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Journal für das Lohnbüro 06|2013 - rehmnetz.de

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<strong>Journal</strong><br />

<strong>für</strong> <strong>das</strong> <strong>Lohnbüro</strong><br />

<strong>06|2013</strong><br />

Aktuelles aus <strong>de</strong>m Lohnsteuerrecht<br />

• Der „ohnehin geschul<strong>de</strong>te Arbeitslohn“<br />

Aktuelles aus <strong>de</strong>m Sozialversicherungsrecht<br />

• Berechnung <strong>de</strong>r SV-Beiträge bei illegaler Beschäftigung<br />

• Verbeitragung von einmaligem Arbeitsentgelt bei Insolvenz<br />

• BAG-Urteil zur Berechnung <strong>de</strong>s pfändbaren Betrages<br />

• Bun<strong>de</strong>stagswahl 2013: Vergleich <strong>de</strong>r sozialpolitischen Wahlaussagen<br />

Aktuelles aus <strong>de</strong>m Arbeitsrecht<br />

• Rechtsprechung <strong>für</strong> Sie aufbereitet<br />

<strong>Journal</strong> <strong>für</strong> <strong>das</strong> <strong>Lohnbüro</strong> August 2013 | 1


Markus Matt<br />

Chefredakteur<br />

Der schönste Tag im Leben<br />

Liebe Leserinnen und Leser,<br />

die außeror<strong>de</strong>ntlich gute Beschäftigungslage<br />

hat die Staatseinnahmen im vergangenen<br />

Jahr auf ein neues Rekordniveau<br />

steigen lassen. Insbeson<strong>de</strong>re die Finanzlage<br />

<strong>de</strong>r gesetzlichen Renten- und Krankenversicherung<br />

ist <strong>de</strong>rzeit so gut wie<br />

lange nicht mehr. Das hat nahezu alle im<br />

Deutschen Bun<strong>de</strong>stag vertretenen Parteien<br />

dazu verleitet, in ihren Wahlprogrammen<br />

umfangreiche neue Sozialleistungen in<br />

Aussicht zu stellen. Unser Autor erklärt<br />

Ihnen, was von welcher Partei versprochen<br />

wird.<br />

Aufruhr im Bereich <strong>de</strong>r Pfändung: Das<br />

Bun<strong>de</strong>sarbeitsgericht hat entschie<strong>de</strong>n, <strong>das</strong>s<br />

bei <strong>de</strong>r Berechnung <strong>de</strong>s pfändbaren Einkommens<br />

die sogenannte Nettometho<strong>de</strong><br />

anzuwen<strong>de</strong>n ist. Dieses Urteil ist <strong>für</strong> die<br />

Entgeltabrechnungspraxis von großer<br />

Be<strong>de</strong>utung. Unser Autor erklärt Ihnen die<br />

Details.<br />

Einmalig gezahltes Arbeitsentgelt sind<br />

Zuwendungen, die <strong>de</strong>m Arbeitsentgelt zuzurechnen<br />

sind und nicht <strong>für</strong> die Arbeit in<br />

einem einzelnen Entgeltabrechnungszeitraum<br />

gezahlt wer<strong>de</strong>n. Doch wie wird<br />

einmalig gezahltes Arbeitsentgelt nach<br />

Eintritt <strong>de</strong>r Insolvenz eines Unternehmens<br />

richtig verbeitragt? Unser Autor weiß<br />

Bescheid.<br />

„Gib je<strong>de</strong>m Tag die Chance, <strong>de</strong>r schönste<br />

Deines Lebens zu wer<strong>de</strong>n!“, so fasste <strong>de</strong>r<br />

leidgeprüfte amerikanische Schriftsteller<br />

Mark Twain einmal die Essenz <strong>de</strong>s Daseins<br />

zusammen. Wir alle können diese Weisheit<br />

anwen<strong>de</strong>n und noch heute damit beginnen;<br />

manche Mühen in unserem komplexen<br />

Beruf dürften uns dann einfacher<br />

erscheinen.<br />

In diesem Sinne wünsche ich Ihnen eine<br />

„schöne“ Lektüre!<br />

Ihr Markus Matt<br />

2 | <strong>Journal</strong> <strong>für</strong> <strong>das</strong> <strong>Lohnbüro</strong> August 2013 Der schönste Tag im Leben


Aktuelles aus <strong>de</strong>m Lohnsteuerrecht<br />

Familienheimfahrten mit Dienstwagen:<br />

Kein Abzug von Werbungskosten<br />

mangels eigener Aufwendungen<br />

Wer im Rahmen <strong>de</strong>r beruflich bedingten<br />

doppelten Haushaltsführung (z. B. bei<br />

Versetzung) einmal wöchentlich mit <strong>de</strong>m<br />

Dienstwagen zum Familienwohnsitz fahren<br />

darf, kann da<strong>für</strong> keine Werbungskosten,<br />

insbeson<strong>de</strong>re keine Pendlerpauschale,<br />

geltend machen (§ 9 I Satz 3 Nr. 5<br />

Satz 6 EStG 2013). Denn die Aufwendungen<br />

wer<strong>de</strong>n hier im Ergebnis vom Arbeitgeber<br />

durch <strong>das</strong> überlassene Kraftfahrzeug<br />

getragen, nicht vom Arbeitnehmer.<br />

Das musste sich ein Angestellter sagen<br />

lassen, <strong>de</strong>r <strong>de</strong>n geldwerten Vorteil <strong>de</strong>s<br />

überlassenen Dienstwagens mit einem<br />

Prozent vom Bruttolistenpreis als geldwerten<br />

Vorteil versteuerte und zusätzlich<br />

mit 0,03 Prozent <strong>für</strong> seine Fahrten zwischen<br />

<strong>de</strong>r Zweitwohnung und <strong>de</strong>r regelmäßigen<br />

Arbeitsstätte. Sowohl <strong>das</strong> Finanzgericht<br />

Schleswig-Holstein (EFG 2011,<br />

S. 1872) als auch jetzt <strong>de</strong>r Bun<strong>de</strong>sfinanzhof<br />

lehnten <strong>de</strong>n geltend gemachten Werbungskostenabzug<br />

<strong>für</strong> die Familienheimfahrten<br />

mangels eigener Aufwendungen<br />

<strong>de</strong>s Arbeitnehmers ab. An<strong>de</strong>rerseits ist<br />

da<strong>für</strong> auch kein zusätzlicher geldwerter<br />

Vorteil mit 0,002 Prozent anzusetzen (BFH<br />

v. 28.02.2013, Az.: VI R 33/11; www.bun<strong>de</strong>sfinanzhof.<strong>de</strong>).<br />

EStG) möglich ist. Diese Frage ist seit langem<br />

umstritten zwischen <strong>de</strong>r engen Auffassung<br />

<strong>de</strong>r Finanzverwaltung und <strong>de</strong>r<br />

weiteren Auffassung <strong>de</strong>r Finanzgerichte.<br />

In § 12 Nr. 5 EStG hat <strong>de</strong>r Gesetzgeber im<br />

Jahre 2012 mit Rückwirkung ab 2004 <strong>das</strong><br />

Abzugsverbot dahingehend geregelt, <strong>das</strong>s<br />

die Aufwendungen <strong>für</strong> eine erstmalige<br />

Berufsausbildung o<strong>de</strong>r <strong>für</strong> ein Erststudium,<br />

<strong>das</strong> zugleich eine Erstausbildung<br />

vermittelt, zu <strong>de</strong>n nicht abzugsfähigen<br />

Lebenshaltungskosten gehören, wenn<br />

diese Ausbildungen nicht im Rahmen<br />

eines Dienstverhältnisses stattfin<strong>de</strong>n. Damit<br />

ist <strong>für</strong> vorweggenommene Werbungskosten<br />

bzw. Betriebsausgaben zugleich<br />

die Möglichkeit <strong>de</strong>s Verlustvortrags <strong>für</strong><br />

Zeiträume vor 2012 ausgeschlossen, was<br />

verfassungsrechtlich umstritten ist.<br />

Jetzt war <strong>de</strong>r Fall einer Pilotin zu entschei<strong>de</strong>n,<br />

die im Streitjahr 2006 <strong>für</strong> ihre Ausbildung<br />

zur Verkehrsflugzeugführerin ca.<br />

19.000 Euro als Werbungskosten bei ihren<br />

Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit<br />

geltend machte. Vor ihrer Pilotenausbildung<br />

hatte sie eine halbjährige Ausbildung<br />

zur Flugbegleiterin absolviert. Das<br />

Finanzamt hatte <strong>de</strong>n begehrten Werbungskostenabzug<br />

abgelehnt und statt<strong>de</strong>ssen<br />

Son<strong>de</strong>rausgaben in Höhe <strong>de</strong>s damaligen<br />

Maximalbetrags von 4.000 Euro<br />

angesetzt.<br />

Da <strong>de</strong>r Beruf <strong>de</strong>s Flugbegleiters regelmäßig<br />

als Vollerwerbstätigkeit ausgeübt wird<br />

und entsprechen<strong>de</strong> Einkünfte ermöglicht,<br />

hatte die Arbeitnehmerin bereits eine<br />

erste Berufsausbildung abgeschlossen.<br />

Bei <strong>de</strong>r späteren Ausbildung als Pilotin<br />

han<strong>de</strong>lt es sich daher um eine Zweitausbildung.<br />

Die da<strong>für</strong> aufgewandten Kosten<br />

sind <strong>de</strong>shalb unbegrenzt als Werbungskosten<br />

abziehbar (BFH v. 2802.2013, Az.:<br />

VI R 6/12; www.bun<strong>de</strong>sfinanzhof.<strong>de</strong>).<br />

Praxis-Hinweise:<br />

Die Finanzgerichte for<strong>de</strong>rn <strong>für</strong> die<br />

Erstausbildung keinen formalisierten<br />

Ausbildungsgang etwa nach <strong>de</strong>m Berufsbildungsgesetz<br />

o<strong>de</strong>r an<strong>de</strong>ren Ausbildungsordnungen.<br />

Dennoch wird regelmäßig<br />

eine planmäßige Unterrichtung<br />

von gewisser Dauer und Intensität erfor<strong>de</strong>rlich<br />

sein. Eine nur kurze Einweisung<br />

(z. B. als Seniorenbegleiter mit 10 x 2 Std.<br />

Unterricht und 14-tägigem Praktikum)<br />

dürfte nicht genügen, wenn später z. B.<br />

eine Ausbildung als Altenpfleger etc.<br />

abgeschlossen wird. Ausdrücklich offen<br />

lässt <strong>de</strong>r Bun<strong>de</strong>sfinanzhof die umstrittene<br />

Frage, ob die Beschränkung auf <strong>de</strong>n Son<strong>de</strong>rausgabenabzug<br />

(jetzt bis 6.000 Euro)<br />

und die Rückwirkung <strong>de</strong>r Neuregelung<br />

ab 2004 mit <strong>de</strong>r Folge <strong>de</strong>s Ausschlusses<br />

<strong>de</strong>s Verlustvortrags <strong>für</strong> Jahre vor 2012 verfassungsrechtlich<br />

akzeptabel ist.<br />

Praxis-Hinweis:<br />

Ab 2014 ergeben sich insoweit keine Än<strong>de</strong>rungen<br />

infolge <strong>de</strong>r Reform <strong>de</strong>s Reisekostenrechts.<br />

Der neue § 9 I Satz 3 Nr. 5<br />

Satz 8 EStG 2014 lautet: „Aufwendungen<br />

<strong>für</strong> Familienheimfahrten mit einem <strong>de</strong>m<br />

Steuerpflichtigen überlassenen Kraftfahrzeug<br />

wer<strong>de</strong>n nicht berücksichtigt.“<br />

Wie sind Ausbildungskosten<br />

steuerlich geltend zu machen?<br />

Aus erstmaliger Berufsausbildung<br />

müssen Einkünfte erzielbar sein:<br />

Dann führt eine Zweitausbildung<br />

zum vollen Werbungskostenabzug<br />

Bei <strong>de</strong>r Frage <strong>de</strong>r steuerlichen Abzugsfähigkeit<br />

von Ausbildungskosten kommt<br />

es darauf an, ob eine erstmalige Berufsausbildung<br />

bzw. ein Erststudium vorliegen<br />

(dann ist ab 2012 ein auf 6.000 Euro<br />

begrenzter Son<strong>de</strong>rausgabenabzug möglich)<br />

o<strong>de</strong>r ob es sich um eine Zweitausbildung<br />

bzw. ein Zweitstudium han<strong>de</strong>lt, <strong>für</strong><br />

<strong>de</strong>ren Kosten <strong>de</strong>r volle Abzug als Werbungskosten<br />

bzw. (bei Selbständigen) als<br />

Betriebsausgaben (nach § 9 VI bzw. § 4 IV<br />

Die dagegen erhobene Klage war vor <strong>de</strong>m<br />

Finanzgericht Köln (Az.: 7 K 3147/08, EFG<br />

2012, S. 506) und jetzt auch vor <strong>de</strong>m Bun<strong>de</strong>sfinanzhof<br />

(BFH) erfolgreich. Die Finanzgerichte<br />

erkannten die Ausbildung<br />

zur Flugbegleiterin als erstmalige Berufsausbildung<br />

an und gewährten <strong>de</strong>n vollen<br />

Werbungskostenabzug <strong>für</strong> die Zweitausbildung<br />

als Pilotin. Auch <strong>de</strong>r BFH wen<strong>de</strong>t<br />

sich gegen die zu enge Sicht <strong>de</strong>r Finanzverwaltung<br />

und begrün<strong>de</strong>t seine Meinung<br />

u. a. damit, <strong>das</strong>s <strong>de</strong>r Gegenbegriff<br />

zur Berufsausbildung die Allgemeinbildung<br />

sei. Der Berufsvorbereitung dienen<br />

<strong>de</strong>shalb alle Maßnahmen, bei <strong>de</strong>nen es<br />

sich um <strong>de</strong>n Erwerb von Kenntnissen, Fähigkeiten<br />

und Erfahrungen han<strong>de</strong>lt, die<br />

als Grundlage <strong>für</strong> die Ausübung <strong>de</strong>s angestrebten<br />

Berufs geeignet sind. Entschei<strong>de</strong>nd<br />

ist, ob die Ausbildung befähigt, aus<br />

<strong>de</strong>r angestrebten Tätigkeit Einkünfte zu<br />

erzielen. Nicht erfor<strong>de</strong>rlich ist <strong>das</strong> Vorliegen<br />

eines Berufsausbildungsverhältnisses<br />

nach <strong>de</strong>m Berufsbildungsgesetz o<strong>de</strong>r eine<br />

bestimmte Ausbildungsdauer.<br />

Ein-Prozent-Dienstwagen-<br />

Besteuerung: Das gilt auch bei<br />

fehlen<strong>de</strong>r tatsächlicher Nutzung<br />

In Abän<strong>de</strong>rung seiner bisherigen Rechtsprechung<br />

kommt die Ein-Prozent-Metho<strong>de</strong><br />

bei erlaubter unentgeltlicher o<strong>de</strong>r<br />

verbilligter privater Nutzungsmöglichkeit<br />

auch dann zur Anwendung, wenn Arbeitnehmer<br />

<strong>de</strong>n Geschäftswagen tatsächlich<br />

nicht privat genutzt haben. Ausgeschlossen<br />

ist die (teurere) Besteuerung dieses<br />

Vorteils also nur noch, wenn<br />

• die Privatnutzung ausdrücklich ausgeschlossen<br />

wird o<strong>de</strong>r<br />

• die (aufwändigere) Fahrtenbuch-Metho<strong>de</strong><br />

angewen<strong>de</strong>t wird.<br />

Die bisherige Möglichkeit, die Vermutung<br />

einer tatsächlichen Privatnutzung unter<br />

engen Voraussetzungen zu wi<strong>de</strong>rlegen,<br />

hat <strong>de</strong>r Bun<strong>de</strong>sfinanzhof jetzt ausgeschlossen<br />

und damit seine Rechtsprechung<br />

aus <strong>de</strong>m Jahre 2010 geän<strong>de</strong>rt.<br />

Im Streitfall hatte eine Steuerberatungs-<br />

GmbH ihrem Geschäftsführer einen<br />

Dienstwagen zur Verfügung gestellt.<br />

Aktuelles aus <strong>de</strong>m Lohnsteuerrecht <strong>Journal</strong> <strong>für</strong> <strong>das</strong> <strong>Lohnbüro</strong> August 2013 | 3


Nach <strong>de</strong>m Anstellungsvertrag durfte er<br />

<strong>das</strong> KFZ auch <strong>für</strong> Privatfahrten nutzen.<br />

Bei <strong>de</strong>r Lohnsteuer setzte die GmbH <strong>für</strong><br />

die private Nutzung nur eine Kostenpauschale<br />

an, da eine private Nutzung nicht<br />

stattgefun<strong>de</strong>n habe. Im Anschluss an eine<br />

Lohnsteuer-Außenprüfung erließ <strong>das</strong> Finanzamt<br />

gegen <strong>de</strong>n Arbeitgeber einen<br />

Haftungsbescheid. Einspruch und Klage<br />

dagegen waren erfolglos.<br />

Der BFH hat jetzt die Entscheidung <strong>de</strong>r<br />

Vorinstanz bestätigt. Die von <strong>de</strong>r GmbH<br />

gewährte Möglichkeit, <strong>de</strong>n Dienstwagen<br />

auch privat nutzen zu dürfen, führt beim<br />

Geschäftsführer zu einem Vorteil, <strong>de</strong>r als<br />

Lohn zu versteuern ist. Ob <strong>de</strong>r Arbeitnehmer<br />

von <strong>de</strong>r Privatnutzung Gebrauch gemacht<br />

hat, ist da<strong>für</strong> unerheblich. Der Vorteil<br />

in Gestalt <strong>de</strong>r konkreten Möglichkeit,<br />

<strong>das</strong> Fahrzeug auch privat nutzen zu dürfen,<br />

ist <strong>de</strong>m leiten<strong>de</strong>n Mitarbeiter bereits<br />

mit <strong>de</strong>r KFZ-Überlassung zugeflossen.<br />

Feststellungen zur tatsächlichen Privatnutzung<br />

waren <strong>de</strong>shalb nicht erfor<strong>de</strong>rlich.<br />

Der Bun<strong>de</strong>sfinanzhof bestätigt auch die<br />

Auffassung <strong>de</strong>s Finanzgerichts, <strong>das</strong>s <strong>de</strong>r<br />

Vorteil nach <strong>de</strong>r Ein-Prozent-Regelung zu<br />

bewerten sei. § 8 II Satz 2 EStG setzt keine<br />

tatsächliche Nutzung voraus, son<strong>de</strong>rn verweist<br />

nur auf die Ein-Prozent-Regelung<br />

<strong>de</strong>s § 6 I Nr. 4 Satz 2 EStG. Mit <strong>de</strong>m Betrag,<br />

<strong>de</strong>r nach dieser Metho<strong>de</strong> als Einnahme<br />

anzusetzen ist, sollen sämtliche geldwerten<br />

Vorteile aus <strong>de</strong>r privaten Nutzungsmöglichkeit<br />

pauschal abgegolten wer<strong>de</strong>n,<br />

unabhängig von <strong>de</strong>r Nutzungsart und<br />

<strong>de</strong>m Nutzungsumfang. Diese Typisierung<br />

hat <strong>de</strong>r Bun<strong>de</strong>sfinanzhof wie<strong>de</strong>rholt als<br />

verfassungsgemäß erachtet. Da im Streitfall<br />

ein ordnungsgemäßes Fahrtenbuch<br />

nicht geführt wor<strong>de</strong>n war, kam eine an<strong>de</strong>re<br />

Entscheidung nicht in Betracht (BFH<br />

v. 21.03.2013, Az.: VI R 31/10; www.bun<strong>de</strong>sfinanzhof.<strong>de</strong>).<br />

Praxis-Hinweise:<br />

In diesem Verfahren hat <strong>das</strong> Gericht auch<br />

entschie<strong>de</strong>n, <strong>das</strong>s die Übernahme von<br />

Mitglieds-Beiträgen <strong>de</strong>s Geschäftsführers<br />

<strong>für</strong> einen Golfclub auch dann Arbeitslohn<br />

darstellt, wenn die Mitgliedschaft <strong>für</strong> <strong>de</strong>n<br />

Beruf för<strong>de</strong>rlich ist.<br />

In einem Urteil vom 18.04.2013 zur Ein-<br />

Prozent-Regelung bei fehlen<strong>de</strong>r Überwachung<br />

<strong>de</strong>s Privatnutzungsverbots und zur<br />

Reichweite <strong>de</strong>s Anscheinsbeweises bei einer<br />

Geschäftsführerin im Familienunternehmen<br />

(Az.: VI R 23/12) hat <strong>de</strong>r BFH<br />

nochmals ver<strong>de</strong>utlicht, <strong>das</strong>s die Ein-Prozent-Regelung<br />

nur dann zur Anwendung<br />

kommt, wenn feststeht, <strong>das</strong>s <strong>de</strong>r Arbeitgeber<br />

<strong>de</strong>m Arbeitnehmer tatsächlich<br />

einen Dienstwagen zur Privatnutzung<br />

arbeitsvertraglich o<strong>de</strong>r auf <strong>de</strong>r Grundlage<br />

einer (ggf. schlüssig/stillschweigend) getroffenen<br />

Nutzungsvereinbarung überlassen<br />

hat.<br />

Entfernungspauschale <strong>für</strong> Familienheimfahrten<br />

bei doppeltem Haushalt<br />

auch ohne eigenen Aufwand<br />

möglich<br />

Wer aus beruflichen Grün<strong>de</strong>n (z. B. bei<br />

Versetzung) an einem an<strong>de</strong>ren Ort beschäftigt<br />

ist als <strong>de</strong>m Ort <strong>de</strong>s eigenen<br />

(Haupt-)Hausstands, kann wöchentlich<br />

einmal Familienheimfahrten durchführen.<br />

Die Kosten da<strong>für</strong> können vom Arbeitgeber<br />

steuerfrei ersetzt o<strong>de</strong>r vom Arbeitnehmer<br />

als Werbungskosten in seiner<br />

Steuererklärung abgesetzt wer<strong>de</strong>n. Die<br />

Entfernungspauschale von 30 Cent pro<br />

Entfernungs-Kilometer kann auch dann<br />

geltend gemacht wer<strong>de</strong>n, wenn <strong>für</strong> diese<br />

Fahrten keine Kosten angefallen sind. Jedoch<br />

müssen steuerfreie Reisekostenvergütungen<br />

und evtl. Freifahrten min<strong>de</strong>rnd<br />

angerechnet wer<strong>de</strong>n.<br />

Im Streitfall machte ein Bahn-Angestellter<br />

Mehraufwendungen <strong>für</strong> 48 Familienheimfahrten<br />

in Höhe von 5.199 Euro geltend<br />

(48 Fahrten x 361 Entfernungs-km x<br />

0,30 Euro). Elf dieser Fahrten hatte er mit<br />

<strong>de</strong>m eigenen PKW und 37 als Freifahrten<br />

mit <strong>de</strong>r Bahn unternommen, ohne <strong>das</strong>s er<br />

<strong>für</strong> Letztere eigene Aufwendungen hatte.<br />

Während die PKW-Fahrten unproblematisch<br />

waren, wur<strong>de</strong>n die Bahn-Fahrten<br />

vom Finanzamt und vom Finanzgericht<br />

Sachsen-Anhalt (Az.: 1 K 1228/09, EFG<br />

2012, S. 1040) mangels selbst getragener<br />

Aufwendungen nicht berücksichtigt.<br />

Das sieht <strong>de</strong>r Bun<strong>de</strong>sfinanzhof an<strong>de</strong>rs und<br />

hat <strong>de</strong>n Fall zur weiteren Sachaufklärung<br />

an <strong>das</strong> Finanzgericht zurückverwiesen.<br />

Nach § 9 I Satz 3 Nr. 5 Satz 4 EStG kann die<br />

Entfernungspauschale <strong>für</strong> je<strong>de</strong>n vollen<br />

Kilo meter <strong>de</strong>r Entfernung verkehrsmittelunabhängig<br />

und selbst dann in Anspruch<br />

genommen wer<strong>de</strong>n, wenn die Arbeitnehmer<br />

da<strong>für</strong> keine Kosten getragen haben.<br />

Das sei gesetzgeberisch so gewollt und<br />

durch umwelt- und verkehrspolitische<br />

Lenkungszwecke gerechtfertigt. Die danach<br />

zu berücksichtigen<strong>de</strong>n Beträge müssen<br />

um steuerfreie Sachbezüge (wie hier<br />

die Freifahrten <strong>de</strong>r Bahn) gemin<strong>de</strong>rt wer<strong>de</strong>n<br />

(§ 8 III EStG). Ist <strong>de</strong>r Arbeitgeber selbst<br />

<strong>de</strong>r Verkehrsträger, ist dabei <strong>de</strong>r Preis anzusetzen,<br />

<strong>de</strong>n ein Dritter an die Bahn zu<br />

entrichten hätte (§ 9 I Satz 3 Nr. 5 Satz 5<br />

i. V. m. Nr. 4 Satz 5 EStG). Das Finanzgericht<br />

muss jetzt als Tatsachengericht im<br />

zweiten Rechtsgang weitere Feststellungen<br />

zur Anzahl <strong>de</strong>r Familien heimfahrten<br />

und zu <strong>de</strong>n anrechenbaren Arbeitgeber-<br />

Leistungen treffen (BFH v. 18.04.2013, Az.:<br />

VI R 29/12; www.bun<strong>de</strong>sfinanzhof.<strong>de</strong>).<br />

WOLFGANG GAMP<br />

Rechtsassessor,<br />

www.lohnsteuerhilfeher<strong>de</strong>cke.<strong>de</strong><br />

Der „ohnehin geschul<strong>de</strong>te Arbeitslohn“<br />

Wie ein Nichtanwendungserlass Kreativität freisetzen kann<br />

Naturgemäß ist man bei <strong>de</strong>n Steuerexperten<br />

<strong>de</strong>s Bun<strong>de</strong>s und <strong>de</strong>r Län<strong>de</strong>r einerseits<br />

und <strong>de</strong>m Bun<strong>de</strong>sfinanzhof an<strong>de</strong>rerseits<br />

nicht immer einer Meinung. Das ergibt<br />

sich schon aus <strong>de</strong>r Vielzahl <strong>de</strong>r finanzgerichtlich<br />

aufzuarbeiten<strong>de</strong>n Fälle, in <strong>de</strong>nen<br />

nicht nur <strong>de</strong>r Bürger eine an<strong>de</strong>re Auffassung<br />

vertritt als die Finanzbehör<strong>de</strong>n, son<strong>de</strong>rn<br />

auch die Finanzgerichte und hier<br />

letztlich <strong>de</strong>r BFH teilweise eine <strong>de</strong>utlich<br />

an<strong>de</strong>re Rechtsauffassung zu Steuergesetzen<br />

vertritt, als es <strong>de</strong>r jeweilige Steuergesetzgeber<br />

und seine Finanzbehör<strong>de</strong>n<br />

tun.Zwar überwiegen weiterhin die Finanzgerichtsurteile,<br />

in <strong>de</strong>nen die steuerliche<br />

Rechtsauffassung <strong>de</strong>r Finanzbehör<strong>de</strong>n<br />

und <strong>de</strong>s Gesetzgebers durch die<br />

Finanzgerichte bestätigt wird. Allerdings<br />

ist allgemein doch eine leichte Zunahme<br />

insbeson<strong>de</strong>re höchstrichterlicher BFH-<br />

Urteile festzustellen, in <strong>de</strong>nen <strong>de</strong>n Finanz-<br />

