Journal für das Lohnbüro 06|2013 - rehmnetz.de
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<strong>Journal</strong><br />
<strong>für</strong> <strong>das</strong> <strong>Lohnbüro</strong><br />
<strong>06|2013</strong><br />
Aktuelles aus <strong>de</strong>m Lohnsteuerrecht<br />
• Der „ohnehin geschul<strong>de</strong>te Arbeitslohn“<br />
Aktuelles aus <strong>de</strong>m Sozialversicherungsrecht<br />
• Berechnung <strong>de</strong>r SV-Beiträge bei illegaler Beschäftigung<br />
• Verbeitragung von einmaligem Arbeitsentgelt bei Insolvenz<br />
• BAG-Urteil zur Berechnung <strong>de</strong>s pfändbaren Betrages<br />
• Bun<strong>de</strong>stagswahl 2013: Vergleich <strong>de</strong>r sozialpolitischen Wahlaussagen<br />
Aktuelles aus <strong>de</strong>m Arbeitsrecht<br />
• Rechtsprechung <strong>für</strong> Sie aufbereitet<br />
<strong>Journal</strong> <strong>für</strong> <strong>das</strong> <strong>Lohnbüro</strong> August 2013 | 1
Markus Matt<br />
Chefredakteur<br />
Der schönste Tag im Leben<br />
Liebe Leserinnen und Leser,<br />
die außeror<strong>de</strong>ntlich gute Beschäftigungslage<br />
hat die Staatseinnahmen im vergangenen<br />
Jahr auf ein neues Rekordniveau<br />
steigen lassen. Insbeson<strong>de</strong>re die Finanzlage<br />
<strong>de</strong>r gesetzlichen Renten- und Krankenversicherung<br />
ist <strong>de</strong>rzeit so gut wie<br />
lange nicht mehr. Das hat nahezu alle im<br />
Deutschen Bun<strong>de</strong>stag vertretenen Parteien<br />
dazu verleitet, in ihren Wahlprogrammen<br />
umfangreiche neue Sozialleistungen in<br />
Aussicht zu stellen. Unser Autor erklärt<br />
Ihnen, was von welcher Partei versprochen<br />
wird.<br />
Aufruhr im Bereich <strong>de</strong>r Pfändung: Das<br />
Bun<strong>de</strong>sarbeitsgericht hat entschie<strong>de</strong>n, <strong>das</strong>s<br />
bei <strong>de</strong>r Berechnung <strong>de</strong>s pfändbaren Einkommens<br />
die sogenannte Nettometho<strong>de</strong><br />
anzuwen<strong>de</strong>n ist. Dieses Urteil ist <strong>für</strong> die<br />
Entgeltabrechnungspraxis von großer<br />
Be<strong>de</strong>utung. Unser Autor erklärt Ihnen die<br />
Details.<br />
Einmalig gezahltes Arbeitsentgelt sind<br />
Zuwendungen, die <strong>de</strong>m Arbeitsentgelt zuzurechnen<br />
sind und nicht <strong>für</strong> die Arbeit in<br />
einem einzelnen Entgeltabrechnungszeitraum<br />
gezahlt wer<strong>de</strong>n. Doch wie wird<br />
einmalig gezahltes Arbeitsentgelt nach<br />
Eintritt <strong>de</strong>r Insolvenz eines Unternehmens<br />
richtig verbeitragt? Unser Autor weiß<br />
Bescheid.<br />
„Gib je<strong>de</strong>m Tag die Chance, <strong>de</strong>r schönste<br />
Deines Lebens zu wer<strong>de</strong>n!“, so fasste <strong>de</strong>r<br />
leidgeprüfte amerikanische Schriftsteller<br />
Mark Twain einmal die Essenz <strong>de</strong>s Daseins<br />
zusammen. Wir alle können diese Weisheit<br />
anwen<strong>de</strong>n und noch heute damit beginnen;<br />
manche Mühen in unserem komplexen<br />
Beruf dürften uns dann einfacher<br />
erscheinen.<br />
In diesem Sinne wünsche ich Ihnen eine<br />
„schöne“ Lektüre!<br />
Ihr Markus Matt<br />
2 | <strong>Journal</strong> <strong>für</strong> <strong>das</strong> <strong>Lohnbüro</strong> August 2013 Der schönste Tag im Leben
Aktuelles aus <strong>de</strong>m Lohnsteuerrecht<br />
Familienheimfahrten mit Dienstwagen:<br />
Kein Abzug von Werbungskosten<br />
mangels eigener Aufwendungen<br />
Wer im Rahmen <strong>de</strong>r beruflich bedingten<br />
doppelten Haushaltsführung (z. B. bei<br />
Versetzung) einmal wöchentlich mit <strong>de</strong>m<br />
Dienstwagen zum Familienwohnsitz fahren<br />
darf, kann da<strong>für</strong> keine Werbungskosten,<br />
insbeson<strong>de</strong>re keine Pendlerpauschale,<br />
geltend machen (§ 9 I Satz 3 Nr. 5<br />
Satz 6 EStG 2013). Denn die Aufwendungen<br />
wer<strong>de</strong>n hier im Ergebnis vom Arbeitgeber<br />
durch <strong>das</strong> überlassene Kraftfahrzeug<br />
getragen, nicht vom Arbeitnehmer.<br />
Das musste sich ein Angestellter sagen<br />
lassen, <strong>de</strong>r <strong>de</strong>n geldwerten Vorteil <strong>de</strong>s<br />
überlassenen Dienstwagens mit einem<br />
Prozent vom Bruttolistenpreis als geldwerten<br />
Vorteil versteuerte und zusätzlich<br />
mit 0,03 Prozent <strong>für</strong> seine Fahrten zwischen<br />
<strong>de</strong>r Zweitwohnung und <strong>de</strong>r regelmäßigen<br />
Arbeitsstätte. Sowohl <strong>das</strong> Finanzgericht<br />
Schleswig-Holstein (EFG 2011,<br />
S. 1872) als auch jetzt <strong>de</strong>r Bun<strong>de</strong>sfinanzhof<br />
lehnten <strong>de</strong>n geltend gemachten Werbungskostenabzug<br />
<strong>für</strong> die Familienheimfahrten<br />
mangels eigener Aufwendungen<br />
<strong>de</strong>s Arbeitnehmers ab. An<strong>de</strong>rerseits ist<br />
da<strong>für</strong> auch kein zusätzlicher geldwerter<br />
Vorteil mit 0,002 Prozent anzusetzen (BFH<br />
v. 28.02.2013, Az.: VI R 33/11; www.bun<strong>de</strong>sfinanzhof.<strong>de</strong>).<br />
EStG) möglich ist. Diese Frage ist seit langem<br />
umstritten zwischen <strong>de</strong>r engen Auffassung<br />
<strong>de</strong>r Finanzverwaltung und <strong>de</strong>r<br />
weiteren Auffassung <strong>de</strong>r Finanzgerichte.<br />
In § 12 Nr. 5 EStG hat <strong>de</strong>r Gesetzgeber im<br />
Jahre 2012 mit Rückwirkung ab 2004 <strong>das</strong><br />
Abzugsverbot dahingehend geregelt, <strong>das</strong>s<br />
die Aufwendungen <strong>für</strong> eine erstmalige<br />
Berufsausbildung o<strong>de</strong>r <strong>für</strong> ein Erststudium,<br />
<strong>das</strong> zugleich eine Erstausbildung<br />
vermittelt, zu <strong>de</strong>n nicht abzugsfähigen<br />
Lebenshaltungskosten gehören, wenn<br />
diese Ausbildungen nicht im Rahmen<br />
eines Dienstverhältnisses stattfin<strong>de</strong>n. Damit<br />
ist <strong>für</strong> vorweggenommene Werbungskosten<br />
bzw. Betriebsausgaben zugleich<br />
die Möglichkeit <strong>de</strong>s Verlustvortrags <strong>für</strong><br />
Zeiträume vor 2012 ausgeschlossen, was<br />
verfassungsrechtlich umstritten ist.<br />
Jetzt war <strong>de</strong>r Fall einer Pilotin zu entschei<strong>de</strong>n,<br />
die im Streitjahr 2006 <strong>für</strong> ihre Ausbildung<br />
zur Verkehrsflugzeugführerin ca.<br />
19.000 Euro als Werbungskosten bei ihren<br />
Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit<br />
geltend machte. Vor ihrer Pilotenausbildung<br />
hatte sie eine halbjährige Ausbildung<br />
zur Flugbegleiterin absolviert. Das<br />
Finanzamt hatte <strong>de</strong>n begehrten Werbungskostenabzug<br />
abgelehnt und statt<strong>de</strong>ssen<br />
Son<strong>de</strong>rausgaben in Höhe <strong>de</strong>s damaligen<br />
Maximalbetrags von 4.000 Euro<br />
angesetzt.<br />
Da <strong>de</strong>r Beruf <strong>de</strong>s Flugbegleiters regelmäßig<br />
als Vollerwerbstätigkeit ausgeübt wird<br />
und entsprechen<strong>de</strong> Einkünfte ermöglicht,<br />
hatte die Arbeitnehmerin bereits eine<br />
erste Berufsausbildung abgeschlossen.<br />
Bei <strong>de</strong>r späteren Ausbildung als Pilotin<br />
han<strong>de</strong>lt es sich daher um eine Zweitausbildung.<br />
Die da<strong>für</strong> aufgewandten Kosten<br />
sind <strong>de</strong>shalb unbegrenzt als Werbungskosten<br />
abziehbar (BFH v. 2802.2013, Az.:<br />
VI R 6/12; www.bun<strong>de</strong>sfinanzhof.<strong>de</strong>).<br />
Praxis-Hinweise:<br />
Die Finanzgerichte for<strong>de</strong>rn <strong>für</strong> die<br />
Erstausbildung keinen formalisierten<br />
Ausbildungsgang etwa nach <strong>de</strong>m Berufsbildungsgesetz<br />
o<strong>de</strong>r an<strong>de</strong>ren Ausbildungsordnungen.<br />
Dennoch wird regelmäßig<br />
eine planmäßige Unterrichtung<br />
von gewisser Dauer und Intensität erfor<strong>de</strong>rlich<br />
sein. Eine nur kurze Einweisung<br />
(z. B. als Seniorenbegleiter mit 10 x 2 Std.<br />
Unterricht und 14-tägigem Praktikum)<br />
dürfte nicht genügen, wenn später z. B.<br />
eine Ausbildung als Altenpfleger etc.<br />
abgeschlossen wird. Ausdrücklich offen<br />
lässt <strong>de</strong>r Bun<strong>de</strong>sfinanzhof die umstrittene<br />
Frage, ob die Beschränkung auf <strong>de</strong>n Son<strong>de</strong>rausgabenabzug<br />
(jetzt bis 6.000 Euro)<br />
und die Rückwirkung <strong>de</strong>r Neuregelung<br />
ab 2004 mit <strong>de</strong>r Folge <strong>de</strong>s Ausschlusses<br />
<strong>de</strong>s Verlustvortrags <strong>für</strong> Jahre vor 2012 verfassungsrechtlich<br />
akzeptabel ist.<br />
Praxis-Hinweis:<br />
Ab 2014 ergeben sich insoweit keine Än<strong>de</strong>rungen<br />
infolge <strong>de</strong>r Reform <strong>de</strong>s Reisekostenrechts.<br />
Der neue § 9 I Satz 3 Nr. 5<br />
Satz 8 EStG 2014 lautet: „Aufwendungen<br />
<strong>für</strong> Familienheimfahrten mit einem <strong>de</strong>m<br />
Steuerpflichtigen überlassenen Kraftfahrzeug<br />
wer<strong>de</strong>n nicht berücksichtigt.“<br />
Wie sind Ausbildungskosten<br />
steuerlich geltend zu machen?<br />
Aus erstmaliger Berufsausbildung<br />
müssen Einkünfte erzielbar sein:<br />
Dann führt eine Zweitausbildung<br />
zum vollen Werbungskostenabzug<br />
Bei <strong>de</strong>r Frage <strong>de</strong>r steuerlichen Abzugsfähigkeit<br />
von Ausbildungskosten kommt<br />
es darauf an, ob eine erstmalige Berufsausbildung<br />
bzw. ein Erststudium vorliegen<br />
(dann ist ab 2012 ein auf 6.000 Euro<br />
begrenzter Son<strong>de</strong>rausgabenabzug möglich)<br />
o<strong>de</strong>r ob es sich um eine Zweitausbildung<br />
bzw. ein Zweitstudium han<strong>de</strong>lt, <strong>für</strong><br />
<strong>de</strong>ren Kosten <strong>de</strong>r volle Abzug als Werbungskosten<br />
bzw. (bei Selbständigen) als<br />
Betriebsausgaben (nach § 9 VI bzw. § 4 IV<br />
Die dagegen erhobene Klage war vor <strong>de</strong>m<br />
Finanzgericht Köln (Az.: 7 K 3147/08, EFG<br />
2012, S. 506) und jetzt auch vor <strong>de</strong>m Bun<strong>de</strong>sfinanzhof<br />
(BFH) erfolgreich. Die Finanzgerichte<br />
erkannten die Ausbildung<br />
zur Flugbegleiterin als erstmalige Berufsausbildung<br />
an und gewährten <strong>de</strong>n vollen<br />
Werbungskostenabzug <strong>für</strong> die Zweitausbildung<br />
als Pilotin. Auch <strong>de</strong>r BFH wen<strong>de</strong>t<br />
sich gegen die zu enge Sicht <strong>de</strong>r Finanzverwaltung<br />
und begrün<strong>de</strong>t seine Meinung<br />
u. a. damit, <strong>das</strong>s <strong>de</strong>r Gegenbegriff<br />
zur Berufsausbildung die Allgemeinbildung<br />
sei. Der Berufsvorbereitung dienen<br />
<strong>de</strong>shalb alle Maßnahmen, bei <strong>de</strong>nen es<br />
sich um <strong>de</strong>n Erwerb von Kenntnissen, Fähigkeiten<br />
und Erfahrungen han<strong>de</strong>lt, die<br />
als Grundlage <strong>für</strong> die Ausübung <strong>de</strong>s angestrebten<br />
Berufs geeignet sind. Entschei<strong>de</strong>nd<br />
ist, ob die Ausbildung befähigt, aus<br />
<strong>de</strong>r angestrebten Tätigkeit Einkünfte zu<br />
erzielen. Nicht erfor<strong>de</strong>rlich ist <strong>das</strong> Vorliegen<br />
eines Berufsausbildungsverhältnisses<br />
nach <strong>de</strong>m Berufsbildungsgesetz o<strong>de</strong>r eine<br />
bestimmte Ausbildungsdauer.<br />
Ein-Prozent-Dienstwagen-<br />
Besteuerung: Das gilt auch bei<br />
fehlen<strong>de</strong>r tatsächlicher Nutzung<br />
In Abän<strong>de</strong>rung seiner bisherigen Rechtsprechung<br />
kommt die Ein-Prozent-Metho<strong>de</strong><br />
bei erlaubter unentgeltlicher o<strong>de</strong>r<br />
verbilligter privater Nutzungsmöglichkeit<br />
auch dann zur Anwendung, wenn Arbeitnehmer<br />
<strong>de</strong>n Geschäftswagen tatsächlich<br />
nicht privat genutzt haben. Ausgeschlossen<br />
ist die (teurere) Besteuerung dieses<br />
Vorteils also nur noch, wenn<br />
• die Privatnutzung ausdrücklich ausgeschlossen<br />
wird o<strong>de</strong>r<br />
• die (aufwändigere) Fahrtenbuch-Metho<strong>de</strong><br />
angewen<strong>de</strong>t wird.<br />
Die bisherige Möglichkeit, die Vermutung<br />
einer tatsächlichen Privatnutzung unter<br />
engen Voraussetzungen zu wi<strong>de</strong>rlegen,<br />
hat <strong>de</strong>r Bun<strong>de</strong>sfinanzhof jetzt ausgeschlossen<br />
und damit seine Rechtsprechung<br />
aus <strong>de</strong>m Jahre 2010 geän<strong>de</strong>rt.<br />
Im Streitfall hatte eine Steuerberatungs-<br />
GmbH ihrem Geschäftsführer einen<br />
Dienstwagen zur Verfügung gestellt.<br />
Aktuelles aus <strong>de</strong>m Lohnsteuerrecht <strong>Journal</strong> <strong>für</strong> <strong>das</strong> <strong>Lohnbüro</strong> August 2013 | 3
Nach <strong>de</strong>m Anstellungsvertrag durfte er<br />
<strong>das</strong> KFZ auch <strong>für</strong> Privatfahrten nutzen.<br />
Bei <strong>de</strong>r Lohnsteuer setzte die GmbH <strong>für</strong><br />
die private Nutzung nur eine Kostenpauschale<br />
an, da eine private Nutzung nicht<br />
stattgefun<strong>de</strong>n habe. Im Anschluss an eine<br />
Lohnsteuer-Außenprüfung erließ <strong>das</strong> Finanzamt<br />
gegen <strong>de</strong>n Arbeitgeber einen<br />
Haftungsbescheid. Einspruch und Klage<br />
dagegen waren erfolglos.<br />
Der BFH hat jetzt die Entscheidung <strong>de</strong>r<br />
Vorinstanz bestätigt. Die von <strong>de</strong>r GmbH<br />
gewährte Möglichkeit, <strong>de</strong>n Dienstwagen<br />
auch privat nutzen zu dürfen, führt beim<br />
Geschäftsführer zu einem Vorteil, <strong>de</strong>r als<br />
Lohn zu versteuern ist. Ob <strong>de</strong>r Arbeitnehmer<br />
von <strong>de</strong>r Privatnutzung Gebrauch gemacht<br />
hat, ist da<strong>für</strong> unerheblich. Der Vorteil<br />
in Gestalt <strong>de</strong>r konkreten Möglichkeit,<br />
<strong>das</strong> Fahrzeug auch privat nutzen zu dürfen,<br />
ist <strong>de</strong>m leiten<strong>de</strong>n Mitarbeiter bereits<br />
mit <strong>de</strong>r KFZ-Überlassung zugeflossen.<br />
Feststellungen zur tatsächlichen Privatnutzung<br />
waren <strong>de</strong>shalb nicht erfor<strong>de</strong>rlich.<br />
Der Bun<strong>de</strong>sfinanzhof bestätigt auch die<br />
Auffassung <strong>de</strong>s Finanzgerichts, <strong>das</strong>s <strong>de</strong>r<br />
Vorteil nach <strong>de</strong>r Ein-Prozent-Regelung zu<br />
bewerten sei. § 8 II Satz 2 EStG setzt keine<br />
tatsächliche Nutzung voraus, son<strong>de</strong>rn verweist<br />
nur auf die Ein-Prozent-Regelung<br />
<strong>de</strong>s § 6 I Nr. 4 Satz 2 EStG. Mit <strong>de</strong>m Betrag,<br />
<strong>de</strong>r nach dieser Metho<strong>de</strong> als Einnahme<br />
anzusetzen ist, sollen sämtliche geldwerten<br />
Vorteile aus <strong>de</strong>r privaten Nutzungsmöglichkeit<br />
pauschal abgegolten wer<strong>de</strong>n,<br />
unabhängig von <strong>de</strong>r Nutzungsart und<br />
<strong>de</strong>m Nutzungsumfang. Diese Typisierung<br />
hat <strong>de</strong>r Bun<strong>de</strong>sfinanzhof wie<strong>de</strong>rholt als<br />
verfassungsgemäß erachtet. Da im Streitfall<br />
ein ordnungsgemäßes Fahrtenbuch<br />
nicht geführt wor<strong>de</strong>n war, kam eine an<strong>de</strong>re<br />
Entscheidung nicht in Betracht (BFH<br />
v. 21.03.2013, Az.: VI R 31/10; www.bun<strong>de</strong>sfinanzhof.<strong>de</strong>).<br />
Praxis-Hinweise:<br />
In diesem Verfahren hat <strong>das</strong> Gericht auch<br />
entschie<strong>de</strong>n, <strong>das</strong>s die Übernahme von<br />
Mitglieds-Beiträgen <strong>de</strong>s Geschäftsführers<br />
<strong>für</strong> einen Golfclub auch dann Arbeitslohn<br />
darstellt, wenn die Mitgliedschaft <strong>für</strong> <strong>de</strong>n<br />
Beruf för<strong>de</strong>rlich ist.<br />
In einem Urteil vom 18.04.2013 zur Ein-<br />
Prozent-Regelung bei fehlen<strong>de</strong>r Überwachung<br />
<strong>de</strong>s Privatnutzungsverbots und zur<br />
Reichweite <strong>de</strong>s Anscheinsbeweises bei einer<br />
Geschäftsführerin im Familienunternehmen<br />
(Az.: VI R 23/12) hat <strong>de</strong>r BFH<br />
nochmals ver<strong>de</strong>utlicht, <strong>das</strong>s die Ein-Prozent-Regelung<br />
nur dann zur Anwendung<br />
kommt, wenn feststeht, <strong>das</strong>s <strong>de</strong>r Arbeitgeber<br />
<strong>de</strong>m Arbeitnehmer tatsächlich<br />
einen Dienstwagen zur Privatnutzung<br />
arbeitsvertraglich o<strong>de</strong>r auf <strong>de</strong>r Grundlage<br />
einer (ggf. schlüssig/stillschweigend) getroffenen<br />
Nutzungsvereinbarung überlassen<br />
hat.<br />
Entfernungspauschale <strong>für</strong> Familienheimfahrten<br />
bei doppeltem Haushalt<br />
auch ohne eigenen Aufwand<br />
möglich<br />
Wer aus beruflichen Grün<strong>de</strong>n (z. B. bei<br />
Versetzung) an einem an<strong>de</strong>ren Ort beschäftigt<br />
ist als <strong>de</strong>m Ort <strong>de</strong>s eigenen<br />
(Haupt-)Hausstands, kann wöchentlich<br />
einmal Familienheimfahrten durchführen.<br />
Die Kosten da<strong>für</strong> können vom Arbeitgeber<br />
steuerfrei ersetzt o<strong>de</strong>r vom Arbeitnehmer<br />
als Werbungskosten in seiner<br />
Steuererklärung abgesetzt wer<strong>de</strong>n. Die<br />
Entfernungspauschale von 30 Cent pro<br />
Entfernungs-Kilometer kann auch dann<br />
geltend gemacht wer<strong>de</strong>n, wenn <strong>für</strong> diese<br />
Fahrten keine Kosten angefallen sind. Jedoch<br />
müssen steuerfreie Reisekostenvergütungen<br />
und evtl. Freifahrten min<strong>de</strong>rnd<br />
angerechnet wer<strong>de</strong>n.<br />
Im Streitfall machte ein Bahn-Angestellter<br />
Mehraufwendungen <strong>für</strong> 48 Familienheimfahrten<br />
in Höhe von 5.199 Euro geltend<br />
(48 Fahrten x 361 Entfernungs-km x<br />
0,30 Euro). Elf dieser Fahrten hatte er mit<br />
<strong>de</strong>m eigenen PKW und 37 als Freifahrten<br />
mit <strong>de</strong>r Bahn unternommen, ohne <strong>das</strong>s er<br />
<strong>für</strong> Letztere eigene Aufwendungen hatte.<br />
Während die PKW-Fahrten unproblematisch<br />
waren, wur<strong>de</strong>n die Bahn-Fahrten<br />
vom Finanzamt und vom Finanzgericht<br />
Sachsen-Anhalt (Az.: 1 K 1228/09, EFG<br />
2012, S. 1040) mangels selbst getragener<br />
Aufwendungen nicht berücksichtigt.<br />
Das sieht <strong>de</strong>r Bun<strong>de</strong>sfinanzhof an<strong>de</strong>rs und<br />
hat <strong>de</strong>n Fall zur weiteren Sachaufklärung<br />
an <strong>das</strong> Finanzgericht zurückverwiesen.<br />
Nach § 9 I Satz 3 Nr. 5 Satz 4 EStG kann die<br />
Entfernungspauschale <strong>für</strong> je<strong>de</strong>n vollen<br />
Kilo meter <strong>de</strong>r Entfernung verkehrsmittelunabhängig<br />
und selbst dann in Anspruch<br />
genommen wer<strong>de</strong>n, wenn die Arbeitnehmer<br />
da<strong>für</strong> keine Kosten getragen haben.<br />
Das sei gesetzgeberisch so gewollt und<br />
durch umwelt- und verkehrspolitische<br />
Lenkungszwecke gerechtfertigt. Die danach<br />
zu berücksichtigen<strong>de</strong>n Beträge müssen<br />
um steuerfreie Sachbezüge (wie hier<br />
die Freifahrten <strong>de</strong>r Bahn) gemin<strong>de</strong>rt wer<strong>de</strong>n<br />
(§ 8 III EStG). Ist <strong>de</strong>r Arbeitgeber selbst<br />
<strong>de</strong>r Verkehrsträger, ist dabei <strong>de</strong>r Preis anzusetzen,<br />
<strong>de</strong>n ein Dritter an die Bahn zu<br />
entrichten hätte (§ 9 I Satz 3 Nr. 5 Satz 5<br />
i. V. m. Nr. 4 Satz 5 EStG). Das Finanzgericht<br />
muss jetzt als Tatsachengericht im<br />
zweiten Rechtsgang weitere Feststellungen<br />
zur Anzahl <strong>de</strong>r Familien heimfahrten<br />
und zu <strong>de</strong>n anrechenbaren Arbeitgeber-<br />
Leistungen treffen (BFH v. 18.04.2013, Az.:<br />
VI R 29/12; www.bun<strong>de</strong>sfinanzhof.<strong>de</strong>).<br />
WOLFGANG GAMP<br />
Rechtsassessor,<br />
www.lohnsteuerhilfeher<strong>de</strong>cke.<strong>de</strong><br />
Der „ohnehin geschul<strong>de</strong>te Arbeitslohn“<br />
Wie ein Nichtanwendungserlass Kreativität freisetzen kann<br />
Naturgemäß ist man bei <strong>de</strong>n Steuerexperten<br />
<strong>de</strong>s Bun<strong>de</strong>s und <strong>de</strong>r Län<strong>de</strong>r einerseits<br />
und <strong>de</strong>m Bun<strong>de</strong>sfinanzhof an<strong>de</strong>rerseits<br />
nicht immer einer Meinung. Das ergibt<br />
sich schon aus <strong>de</strong>r Vielzahl <strong>de</strong>r finanzgerichtlich<br />
aufzuarbeiten<strong>de</strong>n Fälle, in <strong>de</strong>nen<br />
nicht nur <strong>de</strong>r Bürger eine an<strong>de</strong>re Auffassung<br />
vertritt als die Finanzbehör<strong>de</strong>n, son<strong>de</strong>rn<br />
auch die Finanzgerichte und hier<br />
letztlich <strong>de</strong>r BFH teilweise eine <strong>de</strong>utlich<br />
an<strong>de</strong>re Rechtsauffassung zu Steuergesetzen<br />
vertritt, als es <strong>de</strong>r jeweilige Steuergesetzgeber<br />
und seine Finanzbehör<strong>de</strong>n<br />
tun.Zwar überwiegen weiterhin die Finanzgerichtsurteile,<br />
in <strong>de</strong>nen die steuerliche<br />
Rechtsauffassung <strong>de</strong>r Finanzbehör<strong>de</strong>n<br />
und <strong>de</strong>s Gesetzgebers durch die<br />
Finanzgerichte bestätigt wird. Allerdings<br />
ist allgemein doch eine leichte Zunahme<br />
insbeson<strong>de</strong>re höchstrichterlicher BFH-<br />
