />
Die bisherige „Mitternachtsregelung“<br />
gilt auch weiterhin, d. h. beginnt die auswärtige<br />
berufliche Tätigkeit an einem Kalen<strong><strong>de</strong>r</strong>tag<br />
und en<strong>de</strong>t sie am nachfolgen<strong>de</strong>n<br />
Kalen<strong><strong>de</strong>r</strong>tag ohne Übernachtung,<br />
wer<strong>de</strong>n 12 Euro für <strong>de</strong>n Tag gewährt, an<br />
<strong>de</strong>m <strong><strong>de</strong>r</strong> Arbeitnehmer <strong>de</strong>n überwiegen<strong>de</strong>n<br />
Teil <strong><strong>de</strong>r</strong> insgesamt mehr als acht Stun<strong>de</strong>n<br />
von seiner Wohnung und <strong><strong>de</strong>r</strong> ersten<br />
Tätigkeitsstätte abwesend ist (§ 9 Abs. 4a<br />
Nr. 3 HS 2 EStG-neu).<br />
6 | Journal für das Lohnbüro April 2013 Reform <strong>de</strong>s Reisekostenrechts zum 01.01.2014
Franz Pfluegl © www.fotolia.<strong>de</strong><br />
Nur die Reise bleibt: die Reform soll alles an<strong><strong>de</strong>r</strong>e vereinfachen<br />
Beispiele:<br />
• Der Arbeitnehmer unternimmt eine zweitägige<br />
Dienstreise nach Berlin und startet<br />
am ersten Tag um 7.00 Uhr und kehrt am<br />
zweiten Tag um 15.00 Uhr zurück. Er kann<br />
insgesamt 24 Euro (2 x 12 Euro) steuerfreien<br />
Verpflegungsmehraufwand geltend<br />
machen.<br />
• Der Arbeitnehmer unternimmt eine<br />
dreitägige Dienstreise nach München<br />
und startet am ersten Tag um 7.00 Uhr<br />
und kehrt am dritten Tag um 15.00 Uhr<br />
zurück. Er kann insgesamt 48 Euro (2 x<br />
12 Euro + 24 Euro) steuerfreien Verpflegungsmehraufwand<br />
geltend machen.<br />
Auslandspauschalen<br />
Bei <strong>de</strong>n Auslandstagegel<strong><strong>de</strong>r</strong>n wer<strong>de</strong>n die<br />
bisherigen Pauschalen für <strong>de</strong>n Verpflegungsmehraufwand<br />
ebenso wie im Inland<br />
auf zwei Pauschalen reduziert, d. h. auf eine<br />
Pauschale mit einer Min<strong>de</strong>stabwesenheit<br />
mit mehr als acht Stun<strong>de</strong>n und einer Min<strong>de</strong>stabwesenheit<br />
von mehr als 24 Stun<strong>de</strong>n.<br />
Weitere Än<strong><strong>de</strong>r</strong>ungen sind in diesem Bereich<br />
nicht erfolgt, das heißt die Höhe <strong><strong>de</strong>r</strong> Auslandstagegel<strong><strong>de</strong>r</strong><br />
wird wie bisher mit BMF-<br />
Schreiben jeweils bekannt gegeben.<br />
Dreimonatsfrist<br />
Bei <strong><strong>de</strong>r</strong> Dreimonatsfrist, wonach die steuerfreie<br />
Erstattung von Verpflegungsmehraufwand<br />
bei <strong><strong>de</strong>r</strong>selben Auswärtstätigkeit<br />
auf drei Monate begrenzt ist, soll künftig<br />
aus Vereinfachungszwecken nur noch auf<br />
eine rein zeitliche Unterbrechung von vier<br />
Wochen abgestellt wer<strong>de</strong>n, unabhängig<br />
vom Anlass <strong><strong>de</strong>r</strong> Unterbrechung.<br />
Reform <strong>de</strong>s Reisekostenrechts zum 01.01.2014<br />
Hinweis:<br />
Die bisherige Unterscheidung mit entsprechen<strong>de</strong>m<br />
Nachweis von Krankheit,<br />
Urlaub, Tätigkeit an einer an<strong><strong>de</strong>r</strong>en Tätigkeitsstätte<br />
o. Ä. fällt damit weg, es kommt<br />
nur noch darauf an, ob eine rein zeitliche<br />
Unterbrechung von vier Wochen vorliegt.<br />
Beispiel zur Dreimonatsfrist:<br />
Ein Außendienstmitarbeiter ist an <strong><strong>de</strong>r</strong>selben<br />
Tätigkeitsstätte von Januar bis einschließlich<br />
Juni 2013 tätig. Im März hat er erst zwei<br />
Wochen Urlaub und ist direkt im Anschluss<br />
noch zwei Wochen krankgeschrieben. Im Ergebnis<br />
kann dieser Arbeitnehmer die steuerfreie<br />
Verpflegungspauschale für die gesamte<br />
Zeit von Januar bis Juni erhalten, da<br />
die Unterbrechung im März von vier Wochen<br />
zu einem Neubeginn <strong><strong>de</strong>r</strong> Frist geführt hat.<br />
Kürzung bei arbeitgeberseitig<br />
gestellten Mahlzeiten<br />
Neu ist die Verpflichtung <strong><strong>de</strong>r</strong> Arbeitgeber,<br />
die Verpflegungspauschale <strong>de</strong>s Arbeitnehmers<br />
zu kürzen, wenn <strong><strong>de</strong>r</strong> Arbeitnehmer<br />
bei <strong><strong>de</strong>r</strong> Auswärtstätigkeit vom Arbeitgeber<br />
(o<strong><strong>de</strong>r</strong> auf Veranlassung <strong>de</strong>s Arbeitgebers<br />
von einem Dritten) Mahlzeiten erhalten hat:<br />
Die Verpflegungspauschale von 12 Euro<br />
ist jeweils um 20 Prozent von 24 Euro<br />
(= 4,80 Euro) für ein Frühstück und um jeweils<br />
40 Prozent von 24 Euro (= 9,60 Euro)<br />
für ein Mittag- o<strong><strong>de</strong>r</strong> Aben<strong>de</strong>ssen zu kürzen.<br />
Eine ungekürzte Verpflegungspauschale<br />
kann <strong><strong>de</strong>r</strong> Arbeitnehmer also nur noch dann<br />
geltend machen, wenn er die Mahlzeiten bei<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Auswärtstätigkeit selbst bezahlt hat.<br />
Außer<strong>de</strong>m gilt die Kürzung ausdrücklich<br />
nicht für Mahlzeiten, die im eigenbetrieblichen<br />
Interesse vom Arbeitgeber o<strong><strong>de</strong>r</strong> einem<br />
Dritten gestellt wer<strong>de</strong>n, insbeson<strong><strong>de</strong>r</strong>e<br />
Mahlzeiten bei Geschäftsessen.<br />
Hinweis:<br />
Von Be<strong>de</strong>utung ist die Kürzung vor allem<br />
in <strong>de</strong>n Fällen, in <strong>de</strong>nen <strong><strong>de</strong>r</strong> Arbeitnehmer<br />
vom Arbeitgeber auf Fortbildungsveranstaltungen<br />
o<strong><strong>de</strong>r</strong> sonstigen Inhouse-Veranstaltungen<br />
kostenfreie Mahlzeiten erhält.<br />
Auf <strong><strong>de</strong>r</strong> Lohnsteuerbescheinigung soll<br />
künftig durch <strong>de</strong>n Großbuchstaben „M“<br />
gekennzeichnet wer<strong>de</strong>n, ob ein Arbeitnehmer<br />
eine unentgeltliche Mahlzeit vom Arbeitgeber<br />
erhalten hat. Weitere Nachweise<br />
im Einzelnen sollen dann ggfs. über die<br />
Reisekostenabrechnungen erfolgen, hier<br />
bedarf es allerdings noch genauerer Regelungen<br />
von Seiten <strong><strong>de</strong>r</strong> Finanzverwaltung.<br />
Beispiele zur Kürzung <strong><strong>de</strong>r</strong> Verpflegungspauschalen:<br />
• Der Arbeitnehmer ist auf einer zweitägigen<br />
Dienstreise. Dabei hat <strong><strong>de</strong>r</strong> Arbeitgeber<br />
für ihn eine Hotelübernachtung mit<br />
Frühstück gebucht und bezahlt. Die<br />
sonstigen Mahlzeiten (Mittag- und<br />
Aben<strong>de</strong>ssen) erhält er auf Einladung von<br />
Dritten. Der Arbeitnehmer kann für <strong>de</strong>n<br />
An- und Abreisetag jeweils 12 Euro Verpflegungspauschale<br />
geltend machen und<br />
für das Frühstück ist eine Kürzung<br />
von 4,80 Euro vorzunehmen, so dass<br />
7,20 Euro verbleiben. Der Arbeitgeber<br />
muss keinen geldwerten Vorteil für die<br />
Mahlzeiten versteuern.<br />
• Ein Arbeitnehmer erhält auf einer ganztägigen<br />
Veranstaltung bei seinem Arbeitgeber<br />
ein kostenloses Mittagessen. Die Verpflegungspauschale<br />
i. H. v. 12 Euro ist<br />
daher um 9,60 Euro zu kürzen, so dass <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Arbeitnehmer nur noch 2,40 Euro ausgezahlt<br />
bekommt. Ein geldwerter Vorteil für<br />
die Mahlzeit muss nicht versteuert wer<strong>de</strong>n.<br />
• Ein Arbeitnehmer ist auf einer dreitägigen<br />
Auswärtstätigkeit und <strong><strong>de</strong>r</strong> Arbeitgeber<br />
hat für ihn zwei Hotelübernachtungen<br />
jeweils mit Frühstück sowie je ein<br />
Aben<strong>de</strong>ssen bezahlt. Für das Aben<strong>de</strong>ssen<br />
hat <strong><strong>de</strong>r</strong> Arbeitnehmer jeweils einen Betrag<br />
von 2,93 Euro gezahlt (entspricht<br />
<strong>de</strong>m Sachbezugswert für ein Aben<strong>de</strong>ssen<br />
2013). Der Arbeitnehmer hat einen Anspruch<br />
auf Verpflegungspauschalen in<br />
Höhe von insgesamt 48 Euro (12 Euro<br />
Anreisetag, 24 Euro Zwischentag, 12 Euro<br />
Abreisetag), die jedoch um insgesamt<br />
22,94 Euro zu kürzen sind (2 x 4,80 Euro,<br />
2 x 6,67 Euro [9,60 Euro – 2,93 Euro]). Es<br />
verbleiben also 25,06 Euro Verpflegungsmehraufwand,<br />
die <strong><strong>de</strong>r</strong> Arbeitgeber steuerfrei<br />
erstatten kann. Ein geldwerter Vorteil<br />
für die Mahlzeiten muss nicht<br />
versteuert wer<strong>de</strong>n.<br />
3. Mahlzeiten<br />
Mahlzeiten auf Auswärtstätigkeiten, die<br />
vom Arbeitgeber kostenlos o<strong><strong>de</strong>r</strong> verbilligt<br />
gestellt wer<strong>de</strong>n, müssen künftig typisierend<br />
generell bis zu einem Wert von 60<br />
Euro mit <strong>de</strong>m Sachbezugswert bewertet<br />
Journal für das Lohnbüro April 2013 | 7
wer<strong>de</strong>n (§ 8 Abs. 2 S. 8 EStG-neu). Wenn<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Arbeitnehmer Anspruch auf eine Verpflegungspauschale<br />
hat, wird auf die Besteuerung<br />
<strong>de</strong>s Sachbezugswerts ganz verzichtet,<br />
dafür ist die Kürzung <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Verpflegungspauschalen vorzunehmen<br />
(siehe oben). Umgekehrt be<strong>de</strong>utet dies,<br />
dass eine Besteuerung von Mahlzeiten<br />
mit <strong>de</strong>m Sachbezugswert nur noch in <strong>de</strong>n<br />
Fällen vorzunehmen ist, in <strong>de</strong>nen <strong><strong>de</strong>r</strong> Arbeitnehmer<br />
weniger als acht Stun<strong>de</strong>n auswärts<br />
tätig ist, o<strong><strong>de</strong>r</strong> in <strong>de</strong>n Fällen, in <strong>de</strong>nen<br />
die Dreimonatsfrist abgelaufen ist.<br />
Hinweis:<br />
Arbeitgeber, die keine Aufzeichnung für<br />
die Verpflegung führen möchten o<strong><strong>de</strong>r</strong> Arbeitnehmer<br />
haben, die zwar Mahlzeiten<br />
auf Auswärtstätigkeiten erhalten, aber<br />
weniger als acht Stun<strong>de</strong>n Abwesenheit<br />
aufweisen, können die (mit <strong>de</strong>m Sachbezugswert<br />
bewerteten) Mahlzeiten auch<br />
vereinfacht mit 25 Prozent pauschal besteuern<br />
(§ 40 Abs. 2 S. 1 Nr. 1a EStG-neu).<br />
4. Übernachtungskosten<br />
Der unbegrenzte steuerfreie Ersatz von beruflich<br />
veranlassten Unterkunftskosten bei<br />
längerfristigen Auswärtstätigkeiten wird<br />
künftig zeitlich auf maximal 48 Monate begrenzt<br />
(keine Verlängerungsmöglichkeit, § 9<br />
Abs. 1 S. 3 Nr. 5a EStG-neu). Nach <strong>de</strong>m Zeitraum<br />
von vier Jahren können Unterkunftskosten<br />
nur noch im Rahmen <strong><strong>de</strong>r</strong> doppelten<br />
Haushaltsführung geltend gemacht wer<strong>de</strong>n.<br />
Bei <strong><strong>de</strong>r</strong> doppelten Haushaltsführung können<br />
beruflich veranlasste Unterkunftskosten<br />
für eine Zweitwohnung künftig bis zu<br />
einem Betrag von maximal 1.000 Euro monatlich<br />
steuerfrei erstattet wer<strong>de</strong>n (§ 9 Abs. 1<br />
S. 3 Nr. 5 EStG-neu). Die bisherige, für Arbeitgeber<br />
häufig aufwändige Ermittlung<br />
und <strong><strong>de</strong>r</strong> Nachweis <strong><strong>de</strong>r</strong> ortsüblichen Durchschnittsmiete<br />
sind dadurch nicht mehr notwendig.<br />
Erstattet <strong><strong>de</strong>r</strong> Arbeitgeber nach Ablauf<br />
von 48 Monaten Mietkosten von mehr<br />
als monatlich 1.000 Euro, liegt steuerpflichtiger<br />
Arbeitslohn vor. Eine Unterbrechung<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> beruflichen Tätigkeit an ein- und <strong><strong>de</strong>r</strong>selben<br />
Tätigkeitsstätte von sechs Monaten<br />
führt zu einem Neubeginn <strong><strong>de</strong>r</strong> 48-Monatsfrist<br />
(Grund <strong><strong>de</strong>r</strong> Unterbrechung wie bei<br />
Dreimonatsfrist künftig unerheblich).<br />
Mit dieser Begrenzung soll ein Missbrauch<br />
in Einzelfällen verhin<strong><strong>de</strong>r</strong>t wer<strong>de</strong>n, für <strong>de</strong>n<br />
Normalfall einer Auswärtstätigkeit wird<br />
die neue Obergrenze allerdings keine Rolle<br />
spielen, da sich Auswärtstätigkeiten regelmäßig<br />
nicht über einen Zeitraum von mehr<br />
als vier Jahren erstrecken (<strong>de</strong>nkbar zum Beispiel<br />
lediglich bei Großbaustellen o. Ä.). Allerdings<br />
gilt die Begrenzung nicht nur in<br />
<strong>de</strong>n <strong><strong>de</strong>r</strong> doppelten Haushaltsführung wirtschaftlich<br />
vergleichbaren Fällen, in <strong>de</strong>nen<br />
ein Arbeitnehmer die auswärtige Tätigkeitsstätte<br />
arbeitstäglich aufsucht, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n<br />
nach <strong><strong>de</strong>r</strong> Gesetzesbegründung genügt es<br />
auch, wenn über einen Zeitraum von 48 Monaten<br />
hinaus regelmäßig infolge <strong><strong>de</strong>r</strong> beruflichen<br />
Tätigkeit nur einmal o<strong><strong>de</strong>r</strong> mehrmals<br />
wöchentlich an <strong><strong>de</strong>r</strong> auswärtigen Tätigkeitsstätte<br />
übernachtet wird („sporadische“<br />
Übernachtungen). Arbeitgeber sollten daher<br />
die 48-Monatsfrist – einschließlich <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
sechsmonatigen Unterbrechungsfrist –<br />
auch in diesen Fällen überwachen, um im<br />
Zweifel festzustellen und ggfs. nachzuweisen,<br />
dass die 1 000-Euro-Grenze nicht überschritten<br />
wur<strong>de</strong>. Ob diesbezüglich entsprechen<strong>de</strong><br />
Aufzeichnungserleichterungen<br />
zugelassen wer<strong>de</strong>n, bleibt einem möglichen<br />
BMF-Schreiben vorbehalten.<br />
Eine Einschränkung erfolgt in <strong>de</strong>n Fällen,<br />
in <strong>de</strong>nen eine Wohnung o<strong><strong>de</strong>r</strong> ein Zimmer<br />
ohne eigene finanzielle Beteiligung genutzt<br />
wird (kein eigener Hausstand, z. B.<br />
Kind bewohnt Zimmer im Haus seiner Eltern).<br />
In diesen Fällen können Unterkunftskosten<br />
wegen einer doppelten<br />
Haushaltsführung nicht mehr geltend gemacht<br />
wer<strong>de</strong>n, es sei <strong>de</strong>nn, es liegt eine<br />
nachgewiesene angemessene finanzielle<br />
Beteiligung an <strong>de</strong>n Kosten <strong><strong>de</strong>r</strong> Lebensführung<br />
vor (§ 9 Abs. 1 S.3 Nr. 5 S. 3 EStGneu).<br />
Entsprechen<strong>de</strong> Streitigkeiten mit<br />
<strong>de</strong>m Finanzamt sind absehbar (finanzielle<br />
Beteiligung in vielfacher Form möglich).<br />
Hinweis:<br />
Bei <strong><strong>de</strong>r</strong> 1.000-Euro-Grenze han<strong>de</strong>lt es sich<br />
um die Bruttomiete, d. h. <strong><strong>de</strong>r</strong> Betrag umfasst<br />
die Miete inklusive Betriebskosten,<br />
Miet- o<strong><strong>de</strong>r</strong> Pachtgebühren für Kfz-Stellplätze,<br />
Aufwendungen für Son<strong><strong>de</strong>r</strong>nutzung<br />
(z. B. Garten) o<strong><strong>de</strong>r</strong> auch eine Möblierung.<br />
Kosten für Hotelübernachtungen fallen<br />
nicht unter die 1 000-Euro-Grenze.<br />
Beispiel zur steuerfreien Erstattung von<br />
Unterkunftskosten:<br />
• Ein Arbeitnehmer ist über einen Zeitraum<br />
von fünf Jahren an drei Tagen in <strong><strong>de</strong>r</strong> Woche<br />
auswärts tätig und hat sich <strong>de</strong>swegen<br />
an diesem Ort eine Zweitwohnung<br />
angemietet. Die Kosten für die Zweitwohnung<br />
können insgesamt vier Jahre in unbegrenzter<br />
Höhe vom Arbeitgeber erstattet<br />
bzw. als Werbungskosten angesetzt<br />
wer<strong>de</strong>n und danach nur noch bis zu einem<br />
Betrag i. H. v. monatlich 1 000 Euro.<br />
• Ein Arbeitnehmer betreut an zwei Tagen<br />
in <strong><strong>de</strong>r</strong> Woche eine Filiale in einer an<strong><strong>de</strong>r</strong>en<br />
Stadt und übernachtet dort regelmäßig<br />
einmal wöchentlich. Auch in diesem<br />
Fall können ihm die tatsächlich<br />
entstan<strong>de</strong>nen Übernachtungskosten<br />
nach Ablauf von 48 Monaten nur noch<br />
bis zur Höhe von 1 000 Euro monatlich<br />
steuerfrei erstattet wer<strong>de</strong>n.<br />
Fazit:<br />
Arbeitgeber sollten bereits jetzt beginnen,<br />
sich auf die neuen Regelungen zum Reisekostenrecht<br />
vorzubereiten. Neben einer<br />
Überarbeitung interner Reiserichtlinien<br />
sollte auch in Abstimmung mit <strong>de</strong>m Steuerberater<br />
die interne Buchhaltung angepasst<br />
bzw. Rücksprache mit <strong>de</strong>m externen<br />
Softwareanbieter genommen wer<strong>de</strong>n.<br />
Hinsichtlich <strong><strong>de</strong>r</strong> konkreten Anfor<strong><strong>de</strong>r</strong>ungen<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Finanzverwaltung in Anwendung<br />
<strong>de</strong>s neuen Rechts ist davon auszugehen,<br />
dass diese im Laufe dieses Jahres im Rahmen<br />
eines Einführungsschreibens bekannt<br />
gegeben wer<strong>de</strong>n.<br />
RAIn Dr. MonIKA<br />
Wünnemann<br />
verantwortlich für<br />
<strong>de</strong>n Bereich Lohnsteuer<br />
beim Bun<strong>de</strong>sverband<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>de</strong>utschen<br />
Industrie e. V.<br />
(BDI) Berlin<br />
8 | Journal für das Lohnbüro April 2013 Reform <strong>de</strong>s Reisekostenrechts zum 01.01.2014
So motivieren Arbeitgeber ihre Mitarbeiter<br />
Steuer- und sozialversicherungsfreie Leistungen von A – Z (1. Teil)<br />
Aufmerksamkeiten<br />
Sachzuwendungen <strong>de</strong>s Arbeitgebers an<br />
Mitarbeiter aus beson<strong><strong>de</strong>r</strong>em persönlichem<br />
Anlass (z. B. Geburtstag) sind bis<br />
zu einem Wert von 40 Euro (inkl. USt.)<br />
steuer- und sozialversicherungsfrei.<br />
Dazu gehören z. B. Blumen, ein Buch<br />
o<strong><strong>de</strong>r</strong> eine CD. Übersteigt die Zuwendung<br />
die genannte Freigrenze, besteht in vollem<br />
Umfang Steuer- und SV-Pflicht.<br />
Geldzuwendungen sind stets abgabepflichtig,<br />
ausgenommen bestimmte Verwendungsauflagen.<br />
Die Freigrenze ist<br />
auch mehrfach im Jahr aus beson<strong><strong>de</strong>r</strong>em<br />
Anlass (z. B. Verlobung, Heirat, Kindsgeburt)<br />
anwendbar. Sie besteht unabhängig<br />
von <strong><strong>de</strong>r</strong> monatlichen Freigrenze von<br />
44 Euro (inkl. USt.) für Sachbezüge (z. B.<br />
bei Warengutscheinen).<br />
Aufwandsentschädigungen<br />
für Arbeitnehmer im öffentlichen Dienst<br />