4 | <strong>Journal</strong> <strong>für</strong> <strong>das</strong> <strong>Lohnbüro</strong> August 2013 Der „ohnehin geschul<strong>de</strong>te Arbeitslohn“


ehör<strong>de</strong>n und <strong>de</strong>m Steuergesetzgeber,<br />

weniger <strong>de</strong>n vorinstanzlichen Finanzgerichten,<br />

eine teils <strong>de</strong>utlich abweichen<strong>de</strong><br />

Rechtsauffassung <strong>de</strong>s BFH entgegengehalten<br />

wird.<br />

Auch die höchstrichterlichen Urteile <strong>de</strong>s<br />

BFH beziehen sich aber nahezu immer auf<br />

einen Einzelfall. Und damit ist es dann<br />

gar nicht so selten, son<strong>de</strong>rn eher fast die<br />

Regel, <strong>das</strong>s <strong>das</strong> BMF „im Einvernehmen<br />

mit <strong>de</strong>n obersten Finanzbehör<strong>de</strong>n <strong>de</strong>r<br />

Län<strong>de</strong>r“ doch die eigene, gemäß BFH<br />

dann eigentlich falsche Rechtsauffassung<br />

weiterhin per Nichtanwendungserlass<br />

„über <strong>de</strong>n entschie<strong>de</strong>nen Einzelfall hinaus“<br />

gültig bleiben lässt. Dieser Nichtanwendungserlass<br />

ist dann eine Anweisung<br />

an die ausführen<strong>de</strong>n örtlichen Finanzbehör<strong>de</strong>n<br />

mit <strong>de</strong>m Ziel, in <strong>de</strong>r Regel die<br />

durch diese Nichtanwendung weiterhin<br />

erzielbaren Mehrsteuern von <strong>de</strong>n Bürgern<br />

auch einzutreiben. Und falls einer o<strong>de</strong>r<br />

mehrere Bürger sich dann doch weiter auf<br />

<strong>das</strong> <strong>für</strong> ihn o<strong>de</strong>r sie günstigere BFH-Urteil<br />

beziehen möchten, dann müssen sie halt<br />

erneut klagen.<br />

Ob <strong>de</strong>rartige Nichtanwendungserlasse<br />

<strong>de</strong>s BMF noch als rechtsstaatlich angesehen<br />

wer<strong>de</strong>n können, darüber streiten sich<br />

die verschie<strong>de</strong>nen Fachleute aus grundgesetzlichem<br />

Anlass schon seit langem.<br />

Bisher ist es je<strong>de</strong>nfalls bei <strong>de</strong>r Praxis <strong>de</strong>r<br />

Nichtanwendungserlasse geblieben.<br />

Dieses vorausgeschickt soll hier über<br />

einen <strong>de</strong>r eher ganz seltenen Fälle berichtet<br />

wer<strong>de</strong>n, in <strong>de</strong>nen ein Nichtanwendungserlass<br />

<strong>de</strong>s BMF vom 22. Mai 2013 –<br />

IV C 5 – S 2388/11/10001-02 –, entgegen<br />

einer zu Lasten <strong>de</strong>r Steuerbürger verschärften<br />

steuerlichen Definition durch<br />

<strong>de</strong>n BFH, weiterhin und ausdrücklich<br />

eine großzügigere Handhabung <strong>de</strong>r Finanzbehör<strong>de</strong>n<br />

in bestimmten steuerlichen<br />

Beurteilungsfällen anweist. Und<br />

damit erst recht <strong>für</strong> Erstaunen und Verwun<strong>de</strong>rung<br />

sorgt.<br />

Es geht hierbei um die Urteile <strong>de</strong>s BFH<br />

vom 19. September 2012 – VI R 54/11 und<br />

VI R 55/11. Mit diesen Urteilen hatte <strong>de</strong>r<br />

BFH entschie<strong>de</strong>n, <strong>das</strong> in bestimmten<br />

lohnsteuerlichen Begünstigungsnormen<br />

verwen<strong>de</strong>te Tatbestandsmerkmal „zusätzlich<br />

zum ohnehin geschul<strong>de</strong>ten Arbeitslohn“<br />

sei nur bei freiwilligen Arbeitgeberleistungen<br />

erfüllt. In diesen Urteilen ging<br />

es um Fälle von Kin<strong>de</strong>rbetreuungsleistungen<br />

<strong>de</strong>s Arbeitgebers (§ 3 Nr. 33 EStG), IT-<br />

Leistungen <strong>de</strong>s Arbeitgebers (§ 40 Abs. 2<br />

Satz 1 Nr. 5 EStG) sowie um Fahrtkostenzuschüsse<br />

(§ 40 Abs. 2 Satz 2 EStG).<br />

Der „ohnehin geschul<strong>de</strong>te Arbeitslohn“<br />

Dabei hatte <strong>de</strong>r BFH ausdrücklich betont,<br />

<strong>das</strong>s die von <strong>de</strong>n klagen<strong>de</strong>n Unternehmen<br />

vorgenommenen Än<strong>de</strong>rungen <strong>de</strong>r Arbeitsverträge<br />

schon aufgrund <strong>de</strong>r zum<br />

Zeitpunkt dieser Än<strong>de</strong>rungen gelten<strong>de</strong>n<br />

steuerrechtlichen Vorschriften, und ergänzend<br />

aufgrund früher dazu ergangener<br />

höchstrichterlicher Urteile, die notwendigen<br />

Voraussetzungen nicht erfüllten.<br />

Der BFH bestätigte dabei ausdrücklich die<br />

Urteile <strong>de</strong>r Vorinstanz (FG Nie<strong>de</strong>rsachsen),<br />

wonach die arbeitsvertragliche Herabsetzung<br />

bisher geschul<strong>de</strong>ter Arbeitslöhne zugunsten<br />

künftiger steuerfreier bzw. pauschal<br />

zu versteuern<strong>de</strong>r Zusatzleistungen<br />

steuerrechtlich unrichtig war. Die dazu ergangenen<br />

Lohnsteuerhaftungsbeschei<strong>de</strong><br />

<strong>de</strong>s Betriebsstättenfinanzamtes waren<br />

<strong>de</strong>mnach zu Recht erfolgt.<br />

Zusammenfassend hatte <strong>de</strong>r BFH je<strong>de</strong>nfalls<br />

geurteilt, <strong>das</strong>s <strong>de</strong>r „ohnehin geschul<strong>de</strong>te<br />

Arbeitslohn“ <strong>de</strong>r Arbeitslohn ist, <strong>de</strong>n<br />

<strong>de</strong>r Arbeitgeber aus allen verbindlichen<br />

Rechtsansprüchen seinen Arbeitnehmern<br />

schul<strong>de</strong>t. Und dazu gehören nach durchaus<br />

vertretbarer Meinung <strong>de</strong>s BFH dann<br />

auch „freiwillige“ Son<strong>de</strong>rzahlungen, je<strong>de</strong>nfalls<br />

soweit auf diese aus betrieblicher<br />

Übung ebenfalls ein Anspruch hergeleitet<br />

wer<strong>de</strong>n kann. Das sei dann <strong>de</strong>r aufgrund<br />

von Vereinbarungen o<strong>de</strong>r durch eine dauern<strong>de</strong><br />

Übung arbeitsrechtlich geschul<strong>de</strong>te<br />

Arbeitslohn. Und so hatte <strong>de</strong>r BFH, konsequent<br />

ausgerichtet an <strong>de</strong>n jeweiligen Gesetzestexten,<br />

auch schon früher geurteilt.<br />

Ergänzend macht <strong>de</strong>r BFH dann noch<br />

<strong>de</strong>utlich: „Wenn davon <strong>das</strong> Gesetz Leistungen<br />

unterschei<strong>de</strong>t, die „zusätzlich zum<br />

ohnehin geschul<strong>de</strong>ten Arbeitslohn“ erbracht<br />

wer<strong>de</strong>n, wie etwa in <strong>de</strong>n §§ 3 Nr.<br />

33, § 40 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 o<strong>de</strong>r § 40 Abs. 2<br />

Satz 2 EStG, können <strong>de</strong>rartige Leistungen<br />

dann nur noch freiwillige Arbeitgeberleistungen<br />

sein, also solche, auf die<br />

<strong>de</strong>r Arbeitnehmer keinen arbeitsrechtlichen<br />

Anspruch hat. Denn nur solche<br />

schul<strong>de</strong>t <strong>de</strong>r Arbeitgeber nicht ohnehin.“<br />

Demnach sei die durch die Arbeitgeberin<br />

erfolgte arbeitsvertragliche Herabsetzung<br />

bisher als Arbeitslohn geschul<strong>de</strong>ter<br />

Ansprüche zugunsten künftiger steuerfreier<br />

o<strong>de</strong>r steuerbegünstigter „Zusatzleistungen“<br />

insofern nicht zulässig gewesen.<br />

Dieses sei auch darin begrün<strong>de</strong>t<br />

gewesen, weil die Arbeitnehmer auf<br />

diese Zusatzleistungen arbeitsrechtlich<br />

auch dann noch im vollen Umfang<br />

Anspruch gehabt hätten, wenn die individuellen<br />

Voraussetzungen <strong>für</strong> die steuerfreien<br />

o<strong>de</strong>r steuerbegünstigen Zusatzleistungen<br />

entfallen waren. Damit sei <strong>das</strong><br />

Zusätzlichkeitserfor<strong>de</strong>rnis endgültig<br />

nicht erfüllt gewesen.<br />

In seiner Urteilsbegründung setzt <strong>de</strong>r BFH<br />

dann noch eine weitere bemerkenswerte<br />

Begründung hinzu: „Deshalb än<strong>de</strong>rt an<br />

diesem Ergebnis auch die grundsätzlich<br />

zutreffen<strong>de</strong> Einwendung <strong>de</strong>r Klägerin<br />

nichts, <strong>das</strong>s damit letztlich auch freiwillige<br />

Leistungen über <strong>das</strong> arbeitsrechtliche<br />

Institut <strong>de</strong>r betrieblichen Übung zu ohnehin<br />

geschul<strong>de</strong>tem Arbeitslohn wer<strong>de</strong>n<br />

können und daher <strong>de</strong>r Anwendungsbereich<br />

<strong>de</strong>r Pauschalierungs- und Begünstigungsnormen<br />

eingeschränkt ist. Hier<br />

Än<strong>de</strong>rungen vorzunehmen, ist Aufgabe<br />

<strong>de</strong>s Gesetzgebers.“<br />

Der BFH bestätigt also nicht nur seine frühere<br />

hierzu ergangene Rechtsprechung,<br />

son<strong>de</strong>rn er setzt noch einen drauf, in<strong>de</strong>m<br />

er „zusätzlich“ ausdrücklich mit „freiwillig“<br />

verbin<strong>de</strong>t. Und allen Adressaten dabei<br />

gleich noch mitteilt, <strong>das</strong>s auch <strong>de</strong>rartige<br />

freiwilligen Leistungen dann ihren<br />

steuerfreien o<strong>de</strong>r steuerbegünstigten Status<br />

verlieren können, wenn sie durch<br />

betriebliche Übung arbeitsrechtlich zu<br />

einem beanspruchbaren Arbeitslohn führen.<br />

Und <strong>de</strong>r Gesetzgeber erhält gleichzeitig<br />

einen <strong>de</strong>utlichen Hinweis, <strong>das</strong>s er dieses<br />

Problem ja durch entsprechen<strong>de</strong><br />

gesetzliche Anpassungen lösen könne.<br />

Der Gesetzgeber, in Gestalt <strong>de</strong>s Bun<strong>de</strong>sfinanzministeriums<br />

in Abstimmung mit<br />

<strong>de</strong>n obersten Finanzbehör<strong>de</strong>n <strong>de</strong>r Län<strong>de</strong>r,<br />

hat <strong>de</strong>n über<strong>de</strong>utlichen Zwischenruf <strong>de</strong>s<br />

BFH sehr wohl gehört bzw. gelesen. Und<br />

reagiert hat er auch, allerdings nicht mit<br />

einer Gesetzesän<strong>de</strong>rung, wie vom BFH<br />

gefor<strong>de</strong>rt. Statt<strong>de</strong>ssen reagiert <strong>de</strong>r BMF<br />

mit <strong>de</strong>m eingangs erwähnten Nichtanwendungserlass,<br />

<strong>de</strong>r formal ja nur <strong>für</strong><br />

die nachgeordneten Finanzbehör<strong>de</strong>n gilt,<br />

und weist folgen<strong>de</strong>s an:<br />

„Die Verwaltung sieht die Zusätzlichkeitsvoraussetzung<br />

abweichend von <strong>de</strong>r neuen<br />

BFH-Rechtsprechung als erfüllt an, wenn<br />

die zweckbestimmte Leistung zu <strong>de</strong>m Arbeitslohn<br />

hinzukommt, <strong>de</strong>n <strong>de</strong>r Arbeitgeber<br />

arbeitsrechtlich schul<strong>de</strong>t (vgl. R 3.33<br />

Abs. 5 Satz 1 LStR 2011). Nur Gehaltsumwandlungen<br />

sind danach schädlich.“<br />

Und in <strong>de</strong>r Tat sieht die RL-Vorschrift <strong>de</strong>s<br />

Abs. 5 vor, <strong>das</strong>s Umwandlungen aus laufen<strong>de</strong>n<br />

Arbeitslohnansprüchen nicht als<br />

„zusätzlich“ gelten. Dieses jedoch sehr<br />

wohl unter Anrechnung auf „freiwillige“<br />

Leistungen, also z. B. ein freiwilliges<br />

Weihnachtsgeld, möglich ist. Der auch bei<br />

freiwilligen Leistungen mögliche Übergang<br />

in eine beanspruchbare betriebliche<br />

Übung wird gar nicht erst erwähnt. Und<br />

<strong>Journal</strong> <strong>für</strong> <strong>das</strong> <strong>Lohnbüro</strong> August 2013 | 5


offensichtlich hat <strong>de</strong>r BFH im Sinne <strong>de</strong>r<br />

Rechtsfortbildung <strong>de</strong>n Gesetzgeber genau<br />

auf dieses Problem hingewiesen.<br />

Das BMF reagiert darauf dann mit <strong>de</strong>n<br />

nachfolgen<strong>de</strong>n Texten:<br />

„Im Einvernehmen mit <strong>de</strong>n obersten<br />

Finanzbehör<strong>de</strong>n <strong>de</strong>r Län<strong>de</strong>r gilt zum Tatbestandsmerkmal<br />

„zusätzlich zum ohnehin<br />

geschul<strong>de</strong>ten Arbeitslohn“ abweichend<br />

von <strong>de</strong>r neuen BFH-Rechtsprechung<br />

und über <strong>de</strong>n Einzelfall hinaus aus Grün<strong>de</strong>n<br />

<strong>de</strong>s Vertrauensschutzes und <strong>de</strong>r Kontinuität<br />

<strong>de</strong>r Rechtsanwendung weiterhin<br />

Folgen<strong>de</strong>s:<br />

Kommt die zweckbestimmte Leistung zu<br />

<strong>de</strong>m Arbeitslohn hinzu, <strong>de</strong>n <strong>de</strong>r Arbeitgeber<br />

schul<strong>de</strong>t, ist <strong>das</strong> Tatbestandsmerkmal<br />

„zusätzlich zum ohnehin geschul<strong>de</strong>ten<br />

Arbeitslohn“ auch dann erfüllt, wenn<br />

<strong>de</strong>r Arbeitnehmer arbeitsvertraglich o<strong>de</strong>r<br />

aufgrund einer an<strong>de</strong>ren arbeits- o<strong>de</strong>r<br />

dienstrechtlichen Rechtsgrundlage einen<br />

Anspruch auf die zweckbestimmte Leistung<br />

hat.“<br />

Damit wäre dann ja alles klar. O<strong>de</strong>r eben<br />

auch nicht. Auf je<strong>de</strong>n Fall sollte man diesen<br />

Nichtanwendungserlass an geeigneter<br />

Stelle seiner eigenen RL 3.33 Abs. 5 beifügen.<br />

Damit bei einer anstehen<strong>de</strong>n Überprüfung,<br />

auch o<strong>de</strong>r gera<strong>de</strong> durch einen<br />

Lohnsteuer-Außenprüfer, <strong>de</strong>r eigenen<br />

„zusätzlichen“ Leistungen die aktuelle<br />

Auffassung <strong>de</strong>r Finanzverwaltung stets<br />

griffbereit ist. Je<strong>de</strong>nfalls bis zu einer hoffentlich<br />

dann auch so ergänzten Neufassung<br />

<strong>de</strong>r Lohnsteuer-Richtlinie (2014?).<br />

Die eigene Prüfung <strong>de</strong>r bisherigen o<strong>de</strong>r<br />

künftig erstmaligen Praxis von zusätzlichen<br />

Leistungen <strong>für</strong> steuerfreie o<strong>de</strong>r steuerbegünstigte<br />

Zwecke sollte auch darauf<br />

ausgerichtet sein, ob sich durch die klarstellen<strong>de</strong><br />

Definition seitens <strong>de</strong>s BMF nicht<br />

auch noch neue o<strong>de</strong>r ganz an<strong>de</strong>re Möglichkeiten<br />

ergeben. Denn bei genauer Betrachtung<br />

<strong>de</strong>s BMF-Textes könnten alle<br />

schon bisherigen Zusatzleistungen, egal<br />

auf welcher arbeits- o<strong>de</strong>r dienstrechtlichen<br />

Grundlage, <strong>für</strong> eine künftige steuerfreie<br />

o<strong>de</strong>r steuerbegünstigte Verwendung<br />

infrage kommen. Vielleicht braucht<br />

<strong>das</strong> Kind auch nur einen schönen neuen<br />

Namen. Der diesbezüglichen Kreativität<br />

scheinen je<strong>de</strong>nfalls wesentlich weniger<br />

steuerrechtliche Grenzen gesetzt wor<strong>de</strong>n<br />

zu sein. Und wenn man dann fündig gewor<strong>de</strong>n<br />

ist, sollte eine ebenso kreative wie<br />

geschliffene Anrufungsauskunft an <strong>das</strong><br />

Betriebsstättenfinanzamt auch keine unüberwindliche<br />

Hür<strong>de</strong> mehr darstellen.<br />

WERNER M. MOCHE<br />

BiAM-Beratung<br />

Holzmin<strong>de</strong>n<br />

Aktuelles aus <strong>de</strong>m Sozialversicherungsrecht<br />

Pflegekassen helfen bei Doppelbelastung<br />

mit Beruf und Pflege<br />

(Gp) Die Doppelbelastung durch Beruf<br />

und zu pflegen<strong>de</strong> Angehörige kann<br />

schnell zu Überfor<strong>de</strong>rung führen. Nach<br />

einer Studie <strong>de</strong>s Zentrums <strong>für</strong> Qualität in<br />

<strong>de</strong>r Pflege (ZQP) scheitert oft die Organisation<br />

einer Auszeit. In dieser Situation<br />

sollten sich Betroffene an eine Pflegeberatung<br />

wen<strong>de</strong>n, die folgen<strong>de</strong> Lösungen anbieten<br />

kann:<br />

• Beantragung einer Verhin<strong>de</strong>rungspflege,<br />

bei <strong>de</strong>r die Betreuung durch<br />

eine vertraute Person (Freun<strong>de</strong>, Verwandte<br />

…) <strong>für</strong> max. 28 Tage übernommen<br />

wird. Hierbei erstattet die Pflegekasse<br />

max. 1.550 Euro pro Jahr.<br />

• Kurzzeitpflege in einem Pflegeheim<br />

bis zu vier Wochen meist im Anschluss<br />

an einen Krankenhausaufenthalt;<br />

regelmäßig setzt dies <strong>das</strong> Erreichen<br />

einer Pflegestufe voraus, jedoch<br />

gibt es auch Ausnahmen. Auch da<strong>für</strong><br />

übernehmen die Pflegekassen bis zu<br />

1.550 Euro pro Jahr.<br />

Mehr unter www.zqp.<strong>de</strong>.<br />

SEPA-Umstellung beim Beitrags-<br />

Einzug<br />

(Gp) Spätestens ab 01.02.2014 muss sämtlicher<br />

Zahlungsverkehr in <strong>de</strong>r EU auf <strong>de</strong>n<br />

SEPA-Standard (mit IBAN und BIC, 22<br />

Stellen und hoher Fehleranfälligkeit!) umgestellt<br />

sein. Damit sollten Arbeitgeber<br />

wegen <strong>de</strong>s doch beachtlichen Umstellungs-Aufwands<br />

nicht zu lange warten<br />

und möglichst noch vor Jahresen<strong>de</strong> 2013<br />

zum Abschluss kommen.<br />

Für <strong>de</strong>n SV-Beitragsnachweis gibt es eine<br />

wichtige Ausnahme mit Erleichterung:<br />

Die sonst erfor<strong>de</strong>rliche Vorab-Ankündigung<br />

(pre-notification) ist mit <strong>de</strong>r Zusendung<br />

<strong>de</strong>s Beitragsnachweises <strong>de</strong>r Sozialversicherung<br />

als erfüllt anzusehen.<br />

Darauf haben sich <strong>das</strong> Bun<strong>de</strong>sarbeitsministerium<br />

(BMAS) mit <strong>de</strong>r Spitzenorganisation<br />

<strong>de</strong>r Sozialversicherung in <strong>de</strong>n Gemeinsamen<br />

Grundsätzen vom 02.05.2013,<br />

Ziff. 12 geeinigt. Entsprechen<strong>de</strong>s gilt <strong>für</strong><br />

<strong>de</strong>n Beitragsnachweis <strong>de</strong>r Zahlstellen von<br />

Versorgungsbezügen (mehr zu SEPA<br />

unter www.sepa<strong>de</strong>utschland.<strong>de</strong>).<br />

In 2013 weniger Minijobber und<br />

weniger RV-Befreiungen als gedacht<br />

(Gp) Nach Angaben <strong>de</strong>r Minijob-Zentrale<br />

<strong>de</strong>r Deutschen Rentenversicherung<br />

Knappschaft-Bahn-See (KBS) ist die Zahl<br />

<strong>de</strong>r Minijobber im 1. Quartal 2013 erneut<br />

gesunken. Sie liegt jetzt bei ca. 6,7 Mio.,<br />

was gegenüber 2012 einen Rückgang von<br />

0,8 Prozent be<strong>de</strong>utet.<br />

45 Prozent <strong>de</strong>r Minijobber sind im gewerblichen<br />

Bereich tätig und 38 Prozent<br />

in Privathaushalten, wo sich die Zahl gegenüber<br />

2012 um 5,7 Prozent erhöht hat.<br />

Hier sollen durch <strong>das</strong> Haushaltscheck-<br />

Ver fahren die Anmel<strong>de</strong>zahlen erhöht und<br />

Schwarzarbeit eingedämmt wer<strong>de</strong>n.<br />

Gegenüber <strong>de</strong>n ursprünglich geschätzten<br />

ca. 90 Prozent haben sich viel weniger Minijobber<br />

von <strong>de</strong>r Rentenversicherungs-<br />

Pflicht befreien lassen. Die Quote lag bis<br />

31.03.2013 im gewerblichen Bereich bei<br />

25,9 Prozent und in Privathaushalten bei<br />

24,5 Prozent.<br />

Viele befreite Minijobber sind Rentner<br />

o<strong>de</strong>r haben sonst Ansprüche aus einem<br />

sv-pflichtigen Job. Eine auskömmliche<br />

Rente wird durch <strong>de</strong>n Minijob nicht erreicht.<br />

Jedoch ermöglicht <strong>de</strong>r RV-Beitrag<br />

z. B. <strong>das</strong> Riestersparen o<strong>de</strong>r die Nutzung<br />

von Reha-Angeboten.<br />

Von <strong>de</strong>n RV-Beiträgen zahlen im gewerblichen<br />

Bereich Arbeitnehmer = 3,9 Prozent<br />

und Arbeitgeber = 15 Prozent. In Privathaushalten<br />

zahlen Arbeitnehmer = 13,9<br />

Prozent und Arbeitgeber = 5 Prozent.<br />

Die meisten Minijobber sind über 60 Jahre<br />

alt und überwiegend Frauen. Sie sind vor<br />

allem im Han<strong>de</strong>l, bei <strong>de</strong>r KFZ-Reparatur/<br />

Instandhaltung und im Gastgewerbe tätig<br />

(mehr unter www.minijob-zentrale.<strong>de</strong>).<br />

6 | <strong>Journal</strong> <strong>für</strong> <strong>das</strong> <strong>Lohnbüro</strong> August 2013 Aktuelles aus <strong>de</strong>m Sozialversicherungsrecht