Urteile festzustellen, in <strong>de</strong>nen <strong>de</strong>n Finanz-<br />
4 | <strong>Journal</strong> <strong>für</strong> <strong>das</strong> <strong>Lohnbüro</strong> August 2013 Der „ohnehin geschul<strong>de</strong>te Arbeitslohn“
ehör<strong>de</strong>n und <strong>de</strong>m Steuergesetzgeber,<br />
weniger <strong>de</strong>n vorinstanzlichen Finanzgerichten,<br />
eine teils <strong>de</strong>utlich abweichen<strong>de</strong><br />
Rechtsauffassung <strong>de</strong>s BFH entgegengehalten<br />
wird.<br />
Auch die höchstrichterlichen Urteile <strong>de</strong>s<br />
BFH beziehen sich aber nahezu immer auf<br />
einen Einzelfall. Und damit ist es dann<br />
gar nicht so selten, son<strong>de</strong>rn eher fast die<br />
Regel, <strong>das</strong>s <strong>das</strong> BMF „im Einvernehmen<br />
mit <strong>de</strong>n obersten Finanzbehör<strong>de</strong>n <strong>de</strong>r<br />
Län<strong>de</strong>r“ doch die eigene, gemäß BFH<br />
dann eigentlich falsche Rechtsauffassung<br />
weiterhin per Nichtanwendungserlass<br />
„über <strong>de</strong>n entschie<strong>de</strong>nen Einzelfall hinaus“<br />
gültig bleiben lässt. Dieser Nichtanwendungserlass<br />
ist dann eine Anweisung<br />
an die ausführen<strong>de</strong>n örtlichen Finanzbehör<strong>de</strong>n<br />
mit <strong>de</strong>m Ziel, in <strong>de</strong>r Regel die<br />
durch diese Nichtanwendung weiterhin<br />
erzielbaren Mehrsteuern von <strong>de</strong>n Bürgern<br />
auch einzutreiben. Und falls einer o<strong>de</strong>r<br />
mehrere Bürger sich dann doch weiter auf<br />
<strong>das</strong> <strong>für</strong> ihn o<strong>de</strong>r sie günstigere BFH-Urteil<br />
beziehen möchten, dann müssen sie halt<br />
erneut klagen.<br />
Ob <strong>de</strong>rartige Nichtanwendungserlasse<br />
<strong>de</strong>s BMF noch als rechtsstaatlich angesehen<br />
wer<strong>de</strong>n können, darüber streiten sich<br />
die verschie<strong>de</strong>nen Fachleute aus grundgesetzlichem<br />
Anlass schon seit langem.<br />
Bisher ist es je<strong>de</strong>nfalls bei <strong>de</strong>r Praxis <strong>de</strong>r<br />
Nichtanwendungserlasse geblieben.<br />
Dieses vorausgeschickt soll hier über<br />
einen <strong>de</strong>r eher ganz seltenen Fälle berichtet<br />
wer<strong>de</strong>n, in <strong>de</strong>nen ein Nichtanwendungserlass<br />
<strong>de</strong>s BMF vom 22. Mai 2013 –<br />
IV C 5 – S 2388/11/10001-02 –, entgegen<br />
einer zu Lasten <strong>de</strong>r Steuerbürger verschärften<br />
steuerlichen Definition durch<br />
<strong>de</strong>n BFH, weiterhin und ausdrücklich<br />
eine großzügigere Handhabung <strong>de</strong>r Finanzbehör<strong>de</strong>n<br />
in bestimmten steuerlichen<br />
Beurteilungsfällen anweist. Und<br />
damit erst recht <strong>für</strong> Erstaunen und Verwun<strong>de</strong>rung<br />
sorgt.<br />
Es geht hierbei um die Urteile <strong>de</strong>s BFH<br />
vom 19. September 2012 – VI R 54/11 und<br />
VI R 55/11. Mit diesen Urteilen hatte <strong>de</strong>r<br />
BFH entschie<strong>de</strong>n, <strong>das</strong> in bestimmten<br />
lohnsteuerlichen Begünstigungsnormen<br />
verwen<strong>de</strong>te Tatbestandsmerkmal „zusätzlich<br />
zum ohnehin geschul<strong>de</strong>ten Arbeitslohn“<br />
sei nur bei freiwilligen Arbeitgeberleistungen<br />
erfüllt. In diesen Urteilen ging<br />
es um Fälle von Kin<strong>de</strong>rbetreuungsleistungen<br />
<strong>de</strong>s Arbeitgebers (§ 3 Nr. 33 EStG), IT-<br />
Leistungen <strong>de</strong>s Arbeitgebers (§ 40 Abs. 2<br />
Satz 1 Nr. 5 EStG) sowie um Fahrtkostenzuschüsse<br />
(§ 40 Abs. 2 Satz 2 EStG).<br />
Der „ohnehin geschul<strong>de</strong>te Arbeitslohn“<br />
Dabei hatte <strong>de</strong>r BFH ausdrücklich betont,<br />
<strong>das</strong>s die von <strong>de</strong>n klagen<strong>de</strong>n Unternehmen<br />
vorgenommenen Än<strong>de</strong>rungen <strong>de</strong>r Arbeitsverträge<br />
schon aufgrund <strong>de</strong>r zum<br />
Zeitpunkt dieser Än<strong>de</strong>rungen gelten<strong>de</strong>n<br />
steuerrechtlichen Vorschriften, und ergänzend<br />
aufgrund früher dazu ergangener<br />
höchstrichterlicher Urteile, die notwendigen<br />
Voraussetzungen nicht erfüllten.<br />
Der BFH bestätigte dabei ausdrücklich die<br />
Urteile <strong>de</strong>r Vorinstanz (FG Nie<strong>de</strong>rsachsen),<br />
wonach die arbeitsvertragliche Herabsetzung<br />
bisher geschul<strong>de</strong>ter Arbeitslöhne zugunsten<br />
künftiger steuerfreier bzw. pauschal<br />
zu versteuern<strong>de</strong>r Zusatzleistungen<br />
steuerrechtlich unrichtig war. Die dazu ergangenen<br />
Lohnsteuerhaftungsbeschei<strong>de</strong><br />
<strong>de</strong>s Betriebsstättenfinanzamtes waren<br />
<strong>de</strong>mnach zu Recht erfolgt.<br />
Zusammenfassend hatte <strong>de</strong>r BFH je<strong>de</strong>nfalls<br />
geurteilt, <strong>das</strong>s <strong>de</strong>r „ohnehin geschul<strong>de</strong>te<br />
Arbeitslohn“ <strong>de</strong>r Arbeitslohn ist, <strong>de</strong>n<br />
<strong>de</strong>r Arbeitgeber aus allen verbindlichen<br />
Rechtsansprüchen seinen Arbeitnehmern<br />
schul<strong>de</strong>t. Und dazu gehören nach durchaus<br />
vertretbarer Meinung <strong>de</strong>s BFH dann<br />
auch „freiwillige“ Son<strong>de</strong>rzahlungen, je<strong>de</strong>nfalls<br />
soweit auf diese aus betrieblicher<br />
Übung ebenfalls ein Anspruch hergeleitet<br />
wer<strong>de</strong>n kann. Das sei dann <strong>de</strong>r aufgrund<br />
von Vereinbarungen o<strong>de</strong>r durch eine dauern<strong>de</strong><br />
Übung arbeitsrechtlich geschul<strong>de</strong>te<br />
Arbeitslohn. Und so hatte <strong>de</strong>r BFH, konsequent<br />
ausgerichtet an <strong>de</strong>n jeweiligen Gesetzestexten,<br />
auch schon früher geurteilt.<br />
Ergänzend macht <strong>de</strong>r BFH dann noch<br />
<strong>de</strong>utlich: „Wenn davon <strong>das</strong> Gesetz Leistungen<br />
unterschei<strong>de</strong>t, die „zusätzlich zum<br />
ohnehin geschul<strong>de</strong>ten Arbeitslohn“ erbracht<br />
wer<strong>de</strong>n, wie etwa in <strong>de</strong>n §§ 3 Nr.<br />
33, § 40 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 o<strong>de</strong>r § 40 Abs. 2<br />
Satz 2 EStG, können <strong>de</strong>rartige Leistungen<br />
dann nur noch freiwillige Arbeitgeberleistungen<br />
sein, also solche, auf die<br />
<strong>de</strong>r Arbeitnehmer keinen arbeitsrechtlichen<br />
Anspruch hat. Denn nur solche<br />
schul<strong>de</strong>t <strong>de</strong>r Arbeitgeber nicht ohnehin.“<br />
Demnach sei die durch die Arbeitgeberin<br />
erfolgte arbeitsvertragliche Herabsetzung<br />
bisher als Arbeitslohn geschul<strong>de</strong>ter<br />
Ansprüche zugunsten künftiger steuerfreier<br />
o<strong>de</strong>r steuerbegünstigter „Zusatzleistungen“<br />
insofern nicht zulässig gewesen.<br />
Dieses sei auch darin begrün<strong>de</strong>t<br />
gewesen, weil die Arbeitnehmer auf<br />
diese Zusatzleistungen arbeitsrechtlich<br />
auch dann noch im vollen Umfang<br />
Anspruch gehabt hätten, wenn die individuellen<br />
Voraussetzungen <strong>für</strong> die steuerfreien<br />
o<strong>de</strong>r steuerbegünstigen Zusatzleistungen<br />
entfallen waren. Damit sei <strong>das</strong><br />
Zusätzlichkeitserfor<strong>de</strong>rnis endgültig<br />
nicht erfüllt gewesen.<br />
In seiner Urteilsbegründung setzt <strong>de</strong>r BFH<br />
dann noch eine weitere bemerkenswerte<br />
Begründung hinzu: „Deshalb än<strong>de</strong>rt an<br />
diesem Ergebnis auch die grundsätzlich<br />
zutreffen<strong>de</strong> Einwendung <strong>de</strong>r Klägerin<br />
nichts, <strong>das</strong>s damit letztlich auch freiwillige<br />
Leistungen über <strong>das</strong> arbeitsrechtliche<br />
Institut <strong>de</strong>r betrieblichen Übung zu ohnehin<br />
geschul<strong>de</strong>tem Arbeitslohn wer<strong>de</strong>n<br />
können und daher <strong>de</strong>r Anwendungsbereich<br />
<strong>de</strong>r Pauschalierungs- und Begünstigungsnormen<br />
eingeschränkt ist. Hier<br />
Än<strong>de</strong>rungen vorzunehmen, ist Aufgabe<br />
<strong>de</strong>s Gesetzgebers.“<br />
Der BFH bestätigt also nicht nur seine frühere<br />
hierzu ergangene Rechtsprechung,<br />
son<strong>de</strong>rn er setzt noch einen drauf, in<strong>de</strong>m<br />
er „zusätzlich“ ausdrücklich mit „freiwillig“<br />
verbin<strong>de</strong>t. Und allen Adressaten dabei<br />
gleich noch mitteilt, <strong>das</strong>s auch <strong>de</strong>rartige<br />
freiwilligen Leistungen dann ihren<br />
steuerfreien o<strong>de</strong>r steuerbegünstigten Status<br />
verlieren können, wenn sie durch<br />
betriebliche Übung arbeitsrechtlich zu<br />
einem beanspruchbaren Arbeitslohn führen.<br />
Und <strong>de</strong>r Gesetzgeber erhält gleichzeitig<br />
einen <strong>de</strong>utlichen Hinweis, <strong>das</strong>s er dieses<br />
Problem ja durch entsprechen<strong>de</strong><br />
gesetzliche Anpassungen lösen könne.<br />
Der Gesetzgeber, in Gestalt <strong>de</strong>s Bun<strong>de</strong>sfinanzministeriums<br />
in Abstimmung mit<br />
<strong>de</strong>n obersten Finanzbehör<strong>de</strong>n <strong>de</strong>r Län<strong>de</strong>r,<br />
hat <strong>de</strong>n über<strong>de</strong>utlichen Zwischenruf <strong>de</strong>s<br />
BFH sehr wohl gehört bzw. gelesen. Und<br />
reagiert hat er auch, allerdings nicht mit<br />
einer Gesetzesän<strong>de</strong>rung, wie vom BFH<br />
gefor<strong>de</strong>rt. Statt<strong>de</strong>ssen reagiert <strong>de</strong>r BMF<br />
mit <strong>de</strong>m eingangs erwähnten Nichtanwendungserlass,<br />
<strong>de</strong>r formal ja nur <strong>für</strong><br />
die nachgeordneten Finanzbehör<strong>de</strong>n gilt,<br />
und weist folgen<strong>de</strong>s an:<br />
„Die Verwaltung sieht die Zusätzlichkeitsvoraussetzung<br />
abweichend von <strong>de</strong>r neuen<br />
BFH-Rechtsprechung als erfüllt an, wenn<br />
die zweckbestimmte Leistung zu <strong>de</strong>m Arbeitslohn<br />
hinzukommt, <strong>de</strong>n <strong>de</strong>r Arbeitgeber<br />
arbeitsrechtlich schul<strong>de</strong>t (vgl. R 3.33<br />
Abs. 5 Satz 1 LStR 2011). Nur Gehaltsumwandlungen<br />
sind danach schädlich.“<br />
Und in <strong>de</strong>r Tat sieht die RL-Vorschrift <strong>de</strong>s<br />
Abs. 5 vor, <strong>das</strong>s Umwandlungen aus laufen<strong>de</strong>n<br />
Arbeitslohnansprüchen nicht als<br />
„zusätzlich“ gelten. Dieses jedoch sehr<br />
wohl unter Anrechnung auf „freiwillige“<br />
Leistungen, also z. B. ein freiwilliges<br />
Weihnachtsgeld, möglich ist. Der auch bei<br />
freiwilligen Leistungen mögliche Übergang<br />
in eine beanspruchbare betriebliche<br />
Übung wird gar nicht erst erwähnt. Und<br />
<strong>Journal</strong> <strong>für</strong> <strong>das</strong> <strong>Lohnbüro</strong> August 2013 | 5
offensichtlich hat <strong>de</strong>r BFH im Sinne <strong>de</strong>r<br />
Rechtsfortbildung <strong>de</strong>n Gesetzgeber genau<br />
auf dieses Problem hingewiesen.<br />
Das BMF reagiert darauf dann mit <strong>de</strong>n<br />
nachfolgen<strong>de</strong>n Texten:<br />
„Im Einvernehmen mit <strong>de</strong>n obersten<br />
Finanzbehör<strong>de</strong>n <strong>de</strong>r Län<strong>de</strong>r gilt zum Tatbestandsmerkmal<br />
„zusätzlich zum ohnehin<br />
geschul<strong>de</strong>ten Arbeitslohn“ abweichend<br />
von <strong>de</strong>r neuen BFH-Rechtsprechung<br />
und über <strong>de</strong>n Einzelfall hinaus aus Grün<strong>de</strong>n<br />
<strong>de</strong>s Vertrauensschutzes und <strong>de</strong>r Kontinuität<br />
<strong>de</strong>r Rechtsanwendung weiterhin<br />
Folgen<strong>de</strong>s:<br />
Kommt die zweckbestimmte Leistung zu<br />
<strong>de</strong>m Arbeitslohn hinzu, <strong>de</strong>n <strong>de</strong>r Arbeitgeber<br />
schul<strong>de</strong>t, ist <strong>das</strong> Tatbestandsmerkmal<br />
„zusätzlich zum ohnehin geschul<strong>de</strong>ten<br />
Arbeitslohn“ auch dann erfüllt, wenn<br />
<strong>de</strong>r Arbeitnehmer arbeitsvertraglich o<strong>de</strong>r<br />
aufgrund einer an<strong>de</strong>ren arbeits- o<strong>de</strong>r<br />
dienstrechtlichen Rechtsgrundlage einen<br />
Anspruch auf die zweckbestimmte Leistung<br />
hat.“<br />
Damit wäre dann ja alles klar. O<strong>de</strong>r eben<br />
auch nicht. Auf je<strong>de</strong>n Fall sollte man diesen<br />
Nichtanwendungserlass an geeigneter<br />
Stelle seiner eigenen RL 3.33 Abs. 5 beifügen.<br />
Damit bei einer anstehen<strong>de</strong>n Überprüfung,<br />
auch o<strong>de</strong>r gera<strong>de</strong> durch einen<br />
Lohnsteuer-Außenprüfer, <strong>de</strong>r eigenen<br />
„zusätzlichen“ Leistungen die aktuelle<br />
Auffassung <strong>de</strong>r Finanzverwaltung stets<br />
griffbereit ist. Je<strong>de</strong>nfalls bis zu einer hoffentlich<br />
dann auch so ergänzten Neufassung<br />
<strong>de</strong>r Lohnsteuer-Richtlinie (2014?).<br />
Die eigene Prüfung <strong>de</strong>r bisherigen o<strong>de</strong>r<br />
künftig erstmaligen Praxis von zusätzlichen<br />
Leistungen <strong>für</strong> steuerfreie o<strong>de</strong>r steuerbegünstigte<br />
Zwecke sollte auch darauf<br />
ausgerichtet sein, ob sich durch die klarstellen<strong>de</strong><br />
Definition seitens <strong>de</strong>s BMF nicht<br />
auch noch neue o<strong>de</strong>r ganz an<strong>de</strong>re Möglichkeiten<br />
ergeben. Denn bei genauer Betrachtung<br />
<strong>de</strong>s BMF-Textes könnten alle<br />
schon bisherigen Zusatzleistungen, egal<br />
auf welcher arbeits- o<strong>de</strong>r dienstrechtlichen<br />
Grundlage, <strong>für</strong> eine künftige steuerfreie<br />
o<strong>de</strong>r steuerbegünstigte Verwendung<br />
infrage kommen. Vielleicht braucht<br />
<strong>das</strong> Kind auch nur einen schönen neuen<br />
Namen. Der diesbezüglichen Kreativität<br />
scheinen je<strong>de</strong>nfalls wesentlich weniger<br />
steuerrechtliche Grenzen gesetzt wor<strong>de</strong>n<br />
zu sein. Und wenn man dann fündig gewor<strong>de</strong>n<br />
ist, sollte eine ebenso kreative wie<br />
geschliffene Anrufungsauskunft an <strong>das</strong><br />
Betriebsstättenfinanzamt auch keine unüberwindliche<br />
Hür<strong>de</strong> mehr darstellen.<br />
WERNER M. MOCHE<br />
BiAM-Beratung<br />
Holzmin<strong>de</strong>n<br />
Aktuelles aus <strong>de</strong>m Sozialversicherungsrecht<br />
Pflegekassen helfen bei Doppelbelastung<br />
mit Beruf und Pflege<br />
(Gp) Die Doppelbelastung durch Beruf<br />
und zu pflegen<strong>de</strong> Angehörige kann<br />
schnell zu Überfor<strong>de</strong>rung führen. Nach<br />
einer Studie <strong>de</strong>s Zentrums <strong>für</strong> Qualität in<br />
<strong>de</strong>r Pflege (ZQP) scheitert oft die Organisation<br />
einer Auszeit. In dieser Situation<br />
sollten sich Betroffene an eine Pflegeberatung<br />
wen<strong>de</strong>n, die folgen<strong>de</strong> Lösungen anbieten<br />
kann:<br />
• Beantragung einer Verhin<strong>de</strong>rungspflege,<br />
bei <strong>de</strong>r die Betreuung durch<br />
eine vertraute Person (Freun<strong>de</strong>, Verwandte<br />
…) <strong>für</strong> max. 28 Tage übernommen<br />
wird. Hierbei erstattet die Pflegekasse<br />
max. 1.550 Euro pro Jahr.<br />
• Kurzzeitpflege in einem Pflegeheim<br />
bis zu vier Wochen meist im Anschluss<br />
an einen Krankenhausaufenthalt;<br />
regelmäßig setzt dies <strong>das</strong> Erreichen<br />
einer Pflegestufe voraus, jedoch<br />
gibt es auch Ausnahmen. Auch da<strong>für</strong><br />
übernehmen die Pflegekassen bis zu<br />
1.550 Euro pro Jahr.<br />
Mehr unter www.zqp.<strong>de</strong>.<br />
SEPA-Umstellung beim Beitrags-<br />
Einzug<br />
(Gp) Spätestens ab 01.02.2014 muss sämtlicher<br />
Zahlungsverkehr in <strong>de</strong>r EU auf <strong>de</strong>n<br />
SEPA-Standard (mit IBAN und BIC, 22<br />
Stellen und hoher Fehleranfälligkeit!) umgestellt<br />
sein. Damit sollten Arbeitgeber<br />
wegen <strong>de</strong>s doch beachtlichen Umstellungs-Aufwands<br />
nicht zu lange warten<br />
und möglichst noch vor Jahresen<strong>de</strong> 2013<br />
zum Abschluss kommen.<br />
Für <strong>de</strong>n SV-Beitragsnachweis gibt es eine<br />
wichtige Ausnahme mit Erleichterung:<br />
Die sonst erfor<strong>de</strong>rliche Vorab-Ankündigung<br />
(pre-notification) ist mit <strong>de</strong>r Zusendung<br />
<strong>de</strong>s Beitragsnachweises <strong>de</strong>r Sozialversicherung<br />
als erfüllt anzusehen.<br />
Darauf haben sich <strong>das</strong> Bun<strong>de</strong>sarbeitsministerium<br />
(BMAS) mit <strong>de</strong>r Spitzenorganisation<br />
<strong>de</strong>r Sozialversicherung in <strong>de</strong>n Gemeinsamen<br />
Grundsätzen vom 02.05.2013,<br />
Ziff. 12 geeinigt. Entsprechen<strong>de</strong>s gilt <strong>für</strong><br />
<strong>de</strong>n Beitragsnachweis <strong>de</strong>r Zahlstellen von<br />
Versorgungsbezügen (mehr zu SEPA<br />
unter www.sepa<strong>de</strong>utschland.<strong>de</strong>).<br />
In 2013 weniger Minijobber und<br />
weniger RV-Befreiungen als gedacht<br />
(Gp) Nach Angaben <strong>de</strong>r Minijob-Zentrale<br />
<strong>de</strong>r Deutschen Rentenversicherung<br />
Knappschaft-Bahn-See (KBS) ist die Zahl<br />
<strong>de</strong>r Minijobber im 1. Quartal 2013 erneut<br />
gesunken. Sie liegt jetzt bei ca. 6,7 Mio.,<br />
was gegenüber 2012 einen Rückgang von<br />
0,8 Prozent be<strong>de</strong>utet.<br />
45 Prozent <strong>de</strong>r Minijobber sind im gewerblichen<br />
Bereich tätig und 38 Prozent<br />
in Privathaushalten, wo sich die Zahl gegenüber<br />
2012 um 5,7 Prozent erhöht hat.<br />
Hier sollen durch <strong>das</strong> Haushaltscheck-<br />
Ver fahren die Anmel<strong>de</strong>zahlen erhöht und<br />
Schwarzarbeit eingedämmt wer<strong>de</strong>n.<br />
Gegenüber <strong>de</strong>n ursprünglich geschätzten<br />
ca. 90 Prozent haben sich viel weniger Minijobber<br />
von <strong>de</strong>r Rentenversicherungs-<br />
Pflicht befreien lassen. Die Quote lag bis<br />
31.03.2013 im gewerblichen Bereich bei<br />
25,9 Prozent und in Privathaushalten bei<br />
24,5 Prozent.<br />
Viele befreite Minijobber sind Rentner<br />
o<strong>de</strong>r haben sonst Ansprüche aus einem<br />
sv-pflichtigen Job. Eine auskömmliche<br />
Rente wird durch <strong>de</strong>n Minijob nicht erreicht.<br />
Jedoch ermöglicht <strong>de</strong>r RV-Beitrag<br />
z. B. <strong>das</strong> Riestersparen o<strong>de</strong>r die Nutzung<br />
von Reha-Angeboten.<br />
Von <strong>de</strong>n RV-Beiträgen zahlen im gewerblichen<br />
Bereich Arbeitnehmer = 3,9 Prozent<br />
und Arbeitgeber = 15 Prozent. In Privathaushalten<br />
zahlen Arbeitnehmer = 13,9<br />
Prozent und Arbeitgeber = 5 Prozent.<br />
Die meisten Minijobber sind über 60 Jahre<br />
alt und überwiegend Frauen. Sie sind vor<br />
allem im Han<strong>de</strong>l, bei <strong>de</strong>r KFZ-Reparatur/<br />
Instandhaltung und im Gastgewerbe tätig<br />
(mehr unter www.minijob-zentrale.<strong>de</strong>).<br />
6 | <strong>Journal</strong> <strong>für</strong> <strong>das</strong> <strong>Lohnbüro</strong> August 2013 Aktuelles aus <strong>de</strong>m Sozialversicherungsrecht
Verzicht auf RV-Prüfungen bei<br />
Künstlersozialabgaben: droht<br />
KSK-Austrocknung?<br />
(Gp) Derzeit erfolgt keine regelmäßige<br />
Prüfung <strong>de</strong>r Künstlersozialabgaben bei<br />
<strong>de</strong>n turnusmäßigen Betriebsprüfungen<br />
<strong>de</strong>r DRV. Es besteht vielmehr ein Auswahlermessen<br />
bzgl. Art und Anzahl <strong>de</strong>r zu<br />
prüfen<strong>de</strong>n Arbeitgeber. Das sollte mit<br />
<strong>de</strong>m „Gesetz zur Neuorganisation <strong>de</strong>r<br />
bun<strong>de</strong>sunmittelbaren Unfallkassen, zur<br />
Än<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>s Sozialgerichtsgesetzes und<br />
zur Än<strong>de</strong>rung an<strong>de</strong>rer Gesetze“ (BUK-<br />
NOG) eigentlich geän<strong>de</strong>rt wer<strong>de</strong>n. Jedoch<br />
sind entsprechen<strong>de</strong> Planungen im Laufe<br />
<strong>de</strong>s Gesetzgebungsverfahrens wie<strong>de</strong>r gestrichen<br />
wor<strong>de</strong>n, nach<strong>de</strong>m die Arbeitgeberverbän<strong>de</strong><br />
(BDA) und <strong>de</strong>r DIHT auf<br />
<strong>de</strong>n hohen Bürokratieaufwand hingewiesen<br />
hatten (BT-Drucksache 17/13808).<br />
Jetzt <strong>für</strong>chten Werbegestalter, Grafiker,<br />
Publizisten und an<strong>de</strong>re Künstler ein Austrocknen<br />
<strong>de</strong>r Künstlersozialkasse (KSK).<br />
Mit einer Petition (bis 06.08.2013) ist <strong>de</strong>shalb<br />
versucht wor<strong>de</strong>n, eine regelmäßige<br />
Prüfung spätestens alle vier Jahre zu erreichen:<br />
die Kanzlerin hat sich dazu noch<br />
nicht geäußert.<br />
Neuer Künstlererlass reglementiert<br />
die Bescheinigung <strong>de</strong>r Selbständigkeit<br />
strenger<br />
(Gp) Nach einer Weisung <strong>de</strong>r OFD Münster<br />
können sich Grafiker, Werbegestalter,<br />
Autoren, Lektoren, <strong>Journal</strong>isten, Schriftsteller,<br />
Übersetzer, Musiker und artverwandte<br />
Berufsträger/freie Mitarbeiter ihren<br />
Status <strong>de</strong>r Selbständigkeit bescheinigen<br />
lassen. Dabei sollen künftig strengere<br />