sind abgabenfrei, wenn sie aus öffentlichen<br />
Kassen geleistet wer<strong>de</strong>n. In <strong><strong>de</strong>r</strong> Privatwirtschaft<br />
sind <strong><strong>de</strong>r</strong>artige Aufwandsentschädigungen<br />
(z. B. zur Abgeltung<br />
etwaiger Repräsentationskosten, bei häuslichen<br />
Telearbeitsplätzen etc.) stets abgabepflichtig.<br />
Auf die Bezeichnung (z. B. als<br />
Auslagenersatz) kommt es nicht an, jedoch<br />
ist abgabenfreier Arbeitgeberersatz aufgrund<br />
spezieller Regelungen (z. B. bei Reisekosten,<br />
Fortbildungen etc.) möglich.<br />
Auslagenersatz<br />
und durchlaufen<strong>de</strong> Gel<strong><strong>de</strong>r</strong> sind abgabenfrei<br />
(§ 3 Nr. 50 EStG). Es han<strong>de</strong>lt sich um<br />
Zahlungen, die Arbeitnehmer für ihren<br />
Chef ausgeben (= durchlaufen<strong>de</strong> Gel<strong><strong>de</strong>r</strong>)<br />
o<strong><strong>de</strong>r</strong> schon ausgegeben haben. Die Zwecke<br />
<strong>de</strong>s Arbeitgebers müssen im Vor<strong><strong>de</strong>r</strong>grund<br />
stehen; für diesen han<strong>de</strong>ln die Arbeitnehmer<br />
als Bote o<strong><strong>de</strong>r</strong> Vertreter.<br />
Besteht auch ein eigenes Interesse <strong>de</strong>s Arbeitnehmers<br />
an <strong>de</strong>n Aufwendungen<br />
,schei<strong>de</strong>t die Abgabenfreiheit aus.<br />
Abzugrenzen ist <strong><strong>de</strong>r</strong> steuerfreie Auslagenersatz<br />
vom grds. steuerpflichtigen Werbungskostenersatz,<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> nur aufgrund ausdrücklicher<br />
Befreiungsvorschriften<br />
abgabenfrei sein kann (vgl. R 19.3 Abs. 3 S.<br />
1 LStR). Zu unterschei<strong>de</strong>n ist <strong><strong>de</strong>r</strong> einzeln<br />
abgerechnete vom pauschalen Auslagenersatz.<br />
Bei Letzterem kann eine Gehaltsumwandlung<br />
vom steuerpflichtigen in steuerfreien<br />
Arbeitslohn vorliegen. Pauschaler<br />
Auslagenersatz muss regelmäßig wie<strong><strong>de</strong>r</strong>kehren<br />
und für einen repräsentativen Zeit-<br />
So motivieren Arbeitgeber ihre Mitarbeiter<br />
pressmaster © www.fotolia.<strong>de</strong><br />
„Sieh mal, alles steuerfrei!“ – Arbeitgeber können ganz legal ihre Beschäftigten beglücken.<br />
raum von mind. drei Monaten vor Än<strong><strong>de</strong>r</strong>ung<br />
<strong>de</strong>s Arbeitsvertrages nachgewiesen<br />
wer<strong>de</strong>n (vgl. R 3.50 Abs. 2 S. 2 LStR).<br />
Beihilfen<br />
und Unterstützungen sind Zuwendungen<br />
an Arbeitnehmer, um diese von bestimmten<br />
Aufwendungen (z. B. Krankheitskosten)<br />
zu entlasten o<strong><strong>de</strong>r</strong> vor best. Kosten zu<br />
bewahren (z. B. Vorsorgekuren). Beihilfen<br />
aus öffentlichen Kassen (z. B. bei Beamten)<br />
sind stets abgabenfrei (§ 3 Nr. 11 EStG).<br />
Beihilfen von Arbeitgebern an Arbeitnehmer<br />
können bis 600 Euro jährlich abgabenfrei<br />
sein, wenn diese infolge eines persönlichen<br />
Ereignisses beim Arbeitnehmer<br />
(z. B. Tod eines nahen Angehörigen) gezahlt<br />
wer<strong>de</strong>n. In Kleinbetrieben bis 5 AN<br />
gelten erleichterte Voraussetzungen (vgl.<br />
R 3.11 Abs. 2 S. 3 LStR).<br />
Belegschaftsrabatte<br />
Die verbilligte o<strong><strong>de</strong>r</strong> unentgeltliche Überlassung<br />
von Waren an Arbeitnehmer ist grds.<br />
abgabepflichtig. An<strong><strong>de</strong>r</strong>s ist es bei vom Arbeitgeber<br />
selbst hergestellten o<strong><strong>de</strong>r</strong> vertriebenen<br />
Waren o<strong><strong>de</strong>r</strong> eigenen Dienstleistungen,<br />
wofür ein Freibetrag von 1 080 Euro<br />
p. a. gilt (§ 8 Abs. 3 EStG). Kommt <strong><strong>de</strong>r</strong> Rabatt<br />
von einem Dritten (z. B. einem verbun<strong>de</strong>nen<br />
Konzernunternehmen), gilt <strong><strong>de</strong>r</strong> Freibetrag<br />
nicht. Auch für (überwiegend) nur für die<br />
Mitarbeiter hergestellte Sachen (z. B. das<br />
Kantinenessen) o<strong><strong>de</strong>r</strong> für vom Arbeitgeber<br />
pauschal versteuerte Rabatte schei<strong>de</strong>t <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Freibetrag aus.<br />
Nach neuester Rechtsprechung ist „angebotener<br />
Endpreis“ (z. B. bei Jahreswagen)<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Preis, <strong><strong>de</strong>r</strong> am En<strong>de</strong> von Verkaufsverhandlungen<br />
als letztes Händlerangebot<br />
(inkl. Rabatt) steht. Zwischen <strong>de</strong>m Rabattfreibetrag<br />
und <strong>de</strong>n allgemeinen Bewertungsvorschriften<br />
(nach § 8 Abs. 2 EStG)<br />
kann gewählt wer<strong>de</strong>n. Leiharbeiter dürfen<br />
seit Dez. 2011 zwar zu gleichen Bedingungen<br />
an Gemeinschaftseinrichtungen/-<br />
diensten wie die Stammkräfte <strong>de</strong>s Entleihers<br />
teilhaben (z. B. bei Kin<strong><strong>de</strong>r</strong>betreuung,<br />
Verpflegung und Beför<strong><strong>de</strong>r</strong>ung). Ein Rabattfreibetrag<br />
steht diesen aber nicht zu, da Arbeitgeber<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Verleiher (also ein Dritter) ist.<br />
Belohnungen<br />
an Arbeitnehmer für beson<strong><strong>de</strong>r</strong>e Leistungen<br />
sind grds. abgabepflichtiger Arbeitslohn<br />
(z. B. bei Verhin<strong><strong>de</strong>r</strong>ung von Diebstahl<br />
o<strong><strong>de</strong>r</strong> Betrug). In beson<strong><strong>de</strong>r</strong>en Einzelfällen<br />
kann das Finanzamt von <strong><strong>de</strong>r</strong> Besteuerung<br />
absehen, z. B. wenn eine Katastrophe<br />
durch bes. persönlichen Einsatz verhin<strong><strong>de</strong>r</strong>t<br />
wird und das nicht gera<strong>de</strong> zum unmittelbaren<br />
Aufgabenbereich <strong>de</strong>s Mitarbeiters<br />
gehört (bun<strong>de</strong>seinheitliche Regelung, z. B.<br />
in Bayern durch Schreiben <strong>de</strong>s FinMin v.<br />
01.06.1954, Gz.: S 2303-10/2-49079; abgedruckt<br />
als Anlage 1 zu H 19.3 LStR im Steuerhandbuch<br />
für das Lohnbüro 2013).<br />
Berufskleidung<br />
Die unentgeltliche o<strong><strong>de</strong>r</strong> verbilligte Überlassung<br />
von typischer, <strong>de</strong>m Arbeitgeber gehören<strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Arbeitskleidung (z. B. Schutzanzüge,<br />
Journal für das Lohnbüro April 2013 | 9
Uniformen, Sicherheitsschuhe etc.) ist kein<br />
abgabepflichtiger Arbeitslohn (§ 3 Nr. 31<br />
EStG). Steuerfrei sind auch die Übereignung<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> im Namen und auf Rechnung <strong>de</strong>s Arbeitgebers<br />
beschafften Berufskleidung sowie<br />
Zuschüsse <strong>de</strong>s Arbeitgebers zur betrieblichen<br />
Klei<strong><strong>de</strong>r</strong>kasse, sofern es sich um<br />
typische Arbeitskleidung han<strong>de</strong>lt (vgl. R<br />
3.31 Abs. 1 S. 3 LStR). Stets muss eine private<br />
Nutzungsmöglichkeit so gut wie ausgeschlossen<br />
sein. Deshalb gehören z. B. Unterwäsche<br />
o<strong><strong>de</strong>r</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Lo<strong>de</strong>nmantel eines Forstbeamten<br />
nicht zur Berufskleidung. Ist<br />
Arbeitnehmern das Tragen einheitlicher<br />
bürgerlicher Kleidung während <strong><strong>de</strong>r</strong> Arbeitszeit<br />
dienstlich vorgeschrieben (z. B.<br />
rote Hem<strong>de</strong>n, Blusen, Krawatten, Halstücher<br />
etc.), überwiegt regelmäßig das Arbeitgeber-Interesse,<br />
auch wenn kein Firmen-<br />
Logo aufgedruckt ist. Arbeitslohn liegt<br />
dann nicht vor ebenso wenig wie beim<br />
schwarzen Anzug <strong>de</strong>s Oberkellners, eines<br />
Bestatters o<strong><strong>de</strong>r</strong> eines Orchestermusikers.<br />
Die Reinigung typischer Arbeitskleidung<br />
fällt unter Werbungskosten; ohne Belege<br />
wer<strong>de</strong>n zusammen mit Fachliteratur ca. 100<br />
Euro p. a. vom Finanzamt akzeptiert.<br />
Betriebsveranstaltungen<br />
Bis zu zweimal jährlich kann <strong><strong>de</strong>r</strong> Arbeitgeber<br />
seinen Mitarbeitern z. B. einen Betriebsausflug,<br />
ein Firmenjubiläum u/o eine Weihnachtsfeier<br />
etc. zuwen<strong>de</strong>n bis zur Freigrenze<br />
von 110 Euro pro Teilnehmer. Übersteigen<br />
die Kosten diese Grenze auch nur um einen<br />
Cent, liegt insgesamt abgabepflichtiger Arbeitslohn<br />
vor. Vorsichtige Kalkulation ist<br />
hier also geboten!<br />
Die 110-Euro-Freigrenze gilt trotz <strong>de</strong>s<br />
Preisanstiegs <strong><strong>de</strong>r</strong> letzten Jahre vorerst<br />
weiter. Dürfen Angehörige an diesen Veranstaltungen<br />
teilnehmen, wer<strong>de</strong>n auch<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong>en Kosten <strong>de</strong>n Arbeitnehmern zugerechnet.<br />
Hier kann eine vorher vereinbarte<br />
schriftliche Eigenbeteiligung <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Mitarbeiter die kritische Grenze retten,<br />
was zum Lohnkonto genommen wer<strong>de</strong>n<br />
muss. Bei Einhaltung <strong><strong>de</strong>r</strong> Freigrenze (nur<br />
dann!) hat <strong><strong>de</strong>r</strong> Arbeitgeber <strong>de</strong>n Vorsteuerabzug<br />
ohne umsatzsteuerliche Entnahmebesteuerung.<br />
Herkömmliche (übliche) Betriebsveranstaltungen<br />
erfolgen in ganz überwiegen<strong>de</strong>m<br />
Arbeitgeber-Interesse (Motivation, Betriebsklima,<br />
Danksagung; vgl. R 19.5 IV LStR). Ab<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> dritten Veranstaltung besteht immer<br />
Abgabepflicht. In die Freigrenze sind alle<br />
Kosten einzubeziehen (z. B. Saalmiete, Kapelle,<br />
Essen, Programme etc.) einschließlich<br />
Umsatzsteuer. Jedoch können z. B. Taxikosten<br />
und Übernachtungen einzelner Teilnehmer<br />
separat verbucht wer<strong>de</strong>n.<br />
Im Übrigen gibt es zu <strong>de</strong>m Thema eine umfangreiche<br />
Rechtsprechung und zahlreiche<br />
Verwaltungsanweisungen, die im Lexikon<br />
für das Lohnbüro 2013 auf <strong>de</strong>n S. 187 bis<br />
194 dargestellt sind.<br />
Computer (Datenverarbeitungsund<br />
Kommunikationsgeräte)<br />
Rückwirkend ab 2000 sind Vorteile <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Arbeitnehmer aus <strong><strong>de</strong>r</strong> privaten Nutzung<br />
von betrieblichen Datenverarbeitungsund<br />
Kommunikationsgeräten (z. B. PCs,<br />
Laptops, Notebooks, Tablets), <strong><strong>de</strong>r</strong>en Zubehör<br />
sowie überlassene Software und in<br />
Zusammenhang damit erbrachte Dienstleistungen<br />
abgabenfrei (§ 3 Nr. 45 EStG).<br />
Nicht begünstigt sind Smart-TV, Konsolen,<br />
MP3-Player, E-Books, Digitalkameras und<br />
vorinstallierte Navis in Firmenwagen.<br />
Zu <strong>de</strong>n begünstigten Programmen gehören<br />
Betriebssysteme, Browser, Virenscanner<br />
und Home-use-Programme, nicht<br />
aber z. B. Computerspiele. Zum begünstigten<br />
Zubehör gehören Monitor, (Farb-)<br />
Drucker, Scanner, Mo<strong>de</strong>m, Router, ISDN-,<br />
UMTS- und LTE-Karten, La<strong>de</strong>geräte und<br />
Transportmittel (z. B. Laptop-Taschen).<br />
Auch die Installation, Inbetriebnahme<br />
und die Reparaturen durch <strong>de</strong>n IT-Service<br />
<strong>de</strong>s Arbeitgebers sind steuerfrei.<br />
Wird <strong><strong>de</strong>r</strong> PC/Laptop an Mitarbeiter übereignet,<br />
kann dieser geldwerte Vorteil mit<br />
25 Prozent pauschal versteuert wer<strong>de</strong>n bei<br />
voller SV-Beitrags-Freiheit. Diese Pauschalierung<br />
ist auch für Barzuschüsse <strong>de</strong>s<br />
Arbeitgebers zu <strong>de</strong>n Arbeitnehmer-Aufwendungen<br />
zur Internetnutzung möglich<br />
(§ 40 Abs. 2 S. 1 Nr. 5 EStG).<br />
Direktversicherung<br />
Arbeitgeber-Beiträge für Direktversicherungen<br />
zwecks Aufbau einer kapitalge<strong>de</strong>ckten<br />
betrieblichen Altersversorgung<br />
und zu Pensionsfonds und Pensionskassen<br />
sind bis zu 4 Prozent <strong><strong>de</strong>r</strong> Beitragsbemessungsgrenze<br />
in <strong><strong>de</strong>r</strong> allgemeinen Rentenversicherung<br />
abgabenfrei (§ 3 Nr. 63<br />
EStG). Nicht befreit sind darüber hinausgehen<strong>de</strong><br />
Zukunftssicherungsleistungen<br />
<strong>de</strong>s Arbeitgebers nach § 3 Nr. 62 EStG, die<br />
nachrangig zu beachten sind.<br />
Ehrenämter<br />
Seit 2013 beträgt die jährliche steuerfreie Pauschale<br />
statt 500 Euro jetzt 720 Euro p. a. (§ 3<br />
Nr. 26a EStG). Der Übungsleiter-Freibetrag<br />
wur<strong>de</strong> von 2 100 Euro auf 2 400 Euro erhöht<br />
(§ 3 Nr. 26 EStG). Die Abgabenfreiheit besteht<br />
nicht zusätzlich neben Aufwandsentschädigungen<br />
aus öffentlichen Kassen in Höhe von<br />
175 Euro monatlich (§ 3 Nr. 12 EStG).<br />
Einmalige Zuwendung<br />
Dieser sozialversicherungsrechtliche Begriff<br />
entspricht <strong>de</strong>m sonstigen Bezug im Lohnsteuerrecht<br />
und grenzt sich ab vom laufen<strong>de</strong>n<br />
Bezug. Beispiele sind Urlaubs- o<strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Weihnachtsgeld o<strong><strong>de</strong>r</strong> Prämien. Sie sind <strong>de</strong>m<br />
Abrechnungszeitraum zuzurechnen, in <strong>de</strong>m<br />
sie ausgezahlt wer<strong>de</strong>n. Dabei ist die sog.<br />
Märzklausel zu beachten (vgl. R 39b.2 LStR).<br />
Vor <strong><strong>de</strong>r</strong> Berechnung sind folgen<strong>de</strong> Freibeträge<br />
abzuziehen: Arbeitnehmer-Freibetrag,<br />
Altersentlastungsbetrag und Versorgungsfreibetrag.<br />
Die Besteuerung sonstiger Bezüge<br />
(z. B. bei Abfindungen) erfolgt nach <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
„Fünftelregelung“ <strong>de</strong>s § 39b Abs. 3 S. 9 EStG.<br />
Elterngeld/Elternzeit<br />
Elterngeld in Höhe von früher 67 bzw. zuletzt<br />
65 Prozent <strong>de</strong>s letzten Nettoeinkommens<br />
(max. 1 800 Euro) und vergleichbare<br />
Län<strong><strong>de</strong>r</strong>-Leistungen sind ebenso wie das<br />
Erziehungsgeld abgabenfrei (§ 3 Nr. 67<br />
EStG). Es unterliegt aber <strong>de</strong>m Progressionsvorbehalt<br />
und zählt somit beim anzuwen<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n<br />
Steuersatz mit. Das gilt auch<br />
für <strong>de</strong>n Min<strong>de</strong>stbetrag von 300 Euro.<br />
Anspruch auf Elternzeit besteht für bei<strong>de</strong><br />
Elternteile bis zur Vollendung <strong>de</strong>s dritten<br />
Lebensjahres <strong>de</strong>s Kin<strong>de</strong>s. Mit Zustimmung<br />
<strong>de</strong>s Arbeitgebers ist eine Übertragung<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Elternzeit von bis zu 12 Monaten<br />
auf die Zeit vom dritten bis achten Lebensjahr<br />
<strong>de</strong>s Kin<strong>de</strong>s möglich.<br />
Essenszuschüsse<br />
Erhalten Arbeitnehmer unentgeltlich<br />
Mahlzeiten im Betrieb, ist dieser Vorteil<br />
mit <strong>de</strong>m amtlichen Sachbezugswert von<br />
2,93 Euro (bei Frühstück 1,60 Euro) 2013<br />
zu versteuern. Wer<strong>de</strong>n die Mahlzeiten<br />
verbilligt abgegeben, gehört die Differenz<br />
zum gezahlten Entgelt (inklusive USt.)<br />
zum steuerpflichtigen Arbeitslohn.<br />
Bei Zuzahlungen <strong><strong>de</strong>r</strong> Mitarbeiter entsteht<br />
kein geldwerter Vorteil, wenn die Zahlung<br />
min<strong>de</strong>stens in Höhe <strong>de</strong>s Sachbezugswertes<br />
erfolgt. Der wertmäßig übersteigen<strong>de</strong><br />
Teil fließt hier also <strong>de</strong>n Mitarbeitern<br />
abgabenfrei zu.<br />
Bei Mahlzeiten in überwiegen<strong>de</strong>m betrieblichem<br />
Interesse (z. B. Bewirtung von<br />
Geschäftsfreun<strong>de</strong>n, Arbeitsessen, Fortbildungen<br />
etc.) liegt kein Arbeitslohn vor.<br />
Diese Fälle sind abschließend unter R 8.1<br />
(8) LStR aufgelistet.<br />
Fahrtkostenersatz<br />
Ersatz <strong><strong>de</strong>r</strong> Fahrtkosten in <strong><strong>de</strong>r</strong> Höhe, wie sie<br />
beim Arbeitnehmer als Werbungskosten<br />
abziehbar wären, ist steuerfrei (§ 3 Nr. 16<br />
10 | Journal für das Lohnbüro April 2013 So motivieren Arbeitgeber ihre Mitarbeiter
EStG). Aus öffentlichen Kassen erstattete<br />
Fahrtkosten sind in vollem Umfang steuerfrei<br />
(§ 3 Nr. 13 EStG). Fahrtkostenzuschüsse<br />
sind seit 2004 abgabepflichtig<br />
ohne Rücksicht auf das benutzte Verkehrsmittel.<br />
Die Lohnsteuer kann in Höhe <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Entfernungspauschale (30 Cent pro Entfernungs-Kilometer)<br />
mit 15 Prozent pauschaliert<br />
wer<strong>de</strong>n. Dann besteht Beitragsfreiheit<br />
in <strong><strong>de</strong>r</strong> Sozialversicherung.<br />
Wer<strong>de</strong>n Job-Tickets unentgeltlich o<strong><strong>de</strong>r</strong> verbilligt<br />
überlassen, kann die Versteuerung<br />
<strong>de</strong>s geldwerten Vorteils mit 15 Prozent<br />
pauschal erfolgen. Auch das ist beitragsfrei<br />
in <strong><strong>de</strong>r</strong> SV. Verkauft <strong><strong>de</strong>r</strong> Arbeitgeber das zuvor<br />
von einem Nahverkehrsunternehmen<br />
ermäßigt erworbene Ticket zu <strong>de</strong>m ermäßigten<br />
Preis an Mitarbeiter weiter, liegt<br />
kein geldwerter Vorteil vor.<br />
Die kostenlose o<strong><strong>de</strong>r</strong> verbilligte Überlassung<br />
eines Job-Tickets o<strong><strong>de</strong>r</strong> auch die Verschaffung<br />
eines Rabatts ist ein Sachbezug,<br />
auf <strong>de</strong>n die monatliche Freigrenze von 44<br />
Euro anwendbar ist (sofern noch frei und<br />
nicht an<strong><strong>de</strong>r</strong>weitig verbraucht). Das gilt aber<br />
nicht für Jahresfahrscheine, die nach Auffassung<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Finanzverwaltung nicht auf<br />
monatliche Beträge umgerechnet wer<strong>de</strong>n<br />
können. Besteht das Jahres-Ticket aber aus<br />
einzelnen monatlichen Fahrberechtigungen,<br />
die z. B. bei Chipkarten monatlich freigeschaltet<br />
wer<strong>de</strong>n können, ist die 44-Euro-<br />
Freigrenze wie<strong><strong>de</strong>r</strong> anwendbar.<br />
(Mehr Informationen folgen unter „Fahrten<br />
zwischen Wohnung und regelmäßiger<br />
Arbeitsstätte“).<br />