Verzicht auf RV-Prüfungen bei<br />

Künstlersozialabgaben: droht<br />

KSK-Austrocknung?<br />

(Gp) Derzeit erfolgt keine regelmäßige<br />

Prüfung <strong>de</strong>r Künstlersozialabgaben bei<br />

<strong>de</strong>n turnusmäßigen Betriebsprüfungen<br />

<strong>de</strong>r DRV. Es besteht vielmehr ein Auswahlermessen<br />

bzgl. Art und Anzahl <strong>de</strong>r zu<br />

prüfen<strong>de</strong>n Arbeitgeber. Das sollte mit<br />

<strong>de</strong>m „Gesetz zur Neuorganisation <strong>de</strong>r<br />

bun<strong>de</strong>sunmittelbaren Unfallkassen, zur<br />

Än<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>s Sozialgerichtsgesetzes und<br />

zur Än<strong>de</strong>rung an<strong>de</strong>rer Gesetze“ (BUK-<br />

NOG) eigentlich geän<strong>de</strong>rt wer<strong>de</strong>n. Jedoch<br />

sind entsprechen<strong>de</strong> Planungen im Laufe<br />

<strong>de</strong>s Gesetzgebungsverfahrens wie<strong>de</strong>r gestrichen<br />

wor<strong>de</strong>n, nach<strong>de</strong>m die Arbeitgeberverbän<strong>de</strong><br />

(BDA) und <strong>de</strong>r DIHT auf<br />

<strong>de</strong>n hohen Bürokratieaufwand hingewiesen<br />

hatten (BT-Drucksache 17/13808).<br />

Jetzt <strong>für</strong>chten Werbegestalter, Grafiker,<br />

Publizisten und an<strong>de</strong>re Künstler ein Austrocknen<br />

<strong>de</strong>r Künstlersozialkasse (KSK).<br />

Mit einer Petition (bis 06.08.2013) ist <strong>de</strong>shalb<br />

versucht wor<strong>de</strong>n, eine regelmäßige<br />

Prüfung spätestens alle vier Jahre zu erreichen:<br />

die Kanzlerin hat sich dazu noch<br />

nicht geäußert.<br />

Neuer Künstlererlass reglementiert<br />

die Bescheinigung <strong>de</strong>r Selbständigkeit<br />

strenger<br />

(Gp) Nach einer Weisung <strong>de</strong>r OFD Münster<br />

können sich Grafiker, Werbegestalter,<br />

Autoren, Lektoren, <strong>Journal</strong>isten, Schriftsteller,<br />

Übersetzer, Musiker und artverwandte<br />

Berufsträger/freie Mitarbeiter ihren<br />

Status <strong>de</strong>r Selbständigkeit bescheinigen<br />

lassen. Dabei sollen künftig strengere<br />

Maßstäbe gelten als nach <strong>de</strong>m BMF-Erlass<br />

von 1990 (BStBl I S. 638) und es sollen sogar<br />

alte Bescheinigungen teilweise wi<strong>de</strong>rrufen<br />

wer<strong>de</strong>n (OFD Münster, Verfügung<br />

vom 22.03.2013, Kurz-Info ESt 16/2009).<br />

Praxis-Hinweise:<br />

Diese Verfügung betrifft primär die steuerliche<br />

Abgrenzung selbständige – nichtselbständige<br />

Tätigkeit. Auch <strong>das</strong> Problem<br />

<strong>de</strong>r Scheinselbständigkeit ist betroffen,<br />

wozu <strong>de</strong>rzeit vermehrte Prüfaktivitäten<br />

zu registrieren sind. Künstlersozialabgaben<br />

<strong>de</strong>r Verwerter wer<strong>de</strong>n nur <strong>für</strong> Selbständige<br />

nach <strong>de</strong>m KSVG an die Künstlersozialkasse<br />

(KSK) fällig. Der Prozentsatz<br />

beträgt <strong>für</strong> 2013 4,1 Prozent <strong>de</strong>r insgesamt<br />

gezahlten Entgelte (KünstlersozialabgabenVO<br />

v. 29.08.2012, BGBl I S. 1865).<br />

Aktuelles aus <strong>de</strong>m Sozialversicherungsrecht<br />

Minijobs: Meldungen nicht<br />

vergessen<br />

(Hm) Die Än<strong>de</strong>rungen bei <strong>de</strong>n Minijobs<br />

zum 1. Januar 2013 haben auch mel<strong>de</strong>rechtliche<br />

Auswirkungen. Eine davon<br />

fand bisher wenig öffentliche Aufmerksamkeit,<br />

<strong>de</strong>shalb sei sie hier noch einmal<br />

vorgestellt. Die Spitzenorganisationen <strong>de</strong>r<br />

Sozialversicherung führen in ihren Geringfügigkeits-Richtlinien<br />

auf Seite 99 (!)<br />

aus:<br />

„Sofern Arbeitnehmer in einer bisher nach<br />

§ 230 Abs. 8 Satz 1 SGB VI rentenversicherungsfreien<br />

Beschäftigung aufgrund <strong>de</strong>r<br />

Erhöhung <strong>de</strong>s Arbeitsentgelts auf mehr als<br />

400 Euro, aber nicht mehr als 450 Euro im<br />

Monat in <strong>de</strong>r weiterhin geringfügig entlohnten<br />

Beschäftigung <strong>de</strong>m Grun<strong>de</strong> nach<br />

rentenversicherungspflichtig wer<strong>de</strong>n, aber<br />

mit Wirkung ab <strong>de</strong>m Monat <strong>de</strong>r Erhöhung<br />

<strong>de</strong>s Arbeitsentgelts von ihrem Recht auf<br />

Befreiung von <strong>de</strong>r Rentenversicherungspflicht<br />

Gebrauch machen, ist <strong>de</strong>r Eingang<br />

<strong>de</strong>s Befreiungsantrags mit einer Abmeldung<br />

mit Abgabegrund ‚33‘ zum En<strong>de</strong> <strong>de</strong>s<br />

Zeitraums <strong>de</strong>r Rentenversicherungsfreiheit<br />

nach § 230 Abs. 8 Satz 1 SGB VI sowie<br />

eine Anmeldung mit <strong>de</strong>m Abgabegrund<br />

‚13‘ ab <strong>de</strong>m Beginn <strong>de</strong>s Zeitraums <strong>de</strong>r Befreiung<br />

von <strong>de</strong>r Rentenversicherungspflicht<br />

nach § 6 Abs. 1b SGB VI (Erster <strong>de</strong>s<br />

Kalen<strong>de</strong>rmonats) zu mel<strong>de</strong>n. Die Beitragsgruppe<br />

‚5‘ in <strong>de</strong>r Rentenversicherung<br />

bleibt unverän<strong>de</strong>rt. Die Meldung kann alternativ<br />

auch in schriftlicher Form erfolgen.<br />

Hier<strong>für</strong> bietet die Minijob-Zentrale<br />

eine Mustermeldung im Download-Bereich<br />

unter www.minijob-zentrale.<strong>de</strong> an.<br />

Eine Kopie <strong>de</strong>r Meldung ist zu <strong>de</strong>n Entgeltunterlagen<br />

zu nehmen.“<br />

BUK-Neuorganisationsgesetz<br />

beschlossen<br />

(Hm) Der Entwurf eines Gesetzes zur Neuorganisation<br />

<strong>de</strong>r bun<strong>de</strong>sunmittelbaren<br />

Unfallkassen, zur Än<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>s Sozialgerichtsgesetzes<br />

und zur Än<strong>de</strong>rung an<strong>de</strong>rer<br />

Gesetze (BUK-Neuorganisationsgesetz)<br />

wur<strong>de</strong> En<strong>de</strong> Juni 2013 in dritter<br />

Lesung vom Deutschen Bun<strong>de</strong>stag beschlossen.<br />

Auf folgen<strong>de</strong> Punkte ist beson<strong>de</strong>rs<br />

hinzuweisen:<br />

• bei Beendigung eines Beschäftigungsverhältnisses<br />

soll die Arbeitsbescheinigung<br />

„nur noch“ dann ausgestellt<br />

wer<strong>de</strong>n, wenn <strong>de</strong>r betroffene Arbeitnehmer<br />

o<strong>de</strong>r die Bun<strong>de</strong>sagentur <strong>für</strong><br />

Arbeit dies explizit verlangt<br />

• darüber hinaus soll <strong>de</strong>m Arbeitgeber<br />

die Möglichkeit eröffnet wer<strong>de</strong>n, die<br />

von ihm zu erstellen<strong>de</strong> Bescheinigung<br />

auf elektronischem Wege an die Bun<strong>de</strong>sagentur<br />

<strong>für</strong> Arbeit zu übermitteln,<br />

statt diese auf Papier auszugeben (Projekt<br />

Bea)<br />

• <strong>de</strong>r Termin zur Erstattung <strong>de</strong>r DEÜV-<br />

Jahresmeldung soll vom 15. April <strong>de</strong>s<br />

Folgejahres auf <strong>de</strong>n 15. Februar <strong>de</strong>s Folgejahres<br />

vorverlegt wer<strong>de</strong>n (erstmals<br />

<strong>für</strong> die Jahresmeldung 2013 in 2014)<br />

• die Unfallversicherungsträger sollen<br />

ihre Prüfkompetenz <strong>für</strong> die Fälle „zurückbekommen“,<br />

bei <strong>de</strong>nen konkrete<br />

Anhaltspunkte vorliegen, <strong>das</strong>s Arbeitsentgelte<br />

vom Unternehmen nicht<br />

<strong>de</strong>r richtigen Gefahrklasse zugeordnet<br />

wur<strong>de</strong>n und die Aufklärung keinen<br />

Aufschub dul<strong>de</strong>t<br />

Berechnung <strong>de</strong>s pfändbaren<br />

Einkommens nach <strong>de</strong>r Nettometho<strong>de</strong><br />

(Hm) Das Bun<strong>de</strong>sarbeitsgericht hat in einem<br />

Anfang Juli 2013 veröffentlichten<br />

Grundsatzurteil zur Lohnpfändung entschie<strong>de</strong>n,<br />

<strong>das</strong>s bei <strong>de</strong>r Berechnung <strong>de</strong>s<br />

pfändbaren Einkommens entgegen <strong>de</strong>r<br />

bislang herrschen<strong>de</strong>n Meinung die sog.<br />

Nettometho<strong>de</strong> zugrun<strong>de</strong> zu legen ist (Urteil<br />

<strong>de</strong>s BAG vom 17. April 2013/10 AZR<br />

59/12).<br />

Krankenversicherungspflicht von<br />

Arbeitnehmern – Wie wirkt sich<br />

eine selbstständige Tätigkeit aus?<br />

(Hm) Neben ihrer Beschäftigung hauptberuflich<br />

selbstständig erwerbstätige Arbeitnehmer<br />

sind in ihrer Beschäftigung<br />

von <strong>de</strong>r Krankenversicherungspflicht ausgeschlossen<br />

(§ 5 Abs. 5 SGB V). Bei Selbstständigen<br />

mit min<strong>de</strong>stens einem mehr als<br />

geringfügig beschäftigten Arbeitnehmer<br />

wur<strong>de</strong> bisher generalisierend angenommen,<br />

<strong>das</strong>s sie aufgrund ihrer Arbeitgeberfunktion<br />

hauptberuflich selbstständig<br />

erwerbstätig sind. Die wirtschaftliche Be<strong>de</strong>utung<br />

und <strong>de</strong>r zeitliche Umfang <strong>de</strong>r<br />

selbstständigen Tätigkeit waren regelmäßig<br />

nicht näher zu prüfen. Daran halten<br />

die Krankenkassen nicht länger fest,<br />

nach<strong>de</strong>m zuvor <strong>das</strong> Bun<strong>de</strong>ssozialgericht<br />

eine Gesamtschau <strong>de</strong>r Verhältnisse in je<strong>de</strong>m<br />

Einzelfall „angemahnt“ hatte (B 12<br />

KR 4/10 R).<br />

Zur neuen Verfahrensweise wird in<br />

summa summarum 3/2013 ausgeführt:<br />

„Es kann nicht weiter generalisierend angenommen<br />

wer<strong>de</strong>n, <strong>das</strong>s Personen mit<br />

min<strong>de</strong>stens einem mehr als geringfügig<br />

beschäftigten Arbeitnehmer aufgrund<br />

ihrer Arbeitgeberfunktion – unabhängig<br />

von einem persönlichen Arbeitseinsatz –<br />

hauptberuflich selbstständig erwerbstätig<br />

sind. Entschei<strong>de</strong>nd sind vielmehr die<br />

wirtschaftliche Be<strong>de</strong>utung und <strong>de</strong>r zeitliche<br />

Umfang <strong>de</strong>r selbstständigen Tätig-<br />

<strong>Journal</strong> <strong>für</strong> <strong>das</strong> <strong>Lohnbüro</strong> August 2013 | 7


keit. Diese bei<strong>de</strong>n Kriterien sind regelmäßig<br />

näher zu prüfen bzw. festzustellen.<br />

Die Beschäftigung eines o<strong>de</strong>r mehrerer<br />

Arbeitnehmer kann allerdings ein Indiz<br />

<strong>für</strong> <strong>de</strong>n Umfang einer selbstständigen<br />

Tätigkeit darstellen. Denn <strong>de</strong>r mit <strong>de</strong>r<br />

Leitungsfunktion notwendig verbun<strong>de</strong>ne<br />

Zeitaufwand als Arbeitgeber ist <strong>de</strong>m<br />

Selbstständigen ebenso zuzurechnen wie<br />

<strong>das</strong> wirtschaftliche Ergebnis <strong>de</strong>r von ihm<br />

beschäftigten Arbeitnehmer.<br />

Ob eine selbstständige Tätigkeit von <strong>de</strong>r<br />

wirtschaftlichen Be<strong>de</strong>utung und <strong>de</strong>m<br />

zeitlichen Umfang her die nebenher ausgeübte<br />

Beschäftigung <strong>de</strong>utlich übersteigt,<br />

ist durch einen Vergleich dieser bei<strong>de</strong>n<br />

Kriterien (jeweils aus <strong>de</strong>r selbstständigen<br />

Tätigkeit und <strong>de</strong>r Beschäftigung) festzustellen.<br />

Der Arbeitgeber muss dies im<br />

Rahmen <strong>de</strong>r Erfüllung seiner üblichen<br />

Mel<strong>de</strong>- und Beitragspflichten bei Aufnahme<br />

<strong>de</strong>r Beschäftigung eines Arbeitnehmers<br />

o<strong>de</strong>r bei einer Än<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>r Verhältnisse<br />

prüfen.<br />

Um <strong>de</strong>n Belangen aller Beteiligten Rechnung<br />

zu tragen, kann eine vor allem verfahrenspraktisch<br />

relativ einfach durchzuführen<strong>de</strong><br />

Abgrenzung erfolgen. Hierzu<br />

kann zunächst schematisch von folgen<strong>de</strong>n<br />

Grundannahmen ausgegangen wer<strong>de</strong>n:<br />

• Bei Arbeitnehmern, die aufgrund tariflicher,<br />

betriebsbedingter o<strong>de</strong>r arbeitsvertraglicher<br />

Regelungen vollschichtig<br />

arbeiten o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>ren<br />

Arbeitszeit <strong>de</strong>r regelmäßigen Wochenarbeitszeit<br />

vergleichbarer Vollbeschäftigter<br />

<strong>de</strong>s Betriebs entspricht, ist anzunehmen,<br />

<strong>das</strong>s – unabhängig von <strong>de</strong>r<br />

Höhe <strong>de</strong>s Arbeitsentgelts – daneben<br />

<strong>für</strong> eine hauptberuflich selbstständige<br />

Erwerbstätigkeit kein Raum mehr<br />

bleibt.<br />

• Bei Arbeitnehmern, die mehr als 20<br />

Stun<strong>de</strong>n wöchentlich arbeiten und <strong>de</strong>ren<br />

monatliches Arbeitsentgelt mehr<br />

als die Hälfte <strong>de</strong>r monatlichen Bezugsgröße<br />

beträgt, ist ebenfalls anzunehmen,<br />

<strong>das</strong>s daneben <strong>für</strong> eine hauptberuflich<br />

selbstständige Erwerbstätigkeit<br />

kein Raum mehr bleibt.<br />

• Bei Arbeitnehmern, die an nicht mehr<br />

als 20 Stun<strong>de</strong>n wöchentlich arbeiten<br />

und <strong>de</strong>ren Arbeitsentgelt nicht mehr<br />

als die Hälfte <strong>de</strong>r monatlichen Bezugsgröße<br />

beträgt, ist anzunehmen, <strong>das</strong>s<br />

die selbstständige Erwerbstätigkeit<br />

hauptberuflich ausgeübt wird.<br />

Für Sie zusammengestellt von Stefan<br />

Haussmann (Hm) und Wolfgang Gamp<br />

(Gp).<br />

STEFAN<br />

HAUSSMANN<br />

LL.M.<br />

Berlin<br />

WOLFGANG GAMP<br />

Rechtsassessor,<br />

www.lohnsteuerhilfeher<strong>de</strong>cke.<strong>de</strong><br />

Nettolohnfiktion: Wann dürfen die Betriebsprüfer<br />

<strong>de</strong>n Nettolohn um die Steuer erhöhen?<br />

Bei Betriebsprüfungen kommt es immer<br />

wie<strong>de</strong>r zum Streit, wann die sogenannte<br />

„Nettolohnfiktion“ von <strong>de</strong>n Mitarbeitern<br />

<strong>de</strong>r Rentenversicherungsträger angewandt<br />

wer<strong>de</strong>n darf und wann nicht. Mit<br />

Urteil vom 09.11.2011 hat <strong>das</strong> Bun<strong>de</strong>ssozialgericht<br />

(BSG) klargestellt, <strong>das</strong>s <strong>für</strong> die<br />

Anwendung <strong>de</strong>s § 14 Abs. 2 Satz 2 SGB IV<br />

nicht nur die „objektive“ Verletzung von<br />

Zahlungspflichten sowie hiermit zusammenhängen<strong>de</strong>r<br />

Pflichten vorliegen, son<strong>de</strong>rn<br />

neben <strong>de</strong>r Feststellung eines solchen<br />

objektiven Verstoßes ein auf die Verletzung<br />

<strong>de</strong>r Arbeitgeberpflichten gerichteter<br />

(min<strong>de</strong>stens bedingter) Vorsatz bestehen<br />

muss. Mit <strong>de</strong>m Besprechungsergebnis<br />

vom 14./15.11.2012 (TOP 3) haben die Spitzenorganisationen<br />

in <strong>de</strong>r Sozialversicherung<br />

festgestellt, <strong>das</strong>s sie <strong>de</strong>m Urteil zur<br />

Ermittlung <strong>de</strong>r Beitragsbemessungsgrundlage<br />

bei illegalen Beschäftigungsverhältnissen<br />

folgen.<br />

Nach § 14 Abs. 2 Satz 2 SGB IV gilt bei<br />

illegalen Beschäftigungsverhältnissen, in<br />

<strong>de</strong>n Steuern und Sozialversicherungsbeiträge<br />

nicht gezahlt wur<strong>de</strong>n, ein Nettoarbeitsentgelt<br />

als vereinbart.<br />

Definition „illegale Beschäftigung“<br />

• Illegale Arbeitnehmerüberlassung<br />

• illegale Auslän<strong>de</strong>rbeschäftigung und<br />

• Beschäftigung mit Sozialleistungsbetrug<br />

N-Media-Images © www.fotolia.<strong>de</strong><br />

Von illegaler Beschäftigung und Schwarzarbeit<br />

ist ferner auszugehen, wenn jemand<br />

Mitarbeiter beschäftigt, die nicht<br />

bei einer Einzugsstelle (gesetzlichen<br />

Krankenkasse) angemel<strong>de</strong>t wur<strong>de</strong>n, und<br />

keine Sozialversicherungsbeiträge entrichtet<br />

wer<strong>de</strong>n, Schwarzlohn an Arbeitnehmer<br />

bezahlt wird, <strong>de</strong>r Bruttoarbeitslohn<br />

vorsätzlich verkürzt wird o<strong>de</strong>r<br />

Lohnsplitting durchgeführt wur<strong>de</strong>.<br />

8 | <strong>Journal</strong> <strong>für</strong> <strong>das</strong> <strong>Lohnbüro</strong> August 2013 Nettolohnfiktion: Wann dürfen die Betriebsprüfer <strong>de</strong>n Nettolohn um die Steuer erhöhen?


Erstattung von Meldungen<br />

Illegale Beschäftigung liegt aber auch vor,<br />

wenn <strong>de</strong>r Arbeitgeber seiner Verpflichtung<br />

zur Erstattung von Meldungen und<br />

Zahlung von Beiträgen nicht nachkommt.<br />

Nach <strong>de</strong>m Wortlaut <strong>de</strong>s § 14 Abs. 2 Satz 2<br />

SGB IV führt bereits ein Verstoß gegen<br />

<strong>de</strong>n objektiven Tatbestand zur Anwendung<br />

<strong>de</strong>r Norm, ohne <strong>das</strong>s subjektive<br />

Tatbestandsmerkmale wie Vorsatz bzw.<br />

Fahrlässigkeit erfüllt sein müssen.<br />

BSG-Urteil wird gefolgt<br />

Mit Urteil vom 09.11.2011 (Az.: B 12 R 18/09<br />

R, USK 2011-142) hat <strong>das</strong> BSG klargestellt,<br />

<strong>das</strong>s <strong>für</strong> die Anwendung <strong>de</strong>s § 14 Abs. 2<br />

Satz 2 SGB IV nicht nur die „objektive“<br />

Verletzung von Zahlungspflichten sowie<br />

hiermit zusammenhängen<strong>de</strong>r Pflichten<br />

vorliegen, son<strong>de</strong>rn neben <strong>de</strong>r Feststellung<br />

eines solchen objektiven Verstoßes ein auf<br />

die Verletzung <strong>de</strong>r Arbeitgeberpflichten<br />

gerichteter (min<strong>de</strong>stens bedingter) Vorsatz<br />

bestehen muss.<br />

Spitzenverbän<strong>de</strong> folgen <strong>de</strong>m Urteil<br />

Die Besprechungsteilnehmer (Besprechungsergebnis<br />

<strong>de</strong>r Spitzenverbän<strong>de</strong> in <strong>de</strong>r<br />

Sozialversicherung vom 14./15.11.2012,<br />

TOP 3) sind <strong>de</strong>r Auffassung, <strong>das</strong>s <strong>de</strong>m vorgenannten<br />

Urteil grundsätzlich Be<strong>de</strong>utung<br />

<strong>für</strong> die Anwendbarkeit <strong>de</strong>s § 14 Abs. 2 Satz<br />

2 SGB IV zur Ermittlung <strong>de</strong>r Beitragsbemessungsgrundlage<br />

bei illegalen Beschäftigungsverhältnissen<br />

zukommt. Danach<br />

kann ein illegales Beschäftigungsverhältnis<br />

dann angenommen wer<strong>de</strong>n, wenn <strong>de</strong>r<br />

Arbeitgeber zentrale arbeitgeberbezogene<br />

Pflichten <strong>de</strong>s Sozialversicherungsrechts<br />

wie die Nichtzahlung von Beiträgen und<br />

die vorausgehen<strong>de</strong>n Mel<strong>de</strong>-, Aufzeichnungs-<br />

und Nachweispflichten verletzt.<br />

Subjektives Element<br />

Für die Frage, in welchem Maße die<br />

Pflichtverstöße von einem subjektiven<br />

Element getragen sein müssen, ist in Ermangelung<br />

an<strong>de</strong>rer Maßstäbe an die <strong>für</strong><br />

die Anwendung <strong>de</strong>r dreißigjährigen Verjährungsfrist<br />

(§ 25 Abs. 1 Satz 2 SGB IV)<br />

und die Erhebung von Säumniszuschlägen<br />

bei Beitragsnachfor<strong>de</strong>rungen (§ 24<br />

Abs. 2 SGB IV) maßgeben<strong>de</strong>n Kriterien,<br />

die <strong>das</strong> BSG bereits präzisiert hat (Urteil<br />

vom 30.03.2000, Az.: B 12 KR 14/99 R-, USK<br />

2000-9), anzuknüpfen. Die Nichtzahlung<br />

von Beiträgen muss <strong>de</strong>mnach zumin<strong>de</strong>st<br />

billigend in Kauf genommen wor<strong>de</strong>n sein,<br />

<strong>das</strong> heißt, <strong>de</strong>r Arbeitgeber hätte wissen<br />

müssen, <strong>das</strong>s Beiträge zu zahlen waren,<br />

bzw. <strong>das</strong> Nichtwissen resultierte aus <strong>de</strong>r<br />

unterbliebenen Einholung von Auskünften<br />

o<strong>de</strong>r Entscheidungen bei <strong>de</strong>n Einzugsstellen<br />

bzw. <strong>de</strong>n Trägern <strong>de</strong>r Rentenversicherung.<br />

Vereinbarung von Nettoarbeitsentgelt<br />

Zu beachten ist, ob zwischen <strong>de</strong>m Arbeitgeber<br />

und <strong>de</strong>m Arbeitnehmer ein Nettoarbeitsentgelt<br />

vereinbart wur<strong>de</strong>. Wur<strong>de</strong><br />

ein Nettoarbeitsentgelt vereinbart, so gelten<br />

neben <strong>de</strong>n Einnahmen (Nettolohn<br />

o<strong>de</strong>r Nettogehalt) auch die darauf entfallen<strong>de</strong><br />