Maßstäbe gelten als nach <strong>de</strong>m BMF-Erlass<br />
von 1990 (BStBl I S. 638) und es sollen sogar<br />
alte Bescheinigungen teilweise wi<strong>de</strong>rrufen<br />
wer<strong>de</strong>n (OFD Münster, Verfügung<br />
vom 22.03.2013, Kurz-Info ESt 16/2009).<br />
Praxis-Hinweise:<br />
Diese Verfügung betrifft primär die steuerliche<br />
Abgrenzung selbständige – nichtselbständige<br />
Tätigkeit. Auch <strong>das</strong> Problem<br />
<strong>de</strong>r Scheinselbständigkeit ist betroffen,<br />
wozu <strong>de</strong>rzeit vermehrte Prüfaktivitäten<br />
zu registrieren sind. Künstlersozialabgaben<br />
<strong>de</strong>r Verwerter wer<strong>de</strong>n nur <strong>für</strong> Selbständige<br />
nach <strong>de</strong>m KSVG an die Künstlersozialkasse<br />
(KSK) fällig. Der Prozentsatz<br />
beträgt <strong>für</strong> 2013 4,1 Prozent <strong>de</strong>r insgesamt<br />
gezahlten Entgelte (KünstlersozialabgabenVO<br />
v. 29.08.2012, BGBl I S. 1865).<br />
Aktuelles aus <strong>de</strong>m Sozialversicherungsrecht<br />
Minijobs: Meldungen nicht<br />
vergessen<br />
(Hm) Die Än<strong>de</strong>rungen bei <strong>de</strong>n Minijobs<br />
zum 1. Januar 2013 haben auch mel<strong>de</strong>rechtliche<br />
Auswirkungen. Eine davon<br />
fand bisher wenig öffentliche Aufmerksamkeit,<br />
<strong>de</strong>shalb sei sie hier noch einmal<br />
vorgestellt. Die Spitzenorganisationen <strong>de</strong>r<br />
Sozialversicherung führen in ihren Geringfügigkeits-Richtlinien<br />
auf Seite 99 (!)<br />
aus:<br />
„Sofern Arbeitnehmer in einer bisher nach<br />
§ 230 Abs. 8 Satz 1 SGB VI rentenversicherungsfreien<br />
Beschäftigung aufgrund <strong>de</strong>r<br />
Erhöhung <strong>de</strong>s Arbeitsentgelts auf mehr als<br />
400 Euro, aber nicht mehr als 450 Euro im<br />
Monat in <strong>de</strong>r weiterhin geringfügig entlohnten<br />
Beschäftigung <strong>de</strong>m Grun<strong>de</strong> nach<br />
rentenversicherungspflichtig wer<strong>de</strong>n, aber<br />
mit Wirkung ab <strong>de</strong>m Monat <strong>de</strong>r Erhöhung<br />
<strong>de</strong>s Arbeitsentgelts von ihrem Recht auf<br />
Befreiung von <strong>de</strong>r Rentenversicherungspflicht<br />
Gebrauch machen, ist <strong>de</strong>r Eingang<br />
<strong>de</strong>s Befreiungsantrags mit einer Abmeldung<br />
mit Abgabegrund ‚33‘ zum En<strong>de</strong> <strong>de</strong>s<br />
Zeitraums <strong>de</strong>r Rentenversicherungsfreiheit<br />
nach § 230 Abs. 8 Satz 1 SGB VI sowie<br />
eine Anmeldung mit <strong>de</strong>m Abgabegrund<br />
‚13‘ ab <strong>de</strong>m Beginn <strong>de</strong>s Zeitraums <strong>de</strong>r Befreiung<br />
von <strong>de</strong>r Rentenversicherungspflicht<br />
nach § 6 Abs. 1b SGB VI (Erster <strong>de</strong>s<br />
Kalen<strong>de</strong>rmonats) zu mel<strong>de</strong>n. Die Beitragsgruppe<br />
‚5‘ in <strong>de</strong>r Rentenversicherung<br />
bleibt unverän<strong>de</strong>rt. Die Meldung kann alternativ<br />
auch in schriftlicher Form erfolgen.<br />
Hier<strong>für</strong> bietet die Minijob-Zentrale<br />
eine Mustermeldung im Download-Bereich<br />
unter www.minijob-zentrale.<strong>de</strong> an.<br />
Eine Kopie <strong>de</strong>r Meldung ist zu <strong>de</strong>n Entgeltunterlagen<br />
zu nehmen.“<br />
BUK-Neuorganisationsgesetz<br />
beschlossen<br />
(Hm) Der Entwurf eines Gesetzes zur Neuorganisation<br />
<strong>de</strong>r bun<strong>de</strong>sunmittelbaren<br />
Unfallkassen, zur Än<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>s Sozialgerichtsgesetzes<br />
und zur Än<strong>de</strong>rung an<strong>de</strong>rer<br />
Gesetze (BUK-Neuorganisationsgesetz)<br />
wur<strong>de</strong> En<strong>de</strong> Juni 2013 in dritter<br />
Lesung vom Deutschen Bun<strong>de</strong>stag beschlossen.<br />
Auf folgen<strong>de</strong> Punkte ist beson<strong>de</strong>rs<br />
hinzuweisen:<br />
• bei Beendigung eines Beschäftigungsverhältnisses<br />
soll die Arbeitsbescheinigung<br />
„nur noch“ dann ausgestellt<br />
wer<strong>de</strong>n, wenn <strong>de</strong>r betroffene Arbeitnehmer<br />
o<strong>de</strong>r die Bun<strong>de</strong>sagentur <strong>für</strong><br />
Arbeit dies explizit verlangt<br />
• darüber hinaus soll <strong>de</strong>m Arbeitgeber<br />
die Möglichkeit eröffnet wer<strong>de</strong>n, die<br />
von ihm zu erstellen<strong>de</strong> Bescheinigung<br />
auf elektronischem Wege an die Bun<strong>de</strong>sagentur<br />
<strong>für</strong> Arbeit zu übermitteln,<br />
statt diese auf Papier auszugeben (Projekt<br />
Bea)<br />
• <strong>de</strong>r Termin zur Erstattung <strong>de</strong>r DEÜV-<br />
Jahresmeldung soll vom 15. April <strong>de</strong>s<br />
Folgejahres auf <strong>de</strong>n 15. Februar <strong>de</strong>s Folgejahres<br />
vorverlegt wer<strong>de</strong>n (erstmals<br />
<strong>für</strong> die Jahresmeldung 2013 in 2014)<br />
• die Unfallversicherungsträger sollen<br />
ihre Prüfkompetenz <strong>für</strong> die Fälle „zurückbekommen“,<br />
bei <strong>de</strong>nen konkrete<br />
Anhaltspunkte vorliegen, <strong>das</strong>s Arbeitsentgelte<br />
vom Unternehmen nicht<br />
<strong>de</strong>r richtigen Gefahrklasse zugeordnet<br />
wur<strong>de</strong>n und die Aufklärung keinen<br />
Aufschub dul<strong>de</strong>t<br />
Berechnung <strong>de</strong>s pfändbaren<br />
Einkommens nach <strong>de</strong>r Nettometho<strong>de</strong><br />
(Hm) Das Bun<strong>de</strong>sarbeitsgericht hat in einem<br />
Anfang Juli 2013 veröffentlichten<br />
Grundsatzurteil zur Lohnpfändung entschie<strong>de</strong>n,<br />
<strong>das</strong>s bei <strong>de</strong>r Berechnung <strong>de</strong>s<br />
pfändbaren Einkommens entgegen <strong>de</strong>r<br />
bislang herrschen<strong>de</strong>n Meinung die sog.<br />
Nettometho<strong>de</strong> zugrun<strong>de</strong> zu legen ist (Urteil<br />
<strong>de</strong>s BAG vom 17. April 2013/10 AZR<br />
59/12).<br />
Krankenversicherungspflicht von<br />
Arbeitnehmern – Wie wirkt sich<br />
eine selbstständige Tätigkeit aus?<br />
(Hm) Neben ihrer Beschäftigung hauptberuflich<br />
selbstständig erwerbstätige Arbeitnehmer<br />
sind in ihrer Beschäftigung<br />
von <strong>de</strong>r Krankenversicherungspflicht ausgeschlossen<br />
(§ 5 Abs. 5 SGB V). Bei Selbstständigen<br />
mit min<strong>de</strong>stens einem mehr als<br />
geringfügig beschäftigten Arbeitnehmer<br />
wur<strong>de</strong> bisher generalisierend angenommen,<br />
<strong>das</strong>s sie aufgrund ihrer Arbeitgeberfunktion<br />
hauptberuflich selbstständig<br />
erwerbstätig sind. Die wirtschaftliche Be<strong>de</strong>utung<br />
und <strong>de</strong>r zeitliche Umfang <strong>de</strong>r<br />
selbstständigen Tätigkeit waren regelmäßig<br />
nicht näher zu prüfen. Daran halten<br />
die Krankenkassen nicht länger fest,<br />
nach<strong>de</strong>m zuvor <strong>das</strong> Bun<strong>de</strong>ssozialgericht<br />
eine Gesamtschau <strong>de</strong>r Verhältnisse in je<strong>de</strong>m<br />
Einzelfall „angemahnt“ hatte (B 12<br />
KR 4/10 R).<br />
Zur neuen Verfahrensweise wird in<br />
summa summarum 3/2013 ausgeführt:<br />
„Es kann nicht weiter generalisierend angenommen<br />
wer<strong>de</strong>n, <strong>das</strong>s Personen mit<br />
min<strong>de</strong>stens einem mehr als geringfügig<br />
beschäftigten Arbeitnehmer aufgrund<br />
ihrer Arbeitgeberfunktion – unabhängig<br />
von einem persönlichen Arbeitseinsatz –<br />
hauptberuflich selbstständig erwerbstätig<br />
sind. Entschei<strong>de</strong>nd sind vielmehr die<br />
wirtschaftliche Be<strong>de</strong>utung und <strong>de</strong>r zeitliche<br />
Umfang <strong>de</strong>r selbstständigen Tätig-<br />
<strong>Journal</strong> <strong>für</strong> <strong>das</strong> <strong>Lohnbüro</strong> August 2013 | 7
keit. Diese bei<strong>de</strong>n Kriterien sind regelmäßig<br />
näher zu prüfen bzw. festzustellen.<br />
Die Beschäftigung eines o<strong>de</strong>r mehrerer<br />
Arbeitnehmer kann allerdings ein Indiz<br />
<strong>für</strong> <strong>de</strong>n Umfang einer selbstständigen<br />
Tätigkeit darstellen. Denn <strong>de</strong>r mit <strong>de</strong>r<br />
Leitungsfunktion notwendig verbun<strong>de</strong>ne<br />
Zeitaufwand als Arbeitgeber ist <strong>de</strong>m<br />
Selbstständigen ebenso zuzurechnen wie<br />
<strong>das</strong> wirtschaftliche Ergebnis <strong>de</strong>r von ihm<br />
beschäftigten Arbeitnehmer.<br />
Ob eine selbstständige Tätigkeit von <strong>de</strong>r<br />
wirtschaftlichen Be<strong>de</strong>utung und <strong>de</strong>m<br />
zeitlichen Umfang her die nebenher ausgeübte<br />
Beschäftigung <strong>de</strong>utlich übersteigt,<br />
ist durch einen Vergleich dieser bei<strong>de</strong>n<br />
Kriterien (jeweils aus <strong>de</strong>r selbstständigen<br />
Tätigkeit und <strong>de</strong>r Beschäftigung) festzustellen.<br />
Der Arbeitgeber muss dies im<br />
Rahmen <strong>de</strong>r Erfüllung seiner üblichen<br />
Mel<strong>de</strong>- und Beitragspflichten bei Aufnahme<br />
<strong>de</strong>r Beschäftigung eines Arbeitnehmers<br />
o<strong>de</strong>r bei einer Än<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>r Verhältnisse<br />
prüfen.<br />
Um <strong>de</strong>n Belangen aller Beteiligten Rechnung<br />
zu tragen, kann eine vor allem verfahrenspraktisch<br />
relativ einfach durchzuführen<strong>de</strong><br />
Abgrenzung erfolgen. Hierzu<br />
kann zunächst schematisch von folgen<strong>de</strong>n<br />
Grundannahmen ausgegangen wer<strong>de</strong>n:<br />
• Bei Arbeitnehmern, die aufgrund tariflicher,<br />
betriebsbedingter o<strong>de</strong>r arbeitsvertraglicher<br />
Regelungen vollschichtig<br />
arbeiten o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>ren<br />
Arbeitszeit <strong>de</strong>r regelmäßigen Wochenarbeitszeit<br />
vergleichbarer Vollbeschäftigter<br />
<strong>de</strong>s Betriebs entspricht, ist anzunehmen,<br />
<strong>das</strong>s – unabhängig von <strong>de</strong>r<br />
Höhe <strong>de</strong>s Arbeitsentgelts – daneben<br />
<strong>für</strong> eine hauptberuflich selbstständige<br />
Erwerbstätigkeit kein Raum mehr<br />
bleibt.<br />
• Bei Arbeitnehmern, die mehr als 20<br />
Stun<strong>de</strong>n wöchentlich arbeiten und <strong>de</strong>ren<br />
monatliches Arbeitsentgelt mehr<br />
als die Hälfte <strong>de</strong>r monatlichen Bezugsgröße<br />
beträgt, ist ebenfalls anzunehmen,<br />
<strong>das</strong>s daneben <strong>für</strong> eine hauptberuflich<br />
selbstständige Erwerbstätigkeit<br />
kein Raum mehr bleibt.<br />
• Bei Arbeitnehmern, die an nicht mehr<br />
als 20 Stun<strong>de</strong>n wöchentlich arbeiten<br />
und <strong>de</strong>ren Arbeitsentgelt nicht mehr<br />
als die Hälfte <strong>de</strong>r monatlichen Bezugsgröße<br />
beträgt, ist anzunehmen, <strong>das</strong>s<br />
die selbstständige Erwerbstätigkeit<br />
hauptberuflich ausgeübt wird.<br />
Für Sie zusammengestellt von Stefan<br />
Haussmann (Hm) und Wolfgang Gamp<br />
(Gp).<br />
STEFAN<br />
HAUSSMANN<br />
LL.M.<br />
Berlin<br />
WOLFGANG GAMP<br />
Rechtsassessor,<br />
www.lohnsteuerhilfeher<strong>de</strong>cke.<strong>de</strong><br />
Nettolohnfiktion: Wann dürfen die Betriebsprüfer<br />
<strong>de</strong>n Nettolohn um die Steuer erhöhen?<br />
Bei Betriebsprüfungen kommt es immer<br />
wie<strong>de</strong>r zum Streit, wann die sogenannte<br />
„Nettolohnfiktion“ von <strong>de</strong>n Mitarbeitern<br />
<strong>de</strong>r Rentenversicherungsträger angewandt<br />
wer<strong>de</strong>n darf und wann nicht. Mit<br />
Urteil vom 09.11.2011 hat <strong>das</strong> Bun<strong>de</strong>ssozialgericht<br />
(BSG) klargestellt, <strong>das</strong>s <strong>für</strong> die<br />
Anwendung <strong>de</strong>s § 14 Abs. 2 Satz 2 SGB IV<br />
nicht nur die „objektive“ Verletzung von<br />
Zahlungspflichten sowie hiermit zusammenhängen<strong>de</strong>r<br />
Pflichten vorliegen, son<strong>de</strong>rn<br />
neben <strong>de</strong>r Feststellung eines solchen<br />
objektiven Verstoßes ein auf die Verletzung<br />
<strong>de</strong>r Arbeitgeberpflichten gerichteter<br />
(min<strong>de</strong>stens bedingter) Vorsatz bestehen<br />
muss. Mit <strong>de</strong>m Besprechungsergebnis<br />
vom 14./15.11.2012 (TOP 3) haben die Spitzenorganisationen<br />
in <strong>de</strong>r Sozialversicherung<br />
festgestellt, <strong>das</strong>s sie <strong>de</strong>m Urteil zur<br />
Ermittlung <strong>de</strong>r Beitragsbemessungsgrundlage<br />
bei illegalen Beschäftigungsverhältnissen<br />
folgen.<br />
Nach § 14 Abs. 2 Satz 2 SGB IV gilt bei<br />
illegalen Beschäftigungsverhältnissen, in<br />
<strong>de</strong>n Steuern und Sozialversicherungsbeiträge<br />
nicht gezahlt wur<strong>de</strong>n, ein Nettoarbeitsentgelt<br />
als vereinbart.<br />
Definition „illegale Beschäftigung“<br />
• Illegale Arbeitnehmerüberlassung<br />
• illegale Auslän<strong>de</strong>rbeschäftigung und<br />
• Beschäftigung mit Sozialleistungsbetrug<br />
N-Media-Images © www.fotolia.<strong>de</strong><br />
Von illegaler Beschäftigung und Schwarzarbeit<br />
ist ferner auszugehen, wenn jemand<br />
Mitarbeiter beschäftigt, die nicht<br />
bei einer Einzugsstelle (gesetzlichen<br />
Krankenkasse) angemel<strong>de</strong>t wur<strong>de</strong>n, und<br />
keine Sozialversicherungsbeiträge entrichtet<br />
wer<strong>de</strong>n, Schwarzlohn an Arbeitnehmer<br />
bezahlt wird, <strong>de</strong>r Bruttoarbeitslohn<br />
vorsätzlich verkürzt wird o<strong>de</strong>r<br />
Lohnsplitting durchgeführt wur<strong>de</strong>.<br />
8 | <strong>Journal</strong> <strong>für</strong> <strong>das</strong> <strong>Lohnbüro</strong> August 2013 Nettolohnfiktion: Wann dürfen die Betriebsprüfer <strong>de</strong>n Nettolohn um die Steuer erhöhen?
Erstattung von Meldungen<br />
Illegale Beschäftigung liegt aber auch vor,<br />
wenn <strong>de</strong>r Arbeitgeber seiner Verpflichtung<br />
zur Erstattung von Meldungen und<br />
Zahlung von Beiträgen nicht nachkommt.<br />
Nach <strong>de</strong>m Wortlaut <strong>de</strong>s § 14 Abs. 2 Satz 2<br />
SGB IV führt bereits ein Verstoß gegen<br />
<strong>de</strong>n objektiven Tatbestand zur Anwendung<br />
<strong>de</strong>r Norm, ohne <strong>das</strong>s subjektive<br />
Tatbestandsmerkmale wie Vorsatz bzw.<br />
Fahrlässigkeit erfüllt sein müssen.<br />
BSG-Urteil wird gefolgt<br />
Mit Urteil vom 09.11.2011 (Az.: B 12 R 18/09<br />
R, USK 2011-142) hat <strong>das</strong> BSG klargestellt,<br />
<strong>das</strong>s <strong>für</strong> die Anwendung <strong>de</strong>s § 14 Abs. 2<br />
Satz 2 SGB IV nicht nur die „objektive“<br />
Verletzung von Zahlungspflichten sowie<br />
hiermit zusammenhängen<strong>de</strong>r Pflichten<br />
vorliegen, son<strong>de</strong>rn neben <strong>de</strong>r Feststellung<br />
eines solchen objektiven Verstoßes ein auf<br />
die Verletzung <strong>de</strong>r Arbeitgeberpflichten<br />
gerichteter (min<strong>de</strong>stens bedingter) Vorsatz<br />
bestehen muss.<br />
Spitzenverbän<strong>de</strong> folgen <strong>de</strong>m Urteil<br />
Die Besprechungsteilnehmer (Besprechungsergebnis<br />
<strong>de</strong>r Spitzenverbän<strong>de</strong> in <strong>de</strong>r<br />
Sozialversicherung vom 14./15.11.2012,<br />
TOP 3) sind <strong>de</strong>r Auffassung, <strong>das</strong>s <strong>de</strong>m vorgenannten<br />
Urteil grundsätzlich Be<strong>de</strong>utung<br />
<strong>für</strong> die Anwendbarkeit <strong>de</strong>s § 14 Abs. 2 Satz<br />
2 SGB IV zur Ermittlung <strong>de</strong>r Beitragsbemessungsgrundlage<br />
bei illegalen Beschäftigungsverhältnissen<br />
zukommt. Danach<br />
kann ein illegales Beschäftigungsverhältnis<br />
dann angenommen wer<strong>de</strong>n, wenn <strong>de</strong>r<br />
Arbeitgeber zentrale arbeitgeberbezogene<br />
Pflichten <strong>de</strong>s Sozialversicherungsrechts<br />
wie die Nichtzahlung von Beiträgen und<br />
die vorausgehen<strong>de</strong>n Mel<strong>de</strong>-, Aufzeichnungs-<br />
und Nachweispflichten verletzt.<br />
Subjektives Element<br />
Für die Frage, in welchem Maße die<br />
Pflichtverstöße von einem subjektiven<br />
Element getragen sein müssen, ist in Ermangelung<br />
an<strong>de</strong>rer Maßstäbe an die <strong>für</strong><br />
die Anwendung <strong>de</strong>r dreißigjährigen Verjährungsfrist<br />
(§ 25 Abs. 1 Satz 2 SGB IV)<br />
und die Erhebung von Säumniszuschlägen<br />
bei Beitragsnachfor<strong>de</strong>rungen (§ 24<br />
Abs. 2 SGB IV) maßgeben<strong>de</strong>n Kriterien,<br />
die <strong>das</strong> BSG bereits präzisiert hat (Urteil<br />
vom 30.03.2000, Az.: B 12 KR 14/99 R-, USK<br />
2000-9), anzuknüpfen. Die Nichtzahlung<br />
von Beiträgen muss <strong>de</strong>mnach zumin<strong>de</strong>st<br />
billigend in Kauf genommen wor<strong>de</strong>n sein,<br />
<strong>das</strong> heißt, <strong>de</strong>r Arbeitgeber hätte wissen<br />
müssen, <strong>das</strong>s Beiträge zu zahlen waren,<br />
bzw. <strong>das</strong> Nichtwissen resultierte aus <strong>de</strong>r<br />
unterbliebenen Einholung von Auskünften<br />
o<strong>de</strong>r Entscheidungen bei <strong>de</strong>n Einzugsstellen<br />
bzw. <strong>de</strong>n Trägern <strong>de</strong>r Rentenversicherung.<br />
Vereinbarung von Nettoarbeitsentgelt<br />
Zu beachten ist, ob zwischen <strong>de</strong>m Arbeitgeber<br />
und <strong>de</strong>m Arbeitnehmer ein Nettoarbeitsentgelt<br />
vereinbart wur<strong>de</strong>. Wur<strong>de</strong><br />
ein Nettoarbeitsentgelt vereinbart, so gelten<br />
neben <strong>de</strong>n Einnahmen (Nettolohn<br />
o<strong>de</strong>r Nettogehalt) auch die darauf entfallen<strong>de</strong><br />
Lohn- und Kirchensteuer sowie <strong>de</strong>r<br />
errechnete Solidaritätszuschlag und die<br />
vom Arbeitgeber übernommenen Sozialversicherungsbeiträge<br />
als beitragspflichtige<br />
Einnahmen. Bei illegalen Beschäftigungsverhältnissen,<br />
wo durch <strong>de</strong>n<br />
Arbeitgeber und <strong>de</strong>n Beschäftigten keine<br />
Steuern und Sozialversicherungsbeiträge<br />
entrichtet wur<strong>de</strong>n, gilt stets ein Nettoarbeitsentgelt<br />
als vereinbart. Voraussetzung<br />
ist, <strong>das</strong>s sich bei illegaler Beschäftigung<br />
und Schwarzarbeit bei<strong>de</strong>, also Arbeitgeber<br />
und Arbeitnehmer, einig sind, <strong>das</strong>s<br />
<strong>das</strong> an sich sozialversicherungspflichtige<br />
Arbeitsentgelt <strong>de</strong>m Beschäftigten brutto<br />
<strong>für</strong> netto, also ohne Abzug von Steuern<br />
und Sozialversicherungsbeiträgen, zufließen<br />
soll.<br />
Nettolohnfiktion darf nicht bei<br />
Fehlbeurteilung angewandt wer<strong>de</strong>n<br />
Allerdings darf die sogenannte „Nettolohnfiktion“<br />
von <strong>de</strong>n Sozialversicherungsträgern<br />
(Einzugsstellen, Deutsche Rentenversicherung<br />
etc.) nicht angewandt wer<strong>de</strong>n,<br />
wenn Arbeitgeber einen Sachverhalt sozialversicherungsrechtlich<br />
falsch beurteilt<br />
haben. In diesen Fällen dürfen die gesetzlichen<br />
Krankenkassen und die Betriebsprüfer<br />
<strong>de</strong>r Deutschen Rentenversicherung<br />
Beiträge zur gesetzlichen Kranken-, Pflege-,<br />
Renten- und Arbeitslosenversicherung nur<br />
aus <strong>de</strong>r falsch beurteilten beitragspflichtigen<br />
Einnahme und aus <strong>de</strong>r eventuell durch<br />
<strong>de</strong>n Arbeitgeber übernommenen Lohnund<br />
Kirchensteuer sowie <strong>de</strong>m Solidaritätszuschlages,<br />
errechnet wer<strong>de</strong>n.<br />
Beispiel:<br />
Sie beschäftigten in Ihrem Hotel eine Bürokraft.<br />
Die hat von Ihnen in diesem Jahr, anlässlich<br />
ihrer Hochzeit, ein Geldgeschenk in<br />
Höhe von 500 Euro erhalten. Bei <strong>de</strong>r jüngsten<br />
Betriebsprüfung durch die Deutsche<br />
Rentenversicherung hat <strong>de</strong>r Betriebsprüfer<br />
festgestellt, <strong>das</strong>s aus <strong>de</strong>m Geldgeschenk<br />
keine Lohn- bzw. Kirchensteuer sowie kein<br />
Solidaritätszuschlag und keine Sozialversicherungsbeiträge<br />
entrichtet wur<strong>de</strong>n.<br />
Heiratsbeihilfen sind nicht mehr lohnsteuerund<br />
beitragsfrei.<br />
Hier liegt kein Fall <strong>de</strong>r sogenannten „Nettolohnfiktion“<br />
vor. Der Sachverhalt wur<strong>de</strong> von<br />
Ihnen versehentlich falsch beurteilt. Sozialversicherungsbeiträge<br />
dürfen vom Betriebsprüfer<br />
<strong>de</strong>r Deutschen Rentenversicherung<br />
nur aus <strong>de</strong>n 500 Euro errechnet wer<strong>de</strong>n.<br />
Zusätzlich wer<strong>de</strong>n Sozialversicherungsbeiträge<br />
nachgefor<strong>de</strong>rt, wenn Sie <strong>für</strong> Ihre Mitarbeiterin<br />
die zu entrichten<strong>de</strong> Lohn- bzw.<br />
Kirchensteuer sowie <strong>de</strong>n Solidaritätszuschlag<br />
übernommen haben. Normalerweise<br />
hätte <strong>für</strong> die Steuern <strong>de</strong>r Arbeitnehmer aufkommen<br />
müssen. Übernehmen Sie die Steuern,<br />
so stellt dies einen geldwerten Vorteil<br />
dar.<br />
Steuerklasse VI ist grundsätzlich<br />
zu berücksichtigen<br />
Bei <strong>de</strong>r Hochrechnung nach § 14 Abs. 2<br />
Satz 2 SGB IV ist grundsätzlich die Lohnsteuerklasse<br />
VI zugrun<strong>de</strong> zu legen. In <strong>de</strong>r<br />