Wolfgang Gamp<br />
Rechtsassessor,<br />
Lohnsteuerhilfeverein<br />
LoBe e.V.,<br />
Her<strong>de</strong>cke<br />
www.lohnsteuerhilfeher<strong>de</strong>cke.<strong>de</strong><br />
Moches Meinung<br />
Betriebsfest<br />
Das war ja gleich am Anfang ganz großes<br />
Kino. Damals, bei unserem großen Betriebsfest.<br />
Die Chefs, die man sonst nie<br />
sieht, höchstens im Firmenjubelblatt, stan<strong>de</strong>n<br />
in ihren dunklen Anzügen fein aufgereiht<br />
zu bei<strong>de</strong>n Seiten <strong>de</strong>s Saaleinganges.<br />
Bei <strong>de</strong>m einen o<strong><strong>de</strong>r</strong> an<strong><strong>de</strong>r</strong>en war sogar so<br />
etwas wie echte Vorfreu<strong>de</strong> auf das Kommen<strong>de</strong><br />
zu sehen. Die an<strong><strong>de</strong>r</strong>en hatten nur<br />
ihr gemeißeltes Lächeln im Gesicht.<br />
Unsere weiblichen Belegschaftsangehörigen<br />
bekamen zur Begrüßung einen kleinen<br />
Blumenstrauß, wir Männer einen mehr<br />
o<strong><strong>de</strong>r</strong> weniger festen o<strong><strong>de</strong>r</strong> feuchten Hän<strong>de</strong>druck.<br />
Unser alter Speisesaal, auch besser<br />
bekannt als unsere Kantine, war von Profis<br />
echt durchgestylt wor<strong>de</strong>n. War kaum wie<strong><strong>de</strong>r</strong>zuerkennen,<br />
bei all <strong>de</strong>n Dekos und Bil<strong><strong>de</strong>r</strong>n<br />
und Fähnchen und Girlan<strong>de</strong>n. Auf <strong>de</strong>n<br />
Tischen stand schon feines Porzellan und<br />
je<strong>de</strong> Menge Blümchen<strong>de</strong>ko. Und wie Silber<br />
aussehen<strong>de</strong>s Besteck für offenbar mehrere<br />
Gänge war or<strong>de</strong>ntlich drumherum gelegt,<br />
mehrere Gläsersorten gehörten auch noch<br />
dazu. Echt schick aussehen<strong>de</strong> Tischkarten<br />
zeigten <strong>de</strong>n uns zugedachten Platz an. Erst<br />
mal großes Durcheinan<strong><strong>de</strong>r</strong> und dann fand<br />
sich kaum jemand im Kreise seiner Kolleginnen<br />
und Kollegen aus <strong><strong>de</strong>r</strong> eigenen Abteilung<br />
wie<strong><strong>de</strong>r</strong>. Alle waren irgendwie<br />
durchgemischt wor<strong>de</strong>n.<br />
Moches Meinung<br />
Kzenon © www.fotolia.<strong>de</strong><br />
Achtung bei Betriebsfeiern: Das Finanzamt prostet gerne mit.<br />
Und dann ging es auch schon richtig los.<br />
Unser Ober-Chef enterte die Bühne und begrüßte<br />
uns alle, die lieben Mitarbeiterinnen<br />
und Mitarbeiter, auf das Herzlichste zu diesem<br />
schönen Abend, von <strong>de</strong>m seiner Meinung<br />
nach noch Generationen nachfolgen<strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Kolleginnen und Kollegen sprechen<br />
wür<strong>de</strong>n. Dann die üblichen Lob-Hu<strong>de</strong>leien,<br />
ein bisschen Drohung vor <strong><strong>de</strong>r</strong> Zukunft, aber<br />
wir alle gemeinsam wer<strong>de</strong>n das schon<br />
schaffen und vielen Dank für die bisher geleistete<br />
Arbeit und weiter so, bloß nicht<br />
nachlassen, die Konkurrenz schläft nicht.<br />
Das Ganze war dann durch die vielen<br />
Scheinwerfermöglichkeiten in verschie<strong>de</strong>ne<br />
Farben gehüllt und im Hintergrund leistete<br />
ein großer Beamer richtig gute Arbeit und<br />
projizierte je<strong>de</strong> Menge Bil<strong><strong>de</strong>r</strong> aus <strong><strong>de</strong>r</strong> Firmengeschichte<br />
und <strong>de</strong>m laufen<strong>de</strong>n Betrieb<br />
auf eine riesengroße Leinwand. Immer wie<strong><strong>de</strong>r</strong><br />
wur<strong>de</strong> ganz kurz auch das Bild einzelner<br />
Mitarbeiter eingeblen<strong>de</strong>t. Das war ganz<br />
spannend. Je<strong><strong>de</strong>r</strong> wartete darauf, ob und wie<br />
er o<strong><strong>de</strong>r</strong> sie selbst wohl aussehen wür<strong>de</strong>. Da<br />
war es dann auch nicht mehr so interessant,<br />
was die an<strong><strong>de</strong>r</strong>en Chefs auf <strong><strong>de</strong>r</strong> Bühne noch<br />
so von sich gaben. Und auch die Sache mit<br />
<strong>de</strong>m bekannten Motivationstrainer, <strong>de</strong>n wir<br />
schon ein paarmal in <strong><strong>de</strong>r</strong> Firma hatten, kam<br />
nicht so doll an.<br />
Irgendwann war die ganze Re<strong><strong>de</strong>r</strong>ei dann<br />
mal vorbei und dann wur<strong>de</strong>n noch einige<br />
Leute beson<strong><strong>de</strong>r</strong>s geehrt. Mit dicken Geschenken<br />
und so. Die kannte ich fast alle<br />
nicht, einige waren meiner Meinung nach<br />
auch schon ganz schön alt. Aber dann ging<br />
es erst recht los: wie auf Kommando vom<br />
Traumschiff tauchten je<strong>de</strong> Menge Servicekräfte<br />
auf, die wir vorher noch nie in unserer<br />
Kantine gesehen hatten. In Win<strong>de</strong>seile<br />
hatte je<strong><strong>de</strong>r</strong> eine Suppe vor sich und damit<br />
war dann die Völlerei in vollem Gange. War<br />
Journal für das Lohnbüro April 2013 | 11
echt gut das Überraschungsmenü, dauerte<br />
wegen <strong><strong>de</strong>r</strong> vielen Gänge nur zu lange. Und<br />
da ja keiner wusste, was <strong>de</strong>nn noch so alles<br />
kommen wür<strong>de</strong>, hatte <strong><strong>de</strong>r</strong> eine o<strong><strong>de</strong>r</strong> an<strong><strong>de</strong>r</strong>e,<br />
o<strong><strong>de</strong>r</strong> die meisten, viel zu früh schon viel zu<br />
viel gegessen und musste auf <strong>de</strong>n einen<br />
o<strong><strong>de</strong>r</strong> an<strong><strong>de</strong>r</strong>en Gang notgedrungen verzichten.<br />
O<strong><strong>de</strong>r</strong> er hatte von <strong>de</strong>m ebenfalls reichlichen<br />
Getränkeangebot schon ebenso<br />
reichlich Gebrauch gemacht.<br />
Die Stimmung an <strong>de</strong>n Tischen kam nur<br />
langsam in Gang, es kannte sich ja kaum<br />
wer. Aber nach und nach ging auch das bzw.<br />
fan<strong>de</strong>n sich dann nach Abschluss <strong>de</strong>s Essens<br />
durch Platztausch doch wie<strong><strong>de</strong>r</strong> viele<br />
Kolleginnen und Kollegen und so wur<strong>de</strong> es<br />
dann meistens doch noch ein ganz netter<br />
Abend. Vor allem als dann noch eine Band<br />
auf die Bühne kam und halbwegs gute<br />
Tanzmusik machte. Da konnte man dann<br />
die liebe Kollegin o<strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>de</strong>n Kollegen auch<br />
mal richtig anpacken, beim Tanzen. Als<br />
weit nach drei Uhr morgens die Band ihre<br />
Instrumente einpackte, waren die Chefs natürlich<br />
alle schon längst weg. Und die letzten<br />
Gäste waren doch ein wenig erstaunt,<br />
wie viele von <strong>de</strong>n Begrüßungsblumen in die<br />
Blümchen-Deko gesteckt wor<strong>de</strong>n waren.<br />
Hat wohl nicht so gefallen, <strong><strong>de</strong>r</strong> kleine Blumenstrauß.<br />
Und dann sind auch noch die<br />
Letzten, wenn sie wollten, von <strong><strong>de</strong>r</strong> Firma mit<br />
einem Taxi nach Hause gefahren wor<strong>de</strong>n,<br />
toller Service war das.<br />
Tja, und jetzt sitze ich hier und soll dieses<br />
Betriebsfest lohnsteuerrechtlich so überprüfen,<br />
dass die 110-Euro-Grenze je Teilnehmer<br />
bloß nicht überschritten wird.<br />
Laut meinem Chef hat unser Ober-Chef<br />
das so gesagt und ich solle mir ganz bestimmt<br />
was einfallen lassen, damit das<br />
auch hinhaut mit <strong>de</strong>n 110 Euro. Ok, sage<br />
ich, wird gemacht. Und ich weiß auch<br />
schon wie. Denn da war doch erst kürzlich<br />
ein Urteil vom Bun<strong>de</strong>sfinanzhof<br />
(BFH) zu Betriebsfesten, o<strong><strong>de</strong>r</strong> so. Das<br />
schaue ich mir mal genauer an.<br />
So, so. Also im Jahr 2007 waren die 110 Euro<br />
noch in Ordnung. Und jetzt für das Jahr<br />
2012? Kann ich so einfach fünfmal zwei Prozent<br />
Teuerungsrate draufrechnen und<br />
komme so auf 121 Euro? Erst mal wohl nicht,<br />
je<strong>de</strong>nfalls kann ich das nicht alleine entschei<strong>de</strong>n.<br />
Aber gerecht wäre es schon und<br />
drum streiten könnte man sich ja auch mal,<br />
mit <strong>de</strong>m Betriebsprüfer meine ich. Wenn ich<br />
alles, was mir die Buchhaltung an Belegen<br />
gegeben hat, zusammenrechne, dann<br />
komme ich sowieso schon auf ungefähr 135<br />
Euro pro Teilnehmer. Es geht also ohnehin<br />
nur, wenn ich noch etwas herausrechnen<br />
könnte. Der BFH hat ja gesagt, dass Leistungen,<br />
die nicht in unmittelbarem Zusammenhang<br />
mit <strong><strong>de</strong>r</strong> Betriebsveranstaltung stehen<br />
und durch die <strong><strong>de</strong>r</strong> Arbeitnehmer<br />
<strong>de</strong>shalb nicht bereichert ist, kein Lohn sind<br />
und <strong>de</strong>shalb in die Berechnung <strong><strong>de</strong>r</strong> Freigrenze<br />
nicht einzubeziehen sind. Und auch<br />
nicht die Aufwendungen <strong>de</strong>s Arbeitgebers,<br />
die nicht direkt <strong><strong>de</strong>r</strong> Betriebsveranstaltung<br />
zuzuordnen sind. Und dass in einer Betriebsveranstaltung<br />
enthaltene Elemente einer<br />
sonstigen betrieblichen Veranstaltung<br />
auch nicht zur Lohnzuwendung führen.<br />
Na dann wollen wir mal prüfen. Alle Teilnehmerlisten<br />
mit Unterschriften sind da,<br />
an <strong><strong>de</strong>r</strong> Zahl kann man wohl nichts machen.<br />
Die Blümchen am Eingang zur Begrüßung,<br />
die können wir schon mal streichen. Erstens<br />
sind die meisten sowieso in <strong><strong>de</strong>r</strong> Kantine<br />
geblieben, zweitens halten Schnittblumen<br />
sowieso nur zwei bis drei Tage und<br />
stellen somit keine Bereicherung dar und<br />
drittens wur<strong>de</strong>n die Blümchen ja fast schon<br />
aufgedrängt – welche Dame wollte sich<br />
gleich zu Anfang dagegen wehren.<br />
Das Essen war ja ganz ok, aber viel zu viel.<br />
Ich bin sicher, dass je<strong><strong>de</strong>r</strong>, <strong>de</strong>n man fragen<br />
wür<strong>de</strong>, höchstens die Hälfte von <strong>de</strong>m gegessen<br />
hat, was angeboten wur<strong>de</strong>. Ob ich da<br />
einfach mal so 20 Prozent von <strong><strong>de</strong>r</strong> Rechnung<br />
<strong>de</strong>s Caterers wegen fehlen<strong><strong>de</strong>r</strong> Inanspruchnahme<br />
herunterrechne? Mal sehen ob wir<br />
das vielleicht noch brauchen. Und die Beleuchtungsanlage<br />
und <strong><strong>de</strong>r</strong> Beamer und die<br />
Leinwand brauchten wir doch sowieso für<br />
die Lobeshymnen <strong>de</strong>s Chefs und <strong>de</strong>n großen<br />
Motivator. Das war doch sowieso wie<br />
auf fast je<strong><strong>de</strong>r</strong> Betriebsversammlung. Da<br />
kann ich dann ja auch noch mal genauer<br />
hinsehen und wahrscheinlich etwas o<strong><strong>de</strong>r</strong><br />
vielleicht sogar alles herausrechnen.<br />
Die Getränkerechnung. Ach guck mal,<br />
ganz schön viel Sekt <strong><strong>de</strong>r</strong> Hausmarke ist da<br />
getrunken wor<strong>de</strong>n. Aber wieso auch<br />
Champagner? Habe ich nichts von gesehen.<br />
Und von teurem Whisky auch nichts. Und<br />
wieso überhaupt Zigarren – da war doch<br />
wie überall Rauchverbot. O<strong><strong>de</strong>r</strong> haben die<br />
Chef’s vielleicht, im Besucherkasino, so<br />
ganz für sich? Und dann so klammheimlich<br />
in die große Rechnung reinrechnen.<br />
Na das schaue ich mir aber mal genauer an.<br />
Das wür<strong>de</strong> die Summe pro Teilnehmer<br />
aber ganz sicher nach unten korrigieren.<br />
So, nun zur Saal-Deko. War ja alles ganz<br />
nett. Aber eigentlich hätten es unsere Kantinenteller<br />
und -bestecke auch getan. Aber<br />
egal, das ist Aufwand für <strong>de</strong>n äußeren<br />
Rahmen, da kann man nichts machen. Und<br />
was ist das hier? „Honorar für Event-Manager“–<br />
wer war das <strong>de</strong>nn? Ganz hoher Betrag.<br />
Und <strong><strong>de</strong>r</strong> BFH sagte dazu doch ausdrücklich,<br />
dass z. B. die Beschäftigung<br />
eines Event-Managers nicht direkt <strong><strong>de</strong>r</strong> Betriebsveranstaltung<br />
zuzurechnen wäre. Na<br />
also, wie<strong><strong>de</strong>r</strong> ein Punkt, <strong>de</strong>n wir uns noch<br />
mal genauer ansehen müssen und <strong><strong>de</strong>r</strong> die<br />
110-Euro-Grenze beeinflussen könnte.<br />
Beim Servicepersonal kann man wohl<br />
nichts machen, die waren ja bis in <strong>de</strong>n frühen<br />
Morgen da. Aber morgens waren das<br />
doch schon sehr viel weniger Servicekräfte.<br />
Da muss ich noch mal nachhaken, ob <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Betrag so richtig sein kann. Apropos Honorar.<br />
Gehörte <strong><strong>de</strong>r</strong> Motivationstrainer nun<br />
zum Betriebsfest o<strong><strong>de</strong>r</strong> war das nicht eigentlich<br />
doch wie<strong><strong>de</strong>r</strong> so wie bei <strong>de</strong>n vielen an<strong><strong>de</strong>r</strong>en<br />
Motivationstrainings in <strong><strong>de</strong>r</strong> Firma?<br />
Muss ich auch noch mal prüfen.<br />
Also die Kosten für die Geschenkeaktion<br />
nehme ich aber nicht in die Berechnung<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Grenze hinein. Da schauen wir mal, ob<br />
wir das nicht eher individuell besteuern,<br />
wenn es <strong>de</strong>nn notwendig wäre. Das hat in<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaftsaktion für alle aber<br />
wirklich nichts zu suchen – wäre ja noch<br />
schöner. Und das mache ich bei <strong>de</strong>n Taxi-<br />
Kosten auch so. Hat <strong><strong>de</strong>r</strong> BFH ja schließlich<br />
auch gesagt: Dabei kann es sich allenfalls<br />
um Zuwendungen an einzelne Arbeitnehmer<br />
han<strong>de</strong>ln. Wie<strong><strong>de</strong>r</strong> etwas, das ich herausrechnen<br />
kann. Damit wären wir dann<br />
insgesamt <strong>de</strong>utlich unter <strong>de</strong>n 110 Euro pro<br />
Teilnehmer. Und ein bisschen Luft nach<br />
oben haben wir auch noch, falls wir doch<br />
noch das eine o<strong><strong>de</strong>r</strong> an<strong><strong>de</strong>r</strong>e, ggf. anteilig,<br />
wie<strong><strong>de</strong>r</strong> mit hineinnehmen.<br />
So, und damit gehe ich jetzt zu meinem<br />
Chef. Na <strong><strong>de</strong>r</strong> wird sich wun<strong><strong>de</strong>r</strong>n. Ob er<br />
meine Streichungsvorschläge und Fragestellungen<br />
selbst entschei<strong>de</strong>t o<strong><strong>de</strong>r</strong> ob er<br />
wohl <strong>de</strong>n Ober-Chef fragen muss? Vielleicht<br />
fragt <strong><strong>de</strong>r</strong> Ober-Chef mich dann ja<br />
auch mal direkt – wäre auch nicht schlecht.<br />
Es sei <strong>de</strong>nn, er fragt mich danach, wie ich<br />
<strong>de</strong>nn auf eine geson<strong><strong>de</strong>r</strong>te Veranstaltung<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Geschäftsführung im Nebenraum<br />
käme, das sei doch so gar nicht gewesen.<br />
WERnER M. MoCHE<br />
BiAM-Beratung<br />
Holzmin<strong>de</strong>n<br />
12 | Journal für das Lohnbüro April 2013 Moches Meinung
Aktuelles aus <strong>de</strong>m Sozialversicherungsrecht<br />
Entgeltbescheinigungsverordnung:<br />
AWV arbeitet an einer Praxis-<br />
Kommentierung<br />
(Hm) Am 1. Juli 2013 tritt die Entgeltbescheinigungsverordnung<br />
(EBV) in Kraft. Mit <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
EBV wird ein verbindlicher Min<strong>de</strong>st-Standard<br />
zum Inhalt und zum Verfahren einer<br />
Entgeltbescheinigung geregelt.<br />
Derzeit arbeitet die Arbeitsgemeinschaft<br />
für wirtschaftliche Verwaltung (AWV) an<br />
einer Praxis-Kommentierung zur bzw. <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
EBV. Ziel <strong><strong>de</strong>r</strong> Kommentierung ist es, <strong>de</strong>taillierte<br />
Beschreibungen und Informationen<br />
zu <strong>de</strong>n einzelnen Punkten <strong><strong>de</strong>r</strong> EBV<br />
zur Verfügung zu stellen, um Arbeitgeber<br />
und Softwarehäuser bei <strong><strong>de</strong>r</strong> Einrichtung<br />
und Umsetzung <strong><strong>de</strong>r</strong> EBV zu unterstützen.<br />
Die Kommentierung, die auch eine Sammlung<br />
von Fallbeispielen beinhalten wird,<br />
soll auf <strong>de</strong>n Web-Seiten <strong><strong>de</strong>r</strong> AWV und <strong>de</strong>s<br />
Bun<strong>de</strong>sministeriums für Arbeit und Soziales<br />
(BMAS) veröffentlicht wer<strong>de</strong>n.<br />
Die AWV verfügt über beson<strong><strong>de</strong>r</strong>e Kenntnisse<br />
und Erfahrungen im betrieblichen<br />
Verdienstbescheinigungswesen. So setzt<br />
sich <strong><strong>de</strong>r</strong> Arbeitskreis „Vereinheitlichte Bescheinigungen<br />
in <strong><strong>de</strong>r</strong> Lohn- und Gehaltsabrechnung“<br />
seit über 25 Jahren mit <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Harmonisierung und Entbürokratisierung<br />
in diesem Themenfeld auseinan<strong><strong>de</strong>r</strong>.<br />
BUK-Neuorganisationsgesetz<br />
im Bun<strong>de</strong>stag<br />
(Hm) Der Entwurf eines Gesetzes zur Neuorganisation<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> bun<strong>de</strong>sunmittelbaren<br />
Unfallkassen, zur Än<strong><strong>de</strong>r</strong>ung <strong>de</strong>s Sozialgerichtsgesetzes<br />
und zur Än<strong><strong>de</strong>r</strong>ung an<strong><strong>de</strong>r</strong>er<br />
Gesetze (BUK-Neuorganisationsgesetz)<br />
wird <strong><strong>de</strong>r</strong>zeit im Deutschen Bun<strong>de</strong>stag<br />
beraten. Auf folgen<strong>de</strong> Punkte ist beson<strong><strong>de</strong>r</strong>s<br />
hinzuweisen:<br />
• bei Beendigung eines Beschäftigungsverhältnisses<br />
soll die Arbeitsbescheinigung<br />
„nur noch“ dann ausgestellt<br />
wer<strong>de</strong>n, wenn <strong><strong>de</strong>r</strong> betroffene Arbeitnehmer<br />
o<strong><strong>de</strong>r</strong> die Bun<strong>de</strong>sagentur für<br />
Arbeit dies explizit verlangen<br />
• darüber hinaus soll <strong>de</strong>m Arbeitgeber<br />