Lohn- und Kirchensteuer sowie <strong>de</strong>r<br />

errechnete Solidaritätszuschlag und die<br />

vom Arbeitgeber übernommenen Sozialversicherungsbeiträge<br />

als beitragspflichtige<br />

Einnahmen. Bei illegalen Beschäftigungsverhältnissen,<br />

wo durch <strong>de</strong>n<br />

Arbeitgeber und <strong>de</strong>n Beschäftigten keine<br />

Steuern und Sozialversicherungsbeiträge<br />

entrichtet wur<strong>de</strong>n, gilt stets ein Nettoarbeitsentgelt<br />

als vereinbart. Voraussetzung<br />

ist, <strong>das</strong>s sich bei illegaler Beschäftigung<br />

und Schwarzarbeit bei<strong>de</strong>, also Arbeitgeber<br />

und Arbeitnehmer, einig sind, <strong>das</strong>s<br />

<strong>das</strong> an sich sozialversicherungspflichtige<br />

Arbeitsentgelt <strong>de</strong>m Beschäftigten brutto<br />

<strong>für</strong> netto, also ohne Abzug von Steuern<br />

und Sozialversicherungsbeiträgen, zufließen<br />

soll.<br />

Nettolohnfiktion darf nicht bei<br />

Fehlbeurteilung angewandt wer<strong>de</strong>n<br />

Allerdings darf die sogenannte „Nettolohnfiktion“<br />

von <strong>de</strong>n Sozialversicherungsträgern<br />

(Einzugsstellen, Deutsche Rentenversicherung<br />

etc.) nicht angewandt wer<strong>de</strong>n,<br />

wenn Arbeitgeber einen Sachverhalt sozialversicherungsrechtlich<br />

falsch beurteilt<br />

haben. In diesen Fällen dürfen die gesetzlichen<br />

Krankenkassen und die Betriebsprüfer<br />

<strong>de</strong>r Deutschen Rentenversicherung<br />

Beiträge zur gesetzlichen Kranken-, Pflege-,<br />

Renten- und Arbeitslosenversicherung nur<br />

aus <strong>de</strong>r falsch beurteilten beitragspflichtigen<br />

Einnahme und aus <strong>de</strong>r eventuell durch<br />

<strong>de</strong>n Arbeitgeber übernommenen Lohnund<br />

Kirchensteuer sowie <strong>de</strong>m Solidaritätszuschlages,<br />

errechnet wer<strong>de</strong>n.<br />

Beispiel:<br />

Sie beschäftigten in Ihrem Hotel eine Bürokraft.<br />

Die hat von Ihnen in diesem Jahr, anlässlich<br />

ihrer Hochzeit, ein Geldgeschenk in<br />

Höhe von 500 Euro erhalten. Bei <strong>de</strong>r jüngsten<br />

Betriebsprüfung durch die Deutsche<br />

Rentenversicherung hat <strong>de</strong>r Betriebsprüfer<br />

festgestellt, <strong>das</strong>s aus <strong>de</strong>m Geldgeschenk<br />

keine Lohn- bzw. Kirchensteuer sowie kein<br />

Solidaritätszuschlag und keine Sozialversicherungsbeiträge<br />

entrichtet wur<strong>de</strong>n.<br />

Heiratsbeihilfen sind nicht mehr lohnsteuerund<br />

beitragsfrei.<br />

Hier liegt kein Fall <strong>de</strong>r sogenannten „Nettolohnfiktion“<br />

vor. Der Sachverhalt wur<strong>de</strong> von<br />

Ihnen versehentlich falsch beurteilt. Sozialversicherungsbeiträge<br />

dürfen vom Betriebsprüfer<br />

<strong>de</strong>r Deutschen Rentenversicherung<br />

nur aus <strong>de</strong>n 500 Euro errechnet wer<strong>de</strong>n.<br />

Zusätzlich wer<strong>de</strong>n Sozialversicherungsbeiträge<br />

nachgefor<strong>de</strong>rt, wenn Sie <strong>für</strong> Ihre Mitarbeiterin<br />

die zu entrichten<strong>de</strong> Lohn- bzw.<br />

Kirchensteuer sowie <strong>de</strong>n Solidaritätszuschlag<br />

übernommen haben. Normalerweise<br />

hätte <strong>für</strong> die Steuern <strong>de</strong>r Arbeitnehmer aufkommen<br />

müssen. Übernehmen Sie die Steuern,<br />

so stellt dies einen geldwerten Vorteil<br />

dar.<br />

Steuerklasse VI ist grundsätzlich<br />

zu berücksichtigen<br />

Bei <strong>de</strong>r Hochrechnung nach § 14 Abs. 2<br />

Satz 2 SGB IV ist grundsätzlich die Lohnsteuerklasse<br />

VI zugrun<strong>de</strong> zu legen. In <strong>de</strong>r<br />

Anhörung vor Erlass <strong>de</strong>s Beitragsbeschei<strong>de</strong>s<br />

ist auf die Anwendung <strong>de</strong>r Lohnsteuerklasse<br />

VI hinzuweisen; <strong>de</strong>m Arbeitgeber<br />

wird hierdurch die Gelegenheit<br />

gegeben, <strong>de</strong>n Beweis einer an<strong>de</strong>ren Lohnsteuerklasse<br />

zu erbringen. Die Steuerklasse<br />

I kann nur dann berücksichtigt<br />

wer<strong>de</strong>n, wenn eine entsprechen<strong>de</strong> Bescheinigung<br />

<strong>de</strong>s Betriebsstättenfinanzamtes<br />

vorliegt bzw. im Anhörungsverfahren<br />

beigebracht wird.<br />

Beispiel:<br />

Sie beschäftigen in Ihrem Hotel eine Bürokauffrau.<br />

Anlässlich einer Betriebsprüfung<br />

<strong>de</strong>r Deutschen Rentenversicherung im September<br />

diese Jahres wur<strong>de</strong> festgestellt, <strong>das</strong>s<br />

Sie Ihrer Mitarbeiterin im Dezember 2012<br />

versehentlich 800 Euro gezahlt haben, ohne<br />

<strong>das</strong>s <strong>de</strong>r Betrag von Ihnen in <strong>de</strong>r Lohnbuchhaltung<br />

versteuert und verbeitragt wur<strong>de</strong>.<br />

Die Mitarbeiterin war im Dezember 2012 gesetzlich<br />

kranken- und pflegeversichert. Die<br />

Beschäftigte hat keine Kin<strong>de</strong>r und hat bereits<br />

<strong>das</strong> 23. Lebensjahr vollen<strong>de</strong>t. In <strong>de</strong>r gesetzlichen<br />

Pflegeversicherung ist <strong>de</strong>r Zusatzbeitrag<br />

zu entrichten. Außer<strong>de</strong>m wohnt<br />

sie in Bayern und ist kirchensteuerpflichtig.<br />

Nettolohnberechnung<br />

bei Lohnsteuerklasse I:<br />

Hier errechnet sich ein sozialversicherungspflichtiger<br />

Bruttolohn in Höhe von 1.030,82<br />

Euro (15,91 Euro Lohnsteuer, 1,27 Euro Kirchensteuer<br />

und 213,64 Euro Sozialversicherungsbeiträge<br />

= Arbeitnehmeranteile).<br />

Nettolohnfiktion: Wann dürfen die Betriebsprüfer <strong>de</strong>n Nettolohn um die Steuer erhöhen?<br />

<strong>Journal</strong> <strong>für</strong> <strong>das</strong> <strong>Lohnbüro</strong> August 2013 | 9


Nettolohnberechnung<br />

bei Lohnsteuerklasse III:<br />

Hier errechnet sich ein sozialversicherungspfl<br />

ichtiger Bruttolohn in Höhe von<br />

1.009,15 Euro (Steuern fallen keine an, nur<br />

209,15 Euro Sozialversicherungsbeiträge =<br />

Arbeitnehmeranteile).<br />

Nettolohnberechnung<br />

bei Lohnsteuerklasse V:<br />

Hier errechnet sich ein sozialversicherungspflichtiger<br />

Bruttolohn in Höhe von<br />

1.286,54 Euro (193,75 Euro Lohnsteuer,<br />

10,65 Euro Solidaritätszuschlag und 15,50 Euro<br />

Kirchensteuer und 266,64 Euro Sozialversicherungsbeiträge<br />

= Arbeitnehmeranteile).<br />

Nettolohnberechnung<br />

bei Lohnsteuerklasse VI:<br />

Hier errechnet sich ein sozialversicherungspflichtiger<br />

Bruttolohn in Höhe von<br />

1.402,37 Euro (274,66 Euro Lohnsteuer,<br />

15,10 Euro Solidaritätszuschlag und 21,97 Euro<br />

Kirchensteuer und 290,64 Euro Sozialversicherungsbeiträge<br />

= Arbeitnehmeranteile).<br />

Allerdings darf die Nettolohnfiktion in<br />

<strong>de</strong>r Praxis nicht dazu dienen, <strong>das</strong>s <strong>de</strong>r<br />

beitragspflichtige Lohn und die Nachfor<strong>de</strong>rung<br />

<strong>de</strong>r Sozialversicherungsbeiträge<br />

in nicht realistische Höhen getrieben<br />

wer<strong>de</strong>n.<br />

MICHAEL SCHMATZ<br />

Sozialversicherungsfachwirt<br />

Wirtschaftsjournalist<br />

Insolvenzereignis: So ist einmaliges Arbeitsentgelt<br />

richtig zu verbeitragen<br />

Einmalig gezahltes Arbeitsentgelt sind<br />

Zuwendungen, die <strong>de</strong>m Arbeitsentgelt<br />

zuzurechnen sind und nicht <strong>für</strong> die Arbeit<br />

in einem einzelnen Entgeltabrechnungszeitraum<br />

gezahlt wer<strong>de</strong>n. Nachfolgend<br />

verraten wir Ihnen, wie einmalig<br />

gezahltes Arbeitsentgelt nach Eintritt <strong>de</strong>r<br />

Insolvenz eines Unternehmens richtig zu<br />

verbeitragen ist.<br />

Nach § 23a Abs. 3 Satz 1 Sozialgesetzbuch<br />

(SGB) IV unterliegt einmalig gezahltes Arbeitsentgelt<br />

insoweit <strong>de</strong>r Beitragspflicht,<br />

als <strong>das</strong> bisher gezahlte beitragspflichtige<br />

Arbeitsentgelt die anteiligen Beitragsbemessungsgrenzen<br />

nicht erreicht. Für die<br />

Ermittlung <strong>de</strong>r anteiligen Beitragsbemessungsgrenzen<br />

sind nach § 23a Abs. 3 Satz<br />

2 SGB IV alle im Laufe eines Kalen<strong>de</strong>rjahres<br />

beitragspflichtigen Zeiten <strong>de</strong>s<br />

Beschäftigungsverhältnisses (Sozialversicherungstage)<br />

bei <strong>de</strong>m Arbeitgeber, <strong>de</strong>r<br />

<strong>das</strong> einmalig gezahlte Arbeitsentgelt auszahlt,<br />

zu addieren. Dabei sind auch<br />

frühere Beschäftigungsverhältnisse bei<br />

<strong>de</strong>mselben Arbeitgeber im laufen<strong>de</strong>n Kalen<strong>de</strong>rjahr<br />

zu berücksichtigen. Unberücksichtigt<br />

bleiben hingegen Zeiten <strong>de</strong>r Beschäftigung<br />

im laufen<strong>de</strong>n Kalen<strong>de</strong>rjahr<br />

bei einem an<strong>de</strong>ren Arbeitgeber als <strong>de</strong>m,<br />

<strong>de</strong>r die Einmalzahlung gewährt.<br />

Einmalig gezahltes Arbeitsentgelt sind<br />

Zuwendungen, die <strong>de</strong>m Arbeitsentgelt<br />

zuzurechnen sind und nicht <strong>für</strong> die Arbeit<br />

in einem einzelnen Entgeltabrechnungszeitraum<br />

gezahlt wer<strong>de</strong>n.<br />

Zu <strong>de</strong>n Einmalzahlungen gehören:<br />

• Urlaubs- und Weihnachtsgeld<br />

• Gewinnbeteiligungen und Gratifikationen<br />

• Auszahlungen von nicht in Anspruch<br />

genommenem Urlaub<br />

• Jubiläumszuwendungen<br />

• Heirats- und Geburtsbeihilfen<br />

Ruhen <strong>de</strong>s Beschäftigungsverhältnisses<br />

Einmalig gezahltes Arbeitsentgelt versicherungspflichtig<br />

Beschäftigter ist<br />

grundsätzlich <strong>de</strong>m Entgeltabrechnungszeitraum<br />

zuzuordnen, in <strong>de</strong>m es gezahlt<br />

wird. Sofern die Zahlung nach Beendigung<br />

o<strong>de</strong>r bei Ruhen <strong>de</strong>s Beschäftigungsverhältnisses<br />

erfolgt, ist <strong>das</strong> einmalig<br />

gezahlte Arbeitsentgelt <strong>de</strong>m letzten<br />

Entgeltabrechnungszeitraum <strong>de</strong>s laufen<strong>de</strong>n<br />

Kalen<strong>de</strong>rjahres zuzuordnen, auch<br />

wenn dieser nicht mit Arbeitsentgelt belegt<br />

ist (§ 23a SGB IV). Einmalzahlungen<br />

sind, sofern die Bemessungsgrenzen<br />

nicht überschritten wer<strong>de</strong>n, beitragspflichtig<br />

in <strong>de</strong>r Kranken-, Pflege-, Rentenund<br />

Arbeitslosenversicherung. Beitragspflicht<br />

gilt aber nur dann, wenn eine<br />

vertraglich vereinbarte Einmalzahlung<br />

auch tatsächlich ausgezahlt wird.<br />

Beiträge richtig errechnen<br />

Für die Ermittlung <strong>de</strong>r Sozialversicherungsbeiträge<br />

wer<strong>de</strong>n Einmalzahlungen<br />

normalerweise <strong>de</strong>m Gehaltsmonat zugeordnet,<br />

in <strong>de</strong>m sie ausgezahlt wer<strong>de</strong>n. Um<br />

festzustellen, ob und bis zu welcher Höhe<br />

<strong>für</strong> eine Einmalzahlung Sozialversicherungsbeiträge<br />

gezahlt wer<strong>de</strong>n müssen,<br />

muss die anteilige Jahresbeitragsbemessungsgrenze<br />

bis zu <strong>de</strong>m Monat ermittelt<br />

wer<strong>de</strong>n, in <strong>de</strong>m die Son<strong>de</strong>rzahlung stattfin<strong>de</strong>t.<br />

Grundlage da<strong>für</strong> sind die sogenannten<br />

„Sozialversicherungstage“. Die<br />

jährlichen Beitragsbemessungsgrenzen<br />

wer<strong>de</strong>n durch 360 geteilt und anschließend<br />

mit <strong>de</strong>r Anzahl <strong>de</strong>r bereits angefallenen<br />

Sozialversicherungstage multipliziert.<br />

Beitragsfreie Zeiten, zum Beispiel<br />

während <strong>de</strong>s Bezugs von Krankengeld,<br />

sowie Beschäftigungszeiten bei einem an<strong>de</strong>ren<br />

Arbeitgeber wer<strong>de</strong>n dabei nicht<br />

mitgezählt. Erhalten die Mitarbeiter mehrere<br />

Einmalzahlungen pro Jahr, also zum<br />

Beispiel im Juli Urlaubs- und im November<br />

Weihnachtsgeld, muss <strong>für</strong> die Feststellung<br />

<strong>de</strong>r Beitragspflicht bei <strong>de</strong>r Zahlung<br />

<strong>de</strong>s Weihnachtsgel<strong>de</strong>s die erste Son<strong>de</strong>rzahlung<br />

mitberücksichtigt wer<strong>de</strong>n. Sofern<br />

sie beitragspflichtig war, wird sie<br />

zum bereits erhaltenen laufen<strong>de</strong>n Arbeitsentgelt<br />

addiert.<br />

Beispiel:<br />

Ein Arbeitnehmer ist seit 01.05.2012 bei <strong>de</strong>r<br />

XY GmbH beschäftigt. Die XY GmbH hat<br />

ihren Betriebssitz in <strong>de</strong>n alten Bun<strong>de</strong>slän<strong>de</strong>rn.<br />

Der Beschäftigte verdient pro Monat<br />

3.900 Euro. Im Juli 2013 erhält er von seinem<br />

Arbeitgeber ein Urlaubsgeld in Höhe von<br />

1.000 Euro.<br />

Feststellung <strong>de</strong>r Beitragspflicht<br />

beim Urlaubsgeld<br />

• 210 Sozialversicherungstage bis<br />

31.07.2013<br />

• Anteilige Jahresbeitragsbemessungsgrenze<br />

in <strong>de</strong>r gesetzlichen Krankenversicherung:<br />

47.250 Euro : 360 Tage x 210<br />

Tage = 27.562,50 Euro<br />

10 | <strong>Journal</strong> <strong>für</strong> <strong>das</strong> <strong>Lohnbüro</strong> August 2013 Insolvenzereignis: So ist einmaliges Arbeits entgelt richtig zu verbeitragen


• Anteilige Jahresbeitragsbemessungsgrenze<br />

in <strong>de</strong>r gesetzlichen Rentenversicherung:<br />

69.600 Euro : 360 Tage x 210<br />

Tage = 40.600 Euro<br />

• Laufen<strong>de</strong>s Arbeitsentgelt bis 31.07.2013:<br />

27.300 Euro<br />

Damit liegt <strong>de</strong>r Arbeitnehmer mit 262,50 Euro<br />

unter <strong>de</strong>r Grenze <strong>de</strong>r gesetzlichen Krankenversicherung<br />

und mit 13.300 Euro unter <strong>de</strong>r<br />

Grenze <strong>de</strong>r gesetzlichen Rentenversicherung.<br />

Für <strong>das</strong> Urlaubsgeld gilt Folgen<strong>de</strong>s:<br />

In <strong>de</strong>r gesetzlichen Krankenversicherung<br />

sind 262,50 Euro <strong>de</strong>s Urlaubsgel<strong>de</strong>s beitragspflichtig,<br />

die restlichen 737,50 Euro<br />

sind beitragsfrei. In <strong>de</strong>r gesetzlichen Rentenversicherung<br />

ist <strong>das</strong> gesamte Urlaubsgeld<br />

beitragspflichtig.<br />

Während einer beitragsfreien Zeit<br />

Erhält ein Arbeitnehmer in <strong>de</strong>m Monat, in<br />

<strong>de</strong>m eine Einmalzahlung gezahlt wird,<br />

kein laufen<strong>de</strong>s Arbeitsentgelt, weil er zum<br />

Beispiel Krankengeld bezieht o<strong>de</strong>r Elternzeit<br />

genommen hat, wird die Einmalzahlung<br />

<strong>de</strong>nnoch diesem Monat zugeordnet.<br />

Die Feststellung <strong>de</strong>r Beitragspflicht erfolgt<br />

nach <strong>de</strong>m gleichen Muster wie im obigen<br />

Beispiel. Allerdings wird hier unter <strong>de</strong>m<br />

laufen<strong>de</strong>n Gehalt nur <strong>das</strong> tatsächlich gezahlte<br />

Arbeitsentgelt berücksichtigt. Bei<br />

<strong>de</strong>n Sozialversicherungstagen zählen nur<br />

die Kalen<strong>de</strong>rtage, an <strong>de</strong>nen Beitragspflicht<br />

bestan<strong>de</strong>n hat.<br />

Verbeitragung nach<br />

Beschäftigungsen<strong>de</strong><br />

Erhält ein Arbeitnehmer, <strong>de</strong>r <strong>das</strong> Unternehmen<br />

verlassen hat, nachträglich noch<br />

eine Einmalzahlung, zum Beispiel eine<br />

Vergütung von nicht in Anspruch genommenem<br />

Urlaub, so wird sie <strong>de</strong>m letzten<br />

Monat <strong>de</strong>r Beschäftigung zugeordnet.<br />

Das Gleiche gilt, wenn die Einmalzahlung<br />

während <strong>de</strong>r Unterbrechung <strong>de</strong>s Arbeitsverhältnisses,<br />

zum Beispiel während<br />

eines unbezahlten Urlaubs, anfällt. Zur<br />

Feststellung <strong>de</strong>r Sozialversicherungspflicht<br />

ermitteln Sie die anteiligen Bemessungsgrenzen<br />

bis einschließlich <strong>de</strong>s letzten<br />

Monats, in <strong>de</strong>m <strong>de</strong>r Arbeitnehmer im<br />

Betrieb gearbeitet hat.<br />

Einmalzahlungen sind beitragsfrei,<br />

• wenn sie in <strong>de</strong>m Kalen<strong>de</strong>rjahr, <strong>das</strong> auf<br />

<strong>das</strong> En<strong>de</strong> <strong>de</strong>s Arbeitsverhältnisses folgt,<br />

nach <strong>de</strong>m 31.03. gezahlt wer<strong>de</strong>n o<strong>de</strong>r<br />

• wenn sie bei Weiterbestehen <strong>de</strong>s Beschäftigungsverhältnisses<br />

in einem<br />

Kalen<strong>de</strong>rjahr gezahlt wer<strong>de</strong>n, in <strong>de</strong>m<br />

bis zum Zeitpunkt <strong>de</strong>r Zahlung kein<br />

laufen<strong>de</strong>s Arbeitsentgelt angefallen ist.<br />

Das kann <strong>für</strong> Arbeitnehmer zutreffen,<br />

die Elternzeit genommen haben.<br />

Märzklausel ist zu beachten<br />

Für Einmalzahlungen, die im ersten<br />

Quartal eines Kalen<strong>de</strong>rjahres ausgezahlt<br />

wer<strong>de</strong>n, gilt eine Beson<strong>de</strong>rheit: Sie wer<strong>de</strong>n<br />

<strong>de</strong>m letzten Entgeltabrechnungsmonat<br />

<strong>de</strong>s Vorjahres, also in <strong>de</strong>r Regel <strong>de</strong>m<br />

Monat Dezember, zugeordnet, wenn<br />

• im vergangenen Jahr bei <strong>de</strong>mselben<br />

Arbeitgeber ein Beschäftigungsverhältnis<br />

bestan<strong>de</strong>n hat und<br />

• wenn im aktuellen Kalen<strong>de</strong>rjahr die<br />

Beitragsbemessungsgrenze zur gesetzlichen<br />

Krankenversicherung überschritten<br />

wird.<br />

In <strong>de</strong>r Praxis unterschiedliche<br />

Auffassungen<br />

In <strong>de</strong>r Praxis bestehen unterschiedliche<br />

Auffassungen darüber, ob im Insolvenzfall<br />

mit <strong>de</strong>m Übergang <strong>de</strong>r Verfügungsgewalt<br />

<strong>de</strong>s Betriebsinhabers o<strong>de</strong>r Geschäftsführers<br />

auf <strong>de</strong>n Insolvenzverwalter<br />

ein Arbeitgeberwechsel eintritt und sich<br />

dadurch gegebenenfalls <strong>de</strong>r beitragspflichtige<br />

Anteil von einmalig gezahltem<br />

Arbeitsentgelt än<strong>de</strong>rt.<br />

Übergang<br />

Durch <strong>de</strong>n Beschluss <strong>de</strong>s Amtsgerichts<br />

über die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens<br />

geht <strong>das</strong> Recht <strong>de</strong>s Arbeitgebers,<br />

<strong>das</strong> zur Insolvenzmasse gehören<strong>de</strong> Vermögen<br />

zu verwalten und über es zu verfügen,<br />

auf <strong>de</strong>n Insolvenzverwalter über<br />

(§ 80 Abs. 1 Insolvenzordnung – InsO –).<br />

Die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens<br />

wirkt sich auf <strong>de</strong>n Bestand <strong>de</strong>r Arbeitsverhältnisse<br />

nicht aus. Grundsätzlich gelten<br />

die Regelungen <strong>de</strong>s allgemeinen Arbeitsrechts<br />

fort. Der Insolvenzverwalter nimmt<br />

die Funktion <strong>de</strong>s (bisherigen) Arbeitgebers<br />

ein. Die Arbeitsverhältnisse bestehen<br />

nach § 108 Abs. 1 InsO mit Wirkung <strong>für</strong><br />

die Insolvenzmasse fort. Der Insolvenzverwalter<br />

hat die Arbeitnehmer weiter zu<br />

beschäftigen.<br />

Insolvenzverwalter übernimmt<br />

Funktion <strong>de</strong>s bisherigen Arbeitgebers<br />

Der Eintritt <strong>de</strong>s Insolvenzverwalters in<br />

die Funktion <strong>de</strong>s (bisherigen) Arbeitgebers<br />

ist nicht als Betriebsübergang (§ 613a<br />

Bürgerliches Gesetzbuch – BGB –) zu beurteilen.<br />

Ein Betriebsübergang im Sinne<br />

von § 613a BGB liegt vor, wenn ein neuer<br />

Rechtsträger die wirtschaftliche Einheit<br />

unter Wahrung ihrer I<strong>de</strong>ntität fortführt<br />

(Urteil <strong>de</strong>s Bun<strong>de</strong>sarbeitsgerichts vom<br />

15.12.2011, Az.: 8 AZR 692/10). Die Regelung<br />

<strong>de</strong>s § 613a BGB setzt insofern einen<br />

Wechsel <strong>de</strong>s Betriebsinhabers voraus. Ein<br />

solcher liegt beim Übergang <strong>de</strong>s Verwaltungs-<br />

und Verfügungsrechts auf <strong>de</strong>n<br />

Insolvenzverwalter nicht vor.<br />

Es tritt kein Arbeitgeberwechsel ein<br />

Mit <strong>de</strong>m bei Eröffnung <strong>de</strong>s Insolvenzverfahrens<br />

einhergehen<strong>de</strong>n Übergang <strong>de</strong>r<br />

Verfügungsgewalt <strong>de</strong>s Betriebsinhabers<br />

o<strong>de</strong>r Geschäftsführers auf <strong>de</strong>n Insolvenzverwalter<br />

tritt, nach Auffassung <strong>de</strong>r Spitzenorganisationen<br />

in <strong>de</strong>r Sozialversicherung<br />

vom 14./15.11.2012 (TOP 4), kein<br />

Arbeitgeberwechsel ein, <strong>de</strong>r im Sinne <strong>de</strong>r<br />

Regelung <strong>de</strong>s § 23a Abs. 3 Satz 2 SGB IV<br />

<strong>für</strong> die Ermittlung <strong>de</strong>r anteiligen Jahresbeitragsbemessungsgrenzen<br />

von Be<strong>de</strong>utung<br />

wäre. Wird nach Eintritt <strong>de</strong>s Insolvenzereignisses<br />

einmalig gezahltes<br />

Arbeitsentgelt gewährt, sind <strong>für</strong> die Ermittlung<br />

<strong>de</strong>s beitragspflichtigen Anteils<br />

alle im Laufe eines Kalen<strong>de</strong>rjahres beitragspflichtigen<br />

Zeiten <strong>de</strong>s Beschäftigungsverhältnisses<br />

bei <strong>de</strong>m (insolventen)<br />

Arbeitgeber einschließlich <strong>de</strong>r Zeiten nach<br />

Eintritt <strong>de</strong>s Insolvenzereignisses zu berücksichtigen.<br />

MICHAEL SCHMATZ<br />

Sozialversicherungsfachwirt<br />

Wirtschaftsjournalist<br />

Insolvenzereignis: So ist einmaliges Arbeits entgelt richtig zu verbeitragen<br />

<strong>Journal</strong> <strong>für</strong> <strong>das</strong> <strong>Lohnbüro</strong> August 2013 | 11


BAG-Urteil zur Berechnung <strong>de</strong>s pfändbaren<br />

Betrages<br />

Das Bun<strong>de</strong>sarbeitsgericht (BAG) hat mit<br />

Urteil vom 17. April 2013, 10 AZR 59/12<br />

entschie<strong>de</strong>n, <strong>das</strong>s bei <strong>de</strong>r Berechnung <strong>de</strong>s<br />

pfändbaren Einkommens gemäß § 850e<br />

Nr. 1 Satz 1 ZPO die sog. Nettometho<strong>de</strong><br />

anzuwen<strong>de</strong>n ist. Dieses Urteil ist <strong>für</strong> die<br />