Anhörung vor Erlass <strong>de</strong>s Beitragsbeschei<strong>de</strong>s<br />
ist auf die Anwendung <strong>de</strong>r Lohnsteuerklasse<br />
VI hinzuweisen; <strong>de</strong>m Arbeitgeber<br />
wird hierdurch die Gelegenheit<br />
gegeben, <strong>de</strong>n Beweis einer an<strong>de</strong>ren Lohnsteuerklasse<br />
zu erbringen. Die Steuerklasse<br />
I kann nur dann berücksichtigt<br />
wer<strong>de</strong>n, wenn eine entsprechen<strong>de</strong> Bescheinigung<br />
<strong>de</strong>s Betriebsstättenfinanzamtes<br />
vorliegt bzw. im Anhörungsverfahren<br />
beigebracht wird.<br />
Beispiel:<br />
Sie beschäftigen in Ihrem Hotel eine Bürokauffrau.<br />
Anlässlich einer Betriebsprüfung<br />
<strong>de</strong>r Deutschen Rentenversicherung im September<br />
diese Jahres wur<strong>de</strong> festgestellt, <strong>das</strong>s<br />
Sie Ihrer Mitarbeiterin im Dezember 2012<br />
versehentlich 800 Euro gezahlt haben, ohne<br />
<strong>das</strong>s <strong>de</strong>r Betrag von Ihnen in <strong>de</strong>r Lohnbuchhaltung<br />
versteuert und verbeitragt wur<strong>de</strong>.<br />
Die Mitarbeiterin war im Dezember 2012 gesetzlich<br />
kranken- und pflegeversichert. Die<br />
Beschäftigte hat keine Kin<strong>de</strong>r und hat bereits<br />
<strong>das</strong> 23. Lebensjahr vollen<strong>de</strong>t. In <strong>de</strong>r gesetzlichen<br />
Pflegeversicherung ist <strong>de</strong>r Zusatzbeitrag<br />
zu entrichten. Außer<strong>de</strong>m wohnt<br />
sie in Bayern und ist kirchensteuerpflichtig.<br />
Nettolohnberechnung<br />
bei Lohnsteuerklasse I:<br />
Hier errechnet sich ein sozialversicherungspflichtiger<br />
Bruttolohn in Höhe von 1.030,82<br />
Euro (15,91 Euro Lohnsteuer, 1,27 Euro Kirchensteuer<br />
und 213,64 Euro Sozialversicherungsbeiträge<br />
= Arbeitnehmeranteile).<br />
Nettolohnfiktion: Wann dürfen die Betriebsprüfer <strong>de</strong>n Nettolohn um die Steuer erhöhen?<br />
<strong>Journal</strong> <strong>für</strong> <strong>das</strong> <strong>Lohnbüro</strong> August 2013 | 9
Nettolohnberechnung<br />
bei Lohnsteuerklasse III:<br />
Hier errechnet sich ein sozialversicherungspfl<br />
ichtiger Bruttolohn in Höhe von<br />
1.009,15 Euro (Steuern fallen keine an, nur<br />
209,15 Euro Sozialversicherungsbeiträge =<br />
Arbeitnehmeranteile).<br />
Nettolohnberechnung<br />
bei Lohnsteuerklasse V:<br />
Hier errechnet sich ein sozialversicherungspflichtiger<br />
Bruttolohn in Höhe von<br />
1.286,54 Euro (193,75 Euro Lohnsteuer,<br />
10,65 Euro Solidaritätszuschlag und 15,50 Euro<br />
Kirchensteuer und 266,64 Euro Sozialversicherungsbeiträge<br />
= Arbeitnehmeranteile).<br />
Nettolohnberechnung<br />
bei Lohnsteuerklasse VI:<br />
Hier errechnet sich ein sozialversicherungspflichtiger<br />
Bruttolohn in Höhe von<br />
1.402,37 Euro (274,66 Euro Lohnsteuer,<br />
15,10 Euro Solidaritätszuschlag und 21,97 Euro<br />
Kirchensteuer und 290,64 Euro Sozialversicherungsbeiträge<br />
= Arbeitnehmeranteile).<br />
Allerdings darf die Nettolohnfiktion in<br />
<strong>de</strong>r Praxis nicht dazu dienen, <strong>das</strong>s <strong>de</strong>r<br />
beitragspflichtige Lohn und die Nachfor<strong>de</strong>rung<br />
<strong>de</strong>r Sozialversicherungsbeiträge<br />
in nicht realistische Höhen getrieben<br />
wer<strong>de</strong>n.<br />
MICHAEL SCHMATZ<br />
Sozialversicherungsfachwirt<br />
Wirtschaftsjournalist<br />
Insolvenzereignis: So ist einmaliges Arbeitsentgelt<br />
richtig zu verbeitragen<br />
Einmalig gezahltes Arbeitsentgelt sind<br />
Zuwendungen, die <strong>de</strong>m Arbeitsentgelt<br />
zuzurechnen sind und nicht <strong>für</strong> die Arbeit<br />
in einem einzelnen Entgeltabrechnungszeitraum<br />
gezahlt wer<strong>de</strong>n. Nachfolgend<br />
verraten wir Ihnen, wie einmalig<br />
gezahltes Arbeitsentgelt nach Eintritt <strong>de</strong>r<br />
Insolvenz eines Unternehmens richtig zu<br />
verbeitragen ist.<br />
Nach § 23a Abs. 3 Satz 1 Sozialgesetzbuch<br />
(SGB) IV unterliegt einmalig gezahltes Arbeitsentgelt<br />
insoweit <strong>de</strong>r Beitragspflicht,<br />
als <strong>das</strong> bisher gezahlte beitragspflichtige<br />
Arbeitsentgelt die anteiligen Beitragsbemessungsgrenzen<br />
nicht erreicht. Für die<br />
Ermittlung <strong>de</strong>r anteiligen Beitragsbemessungsgrenzen<br />
sind nach § 23a Abs. 3 Satz<br />
2 SGB IV alle im Laufe eines Kalen<strong>de</strong>rjahres<br />
beitragspflichtigen Zeiten <strong>de</strong>s<br />
Beschäftigungsverhältnisses (Sozialversicherungstage)<br />
bei <strong>de</strong>m Arbeitgeber, <strong>de</strong>r<br />
<strong>das</strong> einmalig gezahlte Arbeitsentgelt auszahlt,<br />
zu addieren. Dabei sind auch<br />
frühere Beschäftigungsverhältnisse bei<br />
<strong>de</strong>mselben Arbeitgeber im laufen<strong>de</strong>n Kalen<strong>de</strong>rjahr<br />
zu berücksichtigen. Unberücksichtigt<br />
bleiben hingegen Zeiten <strong>de</strong>r Beschäftigung<br />
im laufen<strong>de</strong>n Kalen<strong>de</strong>rjahr<br />
bei einem an<strong>de</strong>ren Arbeitgeber als <strong>de</strong>m,<br />
<strong>de</strong>r die Einmalzahlung gewährt.<br />
Einmalig gezahltes Arbeitsentgelt sind<br />
Zuwendungen, die <strong>de</strong>m Arbeitsentgelt<br />
zuzurechnen sind und nicht <strong>für</strong> die Arbeit<br />
in einem einzelnen Entgeltabrechnungszeitraum<br />
gezahlt wer<strong>de</strong>n.<br />
Zu <strong>de</strong>n Einmalzahlungen gehören:<br />
• Urlaubs- und Weihnachtsgeld<br />
• Gewinnbeteiligungen und Gratifikationen<br />
• Auszahlungen von nicht in Anspruch<br />
genommenem Urlaub<br />
• Jubiläumszuwendungen<br />
• Heirats- und Geburtsbeihilfen<br />
Ruhen <strong>de</strong>s Beschäftigungsverhältnisses<br />
Einmalig gezahltes Arbeitsentgelt versicherungspflichtig<br />
Beschäftigter ist<br />
grundsätzlich <strong>de</strong>m Entgeltabrechnungszeitraum<br />
zuzuordnen, in <strong>de</strong>m es gezahlt<br />
wird. Sofern die Zahlung nach Beendigung<br />
o<strong>de</strong>r bei Ruhen <strong>de</strong>s Beschäftigungsverhältnisses<br />
erfolgt, ist <strong>das</strong> einmalig<br />
gezahlte Arbeitsentgelt <strong>de</strong>m letzten<br />
Entgeltabrechnungszeitraum <strong>de</strong>s laufen<strong>de</strong>n<br />
Kalen<strong>de</strong>rjahres zuzuordnen, auch<br />
wenn dieser nicht mit Arbeitsentgelt belegt<br />
ist (§ 23a SGB IV). Einmalzahlungen<br />
sind, sofern die Bemessungsgrenzen<br />
nicht überschritten wer<strong>de</strong>n, beitragspflichtig<br />
in <strong>de</strong>r Kranken-, Pflege-, Rentenund<br />
Arbeitslosenversicherung. Beitragspflicht<br />
gilt aber nur dann, wenn eine<br />
vertraglich vereinbarte Einmalzahlung<br />
auch tatsächlich ausgezahlt wird.<br />
Beiträge richtig errechnen<br />
Für die Ermittlung <strong>de</strong>r Sozialversicherungsbeiträge<br />
wer<strong>de</strong>n Einmalzahlungen<br />
normalerweise <strong>de</strong>m Gehaltsmonat zugeordnet,<br />
in <strong>de</strong>m sie ausgezahlt wer<strong>de</strong>n. Um<br />
festzustellen, ob und bis zu welcher Höhe<br />
<strong>für</strong> eine Einmalzahlung Sozialversicherungsbeiträge<br />
gezahlt wer<strong>de</strong>n müssen,<br />
muss die anteilige Jahresbeitragsbemessungsgrenze<br />
bis zu <strong>de</strong>m Monat ermittelt<br />
wer<strong>de</strong>n, in <strong>de</strong>m die Son<strong>de</strong>rzahlung stattfin<strong>de</strong>t.<br />
Grundlage da<strong>für</strong> sind die sogenannten<br />
„Sozialversicherungstage“. Die<br />
jährlichen Beitragsbemessungsgrenzen<br />
wer<strong>de</strong>n durch 360 geteilt und anschließend<br />
mit <strong>de</strong>r Anzahl <strong>de</strong>r bereits angefallenen<br />
Sozialversicherungstage multipliziert.<br />
Beitragsfreie Zeiten, zum Beispiel<br />
während <strong>de</strong>s Bezugs von Krankengeld,<br />
sowie Beschäftigungszeiten bei einem an<strong>de</strong>ren<br />
Arbeitgeber wer<strong>de</strong>n dabei nicht<br />
mitgezählt. Erhalten die Mitarbeiter mehrere<br />
Einmalzahlungen pro Jahr, also zum<br />
Beispiel im Juli Urlaubs- und im November<br />
Weihnachtsgeld, muss <strong>für</strong> die Feststellung<br />
<strong>de</strong>r Beitragspflicht bei <strong>de</strong>r Zahlung<br />
<strong>de</strong>s Weihnachtsgel<strong>de</strong>s die erste Son<strong>de</strong>rzahlung<br />
mitberücksichtigt wer<strong>de</strong>n. Sofern<br />
sie beitragspflichtig war, wird sie<br />
zum bereits erhaltenen laufen<strong>de</strong>n Arbeitsentgelt<br />
addiert.<br />
Beispiel:<br />
Ein Arbeitnehmer ist seit 01.05.2012 bei <strong>de</strong>r<br />
XY GmbH beschäftigt. Die XY GmbH hat<br />
ihren Betriebssitz in <strong>de</strong>n alten Bun<strong>de</strong>slän<strong>de</strong>rn.<br />
Der Beschäftigte verdient pro Monat<br />
3.900 Euro. Im Juli 2013 erhält er von seinem<br />
Arbeitgeber ein Urlaubsgeld in Höhe von<br />
1.000 Euro.<br />
Feststellung <strong>de</strong>r Beitragspflicht<br />
beim Urlaubsgeld<br />
• 210 Sozialversicherungstage bis<br />
31.07.2013<br />
• Anteilige Jahresbeitragsbemessungsgrenze<br />
in <strong>de</strong>r gesetzlichen Krankenversicherung:<br />
47.250 Euro : 360 Tage x 210<br />
Tage = 27.562,50 Euro<br />
10 | <strong>Journal</strong> <strong>für</strong> <strong>das</strong> <strong>Lohnbüro</strong> August 2013 Insolvenzereignis: So ist einmaliges Arbeits entgelt richtig zu verbeitragen
• Anteilige Jahresbeitragsbemessungsgrenze<br />
in <strong>de</strong>r gesetzlichen Rentenversicherung:<br />
69.600 Euro : 360 Tage x 210<br />
Tage = 40.600 Euro<br />
• Laufen<strong>de</strong>s Arbeitsentgelt bis 31.07.2013:<br />
27.300 Euro<br />
Damit liegt <strong>de</strong>r Arbeitnehmer mit 262,50 Euro<br />
unter <strong>de</strong>r Grenze <strong>de</strong>r gesetzlichen Krankenversicherung<br />
und mit 13.300 Euro unter <strong>de</strong>r<br />
Grenze <strong>de</strong>r gesetzlichen Rentenversicherung.<br />
Für <strong>das</strong> Urlaubsgeld gilt Folgen<strong>de</strong>s:<br />
In <strong>de</strong>r gesetzlichen Krankenversicherung<br />
sind 262,50 Euro <strong>de</strong>s Urlaubsgel<strong>de</strong>s beitragspflichtig,<br />
die restlichen 737,50 Euro<br />
sind beitragsfrei. In <strong>de</strong>r gesetzlichen Rentenversicherung<br />
ist <strong>das</strong> gesamte Urlaubsgeld<br />
beitragspflichtig.<br />
Während einer beitragsfreien Zeit<br />
Erhält ein Arbeitnehmer in <strong>de</strong>m Monat, in<br />
<strong>de</strong>m eine Einmalzahlung gezahlt wird,<br />
kein laufen<strong>de</strong>s Arbeitsentgelt, weil er zum<br />
Beispiel Krankengeld bezieht o<strong>de</strong>r Elternzeit<br />
genommen hat, wird die Einmalzahlung<br />
<strong>de</strong>nnoch diesem Monat zugeordnet.<br />
Die Feststellung <strong>de</strong>r Beitragspflicht erfolgt<br />
nach <strong>de</strong>m gleichen Muster wie im obigen<br />
Beispiel. Allerdings wird hier unter <strong>de</strong>m<br />
laufen<strong>de</strong>n Gehalt nur <strong>das</strong> tatsächlich gezahlte<br />
Arbeitsentgelt berücksichtigt. Bei<br />
<strong>de</strong>n Sozialversicherungstagen zählen nur<br />
die Kalen<strong>de</strong>rtage, an <strong>de</strong>nen Beitragspflicht<br />
bestan<strong>de</strong>n hat.<br />
Verbeitragung nach<br />
Beschäftigungsen<strong>de</strong><br />
Erhält ein Arbeitnehmer, <strong>de</strong>r <strong>das</strong> Unternehmen<br />
verlassen hat, nachträglich noch<br />
eine Einmalzahlung, zum Beispiel eine<br />
Vergütung von nicht in Anspruch genommenem<br />
Urlaub, so wird sie <strong>de</strong>m letzten<br />
Monat <strong>de</strong>r Beschäftigung zugeordnet.<br />
Das Gleiche gilt, wenn die Einmalzahlung<br />
während <strong>de</strong>r Unterbrechung <strong>de</strong>s Arbeitsverhältnisses,<br />
zum Beispiel während<br />
eines unbezahlten Urlaubs, anfällt. Zur<br />
Feststellung <strong>de</strong>r Sozialversicherungspflicht<br />
ermitteln Sie die anteiligen Bemessungsgrenzen<br />
bis einschließlich <strong>de</strong>s letzten<br />
Monats, in <strong>de</strong>m <strong>de</strong>r Arbeitnehmer im<br />
Betrieb gearbeitet hat.<br />
Einmalzahlungen sind beitragsfrei,<br />
• wenn sie in <strong>de</strong>m Kalen<strong>de</strong>rjahr, <strong>das</strong> auf<br />
<strong>das</strong> En<strong>de</strong> <strong>de</strong>s Arbeitsverhältnisses folgt,<br />
nach <strong>de</strong>m 31.03. gezahlt wer<strong>de</strong>n o<strong>de</strong>r<br />
• wenn sie bei Weiterbestehen <strong>de</strong>s Beschäftigungsverhältnisses<br />
in einem<br />
Kalen<strong>de</strong>rjahr gezahlt wer<strong>de</strong>n, in <strong>de</strong>m<br />
bis zum Zeitpunkt <strong>de</strong>r Zahlung kein<br />
laufen<strong>de</strong>s Arbeitsentgelt angefallen ist.<br />
Das kann <strong>für</strong> Arbeitnehmer zutreffen,<br />
die Elternzeit genommen haben.<br />
Märzklausel ist zu beachten<br />
Für Einmalzahlungen, die im ersten<br />
Quartal eines Kalen<strong>de</strong>rjahres ausgezahlt<br />
wer<strong>de</strong>n, gilt eine Beson<strong>de</strong>rheit: Sie wer<strong>de</strong>n<br />
<strong>de</strong>m letzten Entgeltabrechnungsmonat<br />
<strong>de</strong>s Vorjahres, also in <strong>de</strong>r Regel <strong>de</strong>m<br />
Monat Dezember, zugeordnet, wenn<br />
• im vergangenen Jahr bei <strong>de</strong>mselben<br />
Arbeitgeber ein Beschäftigungsverhältnis<br />
bestan<strong>de</strong>n hat und<br />
• wenn im aktuellen Kalen<strong>de</strong>rjahr die<br />
Beitragsbemessungsgrenze zur gesetzlichen<br />
Krankenversicherung überschritten<br />
wird.<br />
In <strong>de</strong>r Praxis unterschiedliche<br />
Auffassungen<br />
In <strong>de</strong>r Praxis bestehen unterschiedliche<br />
Auffassungen darüber, ob im Insolvenzfall<br />
mit <strong>de</strong>m Übergang <strong>de</strong>r Verfügungsgewalt<br />
<strong>de</strong>s Betriebsinhabers o<strong>de</strong>r Geschäftsführers<br />
auf <strong>de</strong>n Insolvenzverwalter<br />
ein Arbeitgeberwechsel eintritt und sich<br />
dadurch gegebenenfalls <strong>de</strong>r beitragspflichtige<br />
Anteil von einmalig gezahltem<br />
Arbeitsentgelt än<strong>de</strong>rt.<br />
Übergang<br />
Durch <strong>de</strong>n Beschluss <strong>de</strong>s Amtsgerichts<br />
über die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens<br />
geht <strong>das</strong> Recht <strong>de</strong>s Arbeitgebers,<br />
<strong>das</strong> zur Insolvenzmasse gehören<strong>de</strong> Vermögen<br />
zu verwalten und über es zu verfügen,<br />
auf <strong>de</strong>n Insolvenzverwalter über<br />
(§ 80 Abs. 1 Insolvenzordnung – InsO –).<br />
Die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens<br />
wirkt sich auf <strong>de</strong>n Bestand <strong>de</strong>r Arbeitsverhältnisse<br />
nicht aus. Grundsätzlich gelten<br />
die Regelungen <strong>de</strong>s allgemeinen Arbeitsrechts<br />
fort. Der Insolvenzverwalter nimmt<br />
die Funktion <strong>de</strong>s (bisherigen) Arbeitgebers<br />
ein. Die Arbeitsverhältnisse bestehen<br />
nach § 108 Abs. 1 InsO mit Wirkung <strong>für</strong><br />
die Insolvenzmasse fort. Der Insolvenzverwalter<br />
hat die Arbeitnehmer weiter zu<br />
beschäftigen.<br />
Insolvenzverwalter übernimmt<br />
Funktion <strong>de</strong>s bisherigen Arbeitgebers<br />
Der Eintritt <strong>de</strong>s Insolvenzverwalters in<br />
die Funktion <strong>de</strong>s (bisherigen) Arbeitgebers<br />
ist nicht als Betriebsübergang (§ 613a<br />
Bürgerliches Gesetzbuch – BGB –) zu beurteilen.<br />
Ein Betriebsübergang im Sinne<br />
von § 613a BGB liegt vor, wenn ein neuer<br />
Rechtsträger die wirtschaftliche Einheit<br />
unter Wahrung ihrer I<strong>de</strong>ntität fortführt<br />
(Urteil <strong>de</strong>s Bun<strong>de</strong>sarbeitsgerichts vom<br />
15.12.2011, Az.: 8 AZR 692/10). Die Regelung<br />
<strong>de</strong>s § 613a BGB setzt insofern einen<br />
Wechsel <strong>de</strong>s Betriebsinhabers voraus. Ein<br />
solcher liegt beim Übergang <strong>de</strong>s Verwaltungs-<br />
und Verfügungsrechts auf <strong>de</strong>n<br />
Insolvenzverwalter nicht vor.<br />
Es tritt kein Arbeitgeberwechsel ein<br />
Mit <strong>de</strong>m bei Eröffnung <strong>de</strong>s Insolvenzverfahrens<br />
einhergehen<strong>de</strong>n Übergang <strong>de</strong>r<br />
Verfügungsgewalt <strong>de</strong>s Betriebsinhabers<br />
o<strong>de</strong>r Geschäftsführers auf <strong>de</strong>n Insolvenzverwalter<br />
tritt, nach Auffassung <strong>de</strong>r Spitzenorganisationen<br />
in <strong>de</strong>r Sozialversicherung<br />
vom 14./15.11.2012 (TOP 4), kein<br />
Arbeitgeberwechsel ein, <strong>de</strong>r im Sinne <strong>de</strong>r<br />
Regelung <strong>de</strong>s § 23a Abs. 3 Satz 2 SGB IV<br />
<strong>für</strong> die Ermittlung <strong>de</strong>r anteiligen Jahresbeitragsbemessungsgrenzen<br />
von Be<strong>de</strong>utung<br />
wäre. Wird nach Eintritt <strong>de</strong>s Insolvenzereignisses<br />
einmalig gezahltes<br />
Arbeitsentgelt gewährt, sind <strong>für</strong> die Ermittlung<br />
<strong>de</strong>s beitragspflichtigen Anteils<br />
alle im Laufe eines Kalen<strong>de</strong>rjahres beitragspflichtigen<br />
Zeiten <strong>de</strong>s Beschäftigungsverhältnisses<br />
bei <strong>de</strong>m (insolventen)<br />
Arbeitgeber einschließlich <strong>de</strong>r Zeiten nach<br />
Eintritt <strong>de</strong>s Insolvenzereignisses zu berücksichtigen.<br />
MICHAEL SCHMATZ<br />
Sozialversicherungsfachwirt<br />
Wirtschaftsjournalist<br />
Insolvenzereignis: So ist einmaliges Arbeits entgelt richtig zu verbeitragen<br />
<strong>Journal</strong> <strong>für</strong> <strong>das</strong> <strong>Lohnbüro</strong> August 2013 | 11
BAG-Urteil zur Berechnung <strong>de</strong>s pfändbaren<br />
Betrages<br />
Das Bun<strong>de</strong>sarbeitsgericht (BAG) hat mit<br />
Urteil vom 17. April 2013, 10 AZR 59/12<br />
entschie<strong>de</strong>n, <strong>das</strong>s bei <strong>de</strong>r Berechnung <strong>de</strong>s<br />
pfändbaren Einkommens gemäß § 850e<br />
Nr. 1 Satz 1 ZPO die sog. Nettometho<strong>de</strong><br />
anzuwen<strong>de</strong>n ist. Dieses Urteil ist <strong>für</strong> die<br />
Entgeltabrechnungspraxis von großer Be<strong>de</strong>utung.<br />
Dieser Artikel erläutert sowohl die nun<br />
vom BAG entschie<strong>de</strong>ne Berechnungsweise<br />
(Nettometho<strong>de</strong>) als auch die Ermittlung<br />
<strong>de</strong>s pfändbaren Betrages nach <strong>de</strong>r<br />
Bruttometho<strong>de</strong>, welche nach bisheriger<br />
herrschen<strong>de</strong>r Meinung im Schrifttum vertreten<br />
wur<strong>de</strong>.<br />
Ermittlung <strong>de</strong>s pfändbaren<br />
Betrages<br />
Probleme gab es immer dann, wenn im<br />
Bruttoeinkommen <strong>de</strong>s Arbeitnehmers unpfändbare<br />
Bezüge im Sinne <strong>de</strong>s § 850a<br />
ZPO vorhan<strong>de</strong>n waren.<br />
Beispiel:<br />
AN, Steuerklasse III/0, kin<strong>de</strong>rlos, Gehalt 2.000 €, 300 € Gefahrenzulage*, 200 €<br />
Erschwerniszulage* (* = unpfändbar).<br />
Gesetzliche Abzüge aus 2.500 €: Steuerliche Abzüge = 131,93 €/sv-rechtliche Abzüge<br />
= 510,63 €<br />
2.500,00 € Bruttoarbeitseinkommen (1)<br />
- 500,00 € unpfändbare Bezüge gem. § 850a ZPO<br />
- 131,93 € steuerliche Abzüge aus (1)<br />
- 510,63 € sv-rechtliche Abzüge aus (1)<br />
= 1.357,44 € Pfändungsnetto (Grundlage <strong>für</strong> Pfändungstabelle)<br />
Alternativ ist auch folgen<strong>de</strong> Berechnung möglich:<br />
2.500,00 € Bruttoarbeitseinkommen (1)<br />
- 131,93 € steuerliche Abzüge aus (1)<br />
- 510,63 € sv-rechtliche Abzüge aus (1)<br />
= 1.857,44 € Netto gem. Verdienstabrechnung<br />
- 500,00 € unpfändbare Bruttobezüge<br />
= 1.357,44 € Pfändungsnetto (Grundlage <strong>für</strong> Pfändungstabelle)<br />
Bei einer unterhaltsberechtigten Person und einem Pfändungsnetto in Höhe von<br />
1.357,44 € fällt kein pfändbarer Betrag an.<br />
Der Drittschuldner hat <strong>das</strong> pfändbare<br />
Netto-Arbeitseinkommen nach <strong>de</strong>n Vorschriften<br />
<strong>de</strong>s § 850e ZPO zu ermitteln (sog.<br />
Nettolohnprinzip). Dazu hat <strong>de</strong>r Arbeitgeber<br />
als Drittschuldner vom pfändbaren<br />
Bruttoeinkommen die unpfändbaren Teile<br />
<strong>de</strong>s Arbeitseinkommens nach § 850a ZPO<br />
sowie die Lohnsteuer, Solidaritätszuschlag,<br />
Kirchensteuer und Sozialversicherungsbeiträge<br />
<strong>de</strong>s Arbeitnehmers abzuziehen.<br />
Die Bruttometho<strong>de</strong><br />
Bei <strong>de</strong>r Bruttometho<strong>de</strong> wer<strong>de</strong>n vom pfändbaren<br />
gesamten Bruttoarbeitseinkommen<br />
die Lohnsteuer, ggf. Kirchensteuer, Solidaritätszuschlag<br />
und die Arbeitnehmerbeiträge<br />
zur Sozialversicherung aus <strong>de</strong>m<br />
Bruttolohn (einschließlich aus <strong>de</strong>n unpfändbaren<br />
Beträgen) abgezogen. Somit ergibt<br />
sich folgen<strong>de</strong>r Rechenweg:<br />
Bruttoarbeitseinkommen<br />
./. unpfändbare Bezüge<br />
./. Steuern und SV-Beiträge <strong>de</strong>s AN<br />
(aus gesamten Bruttoarbeitseinkommen)<br />
= Pfändungsnetto<br />
Wie aus <strong>de</strong>m Rechenbeispiel ersichtlich,<br />
wer<strong>de</strong>n die anfallen<strong>de</strong>n gesetzlichen Abzüge<br />
im Ergebnis zweimal vom Gesamtbruttoeinkommen<br />
<strong>de</strong>s Schuldners abgezogen:<br />
• einmal wird <strong>das</strong> Gesamtbruttoeinkommen<br />
um die unpfändbaren Bruttobeträge<br />