die Möglichkeit eröffnet wer<strong>de</strong>n, die<br />
von ihm zu erstellen<strong>de</strong> Bescheinigung<br />
auf elektronischem Wege an die Bun<strong>de</strong>sagentur<br />
für Arbeit zu übermitteln,<br />
statt diese auf Papier auszugeben (Projekt<br />
Bea)<br />
• <strong><strong>de</strong>r</strong> Termin zur Erstattung <strong><strong>de</strong>r</strong> DEÜV-<br />
Jahresmeldung soll vom 15. April <strong>de</strong>s<br />
Folgejahres auf <strong>de</strong>n 15. Februar <strong>de</strong>s Folgejahres<br />
vorverlegt wer<strong>de</strong>n (erstmals<br />
für die Jahresmeldung 2013 in 2014)<br />
• die Unfallversicherungsträger sollen<br />
ihre Prüfkompetenz für die Fälle „zurückbekommen“,<br />
bei <strong>de</strong>nen konkrete<br />
Anhaltspunkte vorliegen, dass Arbeitsentgelte<br />
vom Unternehmen nicht<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> richtigen Gefahrklasse zugeordnet<br />
wur<strong>de</strong>n und die Aufklärung keinen<br />
Aufschub dul<strong>de</strong>t<br />
• bei <strong><strong>de</strong>r</strong> Prüfung <strong><strong>de</strong>r</strong> Künstlersozialabgabe<br />
soll künftig auch <strong><strong>de</strong>r</strong> Vier-Jahres-<br />
Prüfturnus gelten (§ 28p Abs. 1 SGB IV)<br />
Kommt in 2014 das Präventionsgesetz?<br />
(Gp) Das betriebliche Gesundheitsmanagement<br />
soll noch stärker geför<strong><strong>de</strong>r</strong>t wer<strong>de</strong>n.<br />
Das beinhaltet <strong><strong>de</strong>r</strong> Gesetzentwurf<br />
zur För<strong><strong>de</strong>r</strong>ung <strong><strong>de</strong>r</strong> Prävention, <strong>de</strong>n die<br />
Bun<strong>de</strong>sregierung am 20.03.2013 nach vielen<br />
Verzögerungen verabschie<strong>de</strong>t hat. Insbeson<strong><strong>de</strong>r</strong>e<br />
die Finanzierung ist bei <strong>de</strong>n<br />
Kassen auf Kritik gestoßen.<br />
Schon heute för<strong><strong>de</strong>r</strong>n die gesetzlichen<br />
Krankenkassen in erheblichem Umfang<br />
Präventionsmaßnahmen z. B. zu Herz-<br />
Kreislauf-Erkrankungen, Nierenerkrankungen,<br />
Diabetis und Krebserkrankungen<br />
(z. B. zu Darmkrebs). Das sollte aber<br />
nicht nur aus Werbe- und Wettbewerbsgrün<strong>de</strong>n<br />
geschehen.<br />
Bisher konnten die Kassen die Prioritäten<br />
weitgehend selbst und frei bestimmen.<br />
Künftig sind konkrete Vorgaben von Gesundheitszielen<br />
geplant, wie sie vom Kooperationsverbund<br />
GVG unter www.gesundheitsziele.<strong>de</strong><br />
erarbeitet wor<strong>de</strong>n sind.<br />
Boni sollen künftig an Arbeitgeber und<br />
Arbeitnehmer geleistet wer<strong>de</strong>n, die am Erfolg<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Maßnahmen anknüpfen. Durch<br />
Vereinbarung von Gruppentarifen mit Arbeitgebern<br />
können zielgerichtete Angebote<br />
für bestimmte Arbeitnehmer-Gruppen<br />
unterbreitet wer<strong>de</strong>n.<br />
Da <strong><strong>de</strong>r</strong> Gesetzentwurf <strong><strong>de</strong>r</strong> Opposition<br />
nicht weit genug geht, diese aber im Bun<strong>de</strong>srat<br />
zustimmen muss, bleibt das weitere<br />
Schicksal dieses wichtigen Gesetzentwurfs<br />
spannend (Info-Stand Mitte März 2013).<br />
OMS-Bericht jetzt veröffentlicht<br />
(Gp) Zum Projekt „Optimiertes Mel<strong>de</strong>verfahren<br />
in <strong><strong>de</strong>r</strong> sozialen Sicherung“(OMS)<br />
hat das Statistische Bun<strong>de</strong>samt jetzt einen<br />
168 seitigen Bericht veröffentlicht. Es geht<br />
dabei um die Kosten <strong><strong>de</strong>r</strong> bestehen<strong>de</strong>n<br />
Mel<strong>de</strong>verfahren in <strong><strong>de</strong>r</strong> SV für das Jahr<br />
2011. Dargestellt wer<strong>de</strong>n die Aufwän<strong>de</strong><br />
beim Arbeitgeber (Zeitaufwand, Personalund<br />
Sachkosten), beim Bürger und bei <strong>de</strong>n<br />
SV-Trägern. Insgesamt zählte man 86 Mio<br />
SV-Meldungen, die insgesamt einen Aufwand<br />
von 1,2 Mrd. Euro verursachten.<br />
Das sind bezogen auf <strong>de</strong>n einzelnen Arbeitgeber<br />
ca. 14 Euro pro Meldung. Der<br />
vollständige OMS-Bericht Erfüllungsaufwand<br />
Destatis vom 21.03.2013 ist unter<br />
www.projekt-oms.<strong>de</strong> bei Aktuelles veröffentlicht.<br />
Beitrags-Nachfor<strong><strong>de</strong>r</strong>ungen<br />
erfor<strong><strong>de</strong>r</strong>n anwendbaren Tarifvertrag<br />
(Gp) Wenn SV-Beiträge z. B. bei untertariflicher<br />
Bezahlung von <strong><strong>de</strong>r</strong> DRV nachgefor<strong><strong>de</strong>r</strong>t<br />
wer<strong>de</strong>n, setzt das voraus, dass die Höhe <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
rechtmäßig zustehen<strong>de</strong>n Entgelte feststehen.<br />
Dabei ist es unerheblich, ob die Gehälter<br />
tatsächlich nachgezahlt wer<strong>de</strong>n. Wegen<br />
<strong>de</strong>s in <strong><strong>de</strong>r</strong> SV gelten<strong>de</strong>n Entstehungsprinzips<br />
muss aber klar sein, ob ein Tarifvertrag<br />
anzuwen<strong>de</strong>n ist o<strong><strong>de</strong>r</strong> nicht.<br />
Das ist (noch) nicht <strong><strong>de</strong>r</strong> Fall, wenn in einem<br />
an<strong><strong>de</strong>r</strong>en Prozess gera<strong>de</strong> die rückwirken<strong>de</strong><br />
Allgemeinverbindlichkeit <strong>de</strong>s TV für <strong>de</strong>n<br />
fraglichen Zeitraum umstritten ist. Die<br />
Höhe <strong><strong>de</strong>r</strong> rechtmäßigen Entgelte (hier für<br />
eine Fastfood-Kette) muss feststehen, damit<br />
die SV-Beiträge berechnet wer<strong>de</strong>n können.<br />
Sonst wird <strong><strong>de</strong>r</strong> Arbeitgeber möglicherweise<br />
mit ungerechtfertigten Nachfor<strong><strong>de</strong>r</strong>ungen<br />
belastet und ggf. sogar zur Insolvenz gebracht.<br />
Nachfor<strong><strong>de</strong>r</strong>ungen von SV-Beiträgen<br />
dürfen <strong>de</strong>shalb bis zur Klärung <strong><strong>de</strong>r</strong> arbeitsrechtlichen<br />
Vorfragen nicht vollstreckt wer<strong>de</strong>n<br />
(Sozialgericht Düsseldorf v. 18.09.2012,<br />
Az.: S 26 R 1670/12 ER).<br />
Arbeitsbescheinigungen künftig nur<br />
noch auf Verlangen und elektronisch<br />
(Gp) Aktuell müssen Arbeitgeber bei je<strong>de</strong>m<br />
En<strong>de</strong> einer sozialversicherungspflichtigen<br />
Beschäftigung eine Arbeitsbescheinigung<br />
ausstellen, insgesamt rund<br />
7,8 Mio pro Jahr. Diese Arbeitsbelastung<br />
soll künftig (wahrscheinlich ab 2014) nur<br />
noch anfallen, wenn <strong><strong>de</strong>r</strong> Arbeitnehmer<br />
o<strong><strong>de</strong>r</strong> die BA das ausdrücklich wünschen.<br />
Verzichtbar ist die Bescheinigung bei direktem<br />
Arbeitsplatzwechsel, wenn kein<br />
Arbeitslosengeld beansprucht wird.<br />
Außer<strong>de</strong>m sollen die Arbeitsbescheinigungen<br />
und die Nebeneinkommensbescheinigungen<br />
elektronisch an die Arbeitsämter<br />
übermittelt wer<strong>de</strong>n. Dabei können die<br />
im Mel<strong>de</strong>verfahren <strong><strong>de</strong>r</strong> SV vorhan<strong>de</strong>nen<br />
Strukturen genutzt wer<strong>de</strong>n (Entwurf eines<br />
Gesetzes zur Neuorganisation <strong><strong>de</strong>r</strong> bun<strong>de</strong>sunmittelbaren<br />
Unfallkassen, zur Än<strong>de</strong>-<br />
Aktuelles aus <strong>de</strong>m Sozialversicherungsrecht<br />
Journal für das Lohnbüro April 2013 | 13
ung <strong>de</strong>s Sozialgerichtsgesetzes und zur<br />
Än<strong><strong>de</strong>r</strong>ung an<strong><strong>de</strong>r</strong>er Gesetze – BUK-NOG-<br />
Stand En<strong>de</strong> März 2013).<br />
Für Sie zusammengestellt von Stefan<br />
Haussmann (Hm) und Wolfgang Gamp<br />
(Gp).<br />
STEfan Haussmann<br />
LL.M.<br />
Berlin<br />
Wolfgang Gamp<br />
Rechtsassessor,<br />
Lohnsteuerhilfeverein<br />
LoBe e.V.,<br />
Her<strong>de</strong>cke<br />
www.lohnsteuerhilfeher<strong>de</strong>cke.<strong>de</strong><br />
Ärztlicher Leiter ist abhängig beschäftigt<br />
Für das medizinische Qualitätsmanagement<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Patientenversorgung und Patientenbetreuung<br />
im Notarzt- und Rettungsdienst<br />
ist in <strong><strong>de</strong>r</strong> Regel <strong><strong>de</strong>r</strong> Ärztliche Leiter<br />
Rettungsdienst verantwortlich. Die Institution<br />
<strong>de</strong>s Ärztlichen Leiters Rettungsdienst<br />
ist jedoch wegen <strong><strong>de</strong>r</strong> Vielfalt unterschiedlicher<br />
überregionaler und regionaler<br />
rettungsdienstlicher Strukturen nicht einheitlich<br />
in allen Bun<strong>de</strong>slän<strong><strong>de</strong>r</strong>n vorgesehen.<br />
Fraglich ist, ob es sich bei <strong><strong>de</strong>r</strong> Tätigkeit<br />
eines Ärztlichen Leiters Rettungsdienst<br />
nach <strong>de</strong>n in Bayern gelten<strong>de</strong>n lan<strong>de</strong>srechtlichen<br />
Regelungen um ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis<br />
han<strong>de</strong>lt.<br />
In Bayern nimmt <strong><strong>de</strong>r</strong> Ärztliche Leiter Rettungsdienst<br />
seine Aufgaben auf <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Grundlage <strong>de</strong>s Bayerischen Rettungsdienstgesetzes<br />
(BayRDG), und <strong><strong>de</strong>r</strong> Verordnung<br />
zur Ausführung <strong>de</strong>s Bayerischen<br />
Rettungsdienstgesetzes zu <strong>de</strong>n Ärztlichen<br />
Leitern Rettungsdienst in Bayern wahr.<br />
Darüber hinausgehen<strong>de</strong> vertragliche Vereinbarungen<br />
bestehen nicht. Die flächen<strong>de</strong>cken<strong>de</strong><br />
Versorgung mit rettungsdienstlichen<br />
Leistungen ist danach eine<br />
öffentliche Aufgabe, die durch einen öffentlichen<br />
Rettungsdienst sicherzustellen<br />
ist. Als Angelegenheit <strong>de</strong>s übertragenen<br />
Wirkungskreises ist die Sicherstellung <strong>de</strong>s<br />
öffentlichen Rettungsdienstes Aufgabe <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Landkreise und kreisfreien Gemein<strong>de</strong>n,<br />
die diese Aufgaben (im Hinblick auf die<br />
von <strong><strong>de</strong>r</strong> obersten Rettungsdienstbehör<strong>de</strong><br />
festgelegten Rettungsdienstbereiche) im<br />
Zusammenschluss zu einem Zweckverband<br />
für Rettungsdienst und Feuerwehralarmierung<br />
(ZRF) erledigen. Als öffentlicher<br />
Rettungsdienst <strong>de</strong>finiert das BayRDG<br />
die Gesamtheit aller Einrichtungen, Einsatzmittel<br />
und Personen, die aufgrund einer<br />
Beauftragung o<strong><strong>de</strong>r</strong> Bestellung an <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Erbringung rettungsdienstlicher Leistungen<br />
beteiligt sind. Zu <strong>de</strong>n Einrichtungen<br />
<strong>de</strong>s öffentlichen Rettungsdienstes gehören<br />
zwingend eine integrierte Leitstelle, ein<br />
Ärztlicher Leiter Rettungsdienst sowie<br />
ganztägig einsatzbereite Rettungswachen<br />
und Notarztstandorte, die in je<strong>de</strong>m Rettungsbereich<br />
vorhan<strong>de</strong>n sein müssen. Die<br />
notwendige Versorgungsstruktur, die bedarfsgemäß<br />
noch weitere Einrichtungen<br />
<strong>de</strong>s öffentlichen Rettungsdienstes beinhalten<br />
kann, legt <strong><strong>de</strong>r</strong> ZRF fest, <strong><strong>de</strong>r</strong> auch über<br />
erfor<strong><strong>de</strong>r</strong>liche Än<strong><strong>de</strong>r</strong>ungen entschei<strong>de</strong>t.<br />
Leistung wird innerhalb einer<br />
Arbeitsorganisation erbracht<br />
Die Funktion <strong>de</strong>s Ärztlichen Leiters Rettungsdienst<br />
ist integraler Bestandteil <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
verantwortlich von <strong><strong>de</strong>r</strong> ZRF zu führen<strong>de</strong>n<br />
Einrichtungen <strong>de</strong>s öffentlichen Rettungsdienstes.<br />
Das BayRDG weist <strong>de</strong>m Ärztlichen<br />
Leiter Rettungsdienst verbindlich<br />
öffentlich-rechtliche Aufgaben und Befugnisse<br />
einschließlich Weisungsbefugnissen<br />
gegenüber an<strong><strong>de</strong>r</strong>en Personen, die Aufgaben<br />
<strong>de</strong>s öffentlichen Rettungsdienstes wahrnehmen,<br />
zu. In sozialversicherungsrechtlicher<br />
Hinsicht wird die Tätigkeit damit im<br />
Rahmen einer von Dritten vorgegebenen<br />
Arbeitsorganisation erbracht.<br />
Kein Arbeitsvertrag<br />
Die Tatsache, dass zwischen <strong>de</strong>m Ärztlichen<br />
Leiter Rettungsdienst und <strong>de</strong>m ZRF<br />
ein Arbeitsvertrag im Sinne von § 613 Bürgerliches<br />
Gesetzbuch (BGB) nicht vorgesehen<br />
ist, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n eine auf fünf Jahre befristete<br />
Bestellung durch <strong>de</strong>n ZRF erfolgt,<br />
spricht nicht gegen ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis.<br />
We<strong><strong>de</strong>r</strong> das Zustan<strong>de</strong>kommen<br />
eines Arbeitsverhältnisses<br />
in sozialversicherungsrechtlichem<br />
Sinne hängen davon ab, dass ein Arbeitsvertrag<br />
geschlossen wur<strong>de</strong>; das Fehlen eines<br />
Arbeitsvertrages hat danach keinerlei<br />
Indizwirkung. Die Erbringung abhängiger<br />
Erwerbsarbeit ist ebenso im Rahmen<br />
öffentlich-rechtlicher Rechtsverhältnisse<br />
<strong>de</strong>nkbar (Urteile <strong>de</strong>s Bun<strong>de</strong>ssozialgerichtes<br />
– BSG – vom 22.02.1996, Az.: 12 RK 6/95<br />
und 15.07.2009, Az.: B 12 KR 1/09 R).<br />
Nach <strong><strong>de</strong>r</strong> ständigen Rechtsprechung <strong>de</strong>s<br />
BSG kann die Weisungsgebun<strong>de</strong>nheit insbeson<strong><strong>de</strong>r</strong>e<br />
bei Diensten höherer Art zur<br />
funktionsgerecht dienen<strong>de</strong>n Teilhabe am<br />
Arbeitsprozess verfeinert sein Dies verwirklicht<br />
sich bei <strong><strong>de</strong>r</strong> Funktion <strong>de</strong>s Ärztlichen<br />
Leiters Rettungsdienst; eine völlige<br />
Weisungsfreiheit besteht insofern nicht.<br />
Die Weisungsgebun<strong>de</strong>nheit ergibt sich daraus,<br />
dass es Aufgabe <strong>de</strong>s entsprechen<strong>de</strong>n<br />
Ausschusses ist, ein einheitliches Vorgehen<br />
in grundsätzlichen Fragen sicherzustellen.<br />
Der Ausschuss beschließt über fachliche<br />
Empfehlungen an die Ärztlichen Leiter<br />
Rettungsdienst, die wie<strong><strong>de</strong>r</strong>um die oberste<br />
Rettungsdienstbehör<strong>de</strong> zum Inhalt einer<br />
Dienstanweisung machen kann. Durch die<br />
Zahlung einer Aufwandsentschädigung<br />
besteht für <strong>de</strong>n Ärztlichen Leiter Rettungsdienst<br />
kein unternehmerisches Risiko.<br />
Nach einem Besprechungsergebnis <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Spitzenverbän<strong>de</strong> in <strong><strong>de</strong>r</strong> Sozialversicherung<br />
vom 08./09.05.2012 (TOP 2) besteht ein abhängiges<br />
Beschäftigungsverhältnis. Diese<br />
Feststellung gilt auch für an<strong><strong>de</strong>r</strong>e Bun<strong>de</strong>slän<strong><strong>de</strong>r</strong>,<br />
wenn es dort auch einen Ärztlichen<br />
Leiter Rettungsdienst gibt.<br />
MICHAEL Schmatz<br />
Sozialversicherungsfachwirt<br />
Wirtschaftsjournalist<br />
14 | Journal für das Lohnbüro April 2013 Ärztlicher Leiter ist abhängig beschäftigt
Schwerpunkt Entgeltbescheinigungsverordnung<br />
AWV-Bescheinigungsarbeitskreis tagte in <strong><strong>de</strong>r</strong> Domstadt Köln<br />
Kommentierung und Fallbeispiele<br />
wer<strong>de</strong>n im April 2013 veröffentlicht<br />
„Wofür stehen die vier Buchstaben in<br />
‚REWE‘ eigentlich?“ Diese Frage verursachte<br />
bei <strong>de</strong>n über 30 Mitarbeiter/-innen<br />
<strong>de</strong>s AWV-Arbeitskreises 2.18 „Vereinheitlichung<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Bescheinigungen in <strong><strong>de</strong>r</strong> Lohnund<br />
Gehaltsabrechnung“, die sich zur<br />
Frühjahrssitzung in Köln eingefun<strong>de</strong>n<br />
hatten, ratloses Achselzucken. Doch die<br />
Antwort von Dr. Phillip Merten, Bereichsleiter<br />
Personalwesen Konzern bei <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
REWE Group, <strong><strong>de</strong>r</strong> die Frage im Rahmen<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> herzlichen Begrüßung stellte, ließ<br />
nicht lange auf sich warten: Das Akronym<br />
„REWE“ steht für „Revisionsverband <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Westkaufgenossenschaften“. Dies blieb<br />
aber die einzige Frage, die das Gremium<br />
auf <strong><strong>de</strong>r</strong> zweitägigen Sitzung am 20./21.<br />
März 2013 in <strong>de</strong>n repräsentativen Räumlichkeiten<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> diesmal gastgeben<strong>de</strong>n<br />
REWE Zentralfinanz e. G. in Schwierigkeiten<br />
brachte. Denn ansonsten wur<strong>de</strong>n<br />
unter <strong><strong>de</strong>r</strong> bewährten Leitung von Wilhelm<br />
Knoop (Deutsche Lufthansa AG) in<br />
gewohnter Manier praxisgerechte Lösungen<br />
zu <strong>de</strong>n vielfältigen Themen, die auf<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Tagesordnung stan<strong>de</strong>n, erarbeitet.<br />
EBV im Fokus<br />
Topthema <strong><strong>de</strong>r</strong> Agenda war die Entgeltbescheinigungsverordnung<br />
(EBV), welche<br />
zum 01.07.2013 in Kraft tritt. Mit <strong><strong>de</strong>r</strong> Verordnung<br />
wer<strong>de</strong>n verbindliche Vorgaben<br />
<strong>de</strong>s Inhalts einer Entgeltbescheinigung<br />
Schwerpunkt Entgeltbescheinigungsverordnung<br />
gemacht, die zu Zwecken nach <strong>de</strong>m Sozialgesetzbuch<br />
verwen<strong>de</strong>t wer<strong>de</strong>n kann.<br />
Ziel ist, eine normierte Entgeltbescheinigung<br />
zu erreichen, um sicherzustellen,<br />
dass <strong>de</strong>n Sozialleistungsträgern bun<strong>de</strong>sweit<br />
einheitliche Angaben aus <strong><strong>de</strong>r</strong> Bescheinigung<br />
zur Verfügung stehen. Damit<br />
können bislang individuell zu erstellen<strong>de</strong><br />
Bescheinigungen durch die monatlichen<br />