Entgeltabrechnungspraxis von großer Be<strong>de</strong>utung.<br />

Dieser Artikel erläutert sowohl die nun<br />

vom BAG entschie<strong>de</strong>ne Berechnungsweise<br />

(Nettometho<strong>de</strong>) als auch die Ermittlung<br />

<strong>de</strong>s pfändbaren Betrages nach <strong>de</strong>r<br />

Bruttometho<strong>de</strong>, welche nach bisheriger<br />

herrschen<strong>de</strong>r Meinung im Schrifttum vertreten<br />

wur<strong>de</strong>.<br />

Ermittlung <strong>de</strong>s pfändbaren<br />

Betrages<br />

Probleme gab es immer dann, wenn im<br />

Bruttoeinkommen <strong>de</strong>s Arbeitnehmers unpfändbare<br />

Bezüge im Sinne <strong>de</strong>s § 850a<br />

ZPO vorhan<strong>de</strong>n waren.<br />

Beispiel:<br />

AN, Steuerklasse III/0, kin<strong>de</strong>rlos, Gehalt 2.000 €, 300 € Gefahrenzulage*, 200 €<br />

Erschwerniszulage* (* = unpfändbar).<br />

Gesetzliche Abzüge aus 2.500 €: Steuerliche Abzüge = 131,93 €/sv-rechtliche Abzüge<br />

= 510,63 €<br />

2.500,00 € Bruttoarbeitseinkommen (1)<br />

- 500,00 € unpfändbare Bezüge gem. § 850a ZPO<br />

- 131,93 € steuerliche Abzüge aus (1)<br />

- 510,63 € sv-rechtliche Abzüge aus (1)<br />

= 1.357,44 € Pfändungsnetto (Grundlage <strong>für</strong> Pfändungstabelle)<br />

Alternativ ist auch folgen<strong>de</strong> Berechnung möglich:<br />

2.500,00 € Bruttoarbeitseinkommen (1)<br />

- 131,93 € steuerliche Abzüge aus (1)<br />

- 510,63 € sv-rechtliche Abzüge aus (1)<br />

= 1.857,44 € Netto gem. Verdienstabrechnung<br />

- 500,00 € unpfändbare Bruttobezüge<br />

= 1.357,44 € Pfändungsnetto (Grundlage <strong>für</strong> Pfändungstabelle)<br />

Bei einer unterhaltsberechtigten Person und einem Pfändungsnetto in Höhe von<br />

1.357,44 € fällt kein pfändbarer Betrag an.<br />

Der Drittschuldner hat <strong>das</strong> pfändbare<br />

Netto-Arbeitseinkommen nach <strong>de</strong>n Vorschriften<br />

<strong>de</strong>s § 850e ZPO zu ermitteln (sog.<br />

Nettolohnprinzip). Dazu hat <strong>de</strong>r Arbeitgeber<br />

als Drittschuldner vom pfändbaren<br />

Bruttoeinkommen die unpfändbaren Teile<br />

<strong>de</strong>s Arbeitseinkommens nach § 850a ZPO<br />

sowie die Lohnsteuer, Solidaritätszuschlag,<br />

Kirchensteuer und Sozialversicherungsbeiträge<br />

<strong>de</strong>s Arbeitnehmers abzuziehen.<br />

Die Bruttometho<strong>de</strong><br />

Bei <strong>de</strong>r Bruttometho<strong>de</strong> wer<strong>de</strong>n vom pfändbaren<br />

gesamten Bruttoarbeitseinkommen<br />

die Lohnsteuer, ggf. Kirchensteuer, Solidaritätszuschlag<br />

und die Arbeitnehmerbeiträge<br />

zur Sozialversicherung aus <strong>de</strong>m<br />

Bruttolohn (einschließlich aus <strong>de</strong>n unpfändbaren<br />

Beträgen) abgezogen. Somit ergibt<br />

sich folgen<strong>de</strong>r Rechenweg:<br />

Bruttoarbeitseinkommen<br />

./. unpfändbare Bezüge<br />

./. Steuern und SV-Beiträge <strong>de</strong>s AN<br />

(aus gesamten Bruttoarbeitseinkommen)<br />

= Pfändungsnetto<br />

Wie aus <strong>de</strong>m Rechenbeispiel ersichtlich,<br />

wer<strong>de</strong>n die anfallen<strong>de</strong>n gesetzlichen Abzüge<br />

im Ergebnis zweimal vom Gesamtbruttoeinkommen<br />

<strong>de</strong>s Schuldners abgezogen:<br />

• einmal wird <strong>das</strong> Gesamtbruttoeinkommen<br />

um die unpfändbaren Bruttobeträge<br />

gekürzt und<br />

• anschließend die <strong>für</strong> <strong>das</strong> Gesamtbruttoeinkommen<br />

<strong>de</strong>s Schuldners zu zahlen<strong>de</strong>n<br />

gesetzlichen Abzüge voll abgezogen.<br />

Die Nettometho<strong>de</strong><br />

Bei <strong>de</strong>r Nettometho<strong>de</strong> hingegen wird <strong>das</strong><br />

Pfändungsnetto ermittelt, in<strong>de</strong>m <strong>de</strong>r Drittschuldner<br />

<strong>das</strong> Bruttoarbeitseinkommen –<br />

ohne pfändbare Bezüge – um die hierauf<br />

entfallenen gesetzlichen Abzüge min<strong>de</strong>rt.<br />

Bleiben wir bei obigem Beispiel und berechnen<br />

nun <strong>de</strong>n pfändbaren Betrag nach<br />

<strong>de</strong>r Nettometho<strong>de</strong>.<br />

AN, Steuerklasse III/0, kin<strong>de</strong>rlos, Gehalt<br />

2.000 Euro, 300 Euro Gefahrenzulage*, 200<br />

Euro Erschwerniszulage* (* = unpfändbar).<br />

Gesetzliche Abzüge aus 2.000 Euro: Steuerliche<br />

Abzüge = 36,18 Euro/sv-rechtliche<br />

Abzüge = 408,50 Euro.<br />

2.500,00 € Bruttoarbeitseinkommen<br />

- 500,00 € unpfändbare Bezüge<br />

gem. § 850a ZPO<br />

= 2.000,00 € Pfändungsbrutto (1)<br />

- 36,18 € steuerliche Abzüge<br />

aus (1)<br />

- 408,50 € sv-rechtliche Abzüge<br />

aus (1)<br />

= 1.555,32 € Pfändungsnetto<br />

(Grundlage <strong>für</strong><br />

Pfändungstabelle)<br />

Bei einer unterhaltsberechtigten Person<br />

und einem Pfändungsnetto in Höhe von<br />

1.555,32 Euro sind laut Pfändungstabelle<br />

55,83 Euro pfändbar.<br />

Vertreter <strong>de</strong>r Bruttometho<strong>de</strong><br />

In unserem Beispiel erhält <strong>de</strong>r Gläubiger<br />

bei Anwendung <strong>de</strong>r Bruttometho<strong>de</strong> – trotz<br />

eines höheren Bruttoarbeitseinkommen<br />

<strong>de</strong>s Schuldners – keinen pfändbaren<br />

Betrag.<br />

Dennoch war nach (bisheriger) herrschen<strong>de</strong>r<br />

Meinung im Schrifttum nach <strong>de</strong>r Bruttometho<strong>de</strong><br />

zu verfahren (so u. a. Hintzen,<br />

Lohnpfändung, Rz 119 o<strong>de</strong>r Stöber, For<strong>de</strong>rungspfändung,<br />

Rz 98 und Rz 1134).<br />

Auch Bigge/Rath teilten in <strong>de</strong>r Broschüre<br />

Lohnpfändung und Lohnabtretung unter<br />

12 | <strong>Journal</strong> <strong>für</strong> <strong>das</strong> <strong>Lohnbüro</strong> August 2013 BAG-Urteil zur Berechnung <strong>de</strong>s pfändbaren Betrages


kommens gemäß § 850e Nr. 1 Satz 1 ZPO<br />

die sog. Nettometho<strong>de</strong> anzuwen<strong>de</strong>n ist.<br />

Der Leitsatz: „Bei <strong>de</strong>r Berechnung <strong>de</strong>s<br />

pfändbaren Einkommens gemäß § 850e<br />

Nr. 1 Satz 1 ZPO gilt die sog. Nettometho<strong>de</strong>.<br />

Die <strong>de</strong>r Pfändung entzogenen Bezüge<br />

sind mit ihrem Bruttobetrag vom Gesamteinkommen<br />

abzuziehen. Ein erneuter<br />

Abzug <strong>de</strong>r auf diesen Bruttobetrag entfallen<strong>de</strong>n<br />

Steuern und Abgaben erfolgt<br />

nicht.“<br />

unpict © www.fotolia.<strong>de</strong><br />

In <strong>de</strong>r Pfändungsfalle: Die Nettometho<strong>de</strong> wird Pflicht.<br />

Pkt. 3.1.1 diese Meinung: „Dass die Berechnung<br />

ggf. bei beson<strong>de</strong>ren Einkommenskonstellationen<br />

u. U. dazu führt,<br />

<strong>das</strong>s in einem Monat mit Weihnachtsgeldzahlung<br />

sogar geringere Beträge pfändbar<br />

sind als in Monaten mit laufen<strong>de</strong>m Einkommen,<br />

ist – unter Berücksichtigung <strong>de</strong>s<br />

beson<strong>de</strong>ren Schutzgedankens <strong>de</strong>s § 850a<br />

ZPO Nr. 4 ZPO – hinzunehmen.“<br />

Vertreter <strong>de</strong>r Nettometho<strong>de</strong><br />

Die Ten<strong>de</strong>nz hat sich bereits in <strong>de</strong>n letzten<br />

Jahren jedoch in Richtung Nettometho<strong>de</strong><br />

verschoben, weil bei näherer Betrachtung<br />

die Bruttometho<strong>de</strong> rechtlichen Be<strong>de</strong>nken<br />

begegnet. Die Bruttometho<strong>de</strong> zieht im Ergebnis<br />

die auf <strong>de</strong>n unpfändbaren Teil entfallenen<br />

Steuern und Sozialversicherungsbeiträge<br />

zweimal vom Gesamtbruttolohn<br />

<strong>de</strong>s Schuldners ab. „Für diesen Steuer- und<br />

Sozialversicherungsbonus zugunsten <strong>de</strong>s<br />

Schuldners gibt es keinen plausiblen<br />

Grund. Abrechnungstechnisch ist <strong>de</strong>r unpfändbare<br />

Betrag nach § 850a ZPO gänzlich<br />

unberücksichtigt zu lassen, so als ob<br />

<strong>de</strong>r Schuldner diesen Betrag überhaupt<br />

nicht erhalten hätte. Diese Lösung entspricht<br />

<strong>de</strong>r Intention <strong>de</strong>s Gesetzes“ (Dietrich<br />

Boewer, Vorsitzen<strong>de</strong>r Richter am<br />

Lan<strong>de</strong>sarbeitsgericht Düsseldorf, a. D.,<br />

Handbuch Lohnpfändung, Rn 752 ff.).<br />

Viele Praktiker teilten seit längerem diese<br />

Auffassung, u. a. Müller/Wolf in <strong>de</strong>r Fachzeitschrift<br />

Lohn+Gehalt, Ausgabe 4/2012.<br />

Ebenfalls <strong>für</strong> die Nettometho<strong>de</strong> sprechen<br />

sich Hellwich/Frankenberg im Buch Pfändung<br />

<strong>de</strong>s Arbeitseinkommens aus: „Nach<br />

<strong>de</strong>n Intentionen <strong>de</strong>r Gesetzesnorm <strong>de</strong>s<br />

§ 850a ZPO spricht meiner Ansicht alles<br />

BAG-Urteil zur Berechnung <strong>de</strong>s pfändbaren Betrages<br />

<strong>für</strong> einen gerechten Interessenausgleich<br />

zwischen Gläubiger und Schuldner. Danach<br />

ist <strong>de</strong>r unpfändbare Teil <strong>de</strong>s Einkommens<br />

völlig unberücksichtigt zu lassen.“<br />

Bisherige Rechtsprechung<br />

Da bisher kein BAG-Urteil zu diesem<br />

Thema vorlag, konnte die Abrechnungspraxis<br />

höchstens auf diverse Urteile unterhalb<br />

<strong>de</strong>s Bun<strong>de</strong>sarbeitsgerichts zurückgreifen.<br />

Für die Bruttometho<strong>de</strong> u. a. LAG Berlin,<br />

Urteil v. 14.01.2000 – 19 Sa 2154/99 –:<br />

„Dabei ist ein nach § 850a Nr. 2 ZPO unpfändbares<br />

Urlaubsgeld als Bruttobetrag<br />

vom Gesamtbruttoeinkommen abzuziehen,<br />

obwohl dies zu einer doppelten Berücksichtigung<br />

<strong>de</strong>r auf <strong>das</strong> Urlaubsgeld<br />

entfallen<strong>de</strong>n Abzüge führt.“<br />

Das Arbeitsgericht Aachen wie<strong>de</strong>rum hat<br />

mit Urteil vom 21.02.2006 – 4 Ca 4544/05 –<br />

die Bruttometho<strong>de</strong> verneint. Aus <strong>de</strong>m Leitsatz:<br />

„Aus <strong>de</strong>r Formulierung <strong>de</strong>s § 850e<br />

Abs. 1 ZPO lässt sich nicht herleiten, <strong>das</strong>s<br />

die auf <strong>das</strong> zusätzliche Urlaubsgeld entfallen<strong>de</strong>n<br />

Steuern und Sozialabgaben vom<br />

Nettolohn <strong>de</strong>s Arbeitnehmers zweimal in<br />

Abzug zu bringen sind. Dem Arbeitnehmer<br />

soll vielmehr <strong>das</strong> Netto verbleiben,<br />

was er durch die Auszahlung <strong>de</strong>s Urlaubsgel<strong>de</strong>s<br />

netto mehr erhält. Insofern ist <strong>das</strong><br />

von <strong>de</strong>r herrschen<strong>de</strong>n Meinung vertretene<br />

Bruttoprinzip nicht anzuwen<strong>de</strong>n.“<br />

Nun endlich Klarheit<br />

Das Bun<strong>de</strong>sarbeitsgericht hat – u. a. mit<br />

Verweis auf Boewer, Handbuch Lohnpfändung,<br />

Rn 752 ff. – entschie<strong>de</strong>n, <strong>das</strong>s<br />

bei <strong>de</strong>r Berechnung <strong>de</strong>s pfändbaren Ein-<br />

BAG, Urteil vom 17. April 2013, Az. 10 AZR<br />

59/12, Rn. 35:<br />

„Aufgrund <strong>de</strong>r doppelten Berücksichtigung<br />

<strong>de</strong>r auf <strong>de</strong>n unpfändbaren Teil entfallen<strong>de</strong>n<br />

Steuern und Sozialversicherungsbeiträge<br />

bewirkt die Bruttometho<strong>de</strong>,<br />

<strong>das</strong>s <strong>das</strong> pfändbare Einkommen <strong>de</strong>s<br />

Arbeitnehmers umso niedriger ausfällt, je<br />

höher die unpfändbaren Bezüge i. S. d.<br />

§ 850a ZPO sind (Hk-ZV/Meller-Hannich,<br />

§ 850a Rn. 32; Bauckhage-Hoffer/Umnuß,<br />

NZI 2011, 745, 747). Ab einem bestimmten<br />

Anteil <strong>de</strong>r unpfändbaren Bezüge am Gesamteinkommen<br />

hat die Bruttometho<strong>de</strong><br />

<strong>de</strong>mentsprechend sogar zur Folge, <strong>das</strong>s<br />

<strong>das</strong> pfändbare Einkommen <strong>de</strong>s Schuldners<br />

allein wegen <strong>de</strong>r zusätzlichen unpfändbaren<br />

Bezüge unter die Pfändungsfreigrenzen<br />

<strong>de</strong>s § 850c ZPO fällt und eine<br />

Zwangsvollstreckung im Wege <strong>de</strong>r Pfändung<br />

vollständig ausgeschlossen ist (vgl.<br />

Bauckhage-Hoffer/Umnuß a. a. O). Die<br />

Bruttometho<strong>de</strong> führt damit zu <strong>de</strong>m paradoxen<br />

Ergebnis, <strong>das</strong>s <strong>de</strong>r Gläubiger in einer<br />

Lohnabrechnungsperio<strong>de</strong>, in <strong>de</strong>r <strong>de</strong>r<br />

Schuldner erheblich mehr verdient, kein<br />

Arbeitseinkommen pfän<strong>de</strong>n kann, nur<br />

weil zusätzlich unpfändbare Bezüge anfallen<br />

(vgl. Boewer/Bommermann, Lohnpfändung<br />

und Lohnabtretung in Recht<br />

und Praxis, Rn. 646; Boewer, Handbuch<br />

Lohnpfändung, Rn. 753; Bauckhage-<br />

Hoffer/Umnuß a. a. O).“<br />

„Demgegenüber führt die Nettometho<strong>de</strong><br />

zu zweckmäßigen und interessengerechten<br />

Ergebnissen. Der Umfang <strong>de</strong>r unpfändbaren<br />

Bezüge hat hier keinen Einfluss<br />

auf die Höhe <strong>de</strong>s pfändbaren<br />

Arbeitseinkommens. Der pfändbare Teil<br />

<strong>de</strong>s Arbeitseinkommens entspricht vielmehr<br />

stets <strong>de</strong>m Betrag, <strong>de</strong>n ein Gläubiger<br />

auch dann pfän<strong>de</strong>n kann, wenn <strong>de</strong>r Vollstreckungsschuldner<br />

keine Bezüge i. S. d.<br />

§ 850a ZPO erhält (Bauckhage-Hoffer/Umnuß,<br />

NZI 2011, 745, 747).“<br />

Fazit<br />

Nun hat die Praxis endlich ein höchstrichterliches<br />

Urteil. Immer wie<strong>de</strong>r gab es Auseinan<strong>de</strong>rsetzungen<br />

in <strong>de</strong>r Entgeltabrechnungspraxis.<br />

Häufig kamen von <strong>de</strong>r<br />

<strong>Journal</strong> <strong>für</strong> <strong>das</strong> <strong>Lohnbüro</strong> August 2013 | 13


Lohnpfändung betroffene Arbeitnehmer<br />

– unterstützt von <strong>de</strong>r Arbeitnehmervertretung<br />

– in die Personalabteilung und verlangten<br />

die Anwendung <strong>de</strong>r Bruttometho<strong>de</strong>,<br />

weil diese <strong>für</strong> <strong>de</strong>n Arbeitnehmer<br />

zu einem günstigeren Ergebnis führt. Arbeitgeber<br />

mit Anwendung <strong>de</strong>r Bruttometho<strong>de</strong><br />

sahen sich wie<strong>de</strong>rum <strong>de</strong>n „Anfeindungen“<br />

<strong>de</strong>r Gläubiger ausgesetzt, welche<br />

die Nettometho<strong>de</strong> verlangten. Dass <strong>de</strong>r<br />

Gesetzgeber in <strong>de</strong>n vielen Jahre nichts unternahm<br />

– z. B. in<strong>de</strong>m er <strong>de</strong>n Gesetzestext<br />

konkretisierte –, erinnert <strong>de</strong>n Autor an<br />

<strong>de</strong>n Begriff <strong>de</strong>r Bananenrepublik. Wie<strong>de</strong>r<br />

einmal mussten Gerichte <strong>de</strong>n Geist <strong>de</strong>s<br />

Verfassers ergrün<strong>de</strong>n und die unscharfen<br />

Formulierungen <strong>de</strong>s Gesetzgebers auslegen.<br />

FRANK MÜLLER<br />

Betriebswirt (VWA)<br />

selbst. Trainer und Unternehmensberater<br />

www.frag-<strong>de</strong>n-mueller.<strong>de</strong><br />

Bun<strong>de</strong>stagswahl 2013<br />

Ein Vergleich <strong>de</strong>r wichtigsten sozialpolitischen Wahlaussagen<br />

Die außeror<strong>de</strong>ntlich gute Beschäftigungslage<br />

hat die Staatseinnahmen im vergangenen Jahr<br />

auf ein neues Rekordniveau steigen lassen.<br />

Insbeson<strong>de</strong>re die Finanzlage <strong>de</strong>r gesetzlichen<br />

Renten- und Krankenversicherung ist <strong>de</strong>rzeit<br />

so gut wie lange nicht mehr. Das hat nahezu<br />

alle im Deutschen Bun<strong>de</strong>stag vertretenen Parteien<br />

dazu verleitet, in ihren Wahlprogrammen<br />

umfangreiche neue Sozialleistungen in Aussicht<br />

zu stellen. Einen Überblick über die wichtigsten<br />

sozialpolitischen Wahlaussagen von<br />

CDU/CSU, SPD, FDP, Bündnis´90/Die Grünen<br />

und Die Linke geben die nachfolgen<strong>de</strong>n<br />

vier doppelseitigen Übersichten.<br />

Aus Sicht <strong>de</strong>r Bun<strong>de</strong>svereinigung <strong>de</strong>r<br />

Deutschen Arbeitgeberverbän<strong>de</strong> (BDA)<br />

muss es in <strong>de</strong>r nächsten Legislaturperio<strong>de</strong><br />

vor allem darum gehen, die Sozialversicherungssysteme<br />

und die Staatsfinanzen<br />

durch Strukturreformen auf <strong>de</strong>r Ausgabenseite<br />

nachhaltig zu stabilisieren. Angesichts<br />

<strong>de</strong>r bevorstehen<strong>de</strong>n <strong>de</strong>mografischen<br />

Belastungen sind keine neuen<br />

Leistungsversprechen angezeigt. Sie wür<strong>de</strong>n<br />

die dauerhafte Finanzierbarkeit <strong>de</strong>r<br />

umlagefinanzierten Sozialversicherung<br />

weiter erschweren.<br />

Allgemein und im Speziellen bestehen<br />

folgen<strong>de</strong> Handlungsnotwendigkeiten:<br />

Abgabenlast dauerhaft auf unter<br />

40 Prozent begrenzen<br />

Nur mit weiteren Strukturanpassungen<br />

wird es gelingen, die Sozialabgaben dauerhaft<br />

unter 40 Prozent <strong>de</strong>s Lohns zu begrenzen.<br />

Eine höhere Belastung wäre we<strong>de</strong>r<br />

leistungs- noch generationengerecht.<br />

Dazu sollten die Leistungen <strong>de</strong>r Sozialversicherung<br />

auf eine Basissicherung beschränkt,<br />

ihre Finanzierung stärker vom<br />

Arbeitsverhältnis gelöst und durch individuelle<br />

Absicherungen ergänzt wer<strong>de</strong>n.<br />

So können Solidarität und Subsidiarität<br />

wie<strong>de</strong>r in ein angemessenes – d. h. sozial<br />

ausgewogenes und wirtschaftlich tragbares<br />

– Verhältnis rücken.<br />

Gesetzliche Rentenversicherung<br />

weiter stabilisieren<br />

Die Rentenreformen <strong>de</strong>r vergangenen<br />

Legislaturperio<strong>de</strong>n haben dazu beigetragen,<br />

die finanzielle Tragfähigkeit <strong>de</strong>r gesetzlichen<br />

Rentenversicherung <strong>de</strong>utlich<br />

zu stärken. Jetzt kommt es darauf an, die<br />

Verlängerung <strong>de</strong>r Lebensarbeitszeit auf 67<br />

Jahre konsequent umzusetzen und bereits<br />

beschlossene Maßnahmen nicht wie<strong>de</strong>r<br />

in Frage zu stellen. Angesichts <strong>de</strong>s <strong>de</strong>mo-<br />

Bun<strong>de</strong>stagswahl 2013 – Synopse <strong>de</strong>r wichtigsten sozialpolitischen Wahlaussagen<br />

CDU/CSU 1)<br />

SPD 2)<br />

A. Gesetzliche Rentenversicherung (GRV)<br />

– Kreis <strong>de</strong>r Pflichtversicherten<br />

– Rentenangleichung Ost/West<br />

Einführung einer obligatorischen Altersvorsorgepflicht<br />

<strong>für</strong> Selbstständige mit<br />

Verankerung eines echten Wahlrechts<br />

zwischen GRV und an<strong>de</strong>ren Vorsorgearten<br />

sowie Zulassung von Ausnahmen <strong>für</strong><br />

Altfälle und Existenzgrün<strong>de</strong>r. (S. 74)<br />

Erreichung <strong>de</strong>r Rentenangleichung in Ost<br />

und West nach gelten<strong>de</strong>m Recht. Festhalten<br />

an <strong>de</strong>n <strong>de</strong>rzeitigen Ost/West-Differenzierungen.<br />

(S. 59)<br />

Ausweitung <strong>de</strong>r Rentenversicherungspflicht<br />

auf Selbstständige ohne an<strong>de</strong>rweitige<br />

obligatorische Altersvorsorge. Ausbau<br />

<strong>de</strong>r GRV zu einer „Erwerbstätigenversicherung“.<br />

(S. 81)<br />

Einführung eines einheitlichen Rentenrechts<br />

in Ost- und West<strong>de</strong>utschland in<br />

Stufen bis zum Jahr 2020. Abschaffung<br />

<strong>de</strong>s Aufwertungsfaktors <strong>für</strong> die ost<strong>de</strong>utschen<br />

Löhne. Ankündigung eines „Rentenüberleitungsabschlussgesetzes“.<br />

(S. 81)<br />

14 | <strong>Journal</strong> <strong>für</strong> <strong>das</strong> <strong>Lohnbüro</strong> August 2013 Bun<strong>de</strong>stagswahl 2013


grafischen Wan<strong>de</strong>ls und <strong>de</strong>r zwingen<strong>de</strong>n<br />

Notwendigkeit, die öffentlichen Haushalte<br />

zu konsolidieren, sind neue Leistungsversprechen<br />

in <strong>de</strong>r gesetzlichen<br />

Alterssicherung nicht finanzierbar. Im Gegenteil:<br />

Durch weitere Strukturverän<strong>de</strong>rungen<br />

muss <strong>de</strong>r Beitragssatz auch dauerhaft<br />

unter 20 Prozent gehalten wer<strong>de</strong>n.<br />

Die zum 1. Januar 2014 mögliche Rentenbeitragssatzsenkung<br />

muss vollständig<br />

entsprechend <strong>de</strong>n gesetzlichen Vorgaben<br />

umgesetzt wer<strong>de</strong>n.<br />

Rahmenbedingungen <strong>de</strong>r betrieblichen<br />

Altersvorsorge verbessern<br />

Der <strong>de</strong>mografische Wan<strong>de</strong>l erfor<strong>de</strong>rt neben<br />