gekürzt und<br />
• anschließend die <strong>für</strong> <strong>das</strong> Gesamtbruttoeinkommen<br />
<strong>de</strong>s Schuldners zu zahlen<strong>de</strong>n<br />
gesetzlichen Abzüge voll abgezogen.<br />
Die Nettometho<strong>de</strong><br />
Bei <strong>de</strong>r Nettometho<strong>de</strong> hingegen wird <strong>das</strong><br />
Pfändungsnetto ermittelt, in<strong>de</strong>m <strong>de</strong>r Drittschuldner<br />
<strong>das</strong> Bruttoarbeitseinkommen –<br />
ohne pfändbare Bezüge – um die hierauf<br />
entfallenen gesetzlichen Abzüge min<strong>de</strong>rt.<br />
Bleiben wir bei obigem Beispiel und berechnen<br />
nun <strong>de</strong>n pfändbaren Betrag nach<br />
<strong>de</strong>r Nettometho<strong>de</strong>.<br />
AN, Steuerklasse III/0, kin<strong>de</strong>rlos, Gehalt<br />
2.000 Euro, 300 Euro Gefahrenzulage*, 200<br />
Euro Erschwerniszulage* (* = unpfändbar).<br />
Gesetzliche Abzüge aus 2.000 Euro: Steuerliche<br />
Abzüge = 36,18 Euro/sv-rechtliche<br />
Abzüge = 408,50 Euro.<br />
2.500,00 € Bruttoarbeitseinkommen<br />
- 500,00 € unpfändbare Bezüge<br />
gem. § 850a ZPO<br />
= 2.000,00 € Pfändungsbrutto (1)<br />
- 36,18 € steuerliche Abzüge<br />
aus (1)<br />
- 408,50 € sv-rechtliche Abzüge<br />
aus (1)<br />
= 1.555,32 € Pfändungsnetto<br />
(Grundlage <strong>für</strong><br />
Pfändungstabelle)<br />
Bei einer unterhaltsberechtigten Person<br />
und einem Pfändungsnetto in Höhe von<br />
1.555,32 Euro sind laut Pfändungstabelle<br />
55,83 Euro pfändbar.<br />
Vertreter <strong>de</strong>r Bruttometho<strong>de</strong><br />
In unserem Beispiel erhält <strong>de</strong>r Gläubiger<br />
bei Anwendung <strong>de</strong>r Bruttometho<strong>de</strong> – trotz<br />
eines höheren Bruttoarbeitseinkommen<br />
<strong>de</strong>s Schuldners – keinen pfändbaren<br />
Betrag.<br />
Dennoch war nach (bisheriger) herrschen<strong>de</strong>r<br />
Meinung im Schrifttum nach <strong>de</strong>r Bruttometho<strong>de</strong><br />
zu verfahren (so u. a. Hintzen,<br />
Lohnpfändung, Rz 119 o<strong>de</strong>r Stöber, For<strong>de</strong>rungspfändung,<br />
Rz 98 und Rz 1134).<br />
Auch Bigge/Rath teilten in <strong>de</strong>r Broschüre<br />
Lohnpfändung und Lohnabtretung unter<br />
12 | <strong>Journal</strong> <strong>für</strong> <strong>das</strong> <strong>Lohnbüro</strong> August 2013 BAG-Urteil zur Berechnung <strong>de</strong>s pfändbaren Betrages
kommens gemäß § 850e Nr. 1 Satz 1 ZPO<br />
die sog. Nettometho<strong>de</strong> anzuwen<strong>de</strong>n ist.<br />
Der Leitsatz: „Bei <strong>de</strong>r Berechnung <strong>de</strong>s<br />
pfändbaren Einkommens gemäß § 850e<br />
Nr. 1 Satz 1 ZPO gilt die sog. Nettometho<strong>de</strong>.<br />
Die <strong>de</strong>r Pfändung entzogenen Bezüge<br />
sind mit ihrem Bruttobetrag vom Gesamteinkommen<br />
abzuziehen. Ein erneuter<br />
Abzug <strong>de</strong>r auf diesen Bruttobetrag entfallen<strong>de</strong>n<br />
Steuern und Abgaben erfolgt<br />
nicht.“<br />
unpict © www.fotolia.<strong>de</strong><br />
In <strong>de</strong>r Pfändungsfalle: Die Nettometho<strong>de</strong> wird Pflicht.<br />
Pkt. 3.1.1 diese Meinung: „Dass die Berechnung<br />
ggf. bei beson<strong>de</strong>ren Einkommenskonstellationen<br />
u. U. dazu führt,<br />
<strong>das</strong>s in einem Monat mit Weihnachtsgeldzahlung<br />
sogar geringere Beträge pfändbar<br />
sind als in Monaten mit laufen<strong>de</strong>m Einkommen,<br />
ist – unter Berücksichtigung <strong>de</strong>s<br />
beson<strong>de</strong>ren Schutzgedankens <strong>de</strong>s § 850a<br />
ZPO Nr. 4 ZPO – hinzunehmen.“<br />
Vertreter <strong>de</strong>r Nettometho<strong>de</strong><br />
Die Ten<strong>de</strong>nz hat sich bereits in <strong>de</strong>n letzten<br />
Jahren jedoch in Richtung Nettometho<strong>de</strong><br />
verschoben, weil bei näherer Betrachtung<br />
die Bruttometho<strong>de</strong> rechtlichen Be<strong>de</strong>nken<br />
begegnet. Die Bruttometho<strong>de</strong> zieht im Ergebnis<br />
die auf <strong>de</strong>n unpfändbaren Teil entfallenen<br />
Steuern und Sozialversicherungsbeiträge<br />
zweimal vom Gesamtbruttolohn<br />
<strong>de</strong>s Schuldners ab. „Für diesen Steuer- und<br />
Sozialversicherungsbonus zugunsten <strong>de</strong>s<br />
Schuldners gibt es keinen plausiblen<br />
Grund. Abrechnungstechnisch ist <strong>de</strong>r unpfändbare<br />
Betrag nach § 850a ZPO gänzlich<br />
unberücksichtigt zu lassen, so als ob<br />
<strong>de</strong>r Schuldner diesen Betrag überhaupt<br />
nicht erhalten hätte. Diese Lösung entspricht<br />
<strong>de</strong>r Intention <strong>de</strong>s Gesetzes“ (Dietrich<br />
Boewer, Vorsitzen<strong>de</strong>r Richter am<br />
Lan<strong>de</strong>sarbeitsgericht Düsseldorf, a. D.,<br />
Handbuch Lohnpfändung, Rn 752 ff.).<br />
Viele Praktiker teilten seit längerem diese<br />
Auffassung, u. a. Müller/Wolf in <strong>de</strong>r Fachzeitschrift<br />
Lohn+Gehalt, Ausgabe 4/2012.<br />
Ebenfalls <strong>für</strong> die Nettometho<strong>de</strong> sprechen<br />
sich Hellwich/Frankenberg im Buch Pfändung<br />
<strong>de</strong>s Arbeitseinkommens aus: „Nach<br />
<strong>de</strong>n Intentionen <strong>de</strong>r Gesetzesnorm <strong>de</strong>s<br />
§ 850a ZPO spricht meiner Ansicht alles<br />
BAG-Urteil zur Berechnung <strong>de</strong>s pfändbaren Betrages<br />
<strong>für</strong> einen gerechten Interessenausgleich<br />
zwischen Gläubiger und Schuldner. Danach<br />
ist <strong>de</strong>r unpfändbare Teil <strong>de</strong>s Einkommens<br />
völlig unberücksichtigt zu lassen.“<br />
Bisherige Rechtsprechung<br />
Da bisher kein BAG-Urteil zu diesem<br />
Thema vorlag, konnte die Abrechnungspraxis<br />
höchstens auf diverse Urteile unterhalb<br />
<strong>de</strong>s Bun<strong>de</strong>sarbeitsgerichts zurückgreifen.<br />
Für die Bruttometho<strong>de</strong> u. a. LAG Berlin,<br />
Urteil v. 14.01.2000 – 19 Sa 2154/99 –:<br />
„Dabei ist ein nach § 850a Nr. 2 ZPO unpfändbares<br />
Urlaubsgeld als Bruttobetrag<br />
vom Gesamtbruttoeinkommen abzuziehen,<br />
obwohl dies zu einer doppelten Berücksichtigung<br />
<strong>de</strong>r auf <strong>das</strong> Urlaubsgeld<br />
entfallen<strong>de</strong>n Abzüge führt.“<br />
Das Arbeitsgericht Aachen wie<strong>de</strong>rum hat<br />
mit Urteil vom 21.02.2006 – 4 Ca 4544/05 –<br />
die Bruttometho<strong>de</strong> verneint. Aus <strong>de</strong>m Leitsatz:<br />
„Aus <strong>de</strong>r Formulierung <strong>de</strong>s § 850e<br />
Abs. 1 ZPO lässt sich nicht herleiten, <strong>das</strong>s<br />
die auf <strong>das</strong> zusätzliche Urlaubsgeld entfallen<strong>de</strong>n<br />
Steuern und Sozialabgaben vom<br />
Nettolohn <strong>de</strong>s Arbeitnehmers zweimal in<br />
Abzug zu bringen sind. Dem Arbeitnehmer<br />
soll vielmehr <strong>das</strong> Netto verbleiben,<br />
was er durch die Auszahlung <strong>de</strong>s Urlaubsgel<strong>de</strong>s<br />
netto mehr erhält. Insofern ist <strong>das</strong><br />
von <strong>de</strong>r herrschen<strong>de</strong>n Meinung vertretene<br />
Bruttoprinzip nicht anzuwen<strong>de</strong>n.“<br />
Nun endlich Klarheit<br />
Das Bun<strong>de</strong>sarbeitsgericht hat – u. a. mit<br />
Verweis auf Boewer, Handbuch Lohnpfändung,<br />
Rn 752 ff. – entschie<strong>de</strong>n, <strong>das</strong>s<br />
bei <strong>de</strong>r Berechnung <strong>de</strong>s pfändbaren Ein-<br />
BAG, Urteil vom 17. April 2013, Az. 10 AZR<br />
59/12, Rn. 35:<br />
„Aufgrund <strong>de</strong>r doppelten Berücksichtigung<br />
<strong>de</strong>r auf <strong>de</strong>n unpfändbaren Teil entfallen<strong>de</strong>n<br />
Steuern und Sozialversicherungsbeiträge<br />
bewirkt die Bruttometho<strong>de</strong>,<br />
<strong>das</strong>s <strong>das</strong> pfändbare Einkommen <strong>de</strong>s<br />
Arbeitnehmers umso niedriger ausfällt, je<br />
höher die unpfändbaren Bezüge i. S. d.<br />
§ 850a ZPO sind (Hk-ZV/Meller-Hannich,<br />
§ 850a Rn. 32; Bauckhage-Hoffer/Umnuß,<br />
NZI 2011, 745, 747). Ab einem bestimmten<br />
Anteil <strong>de</strong>r unpfändbaren Bezüge am Gesamteinkommen<br />
hat die Bruttometho<strong>de</strong><br />
<strong>de</strong>mentsprechend sogar zur Folge, <strong>das</strong>s<br />
<strong>das</strong> pfändbare Einkommen <strong>de</strong>s Schuldners<br />
allein wegen <strong>de</strong>r zusätzlichen unpfändbaren<br />
Bezüge unter die Pfändungsfreigrenzen<br />
<strong>de</strong>s § 850c ZPO fällt und eine<br />
Zwangsvollstreckung im Wege <strong>de</strong>r Pfändung<br />
vollständig ausgeschlossen ist (vgl.<br />
Bauckhage-Hoffer/Umnuß a. a. O). Die<br />
Bruttometho<strong>de</strong> führt damit zu <strong>de</strong>m paradoxen<br />
Ergebnis, <strong>das</strong>s <strong>de</strong>r Gläubiger in einer<br />
Lohnabrechnungsperio<strong>de</strong>, in <strong>de</strong>r <strong>de</strong>r<br />
Schuldner erheblich mehr verdient, kein<br />
Arbeitseinkommen pfän<strong>de</strong>n kann, nur<br />
weil zusätzlich unpfändbare Bezüge anfallen<br />
(vgl. Boewer/Bommermann, Lohnpfändung<br />
und Lohnabtretung in Recht<br />
und Praxis, Rn. 646; Boewer, Handbuch<br />
Lohnpfändung, Rn. 753; Bauckhage-<br />
Hoffer/Umnuß a. a. O).“<br />
„Demgegenüber führt die Nettometho<strong>de</strong><br />
zu zweckmäßigen und interessengerechten<br />
Ergebnissen. Der Umfang <strong>de</strong>r unpfändbaren<br />
Bezüge hat hier keinen Einfluss<br />
auf die Höhe <strong>de</strong>s pfändbaren<br />
Arbeitseinkommens. Der pfändbare Teil<br />
<strong>de</strong>s Arbeitseinkommens entspricht vielmehr<br />
stets <strong>de</strong>m Betrag, <strong>de</strong>n ein Gläubiger<br />
auch dann pfän<strong>de</strong>n kann, wenn <strong>de</strong>r Vollstreckungsschuldner<br />
keine Bezüge i. S. d.<br />
§ 850a ZPO erhält (Bauckhage-Hoffer/Umnuß,<br />
NZI 2011, 745, 747).“<br />
Fazit<br />
Nun hat die Praxis endlich ein höchstrichterliches<br />
Urteil. Immer wie<strong>de</strong>r gab es Auseinan<strong>de</strong>rsetzungen<br />
in <strong>de</strong>r Entgeltabrechnungspraxis.<br />
Häufig kamen von <strong>de</strong>r<br />
<strong>Journal</strong> <strong>für</strong> <strong>das</strong> <strong>Lohnbüro</strong> August 2013 | 13
Lohnpfändung betroffene Arbeitnehmer<br />
– unterstützt von <strong>de</strong>r Arbeitnehmervertretung<br />
– in die Personalabteilung und verlangten<br />
die Anwendung <strong>de</strong>r Bruttometho<strong>de</strong>,<br />
weil diese <strong>für</strong> <strong>de</strong>n Arbeitnehmer<br />
zu einem günstigeren Ergebnis führt. Arbeitgeber<br />
mit Anwendung <strong>de</strong>r Bruttometho<strong>de</strong><br />
sahen sich wie<strong>de</strong>rum <strong>de</strong>n „Anfeindungen“<br />
<strong>de</strong>r Gläubiger ausgesetzt, welche<br />
die Nettometho<strong>de</strong> verlangten. Dass <strong>de</strong>r<br />
Gesetzgeber in <strong>de</strong>n vielen Jahre nichts unternahm<br />
– z. B. in<strong>de</strong>m er <strong>de</strong>n Gesetzestext<br />
konkretisierte –, erinnert <strong>de</strong>n Autor an<br />
<strong>de</strong>n Begriff <strong>de</strong>r Bananenrepublik. Wie<strong>de</strong>r<br />
einmal mussten Gerichte <strong>de</strong>n Geist <strong>de</strong>s<br />
Verfassers ergrün<strong>de</strong>n und die unscharfen<br />
Formulierungen <strong>de</strong>s Gesetzgebers auslegen.<br />
FRANK MÜLLER<br />
Betriebswirt (VWA)<br />
selbst. Trainer und Unternehmensberater<br />
www.frag-<strong>de</strong>n-mueller.<strong>de</strong><br />
Bun<strong>de</strong>stagswahl 2013<br />
Ein Vergleich <strong>de</strong>r wichtigsten sozialpolitischen Wahlaussagen<br />
Die außeror<strong>de</strong>ntlich gute Beschäftigungslage<br />
hat die Staatseinnahmen im vergangenen Jahr<br />
auf ein neues Rekordniveau steigen lassen.<br />
Insbeson<strong>de</strong>re die Finanzlage <strong>de</strong>r gesetzlichen<br />
Renten- und Krankenversicherung ist <strong>de</strong>rzeit<br />
so gut wie lange nicht mehr. Das hat nahezu<br />
alle im Deutschen Bun<strong>de</strong>stag vertretenen Parteien<br />
dazu verleitet, in ihren Wahlprogrammen<br />
umfangreiche neue Sozialleistungen in Aussicht<br />
zu stellen. Einen Überblick über die wichtigsten<br />
sozialpolitischen Wahlaussagen von<br />
CDU/CSU, SPD, FDP, Bündnis´90/Die Grünen<br />
und Die Linke geben die nachfolgen<strong>de</strong>n<br />
vier doppelseitigen Übersichten.<br />
Aus Sicht <strong>de</strong>r Bun<strong>de</strong>svereinigung <strong>de</strong>r<br />
Deutschen Arbeitgeberverbän<strong>de</strong> (BDA)<br />
muss es in <strong>de</strong>r nächsten Legislaturperio<strong>de</strong><br />
vor allem darum gehen, die Sozialversicherungssysteme<br />
und die Staatsfinanzen<br />
durch Strukturreformen auf <strong>de</strong>r Ausgabenseite<br />
nachhaltig zu stabilisieren. Angesichts<br />
<strong>de</strong>r bevorstehen<strong>de</strong>n <strong>de</strong>mografischen<br />
Belastungen sind keine neuen<br />
Leistungsversprechen angezeigt. Sie wür<strong>de</strong>n<br />
die dauerhafte Finanzierbarkeit <strong>de</strong>r<br />
umlagefinanzierten Sozialversicherung<br />
weiter erschweren.<br />
Allgemein und im Speziellen bestehen<br />
folgen<strong>de</strong> Handlungsnotwendigkeiten:<br />
Abgabenlast dauerhaft auf unter<br />
40 Prozent begrenzen<br />
Nur mit weiteren Strukturanpassungen<br />
wird es gelingen, die Sozialabgaben dauerhaft<br />
unter 40 Prozent <strong>de</strong>s Lohns zu begrenzen.<br />
Eine höhere Belastung wäre we<strong>de</strong>r<br />
leistungs- noch generationengerecht.<br />
Dazu sollten die Leistungen <strong>de</strong>r Sozialversicherung<br />
auf eine Basissicherung beschränkt,<br />
ihre Finanzierung stärker vom<br />
Arbeitsverhältnis gelöst und durch individuelle<br />
Absicherungen ergänzt wer<strong>de</strong>n.<br />
So können Solidarität und Subsidiarität<br />
wie<strong>de</strong>r in ein angemessenes – d. h. sozial<br />
ausgewogenes und wirtschaftlich tragbares<br />
– Verhältnis rücken.<br />
Gesetzliche Rentenversicherung<br />
weiter stabilisieren<br />
Die Rentenreformen <strong>de</strong>r vergangenen<br />
Legislaturperio<strong>de</strong>n haben dazu beigetragen,<br />
die finanzielle Tragfähigkeit <strong>de</strong>r gesetzlichen<br />
Rentenversicherung <strong>de</strong>utlich<br />
zu stärken. Jetzt kommt es darauf an, die<br />
Verlängerung <strong>de</strong>r Lebensarbeitszeit auf 67<br />
Jahre konsequent umzusetzen und bereits<br />
beschlossene Maßnahmen nicht wie<strong>de</strong>r<br />
in Frage zu stellen. Angesichts <strong>de</strong>s <strong>de</strong>mo-<br />
Bun<strong>de</strong>stagswahl 2013 – Synopse <strong>de</strong>r wichtigsten sozialpolitischen Wahlaussagen<br />
CDU/CSU 1)<br />
SPD 2)<br />
A. Gesetzliche Rentenversicherung (GRV)<br />
– Kreis <strong>de</strong>r Pflichtversicherten<br />
– Rentenangleichung Ost/West<br />
Einführung einer obligatorischen Altersvorsorgepflicht<br />
<strong>für</strong> Selbstständige mit<br />
Verankerung eines echten Wahlrechts<br />
zwischen GRV und an<strong>de</strong>ren Vorsorgearten<br />
sowie Zulassung von Ausnahmen <strong>für</strong><br />
Altfälle und Existenzgrün<strong>de</strong>r. (S. 74)<br />
Erreichung <strong>de</strong>r Rentenangleichung in Ost<br />
und West nach gelten<strong>de</strong>m Recht. Festhalten<br />
an <strong>de</strong>n <strong>de</strong>rzeitigen Ost/West-Differenzierungen.<br />
(S. 59)<br />
Ausweitung <strong>de</strong>r Rentenversicherungspflicht<br />
auf Selbstständige ohne an<strong>de</strong>rweitige<br />
obligatorische Altersvorsorge. Ausbau<br />
<strong>de</strong>r GRV zu einer „Erwerbstätigenversicherung“.<br />
(S. 81)<br />
Einführung eines einheitlichen Rentenrechts<br />
in Ost- und West<strong>de</strong>utschland in<br />
Stufen bis zum Jahr 2020. Abschaffung<br />
<strong>de</strong>s Aufwertungsfaktors <strong>für</strong> die ost<strong>de</strong>utschen<br />
Löhne. Ankündigung eines „Rentenüberleitungsabschlussgesetzes“.<br />
(S. 81)<br />
14 | <strong>Journal</strong> <strong>für</strong> <strong>das</strong> <strong>Lohnbüro</strong> August 2013 Bun<strong>de</strong>stagswahl 2013
grafischen Wan<strong>de</strong>ls und <strong>de</strong>r zwingen<strong>de</strong>n<br />
Notwendigkeit, die öffentlichen Haushalte<br />
zu konsolidieren, sind neue Leistungsversprechen<br />
in <strong>de</strong>r gesetzlichen<br />
Alterssicherung nicht finanzierbar. Im Gegenteil:<br />
Durch weitere Strukturverän<strong>de</strong>rungen<br />
muss <strong>de</strong>r Beitragssatz auch dauerhaft<br />
unter 20 Prozent gehalten wer<strong>de</strong>n.<br />
Die zum 1. Januar 2014 mögliche Rentenbeitragssatzsenkung<br />
muss vollständig<br />
entsprechend <strong>de</strong>n gesetzlichen Vorgaben<br />
umgesetzt wer<strong>de</strong>n.<br />
Rahmenbedingungen <strong>de</strong>r betrieblichen<br />
Altersvorsorge verbessern<br />
Der <strong>de</strong>mografische Wan<strong>de</strong>l erfor<strong>de</strong>rt neben<br />
<strong>de</strong>r Begrenzung <strong>de</strong>s Ausgabenanstiegs<br />
in <strong>de</strong>r umlagefinanzierten gesetzlichen<br />
Rentenversicherung <strong>de</strong>n Ausbau<br />
von kapitalge<strong>de</strong>ckter Altersvorsorge. Attraktive<br />
steuer- und beitragsrechtliche Bedingungen<br />
und ein strikter Verzicht auf<br />
überflüssige Bürokratie sind die wichtigsten<br />
Voraussetzungen, um die betriebliche<br />
Altersvorsorge zu för<strong>de</strong>rn. Dann bestehen<br />
gute Aussichten, <strong>das</strong>s die betriebliche Altersvorsorge<br />
auf freiwilliger Grundlage<br />
noch weitere Verbreitung über <strong>das</strong> heutige<br />
Niveau von rd. 60 Prozent <strong>de</strong>r sozialversicherungspflichtig<br />
Beschäftigten fin<strong>de</strong>t.<br />
Kontraproduktiv wäre hingegen ein<br />
gesetzliches Obligatorium, <strong>das</strong> als<br />
Zwangslösung in <strong>de</strong>n Betrieben Bürokratie,<br />
Regulierung und Personalzusatzkosten<br />
steigern wür<strong>de</strong>.<br />
Nikolai Sorokin © www.fotolia.<strong>de</strong><br />
Sie haben die Wahl: Die sozialpolitischen Programme <strong>de</strong>r Parteien liegen vor<br />
Gesetzliche Krankenversicherung<br />
effizienter ausrichten<br />
In <strong>de</strong>r gesetzlichen Krankenversicherung<br />
sind weitere Strukturreformen, die sowohl<br />
auf <strong>de</strong>r Finanzierungs- als auch auf<br />
<strong>de</strong>r Leistungsseite ansetzen, nach wie vor<br />
dringlich. Insbeson<strong>de</strong>re muss die Krankheitskostenfinanzierung<br />
über <strong>de</strong>n kassenindividuellen<br />
Zusatzbeitrag hinaus vom<br />
Arbeitsverhältnis entkoppelt wer<strong>de</strong>n. Zur<br />
Effizienzsteigerung und Ausgabenbegrenzung<br />
muss <strong>de</strong>r Wettbewerb vor allem<br />
durch mehr Vertragsfreiheit auf allen Ebenen<br />
intensiviert und die Eigenverantwortung<br />
<strong>de</strong>r Versicherten wie<strong>de</strong>r <strong>de</strong>utlich gestärkt<br />
wer<strong>de</strong>n. Einheitsversicherungen<br />
sind teurer und führen zu geringerer Versorgungsqualität.<br />
Soziale Pflegeversicherung<br />
<strong>de</strong>mografiefest gestalten<br />
Damit die soziale Pflegeversicherung <strong>de</strong>m<br />
<strong>de</strong>mografischen Wan<strong>de</strong>l standhalten kann,<br />
sollte sie weiterhin <strong>de</strong>m Teilleistungsprinzip<br />
folgen. Eine Vollversicherung ist we<strong>de</strong>r<br />
finanzierbar noch generationengerecht. In<br />
<strong>de</strong>n kommen<strong>de</strong>n Jahrzehnten darf die Belastung<br />
<strong>de</strong>r Arbeitskosten durch Pflegeversicherungsbeiträge<br />
nicht noch weiter steigen.<br />
Ein künftiges Ausgabenwachstum,<br />
<strong>das</strong> <strong>de</strong>n Anstieg <strong>de</strong>r Beitragsbemessungsgrundlage<br />
übersteigt, darf nicht mehr zulasten<br />
von Löhnen und Gehältern gehen,<br />
son<strong>de</strong>rn muss über einkommensunabhängige<br />
Zusatzbeiträge <strong>de</strong>r Versicherten mit<br />
Sozialausgleich finanziert wer<strong>de</strong>n. Der geplante<br />
neue Pflegebedürftigkeitsbegriff<br />
kann und muss ausgabenneutral umgesetzt<br />
wer<strong>de</strong>n.<br />
FDP 3)<br />
DIE GRÜNEN 4)<br />
DIE LINKE 5)<br />
A. Gesetzliche Rentenversicherung (GRV)<br />
Keine Einbeziehung <strong>de</strong>r berufsständischen<br />
Versorgungswerke in die GRV.<br />
(S. 36)<br />
Keine Einführung einer Altersvorsorgepflicht<br />
<strong>für</strong> Selbstständige. (S. 37)<br />
Vereinheitlichung <strong>de</strong>s Rentenrechts in<br />
Ost- und West<strong>de</strong>utschland. (S. 37)<br />
Weiterentwicklung <strong>de</strong>r GRV zu einer<br />
„Bürgerversicherung“. Einbeziehung von<br />
Beamten, Selbstständigen und Abgeordneten<br />
in die GRV. Verbeitragung aller Einkommensarten.<br />
(S. 136)<br />
Möglichst schnelle Schaffung eines einheitlichen<br />
Rentenrechts in Ost- und West<strong>de</strong>utschland.<br />
Anhebung <strong>de</strong>s Rentenwerts<br />
(Ost) auf Westniveau. Beibehaltung <strong>de</strong>r<br />
bislang erworbenen Rentenansprüche.<br />
(S. 135)<br />
Einbeziehung aller Erwerbstätigen in die<br />
GRV, insbeson<strong>de</strong>re von Selbstständigen,<br />
Beamten und Politikern. Aufhebung <strong>de</strong>r<br />
Beitragsbemessungsgrenze in <strong>de</strong>r Rentenversicherung.<br />