Entgeltbescheinigungen <strong><strong>de</strong>r</strong> Arbeitnehmer<br />
ersetzt wer<strong>de</strong>n. Ein erstes Massenverfahren,<br />
das diesen Ansatz verfolgt, fin<strong>de</strong>t<br />
sich bei <strong><strong>de</strong>r</strong> Berechnung <strong>de</strong>s Elterngel<strong>de</strong>s:<br />
Grundsätzlich sind für die Einkommensermittlung<br />
gem. § 2c Abs. 2 BEEG die<br />
monatlichen Lohn- und Gehaltsbescheinigungen<br />
zu verwen<strong>de</strong>n. Das verordnungserlassen<strong>de</strong><br />
Bun<strong>de</strong>sministerium für<br />
Arbeit und Soziales (BMAS) hat die AWV<br />
gebeten, eine praxisbezogene Umsetzungs-<br />
und Anwendungshilfe zur Entgeltbescheinigungsverordnung<br />
zu erstellen.<br />
Zu diesem Zweck wur<strong>de</strong> eine<br />
erweiterte Projektgruppe <strong>de</strong>s AK 2.18 gegrün<strong>de</strong>t,<br />
um im Rahmen einer Kommentierung<br />
<strong>de</strong>taillierte Beschreibungen und<br />
Informationen zu <strong>de</strong>n einzelnen Punkten<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Entgeltbescheinigungsverordnung<br />
zur Verfügung zu stellen. Damit sollen<br />
Softwarehäuser und Arbeitgeber bei <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Einrichtung unterstützt und konkrete Fragen<br />
geklärt wer<strong>de</strong>n. Die Sitzung in Köln<br />
wur<strong>de</strong> genutzt, um <strong>de</strong>n erstellten Entwurf<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Kommentierung mit <strong>de</strong>m Gastreferenten<br />
Ivo Hurnik vom BMAS ausführlich<br />
Fester Bestandteil <strong><strong>de</strong>r</strong> Tagesordnung: AWV-Geschäftsführer Dr. Ulrich Naujokat informiert über<br />
aktuelle Themen aus <strong><strong>de</strong>r</strong> Facharbeit.<br />
Verabschiedung: Robert Steuer, REWE, (r.) und<br />
Uwe Remus, Volkswagen AG, (2. v. l.) verlassen<br />
<strong>de</strong>n AK 2.18. Wilhelm Knoop, Deutsche Lufthansa,<br />
Leiter <strong>de</strong>s FA 2, (2. v. r.) und AWV-Referent Volker<br />
Will (l.) wünschen für die Zukunft alles Gute.<br />
zu besprechen. Zentraler Punkt war dabei<br />
die Frage, wie <strong><strong>de</strong>r</strong> Arbeitgeber <strong>de</strong>n Arbeitnehmer<br />
über die Angaben informieren<br />
kann, die nicht unter die Vorgaben <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Entgeltbescheinigungsverordnung fallen.<br />
Diese Informationen darf <strong><strong>de</strong>r</strong> Arbeitnehmer<br />
aus datenschutzrechtlichen Grün<strong>de</strong>n<br />
vor Weitergabe <strong><strong>de</strong>r</strong> Bescheinigung unkenntlich<br />
machen. Ausdrücklich geregelt<br />
ist dies in <strong><strong>de</strong>r</strong> EBV für das Kirchensteuermerkmal,<br />
gilt aber auch für weitere Angaben,<br />
die regelmäßig in <strong>de</strong>n Bescheinigungen<br />
enthalten sind (z. B. Urlaubsbestän<strong>de</strong>).<br />
Die Kommentierung zur EBV und eine Anlage<br />
mit Fallbeispielen wer<strong>de</strong>n im April<br />
2013 veröffentlicht wer<strong>de</strong>n.<br />
Neue AK-Leitung<br />
Die Standardisierung <strong><strong>de</strong>r</strong> Vordruckmuster<br />
ist eine Daueraufgabe, die <strong><strong>de</strong>r</strong> AK 2.18<br />
seit über 25 Jahren verfolgt. Die erfor<strong><strong>de</strong>r</strong>liche<br />
Kontinuität in <strong><strong>de</strong>r</strong> Facharbeit ist gewährleistet,<br />
weil die im Arbeitskreis vertretenen<br />
Unternehmen/Behör<strong>de</strong>n für<br />
ausschei<strong>de</strong>n<strong>de</strong> Mitarbeiter regelmäßig<br />
Nachfolger benennen. Dies ist glücklicherweise<br />
auch im Fall von Robert Steuer<br />
(REWE Group) und Uwe Remus (Volkswagen<br />
AG) so, welche <strong>de</strong>n Arbeitskreis<br />
nach langen Jahren ehrenamtlicher Tätigkeit<br />
verlassen und in <strong>de</strong>n wohlverdienten<br />
Ruhestand treten. AK-Leiter Wilhelm<br />
Knoop bedankte sich herzlich für das<br />
große Engagement und wünschte für die<br />
Zukunft alles Gute. Personelle Verän<strong><strong>de</strong>r</strong>ungen<br />
erfolgten aber auch in <strong><strong>de</strong>r</strong> Leitung<br />
<strong>de</strong>s Arbeitskreises selbst. Wilhelm Knoop<br />
legte sein Amt als Leiter, welches er im<br />
August 2000 übernommen hatte, nie<strong><strong>de</strong>r</strong>.<br />
Knoop bleibt aber <strong><strong>de</strong>r</strong> AWV als Leiter <strong>de</strong>s<br />
Fachausschusses 2 und <strong>de</strong>m AK 2.18 als<br />
Mitglied erhalten. Zum Nachfolger und<br />
Journal für das Lohnbüro April 2013 | 15
Auch in Team 3 (Bescheinigungen an Gemein<strong>de</strong>n,<br />
Amtsgerichte etc.) fand ein<br />
Wechsel statt: Sven Fester (Deutsche Post<br />
AG) übernimmt das Teamleiteramt von Peter<br />
Berg (Stadt Bochum). Fachlich steht die<br />
Aktualisierung <strong><strong>de</strong>r</strong> Bescheinigungen an,<br />
die Bezug auf <strong>de</strong>n Begriff „Gesamtbruttoentgelt“<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> bisherigen Entgeltbescheinigungsrichtlinie<br />
nahmen, <strong><strong>de</strong>r</strong> in <strong><strong>de</strong>r</strong> nunmehrigen<br />
Verordnung modifiziert wur<strong>de</strong>.<br />
Künftiges Führungstrio im AK 2.18: Der neue Leiter Stefan Haussmann, DB Mobility Logistics AG,<br />
(2. v. r.) seine Stellvertreterin Anna Zetzmann, Deutsche Lufthansa AG, (2. v. l.) und sein Stellvertreter<br />
Sven Fester, Deutsche Post AG (3. v. l.). Wilhelm Knoop, Deutsche Lufthansa AG, Leiter<br />
<strong>de</strong>s FA 2, (l.) und AWV-Referent Volker Will (r.) freuen sich über die Wahl.<br />
neuem Leiter <strong>de</strong>s AK 2.18 wur<strong>de</strong> Stefan<br />
Haussmann (DB Mobility Logistics AG)<br />
einstimmig gewählt. Die Stellvertretung<br />
wur<strong>de</strong> doppelt besetzt: Anna Zetzmann<br />
(Deutsche Lufthansa AG) und Sven Fester<br />
(Deutsche Post AG) übernehmen diese<br />
Aufgabe. Knoop gratulierte <strong>de</strong>m gewählten<br />
Trio und gab sich zuversichtlich, dass<br />
die Erfolgsgeschichte <strong>de</strong>s AK 2.18 weitergeschrieben<br />
wird.<br />
Team-Aktivitäten<br />
Der Arbeitskreis 2.18 setzt bei <strong><strong>de</strong>r</strong> Erfüllung<br />
seiner Aufgabe auf einzelne Teams,<br />
die für die unterschiedlichen Bescheinigungsgruppen<br />
verantwortlich sind. Team<br />
1 (Bescheinigungen an die Sozialversicherungsträger)<br />
unter <strong><strong>de</strong>r</strong> Leitung von Anna<br />
Zetzmann (Deutsche Lufthansa) beschäftigte<br />
sich mit <strong>de</strong>m Entwurf eines Erstattungsantrags<br />
nach § 3a Abs. 2 EntgFG. Ein<br />
wegen <strong><strong>de</strong>r</strong> Spen<strong>de</strong> von Organen arbeitsunfähiger<br />
Arbeitnehmer hat bis zur Dauer<br />
von sechs Wochen einen Anspruch auf<br />
Entgeltfortzahlung, <strong><strong>de</strong>r</strong> zahlen<strong>de</strong> Arbeitgeber<br />
wie<strong><strong>de</strong>r</strong>um einen Erstattungsanspruch<br />
gegen die Krankenkasse <strong>de</strong>s Organempfängers.<br />
Der erfor<strong><strong>de</strong>r</strong>liche Antrag<br />
soll nach Abstimmung mit <strong>de</strong>m GKV-<br />
Spitzenverband in die Loseblattsammlung<br />
aufgenommen wer<strong>de</strong>n.<br />
In Team 2 (Bescheinigungen <strong><strong>de</strong>r</strong> Bun<strong>de</strong>sagentur<br />
für Arbeit) löst Rü<strong><strong>de</strong>r</strong> Krebs (Kaufland<br />
Stiftung & Co. KG) <strong>de</strong>n langjährigen<br />
Leiter Robert Steuer (REWE Group) ab.<br />
Schwerpunkt <strong><strong>de</strong>r</strong> Teamarbeit war die Umsetzung<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Än<strong><strong>de</strong>r</strong>ungen verschie<strong>de</strong>ner<br />
BA-Bescheinigungen (u. a. Arbeits- und<br />
Nebeneinkommensbescheinigung).<br />
Team 4 (Bescheinigungen an Arbeitgeber,<br />
Versicherungen etc.) unter <strong><strong>de</strong>r</strong> Leitung<br />
von Jutta Schmitz (Bun<strong>de</strong>sverwaltungsamt)<br />
griff das Thema „Regresse gegenüber<br />
<strong>de</strong>m Scha<strong>de</strong>nsverursacher“ wie<strong><strong>de</strong>r</strong><br />
auf. Das Muster <strong><strong>de</strong>r</strong> AWV soll mit aktuelleren<br />
Urteilen aus <strong><strong>de</strong>r</strong> Rechtsprechung<br />
versehen wer<strong>de</strong>n.<br />
Leiterin Doris Heymach (Deutsche Bank<br />
AG) und Team 5 (Bescheinigungen an Statistische<br />
Ämter etc.) setzten sich brandaktuell<br />
mit <strong><strong>de</strong>r</strong> Arbeitskostenerhebung 2012<br />
auseinan<strong><strong>de</strong>r</strong>, eine Information wird <strong>de</strong>n<br />
Nutzern <strong><strong>de</strong>r</strong> Loseblattsammlung kurzfristig<br />
zur Verfügung gestellt.<br />
Die nächste Sitzung <strong>de</strong>s Arbeitskreises fin<strong>de</strong>t<br />
am 10./11. Oktober 2013 statt.<br />
VoLKER WILL<br />
Referent für <strong>de</strong>n AWV-<br />
Fachausschuss 2<br />
„Verwaltungsvereinfachung<br />
und Entbürokratisierung<br />
im personalwirtschaftlichen<br />
Umfeld“<br />
Pflegepersonen stehen in einer abhängigen<br />
Beschäftigung<br />
Die Deutschen wer<strong>de</strong>n immer älter, das<br />
ist sehr erfreulich. Gleichzeitig gibt es in<br />
Deutschland immer mehr Pflegefälle. Allerdings<br />
fehlen bereits jetzt die Pflegekräfte,<br />
die beispielsweise in Alten- o<strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Pflegeheimen die Senioren betreuen. Auf<br />
<strong>de</strong>m Arbeitsmarkt gibt es kaum noch Pflegekräfte,<br />
die die zum Teil schwere Arbeit<br />
ausführen. Anlässlich von Betriebsprüfungen<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Rentenversicherungsträger<br />
sind immer mehr Pflegekräfte, die in Alten-<br />
o<strong><strong>de</strong>r</strong> Pflegeheimen tätig wer<strong>de</strong>n,<br />
selbstständig tätig. In diesem Zusammenhang<br />
taucht die Frage auf, ob Pflegekräfte,<br />
die in einer ambulanten o<strong><strong>de</strong>r</strong> stationären<br />
Einrichtung tätig sind, überhaupt als<br />
Selbstständige arbeiten dürfen.<br />
In <strong><strong>de</strong>r</strong> jüngeren Vergangenheit beantragen<br />
vermehrt Pflegepersonen, die in<br />
Krankenhäusern, Alten- o<strong><strong>de</strong>r</strong> Pflegeheimen<br />
tätig sind, wie beispielsweise<br />
Anästhesie schwestern o<strong><strong>de</strong>r</strong> Anästhesiepfleger,<br />
OP-Fachkräfte, Stationsschwestern<br />
o<strong><strong>de</strong>r</strong> Stationspfleger, Altenpflegerinnen<br />
o<strong><strong>de</strong>r</strong> Altenpfleger, die Feststellung<br />
ihrer Rentenversicherungspflicht als<br />
selbstständig Tätige nach § 2 Sozialgesetzbuch<br />
(SGB) VI bei <strong><strong>de</strong>r</strong> Deutschen Rentenversicherung.<br />
16 | Journal für das Lohnbüro April 2013 Pflegepersonen stehen in einer abhängigen Beschäftigung
Agenturen vermitteln selbstständige<br />
Pflegepersonen<br />
So kommt es vor, dass dieser Personenkreis<br />
regelmäßig von Agenturen zeitlich<br />
begrenzt aufgrund entsprechen<strong><strong>de</strong>r</strong> vertraglicher<br />
Vereinbarungen in Krankenhäuser,<br />
Alten- und Pflegeheime als selbstständig<br />
Tätige vermittelt wird, um dort<br />
Krankheits- bzw. Urlaubsvertretungen zu<br />
übernehmen o<strong><strong>de</strong>r</strong> sonstige außergewöhnliche<br />
Arbeitsleistungen zu kompensieren.<br />
Das Vorliegen einer selbstständigen Tätigkeit<br />
wird insbeson<strong><strong>de</strong>r</strong>e damit begrün<strong>de</strong>t,<br />
dass die Ersatzpflegekräfte ihnen angebotene<br />
Aufträge ablehnen können, sie weisungsfrei<br />
arbeiten und ein Unternehmerrisiko<br />
tragen, da sie ihre Arbeitskleidung<br />
selbst beschaffen müssen und ungewiss<br />
ist, ob sie Folgeaufträge erhalten.<br />
Arbeit unter Kontrolle<br />
Dennoch wer<strong>de</strong>n die Tätigkeiten unter<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Kontrolle <strong>de</strong>s jeweiligen Krankenhauses<br />
bzw. Alten- o<strong><strong>de</strong>r</strong> Pflegeheims stehen,<br />
d. h. unter <strong><strong>de</strong>r</strong> Kontrolle <strong><strong>de</strong>r</strong> jeweiligen<br />
Anästhesie-, OP-, Stations- bzw.<br />
Schichtleitung. Allein die Möglichkeit,<br />
ein konkretes Angebot ablehnen zu können,<br />
macht die Pflegeperson nicht zum<br />
selbstständig Tätigen, wenn sie nach Annahme<br />
<strong>de</strong>s Angebots – wie das Stamm<strong>de</strong>anm1974<br />
© www.fotolia.<strong>de</strong><br />
Abhängig statt selbständig: Pflegepersonal im Altenheim<br />
Entschei<strong>de</strong>nd ist die persönliche<br />
Abhängigkeit<br />
Das Bun<strong>de</strong>ssozialgericht (BSG) hat im<br />
Laufe <strong><strong>de</strong>r</strong> Jahrzehnte Abgrenzungsmerkmale<br />
herausgearbeitet. Die Nicht-<br />
Selbstständigkeit ist dabei das rechtlich<br />
entschei<strong>de</strong>n<strong>de</strong> Merkmal, das die Arbeit<br />
zur Beschäftigung im Sinne <strong><strong>de</strong>r</strong> Sozialversicherung<br />
macht. Dabei stellt die persönliche<br />
Abhängigkeit, nach Auffassung<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Richter, das entschei<strong>de</strong>n<strong>de</strong> Kriterium<br />
für die Beurteilung <strong><strong>de</strong>r</strong> Frage dar,<br />
ob ein Erwerbstätiger als abhängig Beschäftigter<br />
anzusehen ist. Alle an<strong><strong>de</strong>r</strong>en<br />
von <strong>de</strong>n Gerichten entwickelten Merkmale<br />
nennen lediglich Teilaspekte, die<br />
für die Nicht-Selbstständigkeit sprechen.<br />
Je<strong>de</strong>s einzelne für sich allein gesehen ist<br />
nicht geeignet, eine Abgrenzung <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Selbstständigkeit von einem abhängigen<br />
Beschäftigungsverhältnis zu vollziehen.<br />
Die von <strong><strong>de</strong>r</strong> Rechtsprechung entwickelten<br />
Kriterien stellen insgesamt einen<br />
Prüfungskatalog dar, <strong><strong>de</strong>r</strong>, in seiner Gesamtheit<br />
angewen<strong>de</strong>t, geeignet erscheint,<br />
die notwendige Abgrenzung<br />
vornehmen zu können. Ob jemand abhängig<br />
beschäftigt o<strong><strong>de</strong>r</strong> selbstständig ist,<br />
hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen.<br />
Maßgebend ist das Gesamtbild<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> ausgeübten Tätigkeit unter Berücksichtigung<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Verkehrsanschauung.<br />
Mit seinen Urteilen vom 25.01.2006 (Az.:<br />
B 12 KR 30/04 R) und vom 24.01.2007<br />
(Az.: B 12 KR 31/06 R) hat das BSG seine<br />
bisherige Rechtsprechung zu <strong>de</strong>n das<br />
Gesamtbild bestimmen<strong>de</strong>n tatsächlichen<br />
Verhältnissen präzisiert. Entschei<strong>de</strong>nd<br />
ist nicht, was in einem schriftlichen<br />
Vertrag vereinbart wur<strong>de</strong>. Es<br />
kommt alleine auf die tatsächlichen Verhältnisse<br />
an, wie wird etwas gelebt.<br />
Weitere wesentliche Merkmale<br />
Neben <strong><strong>de</strong>r</strong> persönlichen Abhängigkeit<br />
sind die Weisungsgebun<strong>de</strong>nheit, das fehlen<strong>de</strong><br />
Unternehmerrisiko, <strong><strong>de</strong>r</strong> fehlen<strong>de</strong><br />
Einsatz von Kapital und die wirtschaftliche<br />
Abhängigkeit wesentliche Merkmale,<br />
die für eine abhängige Beschäftigung im<br />
Sinne <strong><strong>de</strong>r</strong> Sozialversicherung sprechen.<br />
• Keine im Wesentlichen freie Gestaltung<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Arbeitstätigkeit: Dabei ist zu<br />
berücksichtigen, dass auch Selbstständige<br />
zwar nicht durch Einzelanordnungen,<br />
jedoch durch Regeln und<br />
Normen in ihren Handlungsmöglichkeiten<br />
bei <strong><strong>de</strong>r</strong> Gestaltung <strong><strong>de</strong>r</strong> Arbeitstätigkeit<br />
eingeschränkt sind.<br />
• Kein Unternehmerrisiko: Wer ein Unternehmerrisiko<br />
trägt, ist stets selbstständig<br />
tätig. Wer mit Hilfe eines<br />
Dienstplans eingeteilt ist, trägt kein<br />
Risiko, ein Entgelt für seine Arbeit<br />
nicht zu erhalten.<br />
• Kein Einsatz von eigenem Kapital: Der<br />
Einsatz von eigenem Kapital kennzeichnet<br />
typischerweise die selbstständige<br />
Tätigkeit.<br />
• Wirtschaftliche Abhängigkeit: Das<br />
Tatbestandsmerkmal wirtschaftliche<br />
Abhängigkeit ergänzt im Rahmen <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Gesamtwürdigung das Kriterium <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
persönlichen Abhängigkeit.<br />
Tatsächliche Gegebenheiten<br />
sind an<strong><strong>de</strong>r</strong>s<br />
Die für die versicherungsrechtliche Beurteilung<br />
maßgeben<strong>de</strong>n tatsächlichen Gegebenheiten<br />
stellen sich in ihrer Wertung jedoch<br />
im Regelfall an<strong><strong>de</strong>r</strong>s dar, als von <strong>de</strong>n<br />
Antragstellern begrün<strong>de</strong>t. Die Pflege in einem<br />
Krankenhaus bzw. Alten- o<strong><strong>de</strong>r</strong> Pflegeheim<br />
wird nach <strong><strong>de</strong>r</strong> Organisation <strong>de</strong>s<br />
Krankenhauses bzw. <strong>de</strong>s Alten- o<strong><strong>de</strong>r</strong> Pflegeheims<br />
durch eine Vielzahl von abhängig<br />
beschäftigten Pflegekräften sichergestellt.<br />
Wird eine solche Stelle zeitlich begrenzt<br />
durch einen Dritten besetzt, wird aufgrund<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Einglie<strong><strong>de</strong>r</strong>ung <strong><strong>de</strong>r</strong> Ersatzkraft in das<br />
Gesamtgefüge diese Arbeitsleistung ebenfalls<br />
in aller Regel in abhängiger Beschäftigung<br />
erbracht. Die Pflegepersonen sind<br />
hinsichtlich <strong><strong>de</strong>r</strong> Arbeitszeit, <strong>de</strong>s Arbeitsortes,<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Arbeitsdauer und <strong><strong>de</strong>r</strong> Arbeitsausführung<br />
weisungsgebun<strong>de</strong>n in das Krankenhaus<br />
bzw. das Alten- o<strong><strong>de</strong>r</strong> Pflegeheim<br />