<strong>de</strong>r Begrenzung <strong>de</strong>s Ausgabenanstiegs<br />

in <strong>de</strong>r umlagefinanzierten gesetzlichen<br />

Rentenversicherung <strong>de</strong>n Ausbau<br />

von kapitalge<strong>de</strong>ckter Altersvorsorge. Attraktive<br />

steuer- und beitragsrechtliche Bedingungen<br />

und ein strikter Verzicht auf<br />

überflüssige Bürokratie sind die wichtigsten<br />

Voraussetzungen, um die betriebliche<br />

Altersvorsorge zu för<strong>de</strong>rn. Dann bestehen<br />

gute Aussichten, <strong>das</strong>s die betriebliche Altersvorsorge<br />

auf freiwilliger Grundlage<br />

noch weitere Verbreitung über <strong>das</strong> heutige<br />

Niveau von rd. 60 Prozent <strong>de</strong>r sozialversicherungspflichtig<br />

Beschäftigten fin<strong>de</strong>t.<br />

Kontraproduktiv wäre hingegen ein<br />

gesetzliches Obligatorium, <strong>das</strong> als<br />

Zwangslösung in <strong>de</strong>n Betrieben Bürokratie,<br />

Regulierung und Personalzusatzkosten<br />

steigern wür<strong>de</strong>.<br />

Nikolai Sorokin © www.fotolia.<strong>de</strong><br />

Sie haben die Wahl: Die sozialpolitischen Programme <strong>de</strong>r Parteien liegen vor<br />

Gesetzliche Krankenversicherung<br />

effizienter ausrichten<br />

In <strong>de</strong>r gesetzlichen Krankenversicherung<br />

sind weitere Strukturreformen, die sowohl<br />

auf <strong>de</strong>r Finanzierungs- als auch auf<br />

<strong>de</strong>r Leistungsseite ansetzen, nach wie vor<br />

dringlich. Insbeson<strong>de</strong>re muss die Krankheitskostenfinanzierung<br />

über <strong>de</strong>n kassenindividuellen<br />

Zusatzbeitrag hinaus vom<br />

Arbeitsverhältnis entkoppelt wer<strong>de</strong>n. Zur<br />

Effizienzsteigerung und Ausgabenbegrenzung<br />

muss <strong>de</strong>r Wettbewerb vor allem<br />

durch mehr Vertragsfreiheit auf allen Ebenen<br />

intensiviert und die Eigenverantwortung<br />

<strong>de</strong>r Versicherten wie<strong>de</strong>r <strong>de</strong>utlich gestärkt<br />

wer<strong>de</strong>n. Einheitsversicherungen<br />

sind teurer und führen zu geringerer Versorgungsqualität.<br />

Soziale Pflegeversicherung<br />

<strong>de</strong>mografiefest gestalten<br />

Damit die soziale Pflegeversicherung <strong>de</strong>m<br />

<strong>de</strong>mografischen Wan<strong>de</strong>l standhalten kann,<br />

sollte sie weiterhin <strong>de</strong>m Teilleistungsprinzip<br />

folgen. Eine Vollversicherung ist we<strong>de</strong>r<br />

finanzierbar noch generationengerecht. In<br />

<strong>de</strong>n kommen<strong>de</strong>n Jahrzehnten darf die Belastung<br />

<strong>de</strong>r Arbeitskosten durch Pflegeversicherungsbeiträge<br />

nicht noch weiter steigen.<br />

Ein künftiges Ausgabenwachstum,<br />

<strong>das</strong> <strong>de</strong>n Anstieg <strong>de</strong>r Beitragsbemessungsgrundlage<br />

übersteigt, darf nicht mehr zulasten<br />

von Löhnen und Gehältern gehen,<br />

son<strong>de</strong>rn muss über einkommensunabhängige<br />

Zusatzbeiträge <strong>de</strong>r Versicherten mit<br />

Sozialausgleich finanziert wer<strong>de</strong>n. Der geplante<br />

neue Pflegebedürftigkeitsbegriff<br />

kann und muss ausgabenneutral umgesetzt<br />

wer<strong>de</strong>n.<br />

FDP 3)<br />

DIE GRÜNEN 4)<br />

DIE LINKE 5)<br />

A. Gesetzliche Rentenversicherung (GRV)<br />

Keine Einbeziehung <strong>de</strong>r berufsständischen<br />

Versorgungswerke in die GRV.<br />

(S. 36)<br />

Keine Einführung einer Altersvorsorgepflicht<br />

<strong>für</strong> Selbstständige. (S. 37)<br />

Vereinheitlichung <strong>de</strong>s Rentenrechts in<br />

Ost- und West<strong>de</strong>utschland. (S. 37)<br />

Weiterentwicklung <strong>de</strong>r GRV zu einer<br />

„Bürgerversicherung“. Einbeziehung von<br />

Beamten, Selbstständigen und Abgeordneten<br />

in die GRV. Verbeitragung aller Einkommensarten.<br />

(S. 136)<br />

Möglichst schnelle Schaffung eines einheitlichen<br />

Rentenrechts in Ost- und West<strong>de</strong>utschland.<br />

Anhebung <strong>de</strong>s Rentenwerts<br />

(Ost) auf Westniveau. Beibehaltung <strong>de</strong>r<br />

bislang erworbenen Rentenansprüche.<br />

(S. 135)<br />

Einbeziehung aller Erwerbstätigen in die<br />

GRV, insbeson<strong>de</strong>re von Selbstständigen,<br />

Beamten und Politikern. Aufhebung <strong>de</strong>r<br />

Beitragsbemessungsgrenze in <strong>de</strong>r Rentenversicherung.<br />

(S. 19)<br />

Angleichung <strong>de</strong>s aktuellen Rentenwerts (Ost)<br />

an <strong>de</strong>n aktuellen Rentenwert bis spätestens<br />

En<strong>de</strong> 2017. Beibehaltung <strong>de</strong>s Hochwertungsfaktors<br />

<strong>für</strong> die ost<strong>de</strong>utschen Löhne. Ausgleich<br />

von Nachteilen bei <strong>de</strong>r Rentenüberleitung <strong>für</strong><br />

verschie<strong>de</strong>ne Berufsgruppen und geschie<strong>de</strong>ne<br />

Frauen. (S. 20)<br />

Bun<strong>de</strong>stagswahl 2013<br />

<strong>Journal</strong> <strong>für</strong> <strong>das</strong> <strong>Lohnbüro</strong> August 2013 | 15


– Leistungsniveau von …<br />

(1) Alters- und<br />

(2) Erwerbsmin<strong>de</strong>rungsrenten<br />

– Schutz vor Altersarmut<br />

CDU/CSU<br />

(1) Verlässliche Beteiligung <strong>de</strong>r Rentner an<br />

<strong>de</strong>r allgemeinen Einkommensentwicklung.<br />

(S. 72)<br />

(2) Besserstellung <strong>de</strong>r Bezieher von Erwerbsmin<strong>de</strong>rungsrente<br />

durch eine spürbare<br />

Erhöhung ihrer Rentenansprüche.<br />

(S. 74)<br />

Einführung einer steuerfinanzierten<br />

„Lebensleistungsrente“ von 850 Euro im<br />

Monat <strong>für</strong> Versicherte, die min<strong>de</strong>stens 40<br />

Jahre in <strong>de</strong>r GRV versichert waren und<br />

privat <strong>für</strong>s Alter vorgesorgt haben. (S. 73)<br />

SPD<br />

(1) Aufrechterhaltung <strong>de</strong>s <strong>de</strong>rzeitigen<br />

Rentenniveaus bis zum Jahr 2020. (S. 80)<br />

(2) Abschaffung <strong>de</strong>r Abschläge und Verlängerung<br />

<strong>de</strong>r Zurechnungszeit. (S. 79)<br />

Einführung einer steuerfinanzierten<br />

„Solidarrente“ in Höhe von nicht unter<br />

850 Euro im Monat <strong>für</strong> Versicherte mit<br />

min<strong>de</strong>stens 30 Beitrags- und 40 Versicherungsjahren<br />

in <strong>de</strong>r GRV. (S. 80 f.)<br />

– Altersgrenzen<br />

– Teilrente<br />

– Kin<strong>de</strong>rerziehungs-/Kin<strong>de</strong>rberücksichtigungszeiten<br />

B. Ergänzen<strong>de</strong> Altersvorsorge<br />

– Betriebliche Altersvorsorge<br />

– Private Altersvorsorge/<br />

Riester-Rente<br />

– Zusatzvorsorge allgemein<br />

Festhalten an <strong>de</strong>r 2007 beschlossenen Anhebung<br />

<strong>de</strong>r Regelaltersgrenze von 65 auf<br />

67 Jahre zwischen 2012 und 2029. (S. 73)<br />

Weiterentwicklung <strong>de</strong>r Hinzuverdienstregelungen<br />

bei vorgezogenen Altersrenten.<br />

(S. 74)<br />

Bessere Anerkennung von Kin<strong>de</strong>rerziehung<br />

im Rentenrecht. Gewährung eines<br />

zusätzlichen Entgeltpunktes <strong>für</strong> Geburten<br />

vor 1992 ab 2014. Finanzierung durch GRV<br />

ohne zusätzliche Bun<strong>de</strong>sbeiträge und Bun<strong>de</strong>szuschüsse.<br />

(S. 73)<br />

Steigerung <strong>de</strong>r Attraktivität betrieblicher<br />

Altersvorsorge <strong>für</strong> kleine und mittlere Unternehmen.<br />

Verhin<strong>de</strong>rung europäischer<br />

Eingriffe in <strong>das</strong> <strong>de</strong>utsche Betriebsrentenrecht.<br />

(S. 73)<br />

Stärkung <strong>de</strong>r privaten Altersvorsorge.<br />

Bessere Anerkennung ergänzen<strong>de</strong>r Vorsorge<br />

durch Freibeträge im Alter. (S. 73)<br />

Schaffung einer unabhängigen trägerübergreifen<strong>de</strong>n<br />

Informationsplattform zu bestehen<strong>de</strong>n<br />

Altersvorsorgeansprüchen. (S. 74)<br />

Aussetzen <strong>de</strong>r „Rente mit 67“ bis 50 Prozent<br />

<strong>de</strong>r 60- bis 64-Jährigen sozialversicherungspflichtig<br />

beschäftigt sind. (S. 80)<br />

Einführung eines abschlagsfreien Altersrentenzugangs<br />

ab 63 nach 45 Versicherungsjahren.<br />

(S. 79)<br />

Ermöglichung <strong>de</strong>s Bezugs einer Teilrente<br />

ab <strong>de</strong>m 60. Lebensjahr o<strong>de</strong>r vergleichbarer<br />

flexibler Übergangsmo<strong>de</strong>lle. (S. 79)<br />

Aus<strong>de</strong>hnung <strong>de</strong>r Kin<strong>de</strong>rberücksichtigungszeiten<br />

auf Eltern, <strong>de</strong>ren Kin<strong>de</strong>r vor<br />

1992 geboren wur<strong>de</strong>n. (S. 81)<br />

Ausbau <strong>de</strong>r betrieblichen Altersvorsorge<br />

durch erleichterte Allgemeinverbindlichkeit<br />

von Tarifverträgen. Beteiligung <strong>de</strong>r<br />

Arbeitgeber an <strong>de</strong>r Finanzierung. (S. 80)<br />

Erleichterung von Zusatzbeiträgen an die<br />

GRV. (S. 79)<br />

Verbesserung <strong>de</strong>r Transparenz und Effizienz<br />

<strong>de</strong>r Riester-Rente. (S. 80)<br />

---<br />

C. Gesetzliche Krankenversicherung (GKV)<br />

– Kreis <strong>de</strong>r Pflichtversicherten<br />

Ablehnung einer staatlichen Einheitsversicherung.<br />

Erhalt <strong>de</strong>r privaten Krankenversicherung<br />

(PKV). (S. 75 f.)<br />

Einführung einer „Bürgerversicherung“ in<br />

<strong>de</strong>r Kranken- und Pflegeversicherung. Bislang<br />

Privatversicherte sollen sich ein Jahr<br />

lang freiwillig <strong>für</strong> <strong>de</strong>n Wechsel in die „Bürgerversicherung“<br />

entschei<strong>de</strong>n können. (S. 73)<br />

16 | <strong>Journal</strong> <strong>für</strong> <strong>das</strong> <strong>Lohnbüro</strong> August 2013 Bun<strong>de</strong>stagswahl 2013


FDP<br />

(1) Festhalten an <strong>de</strong>r langfristigen Absenkung<br />

<strong>de</strong>s Rentenniveaus (≥ 43 % in 2030).<br />

(S. 36)<br />

(2) ---<br />

Abkehr von <strong>de</strong>r vollständigen Anrechnung<br />

von betrieblichen und privaten Renteneinkünften<br />

auf die Grundsicherung im<br />

Alter. (S.37)<br />

Einführung <strong>de</strong>s „liberalen Bürgergel<strong>de</strong>s“<br />

zur Neuordnung aller steuerfinanzierten<br />

Sozialsysteme. (S. 35)<br />

Ermöglichung <strong>de</strong>s Bezugs einer Altersrente<br />

ab 60 Jahren bei versicherungsmathematisch<br />

korrekten Abschlägen, sofern dadurch<br />

kein Anspruch auf Grundsicherung<br />

im Alter entsteht. (S. 36)<br />

Vollständige Aufhebung <strong>de</strong>r Hinzuverdienstgrenzen<br />

bei vorgezogenen Altersrenten.<br />

(S. 36)<br />

Keine Finanzierung familien- o<strong>de</strong>r sozialpolitischer<br />

Leistungsausweitungen über<br />

Beitragsmittel <strong>de</strong>r GRV. (S. 36)<br />

DIE GRÜNEN<br />

(1) Sicherung eines angemessenen Rentenniveaus<br />

(nicht <strong>de</strong>utlich unterhalb <strong>de</strong>s heutigen).<br />

(S. 135)<br />

(2) Zurücksetzen <strong>de</strong>r Altersgrenze <strong>für</strong> <strong>de</strong>n<br />

Bezug einer abschlagsfreien Erwerbsmin<strong>de</strong>rungsrente<br />

auf <strong>das</strong> 63. Lebensjahr.<br />

(S. 136)<br />

Einführung einer steuerfinanzierten „Garantierente“<br />

von min<strong>de</strong>stens 850 Euro im<br />

Monat <strong>für</strong> Versicherte mit min<strong>de</strong>stens 30<br />

Versicherungsjahren (einschließlich Zeiten<br />

<strong>de</strong>r Arbeitslosigkeit). Geringere Vermögensanrechnung<br />

bei <strong>de</strong>r Grundsicherung<br />

im Alter. (S. 134 f.)<br />

Festhalten an <strong>de</strong>r Anhebung <strong>de</strong>s gesetzlichen<br />

Rentenalters auf 67 Jahre. Flankierung<br />

durch altersgerechte Arbeitsplätze,<br />

betriebliche Gesundheitsför<strong>de</strong>rung und<br />

individuelle Übergangslösungen in <strong>de</strong>n<br />

Ruhestand. (S. 135 f.)<br />

Ermöglichung <strong>de</strong>s Bezugs einer Teilrente<br />

ab <strong>de</strong>m 60. Lebensjahr. (S. 136)<br />

Stärkung <strong>de</strong>r eigenständigen Alterssicherung<br />

von Frauen durch ein obligatorisches<br />

Rentensplitting mit <strong>de</strong>m Ehepartner.<br />

Stärkere Anrechnung von<br />

Kin<strong>de</strong>rerziehungszeiten. (S. 136)<br />

DIE LINKE<br />

(1) Rückkehr zur Lebensstandardsicherung.<br />

Erhöhung <strong>de</strong>s Rentenniveaus auf<br />

53 Prozent. (S. 18)<br />

(2) Abschaffung <strong>de</strong>r Abschläge bei Erwerbsmin<strong>de</strong>rungsrenten.<br />

Erleichterung<br />

<strong>de</strong>s Zugangs in eine Erwerbsmin<strong>de</strong>rungsrente.<br />

(S. 19)<br />

Einführung einer „solidarischen Min<strong>de</strong>strente“<br />

von 1.050 Euro netto im Monat.<br />

(S. 19)<br />

Bessere Absicherung von Zeiten niedriger<br />

Löhne, Zeiten <strong>de</strong>r Erwerbslosigkeit und<br />

Pflegezeiten. (S. 19)<br />

Abschaffung <strong>de</strong>r „Rente mit 67“, Rückkehr<br />

zur „Rente mit 65“. Verzicht auf versicherungsmathematische<br />

Abschläge nach 40<br />

Versicherungsjahren. (S. 19)<br />

Ermöglichung <strong>de</strong>s Voll- und Teilrentenbezugs<br />

ab <strong>de</strong>m 60. Lebensjahr. (S. 19)<br />

Generelle Anrechnung von drei Kin<strong>de</strong>rerziehungsjahren<br />

unabhängig vom Geburtsjahr<br />

<strong>de</strong>s Kin<strong>de</strong>s. (S. 19)<br />

B. Ergänzen<strong>de</strong> Altersvorsorge<br />

Stärkung <strong>de</strong>r betrieblichen Altersvorsorge.<br />

Beseitigung <strong>de</strong>r Doppelbelastung<br />

mit Sozialabgaben. (S. 37)<br />

Stärkung <strong>de</strong>r privaten Altersvorsorge.<br />

Einbeziehung <strong>de</strong>r Selbstständigen in die<br />

staatliche Riester-För<strong>de</strong>rung. (S. 37)<br />

Be<strong>für</strong>wortung einer Risikomischung aus<br />

Umlage- und Kapital<strong>de</strong>ckungsverfahren<br />

bei <strong>de</strong>r Altersvorsorge. Unterstützung <strong>de</strong>s<br />

Drei-Säulen-Mo<strong>de</strong>lls zur Lebensstandardsicherung<br />

im Alter. (S. 135)<br />

Grundlegen<strong>de</strong> Reform <strong>de</strong>r Riester-Rente.<br />

Einführung eines einfachen, kostengünstigen<br />

und sicheren Basisprodukts. (S. 135)<br />

---<br />

Ermöglichung <strong>de</strong>r Übertragung von Riester-Anwartschaften<br />

auf die GRV. (S.19)<br />

---<br />

---<br />

---<br />

C. Gesetzliche Krankenversicherung (GKV)<br />

Ablehnung einer staatlichen Einheitsversicherung.<br />

Beibehaltung einer starken privaten<br />

Krankenversicherung (PKV). (S. 38)<br />

Einführung einer „Bürgerversicherung“<br />

in <strong>de</strong>r Kranken- und Pflegeversicherung.<br />

Erlaubnis privater Krankenversicherer<br />

zum Angebot eines Bürgerversicherungstarifs.<br />

(S. 122 f.)<br />

Einführung einer „solidarischen Bürgerversicherung“<br />

mit Beitragspflicht <strong>für</strong> alle<br />

Einkommensarten. Abschaffung <strong>de</strong>r privaten<br />

Krankenversicherung (PKV) als<br />

Vollversicherung. (S. 22)<br />

Bun<strong>de</strong>stagswahl 2013<br />

<strong>Journal</strong> <strong>für</strong> <strong>das</strong> <strong>Lohnbüro</strong> August 2013 | 17


– Finanzierung <strong>de</strong>r GKV<br />

CDU/CSU<br />

Verpflichtung <strong>de</strong>r Krankenkassen, Prämien<br />

an ihre Mitglie<strong>de</strong>r auszuzahlen,<br />

wenn <strong>de</strong>ren Rücklagen die gesetzliche<br />

Min<strong>de</strong>streserve um ein Mehrfaches übersteigen.<br />

(S. 75)<br />

SPD<br />

Wie<strong>de</strong>rherstellung <strong>de</strong>r paritätischen Finanzierung.<br />

Rückgabe <strong>de</strong>r Beitragssatzautonomie<br />

an die Kassen. Abschaffung <strong>de</strong>r<br />

kassenindividuellen Zusatzbeiträge. Einführung<br />

einer stetig steigen<strong>de</strong>n Steuerfinanzierung.<br />

(S. 73)<br />

– Medizinische Versorgung<br />

Sicherung einer wohnortnahen Versorgung<br />

durch Ärzte und Krankenhäuser,<br />

vor allem in ländlichen Gebieten. Steigerung<br />

<strong>de</strong>r Attraktivität <strong>de</strong>s Hausarztberufes.<br />

Ausbau <strong>de</strong>r Telemedizin. (S. 75)<br />

Stärkung <strong>de</strong>r flächen<strong>de</strong>cken<strong>de</strong>n hausarztzentrierten<br />

Versorgung. Verbesserung<br />

<strong>de</strong>r integrierten Versorgung. Bessere Verzahnung<br />

von haus-, fach- und spezialärztlichem<br />

Bereich. (S. 75)<br />

– Krankenhäuser<br />

Bessere Abstimmung <strong>de</strong>r Leistungsangebote<br />

<strong>de</strong>r Krankenhäuser im Sinne einer<br />

guten wohnortnahen Versorgung. (S. 75)<br />

Verhin<strong>de</strong>rung ungerechtfertigter Mengenausweitungen.<br />

Reform <strong>de</strong>s Finanzierungsverfahrens.<br />

Anspruch auf eine<br />

Zweitmeinung vor bestimmten Behandlungen.<br />

Zulassung selektiver Versorgungsverträge.<br />

(S. 76 f.)<br />

– Arzneimittel<br />

Bekenntnis zu <strong>de</strong>n forschen<strong>de</strong>n Arzneimittelherstellern<br />

als Entwickler neuer Medikamente<br />

und Therapien. Ausbau <strong>de</strong>r medizinischen<br />

Versorgungsforschung. (S. 77)<br />

Stärkung <strong>de</strong>s Nutzengedanken bei <strong>de</strong>r<br />

Versorgung mit Arzneimitteln. (S. 76)<br />

– Medizinprodukte<br />

---<br />

Ausbau <strong>de</strong>r unabhängigen Überprüfung<br />

und Kontrolle von Medizinprodukten.<br />

(S. 76)<br />

– Ärztliche Vergütung<br />

– Prävention /<br />

Gesundheitsför<strong>de</strong>rung<br />

---<br />

Stärkung von Eigenverantwortung, Prävention,<br />

Gesundheitsför<strong>de</strong>rung (Schwerpunkte:<br />

Betriebe, Kitas, Schulen) und<br />

Rehabilitation. (S. 76 f.)<br />

Einführung einer einheitlichen Honorarordnung<br />

<strong>für</strong> die gesetzlichen wie privaten<br />

Krankenversicherungen. Angleichung<br />

<strong>de</strong>r Honorierung ambulanter Leistungen<br />

im nie<strong>de</strong>rgelassenen und stationären Bereich.<br />

(S. 73)<br />

Umsetzung einer wirksamen Präventionsstrategie<br />

durch Verabschiedung eines<br />

umfassen<strong>de</strong>n Präventions- und Gesundheitsför<strong>de</strong>rungsgesetzes.<br />

Erhöhung <strong>de</strong>r<br />

Ausgaben <strong>für</strong> Prävention. (S. 74)<br />

– Verbraucherschutz<br />

Stärkung <strong>de</strong>r Rechte von Patienten und<br />

Versicherten. Sicherstellung eines einfachen<br />

Zugangs zu unabhängigen, verlässlichen<br />

und verständlichen Informationen<br />

über Behandlungsmöglichkeiten. (S. 76)<br />

Stärkung <strong>de</strong>r unabhängigen Patientenberatung.<br />

Verabschiedung eines Patientenrechtegesetzes<br />

als Unterstützung bei Behandlungsfehlern.<br />

Schutz vor unnötigen<br />

IGEL-Leistungen. (S. 76)<br />

18 | <strong>Journal</strong> <strong>für</strong> <strong>das</strong> <strong>Lohnbüro</strong> August 2013 Bun<strong>de</strong>stagswahl 2013


FDP<br />

Herstellung einer stärkeren Beitragsautonomie<br />

<strong>für</strong> die gesetzlichen Krankenkassen.<br />

Festhalten an <strong>de</strong>r begonnenen Abkopplung<br />

<strong>de</strong>r Finanzierung von Löhnen und Gehältern.<br />

Rückführung <strong>de</strong>r Umverteilung<br />

durch <strong>de</strong>n Gesundheitsfonds. (S. 38)<br />

Verbesserung <strong>de</strong>r Zusammenarbeit und<br />

Kooperation <strong>de</strong>r Leistungserbringer <strong>für</strong><br />

eine gute Gesundheitsversorgung. Stärkerer<br />

Einsatz <strong>de</strong>r Telemedizin. Verbes-serung<br />

<strong>de</strong>r palliativmedizinischen Versorgung.<br />

(S. 38 ff.)<br />

---<br />

Erhalt <strong>de</strong>s wohnortnahen Apothekennetzes.<br />

Sicherstellung einer leistungsgerechten<br />

Apothekenvergütung. Abbau<br />

bürokratischer Regulierungen. (S. 38)<br />

---<br />

Sicherstellung leistungsgerechter Vergütungen<br />

und guter Arbeitsbedingungen.<br />

(S. 39)<br />

DIE GRÜNEN<br />

Wie<strong>de</strong>rherstellung <strong>de</strong>r paritätischen Finanzierung.<br />