(S. 19)<br />
Angleichung <strong>de</strong>s aktuellen Rentenwerts (Ost)<br />
an <strong>de</strong>n aktuellen Rentenwert bis spätestens<br />
En<strong>de</strong> 2017. Beibehaltung <strong>de</strong>s Hochwertungsfaktors<br />
<strong>für</strong> die ost<strong>de</strong>utschen Löhne. Ausgleich<br />
von Nachteilen bei <strong>de</strong>r Rentenüberleitung <strong>für</strong><br />
verschie<strong>de</strong>ne Berufsgruppen und geschie<strong>de</strong>ne<br />
Frauen. (S. 20)<br />
Bun<strong>de</strong>stagswahl 2013<br />
<strong>Journal</strong> <strong>für</strong> <strong>das</strong> <strong>Lohnbüro</strong> August 2013 | 15
– Leistungsniveau von …<br />
(1) Alters- und<br />
(2) Erwerbsmin<strong>de</strong>rungsrenten<br />
– Schutz vor Altersarmut<br />
CDU/CSU<br />
(1) Verlässliche Beteiligung <strong>de</strong>r Rentner an<br />
<strong>de</strong>r allgemeinen Einkommensentwicklung.<br />
(S. 72)<br />
(2) Besserstellung <strong>de</strong>r Bezieher von Erwerbsmin<strong>de</strong>rungsrente<br />
durch eine spürbare<br />
Erhöhung ihrer Rentenansprüche.<br />
(S. 74)<br />
Einführung einer steuerfinanzierten<br />
„Lebensleistungsrente“ von 850 Euro im<br />
Monat <strong>für</strong> Versicherte, die min<strong>de</strong>stens 40<br />
Jahre in <strong>de</strong>r GRV versichert waren und<br />
privat <strong>für</strong>s Alter vorgesorgt haben. (S. 73)<br />
SPD<br />
(1) Aufrechterhaltung <strong>de</strong>s <strong>de</strong>rzeitigen<br />
Rentenniveaus bis zum Jahr 2020. (S. 80)<br />
(2) Abschaffung <strong>de</strong>r Abschläge und Verlängerung<br />
<strong>de</strong>r Zurechnungszeit. (S. 79)<br />
Einführung einer steuerfinanzierten<br />
„Solidarrente“ in Höhe von nicht unter<br />
850 Euro im Monat <strong>für</strong> Versicherte mit<br />
min<strong>de</strong>stens 30 Beitrags- und 40 Versicherungsjahren<br />
in <strong>de</strong>r GRV. (S. 80 f.)<br />
– Altersgrenzen<br />
– Teilrente<br />
– Kin<strong>de</strong>rerziehungs-/Kin<strong>de</strong>rberücksichtigungszeiten<br />
B. Ergänzen<strong>de</strong> Altersvorsorge<br />
– Betriebliche Altersvorsorge<br />
– Private Altersvorsorge/<br />
Riester-Rente<br />
– Zusatzvorsorge allgemein<br />
Festhalten an <strong>de</strong>r 2007 beschlossenen Anhebung<br />
<strong>de</strong>r Regelaltersgrenze von 65 auf<br />
67 Jahre zwischen 2012 und 2029. (S. 73)<br />
Weiterentwicklung <strong>de</strong>r Hinzuverdienstregelungen<br />
bei vorgezogenen Altersrenten.<br />
(S. 74)<br />
Bessere Anerkennung von Kin<strong>de</strong>rerziehung<br />
im Rentenrecht. Gewährung eines<br />
zusätzlichen Entgeltpunktes <strong>für</strong> Geburten<br />
vor 1992 ab 2014. Finanzierung durch GRV<br />
ohne zusätzliche Bun<strong>de</strong>sbeiträge und Bun<strong>de</strong>szuschüsse.<br />
(S. 73)<br />
Steigerung <strong>de</strong>r Attraktivität betrieblicher<br />
Altersvorsorge <strong>für</strong> kleine und mittlere Unternehmen.<br />
Verhin<strong>de</strong>rung europäischer<br />
Eingriffe in <strong>das</strong> <strong>de</strong>utsche Betriebsrentenrecht.<br />
(S. 73)<br />
Stärkung <strong>de</strong>r privaten Altersvorsorge.<br />
Bessere Anerkennung ergänzen<strong>de</strong>r Vorsorge<br />
durch Freibeträge im Alter. (S. 73)<br />
Schaffung einer unabhängigen trägerübergreifen<strong>de</strong>n<br />
Informationsplattform zu bestehen<strong>de</strong>n<br />
Altersvorsorgeansprüchen. (S. 74)<br />
Aussetzen <strong>de</strong>r „Rente mit 67“ bis 50 Prozent<br />
<strong>de</strong>r 60- bis 64-Jährigen sozialversicherungspflichtig<br />
beschäftigt sind. (S. 80)<br />
Einführung eines abschlagsfreien Altersrentenzugangs<br />
ab 63 nach 45 Versicherungsjahren.<br />
(S. 79)<br />
Ermöglichung <strong>de</strong>s Bezugs einer Teilrente<br />
ab <strong>de</strong>m 60. Lebensjahr o<strong>de</strong>r vergleichbarer<br />
flexibler Übergangsmo<strong>de</strong>lle. (S. 79)<br />
Aus<strong>de</strong>hnung <strong>de</strong>r Kin<strong>de</strong>rberücksichtigungszeiten<br />
auf Eltern, <strong>de</strong>ren Kin<strong>de</strong>r vor<br />
1992 geboren wur<strong>de</strong>n. (S. 81)<br />
Ausbau <strong>de</strong>r betrieblichen Altersvorsorge<br />
durch erleichterte Allgemeinverbindlichkeit<br />
von Tarifverträgen. Beteiligung <strong>de</strong>r<br />
Arbeitgeber an <strong>de</strong>r Finanzierung. (S. 80)<br />
Erleichterung von Zusatzbeiträgen an die<br />
GRV. (S. 79)<br />
Verbesserung <strong>de</strong>r Transparenz und Effizienz<br />
<strong>de</strong>r Riester-Rente. (S. 80)<br />
---<br />
C. Gesetzliche Krankenversicherung (GKV)<br />
– Kreis <strong>de</strong>r Pflichtversicherten<br />
Ablehnung einer staatlichen Einheitsversicherung.<br />
Erhalt <strong>de</strong>r privaten Krankenversicherung<br />
(PKV). (S. 75 f.)<br />
Einführung einer „Bürgerversicherung“ in<br />
<strong>de</strong>r Kranken- und Pflegeversicherung. Bislang<br />
Privatversicherte sollen sich ein Jahr<br />
lang freiwillig <strong>für</strong> <strong>de</strong>n Wechsel in die „Bürgerversicherung“<br />
entschei<strong>de</strong>n können. (S. 73)<br />
16 | <strong>Journal</strong> <strong>für</strong> <strong>das</strong> <strong>Lohnbüro</strong> August 2013 Bun<strong>de</strong>stagswahl 2013
FDP<br />
(1) Festhalten an <strong>de</strong>r langfristigen Absenkung<br />
<strong>de</strong>s Rentenniveaus (≥ 43 % in 2030).<br />
(S. 36)<br />
(2) ---<br />
Abkehr von <strong>de</strong>r vollständigen Anrechnung<br />
von betrieblichen und privaten Renteneinkünften<br />
auf die Grundsicherung im<br />
Alter. (S.37)<br />
Einführung <strong>de</strong>s „liberalen Bürgergel<strong>de</strong>s“<br />
zur Neuordnung aller steuerfinanzierten<br />
Sozialsysteme. (S. 35)<br />
Ermöglichung <strong>de</strong>s Bezugs einer Altersrente<br />
ab 60 Jahren bei versicherungsmathematisch<br />
korrekten Abschlägen, sofern dadurch<br />
kein Anspruch auf Grundsicherung<br />
im Alter entsteht. (S. 36)<br />
Vollständige Aufhebung <strong>de</strong>r Hinzuverdienstgrenzen<br />
bei vorgezogenen Altersrenten.<br />
(S. 36)<br />
Keine Finanzierung familien- o<strong>de</strong>r sozialpolitischer<br />
Leistungsausweitungen über<br />
Beitragsmittel <strong>de</strong>r GRV. (S. 36)<br />
DIE GRÜNEN<br />
(1) Sicherung eines angemessenen Rentenniveaus<br />
(nicht <strong>de</strong>utlich unterhalb <strong>de</strong>s heutigen).<br />
(S. 135)<br />
(2) Zurücksetzen <strong>de</strong>r Altersgrenze <strong>für</strong> <strong>de</strong>n<br />
Bezug einer abschlagsfreien Erwerbsmin<strong>de</strong>rungsrente<br />
auf <strong>das</strong> 63. Lebensjahr.<br />
(S. 136)<br />
Einführung einer steuerfinanzierten „Garantierente“<br />
von min<strong>de</strong>stens 850 Euro im<br />
Monat <strong>für</strong> Versicherte mit min<strong>de</strong>stens 30<br />
Versicherungsjahren (einschließlich Zeiten<br />
<strong>de</strong>r Arbeitslosigkeit). Geringere Vermögensanrechnung<br />
bei <strong>de</strong>r Grundsicherung<br />
im Alter. (S. 134 f.)<br />
Festhalten an <strong>de</strong>r Anhebung <strong>de</strong>s gesetzlichen<br />
Rentenalters auf 67 Jahre. Flankierung<br />
durch altersgerechte Arbeitsplätze,<br />
betriebliche Gesundheitsför<strong>de</strong>rung und<br />
individuelle Übergangslösungen in <strong>de</strong>n<br />
Ruhestand. (S. 135 f.)<br />
Ermöglichung <strong>de</strong>s Bezugs einer Teilrente<br />
ab <strong>de</strong>m 60. Lebensjahr. (S. 136)<br />
Stärkung <strong>de</strong>r eigenständigen Alterssicherung<br />
von Frauen durch ein obligatorisches<br />
Rentensplitting mit <strong>de</strong>m Ehepartner.<br />
Stärkere Anrechnung von<br />
Kin<strong>de</strong>rerziehungszeiten. (S. 136)<br />
DIE LINKE<br />
(1) Rückkehr zur Lebensstandardsicherung.<br />
Erhöhung <strong>de</strong>s Rentenniveaus auf<br />
53 Prozent. (S. 18)<br />
(2) Abschaffung <strong>de</strong>r Abschläge bei Erwerbsmin<strong>de</strong>rungsrenten.<br />
Erleichterung<br />
<strong>de</strong>s Zugangs in eine Erwerbsmin<strong>de</strong>rungsrente.<br />
(S. 19)<br />
Einführung einer „solidarischen Min<strong>de</strong>strente“<br />
von 1.050 Euro netto im Monat.<br />
(S. 19)<br />
Bessere Absicherung von Zeiten niedriger<br />
Löhne, Zeiten <strong>de</strong>r Erwerbslosigkeit und<br />
Pflegezeiten. (S. 19)<br />
Abschaffung <strong>de</strong>r „Rente mit 67“, Rückkehr<br />
zur „Rente mit 65“. Verzicht auf versicherungsmathematische<br />
Abschläge nach 40<br />
Versicherungsjahren. (S. 19)<br />
Ermöglichung <strong>de</strong>s Voll- und Teilrentenbezugs<br />
ab <strong>de</strong>m 60. Lebensjahr. (S. 19)<br />
Generelle Anrechnung von drei Kin<strong>de</strong>rerziehungsjahren<br />
unabhängig vom Geburtsjahr<br />
<strong>de</strong>s Kin<strong>de</strong>s. (S. 19)<br />
B. Ergänzen<strong>de</strong> Altersvorsorge<br />
Stärkung <strong>de</strong>r betrieblichen Altersvorsorge.<br />
Beseitigung <strong>de</strong>r Doppelbelastung<br />
mit Sozialabgaben. (S. 37)<br />
Stärkung <strong>de</strong>r privaten Altersvorsorge.<br />
Einbeziehung <strong>de</strong>r Selbstständigen in die<br />
staatliche Riester-För<strong>de</strong>rung. (S. 37)<br />
Be<strong>für</strong>wortung einer Risikomischung aus<br />
Umlage- und Kapital<strong>de</strong>ckungsverfahren<br />
bei <strong>de</strong>r Altersvorsorge. Unterstützung <strong>de</strong>s<br />
Drei-Säulen-Mo<strong>de</strong>lls zur Lebensstandardsicherung<br />
im Alter. (S. 135)<br />
Grundlegen<strong>de</strong> Reform <strong>de</strong>r Riester-Rente.<br />
Einführung eines einfachen, kostengünstigen<br />
und sicheren Basisprodukts. (S. 135)<br />
---<br />
Ermöglichung <strong>de</strong>r Übertragung von Riester-Anwartschaften<br />
auf die GRV. (S.19)<br />
---<br />
---<br />
---<br />
C. Gesetzliche Krankenversicherung (GKV)<br />
Ablehnung einer staatlichen Einheitsversicherung.<br />
Beibehaltung einer starken privaten<br />
Krankenversicherung (PKV). (S. 38)<br />
Einführung einer „Bürgerversicherung“<br />
in <strong>de</strong>r Kranken- und Pflegeversicherung.<br />
Erlaubnis privater Krankenversicherer<br />
zum Angebot eines Bürgerversicherungstarifs.<br />
(S. 122 f.)<br />
Einführung einer „solidarischen Bürgerversicherung“<br />
mit Beitragspflicht <strong>für</strong> alle<br />
Einkommensarten. Abschaffung <strong>de</strong>r privaten<br />
Krankenversicherung (PKV) als<br />
Vollversicherung. (S. 22)<br />
Bun<strong>de</strong>stagswahl 2013<br />
<strong>Journal</strong> <strong>für</strong> <strong>das</strong> <strong>Lohnbüro</strong> August 2013 | 17
– Finanzierung <strong>de</strong>r GKV<br />
CDU/CSU<br />
Verpflichtung <strong>de</strong>r Krankenkassen, Prämien<br />
an ihre Mitglie<strong>de</strong>r auszuzahlen,<br />
wenn <strong>de</strong>ren Rücklagen die gesetzliche<br />
Min<strong>de</strong>streserve um ein Mehrfaches übersteigen.<br />
(S. 75)<br />
SPD<br />
Wie<strong>de</strong>rherstellung <strong>de</strong>r paritätischen Finanzierung.<br />
Rückgabe <strong>de</strong>r Beitragssatzautonomie<br />
an die Kassen. Abschaffung <strong>de</strong>r<br />
kassenindividuellen Zusatzbeiträge. Einführung<br />
einer stetig steigen<strong>de</strong>n Steuerfinanzierung.<br />
(S. 73)<br />
– Medizinische Versorgung<br />
Sicherung einer wohnortnahen Versorgung<br />
durch Ärzte und Krankenhäuser,<br />
vor allem in ländlichen Gebieten. Steigerung<br />
<strong>de</strong>r Attraktivität <strong>de</strong>s Hausarztberufes.<br />
Ausbau <strong>de</strong>r Telemedizin. (S. 75)<br />
Stärkung <strong>de</strong>r flächen<strong>de</strong>cken<strong>de</strong>n hausarztzentrierten<br />
Versorgung. Verbesserung<br />
<strong>de</strong>r integrierten Versorgung. Bessere Verzahnung<br />
von haus-, fach- und spezialärztlichem<br />
Bereich. (S. 75)<br />
– Krankenhäuser<br />
Bessere Abstimmung <strong>de</strong>r Leistungsangebote<br />
<strong>de</strong>r Krankenhäuser im Sinne einer<br />
guten wohnortnahen Versorgung. (S. 75)<br />
Verhin<strong>de</strong>rung ungerechtfertigter Mengenausweitungen.<br />
Reform <strong>de</strong>s Finanzierungsverfahrens.<br />
Anspruch auf eine<br />
Zweitmeinung vor bestimmten Behandlungen.<br />
Zulassung selektiver Versorgungsverträge.<br />
(S. 76 f.)<br />
– Arzneimittel<br />
Bekenntnis zu <strong>de</strong>n forschen<strong>de</strong>n Arzneimittelherstellern<br />
als Entwickler neuer Medikamente<br />
und Therapien. Ausbau <strong>de</strong>r medizinischen<br />
Versorgungsforschung. (S. 77)<br />
Stärkung <strong>de</strong>s Nutzengedanken bei <strong>de</strong>r<br />
Versorgung mit Arzneimitteln. (S. 76)<br />
– Medizinprodukte<br />
---<br />
Ausbau <strong>de</strong>r unabhängigen Überprüfung<br />
und Kontrolle von Medizinprodukten.<br />
(S. 76)<br />
– Ärztliche Vergütung<br />
– Prävention /<br />
Gesundheitsför<strong>de</strong>rung<br />
---<br />
Stärkung von Eigenverantwortung, Prävention,<br />
Gesundheitsför<strong>de</strong>rung (Schwerpunkte:<br />
Betriebe, Kitas, Schulen) und<br />
Rehabilitation. (S. 76 f.)<br />
Einführung einer einheitlichen Honorarordnung<br />
<strong>für</strong> die gesetzlichen wie privaten<br />
Krankenversicherungen. Angleichung<br />
<strong>de</strong>r Honorierung ambulanter Leistungen<br />
im nie<strong>de</strong>rgelassenen und stationären Bereich.<br />
(S. 73)<br />
Umsetzung einer wirksamen Präventionsstrategie<br />
durch Verabschiedung eines<br />
umfassen<strong>de</strong>n Präventions- und Gesundheitsför<strong>de</strong>rungsgesetzes.<br />
Erhöhung <strong>de</strong>r<br />
Ausgaben <strong>für</strong> Prävention. (S. 74)<br />
– Verbraucherschutz<br />
Stärkung <strong>de</strong>r Rechte von Patienten und<br />
Versicherten. Sicherstellung eines einfachen<br />
Zugangs zu unabhängigen, verlässlichen<br />
und verständlichen Informationen<br />
über Behandlungsmöglichkeiten. (S. 76)<br />
Stärkung <strong>de</strong>r unabhängigen Patientenberatung.<br />
Verabschiedung eines Patientenrechtegesetzes<br />
als Unterstützung bei Behandlungsfehlern.<br />
Schutz vor unnötigen<br />
IGEL-Leistungen. (S. 76)<br />
18 | <strong>Journal</strong> <strong>für</strong> <strong>das</strong> <strong>Lohnbüro</strong> August 2013 Bun<strong>de</strong>stagswahl 2013
FDP<br />
Herstellung einer stärkeren Beitragsautonomie<br />
<strong>für</strong> die gesetzlichen Krankenkassen.<br />
Festhalten an <strong>de</strong>r begonnenen Abkopplung<br />
<strong>de</strong>r Finanzierung von Löhnen und Gehältern.<br />
Rückführung <strong>de</strong>r Umverteilung<br />
durch <strong>de</strong>n Gesundheitsfonds. (S. 38)<br />
Verbesserung <strong>de</strong>r Zusammenarbeit und<br />
Kooperation <strong>de</strong>r Leistungserbringer <strong>für</strong><br />
eine gute Gesundheitsversorgung. Stärkerer<br />
Einsatz <strong>de</strong>r Telemedizin. Verbes-serung<br />
<strong>de</strong>r palliativmedizinischen Versorgung.<br />
(S. 38 ff.)<br />
---<br />
Erhalt <strong>de</strong>s wohnortnahen Apothekennetzes.<br />
Sicherstellung einer leistungsgerechten<br />
Apothekenvergütung. Abbau<br />
bürokratischer Regulierungen. (S. 38)<br />
---<br />
Sicherstellung leistungsgerechter Vergütungen<br />
und guter Arbeitsbedingungen.<br />
(S. 39)<br />
DIE GRÜNEN<br />
Wie<strong>de</strong>rherstellung <strong>de</strong>r paritätischen Finanzierung.<br />
Anhebung <strong>de</strong>r Beitragsbemessungsgrenze<br />
auf Rentenversicherungsniveau.<br />
Einführung <strong>de</strong>s Beitragssplittings<br />
<strong>für</strong> Ehepaare. Verbeitragung aller Einkommensarten.<br />
Abschaffung <strong>de</strong>r Zuzahlungen.<br />
(S. 122 f.)<br />
Verbesserung <strong>de</strong>r wohnortnahen gesundheitlichen<br />
Versorgung. Aufwertung <strong>de</strong>r<br />
durch Haus- und Kin<strong>de</strong>rärzte geleisteten<br />
Primärversorgung. Engere Zusammenarbeit<br />
<strong>de</strong>r unterschiedlichen Gesundheitseinrichtungen<br />
und -berufe. (S. 123 f.)<br />
Sicherstellung einer bedarfsgerechten<br />
Krankenhausfinanzierung. Angemessene<br />
Berücksichtigung steigen<strong>de</strong>r Personalund<br />
Sachkosten. Schaffung zusätzlicher<br />
Pflegestellen. Verbesserung <strong>de</strong>r Zusammenarbeit<br />
mit ambulanten Leistungserbringern<br />
vor Ort. (S. 124 f.)<br />
Verpflichtung <strong>de</strong>r Pharmaunternehmen,<br />
alle durchgeführten Arzneimittelstudien<br />
zu veröffentlichen. Ausbau <strong>de</strong>r Verträglichkeitsprüfungen<br />
<strong>für</strong> spezielle Personengruppen.<br />
(S. 126)<br />
Verbesserung von Sicherheit, Wirksamkeit<br />
und Nutzen von Medizinprodukten.<br />
Schaffung eines staatlichen Zulassungsverfahrens<br />
<strong>für</strong> Hochrisikoprodukte. Einführung<br />
einer Produkthaftpflicht <strong>für</strong><br />
Medizinproduktehersteller. (S. 126)<br />
Stärkere Vergütung <strong>de</strong>s Behandlungsergebnisses<br />
anstelle <strong>de</strong>s Behandlungsumfanges.<br />
Einführung eines einheitlichen<br />
Vergütungssystems <strong>für</strong> alle fachärztlichen<br />
Leistungen. (S. 127)<br />
DIE LINKE<br />
Senkung <strong>de</strong>s Beitragssatzes zur Krankenversicherung<br />
auf 10,5 Prozent. Aufhebung<br />
<strong>de</strong>r Beitragsbemessungsgrenze. Wie<strong>de</strong>rherstellung<br />
<strong>de</strong>r paritätischen Finanzierung.<br />
Abschaffung jeglicher Zusatzbeiträge<br />
und Zuzahlungen (S. 20, 22).<br />
Ablehnung medizinischer Rationierung.<br />
Sicherstellung einer flächen<strong>de</strong>cken<strong>de</strong>n<br />
und barrierefreien Versorgung mit Arztpraxen.<br />
Aufhebung <strong>de</strong>r Trennung von ambulanter<br />
und stationärer Versorgung.<br />
(S. 20 f.)<br />
Sicherstellung einer bedarfsgerechten<br />
Krankenhausfinanzierung. Keine weitere<br />
Privatisierung von Krankenhäusern. Rücküberführung<br />
privatisierter Einrichtungen<br />
in öffentliche Trägerschaft. Abschaffung<br />
<strong>de</strong>s Fallpauschalensystems (DRGs). Beseitigung<br />
<strong>de</strong>s Personalmangels. (S. 21)<br />
Begrenzung <strong>de</strong>r Arzneimittelpreise durch<br />
staatliche Preisfestsetzung. Einführung<br />
einer Positivliste. Verbot <strong>de</strong>s Versandhan<strong>de</strong>ls<br />
mit verschreibungspflichtigen Medikamenten.<br />
(S. 20)<br />
---<br />
Angemessene Honorierung wohnortnah<br />
erbrachter ärztlicher Leistungen. (S. 20)<br />
Stärkung <strong>de</strong>r Prävention, insbeson<strong>de</strong>re in<br />
<strong>de</strong>n Bereichen HIV, Fehl- und Mangelernährung<br />
sowie psychische Erkrankungen.<br />
Stärkere Einbindung <strong>de</strong>r Arbeitgeber<br />
im Rahmen <strong>de</strong>r betrieblichen Gesundheitsvorsorge.<br />
(S. 39)<br />
---<br />
Reduzierung <strong>de</strong>r Ungleichverteilung von<br />
Gesundheitsrisiken durch ein Präventionsgesetz.<br />
Beteiligung <strong>de</strong>r Sozialversicherungsträger<br />
und <strong>de</strong>r privaten Krankenversicherung<br />
(PKV) an <strong>de</strong>r Finanzierung.<br />
(S. 128)<br />
Verbesserung <strong>de</strong>r Qualitätstransparenz<br />
im Gesundheitswesen: Schaffung einer<br />
Art „Stiftung Warentest“, Ausbau <strong>de</strong>r unabhängigen<br />
Patientenberatung. Stärkung<br />
<strong>de</strong>r Patientenrechte bei ärztlichen Behandlungsfehlern.<br />
(S. 127 f.)<br />
Stärkung von Gesundheitsför<strong>de</strong>rung und<br />
Prävention durch ein Präventionsgesetz<br />
sowie eine Koordinierungs- und Entscheidungsstelle<br />
auf Bun<strong>de</strong>sebene. (S. 22)<br />
Strafrechtliche Ahndung von Korruption<br />
im Gesundheitswesen. Entwicklung von<br />
flexiblen, preiswerten und <strong>de</strong>zentralen IT-<br />
Lösungen zum Schutz persönlicher Gesundheitsdaten.<br />
(S. 21 f.)<br />
Bun<strong>de</strong>stagswahl 2013<br />
<strong>Journal</strong> <strong>für</strong> <strong>das</strong> <strong>Lohnbüro</strong> August 2013 | 19
CDU/CSU<br />
SPD<br />
D. Soziale Pflegeversicherung (SPV)<br />
– Pflegebedürftigkeitsbegriff<br />
Besser abgestufte Bestimmung <strong>de</strong>r Pflegebedürftigkeit.<br />
Berücksichtigung <strong>de</strong>s<br />
Gra<strong>de</strong>s <strong>de</strong>r Selbstständigkeit <strong>de</strong>r Betroffenen.<br />
(S. 78)<br />
Zügige Einführung eines neuen Pflegebedürftigkeitsbegriffs<br />
als Kernelement einer<br />
Reform <strong>de</strong>r Pflegeversicherung. Bessere<br />
Absicherung <strong>de</strong>s Pflegerisikos Demenz.<br />
(S. 78)<br />
– Pflegequalität<br />
Sicherstellung eines hohen Niveaus <strong>de</strong>r<br />
Pflegeleistungen. (S. 78)<br />
Ausbau <strong>de</strong>r Pflegeberatung. Engere Verzahnung<br />
<strong>de</strong>r medizinischen und pflegerischen<br />
Versorgung. Stärkung <strong>de</strong>r Pflegeforschung.<br />
Verbesserung <strong>de</strong>r geriatrischen<br />
Ausbildung von Ärzten. (S. 78)<br />
---<br />
---<br />
– Kapital<strong>de</strong>ckung<br />
– Vereinbarkeit von Pflege<br />
und Beruf<br />
E. Weitere Themen<br />
Verbesserung <strong>de</strong>r Vereinbarkeit von beruflicher<br />
Tätigkeit und privater Pflege.<br />
(S. 79)<br />
Verbesserung <strong>de</strong>r Vereinbarkeit von Pflege<br />
und Beruf durch Einführung einer „flexiblen<br />
Pflegezeit“ mit Rechtsanspruch auf Job-Rückkehr<br />
und Lohnersatzleistung. (S. 78)<br />
– Gesamtsozialversicherungsbeitragssatz<br />
Stabilisierung <strong>de</strong>r von Arbeitgebern und<br />
Arbeitnehmern zu gleichen Teilen finanzierten<br />