eingeglie<strong><strong>de</strong>r</strong>t. Sie müssen sich an die dortigen<br />
Gepflogenheiten anpassen sowie <strong>de</strong>n<br />
Weisungen <strong><strong>de</strong>r</strong> jeweiligen Leitung, beispielsweise<br />
<strong>de</strong>s Stationsarztes o<strong><strong>de</strong>r</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Stationsschwester,<br />
<strong>de</strong>s Anästhesisten, <strong>de</strong>s OP-<br />
Arztes o<strong><strong>de</strong>r</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Pflegedienstleitung, Folge<br />
leisten. Ihre Arbeitsleistung unterschei<strong>de</strong>t<br />
sich nicht von <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> festangestellten abhängig<br />
beschäftigten Pflegepersonen. Sie<br />
arbeiten häufig sogar Hand in Hand zusammen.<br />
Zwar mag es je nach Qualifikation<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Pflegekraft und abhängig von <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
zu erledigen<strong>de</strong>n Tätigkeit in unterschiedlichem<br />
Ausmaß zur Überprüfung <strong><strong>de</strong>r</strong> Arbeitsleistung<br />
kommen.<br />
Pflegepersonen stehen in einer abhängigen Beschäftigung<br />
Journal für das Lohnbüro April 2013 | 17
personal – weisungsgebun<strong>de</strong>n in die Organisation<br />
<strong>de</strong>s Krankenhauses bzw.<br />
Alten- o<strong><strong>de</strong>r</strong> Pflegeheims eingeglie<strong><strong>de</strong>r</strong>t ist.<br />
Auch ein typisches Unternehmerrisiko<br />
besteht nicht, da lediglich die Vergütung<br />
ausfüllen kann und je nach Ausgestaltung<br />
<strong>de</strong>s Arbeitsvertrags auch angestellte<br />
Pflegekräfte sich ihre Arbeitskleidung<br />
selbst beschaffen müssen. Selbst<br />
wenn die Pflegekräfte ein Gewerbe anmel<strong>de</strong>n,<br />
Einkommenssteuer abführen,<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Berufsgenossenschaft die Tätigkeitsaufnahme<br />
mitteilen, eine Berufshaftpflichtversicherung<br />
abschließen, hat dies<br />
kein entschei<strong>de</strong>n<strong>de</strong>s Gewicht, weil damit<br />
nur <strong><strong>de</strong>r</strong> äußere Rahmen <strong><strong>de</strong>r</strong> Tätigkeit gestaltet<br />
wird, während die maßgeben<strong>de</strong>n<br />
tatsächlichen Verhältnisses für das Bestehen<br />
einer abhängigen Beschäftigung<br />
sprechen (Urteil <strong>de</strong>s Lan<strong>de</strong>ssozialgerichts<br />
Hamburg vom 18.05.2004, Az.: L 1<br />
KR 80/04).<br />
Wie Stammpflegepersonal<br />
abhängig beschäftigt<br />
Pflegepersonen, die zeitlich begrenzt in<br />
Krankenhäusern, Alten- o<strong><strong>de</strong>r</strong> Pflegeheimen<br />
tätig wer<strong>de</strong>n, wie beispielsweise Anästhesieschwestern<br />
o<strong><strong>de</strong>r</strong> Anästhesiepfleger,<br />
OP-Fachkräfte, Stationsschwestern o<strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Stationspfleger, Altenpflegerinnen o<strong><strong>de</strong>r</strong> Altenpfleger,<br />
um dort Krankheits- bzw. Urlaubsvertretungen<br />
zu übernehmen o<strong><strong>de</strong>r</strong><br />
sonstige außergewöhnliche Arbeitsbelastungen<br />
zu kompensieren, stehen – wie das<br />
von ihnen vertretene Stammpflegepersonal<br />
– mithin in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis<br />
im Sinne <strong><strong>de</strong>r</strong> Sozialversicherung<br />
(§ 7 Abs. 1 SGB IV), so die<br />
Spitzenverbän<strong>de</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Sozialversicherung<br />
nach einem Besprechungsergebnis vom<br />
08./09.05.2012 (TOP 1). Es besteht Versicherungs-<br />
und Beitragspflicht in <strong><strong>de</strong>r</strong> gesetzlichen<br />
Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung.<br />
Verleiher und Entleiher haften<br />
gesamtschuldnerisch für die<br />
Sozialversicherungsbeiträge<br />
Sofern es sich bei <strong><strong>de</strong>r</strong> Vermittlung <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Pflegepersonen um unerlaubte Arbeitnehmerüberlassung<br />
han<strong>de</strong>lt, weil <strong>de</strong>m<br />
Verleiher die erfor<strong><strong>de</strong>r</strong>liche Erlaubnis<br />
nach § 1 <strong>de</strong>s Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes<br />
(AÜG) fehlt und <strong><strong>de</strong>r</strong> Vertrag<br />
zwischen ihm und <strong>de</strong>m Entleiher <strong>de</strong>shalb<br />
nach § 9 Nr. 1 AÜG unwirksam ist,<br />
wird nach § 10 Abs. 1 AÜG ein Arbeitsverhältnis<br />
zwischen <strong>de</strong>m Entleiher und<br />
<strong>de</strong>m Leiharbeitnehmer fingiert. Damit<br />
gilt das Krankenhaus bzw. Alten- o<strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Pflegeheim (Entleiher) als Arbeitgeber,<br />
<strong>de</strong>m nach § 28e Abs. 1 SGB IV die Zahlungspflicht<br />
hinsichtlich <strong>de</strong>s Gesamtsozialversicherungsbeitrags<br />
obliegt. Zahlt<br />
die Agentur als Verleiher trotz <strong><strong>de</strong>r</strong> Unwirksamkeit<br />
<strong>de</strong>s Vertrages (Teil-)Arbeitsentgelt<br />
an die Pflegepersonen (Leiharbeitnehmer),<br />
liegt ein sogenanntes<br />
faktisches Arbeitsverhältnis und damit<br />
auch eine abhängige Beschäftigung nach<br />
§ 7 Abs. 1 SGB IV vor. Der Verleiher ist<br />
daher als (weiterer) fiktiver Arbeitgeber<br />
anzusehen (§ 28e Abs. 2 Satz 4 1. Halbsatz<br />
SGB IV). Er hat die auf das von ihm gezahlte<br />
Entgelt entfallen<strong>de</strong>n Gesamtsozialversicherungsbeiträge<br />
zu zahlen (§ 28e<br />
Abs. 2 Sätze 3 und 4 SGB IV, § 10 Abs. 3<br />
AÜG). In diesen Fällen gelten sowohl <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Entleiher als auch <strong><strong>de</strong>r</strong> Verleiher als<br />
Arbeitgeber und sie haften insoweit als<br />
Gesamtschuldner (§ 28e Abs. 2 Satz 4<br />
2. Halbsatz SGB IV).<br />
MICHAEL Schmatz<br />
Sozialversicherungsfachwirt<br />
Wirtschaftsjournalist<br />
Aktuelles aus <strong>de</strong>m Arbeitsrecht<br />
Was besagt <strong><strong>de</strong>r</strong> „Anspruch auf ein<br />
wohlwollen<strong>de</strong>s Zeugnis“?<br />
Vergleiche beson<strong><strong>de</strong>r</strong>s in Kündigungsschutzprozessen<br />
enthalten häufig die Verpflichtung<br />
<strong>de</strong>s Arbeitgebers, Arbeitnehmern<br />
ein „wohlwollen<strong>de</strong>s Zeugnis“<br />
auszustellen, um diesen die Job-Suche zu<br />
erleichtern. So auch in einem Fall <strong>de</strong>s<br />
Sächsischen Lan<strong>de</strong>sarbeitsgerichts, wo es<br />
im Vergleich hieß:<br />
„Der Arbeitgeber verpflichtet sich, <strong>de</strong>m<br />
Arbeitnehmer ein wohlwollen<strong>de</strong>s qualifiziertes<br />
Zeugnis auszustellen, das seiner<br />
weiteren beruflichen Entwicklung dienlich<br />
ist.“<br />
Als <strong><strong>de</strong>r</strong> Arbeitnehmer mit <strong>de</strong>m später erteilten<br />
Zeugnis nicht einverstan<strong>de</strong>n war,<br />
wollte er eine Nachbesserung im Wege <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Zwangsvollstreckung (§ 888 ZPO) durchsetzen.<br />
Das scheiterte aber, weil <strong><strong>de</strong>r</strong> Arbeitgeber<br />
ein Zeugnis erteilt hatte, dass <strong>de</strong>n<br />
Anfor<strong><strong>de</strong>r</strong>ungen <strong>de</strong>s gerichtlichen Vergleichs<br />
entsprach.<br />
Nach <strong><strong>de</strong>r</strong> Gewerbeordnung (§ 109<br />
GewO) muss ein qualifiziertes Zeugnis<br />
enthalten:<br />
• Art und Dauer <strong><strong>de</strong>r</strong> Beschäftigung,<br />
• eine Bewertung <strong><strong>de</strong>r</strong> erbrachten Leistungen<br />
und<br />
• das persönliche Verhalten <strong>de</strong>s Arbeitnehmers.<br />
Diese Anfor<strong><strong>de</strong>r</strong>ungen waren hier in <strong>de</strong>m<br />
schriftlichen Zeugnis formal erfüllt.<br />
Im Übrigen ist „Wohlwollen“ nach <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
ständigen Rechtsprechung <strong><strong>de</strong>r</strong> Arbeitsgerichte<br />
zu unbestimmt, um vollstreckt wer<strong>de</strong>n<br />
zu können. Das gilt auch für die<br />
Formulierung, dass es „<strong><strong>de</strong>r</strong> weiteren beruflichen<br />
Entwicklung dienen“ soll. Eine<br />
Zeugnis-Rüge kann nur in einem Erkenntnisverfahren<br />
erfolgreich sein, nicht<br />
in einem Vollstreckungsverfahren, wenn<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Arbeitnehmer darlegt und ggf. beweist,<br />
dass die Qualität seiner Leistungen<br />
nicht angemessen bewertet wur<strong>de</strong>.<br />
Praxistipp:<br />
Für arbeitsgerichtliche Vergleiche sollten<br />
<strong>de</strong>shalb exakte Formulierungen vereinbart<br />
wer<strong>de</strong>n, die dann auch vollstreckt<br />
wer<strong>de</strong>n könnten (Sächsisches LAG v.<br />
06.08.2012, Az.: 4 Ta 170/12).<br />
Betriebsrat: Internetanschluss über<br />
Firmen-Intranet reicht aus<br />
Der Betriebsrat hat keinen Anspruch auf einen<br />
externen Internetanschluss, wenn er<br />
über das Firmen-Intranet ins Internet gelangen<br />
kann. Ein Internetzugang gehört zur Informations-<br />
und Kommunikationstechnik,<br />
die <strong><strong>de</strong>r</strong> Betriebsrat nur verlangen kann,<br />
wenn das zur ordnungsgemäßen Erledigung<br />
seiner Aufgaben erfor<strong><strong>de</strong>r</strong>lich ist. Diese Prüfung<br />
darf er nicht nur nach seinen subjektiven<br />
Bedürfnissen und <strong>de</strong>nen <strong><strong>de</strong>r</strong> Belegschaft<br />
ausrichten. In die gebotene Abwägung im<br />
Einzelfall müssen auch die Interessen <strong>de</strong>s<br />
Arbeitgebers an einer Begrenzung <strong><strong>de</strong>r</strong> Kostentragungspflicht<br />
einfließen (LAG Ba<strong>de</strong>n-<br />
Württemberg v. 23.01.2013, Az.: 13 TaBV 8/12).<br />
18 | Journal für das Lohnbüro April 2013 Aktuelles aus <strong>de</strong>m Arbeitsrecht
Gleiches Arbeitsentgelt für<br />
Leih-Arbeitnehmer<br />
Von fünf Equal-Pay-Klagen von Zeit-Arbeitnehmern<br />
war jetzt eine erfolgreich,<br />
zwei wur<strong>de</strong>n abgewiesen und zwei wur<strong>de</strong>n<br />
an die jeweiligen Lan<strong>de</strong>sarbeitsgerichte<br />
zurückverwiesen.<br />
Nach <strong>de</strong>m Arbeitnehmerüberlassungsgesetz<br />
kann von <strong>de</strong>m Gebot <strong><strong>de</strong>r</strong> Gleichbehandlung<br />
durch Tarifvertrag abgewichen wer<strong>de</strong>n. Dabei<br />
können auch nicht tarifgebun<strong>de</strong>ne Arbeitsvertragspartner<br />
die Anwendung tariflicher<br />
Regelungen vereinbaren. Jedoch<br />
müssen die Tarifverträge wirksam sein. Das<br />
war bei <strong>de</strong>n mit <strong><strong>de</strong>r</strong> CGZP abgeschlossenen<br />
Tarifverträgen nicht <strong><strong>de</strong>r</strong> Fall.<br />
Das Bun<strong>de</strong>sarbeitsgericht hat sich bei <strong>de</strong>n<br />
jetzt vorliegen<strong>de</strong>n fünf Entscheidungen<br />
von folgen<strong>de</strong>n Grundsätzen leiten lassen:<br />
1. Die CGZP konnte keine wirksamen<br />
Tarifverträge schließen. Leiharbeitnehmer,<br />
in <strong><strong>de</strong>r</strong>en Arbeitsverträgen auf<br />
die CGZP-Tarifverträge Bezug genommen<br />
wur<strong>de</strong>, haben Anspruch auf das<br />
Arbeitsentgelt, das ein vergleichbarer<br />
Stammarbeitnehmer <strong>de</strong>s Entleihers erhalten<br />
hat (§ 10 IV AÜG).<br />
2. Etwaiges Vertrauen <strong><strong>de</strong>r</strong> Verleiher in<br />
die Tariffähigkeit <strong><strong>de</strong>r</strong> CGZP ist nicht<br />
geschützt.<br />
3. Soweit in neueren Arbeitsverträgen<br />
neben o<strong><strong>de</strong>r</strong> anstelle einer Verweisung<br />
auf CGZP-Tarifverträge auf <strong>de</strong>n mehrgliedrigen<br />
Tarifvertrag zwischen <strong>de</strong>m<br />
Arbeitgeberverband AMP, <strong><strong>de</strong>r</strong> CGZP<br />
und einer Reihe von christlichen Arbeitnehmervereinigungen<br />
vom<br />
15.03.2010 Bezug genommen wird, ist<br />
eine solche Klausel intransparent und<br />
nach § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB unwirksam,<br />
wenn sich nicht ersehen lässt,<br />
welches <strong><strong>de</strong>r</strong> tariflichen Regelwerke bei<br />
sich wi<strong><strong>de</strong>r</strong>sprechen<strong>de</strong>n Regelungen<br />
<strong>de</strong>n Vorrang haben soll.<br />
4. Der gesetzliche Anspruch auf gleiches<br />
Arbeitsentgelt wird zu <strong>de</strong>m arbeitsvertraglich<br />
für die Vergütung vereinbarten<br />
Zeitpunkt fällig. Er unterliegt<br />
wirksam vereinbarten Ausschlussfristen.<br />
Insbeson<strong><strong>de</strong>r</strong>e darf die Verfallfrist<br />
drei Monate nicht unterschreiten. Zur<br />
Verhin<strong><strong>de</strong>r</strong>ung <strong>de</strong>s Verfalls genügt die<br />
Geltendmachung <strong>de</strong>s Anspruchs <strong>de</strong>m<br />
Grun<strong>de</strong> nach.<br />
5. Der gesetzliche Anspruch auf gleiches<br />
Arbeitsentgelt unterliegt <strong><strong>de</strong>r</strong> regelmäßigen<br />
Verjährungsfrist von drei Jahren.<br />
Diese Frist beginnt mit <strong>de</strong>m En<strong>de</strong> <strong>de</strong>s<br />
Jahres, in <strong>de</strong>m <strong><strong>de</strong>r</strong> Anspruch entstan<strong>de</strong>n<br />
ist und <strong><strong>de</strong>r</strong> Leiharbeitnehmer Kenntnis<br />
von <strong>de</strong>n <strong>de</strong>n Anspruch begrün<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n<br />
Umstän<strong>de</strong>n hat. Dafür reicht die Kenntnis<br />
von <strong>de</strong>n Tatsachen. Auf die rechtliche<br />
Beurteilung <strong><strong>de</strong>r</strong> Tariffähigkeit <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
CGZP kommt es nicht an.<br />
6. Der Anspruch auf gleiches Entgelt besteht<br />
während <strong><strong>de</strong>r</strong> Dauer <strong><strong>de</strong>r</strong> Überlassung<br />
an ein entleihen<strong>de</strong>s Unternehmen.<br />
Zu seiner Berechnung ist ein<br />
Gesamtvergleich aller Entgelte im<br />
Überlassungszeitraum anzustellen.<br />
Dabei bleibt Aufwendungsersatz außer<br />
Betracht, es sei <strong>de</strong>nn, es han<strong>de</strong>lt<br />
sich um „verschleiertes“ und damit<br />
steuerpflichtiges Arbeitsentgelt.<br />
(BAG v. 13.03.2013, Az.: 5 AZR 954/11, 5<br />
AZR 146/12, 5 AZR 242/12, 5 AZR 294/12<br />
und 5 AZR 424/12).<br />
Än<strong><strong>de</strong>r</strong>ungen bei Schwellenwerten:<br />
Leih-Arbeitnehmer zählen jetzt mit!<br />
Die Zahl <strong><strong>de</strong>r</strong> Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong> im Betriebsrat richtet<br />
sich nach <strong><strong>de</strong>r</strong> Anzahl <strong><strong>de</strong>r</strong> im Betrieb in<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Regel beschäftigten Mitarbeiter (§ 9<br />
BetrVG). Bei 5 bis 100 Mitarbeitern kommt<br />
es auf die Wahlberechtigung an, so dass<br />
auch in Betrieben mit z. B. 52 Arbeitnehmern<br />
min<strong>de</strong>stens 51 aktiv wahlberechtigt<br />
für einen fünfköpfigen Betriebsrat nach § 7<br />
BetrVG sein müssen. Ab 101 Mitarbeitern<br />
genügt die Betriebszugehörigkeit für einen<br />
siebenköpfigen Betriebsrat.<br />
Bisher zählten Leih-Arbeitnehmer bei <strong>de</strong>n<br />
Schwellenwerten nicht mit. Das sieht das<br />
Bun<strong>de</strong>sarbeitsgericht jetzt an<strong><strong>de</strong>r</strong>s. Bei<br />
mehr als 100 Mitarbeitern kommt es auch<br />
nicht auf die Wahlberechtigung an.<br />
Eine Wahlanfechtung für einen Betrieb<br />
von 879 Stammkräften und 292 Leih-Arbeitnehmern<br />
war <strong>de</strong>shalb jetzt erfolgreich.<br />
Anstelle eines 13-köpfigen Betriebsrats<br />
muss jetzt ein Betriebsrat mit 15 Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong>n<br />
gewählt wer<strong>de</strong>n (BAG v. 13.03.2013,<br />
Az.: 7 ABR 69/11).<br />
Betriebsratswahl aufgrund unwirksamen<br />
Tarifverträge ist anfechtbar<br />
Unwirksam ist ein Tarifvertrag (TV), <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
vom Betriebsverfassungsgesetz abweichen<strong>de</strong><br />
Arbeitnehmervertretungsstrukturen<br />
bestimmt, ohne <strong>de</strong>n hierfür vorgesehenen<br />
gesetzlichen Voraussetzungen zu<br />
genügen. Diese abweichen<strong>de</strong>n Strukturen<br />
sind zulässig, „soweit dies insbes. aufgrund<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Betriebs-, Unternehmens- o<strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Konzernorganisation o<strong><strong>de</strong>r</strong> aufgrund an<strong><strong>de</strong>r</strong>er<br />
Formen <strong><strong>de</strong>r</strong> Zusammenarbeit von<br />
Unternehmen einer wirksamen und<br />
zweckmäßigen Interessenvertretung <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Arbeitnehmer dient“ (§ 3 Abs. 1 Nr. 3<br />
BetrVG). Erfüllt ein Tarifvertrag diese Voraussetzungen<br />
nicht (mehr), ist er unwirksam.<br />
Eine <strong>de</strong>nnoch auf dieser Grundlage<br />
urchgeführte Betriebsratswahl ist zwar<br />
nicht nichtig (also nicht völlig unwirksam),<br />
aber anfechtbar.<br />
Im Urteilsfall ging es um zwei Arbeitgeber<br />
im Bereich <strong>de</strong>s Eventmanagements,<br />
die zusammen mit an<strong><strong>de</strong>r</strong>en Arbeitgebern<br />
mit ver.di 2002 einen Tarifvertrag (TV EBS<br />
2002) zur Bildung einheitlicher Gesamtbetriebsratsstrukturen<br />
abschlossen. Danach<br />
wur<strong>de</strong>n Betriebe an verschie<strong>de</strong>nen<br />
Standorten zu neun Wahlregionen zusammengefasst,<br />
in <strong>de</strong>nen jeweils ein Regional-Betriebsrat<br />
gewählt wur<strong>de</strong>. Diese<br />
Betriebe wur<strong>de</strong>n unternehmensübergreifend<br />
durch Regionalleitungen geführt.<br />
Diese Regionalstruktur wur<strong>de</strong> 2004 aufgegeben,<br />
aber die Errichtung von Regional-Betriebsräten<br />
auf <strong><strong>de</strong>r</strong> Grundlage <strong>de</strong>s<br />
TV EBS 2004 fortgeschrieben. Auch eine<br />
im März 2010 für die „Region Mitte“<br />
durchgeführte Wahl eines Regionalbetriebsrats<br />
fand auf <strong><strong>de</strong>r</strong> Grundlage dieses<br />
Tarifvertrages statt.<br />
Die gegen die Betriebsratswahl erhobene<br />