Anhebung <strong>de</strong>r Beitragsbemessungsgrenze<br />

auf Rentenversicherungsniveau.<br />

Einführung <strong>de</strong>s Beitragssplittings<br />

<strong>für</strong> Ehepaare. Verbeitragung aller Einkommensarten.<br />

Abschaffung <strong>de</strong>r Zuzahlungen.<br />

(S. 122 f.)<br />

Verbesserung <strong>de</strong>r wohnortnahen gesundheitlichen<br />

Versorgung. Aufwertung <strong>de</strong>r<br />

durch Haus- und Kin<strong>de</strong>rärzte geleisteten<br />

Primärversorgung. Engere Zusammenarbeit<br />

<strong>de</strong>r unterschiedlichen Gesundheitseinrichtungen<br />

und -berufe. (S. 123 f.)<br />

Sicherstellung einer bedarfsgerechten<br />

Krankenhausfinanzierung. Angemessene<br />

Berücksichtigung steigen<strong>de</strong>r Personalund<br />

Sachkosten. Schaffung zusätzlicher<br />

Pflegestellen. Verbesserung <strong>de</strong>r Zusammenarbeit<br />

mit ambulanten Leistungserbringern<br />

vor Ort. (S. 124 f.)<br />

Verpflichtung <strong>de</strong>r Pharmaunternehmen,<br />

alle durchgeführten Arzneimittelstudien<br />

zu veröffentlichen. Ausbau <strong>de</strong>r Verträglichkeitsprüfungen<br />

<strong>für</strong> spezielle Personengruppen.<br />

(S. 126)<br />

Verbesserung von Sicherheit, Wirksamkeit<br />

und Nutzen von Medizinprodukten.<br />

Schaffung eines staatlichen Zulassungsverfahrens<br />

<strong>für</strong> Hochrisikoprodukte. Einführung<br />

einer Produkthaftpflicht <strong>für</strong><br />

Medizinproduktehersteller. (S. 126)<br />

Stärkere Vergütung <strong>de</strong>s Behandlungsergebnisses<br />

anstelle <strong>de</strong>s Behandlungsumfanges.<br />

Einführung eines einheitlichen<br />

Vergütungssystems <strong>für</strong> alle fachärztlichen<br />

Leistungen. (S. 127)<br />

DIE LINKE<br />

Senkung <strong>de</strong>s Beitragssatzes zur Krankenversicherung<br />

auf 10,5 Prozent. Aufhebung<br />

<strong>de</strong>r Beitragsbemessungsgrenze. Wie<strong>de</strong>rherstellung<br />

<strong>de</strong>r paritätischen Finanzierung.<br />

Abschaffung jeglicher Zusatzbeiträge<br />

und Zuzahlungen (S. 20, 22).<br />

Ablehnung medizinischer Rationierung.<br />

Sicherstellung einer flächen<strong>de</strong>cken<strong>de</strong>n<br />

und barrierefreien Versorgung mit Arztpraxen.<br />

Aufhebung <strong>de</strong>r Trennung von ambulanter<br />

und stationärer Versorgung.<br />

(S. 20 f.)<br />

Sicherstellung einer bedarfsgerechten<br />

Krankenhausfinanzierung. Keine weitere<br />

Privatisierung von Krankenhäusern. Rücküberführung<br />

privatisierter Einrichtungen<br />

in öffentliche Trägerschaft. Abschaffung<br />

<strong>de</strong>s Fallpauschalensystems (DRGs). Beseitigung<br />

<strong>de</strong>s Personalmangels. (S. 21)<br />

Begrenzung <strong>de</strong>r Arzneimittelpreise durch<br />

staatliche Preisfestsetzung. Einführung<br />

einer Positivliste. Verbot <strong>de</strong>s Versandhan<strong>de</strong>ls<br />

mit verschreibungspflichtigen Medikamenten.<br />

(S. 20)<br />

---<br />

Angemessene Honorierung wohnortnah<br />

erbrachter ärztlicher Leistungen. (S. 20)<br />

Stärkung <strong>de</strong>r Prävention, insbeson<strong>de</strong>re in<br />

<strong>de</strong>n Bereichen HIV, Fehl- und Mangelernährung<br />

sowie psychische Erkrankungen.<br />

Stärkere Einbindung <strong>de</strong>r Arbeitgeber<br />

im Rahmen <strong>de</strong>r betrieblichen Gesundheitsvorsorge.<br />

(S. 39)<br />

---<br />

Reduzierung <strong>de</strong>r Ungleichverteilung von<br />

Gesundheitsrisiken durch ein Präventionsgesetz.<br />

Beteiligung <strong>de</strong>r Sozialversicherungsträger<br />

und <strong>de</strong>r privaten Krankenversicherung<br />

(PKV) an <strong>de</strong>r Finanzierung.<br />

(S. 128)<br />

Verbesserung <strong>de</strong>r Qualitätstransparenz<br />

im Gesundheitswesen: Schaffung einer<br />

Art „Stiftung Warentest“, Ausbau <strong>de</strong>r unabhängigen<br />

Patientenberatung. Stärkung<br />

<strong>de</strong>r Patientenrechte bei ärztlichen Behandlungsfehlern.<br />

(S. 127 f.)<br />

Stärkung von Gesundheitsför<strong>de</strong>rung und<br />

Prävention durch ein Präventionsgesetz<br />

sowie eine Koordinierungs- und Entscheidungsstelle<br />

auf Bun<strong>de</strong>sebene. (S. 22)<br />

Strafrechtliche Ahndung von Korruption<br />

im Gesundheitswesen. Entwicklung von<br />

flexiblen, preiswerten und <strong>de</strong>zentralen IT-<br />

Lösungen zum Schutz persönlicher Gesundheitsdaten.<br />

(S. 21 f.)<br />

Bun<strong>de</strong>stagswahl 2013<br />

<strong>Journal</strong> <strong>für</strong> <strong>das</strong> <strong>Lohnbüro</strong> August 2013 | 19


CDU/CSU<br />

SPD<br />

D. Soziale Pflegeversicherung (SPV)<br />

– Pflegebedürftigkeitsbegriff<br />

Besser abgestufte Bestimmung <strong>de</strong>r Pflegebedürftigkeit.<br />

Berücksichtigung <strong>de</strong>s<br />

Gra<strong>de</strong>s <strong>de</strong>r Selbstständigkeit <strong>de</strong>r Betroffenen.<br />

(S. 78)<br />

Zügige Einführung eines neuen Pflegebedürftigkeitsbegriffs<br />

als Kernelement einer<br />

Reform <strong>de</strong>r Pflegeversicherung. Bessere<br />

Absicherung <strong>de</strong>s Pflegerisikos Demenz.<br />

(S. 78)<br />

– Pflegequalität<br />

Sicherstellung eines hohen Niveaus <strong>de</strong>r<br />

Pflegeleistungen. (S. 78)<br />

Ausbau <strong>de</strong>r Pflegeberatung. Engere Verzahnung<br />

<strong>de</strong>r medizinischen und pflegerischen<br />

Versorgung. Stärkung <strong>de</strong>r Pflegeforschung.<br />

Verbesserung <strong>de</strong>r geriatrischen<br />

Ausbildung von Ärzten. (S. 78)<br />

---<br />

---<br />

– Kapital<strong>de</strong>ckung<br />

– Vereinbarkeit von Pflege<br />

und Beruf<br />

E. Weitere Themen<br />

Verbesserung <strong>de</strong>r Vereinbarkeit von beruflicher<br />

Tätigkeit und privater Pflege.<br />

(S. 79)<br />

Verbesserung <strong>de</strong>r Vereinbarkeit von Pflege<br />

und Beruf durch Einführung einer „flexiblen<br />

Pflegezeit“ mit Rechtsanspruch auf Job-Rückkehr<br />

und Lohnersatzleistung. (S. 78)<br />

– Gesamtsozialversicherungsbeitragssatz<br />

Stabilisierung <strong>de</strong>r von Arbeitgebern und<br />

Arbeitnehmern zu gleichen Teilen finanzierten<br />

Lohnzusatzkosten unter 40 Prozent<br />

(S. 19)<br />

Mo<strong>de</strong>rate Erhöhung <strong>de</strong>s Beitragssatzes<br />

zur Pflegeversicherung. (S. 78)<br />

Anhebung <strong>de</strong>s Rentenbeitragssatzes zur<br />

Finanzierung zusätzlicher Rentenleistungen,<br />

insbeson<strong>de</strong>re zur Aufrechterhaltung<br />

<strong>de</strong>s Leistungsniveaus und <strong>für</strong> abschlagsfreie<br />

Rentenzugänge mit 63 nach 45 Versicherungsjahren.<br />

(S. 81)<br />

– Reha-Budget (<strong>de</strong>r GRV)<br />

Bessere Anpassung <strong>de</strong>r Rehabilitationsleistungen<br />

an <strong>de</strong>n sich än<strong>de</strong>rn<strong>de</strong>n Altersaufbau<br />

<strong>de</strong>r Bevölkerung. (S. 74)<br />

Beseitigung <strong>de</strong>s Reha-Deckels. (S. 74)<br />

– Sozialwahl/Selbstverwaltung<br />

Vertrauen in <strong>das</strong> partnerschaftliche und<br />

verantwortungsvolle Han<strong>de</strong>ln <strong>de</strong>r Selbstverwalter<br />

im Gesundheitswesen. (S. 76)<br />

---<br />

– Geringfügige Beschäftigung<br />

---<br />

Stopp <strong>de</strong>s „Missbrauchs“ von geringfügigen<br />

Beschäftigungsverhältnissen. Verbesserung<br />

<strong>de</strong>r sozialen Absicherung von Minijobs.<br />

(S. 21)<br />

1) Christlich Demokratische Union Deutschlands (CDU) / Christlich-Soziale Union in Bayern (CSU), „Gemeinsam erfolgreich <strong>für</strong> Deutschland – Regierungsprogramm 2013 bis<br />

2017“, Juni 2013.<br />

2) Sozial<strong>de</strong>mokratische Partei Deutschlands (SPD), „Das wir entschei<strong>de</strong>t – Das Regierungsprogramm 2013 bis 2017“, April 2013.<br />

Quelle: Eigene Zusammenstellung und Darstellung.<br />

20 | <strong>Journal</strong> <strong>für</strong> <strong>das</strong> <strong>Lohnbüro</strong> August 2013 Bun<strong>de</strong>stagswahl 2013


FDP<br />

D. Soziale Pflegeversicherung (SPV)<br />

DIE GRÜNEN<br />

DIE LINKE<br />

Überarbeitung <strong>de</strong>r Kriterien zur Feststellung<br />

von Pflegebedürftigkeit. Einstufung<br />

anhand <strong>de</strong>s noch vorhan<strong>de</strong>nen Gra<strong>de</strong>s an<br />

Selbstständigkeit anstatt <strong>de</strong>s Hilfebedarfs<br />

bei körperlichen Verrichtungen. (S. 39)<br />

Bessere Versorgung von Demenzkranken<br />

durch Verän<strong>de</strong>rung und Erweiterung <strong>de</strong>s<br />

Pflegebedürftigkeitsbegriffs. Deutliche Anhebung<br />

<strong>de</strong>r Leistungsniveaus. (S. 131, 133)<br />

Zügige Einführung <strong>de</strong>s seit 2009 vorliegen<strong>de</strong>n<br />

neuen Pflegebedürftigkeitsbegriffes.<br />

Deutliche Anhebung <strong>de</strong>s Leistungsniveaus.<br />

Aufhebung <strong>de</strong>s Teilkaskoprinzips.<br />

(S. 23)<br />

Fokussierung <strong>de</strong>r Qualitätskontrollen auf<br />

die Ergebnisqualität (statt auf die Struktur-<br />

und Prozessqualität). Abbau von<br />

Dokumentationspflichten und Bürokratie.<br />

(S. 39)<br />

Sicherstellung einer qualitativ hochwertigen<br />

Pflege. (S. 131)<br />

Einführung bun<strong>de</strong>sweiter Standards über<br />

eine qualitätsbezogene Personalbemessung.<br />

Zusammenführung <strong>de</strong>r Pflegeberufe<br />

zu einer dreijährigen dualen Berufsausbildung.<br />

(S. 24)<br />

Ausbau <strong>de</strong>r staatlichen Pflege-Vorsorgeför<strong>de</strong>rung<br />

zur Stärkung <strong>de</strong>r Kapital<strong>de</strong>ckung.<br />

(S. 39)<br />

---<br />

Stopp <strong>de</strong>r privaten, staatlich geför<strong>de</strong>rten<br />

Pflegezusatzversicherung („Pflege-Bahr“).<br />

(S. 23)<br />

Schaffung von Alternativen zu <strong>de</strong>n traditionellen<br />

Versorgungsformen „ambulant“<br />

und „stationär“. (S. 39)<br />

E. Weitere Themen<br />

Ausbau ambulanter Versorgungs- und<br />

Entlastungsangebote zur Unterstützung<br />

pflegen<strong>de</strong>r Angehöriger. Ausbau <strong>de</strong>s<br />

Rechtsanspruchs auf Pflegezeit. (S. 132)<br />

---<br />

Stabilisierung <strong>de</strong>r Lohnzusatzkosten bei<br />

<strong>de</strong>utlich unter 40 Prozent. Rückgabe <strong>de</strong>r<br />

Überschüsse in <strong>de</strong>n Sozialversicherungen<br />

an die Beitragszahler. Rückverlegung <strong>de</strong>s<br />

Fälligkeitstermins <strong>de</strong>r Sozialversicherungsbeiträge<br />

auf <strong>de</strong>n 15. Tag <strong>de</strong>s Folgemonats.<br />

(S. 32, 37)<br />

Sicherstellung eines angemessenen Rentenniveaus<br />

bei stabilen Beiträgen. (S. 135)<br />

Senkung <strong>de</strong>s Krankenversicherungsbeitragssatzes<br />

durch Einführung einer „Bürgerversicherung“.<br />

(S. 123)<br />

Aufhebung <strong>de</strong>r Beitragssatzobergrenzen<br />

von max. 20 Prozent bis 2020 und max. 22<br />

Prozent bis 2030 in <strong>de</strong>r GRV (Alterssicherungsniveau<br />

soll Beitragshöhe bestimmen).<br />

(S. 19).<br />

Senkung <strong>de</strong>s GKV-Beitragssatzes durch<br />

Einführung „Bürgerversicherung“ auf<br />

10,5 Prozent. (S. 22)<br />

Einhaltung <strong>de</strong>s Prinzips „Reha vor Rente“<br />

durch Sicherstellung einer ausreichen<strong>de</strong>n<br />

Finanzierung. (S. 39)<br />

---<br />

---<br />

Abschaffung <strong>de</strong>r Einheitslisten bzw.<br />

„Frie<strong>de</strong>nswahlen“. Einführung <strong>de</strong>r Möglichkeit<br />

<strong>de</strong>r Online-Wahl. Gewährleistung<br />

einer einfachen und transparenten Listenaufstellung.<br />

(S. 37)<br />

Stärkung <strong>de</strong>r Rechte <strong>de</strong>r Patientenvertreter<br />

in <strong>de</strong>n Selbstverwaltungsgremien <strong>de</strong>s<br />

Gesundheitswesens. (S. 128)<br />

Weiterentwicklung <strong>de</strong>r Selbstverwaltung<br />

im Gesundheitswesen. Ausweitung <strong>de</strong>r<br />

Rechte <strong>de</strong>r Versichertenvertretungen.<br />

(S. 22)<br />

Regelmäßige Anpassung <strong>de</strong>r Minijobgrenze<br />

an die Lohnentwicklung. (S. 34)<br />

Kurzfristig: Eindämmung <strong>de</strong>r Minijobs<br />

durch Einführung eines gesetzlichen Min<strong>de</strong>stlohns<br />

und Versicherungspflicht in <strong>de</strong>r<br />

Rentenversicherung. (S. 94)<br />

Langfristig: Reform <strong>de</strong>s Niedriglohnsektors.<br />

Ersetzung von Minijobs durch sozialversicherungspflichtige<br />

Beschäftigung. (S. 95)<br />

Umwandlung von Minijobs in voll sozialversicherungspflichtige<br />

Arbeitsverhältnisse.<br />

(S. 13)<br />

3) Freie Demokratische Partei (FDP), „Bürgerprogramm 2013 – Damit Deutschland stark bleibt“, Mai 2013.<br />

4) BÜNDNIS´90/DIE GRÜNEN, „Zeit <strong>für</strong> <strong>de</strong>n grünen Wan<strong>de</strong>l – Teilhaben. Einmischen. Zukunft schaffen.“,<br />

April 2013.<br />

5) DIE LINKE, „100 Prozent sozial – Wahlprogramm zur Bun<strong>de</strong>stagswahl 2013“, Juni 2013.<br />

Quelle: Eigene Zusammenstellung und Darstellung.<br />

DR. MARTIN KRÖGER<br />

Soziale Sicherung<br />

Bun<strong>de</strong>svereinigung <strong>de</strong>r Deutschen<br />

Arbeitgeberverbän<strong>de</strong> (BDA)<br />

Bun<strong>de</strong>stagswahl 2013<br />

<strong>Journal</strong> <strong>für</strong> <strong>das</strong> <strong>Lohnbüro</strong> August 2013 | 21


Aktuelles aus <strong>de</strong>m Arbeitsrecht<br />

Betriebsbedingte Kündigung<br />

unkündbarer Arbeitnehmer:<br />

Bei Outsourcing ist die Unternehmer-Entscheidung<br />

nur begrenzt<br />

überprüfbar<br />

Das Bun<strong>de</strong>sarbeitsgericht hat entschie<strong>de</strong>n,<br />

<strong>das</strong>s Arbeitgeber auch dann nicht von <strong>de</strong>r<br />

Fremdvergabe von Tätigkeiten absehen<br />

müssen, wenn dadurch einer größeren<br />

Zahl or<strong>de</strong>ntlich nicht mehr kündbarer Arbeitsverhältnisse<br />

die Grundlage entzogen<br />

wird.<br />

Im Streitfall ging es um die Wirksamkeit<br />

einer außeror<strong>de</strong>ntlichen Kündigung mit<br />

Auslauffrist nach einem Outsourcing. Der<br />

Arbeitgeber hatte entschie<strong>de</strong>n, die Aufgaben<br />

<strong>de</strong>r Servicetechniker an ein Drittunternehmen<br />

zu vergeben, was zum Wegfall<br />

aller Disponentenstellen am Standort in<br />

X führte. Dazu vereinbarte er gemeinsam<br />

mit zwei konzernverbun<strong>de</strong>nen Unternehmen<br />

und <strong>de</strong>m Konzernbetriebsrat einen<br />

Interessenausgleich mit Sozialplan. Danach<br />

kündigte er auch <strong>de</strong>n Arbeitsvertrag<br />

mit <strong>de</strong>m eigentlich unkündbaren und jetzt<br />

klagen<strong>de</strong>n Arbeitnehmer außeror<strong>de</strong>ntlich<br />

unter Einhaltung einer Auslauffrist.<br />

Im Gegensatz zu bei<strong>de</strong>n Vorinstanzen hält<br />

<strong>das</strong> BAG hier eine Kündigung <strong>für</strong> möglich<br />

und hat <strong>de</strong>n Streit zur weiteren Sachaufklärung<br />

an <strong>das</strong> LAG Rheinland-Pfalz zurückverwiesen.<br />

Das Bun<strong>de</strong>sarbeitsgericht<br />

begrün<strong>de</strong>t seine Meinung damit, <strong>das</strong>s<br />

eine auf betriebliche Grün<strong>de</strong> gestützte<br />

außeror<strong>de</strong>ntliche Kündigung in Betracht<br />

komme, wenn die Möglichkeit einer or<strong>de</strong>ntlichen<br />

Kündigung ausgeschlossen ist<br />

und <strong>das</strong> dazu führt, <strong>das</strong>s an<strong>de</strong>rnfalls Betriebe<br />

Arbeitnehmer trotz Wegfalls <strong>de</strong>r<br />

Arbeitsplätze noch jahrelang vergüten<br />

müssten, ohne <strong>das</strong>s <strong>de</strong>m eine Gegenleistung<br />

entspräche.<br />

Der erfor<strong>de</strong>rliche wichtige Grund nach<br />

§ 626 BGB könne sich auch aufgrund innerbetrieblicher<br />

Maßnahmen wie Umstrukturierungen<br />

ergeben. Die zugrun<strong>de</strong>liegen<strong>de</strong><br />

unternehmerische Entscheidung<br />

ist nur daraufhin überprüfbar, ob sie offensichtlich<br />

unsachlich, unvernünftig<br />

o<strong>de</strong>r willkürlich ist. Der beson<strong>de</strong>re tarifliche<br />

Kündigungsschutz schränkt hier<br />

nicht die Freiheit ein, Umstrukturierungen<br />

durchzuführen, bei <strong>de</strong>nen Arbeitsplätze<br />

verloren gehen. Derartige Maßnahmen<br />

erhöhen nur die Anfor<strong>de</strong>rungen an<br />

die Bemühungen <strong>de</strong>s Arbeitgebers, die<br />

Weiterbeschäftigung <strong>de</strong>s Mitarbeiters zu<br />

ermöglichen. Das gilt auch, wenn eine<br />

hohe Zahl or<strong>de</strong>ntlich unkündbarer Arbeitnehmer<br />

betroffen ist.<br />

Das LAG muss im zweiten Rechtsgang aufklären,<br />

ob <strong>de</strong>m Arbeitgeber eine Weiterbeschäftigung<br />

nach Umsetzung <strong>de</strong>r<br />

Organisationsentscheidung möglich und<br />

zumutbar war. Dabei muss die Vorinstanz<br />

auch Arbeitsplätze berücksichtigen, die bei<br />

<strong>de</strong>n bei<strong>de</strong>n konzernverbun<strong>de</strong>nen Unternehmen<br />

bestehen, die ebenso Parteien <strong>de</strong>s<br />

vereinbarten Interessenausgleichs waren.<br />

Das Kündigungsschutzgesetz ist zwar<br />

nicht konzernbezogen, jedoch ergebe sich<br />

hier eine Ausnahme gera<strong>de</strong> aufgrund <strong>de</strong>s<br />

von allen drei Konzernunternehmen abgeschlossenen<br />

Interessenausgleichs (BAG v.<br />

22.11.2012, Az.: 2 AZR 673/11; www.bun<strong>de</strong>sarbeitsgericht.<strong>de</strong>).<br />

Haramis Kalfar © www.fotolia.<strong>de</strong><br />

Immer auf <strong>de</strong>m Stand <strong>de</strong>r Zeit: Das richtig angewandte Arbeitsrecht spart bares Geld.<br />

22 | <strong>Journal</strong> <strong>für</strong> <strong>das</strong> <strong>Lohnbüro</strong> August 2013 Aktuelles aus <strong>de</strong>m Arbeitsrecht


Zu dauerhafter Leiharbeit kann<br />

<strong>de</strong>r Betriebsrat nein sagen<br />

Wenn Leih-Arbeitnehmer im Entleiherbetrieb<br />

nicht nur vorübergehend eingesetzt<br />

wer<strong>de</strong>n sollen, kann <strong>de</strong>r Betriebsrat<br />

dazu seine Zustimmung verweigern. Ein<br />

zeitlich unbegrenzter Einsatz wi<strong>de</strong>rspricht<br />

<strong>de</strong>m § 1 I Satz 2 <strong>de</strong>s Arbeitnehmer-<br />

Überlassungsgesetzes (AÜG) in <strong>de</strong>r seit<br />

<strong>de</strong>m 01.12.2011 gelten<strong>de</strong>n Fassung. Das<br />

Bun<strong>de</strong>sarbeitsgericht hat aber lei<strong>de</strong>r <strong>de</strong>n<br />

Begriff „vorübergehend“ nicht näher festgelegt.<br />

Damit wird <strong>de</strong>r Spielraum <strong>für</strong> Unternehmen<br />

beim Einsatz von Zeitarbeitern<br />

stark eingeschränkt.<br />

Hintergrund ist, <strong>das</strong>s <strong>de</strong>r Betriebsrat <strong>de</strong>s<br />

Entleiherbetriebes vor <strong>de</strong>r Übernahme zu<br />

beteiligen ist (§ 99 II BetrVG). Die Zustimmung<br />

zur Einstellung kann u. a. dann<br />

verweigert wer<strong>de</strong>n, wenn <strong>das</strong> gegen ein<br />

gesetzliches Verbot verstößt. Im Weigerungsfall<br />

kann <strong>de</strong>r Arbeitgeber beim Arbeitsgericht<br />

die gerichtliche Ersetzung <strong>de</strong>r<br />

Zustimmung beantragen. In diesem Verfahren<br />

wird dann die Berechtigung <strong>de</strong>r<br />

Zustimmungs-Verweigerung geprüft.<br />

Die neue AÜG-Regelung diene laut BAG<br />

einerseits <strong>de</strong>m Schutz <strong>de</strong>r Leiharbeitnehmer<br />

und an<strong>de</strong>rerseits soll sie die dauerhafte<br />

Aufspaltung im Entleiherbetrieb –<br />

Stammbelegschaft und Leih-Belegschaft<br />

– verhin<strong>de</strong>rn. Der Betriebsrat <strong>de</strong>s Entleiherbetriebes<br />

könne daher seine Zustimmung<br />

zur Einstellung von Leiharbeitnehmern<br />

verweigern, wenn diese nicht nur<br />

vorübergehend beschäftigt wer<strong>de</strong>n sollen.<br />

Dabei kommt es nicht darauf an, welche<br />

Folgen sich aus einem AÜG-Verstoß <strong>für</strong><br />

<strong>das</strong> Verhältnis <strong>de</strong>s Leiharbeitnehmers<br />

zum Entleiher ergeben. An<strong>de</strong>rs als in <strong>de</strong>n<br />

Vorinstanzen hatte daher hier <strong>de</strong>r Antrag<br />

<strong>de</strong>s Arbeitgebers auf Zustimmungs-<br />

Ersetzung keinen Erfolg.<br />

Der Streitfall verlangte keine genaue Abgrenzung<br />

<strong>de</strong>s Begriffs „vorübergehend“.<br />

Der Arbeitgeber beabsichtigt, die Leiharbeitnehmer<br />

ohne jegliche zeitliche Begrenzung<br />

statt einer Stammkraft einzustellen.<br />

Das sei je<strong>de</strong>nfalls nicht mehr vorübergehend<br />

(BAG, Beschluss v. 10.07.2013, Az.: 7<br />

ABR 91/11).<br />

Ausschlussfrist in vertraglicher<br />

Ausschlussklausel:<br />

Was ist regelbar und was nicht?<br />

Wie ist es bei Mobbing?<br />

In einem vom Bun<strong>de</strong>sarbeitsgericht zu<br />

entschei<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n Fall ging es um einen auf<br />

ein Jahr befristeten Arbeitsvertrag vom<br />

01.09.2009. Darin war u. a. geregelt, <strong>das</strong>s<br />

Aktuelles aus <strong>de</strong>m Arbeitsrecht<br />

alle bei<strong>de</strong>rseitigen Ansprüche drei Monate<br />

nach Fälligkeit en<strong>de</strong>n sollen, wenn<br />

sie nicht schriftlich gegenüber <strong>de</strong>r an<strong>de</strong>ren<br />