Lohnzusatzkosten unter 40 Prozent<br />
(S. 19)<br />
Mo<strong>de</strong>rate Erhöhung <strong>de</strong>s Beitragssatzes<br />
zur Pflegeversicherung. (S. 78)<br />
Anhebung <strong>de</strong>s Rentenbeitragssatzes zur<br />
Finanzierung zusätzlicher Rentenleistungen,<br />
insbeson<strong>de</strong>re zur Aufrechterhaltung<br />
<strong>de</strong>s Leistungsniveaus und <strong>für</strong> abschlagsfreie<br />
Rentenzugänge mit 63 nach 45 Versicherungsjahren.<br />
(S. 81)<br />
– Reha-Budget (<strong>de</strong>r GRV)<br />
Bessere Anpassung <strong>de</strong>r Rehabilitationsleistungen<br />
an <strong>de</strong>n sich än<strong>de</strong>rn<strong>de</strong>n Altersaufbau<br />
<strong>de</strong>r Bevölkerung. (S. 74)<br />
Beseitigung <strong>de</strong>s Reha-Deckels. (S. 74)<br />
– Sozialwahl/Selbstverwaltung<br />
Vertrauen in <strong>das</strong> partnerschaftliche und<br />
verantwortungsvolle Han<strong>de</strong>ln <strong>de</strong>r Selbstverwalter<br />
im Gesundheitswesen. (S. 76)<br />
---<br />
– Geringfügige Beschäftigung<br />
---<br />
Stopp <strong>de</strong>s „Missbrauchs“ von geringfügigen<br />
Beschäftigungsverhältnissen. Verbesserung<br />
<strong>de</strong>r sozialen Absicherung von Minijobs.<br />
(S. 21)<br />
1) Christlich Demokratische Union Deutschlands (CDU) / Christlich-Soziale Union in Bayern (CSU), „Gemeinsam erfolgreich <strong>für</strong> Deutschland – Regierungsprogramm 2013 bis<br />
2017“, Juni 2013.<br />
2) Sozial<strong>de</strong>mokratische Partei Deutschlands (SPD), „Das wir entschei<strong>de</strong>t – Das Regierungsprogramm 2013 bis 2017“, April 2013.<br />
Quelle: Eigene Zusammenstellung und Darstellung.<br />
20 | <strong>Journal</strong> <strong>für</strong> <strong>das</strong> <strong>Lohnbüro</strong> August 2013 Bun<strong>de</strong>stagswahl 2013
FDP<br />
D. Soziale Pflegeversicherung (SPV)<br />
DIE GRÜNEN<br />
DIE LINKE<br />
Überarbeitung <strong>de</strong>r Kriterien zur Feststellung<br />
von Pflegebedürftigkeit. Einstufung<br />
anhand <strong>de</strong>s noch vorhan<strong>de</strong>nen Gra<strong>de</strong>s an<br />
Selbstständigkeit anstatt <strong>de</strong>s Hilfebedarfs<br />
bei körperlichen Verrichtungen. (S. 39)<br />
Bessere Versorgung von Demenzkranken<br />
durch Verän<strong>de</strong>rung und Erweiterung <strong>de</strong>s<br />
Pflegebedürftigkeitsbegriffs. Deutliche Anhebung<br />
<strong>de</strong>r Leistungsniveaus. (S. 131, 133)<br />
Zügige Einführung <strong>de</strong>s seit 2009 vorliegen<strong>de</strong>n<br />
neuen Pflegebedürftigkeitsbegriffes.<br />
Deutliche Anhebung <strong>de</strong>s Leistungsniveaus.<br />
Aufhebung <strong>de</strong>s Teilkaskoprinzips.<br />
(S. 23)<br />
Fokussierung <strong>de</strong>r Qualitätskontrollen auf<br />
die Ergebnisqualität (statt auf die Struktur-<br />
und Prozessqualität). Abbau von<br />
Dokumentationspflichten und Bürokratie.<br />
(S. 39)<br />
Sicherstellung einer qualitativ hochwertigen<br />
Pflege. (S. 131)<br />
Einführung bun<strong>de</strong>sweiter Standards über<br />
eine qualitätsbezogene Personalbemessung.<br />
Zusammenführung <strong>de</strong>r Pflegeberufe<br />
zu einer dreijährigen dualen Berufsausbildung.<br />
(S. 24)<br />
Ausbau <strong>de</strong>r staatlichen Pflege-Vorsorgeför<strong>de</strong>rung<br />
zur Stärkung <strong>de</strong>r Kapital<strong>de</strong>ckung.<br />
(S. 39)<br />
---<br />
Stopp <strong>de</strong>r privaten, staatlich geför<strong>de</strong>rten<br />
Pflegezusatzversicherung („Pflege-Bahr“).<br />
(S. 23)<br />
Schaffung von Alternativen zu <strong>de</strong>n traditionellen<br />
Versorgungsformen „ambulant“<br />
und „stationär“. (S. 39)<br />
E. Weitere Themen<br />
Ausbau ambulanter Versorgungs- und<br />
Entlastungsangebote zur Unterstützung<br />
pflegen<strong>de</strong>r Angehöriger. Ausbau <strong>de</strong>s<br />
Rechtsanspruchs auf Pflegezeit. (S. 132)<br />
---<br />
Stabilisierung <strong>de</strong>r Lohnzusatzkosten bei<br />
<strong>de</strong>utlich unter 40 Prozent. Rückgabe <strong>de</strong>r<br />
Überschüsse in <strong>de</strong>n Sozialversicherungen<br />
an die Beitragszahler. Rückverlegung <strong>de</strong>s<br />
Fälligkeitstermins <strong>de</strong>r Sozialversicherungsbeiträge<br />
auf <strong>de</strong>n 15. Tag <strong>de</strong>s Folgemonats.<br />
(S. 32, 37)<br />
Sicherstellung eines angemessenen Rentenniveaus<br />
bei stabilen Beiträgen. (S. 135)<br />
Senkung <strong>de</strong>s Krankenversicherungsbeitragssatzes<br />
durch Einführung einer „Bürgerversicherung“.<br />
(S. 123)<br />
Aufhebung <strong>de</strong>r Beitragssatzobergrenzen<br />
von max. 20 Prozent bis 2020 und max. 22<br />
Prozent bis 2030 in <strong>de</strong>r GRV (Alterssicherungsniveau<br />
soll Beitragshöhe bestimmen).<br />
(S. 19).<br />
Senkung <strong>de</strong>s GKV-Beitragssatzes durch<br />
Einführung „Bürgerversicherung“ auf<br />
10,5 Prozent. (S. 22)<br />
Einhaltung <strong>de</strong>s Prinzips „Reha vor Rente“<br />
durch Sicherstellung einer ausreichen<strong>de</strong>n<br />
Finanzierung. (S. 39)<br />
---<br />
---<br />
Abschaffung <strong>de</strong>r Einheitslisten bzw.<br />
„Frie<strong>de</strong>nswahlen“. Einführung <strong>de</strong>r Möglichkeit<br />
<strong>de</strong>r Online-Wahl. Gewährleistung<br />
einer einfachen und transparenten Listenaufstellung.<br />
(S. 37)<br />
Stärkung <strong>de</strong>r Rechte <strong>de</strong>r Patientenvertreter<br />
in <strong>de</strong>n Selbstverwaltungsgremien <strong>de</strong>s<br />
Gesundheitswesens. (S. 128)<br />
Weiterentwicklung <strong>de</strong>r Selbstverwaltung<br />
im Gesundheitswesen. Ausweitung <strong>de</strong>r<br />
Rechte <strong>de</strong>r Versichertenvertretungen.<br />
(S. 22)<br />
Regelmäßige Anpassung <strong>de</strong>r Minijobgrenze<br />
an die Lohnentwicklung. (S. 34)<br />
Kurzfristig: Eindämmung <strong>de</strong>r Minijobs<br />
durch Einführung eines gesetzlichen Min<strong>de</strong>stlohns<br />
und Versicherungspflicht in <strong>de</strong>r<br />
Rentenversicherung. (S. 94)<br />
Langfristig: Reform <strong>de</strong>s Niedriglohnsektors.<br />
Ersetzung von Minijobs durch sozialversicherungspflichtige<br />
Beschäftigung. (S. 95)<br />
Umwandlung von Minijobs in voll sozialversicherungspflichtige<br />
Arbeitsverhältnisse.<br />
(S. 13)<br />
3) Freie Demokratische Partei (FDP), „Bürgerprogramm 2013 – Damit Deutschland stark bleibt“, Mai 2013.<br />
4) BÜNDNIS´90/DIE GRÜNEN, „Zeit <strong>für</strong> <strong>de</strong>n grünen Wan<strong>de</strong>l – Teilhaben. Einmischen. Zukunft schaffen.“,<br />
April 2013.<br />
5) DIE LINKE, „100 Prozent sozial – Wahlprogramm zur Bun<strong>de</strong>stagswahl 2013“, Juni 2013.<br />
Quelle: Eigene Zusammenstellung und Darstellung.<br />
DR. MARTIN KRÖGER<br />
Soziale Sicherung<br />
Bun<strong>de</strong>svereinigung <strong>de</strong>r Deutschen<br />
Arbeitgeberverbän<strong>de</strong> (BDA)<br />
Bun<strong>de</strong>stagswahl 2013<br />
<strong>Journal</strong> <strong>für</strong> <strong>das</strong> <strong>Lohnbüro</strong> August 2013 | 21
Aktuelles aus <strong>de</strong>m Arbeitsrecht<br />
Betriebsbedingte Kündigung<br />
unkündbarer Arbeitnehmer:<br />
Bei Outsourcing ist die Unternehmer-Entscheidung<br />
nur begrenzt<br />
überprüfbar<br />
Das Bun<strong>de</strong>sarbeitsgericht hat entschie<strong>de</strong>n,<br />
<strong>das</strong>s Arbeitgeber auch dann nicht von <strong>de</strong>r<br />
Fremdvergabe von Tätigkeiten absehen<br />
müssen, wenn dadurch einer größeren<br />
Zahl or<strong>de</strong>ntlich nicht mehr kündbarer Arbeitsverhältnisse<br />
die Grundlage entzogen<br />
wird.<br />
Im Streitfall ging es um die Wirksamkeit<br />
einer außeror<strong>de</strong>ntlichen Kündigung mit<br />
Auslauffrist nach einem Outsourcing. Der<br />
Arbeitgeber hatte entschie<strong>de</strong>n, die Aufgaben<br />
<strong>de</strong>r Servicetechniker an ein Drittunternehmen<br />
zu vergeben, was zum Wegfall<br />
aller Disponentenstellen am Standort in<br />
X führte. Dazu vereinbarte er gemeinsam<br />
mit zwei konzernverbun<strong>de</strong>nen Unternehmen<br />
und <strong>de</strong>m Konzernbetriebsrat einen<br />
Interessenausgleich mit Sozialplan. Danach<br />
kündigte er auch <strong>de</strong>n Arbeitsvertrag<br />
mit <strong>de</strong>m eigentlich unkündbaren und jetzt<br />
klagen<strong>de</strong>n Arbeitnehmer außeror<strong>de</strong>ntlich<br />
unter Einhaltung einer Auslauffrist.<br />
Im Gegensatz zu bei<strong>de</strong>n Vorinstanzen hält<br />
<strong>das</strong> BAG hier eine Kündigung <strong>für</strong> möglich<br />
und hat <strong>de</strong>n Streit zur weiteren Sachaufklärung<br />
an <strong>das</strong> LAG Rheinland-Pfalz zurückverwiesen.<br />
Das Bun<strong>de</strong>sarbeitsgericht<br />
begrün<strong>de</strong>t seine Meinung damit, <strong>das</strong>s<br />
eine auf betriebliche Grün<strong>de</strong> gestützte<br />
außeror<strong>de</strong>ntliche Kündigung in Betracht<br />
komme, wenn die Möglichkeit einer or<strong>de</strong>ntlichen<br />
Kündigung ausgeschlossen ist<br />
und <strong>das</strong> dazu führt, <strong>das</strong>s an<strong>de</strong>rnfalls Betriebe<br />
Arbeitnehmer trotz Wegfalls <strong>de</strong>r<br />
Arbeitsplätze noch jahrelang vergüten<br />
müssten, ohne <strong>das</strong>s <strong>de</strong>m eine Gegenleistung<br />
entspräche.<br />
Der erfor<strong>de</strong>rliche wichtige Grund nach<br />
§ 626 BGB könne sich auch aufgrund innerbetrieblicher<br />
Maßnahmen wie Umstrukturierungen<br />
ergeben. Die zugrun<strong>de</strong>liegen<strong>de</strong><br />
unternehmerische Entscheidung<br />
ist nur daraufhin überprüfbar, ob sie offensichtlich<br />
unsachlich, unvernünftig<br />
o<strong>de</strong>r willkürlich ist. Der beson<strong>de</strong>re tarifliche<br />
Kündigungsschutz schränkt hier<br />
nicht die Freiheit ein, Umstrukturierungen<br />
durchzuführen, bei <strong>de</strong>nen Arbeitsplätze<br />
verloren gehen. Derartige Maßnahmen<br />
erhöhen nur die Anfor<strong>de</strong>rungen an<br />
die Bemühungen <strong>de</strong>s Arbeitgebers, die<br />
Weiterbeschäftigung <strong>de</strong>s Mitarbeiters zu<br />
ermöglichen. Das gilt auch, wenn eine<br />
hohe Zahl or<strong>de</strong>ntlich unkündbarer Arbeitnehmer<br />
betroffen ist.<br />
Das LAG muss im zweiten Rechtsgang aufklären,<br />
ob <strong>de</strong>m Arbeitgeber eine Weiterbeschäftigung<br />
nach Umsetzung <strong>de</strong>r<br />
Organisationsentscheidung möglich und<br />
zumutbar war. Dabei muss die Vorinstanz<br />
auch Arbeitsplätze berücksichtigen, die bei<br />
<strong>de</strong>n bei<strong>de</strong>n konzernverbun<strong>de</strong>nen Unternehmen<br />
bestehen, die ebenso Parteien <strong>de</strong>s<br />
vereinbarten Interessenausgleichs waren.<br />
Das Kündigungsschutzgesetz ist zwar<br />
nicht konzernbezogen, jedoch ergebe sich<br />
hier eine Ausnahme gera<strong>de</strong> aufgrund <strong>de</strong>s<br />
von allen drei Konzernunternehmen abgeschlossenen<br />
Interessenausgleichs (BAG v.<br />
22.11.2012, Az.: 2 AZR 673/11; www.bun<strong>de</strong>sarbeitsgericht.<strong>de</strong>).<br />
Haramis Kalfar © www.fotolia.<strong>de</strong><br />
Immer auf <strong>de</strong>m Stand <strong>de</strong>r Zeit: Das richtig angewandte Arbeitsrecht spart bares Geld.<br />
22 | <strong>Journal</strong> <strong>für</strong> <strong>das</strong> <strong>Lohnbüro</strong> August 2013 Aktuelles aus <strong>de</strong>m Arbeitsrecht
Zu dauerhafter Leiharbeit kann<br />
<strong>de</strong>r Betriebsrat nein sagen<br />
Wenn Leih-Arbeitnehmer im Entleiherbetrieb<br />
nicht nur vorübergehend eingesetzt<br />
wer<strong>de</strong>n sollen, kann <strong>de</strong>r Betriebsrat<br />
dazu seine Zustimmung verweigern. Ein<br />
zeitlich unbegrenzter Einsatz wi<strong>de</strong>rspricht<br />
<strong>de</strong>m § 1 I Satz 2 <strong>de</strong>s Arbeitnehmer-<br />
Überlassungsgesetzes (AÜG) in <strong>de</strong>r seit<br />
<strong>de</strong>m 01.12.2011 gelten<strong>de</strong>n Fassung. Das<br />
Bun<strong>de</strong>sarbeitsgericht hat aber lei<strong>de</strong>r <strong>de</strong>n<br />
Begriff „vorübergehend“ nicht näher festgelegt.<br />
Damit wird <strong>de</strong>r Spielraum <strong>für</strong> Unternehmen<br />
beim Einsatz von Zeitarbeitern<br />
stark eingeschränkt.<br />
Hintergrund ist, <strong>das</strong>s <strong>de</strong>r Betriebsrat <strong>de</strong>s<br />
Entleiherbetriebes vor <strong>de</strong>r Übernahme zu<br />
beteiligen ist (§ 99 II BetrVG). Die Zustimmung<br />
zur Einstellung kann u. a. dann<br />
verweigert wer<strong>de</strong>n, wenn <strong>das</strong> gegen ein<br />
gesetzliches Verbot verstößt. Im Weigerungsfall<br />
kann <strong>de</strong>r Arbeitgeber beim Arbeitsgericht<br />
die gerichtliche Ersetzung <strong>de</strong>r<br />
Zustimmung beantragen. In diesem Verfahren<br />
wird dann die Berechtigung <strong>de</strong>r<br />
Zustimmungs-Verweigerung geprüft.<br />
Die neue AÜG-Regelung diene laut BAG<br />
einerseits <strong>de</strong>m Schutz <strong>de</strong>r Leiharbeitnehmer<br />
und an<strong>de</strong>rerseits soll sie die dauerhafte<br />
Aufspaltung im Entleiherbetrieb –<br />
Stammbelegschaft und Leih-Belegschaft<br />
– verhin<strong>de</strong>rn. Der Betriebsrat <strong>de</strong>s Entleiherbetriebes<br />
könne daher seine Zustimmung<br />
zur Einstellung von Leiharbeitnehmern<br />
verweigern, wenn diese nicht nur<br />
vorübergehend beschäftigt wer<strong>de</strong>n sollen.<br />
Dabei kommt es nicht darauf an, welche<br />
Folgen sich aus einem AÜG-Verstoß <strong>für</strong><br />
<strong>das</strong> Verhältnis <strong>de</strong>s Leiharbeitnehmers<br />
zum Entleiher ergeben. An<strong>de</strong>rs als in <strong>de</strong>n<br />
Vorinstanzen hatte daher hier <strong>de</strong>r Antrag<br />
<strong>de</strong>s Arbeitgebers auf Zustimmungs-<br />
Ersetzung keinen Erfolg.<br />
Der Streitfall verlangte keine genaue Abgrenzung<br />
<strong>de</strong>s Begriffs „vorübergehend“.<br />
Der Arbeitgeber beabsichtigt, die Leiharbeitnehmer<br />
ohne jegliche zeitliche Begrenzung<br />
statt einer Stammkraft einzustellen.<br />
Das sei je<strong>de</strong>nfalls nicht mehr vorübergehend<br />
(BAG, Beschluss v. 10.07.2013, Az.: 7<br />
ABR 91/11).<br />
Ausschlussfrist in vertraglicher<br />
Ausschlussklausel:<br />
Was ist regelbar und was nicht?<br />
Wie ist es bei Mobbing?<br />
In einem vom Bun<strong>de</strong>sarbeitsgericht zu<br />
entschei<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n Fall ging es um einen auf<br />
ein Jahr befristeten Arbeitsvertrag vom<br />
01.09.2009. Darin war u. a. geregelt, <strong>das</strong>s<br />
Aktuelles aus <strong>de</strong>m Arbeitsrecht<br />
alle bei<strong>de</strong>rseitigen Ansprüche drei Monate<br />
nach Fälligkeit en<strong>de</strong>n sollen, wenn<br />
sie nicht schriftlich gegenüber <strong>de</strong>r an<strong>de</strong>ren<br />
Vertragspartei geltend gemacht wer<strong>de</strong>n.<br />
Die Arbeitnehmerin war hier seit <strong>de</strong>m<br />
16.11.2009 arbeitsunfähig krank. Anfang<br />
Februar 2010 verständigten sich die Vertragspartner<br />
auf eine Vertragsbeendigung<br />
zum 31.05.2010. Am 26.03.2010 unterrichtete<br />
die Arbeitnehmerin <strong>de</strong>n Arbeitgeber<br />
darüber, <strong>das</strong>s sie gegen ihren Vorgesetzten<br />
Strafanzeige wegen Beleidigung und<br />
sexueller Belästigung gestellt habe. Mit<br />
einer am 30.08.2010 beim Arbeitsgericht<br />
Köln eingegangenen Klage machte die Arbeitnehmerin<br />
erstmalig Schmerzensgeld<br />
wegen Mobbings geltend.<br />
Im Gegensatz zu bei<strong>de</strong>n Vorinstanzen war<br />
sie jetzt vor <strong>de</strong>m BAG erfolgreich. Begründung:<br />
An<strong>de</strong>rs als bei einer tarifvertraglichen<br />
Ausschlussfrist können Vertragsparteien<br />
we<strong>de</strong>r die Verjährung bei<br />
Haftung wegen Vorsatzes im Voraus<br />
rechtsgeschäftlich erleichtern noch die<br />
Haftung wegen Vorsatzes <strong>de</strong>m Schuldner<br />
erlassen. Das ergebe sich aus § 202 und<br />
276 III BGB. Zu<strong>de</strong>m hafte <strong>de</strong>r Arbeitgeber<br />
bei Arbeitsunfällen und bei Berufsunfähigkeit<br />
nur bei Vorsatz (§ 104 SGB VII). Bei<br />
dieser klaren Gesetzeslage ist ohne beson<strong>de</strong>re<br />
Anzeichen regelmäßig davon auszugehen,<br />
<strong>das</strong>s die Parteien <strong>de</strong>s Arbeitsvertrages<br />
mit <strong>de</strong>r Ausschlussklausel nicht<br />
auch Fragen <strong>de</strong>r Vorsatzhaftung ausschließen<br />
wollten. Im Übrigen wäre auch<br />
bei an<strong>de</strong>rem Auslegungsergebnis eine solche<br />
arbeitsvertragliche Klausel – an<strong>de</strong>rs<br />
als in einem Tarifvertrag – unwirksam.<br />
Der Streitfall wur<strong>de</strong> an <strong>das</strong> LAG Köln zurückverwiesen.<br />
Dieses Tatsachengericht<br />
muss jetzt aufklären, ob eine vorsätzliche<br />
Handlung <strong>de</strong>s Arbeitgebers o<strong>de</strong>r seiner Erfüllungsgehilfen<br />
einen Anspruch <strong>de</strong>r Arbeitnehmerin<br />
auf Schmerzensgeld wegen<br />
Mobbings begrün<strong>de</strong>t (BAG v. 20.06.2013,<br />
Az.: 8 AZR 280/12; www.bun<strong>de</strong>sarbeitsgericht.<strong>de</strong>).<br />
Praxis-Hinweis zum Mobbing:<br />
Anspruch auf Schmerzensgeld wegen Verletzung<br />
<strong>de</strong>s Persönlichkeitsrechts kann<br />
gegeben sein, wenn die Gesamtschau aller<br />
Handlungen (vom Arbeitgeber u/o von<br />
Kollegen) ergibt, <strong>das</strong>s ein Arbeitnehmer<br />
systematisch ausgegrenzt wur<strong>de</strong>. In einem<br />
Fall wur<strong>de</strong> einem nicht ausgelasteten<br />
IT-Mitarbeiter ein Schmerzensgeld von<br />
7.000 Euro zugesprochen, nach<strong>de</strong>m <strong>de</strong>r<br />
Arbeitgeber ihn angewiesen hatte, zur<br />
Auslastung täglich Arbeitsberichte zu verfassen<br />
und EDV-Schrott zu sortieren.<br />
Hierdurch sei ihm suggeriert wor<strong>de</strong>n,<br />
fachlich und persönlich ungeeignet und<br />
min<strong>de</strong>rwertig zu sein, was seine persönliche<br />
Wür<strong>de</strong> verletzt habe (Arbeitsgericht<br />
Siegburg, Az.. 1 Ca 1310/12).<br />
Lohnpfändungen wer<strong>de</strong>n jetzt<br />
an<strong>de</strong>rs berechnet:<br />
Bun<strong>de</strong>sarbeitsgericht wechselt von<br />
<strong>de</strong>r Brutto- zur Nettometho<strong>de</strong><br />
Nach <strong>de</strong>r bisherigen Vorgehensweise<br />
wur<strong>de</strong>n vom Gesamtbrutto die unpfändbaren<br />
Teile abgezogen plus SV-Beiträge<br />
plus Lohnsteuer jeweils bezogen auf <strong>das</strong><br />
Gesamtbrutto. Auf diese Weise wur<strong>de</strong>n<br />
die Steuern und SV-Beiträge praktisch<br />
zweimal berücksichtigt.<br />
Jetzt gilt die Nettometho<strong>de</strong>, wonach im<br />
ersten Schritt weiterhin die unpfändbaren<br />
Teile abgezogen wer<strong>de</strong>n. Dann wer<strong>de</strong>n die<br />
auf <strong>de</strong>n Restbetrag entfallen<strong>de</strong>n (fiktiven)<br />
SV-Beiträge und die Lohnsteuer ermittelt<br />
und abgezogen. Das führt vor allem bei<br />
hohen unpfändbaren Teilen (z. B. Überstun<strong>de</strong>nvergütungen,<br />
Urlaubsgeld etc.) zu<br />
plausibleren und <strong>de</strong>m Schutz <strong>de</strong>s Schuldners<br />
dienen<strong>de</strong>n Ergebnissen.<br />
Der zusätzliche Berechnungsaufwand sei<br />
zumutbar, zumal die meisten heute eingesetzten<br />
Abrechnungsprogramme die<br />
Arbeiten erleichtern (BAG v. 17.04.2013,<br />
Az.: 10 AZR 59/12; www.bun<strong>de</strong>sarbeitsgericht.<strong>de</strong>).<br />
Ausführlich, siehe Seite 12.<br />
Praxis-Hinweise:<br />
Prüfen Sie Ihre Lohnabrechnungs-Software<br />
auf Aktualität auch wegen <strong>de</strong>r neuen<br />
Pfändungsfreigrenzen ab 01.07.2013 (BGBl<br />
I S.700). Eine 30-seitige Broschüre mit<br />
aktueller Tabelle unter <strong>de</strong>m Titel „Pfändungsfreigrenzen<br />
bei Arbeitseinkommen“<br />
ist kostenlos erhältlich beim Bun<strong>de</strong>sjustizministerium,<br />
Referat Öffentlichkeitsarbeit,<br />
11015 Berlin (www.bmj.<strong>de</strong>/publikationen;<br />
Tel.: 01805-778090).<br />
Wichtig:<br />
Bei Lohnpfändungen ist beson<strong>de</strong>re Sorgfalt<br />
geboten, da leicht Fehler unterlaufen<br />
und <strong>de</strong>r Arbeitgeber streng haftet!<br />
Keine Glosse<br />
Der erste BAG-Senat fragt <strong>de</strong>n<br />
siebten: Wie haltet ihr es künftig<br />
mit verfahrensfehlerhaften<br />
Betriebsrats-Beschlüssen?<br />
Bisher war es herrschen<strong>de</strong> Rechtsmeinung<br />
beim Bun<strong>de</strong>sarbeitsgericht, <strong>das</strong>s Betriebsrats-Beschlüsse<br />
dann unwirksam sind,<br />
<strong>Journal</strong> <strong>für</strong> <strong>das</strong> <strong>Lohnbüro</strong> August 2013 | 23
wenn zu einer Betriebsrats-Sitzung ohne<br />
Tagesordnung eingela<strong>de</strong>n wor<strong>de</strong>n war.<br />
Daran möchte <strong>de</strong>r erste Senat nicht länger<br />
festhalten, sofern alle Betriebsrats-Mitglie<strong>de</strong>r<br />
rechtzeitig eingela<strong>de</strong>n waren, <strong>das</strong><br />
Gremium beschlussfähig war (vgl. § 33 II<br />
BetrVG) und <strong>de</strong>r Beschluss einstimmig<br />
von allen Anwesen<strong>de</strong>n gefasst wur<strong>de</strong>.<br />
Jetzt war in einem Fall die Einladung ohne<br />