Wahlanfechtung <strong><strong>de</strong>r</strong> Arbeitgeber war jetzt<br />
erfolgreich. Die Wahl hätte nicht auf <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Grundlage <strong>de</strong>s TV EBS 2004 stattfin<strong>de</strong>n dürfen.<br />
Dieser war unwirksam, weil er nicht<br />
<strong>de</strong>n Anfor<strong><strong>de</strong>r</strong>ungen <strong>de</strong>s Betriebsverfassungsgesetzes<br />
entsprach. Nach<strong>de</strong>m bereits<br />
2004 die Regionalleitungen abgeschafft waren,<br />
dienten die in <strong>de</strong>m Tarifvertrag bestimmten<br />
an<strong><strong>de</strong>r</strong>en Arbeitnehmervertretungsstrukturen<br />
nicht mehr <strong><strong>de</strong>r</strong> wirksamen<br />
und zweckmäßigen Interessenvertretung<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Arbeitnehmer (BAG v. 13.03.2013, Az.: 7<br />
ABR 70/11).<br />
Wolfgang Gamp<br />
Rechtsassessor,<br />
Lohnsteuerhilfeverein<br />
LoBe e.V.,<br />
Her<strong>de</strong>cke<br />
www.lohnsteuerhilfeher<strong>de</strong>cke.<strong>de</strong><br />
Aktuelles aus <strong>de</strong>m Arbeitsrecht<br />
Journal für das Lohnbüro April 2013 | 19
Elternzeit und Teilzeit<br />
Das verflixte dritte Jahr<br />
Das Bun<strong>de</strong>selterngeld- und Elternzeitgesetz<br />
(BEEG) soll gegenüber <strong>de</strong>m vorher gelten<strong>de</strong>n<br />
Bun<strong>de</strong>serziehungsgeldgesetz eine bessere<br />
Vereinbarkeit von Familie und Beruf erreichen.<br />
Obwohl es seit sechs Jahren in Kraft<br />
ist, gibt es in einigen Fragen nach wie vor<br />
Unklarheiten. Elternzeit kann grundsätzlich<br />
bis zur Vollendung <strong>de</strong>s dritten Lebensjahres<br />
<strong>de</strong>s Kin<strong>de</strong>s beantragt wer<strong>de</strong>n. Außer<strong>de</strong>m<br />
haben Arbeitnehmer Anspruch auf eine<br />
Teilzeitbeschäftigung während <strong><strong>de</strong>r</strong> Elternzeit,<br />
sofern <strong><strong>de</strong>r</strong> Arbeitgeber in <strong><strong>de</strong>r</strong> Regel<br />
mehr als 15 Arbeitnehmer beschäftigt. Sie<br />
müssen sich aber nicht von Anfang an für<br />
die gesamte Dauer <strong><strong>de</strong>r</strong> Elternzeit festlegen.<br />
Das Gesetz verlangt zunächst nur eine Erklärung<br />
für die ersten zwei Jahre. Mitarbeiter<br />
können die Elternzeit vor Ablauf <strong><strong>de</strong>r</strong> ersten<br />
zwei Jahre mit einer nur siebenwöchigen<br />
Ankündigungsfrist um ein drittes Jahr verlängern.<br />
Das bringt viele Arbeitgeber bei <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Personaldisposition in die Bredouille, da sie<br />
kurzfristig mit <strong>de</strong>n Plänen ihrer Angestellten<br />
konfrontiert wer<strong>de</strong>n. Daher ist es für Personalverantwortliche<br />
wichtig zu wissen,<br />
welche Ansprüche Mitarbeiter geltend machen<br />
können. Ein kleiner Trost: Arbeitgeber<br />
können eine Teilzeitbeschäftigung unter bestimmten<br />
Voraussetzungen ablehnen.<br />
Yevgeniy Zateychuk © www.fotolia.<strong>de</strong><br />
Selbst im verflixten dritten Jahr: Für sie bleibt die Welt in Ordnung<br />
Aktuell hat das Bun<strong>de</strong>sarbeitsgericht (BAG)<br />
über die Verlängerung <strong><strong>de</strong>r</strong> Elternzeit um ein<br />
drittes Jahr und die Frage <strong><strong>de</strong>r</strong> gleichzeitigen<br />
Fortsetzung einer Teilzeitvereinbarung entschie<strong>de</strong>n<br />
(Urteil vom 19.02.2013, Az.: 9 AZR<br />
461/11). Die Personalreferentin eines Beratungsunternehmens<br />
beantragte nach <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Geburt ihrer Tochter fristgerecht eine zweijährige<br />
Elternzeit und gleichzeitig eine gestaffelte<br />
Teilzeit. Der Arbeitgeber erklärte<br />
sich hiermit einverstan<strong>de</strong>n. Innerhalb <strong>de</strong>s<br />
ersten Jahres arbeitete sie zunächst 15 Stun<strong>de</strong>n<br />
pro Woche, im zweiten Jahr 20. Als die<br />
Arbeitnehmerin zwei Monate vor En<strong>de</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Elternzeit die Verlängerung für das dritte<br />
Jahr <strong><strong>de</strong>r</strong> Elternzeit und die gleichzeitige<br />
Fortführung <strong><strong>de</strong>r</strong> Teilzeitvereinbarung in<br />
diesem Zeitraum beantragte, lehnte <strong><strong>de</strong>r</strong> Arbeitgeber<br />
ab. Sie könne entwe<strong><strong>de</strong>r</strong> ganz o<strong><strong>de</strong>r</strong><br />
gar nicht arbeiten. Die Verlängerung <strong><strong>de</strong>r</strong> Elternzeit<br />
sei grundsätzlich möglich, nicht jedoch<br />
eine Teilzeitbeschäftigung in diesem<br />
Zeitraum, da dieser eine innerbetriebliche<br />
Umstrukturierung entgegenstün<strong>de</strong>. Der<br />
Arbeitgeber argumentierte weiter, dass die<br />
Mitarbeiterin nicht erneut die Reduzierung<br />
ihrer Arbeitszeit beantragen könne, <strong>de</strong>nn<br />
das Gesetz sehe nur eine insgesamt zweimalige<br />
Verringerungsmöglichkeit vor. Mit<br />
<strong>de</strong>m ersten Teilzeitantrag habe er aber bereits<br />
zwei Verringerungsbegehren (15 und<br />
20 Stun<strong>de</strong>n) zugestimmt.<br />
Das Lan<strong>de</strong>sarbeitsgericht hatte zwar die<br />
<strong>de</strong>m Teilzeitwunsch entgegengehaltenen<br />
betrieblichen Grün<strong>de</strong> nicht für tragfähig gehalten,<br />
war aber <strong><strong>de</strong>r</strong> Argumentation <strong>de</strong>s Arbeitgebers<br />
hinsichtlich <strong><strong>de</strong>r</strong> Überschreitung<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> zulässigen Anzahl <strong><strong>de</strong>r</strong> Verringerungsanträge<br />
gefolgt. Die Revision <strong><strong>de</strong>r</strong> Mitarbeiterin<br />
vor <strong>de</strong>m Bun<strong>de</strong>sarbeitsgericht hatte<br />
Erfolg. Da sich <strong><strong>de</strong>r</strong> Arbeitgeber und die Personalreferentin<br />
einvernehmlich über die gestaffelte<br />
Teilzeitbeschäftigung während <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Elternzeit geeinigt hatten, ist die getroffene<br />
Teilzeitvereinbarung nach <strong>de</strong>m Urteil <strong>de</strong>s<br />
BAG nicht auf <strong>de</strong>n Anspruch auf zweimalige<br />
Verringerung <strong><strong>de</strong>r</strong> Arbeitszeit anzurechnen.<br />
Die Mitarbeiterin durfte daher auch im<br />
dritten Jahr wie zuvor 20 Stun<strong>de</strong>n in Teilzeit<br />
arbeiten. Nehmen Arbeitnehmer zunächst<br />
einmal nur Elternzeit für weniger als drei<br />
Jahre in Anspruch, können sich bei nachträglicher<br />
Beanspruchung von Elternzeit<br />
für die Restdauer ungeahnte Probleme ergeben.<br />
Hierbei sind zwei mögliche Szenarien<br />
zu unterschei<strong>de</strong>n:<br />
Verlangt eine Arbeitnehmerin o<strong><strong>de</strong>r</strong> ein<br />
Arbeitnehmer Elternzeit für eine kürzere<br />
Zeit als zwei Jahre, kann eine Verlängerung<br />
beantragt wer<strong>de</strong>n, wenn <strong><strong>de</strong>r</strong> Arbeitgeber<br />
zustimmt (§ 16 Abs. 3 BEEG).<br />
Ob auch die Elternzeit im dritten Jahr –<br />
nach<strong>de</strong>m zunächst Elternzeit für zwei<br />
Jahre beansprucht wur<strong>de</strong> – <strong><strong>de</strong>r</strong> Zustimmung<br />
<strong>de</strong>s Arbeitgebers bedarf, ist noch<br />
nicht durch das Bun<strong>de</strong>sarbeitsgericht entschie<strong>de</strong>n<br />
wor<strong>de</strong>n. Der Gesetzeswortlaut<br />
ist hier nicht ein<strong>de</strong>utig. Überwiegend<br />
wird allerdings vertreten, dass keine Zustimmung<br />
benötigt wird. Dies hat unter<br />
an<strong><strong>de</strong>r</strong>em das Lan<strong>de</strong>sarbeitsgericht Düsseldorf<br />
entschie<strong>de</strong>n (Urteil vom 24.01.2011,<br />
14 Sa 1399/10). Ein Leasingunternehmen<br />
hatte einer Vertriebsmitarbeiterin die Verlängerung<br />
um das dritte Jahr <strong><strong>de</strong>r</strong> Elternzeit<br />
verweigert.<br />
Elternzeit<br />
Generell gilt: Arbeitnehmer haben nach <strong><strong>de</strong>r</strong> Geburt eines Kin<strong>de</strong>s Anspruch auf eine unbezahlte<br />
Freistellung, die bis zur Vollendung <strong>de</strong>s dritten Lebensjahres <strong>de</strong>s Kin<strong>de</strong>s genommen wer<strong>de</strong>n kann.<br />
Der Arbeitgeber muss sieben Wochen vor Beginn <strong><strong>de</strong>r</strong> Elternzeit <strong>de</strong>n Antrag auf Elternzeit erhalten,<br />
verbun<strong>de</strong>n mit einer verbindlichen Planung über die ersten zwei Jahre. Das dritte Jahr können<br />
Mitarbeiter auch im Nachhinein beantragen. Auf die dreijährige Elternzeit wird die Zeit <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Mutterschutzfrist angerechnet. Die dreijährige Elternzeit en<strong>de</strong>t nach <strong>de</strong>n gesetzlichen Vorschriften<br />
zur Fristenberechnung am Tag vor <strong>de</strong>m dritten Geburtstag <strong>de</strong>s Kin<strong>de</strong>s. Mit Zustimmung <strong>de</strong>s<br />
Arbeitgebers kann ein Anteil von 12 Monaten <strong><strong>de</strong>r</strong> Elternzeit auch auf die Zeit bis zur Vollendung<br />
<strong>de</strong>s achten Lebensjahres <strong>de</strong>s Kin<strong>de</strong>s übertragen wer<strong>de</strong>n.<br />
20 | Journal für das Lohnbüro April 2013 Elternzeit und Teilzeit
Teilzeit<br />
Sofern <strong><strong>de</strong>r</strong> Arbeitgeber regelmäßig mehr als 15 Arbeitnehmer beschäftigt, können Arbeitnehmer<br />
während <strong><strong>de</strong>r</strong> Elternzeit anstelle einer kompletten Freistellung von <strong><strong>de</strong>r</strong> Arbeit eine Verringerung<br />
ihrer arbeitsvertraglichen Arbeitszeit verlangen. In Kleinunternehmen mit geringerer Beschäftigtenanzahl<br />
ist <strong><strong>de</strong>r</strong> Mitarbeiter auf eine einvernehmliche Regelung mit <strong>de</strong>m Arbeitgeber angewiesen.<br />
Ein Teilzeitanspruch besteht im Umfang zwischen 15 und 30 Wochenstun<strong>de</strong>n. Mitarbeiter<br />
können während <strong><strong>de</strong>r</strong> Elternzeit insgesamt zweimal eine Verringerung <strong><strong>de</strong>r</strong> Arbeitszeit beantragen.<br />
Einvernehmliche Lösungen sind darüber hinaus möglich.<br />
Das Gesetz geht von einer einvernehmlichen<br />
Teilzeitlösung aus. Gemäß § 15<br />
Abs. 5 Satz 1 BEEG können Arbeitnehmer<br />
während <strong><strong>de</strong>r</strong> Elternzeit eine Verringerung<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Arbeitszeit und ihre Ausgestaltung<br />
beim Arbeitgeber beantragen. Innerhalb<br />
von vier Wochen sollten sich bei<strong>de</strong> Seiten<br />
über diesen Antrag verständigen (§ 15<br />
Abs. 5 Satz 2 BEEG).<br />
Kommt keine Einigung zustan<strong>de</strong>, kann <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Arbeitnehmer einseitig die Verringerung<br />
seiner Arbeitszeit beanspruchen. Das kann<br />
er insgesamt zweimal während <strong><strong>de</strong>r</strong> Elternzeit<br />
geltend machen (§ 15 Abs. 6 BEEG).<br />
Ein gerichtlich durchsetzbarer Anspruch<br />
auf Teilzeit besteht aber nur unter <strong>de</strong>n<br />
nachfolgen<strong>de</strong>n Voraussetzungen:<br />
• Im Unternehmen sind mehr als 15 Arbeitnehmer<br />
regelmäßig beschäftigt.<br />
• Die beantragte Wochenstun<strong>de</strong>nzahl liegt<br />
zwischen 15 und 30 Wochenstun<strong>de</strong>n.<br />
• Min<strong>de</strong>stdauer <strong><strong>de</strong>r</strong> Teilzeitregelung<br />
sind zwei Monate.<br />
• Das Arbeitsverhältnis besteht ohne<br />
Unterbrechung bereits länger als sechs<br />
Monate.<br />
• Dem Anspruch stehen keine dringen<strong>de</strong>n<br />
betrieblichen Grün<strong>de</strong> entgegen.<br />
Für Arbeitgeber ist von Be<strong>de</strong>utung, dass<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Teilzeitantrag nur innerhalb von vier<br />
Wochen mit schriftlicher Begründung abgelehnt<br />
wer<strong>de</strong>n kann. Geschieht dies<br />
nicht o<strong><strong>de</strong>r</strong> nur ohne Begründung, gilt die<br />
Teilzeit als vereinbart. Sofern <strong>de</strong>m Anspruch<br />
dringen<strong>de</strong> betriebliche Grün<strong>de</strong><br />
entgegengehalten wer<strong>de</strong>n, müssen diese<br />
im Ablehnungsschreiben genannt wer<strong>de</strong>n.<br />
Arbeitgeber müssen je<strong>de</strong>nfalls die<br />
tragen<strong>de</strong>n Erwägungen darstellen, d. h.<br />
<strong>de</strong>n wesentlichen Kern <strong><strong>de</strong>r</strong> betrieblichen<br />
Hin<strong><strong>de</strong>r</strong>ungsgrün<strong>de</strong> kennzeichnen.<br />
Fazit<br />
Das Elternzeitrecht stellt die Anfor<strong><strong>de</strong>r</strong>ungen<br />
an die Personaldisposition vor erhebliche<br />
Herausfor<strong><strong>de</strong>r</strong>ungen. Insbeson<strong><strong>de</strong>r</strong>e im<br />
Hinblick auf <strong>de</strong>n Teilzeitanspruch verlangen<br />
Gesetz und Rechtsprechung Arbeitgebern<br />
einiges ab. Umso wichtiger ist es für<br />
Personalverantwortliche, die rechtlichen<br />
Ansprüche <strong><strong>de</strong>r</strong> Mitarbeiter zu kennen.<br />
Auch wenn diese sehr weit reichen, gibt es<br />
keinen automatischen Anspruch auf Teilzeit.<br />
Soll ein Teilzeitbegehren abgelehnt<br />
wer<strong>de</strong>n, müssen Arbeitgeber das sorgfältig<br />
begrün<strong>de</strong>n. Um Organisationsprobleme<br />
durch die knappen Ankündigungsfristen<br />
<strong>de</strong>s Elternzeitrechts zu vermei<strong>de</strong>n, können<br />
frühzeitige einvernehmliche Lösungen gera<strong>de</strong><br />
für das dritte Jahr auch für die Personalseite<br />
vorteilhaft sein.<br />
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Rechtsprechung für Sie aufbereitet<br />
Mitbestimmungsrecht <strong>de</strong>s Betriebsrats<br />
bei <strong><strong>de</strong>r</strong> Nutzung von Parkplätzen<br />
durch die Arbeitnehmer<br />
Stellt <strong><strong>de</strong>r</strong> Arbeitgeber allen Arbeitnehmern<br />
Parkmöglichkeiten auf <strong>de</strong>m Betriebsgelän<strong>de</strong><br />
zur Verfügung und regelt<br />
er <strong><strong>de</strong>r</strong>en Verteilung in einer abstrakten<br />
Ordnung, so unterliegt eine solche Maßnahme<br />
<strong>de</strong>m Mitbestimmungsrecht aus<br />
§ 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG.<br />
Seinem Wortlaut nach unterwirft § 87<br />
Abs. 1 Nr. 1 BetrVG je<strong>de</strong>s Verhalten <strong>de</strong>s<br />
Arbeitnehmers im Betrieb <strong><strong>de</strong>r</strong> Mitbestimmung.<br />
Das wür<strong>de</strong> auch die Art und Weise<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Erbringung <strong><strong>de</strong>r</strong> Arbeitsleistung selbst<br />
erfassen. Nach <strong><strong>de</strong>r</strong> Rechtsprechung <strong>de</strong>s<br />
Bun<strong>de</strong>sarbeitsgericht (BAG) besteht aber<br />
Rechtsprechung für Sie aufbereitet<br />
kein Beteiligungsrecht, soweit die Regeln<br />
und Weisungen das Arbeitsverhalten <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Arbeitnehmer betreffen. Dieses ist berührt,<br />
wenn <strong><strong>de</strong>r</strong> Arbeitgeber näher bestimmt,<br />
welche Arbeiten auszuführen sind und in<br />
welcher Weise das geschehen soll. Danach<br />
unterliegen nur solche Weisungen nicht<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Mitbestimmung, mit <strong>de</strong>nen die Arbeitspflicht<br />
unmittelbar konkretisiert<br />
wird. Hingegen hat <strong><strong>de</strong>r</strong> Betriebsrat nach<br />
§ 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG mitzubestimmen<br />
bei Maßnahmen, die das sogenannte Ordnungsverhalten<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Arbeitnehmer im Betrieb<br />
betreffen. Dies sind Anordnungen,<br />
die dazu dienen, das sonstige Verhalten<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Arbeitnehmer zu koordinieren.<br />
Hierzu zählen sowohl verbindliche Verhaltensregeln<br />
als auch Maßnahmen, die<br />
das Verhalten <strong><strong>de</strong>r</strong> Arbeitnehmer in Bezug<br />
auf die betriebliche Ordnung betreffen<br />
und berühren, ohne Normen für das Arbeitsverhalten<br />
zum Inhalt zu haben. Ausreichend<br />
ist es, wenn eine solche Maßnahme<br />
darauf gerichtet ist, die vorgegebene<br />
Ordnung <strong>de</strong>s Betriebs zu gewährleisten<br />
und aufrechtzuerhalten.<br />
Das Mitbestimmungsrecht <strong>de</strong>s Betriebsrats<br />
bei Maßnahmen, die das Ordnungsverhalten<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> im Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer<br />
betreffen, beschränkt sich<br />
allerdings auf kollektive Tatbestän<strong>de</strong>. Ein<br />
solcher liegt vor, wenn sich eine Regelungsfrage<br />
stellt, die über eine ausschließlich<br />
einzelfallbezogene Rechtsausübung<br />
hinausgeht und kollektive Interessen <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Journal für das Lohnbüro April 2013 | 21
Arbeitnehmer <strong>de</strong>s Betriebs berührt. Inhalt<br />
<strong>de</strong>s Beteiligungsrechts aus § 87 Abs. 1<br />
Nr. 1 BetrVG ist die Mitwirkung <strong>de</strong>s Betriebsrats<br />
an <strong>de</strong>n vom Arbeitgeber vorgegebenen<br />
Maßnahmen, die das Verhalten<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Beschäftigten im Betrieb beeinflussen<br />
und koordinieren, soweit sie nicht auf individuellen<br />
Beson<strong><strong>de</strong>r</strong>heiten <strong>de</strong>s einzelnen<br />
Arbeitsverhältnisses beruhen. Die gleichberechtigte<br />
Gestaltung <strong>de</strong>s betrieblichen<br />
Zusammenlebens ist daher betroffen,<br />
wenn die Maßnahme <strong>de</strong>s Arbeitgebers<br />
das Ordnungsverhalten betrifft und auf<br />
einer Regel o<strong><strong>de</strong>r</strong> einer über <strong>de</strong>n Einzelfall<br />
hinausgehen<strong>de</strong>n Handhabung beruht.<br />
Danach hat <strong><strong>de</strong>r</strong> Betriebsrat bei <strong><strong>de</strong>r</strong> Benutzung<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> vom Arbeitgeber zur Verfügung<br />
gestellten Parkflächen mitzubestimmen.<br />
Die Nutzung <strong><strong>de</strong>r</strong> Parkplätze durch die Belegschaft<br />
betrifft nicht das mitbestimmungsfreie<br />
Arbeits-, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n das Ordnungsverhalten.<br />
Die Art und Weise <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Arbeitsleistung wird von <strong><strong>de</strong>r</strong> Maßnahme<br />
<strong>de</strong>s Arbeitgebers nicht berührt.<br />
(BAG, Beschluss vom 07.02.2012 – 1 ABR<br />
63/10)<br />
Außeror<strong>de</strong>ntliche<br />
Verdachtskündigung<br />
Nach § 626 Abs. 1 BGB kann das Arbeitsverhältnis<br />
aus wichtigem Grund außeror<strong>de</strong>ntlich<br />
gekündigt wer<strong>de</strong>n, wenn Tatsachen<br />
vorliegen, aufgrund <strong><strong>de</strong>r</strong>er <strong>de</strong>m<br />
Kündigen<strong>de</strong>n unter Berücksichtigung aller<br />
Umstän<strong>de</strong> <strong>de</strong>s Einzelfalls und unter<br />
Abwägung <strong><strong>de</strong>r</strong> Interessen bei<strong><strong>de</strong>r</strong> Vertragsteile<br />
die Fortsetzung <strong>de</strong>s Arbeitsverhältnisses<br />
bis zum Ablauf <strong><strong>de</strong>r</strong> Kündigungsfrist<br />
o<strong><strong>de</strong>r</strong> bis zu <strong><strong>de</strong>r</strong> vereinbarten<br />
Beendigung <strong>de</strong>s Arbeitsverhältnisses<br />
nicht zugemutet wer<strong>de</strong>n kann.<br />
Auch <strong><strong>de</strong>r</strong> Verdacht einer schwerwiegen<strong>de</strong>n<br />
Pflichtverletzung kann einen wichtigen<br />
Grund bil<strong>de</strong>n. Ein solcher Verdacht<br />
stellt gegenüber <strong>de</strong>m Vorwurf, <strong><strong>de</strong>r</strong> Arbeitnehmer<br />
habe die Tat begangen, einen eigenständigen<br />
Kündigungsgrund dar.<br />
Eine Verdachtskündigung kann gerechtfertigt<br />
sein, wenn sich starke Verdachtsmomente<br />
auf objektive Tatsachen grün<strong>de</strong>n,<br />
die Verdachtsmomente geeignet sind,<br />
das für die Fortsetzung <strong>de</strong>s Arbeitsverhältnisses<br />
erfor<strong><strong>de</strong>r</strong>liche Vertrauen zu zerstören,<br />
und <strong><strong>de</strong>r</strong> Arbeitgeber alle zumutbaren<br />
Anstrengungen zur Aufklärung<br />
<strong>de</strong>s Sachverhalts unternommen, insbeson<strong><strong>de</strong>r</strong>e<br />
<strong>de</strong>m Arbeitnehmer Gelegenheit<br />
zur Stellungnahme gegeben hat.<br />
Der Verdacht muss auf konkrete – vom<br />
Kündigen<strong>de</strong>n gegebenenfalls zu beweisen<strong>de</strong><br />
– Tatsachen gestützt sein. Der Verdacht<br />
muss ferner dringend sein. Es muss<br />
die große Wahrscheinlichkeit dafür bestehen,<br />
dass er zutrifft. Die Umstän<strong>de</strong>, die<br />
ihn begrün<strong>de</strong>n, dürfen nach allgemeiner<br />
Lebenserfahrung nicht ebenso gut durch<br />
ein Geschehen zu erklären sein, das eine<br />
außeror<strong>de</strong>ntliche Kündigung nicht zu<br />
rechtfertigen vermag. Bloße, auf mehr<br />
o<strong><strong>de</strong>r</strong> weniger haltbare Vermutungen gestützte<br />
Verdächtigungen reichen <strong>de</strong>mentsprechend<br />
zur Rechtfertigung eines dringen<strong>de</strong>n<br />
Tatverdachts nicht aus.<br />
Schließlich muss <strong><strong>de</strong>r</strong> Arbeitgeber alles<br />
ihm Zumutbare zur Aufklärung <strong>de</strong>s Sachverhalts<br />
getan, insbeson<strong><strong>de</strong>r</strong>e <strong>de</strong>m Arbeitnehmer<br />
Gelegenheit zur Stellungnahme<br />
gegeben haben. Der Umfang <strong><strong>de</strong>r</strong> Nachforschungspflichten<br />
richtet sich nach <strong>de</strong>n<br />
Umstän<strong>de</strong>n <strong>de</strong>s Einzelfalls.<br />
Für die kündigungsrechtliche Beurteilung<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Pflichtverletzung, auf die sich <strong><strong>de</strong>r</strong> Verdacht<br />
bezieht, ist ihre strafrechtliche Bewertung<br />
nicht maßgebend. Entschei<strong>de</strong>nd<br />
ist <strong><strong>de</strong>r</strong> Verstoß gegen vertragliche Haupto<strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Nebenpflichten und <strong><strong>de</strong>r</strong> mit ihm verbun<strong>de</strong>ne<br />
Vertrauensbruch. Auch <strong><strong>de</strong>r</strong> dringen<strong>de</strong><br />
Verdacht einer nicht strafbaren,<br />
gleichwohl erheblichen Verletzung <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
sich aus <strong>de</strong>m Arbeitsverhältnis ergeben<strong>de</strong>n<br />
Pflichten kann ein wichtiger Grund<br />
im Sinne von § 626 Abs. 1 BGB sein.<br />
Wer als Arbeitnehmer bei <strong><strong>de</strong>r</strong> Ausführung<br />
von vertraglichen Aufgaben Vorteile für<br />
sich for<strong><strong>de</strong>r</strong>t, sich versprechen lässt o<strong><strong>de</strong>r</strong><br />
entgegennimmt, verletzt zugleich – unabhängig<br />
von einer möglichen Strafbarkeit<br />
wegen Bestechlichkeit im geschäftlichen<br />
Verkehr nach § 299 Abs. 1 StGB o<strong><strong>de</strong>r</strong> – als<br />
Beschäftigter im öffentlichen Dienst – wegen<br />
Vorteilsannahme nach § 331 Abs. 1<br />
StGB bzw. Bestechlichkeit nach § 332<br />
Abs. 1 StGB – seine Pflicht, auf die berechtigten<br />
Interessen seines Arbeitgebers<br />
Rücksicht zu nehmen (§ 242 Abs. 2 BGB).<br />
Ein solches Verhalten ist „an sich“ geeignet,<br />
eine fristlose Kündigung zu rechtfertigen.<br />
Dabei spielt es grundsätzlich keine<br />
Rolle, ob es zu einer <strong>de</strong>n Arbeitgeber schädigen<strong>de</strong>n<br />
Handlung gekommen ist. Der<br />
ins Auge gefasste Vorteil begrün<strong>de</strong>t vielmehr<br />
allgemein die Gefahr, <strong><strong>de</strong>r</strong> Annehmen<strong>de</strong><br />
wer<strong>de</strong> nicht mehr allein die Interessen<br />
<strong>de</strong>s Geschäftsherrn wahrnehmen.<br />
Der wichtige Grund liegt in <strong><strong>de</strong>r</strong> zu Tage<br />
getretenen Einstellung <strong>de</strong>s Arbeitnehmers,<br />
bei <strong><strong>de</strong>r</strong> Erfüllung von arbeitsvertraglich<br />
geschul<strong>de</strong>ten Aufgaben unberechtigte<br />
eigene Vorteile wahrzunehmen.<br />
Durch sein Verhalten zerstört <strong><strong>de</strong>r</strong> Arbeitnehmer<br />
regelmäßig das Vertrauen in<br />
seine Zuverlässigkeit und Redlichkeit.<br />
Auch <strong><strong>de</strong>r</strong> dringen<strong>de</strong> Verdacht einer <strong><strong>de</strong>r</strong>artigen<br />
Pflichtverletzung kann einen wichtigen<br />
Grund zur außeror<strong>de</strong>ntlichen Kündigung<br />
darstellen.<br />
In einem Strafverfahren gewonnene Erkenntnisse<br />
o<strong><strong>de</strong>r</strong> Handlungen <strong><strong>de</strong>r</strong> Strafverfolgungsbehör<strong>de</strong>n<br />
können die Annahme<br />
verstärken, <strong><strong>de</strong>r</strong> Arbeitnehmer habe die<br />
Pflichtverletzung begangen. Derartige Umstän<strong>de</strong><br />
können nicht nur bei <strong><strong>de</strong>r</strong> Frage Be<strong>de</strong>utung<br />
gewinnen, zu welchem Zeitpunkt<br />
eine Verdachtskündigung ausgesprochen<br />
wer<strong>de</strong>n soll, und <strong>de</strong>shalb für die Einhaltung<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Zweiwochenfrist von Be<strong>de</strong>utung sein.<br />
Sie können auch <strong>de</strong>n Kündigungsgrund<br />
selbst unterstützen, sofern es um Handlungen<br />
o<strong><strong>de</strong>r</strong> Anordnungen <strong><strong>de</strong>r</strong> Ermittlungsbehör<strong>de</strong>n<br />
geht, die ihrerseits einen dringen<strong>de</strong>n<br />
Tatverdacht voraussetzen. So darf nach<br />
§ 112 Abs. 1 in Verbindung mit § 114 StPO<br />
Untersuchungshaft gegen einen Beschuldigten<br />
nur angeordnet wer<strong>de</strong>n, wenn er <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Tat dringend verdächtigt ist und – kumulativ<br />
–ein Haftgrund besteht. Hinzu kommt,<br />
dass die Staatsanwaltschaft <strong><strong>de</strong>r</strong> materiellen<br />
Wahrheit verpflichtet ist und <strong>de</strong>shalb nach<br />
§ 160 Abs. 2 StPO auch <strong>de</strong>n Beschuldigten<br />
entlasten<strong>de</strong> Umstän<strong>de</strong> zu ermitteln und bei<br />
ihrem Vorgehen zu berücksichtigen hat.<br />
Gleiches gilt für <strong>de</strong>n Ermittlungsrichter, <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
über die Anordnung von Untersuchungshaft<br />
entschei<strong>de</strong>t.<br />
Allerdings wird eine Verdachtskündigung<br />
nicht allein auf eine <strong>de</strong>n dringen<strong>de</strong>n<br />
Tatverdacht bejahen<strong>de</strong> Entscheidung <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Strafverfolgungsbehör<strong>de</strong>n als solche gestützt<br />
wer<strong>de</strong>n können. Bei <strong><strong>de</strong>r</strong> Kündigung<br />
wegen erwiesener Tat reicht eine strafgerichtliche<br />
Verurteilung für sich genommen<br />
nicht aus, die Kündigung zu rechtfertigen.<br />
Vielmehr sind die Arbeitsgerichte<br />
gehalten, <strong>de</strong>n Sachverhalt im Kündigungsschutzprozess<br />
ohne Bindung an das<br />
Strafurteil selbst aufzuklären und zu bewerten.<br />
Für die Verdachtskündigung<br />
wird nichts an<strong><strong>de</strong>r</strong>es gelten können. Das<br />
hat zur Folge, dass Handlungen o<strong><strong>de</strong>r</strong> Entscheidungen<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Strafverfolgungsbehör<strong>de</strong>n<br />
allenfalls indizielle Be<strong>de</strong>utung für die<br />
vom Gericht vorzunehmen<strong>de</strong> Bewertung<br />
erlangen können, ob die Kündigung <strong>de</strong>s<br />
Arbeitsverhältnisses aus wichtigem<br />
Grund wegen <strong>de</strong>s entsprechen<strong>de</strong>n Verdachts<br />
gerechtfertigt ist. Die behördlichen<br />
Maßnahmen bil<strong>de</strong>n dagegen für sich genommen<br />
keinen Kündigungsgrund und<br />
sind nicht geeignet, eine eigene Bewertung<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>de</strong>n Verdacht begrün<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n Tatsachen<br />
durch die mit <strong><strong>de</strong>r</strong> Sache befassten<br />
Gerichte zu ersetzen.<br />
22 | Journal für das Lohnbüro April 2013 Rechtsprechung für Sie aufbereitet
Die vorherige Anhörung <strong>de</strong>s Arbeitnehmers<br />
ist Wirksamkeitsvoraussetzung <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Verdachtskündigung. Bei dieser besteht<br />
in beson<strong><strong>de</strong>r</strong>em Maße die Gefahr, dass <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Arbeitnehmer zu Unrecht beschuldigt<br />
wird. Dessen Anhörung ist <strong>de</strong>shalb ein<br />
Gebot <strong><strong>de</strong>r</strong> Verhältnismäßigkeit. Unterbliebe<br />
sie, wäre die Kündigung nicht „ultima<br />
ratio“.<br />
Der dringen<strong>de</strong> Verdacht einer schwerwiegen<strong>de</strong>n<br />
Verfehlung kann nur dann<br />
für <strong>de</strong>n Ausspruch einer Kündigung genügen,<br />
wenn es we<strong><strong>de</strong>r</strong> gelungen ist, ihn<br />
auszuräumen, noch gelungen ist, die erhobenen<br />
Vorwürfe auf eine sichere<br />
Grundlage zu stellen. Die Anhörung <strong>de</strong>s<br />
Arbeitnehmers ist <strong>de</strong>shalb ein stets gebotenes<br />
Mittel <strong><strong>de</strong>r</strong> Sachverhaltsaufklärung.<br />
Ihr Umfang richtet sich nach <strong>de</strong>n Umstän<strong>de</strong>n<br />
<strong>de</strong>s Einzelfalls. Einerseits muss<br />
sie nicht in je<strong><strong>de</strong>r</strong> Hinsicht <strong>de</strong>n Anfor<strong><strong>de</strong>r</strong>ungen<br />
genügen, die an eine Anhörung<br />
<strong>de</strong>s Betriebsrats nach § 102 Abs. 1 BetrVG<br />
gestellt wer<strong>de</strong>n. An<strong><strong>de</strong>r</strong>erseits reicht es<br />
nicht aus, dass <strong><strong>de</strong>r</strong> Arbeitgeber <strong>de</strong>n Arbeitnehmer<br />
lediglich mit einer allgemein<br />
gehaltenen Wertung konfrontiert. Die<br />
Anhörung muss sich auf einen greifbaren<br />
Sachverhalt beziehen. Der Arbeitnehmer<br />
muss die Möglichkeit haben, bestimmte,<br />
zeitlich und räumlich eingegrenzte Tatsachen<br />
gegebenenfalls zu bestreiten o<strong><strong>de</strong>r</strong><br />
<strong>de</strong>n Verdacht entkräften<strong>de</strong> Tatsachen<br />
aufzuzeigen und so zur Aufhellung <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
für <strong>de</strong>n Arbeitgeber im Dunkeln liegen<strong>de</strong>n<br />
Geschehnisse beizutragen. Um dieser<br />
Aufklärung willen wird <strong>de</strong>m Arbeitgeber<br />
die Anhörung abverlangt. Sie ist<br />
nicht etwa dazu bestimmt, als verfahrensrechtliche<br />
Erschwernis die Aufklärung<br />
zu verzögern und die Wahrheit zu<br />
verdunkeln.<br />
Bei <strong><strong>de</strong>r</strong> Prüfung <strong><strong>de</strong>r</strong> Wirksamkeit einer<br />
Verdachtskündigung ist zu berücksichtigen,<br />
dass <strong><strong>de</strong>r</strong> ursprüngliche Verdacht<br />
durch später bekannt gewor<strong>de</strong>ner Umstän<strong>de</strong>,<br />
je<strong>de</strong>nfalls soweit sie bei Kündigungszugang<br />
objektiv bereits vorlagen,<br />
abgeschwächt o<strong><strong>de</strong>r</strong> verstärkt wer<strong>de</strong>n<br />
kann. Eine Differenzierung danach, ob<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Arbeitgeber objektiv die Möglichkeit<br />
hatte, von <strong>de</strong>n betreffen<strong>de</strong>n Tatsachen bis<br />
zum Kündigungsausspruch Kenntnis zu<br />
erlangen, ist nicht gerechtfertigt.<br />
(BAG, Urteil vom 24.05.2012 – 2 AZR 206/11)<br />
Schlussformel im Arbeitszeugnis –<br />
Kein Anspruch auf Dank und gute<br />
Wünsche<br />
Gemäß § 109 Abs. 1 Sätze 2 und 3 GewO ist<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Arbeitgeber nur verpflichtet, Angaben<br />
zu Art und Dauer <strong><strong>de</strong>r</strong> Tätigkeit in ein<br />
Zeugnis aufzunehmen und auf Wunsch<br />
<strong>de</strong>s Arbeitnehmers um Angaben zu Leistung<br />
und Verhalten im Arbeitsverhältnis<br />
zu ergänzen. Aus dieser Vorschrift lässt<br />
sich aber keine Verpflichtung <strong>de</strong>s Arbeitgebers<br />
ableiten, auf die Gesamtnote abgestimmte<br />
Schlusssätze zu formulieren. Eine<br />
solche Verpflichtung wür<strong>de</strong> im Ergebnis<br />
auch nur be<strong>de</strong>uten, dass <strong><strong>de</strong>r</strong> Arbeitgeber<br />
die bereits abgegebene Leistungs- und Verhaltensbeurteilung<br />
mit an<strong><strong>de</strong>r</strong>en Worten<br />
nochmals formelhaft wie<strong><strong>de</strong>r</strong>holt. § 109<br />
Abs. 1 GewO verlangt eine solche Verpflichtung<br />
zur „doppelten“ Leistungs- und<br />
Verhaltensbeurteilung nicht.<br />
Das Bun<strong>de</strong>sarbeitsgericht erkennt an,<br />
dass positive Schlusssätze geeignet sein<br />
können, die Bewerbungschancen eines<br />
Arbeitnehmers zu erhöhen. Ein Zeugnis,<br />
in <strong>de</strong>m <strong><strong>de</strong>r</strong> Arbeitgeber seinen Dank für<br />
die guten Leistungen zum Ausdruck<br />
bringt und <strong>de</strong>m Arbeitnehmer für die berufliche<br />
Zukunft weiterhin alles Gute<br />
wünscht, wird aufgewertet. Freilich besteht<br />
die Be<strong>de</strong>utung von Schlusssätzen gera<strong>de</strong><br />
darin, dass <strong><strong>de</strong>r</strong> Arbeitgeber Erklärungen<br />
abgibt, die über <strong>de</strong>n von ihm<br />
geschul<strong>de</strong>ten Zeugnisinhalt hinausgehen.<br />
Wünscht <strong><strong>de</strong>r</strong> Arbeitgeber <strong>de</strong>m Arbeitnehmer<br />
im Zeugnis „für die Zukunft alles<br />
Gute“, ergibt sich auch unter <strong>de</strong>m Gesichtspunkt<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Selbstbindung kein Anspruch<br />
<strong>de</strong>s Arbeitnehmers auf eine<br />
Schlussformel. Der Arbeitgeber ist zwar<br />
an <strong>de</strong>n Inhalt eines erteilten Zeugnisses<br />
grundsätzlich gebun<strong>de</strong>n. Die Bindung an<br />
<strong>de</strong>n Ausdruck persönlicher Empfindungen<br />
wie Dank, Bedauern o<strong><strong>de</strong>r</strong> gute Wünsche<br />
für die Zukunft ist jedoch auf <strong>de</strong>n<br />
Ausdruck <strong><strong>de</strong>r</strong> jeweiligen Empfindung beschränkt<br />
und führt <strong>de</strong>shalb nicht zu einer<br />
Verpflichtung <strong>de</strong>s Arbeitgebers, an<strong><strong>de</strong>r</strong>e<br />
Empfindungen im Zeugnis zu formulieren,<br />
von <strong>de</strong>nen <strong><strong>de</strong>r</strong> Arbeitnehmer meint,<br />
dass sie sein Arbeitgeber haben müsse.<br />
Ohne gesetzliche Grundlage kann <strong><strong>de</strong>r</strong> Arbeitgeber<br />
nicht verurteilt wer<strong>de</strong>n, das Bestehen<br />
von persönlichen Empfindungen,<br />
wie z. B. Dankbarkeit, <strong>de</strong>m Arbeitnehmer<br />
gegenüber schriftlich zu bescheinigen.<br />
Dabei ist zu berücksichtigen, dass sich ein<br />
Zeugnis nicht in erster Linie an <strong>de</strong>n Arbeitnehmer<br />
persönlich richtet. Das Zeugnis<br />
dient <strong>de</strong>m Arbeitnehmer vor allem als<br />
Bewerbungsunterlage und ist insoweit<br />
Dritten, insbeson<strong><strong>de</strong>r</strong>e möglichen künftigen<br />
Arbeitgebern, Grundlage für ihre Personalauswahl.<br />
Ist ein Arbeitnehmer mit einer vom Arbeitgeber<br />
in das Zeugnis <strong>de</strong>nnoch aufgenommenen<br />
Schlussformel nicht einverstan<strong>de</strong>n,<br />
hat er keinen Anspruch auf<br />
Ergänzung o<strong><strong>de</strong>r</strong> Umformulierung <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Schlussformel, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n nur Anspruch auf<br />
die Erteilung eines Zeugnisses ohne<br />
Schlussformel.<br />
(BAG, Urteil vom 11.12.2012 – 9 AZR<br />
227/11)<br />
Dr. jur.<br />
HanSoTTo<br />
Blaeser<br />
Frechen<br />
Rechtsprechung für Sie aufbereitet<br />
Journal für das Lohnbüro April 2013 | 23
Journal<br />
für das Lohnbüro<br />
04|2013<br />
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<strong>de</strong>s Lexikons für das Lohnbüro 2013 plus<br />
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ISSN 2191-625X