die Tagesordnung erfolgt, woraufhin <strong>das</strong><br />
Hessische LAG wegen dieses Einladungsmangels<br />
einen einstimmig gefassten Beschluss<br />
zu einer Betriebsvereinbarung<br />
über Torkontrollen <strong>für</strong> unwirksam erklärte.<br />
Daran möchte <strong>de</strong>r erste Senat <strong>de</strong>s Bun<strong>de</strong>sarbeitsgerichts<br />
unter seiner zukunftsweisen<strong>de</strong>n<br />
Präsi<strong>de</strong>ntin nicht länger festhalten.<br />
Deshalb die Anfrage an <strong>de</strong>n siebten Senat,<br />
ob die Richter-Kollegen da mitziehen wür<strong>de</strong>n<br />
(BAG v. 09.07.2013, Az.: 1 ABR 2/13).<br />
Hier kann <strong>das</strong> Motto wohl nur lauten:<br />
Follow me!<br />
Keine Urlaubskürzung bei Wechsel<br />
von Vollzeit zu Teilzeit<br />
Der Europäische Gerichtshof hält die anteilige<br />
Berechnung (Kürzung) <strong>für</strong> unvereinbar<br />
mit <strong>de</strong>r EG-Richtlinie 2003/88 und<br />
<strong>de</strong>m Diskriminierungsverbot nach <strong>de</strong>r<br />
Rahmenvereinbarung über Teizeitarbeit.<br />
Bei diesem Wechsel müssen die erdienten<br />
Urlaubsansprüche erhalten bleiben<br />
(EuGH v. 13.06.2013, Az.: C-415/12). Mehr<br />
zu <strong>de</strong>n Folgen bei Urlaubstagen, Urlaubsgeld<br />
und Urlaubsabgeltung lesen Sie im<br />
nächsten Heft.<br />
WOLFGANG GAMP<br />
Rechtsassessor,<br />
Lohnsteuerhilfeverein<br />
LoBe e.V.,<br />
Her<strong>de</strong>cke<br />
www.lohnsteuerhilfeher<strong>de</strong>cke.<strong>de</strong><br />
Rechtsprechung <strong>für</strong> Sie aufbereitet<br />
Außeror<strong>de</strong>ntliche Kündigung eines<br />
Ersatzmitglieds <strong>de</strong>s Betriebsrats<br />
Gemäß § 15 Abs. 1 Satz 1 KSchG ist die<br />
Kündigung eines Mitglieds <strong>de</strong>s Betriebsrats<br />
unzulässig, es sei <strong>de</strong>nn, <strong>das</strong>s Tatsachen<br />
vorliegen, die <strong>de</strong>n Arbeitgeber zur<br />
außeror<strong>de</strong>ntlichen Kündigung aus wichtigem<br />
Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist<br />
berechtigen, und <strong>das</strong>s die<br />
nach § 103 BetrVG erfor<strong>de</strong>rliche Zustimmung<br />
<strong>de</strong>s Betriebsrats vorliegt o<strong>de</strong>r durch<br />
gerichtliche Entscheidung ersetzt ist. Dieser<br />
beson<strong>de</strong>re Kündigungsschutz gilt<br />
auch <strong>für</strong> Ersatzmitglie<strong>de</strong>r, soweit und<br />
solange sie ein verhin<strong>de</strong>rtes or<strong>de</strong>ntliches<br />
Betriebsratsmitglied vertreten.<br />
Nach § 25 Abs. 1 Satz 1 BetrVG rückt ein<br />
Ersatzmitglied in <strong>de</strong>n Betriebsrat nach, sofern<br />
ein or<strong>de</strong>ntliches Mitglied aus diesem<br />
ausschei<strong>de</strong>t. Das gilt nach § 25 Abs. 1 Satz<br />
2 BetrVG entsprechend <strong>für</strong> die Dauer <strong>de</strong>r<br />
Stellvertretung eines zeitweilig verhin<strong>de</strong>rten<br />
or<strong>de</strong>ntlichen Mitglieds. Eine zeitweilige<br />
Verhin<strong>de</strong>rung in diesem Sinne liegt<br />
vor, wenn ein Betriebsratsmitglied aus<br />
rechtlichen o<strong>de</strong>r tatsächlichen Grün<strong>de</strong>n<br />
nicht in <strong>de</strong>r Lage ist, sein Amt auszuüben.<br />
Diese Voraussetzung ist während <strong>de</strong>s Erholungsurlaubs<br />
eines Betriebsratsmitglieds<br />
je<strong>de</strong>nfalls dann erfüllt, wenn es<br />
nicht zuvor seine Bereitschaft angezeigt<br />
hat, trotz <strong>de</strong>s Urlaubs <strong>für</strong> Betriebsratstätigkeiten<br />
zur Verfügung zu stehen. Dem Betriebsratsmitglied<br />
wird zwar aufgrund <strong>de</strong>s<br />
Erholungsurlaubs die Verrichtung seiner<br />
Amtspflichten nicht ohne weiteres objektiv<br />
unmöglich, grundsätzlich aber unzumutbar.<br />
Das beurlaubte Betriebsratsmitglied<br />
gilt zumin<strong>de</strong>st so lange als zeitweilig verhin<strong>de</strong>rt,<br />
bis es seine Bereitschaft, gleichwohl<br />
Betriebsratstätigkeiten zu verrichten,<br />
positiv anzeigt.<br />
Für die Frage, ob Son<strong>de</strong>rkündigungsschutz<br />
nach § 103 Abs. 1 BetrVG besteht, ist<br />
auf <strong>de</strong>n Zeitpunkt <strong>de</strong>s Zugangs <strong>de</strong>r Kündigung<br />
im Sinne von § 130 Abs. 1 Satz 1<br />
BGB abzustellen. Die Anknüpfung an <strong>de</strong>n<br />
Zugangszeitpunkt entspricht Sinn und<br />
Zweck <strong>de</strong>s Zustimmungserfor<strong>de</strong>rnisses.<br />
Das Zustimmungserfor<strong>de</strong>rnis nach § 103<br />
Abs. 1 BetrVG dient primär <strong>de</strong>m Schutz<br />
<strong>de</strong>r Arbeit und Funktionsfähigkeit <strong>de</strong>r<br />
betriebsverfassungsrechtlichen Organe,<br />
welche vor Eingriffen <strong>de</strong>s Arbeitgebers bewahrt<br />
wer<strong>de</strong>n sollen. Es soll verhin<strong>de</strong>rt<br />
wer<strong>de</strong>n, <strong>das</strong>s <strong>das</strong> <strong>de</strong>mokratisch gewählte<br />
Gremium durch Verlust einzelner Mitglie<strong>de</strong>r<br />
in seiner Funktionsfähigkeit und in<br />
<strong>de</strong>r Kontinuität seiner Amtsführung beeinträchtigt<br />
wird.<br />
Etwas an<strong>de</strong>res folgt nicht daraus, <strong>das</strong>s<br />
eine Anhörung <strong>de</strong>s Betriebsrats nach § 102<br />
Absatz 1 BetrVG abgeschlossen sein muss,<br />
bevor die Kündigung <strong>de</strong>n Machtbereich<br />
<strong>de</strong>s Arbeitgebers verlässt. Die Anhörung<br />
soll eine Beeinflussung <strong>de</strong>r Willensbildung<br />
<strong>de</strong>s Arbeitgebers vor Ausspruch <strong>de</strong>r<br />
Kündigung ermöglichen. Diese Möglichkeit<br />
muss während <strong>de</strong>s gesamten Laufs<br />
<strong>de</strong>r Äußerungsfrist bestehen. Eine Willensbeeinflussung<br />
ist ab <strong>de</strong>m Zeitpunkt<br />
ausgeschlossen, zu <strong>de</strong>m die schriftliche<br />
Kündigung <strong>de</strong>n Machtbereich <strong>de</strong>s Arbeitgebers<br />
verlässt.<br />
Für <strong>das</strong> Eingreifen <strong>de</strong>s Zustimmungserfor<strong>de</strong>rnisses<br />
nach § 103 BetrVG ist nicht<br />
auf <strong>de</strong>n Zeitpunkt <strong>de</strong>s Beginns <strong>de</strong>r Anhörung<br />
<strong>de</strong>s Betriebsrats abzustellen. Die Erwägung,<br />
<strong>das</strong> Ersatzmitglied sei an<strong>de</strong>renfalls<br />
unter <strong>de</strong>m Druck einer unmittelbar<br />
bevorstehen<strong>de</strong>n außeror<strong>de</strong>ntlichen Kündigung<br />
in <strong>de</strong>r Ausübung seines Amtes<br />
eingeschränkt, vermag dies nicht zu<br />
rechtfertigen. Seine Unabhängigkeit bei<br />
<strong>de</strong>r Amtsführung ist durch § 15 Abs. 1<br />
Satz 1 KSchG und <strong>de</strong>n nachwirken<strong>de</strong>n<br />
Kündigungsschutz gemäß § 15 Abs. 1<br />
Satz 2 KSchG gesichert. Die letztgenannte<br />
Regelung gewährleistet eine „Abkühlungsphase“<br />
in <strong>de</strong>r Beziehung zwischen<br />
<strong>de</strong>m ehemaligen Betriebsratsmitglied und<br />
<strong>de</strong>m Arbeitgeber, in<strong>de</strong>m sie <strong>für</strong> gewisse<br />
Zeit die or<strong>de</strong>ntliche Kündigung – vorbehaltlich<br />
<strong>de</strong>r Regelungen in § 15 Abs. 4 und<br />
5 KSchG – ausschließt. Dieser Schutz steht<br />
auch Ersatzmitglie<strong>de</strong>rn zu, soweit sie<br />
während <strong>de</strong>r Vertretungszeit Betriebsratsaufgaben<br />
wahrgenommen haben.<br />
Gemäß § 626 Abs. 1 BGB kann <strong>das</strong> Arbeitsverhältnis<br />
aus wichtigem Grund<br />
ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist<br />
gekündigt wer<strong>de</strong>n, wenn Tatsachen vorliegen,<br />
aufgrund <strong>de</strong>rer <strong>de</strong>m Kündigen<strong>de</strong>n<br />
unter Berücksichtigung aller Umstän<strong>de</strong><br />
<strong>de</strong>s Einzelfalls und unter Abwägung <strong>de</strong>r<br />
Interessen bei<strong>de</strong>r Vertragsteile die Fortsetzung<br />
<strong>de</strong>s Arbeitsverhältnisses selbst<br />
bis zum Ablauf <strong>de</strong>r Kündigungsfrist nicht<br />
zugemutet wer<strong>de</strong>n kann.<br />
Bei <strong>de</strong>r Prüfung, ob <strong>de</strong>m Arbeitgeber eine<br />
Weiterbeschäftigung <strong>de</strong>s Arbeitnehmers<br />
24 | <strong>Journal</strong> <strong>für</strong> <strong>das</strong> <strong>Lohnbüro</strong> August 2013 Rechtsprechung <strong>für</strong> Sie aufbereitet
Haramis Kalfar. © www.fotolia.<strong>de</strong><br />
Auf <strong>de</strong>r sicheren Seite: Hans-Otto Blaeser klärt Sie auf!<br />
trotz Vorliegens einer erheblichen Pflichtverletzung<br />
je<strong>de</strong>nfalls bis zum Ablauf <strong>de</strong>r<br />
Kündigungsfrist zumutbar ist, ist in einer<br />
Gesamtwürdigung <strong>das</strong> Interesse <strong>de</strong>s Arbeitgebers<br />
an <strong>de</strong>r sofortigen Beendigung<br />
<strong>de</strong>s Arbeitsverhältnisses gegen <strong>das</strong> Interesse<br />
<strong>de</strong>s Arbeitnehmers an <strong>de</strong>ssen Fortbestand<br />
abzuwägen. Es hat eine Bewertung<br />
<strong>de</strong>s Einzelfalls unter Beachtung <strong>de</strong>s Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes<br />
zu erfolgen.<br />
Die Umstän<strong>de</strong>, anhand <strong>de</strong>rer zu beurteilen<br />
ist, ob <strong>de</strong>m Arbeitgeber die Weiterbeschäftigung<br />
zumutbar ist o<strong>de</strong>r nicht, lassen<br />
sich nicht abschließend festlegen. Zu<br />
berücksichtigen sind aber regelmäßig <strong>das</strong><br />
Gewicht und die Auswirkungen einer<br />
Vertragspflichtverletzung, <strong>de</strong>r Grad <strong>de</strong>s<br />
Verschul<strong>de</strong>ns <strong>de</strong>s Arbeitnehmers, eine<br />
mögliche Wie<strong>de</strong>rholungsgefahr sowie die<br />
Dauer <strong>de</strong>s Arbeitsverhältnisses und <strong>de</strong>ssen<br />
störungsfreier Verlauf. Auch Unterhaltspflichten<br />
und Familienstand können<br />
– je nach Lage <strong>de</strong>s Falls – Be<strong>de</strong>utung gewinnen.<br />
Sie sind je<strong>de</strong>nfalls bei <strong>de</strong>r Interessenabwägung<br />
nicht generell ausgeschlossen<br />
und können zu berücksichtigen<br />
sein. Eine außeror<strong>de</strong>ntliche Kündigung<br />
kommt nur in Betracht, wenn es keinen<br />
angemessenen Weg gibt, <strong>das</strong> Arbeitsverhältnis<br />
fortzusetzen, weil <strong>de</strong>m Arbeitgeber<br />
sämtliche mil<strong>de</strong>ren Reaktionsmöglichkeiten<br />
unzumutbar sind.<br />
Für die Beurteilung, ob Tatsachen vorliegen,<br />
die <strong>de</strong>n Arbeitgeber im Sinne von<br />
§ 15 Abs. 1 und 2 KSchG, § 626 Abs. 1 BGB<br />
aus wichtigem Grund zur Kündigung berechtigen,<br />
ist auf die Unzumutbarkeit einer<br />
Weiterbeschäftigung bis zum Ablauf<br />
<strong>de</strong>r fiktiven or<strong>de</strong>ntlichen Kündigungsfrist<br />
abzustellen. Ist eine Weiterbeschäftigung<br />
bis dahin zumutbar, ist die Kündigung<br />
unzumutbar.<br />
(BAG, Urteil vom 27.09.2012 – 2 AZR<br />
955/11)<br />
Höchstaltersgrenzen in <strong>de</strong>r<br />
betrieblichen Altersversorgung<br />
Nach § 7 Abs. 1 Halbs. 1 AGG dürfen Beschäftigte<br />
nicht wegen <strong>de</strong>r in § 1 AGG genannten<br />
Grün<strong>de</strong>, unter an<strong>de</strong>rem wegen<br />
<strong>de</strong>s Alters und <strong>de</strong>s Geschlechts, benachteiligt<br />
wer<strong>de</strong>n. Unzulässig sind unmittelbare<br />
und mittelbare Benachteiligungen.<br />
Eine unmittelbare Benachteiligung ist<br />
nach § 3 Abs. 1 AGG gegeben, wenn eine<br />
Person wegen eines in § 1 AGG genannten<br />
Grun<strong>de</strong>s eine weniger günstige Behandlung<br />
erfährt als eine an<strong>de</strong>re Person in einer<br />
vergleichbaren Situation. Nach § 3<br />
Abs. 2 AGG liegt eine mittelbare Benachteiligung<br />
vor, wenn <strong>de</strong>m Anschein nach<br />
neutrale Vorschriften, Kriterien o<strong>de</strong>r Verfahren<br />
Personen wegen eines in § 1 AGG<br />
genannten Grun<strong>de</strong>s gegenüber an<strong>de</strong>ren<br />
Personen in beson<strong>de</strong>rer Weise benachteiligen<br />
können, es sei <strong>de</strong>nn, die betreffen<strong>de</strong>n<br />
Vorschriften, Kriterien o<strong>de</strong>r Verfahren<br />
sind durch ein rechtmäßiges Ziel<br />
sachlich gerechtfertigt und die Mittel sind<br />
Rechtsprechung <strong>für</strong> Sie aufbereitet<br />
<strong>Journal</strong> <strong>für</strong> <strong>das</strong> <strong>Lohnbüro</strong> August 2013 | 25
zur Erreichung dieses Ziels angemessen<br />
und erfor<strong>de</strong>rlich. Bestimmungen in Vereinbarungen,<br />
die gegen <strong>das</strong> Benachteiligungsverbot<br />
<strong>de</strong>s § 7 Abs. 1 AGG verstoßen,<br />
sind nach § 7 Abs. 2 AGG unwirksam.<br />
Das Erfor<strong>de</strong>rnis einer min<strong>de</strong>stens 15-jährigen<br />
Betriebszugehörigkeit bis zum Erreichen<br />
<strong>de</strong>r Regelaltersgrenze in <strong>de</strong>r gesetzlichen<br />
Rentenversicherung bewirkt<br />
keine unzulässige Diskriminierung wegen<br />
<strong>de</strong>s Alters. Es kann dahinstehen, ob<br />
die Festlegung einer erreichbaren 15-jährigen<br />
Betriebszugehörigkeit bis zur Regelaltersgrenze<br />
in <strong>de</strong>r Rentenversicherung<br />
als Zugangsvoraussetzung <strong>für</strong> Leistungen<br />
<strong>de</strong>r betrieblichen Altersversorgung ältere<br />
Arbeitnehmer unmittelbar wegen ihres<br />
Alters benachteiligt, weil sie ab einem bestimmten<br />
Lebensalter von <strong>de</strong>r betrieblichen<br />
Altersversorgung ausgeschlossen<br />
wer<strong>de</strong>n, o<strong>de</strong>r ob lediglich eine mittelbare<br />
Diskriminierung <strong>de</strong>nkbar ist. Selbst eine<br />
unmittelbare Benachteiligung wegen <strong>de</strong>s<br />
Alters wäre nach § 10 AGG sachlich gerechtfertigt.<br />
Dies schließt auch eine unzulässige<br />
mittelbare Benachteiligung wegen<br />
<strong>de</strong>s Alters aus.<br />
Nach § 10 Satz 1 AGG ist eine unterschiedliche<br />
Behandlung wegen <strong>de</strong>s Alters zulässig,<br />
wenn sie objektiv und angemessen<br />
und durch ein legitimes Ziel gerechtfertigt<br />
ist. Die Mittel zur Erreichung dieses<br />
Ziels müssen nach § 10 Satz 2 AGG angemessen<br />
und erfor<strong>de</strong>rlich sein. § 10 Satz 3<br />
AGG enthält eine Aufzählung von Tatbestän<strong>de</strong>n,<br />
wonach <strong>de</strong>rartige unterschiedliche<br />
Behandlungen insbeson<strong>de</strong>re gerechtfertigt<br />
sein können. Nach § 10 Satz 3<br />
Nr. 4 AGG ist dies <strong>de</strong>r Fall bei <strong>de</strong>r Festsetzung<br />
von Altersgrenzen bei betrieblichen<br />
Systemen <strong>de</strong>r sozialen Sicherheit als Voraussetzung<br />
<strong>für</strong> die Mitgliedschaft o<strong>de</strong>r<br />
<strong>de</strong>n Bezug von Altersrente.<br />
Das vom Gesetzgeber verfolgte Ziel <strong>de</strong>r<br />
För<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>r betrieblichen Altersversorgung<br />
ist ein legitimes Ziel im Sinne <strong>de</strong>s<br />
§ 10 Satz 1 AGG. Um dieses Ziel zu för<strong>de</strong>rn,<br />
hat <strong>de</strong>r Gesetzgeber mit § 10 Satz 3 Nr. 4<br />
AGG zur Gestaltung <strong>de</strong>r betrieblichen Altersversorgung<br />
<strong>das</strong> Mittel <strong>de</strong>r Festsetzung<br />
von Altersgrenzen in Versorgungsordnungen<br />
zur Verfügung gestellt. Von dieser<br />
Möglichkeit kann grundsätzlich auch<br />
<strong>de</strong>r einzelne Arbeitgeber bei <strong>de</strong>r Schaffung<br />
von Versorgungsregelungen Gebrauch<br />
machen. Allerdings muss die konkret<br />
festgelegte Altersgrenze nach § 10<br />
Satz 2 AGG angemessen sein. Das ist <strong>de</strong>r<br />
Fall, wenn <strong>de</strong>r Arbeitgeber diejenigen Arbeitnehmer<br />
von <strong>de</strong>r betrieblichen Altersversorgung<br />
ausnimmt, die von ihrem Eintritt<br />
in <strong>das</strong> Arbeitsverhältnis bis zur<br />
Regelaltersgrenze in <strong>de</strong>r gesetzlichen Rentenversicherung<br />
eine 15-jährige Betriebszugehörigkeit<br />
nicht erreichen können.<br />
Dem Arbeitgeber steht bei freiwilligen zusätzlichen<br />
Leistungen – wozu Leistungen<br />
<strong>de</strong>r betrieblichen Altersversorgung zählen<br />
– ein von <strong>de</strong>n Gerichten zu respektieren<strong>de</strong>r<br />
Ermessensspielraum zu. Dies ist<br />
seiner Bereitschaft geschul<strong>de</strong>t, sich freiwillig<br />
zu einer von ihm zu finanzieren<strong>de</strong>n<br />
betrieblichen Zusatzversorgung zu verpflichten.<br />
Durch die Festlegung <strong>de</strong>r Voraussetzungen<br />
<strong>für</strong> die Zusage einer betrieblichen<br />
Altersversorgung bestimmt<br />
<strong>de</strong>r Arbeitgeber zu<strong>de</strong>m seinen Dotierungsrahmen.<br />
Diese Gestaltungsfreiheit<br />
eröffnet <strong>de</strong>m Arbeitgeber grundsätzlich<br />
die Möglichkeit, einen Zeitraum festzulegen,<br />
<strong>de</strong>n ein Arbeitnehmer min<strong>de</strong>stens im<br />
Arbeitsverhältnis zurückgelegt haben<br />
muss, um einen Versorgungsanspruch zu<br />
erwerben.<br />
Allerdings darf <strong>de</strong>r Arbeitgeber bei <strong>de</strong>r<br />
Festlegung einer Höchstaltersgrenze o<strong>de</strong>r<br />
einer Min<strong>de</strong>stbetriebszugehörigkeit als<br />
Voraussetzung <strong>für</strong> Leistungen <strong>de</strong>r betrieblichen<br />
Altersversorgung die berechtigten<br />
Belange <strong>de</strong>r betroffenen Arbeitnehmer<br />
nicht außer Acht lassen. Dabei ist zu<br />
berücksichtigen, <strong>das</strong>s die betriebliche Altersversorgung<br />
nicht nur Versorgungs-,<br />
son<strong>de</strong>rn auch Entgeltcharakter hat und<br />
eine anspruchsausschließen<strong>de</strong> Wartezeit<br />
in Form einer Min<strong>de</strong>stbetriebszugehörigkeit<br />
bis zum Erreichen <strong>de</strong>r Regelaltersgrenze<br />
in <strong>de</strong>r gesetzlichen Rentenversicherung<br />
o<strong>de</strong>r einer Höchstaltersgrenze<br />
dazu führt, <strong>das</strong>s die hiervon betroffenen<br />
Arbeitnehmer <strong>für</strong> die gesamte von ihnen<br />
geleistete Betriebstreue keine betriebliche<br />
Altersversorgung erhalten. Damit dürfte<br />
etwa eine Regelung, die zur Folge hat,<br />
<strong>das</strong>s während eines beträchtlichen Teils<br />
eines typischen Erwerbslebens keine Versorgungsanwartschaften<br />
erworben wer<strong>de</strong>n<br />
können, nicht zu vereinbaren sein.<br />
Eine Höchstaltersgrenze o<strong>de</strong>r die Festlegung<br />
einer Min<strong>de</strong>stbetriebszugehörigkeit<br />
bis zur Regelaltersgrenze in <strong>de</strong>r gesetzlichen<br />
Rentenversicherung als Anspruchsvoraussetzung<br />
<strong>für</strong> Leistungen <strong>de</strong>r betrieblichen<br />
Altersversorgung darf auch nicht<br />
zu einer mittelbaren Benachteiligung von<br />
Frauen führen. Deshalb ist bei einer solchen<br />
Regelung darauf Bedacht zu nehmen,<br />
<strong>das</strong>s Frauen häufig nach einer familiär bedingten<br />
Unterbrechung <strong>de</strong>r Berufstätigkeit<br />
zur Kin<strong>de</strong>rbetreuung und Erziehung<br />
in <strong>das</strong> Erwerbsleben zurückkehren und<br />
ihnen auch in <strong>de</strong>r Folgezeit grundsätzlich<br />
die Möglichkeit eröffnet wer<strong>de</strong>n soll, noch<br />
Ansprüche auf eine betriebliche Altersversorgung<br />
zu erwerben.<br />
Danach wer<strong>de</strong>n die Interessen <strong>de</strong>r Arbeitnehmer<br />
durch die Festlegung einer min<strong>de</strong>stens<br />
15-jährigen Betriebszugehörigkeit<br />
bis zur Regelaltersgrenze in <strong>de</strong>r<br />
gesetzlichen Rentenversicherung nicht<br />
unangemessen beeinträchtigt. Zwar können<br />
Arbeitnehmer, <strong>de</strong>ren Arbeitsverhältnis<br />
innerhalb <strong>de</strong>r letzten 15 Jahre vor <strong>de</strong>m<br />
gesetzlichen Rentenalter beginnt, keine<br />
Versorgungsanwartschaften erwerben. Im<br />
Hinblick darauf, <strong>das</strong>s ein Erwerbsleben<br />
bei typisieren<strong>de</strong>r Betrachtung min<strong>de</strong>stens<br />
40 Jahre und mehr umfasst, ist dies jedoch<br />
hinnehmbar, zumal diese Arbeitnehmer<br />
bereits in vorangegangenen Arbeitsverhältnissen<br />
die Möglichkeit hatten, Betriebsrentenanwartschaften<br />
zu erdienen.<br />
Das Erfor<strong>de</strong>rnis einer min<strong>de</strong>stens 15-jährigen<br />
Betriebszugehörigkeit führt auch<br />
nicht zu einer mittelbaren Diskriminierung<br />
von Frauen. Bei typisieren<strong>de</strong>r Betrachtung<br />
ist mit <strong>de</strong>m Wie<strong>de</strong>reintritt in<br />
<strong>das</strong> Berufsleben nach Zeiten <strong>de</strong>r Kin<strong>de</strong>rerziehung<br />
bereits vor Vollendung <strong>de</strong>s 50.<br />
Lebensjahres zu rechnen.<br />
(BAG, Urteil vom 12.02.2013 – 3 AZR<br />
100/11)<br />
DR. JUR.<br />
HANS-OTTO<br />
BLAESER<br />
Frechen<br />
26 | <strong>Journal</strong> <strong>für</strong> <strong>das</strong> <strong>Lohnbüro</strong> August 2013 Rechtsprechung <strong>für</strong> Sie aufbereitet
Der schönste Tag im Leben<br />
<strong>Journal</strong> <strong>für</strong> <strong>das</strong> <strong>Lohnbüro</strong> August 2013 | 27
<strong>Journal</strong><br />
<strong>für</strong> <strong>das</strong> <strong>Lohnbüro</strong><br />
<strong>06|2013</strong><br />
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