Vertragspartei geltend gemacht wer<strong>de</strong>n.<br />

Die Arbeitnehmerin war hier seit <strong>de</strong>m<br />

16.11.2009 arbeitsunfähig krank. Anfang<br />

Februar 2010 verständigten sich die Vertragspartner<br />

auf eine Vertragsbeendigung<br />

zum 31.05.2010. Am 26.03.2010 unterrichtete<br />

die Arbeitnehmerin <strong>de</strong>n Arbeitgeber<br />

darüber, <strong>das</strong>s sie gegen ihren Vorgesetzten<br />

Strafanzeige wegen Beleidigung und<br />

sexueller Belästigung gestellt habe. Mit<br />

einer am 30.08.2010 beim Arbeitsgericht<br />

Köln eingegangenen Klage machte die Arbeitnehmerin<br />

erstmalig Schmerzensgeld<br />

wegen Mobbings geltend.<br />

Im Gegensatz zu bei<strong>de</strong>n Vorinstanzen war<br />

sie jetzt vor <strong>de</strong>m BAG erfolgreich. Begründung:<br />

An<strong>de</strong>rs als bei einer tarifvertraglichen<br />

Ausschlussfrist können Vertragsparteien<br />

we<strong>de</strong>r die Verjährung bei<br />

Haftung wegen Vorsatzes im Voraus<br />

rechtsgeschäftlich erleichtern noch die<br />

Haftung wegen Vorsatzes <strong>de</strong>m Schuldner<br />

erlassen. Das ergebe sich aus § 202 und<br />

276 III BGB. Zu<strong>de</strong>m hafte <strong>de</strong>r Arbeitgeber<br />

bei Arbeitsunfällen und bei Berufsunfähigkeit<br />

nur bei Vorsatz (§ 104 SGB VII). Bei<br />

dieser klaren Gesetzeslage ist ohne beson<strong>de</strong>re<br />

Anzeichen regelmäßig davon auszugehen,<br />

<strong>das</strong>s die Parteien <strong>de</strong>s Arbeitsvertrages<br />

mit <strong>de</strong>r Ausschlussklausel nicht<br />

auch Fragen <strong>de</strong>r Vorsatzhaftung ausschließen<br />

wollten. Im Übrigen wäre auch<br />

bei an<strong>de</strong>rem Auslegungsergebnis eine solche<br />

arbeitsvertragliche Klausel – an<strong>de</strong>rs<br />

als in einem Tarifvertrag – unwirksam.<br />

Der Streitfall wur<strong>de</strong> an <strong>das</strong> LAG Köln zurückverwiesen.<br />

Dieses Tatsachengericht<br />

muss jetzt aufklären, ob eine vorsätzliche<br />

Handlung <strong>de</strong>s Arbeitgebers o<strong>de</strong>r seiner Erfüllungsgehilfen<br />

einen Anspruch <strong>de</strong>r Arbeitnehmerin<br />

auf Schmerzensgeld wegen<br />

Mobbings begrün<strong>de</strong>t (BAG v. 20.06.2013,<br />

Az.: 8 AZR 280/12; www.bun<strong>de</strong>sarbeitsgericht.<strong>de</strong>).<br />

Praxis-Hinweis zum Mobbing:<br />

Anspruch auf Schmerzensgeld wegen Verletzung<br />

<strong>de</strong>s Persönlichkeitsrechts kann<br />

gegeben sein, wenn die Gesamtschau aller<br />

Handlungen (vom Arbeitgeber u/o von<br />

Kollegen) ergibt, <strong>das</strong>s ein Arbeitnehmer<br />

systematisch ausgegrenzt wur<strong>de</strong>. In einem<br />

Fall wur<strong>de</strong> einem nicht ausgelasteten<br />

IT-Mitarbeiter ein Schmerzensgeld von<br />

7.000 Euro zugesprochen, nach<strong>de</strong>m <strong>de</strong>r<br />

Arbeitgeber ihn angewiesen hatte, zur<br />

Auslastung täglich Arbeitsberichte zu verfassen<br />

und EDV-Schrott zu sortieren.<br />

Hierdurch sei ihm suggeriert wor<strong>de</strong>n,<br />

fachlich und persönlich ungeeignet und<br />

min<strong>de</strong>rwertig zu sein, was seine persönliche<br />

Wür<strong>de</strong> verletzt habe (Arbeitsgericht<br />

Siegburg, Az.. 1 Ca 1310/12).<br />

Lohnpfändungen wer<strong>de</strong>n jetzt<br />

an<strong>de</strong>rs berechnet:<br />

Bun<strong>de</strong>sarbeitsgericht wechselt von<br />

<strong>de</strong>r Brutto- zur Nettometho<strong>de</strong><br />

Nach <strong>de</strong>r bisherigen Vorgehensweise<br />

wur<strong>de</strong>n vom Gesamtbrutto die unpfändbaren<br />

Teile abgezogen plus SV-Beiträge<br />

plus Lohnsteuer jeweils bezogen auf <strong>das</strong><br />

Gesamtbrutto. Auf diese Weise wur<strong>de</strong>n<br />

die Steuern und SV-Beiträge praktisch<br />

zweimal berücksichtigt.<br />

Jetzt gilt die Nettometho<strong>de</strong>, wonach im<br />

ersten Schritt weiterhin die unpfändbaren<br />

Teile abgezogen wer<strong>de</strong>n. Dann wer<strong>de</strong>n die<br />

auf <strong>de</strong>n Restbetrag entfallen<strong>de</strong>n (fiktiven)<br />

SV-Beiträge und die Lohnsteuer ermittelt<br />

und abgezogen. Das führt vor allem bei<br />

hohen unpfändbaren Teilen (z. B. Überstun<strong>de</strong>nvergütungen,<br />

Urlaubsgeld etc.) zu<br />

plausibleren und <strong>de</strong>m Schutz <strong>de</strong>s Schuldners<br />

dienen<strong>de</strong>n Ergebnissen.<br />

Der zusätzliche Berechnungsaufwand sei<br />

zumutbar, zumal die meisten heute eingesetzten<br />

Abrechnungsprogramme die<br />

Arbeiten erleichtern (BAG v. 17.04.2013,<br />

Az.: 10 AZR 59/12; www.bun<strong>de</strong>sarbeitsgericht.<strong>de</strong>).<br />

Ausführlich, siehe Seite 12.<br />

Praxis-Hinweise:<br />

Prüfen Sie Ihre Lohnabrechnungs-Software<br />

auf Aktualität auch wegen <strong>de</strong>r neuen<br />

Pfändungsfreigrenzen ab 01.07.2013 (BGBl<br />

I S.700). Eine 30-seitige Broschüre mit<br />

aktueller Tabelle unter <strong>de</strong>m Titel „Pfändungsfreigrenzen<br />

bei Arbeitseinkommen“<br />

ist kostenlos erhältlich beim Bun<strong>de</strong>sjustizministerium,<br />

Referat Öffentlichkeitsarbeit,<br />

11015 Berlin (www.bmj.<strong>de</strong>/publikationen;<br />

Tel.: 01805-778090).<br />

Wichtig:<br />

Bei Lohnpfändungen ist beson<strong>de</strong>re Sorgfalt<br />

geboten, da leicht Fehler unterlaufen<br />

und <strong>de</strong>r Arbeitgeber streng haftet!<br />

Keine Glosse<br />

Der erste BAG-Senat fragt <strong>de</strong>n<br />

siebten: Wie haltet ihr es künftig<br />

mit verfahrensfehlerhaften<br />

Betriebsrats-Beschlüssen?<br />

Bisher war es herrschen<strong>de</strong> Rechtsmeinung<br />

beim Bun<strong>de</strong>sarbeitsgericht, <strong>das</strong>s Betriebsrats-Beschlüsse<br />

dann unwirksam sind,<br />

<strong>Journal</strong> <strong>für</strong> <strong>das</strong> <strong>Lohnbüro</strong> August 2013 | 23


wenn zu einer Betriebsrats-Sitzung ohne<br />

Tagesordnung eingela<strong>de</strong>n wor<strong>de</strong>n war.<br />

Daran möchte <strong>de</strong>r erste Senat nicht länger<br />

festhalten, sofern alle Betriebsrats-Mitglie<strong>de</strong>r<br />

rechtzeitig eingela<strong>de</strong>n waren, <strong>das</strong><br />

Gremium beschlussfähig war (vgl. § 33 II<br />

BetrVG) und <strong>de</strong>r Beschluss einstimmig<br />

von allen Anwesen<strong>de</strong>n gefasst wur<strong>de</strong>.<br />

Jetzt war in einem Fall die Einladung ohne<br />

die Tagesordnung erfolgt, woraufhin <strong>das</strong><br />

Hessische LAG wegen dieses Einladungsmangels<br />

einen einstimmig gefassten Beschluss<br />

zu einer Betriebsvereinbarung<br />

über Torkontrollen <strong>für</strong> unwirksam erklärte.<br />

Daran möchte <strong>de</strong>r erste Senat <strong>de</strong>s Bun<strong>de</strong>sarbeitsgerichts<br />

unter seiner zukunftsweisen<strong>de</strong>n<br />

Präsi<strong>de</strong>ntin nicht länger festhalten.<br />

Deshalb die Anfrage an <strong>de</strong>n siebten Senat,<br />

ob die Richter-Kollegen da mitziehen wür<strong>de</strong>n<br />

(BAG v. 09.07.2013, Az.: 1 ABR 2/13).<br />

Hier kann <strong>das</strong> Motto wohl nur lauten:<br />

Follow me!<br />

Keine Urlaubskürzung bei Wechsel<br />

von Vollzeit zu Teilzeit<br />

Der Europäische Gerichtshof hält die anteilige<br />

Berechnung (Kürzung) <strong>für</strong> unvereinbar<br />

mit <strong>de</strong>r EG-Richtlinie 2003/88 und<br />

<strong>de</strong>m Diskriminierungsverbot nach <strong>de</strong>r<br />

Rahmenvereinbarung über Teizeitarbeit.<br />

Bei diesem Wechsel müssen die erdienten<br />

Urlaubsansprüche erhalten bleiben<br />

(EuGH v. 13.06.2013, Az.: C-415/12). Mehr<br />

zu <strong>de</strong>n Folgen bei Urlaubstagen, Urlaubsgeld<br />

und Urlaubsabgeltung lesen Sie im<br />

nächsten Heft.<br />

WOLFGANG GAMP<br />

Rechtsassessor,<br />

Lohnsteuerhilfeverein<br />

LoBe e.V.,<br />

Her<strong>de</strong>cke<br />

www.lohnsteuerhilfeher<strong>de</strong>cke.<strong>de</strong><br />

Rechtsprechung <strong>für</strong> Sie aufbereitet<br />

Außeror<strong>de</strong>ntliche Kündigung eines<br />

Ersatzmitglieds <strong>de</strong>s Betriebsrats<br />

Gemäß § 15 Abs. 1 Satz 1 KSchG ist die<br />

Kündigung eines Mitglieds <strong>de</strong>s Betriebsrats<br />

unzulässig, es sei <strong>de</strong>nn, <strong>das</strong>s Tatsachen<br />

vorliegen, die <strong>de</strong>n Arbeitgeber zur<br />

außeror<strong>de</strong>ntlichen Kündigung aus wichtigem<br />

Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist<br />

berechtigen, und <strong>das</strong>s die<br />

nach § 103 BetrVG erfor<strong>de</strong>rliche Zustimmung<br />

<strong>de</strong>s Betriebsrats vorliegt o<strong>de</strong>r durch<br />

gerichtliche Entscheidung ersetzt ist. Dieser<br />

beson<strong>de</strong>re Kündigungsschutz gilt<br />

auch <strong>für</strong> Ersatzmitglie<strong>de</strong>r, soweit und<br />

solange sie ein verhin<strong>de</strong>rtes or<strong>de</strong>ntliches<br />

Betriebsratsmitglied vertreten.<br />

Nach § 25 Abs. 1 Satz 1 BetrVG rückt ein<br />

Ersatzmitglied in <strong>de</strong>n Betriebsrat nach, sofern<br />

ein or<strong>de</strong>ntliches Mitglied aus diesem<br />

ausschei<strong>de</strong>t. Das gilt nach § 25 Abs. 1 Satz<br />

2 BetrVG entsprechend <strong>für</strong> die Dauer <strong>de</strong>r<br />

Stellvertretung eines zeitweilig verhin<strong>de</strong>rten<br />

or<strong>de</strong>ntlichen Mitglieds. Eine zeitweilige<br />

Verhin<strong>de</strong>rung in diesem Sinne liegt<br />

vor, wenn ein Betriebsratsmitglied aus<br />

rechtlichen o<strong>de</strong>r tatsächlichen Grün<strong>de</strong>n<br />

nicht in <strong>de</strong>r Lage ist, sein Amt auszuüben.<br />

Diese Voraussetzung ist während <strong>de</strong>s Erholungsurlaubs<br />

eines Betriebsratsmitglieds<br />

je<strong>de</strong>nfalls dann erfüllt, wenn es<br />

nicht zuvor seine Bereitschaft angezeigt<br />

hat, trotz <strong>de</strong>s Urlaubs <strong>für</strong> Betriebsratstätigkeiten<br />

zur Verfügung zu stehen. Dem Betriebsratsmitglied<br />

wird zwar aufgrund <strong>de</strong>s<br />

Erholungsurlaubs die Verrichtung seiner<br />

Amtspflichten nicht ohne weiteres objektiv<br />

unmöglich, grundsätzlich aber unzumutbar.<br />

Das beurlaubte Betriebsratsmitglied<br />

gilt zumin<strong>de</strong>st so lange als zeitweilig verhin<strong>de</strong>rt,<br />

bis es seine Bereitschaft, gleichwohl<br />

Betriebsratstätigkeiten zu verrichten,<br />

positiv anzeigt.<br />

Für die Frage, ob Son<strong>de</strong>rkündigungsschutz<br />

nach § 103 Abs. 1 BetrVG besteht, ist<br />

auf <strong>de</strong>n Zeitpunkt <strong>de</strong>s Zugangs <strong>de</strong>r Kündigung<br />

im Sinne von § 130 Abs. 1 Satz 1<br />

BGB abzustellen. Die Anknüpfung an <strong>de</strong>n<br />

Zugangszeitpunkt entspricht Sinn und<br />

Zweck <strong>de</strong>s Zustimmungserfor<strong>de</strong>rnisses.<br />

Das Zustimmungserfor<strong>de</strong>rnis nach § 103<br />

Abs. 1 BetrVG dient primär <strong>de</strong>m Schutz<br />

<strong>de</strong>r Arbeit und Funktionsfähigkeit <strong>de</strong>r<br />

betriebsverfassungsrechtlichen Organe,<br />

welche vor Eingriffen <strong>de</strong>s Arbeitgebers bewahrt<br />

wer<strong>de</strong>n sollen. Es soll verhin<strong>de</strong>rt<br />

wer<strong>de</strong>n, <strong>das</strong>s <strong>das</strong> <strong>de</strong>mokratisch gewählte<br />

Gremium durch Verlust einzelner Mitglie<strong>de</strong>r<br />

in seiner Funktionsfähigkeit und in<br />

<strong>de</strong>r Kontinuität seiner Amtsführung beeinträchtigt<br />

wird.<br />

Etwas an<strong>de</strong>res folgt nicht daraus, <strong>das</strong>s<br />

eine Anhörung <strong>de</strong>s Betriebsrats nach § 102<br />

Absatz 1 BetrVG abgeschlossen sein muss,<br />

bevor die Kündigung <strong>de</strong>n Machtbereich<br />

<strong>de</strong>s Arbeitgebers verlässt. Die Anhörung<br />

soll eine Beeinflussung <strong>de</strong>r Willensbildung<br />

<strong>de</strong>s Arbeitgebers vor Ausspruch <strong>de</strong>r<br />

Kündigung ermöglichen. Diese Möglichkeit<br />

muss während <strong>de</strong>s gesamten Laufs<br />

<strong>de</strong>r Äußerungsfrist bestehen. Eine Willensbeeinflussung<br />

ist ab <strong>de</strong>m Zeitpunkt<br />

ausgeschlossen, zu <strong>de</strong>m die schriftliche<br />

Kündigung <strong>de</strong>n Machtbereich <strong>de</strong>s Arbeitgebers<br />

verlässt.<br />

Für <strong>das</strong> Eingreifen <strong>de</strong>s Zustimmungserfor<strong>de</strong>rnisses<br />

nach § 103 BetrVG ist nicht<br />

auf <strong>de</strong>n Zeitpunkt <strong>de</strong>s Beginns <strong>de</strong>r Anhörung<br />

<strong>de</strong>s Betriebsrats abzustellen. Die Erwägung,<br />

<strong>das</strong> Ersatzmitglied sei an<strong>de</strong>renfalls<br />

unter <strong>de</strong>m Druck einer unmittelbar<br />

bevorstehen<strong>de</strong>n außeror<strong>de</strong>ntlichen Kündigung<br />

in <strong>de</strong>r Ausübung seines Amtes<br />

eingeschränkt, vermag dies nicht zu<br />

rechtfertigen. Seine Unabhängigkeit bei<br />

<strong>de</strong>r Amtsführung ist durch § 15 Abs. 1<br />

Satz 1 KSchG und <strong>de</strong>n nachwirken<strong>de</strong>n<br />

Kündigungsschutz gemäß § 15 Abs. 1<br />

Satz 2 KSchG gesichert. Die letztgenannte<br />

Regelung gewährleistet eine „Abkühlungsphase“<br />

in <strong>de</strong>r Beziehung zwischen<br />

<strong>de</strong>m ehemaligen Betriebsratsmitglied und<br />

<strong>de</strong>m Arbeitgeber, in<strong>de</strong>m sie <strong>für</strong> gewisse<br />

Zeit die or<strong>de</strong>ntliche Kündigung – vorbehaltlich<br />

<strong>de</strong>r Regelungen in § 15 Abs. 4 und<br />

5 KSchG – ausschließt. Dieser Schutz steht<br />

auch Ersatzmitglie<strong>de</strong>rn zu, soweit sie<br />

während <strong>de</strong>r Vertretungszeit Betriebsratsaufgaben<br />

wahrgenommen haben.<br />

Gemäß § 626 Abs. 1 BGB kann <strong>das</strong> Arbeitsverhältnis<br />

aus wichtigem Grund<br />

ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist<br />

gekündigt wer<strong>de</strong>n, wenn Tatsachen vorliegen,<br />

aufgrund <strong>de</strong>rer <strong>de</strong>m Kündigen<strong>de</strong>n<br />

unter Berücksichtigung aller Umstän<strong>de</strong><br />

<strong>de</strong>s Einzelfalls und unter Abwägung <strong>de</strong>r<br />

Interessen bei<strong>de</strong>r Vertragsteile die Fortsetzung<br />

<strong>de</strong>s Arbeitsverhältnisses selbst<br />

bis zum Ablauf <strong>de</strong>r Kündigungsfrist nicht<br />

zugemutet wer<strong>de</strong>n kann.<br />

Bei <strong>de</strong>r Prüfung, ob <strong>de</strong>m Arbeitgeber eine<br />

Weiterbeschäftigung <strong>de</strong>s Arbeitnehmers<br />

24 | <strong>Journal</strong> <strong>für</strong> <strong>das</strong> <strong>Lohnbüro</strong> August 2013 Rechtsprechung <strong>für</strong> Sie aufbereitet


Haramis Kalfar. © www.fotolia.<strong>de</strong><br />

Auf <strong>de</strong>r sicheren Seite: Hans-Otto Blaeser klärt Sie auf!<br />

trotz Vorliegens einer erheblichen Pflichtverletzung<br />

je<strong>de</strong>nfalls bis zum Ablauf <strong>de</strong>r<br />

Kündigungsfrist zumutbar ist, ist in einer<br />

Gesamtwürdigung <strong>das</strong> Interesse <strong>de</strong>s Arbeitgebers<br />

an <strong>de</strong>r sofortigen Beendigung<br />

<strong>de</strong>s Arbeitsverhältnisses gegen <strong>das</strong> Interesse<br />

<strong>de</strong>s Arbeitnehmers an <strong>de</strong>ssen Fortbestand<br />

abzuwägen. Es hat eine Bewertung<br />

<strong>de</strong>s Einzelfalls unter Beachtung <strong>de</strong>s Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes<br />

zu erfolgen.<br />

Die Umstän<strong>de</strong>, anhand <strong>de</strong>rer zu beurteilen<br />

ist, ob <strong>de</strong>m Arbeitgeber die Weiterbeschäftigung<br />

zumutbar ist o<strong>de</strong>r nicht, lassen<br />

sich nicht abschließend festlegen. Zu<br />

berücksichtigen sind aber regelmäßig <strong>das</strong><br />

Gewicht und die Auswirkungen einer<br />

Vertragspflichtverletzung, <strong>de</strong>r Grad <strong>de</strong>s<br />

Verschul<strong>de</strong>ns <strong>de</strong>s Arbeitnehmers, eine<br />

mögliche Wie<strong>de</strong>rholungsgefahr sowie die<br />

Dauer <strong>de</strong>s Arbeitsverhältnisses und <strong>de</strong>ssen<br />

störungsfreier Verlauf. Auch Unterhaltspflichten<br />

und Familienstand können<br />

– je nach Lage <strong>de</strong>s Falls – Be<strong>de</strong>utung gewinnen.<br />

Sie sind je<strong>de</strong>nfalls bei <strong>de</strong>r Interessenabwägung<br />

nicht generell ausgeschlossen<br />

und können zu berücksichtigen<br />

sein. Eine außeror<strong>de</strong>ntliche Kündigung<br />

kommt nur in Betracht, wenn es keinen<br />

angemessenen Weg gibt, <strong>das</strong> Arbeitsverhältnis<br />

fortzusetzen, weil <strong>de</strong>m Arbeitgeber<br />

sämtliche mil<strong>de</strong>ren Reaktionsmöglichkeiten<br />

unzumutbar sind.<br />

Für die Beurteilung, ob Tatsachen vorliegen,<br />

die <strong>de</strong>n Arbeitgeber im Sinne von<br />

§ 15 Abs. 1 und 2 KSchG, § 626 Abs. 1 BGB<br />

aus wichtigem Grund zur Kündigung berechtigen,<br />

ist auf die Unzumutbarkeit einer<br />

Weiterbeschäftigung bis zum Ablauf<br />

<strong>de</strong>r fiktiven or<strong>de</strong>ntlichen Kündigungsfrist<br />

abzustellen. Ist eine Weiterbeschäftigung<br />

bis dahin zumutbar, ist die Kündigung<br />

unzumutbar.<br />

(BAG, Urteil vom 27.09.2012 – 2 AZR<br />

955/11)<br />

Höchstaltersgrenzen in <strong>de</strong>r<br />

betrieblichen Altersversorgung<br />

Nach § 7 Abs. 1 Halbs. 1 AGG dürfen Beschäftigte<br />

nicht wegen <strong>de</strong>r in § 1 AGG genannten<br />

Grün<strong>de</strong>, unter an<strong>de</strong>rem wegen<br />

<strong>de</strong>s Alters und <strong>de</strong>s Geschlechts, benachteiligt<br />

wer<strong>de</strong>n. Unzulässig sind unmittelbare<br />

und mittelbare Benachteiligungen.<br />

Eine unmittelbare Benachteiligung ist<br />

nach § 3 Abs. 1 AGG gegeben, wenn eine<br />

Person wegen eines in § 1 AGG genannten<br />

Grun<strong>de</strong>s eine weniger günstige Behandlung<br />

erfährt als eine an<strong>de</strong>re Person in einer<br />

vergleichbaren Situation. Nach § 3<br />

Abs. 2 AGG liegt eine mittelbare Benachteiligung<br />

vor, wenn <strong>de</strong>m Anschein nach<br />

neutrale Vorschriften, Kriterien o<strong>de</strong>r Verfahren<br />

Personen wegen eines in § 1 AGG<br />

genannten Grun<strong>de</strong>s gegenüber an<strong>de</strong>ren<br />

Personen in beson<strong>de</strong>rer Weise benachteiligen<br />

können, es sei <strong>de</strong>nn, die betreffen<strong>de</strong>n<br />

Vorschriften, Kriterien o<strong>de</strong>r Verfahren<br />

sind durch ein rechtmäßiges Ziel<br />

sachlich gerechtfertigt und die Mittel sind<br />

Rechtsprechung <strong>für</strong> Sie aufbereitet<br />

<strong>Journal</strong> <strong>für</strong> <strong>das</strong> <strong>Lohnbüro</strong> August 2013 | 25


zur Erreichung dieses Ziels angemessen<br />

und erfor<strong>de</strong>rlich. Bestimmungen in Vereinbarungen,<br />

die gegen <strong>das</strong> Benachteiligungsverbot<br />

<strong>de</strong>s § 7 Abs. 1 AGG verstoßen,<br />

sind nach § 7 Abs. 2 AGG unwirksam.<br />

Das Erfor<strong>de</strong>rnis einer min<strong>de</strong>stens 15-jährigen<br />

Betriebszugehörigkeit bis zum Erreichen<br />

<strong>de</strong>r Regelaltersgrenze in <strong>de</strong>r gesetzlichen<br />

Rentenversicherung bewirkt<br />

keine unzulässige Diskriminierung wegen<br />

<strong>de</strong>s Alters. Es kann dahinstehen, ob<br />

die Festlegung einer erreichbaren 15-jährigen<br />

Betriebszugehörigkeit bis zur Regelaltersgrenze<br />

in <strong>de</strong>r Rentenversicherung<br />

als Zugangsvoraussetzung <strong>für</strong> Leistungen<br />

<strong>de</strong>r betrieblichen Altersversorgung ältere<br />

Arbeitnehmer unmittelbar wegen ihres<br />

Alters benachteiligt, weil sie ab einem bestimmten<br />

Lebensalter von <strong>de</strong>r betrieblichen<br />

Altersversorgung ausgeschlossen<br />

wer<strong>de</strong>n, o<strong>de</strong>r ob lediglich eine mittelbare<br />

Diskriminierung <strong>de</strong>nkbar ist. Selbst eine<br />

unmittelbare Benachteiligung wegen <strong>de</strong>s<br />

Alters wäre nach § 10 AGG sachlich gerechtfertigt.<br />

Dies schließt auch eine unzulässige<br />

mittelbare Benachteiligung wegen<br />

<strong>de</strong>s Alters aus.<br />

Nach § 10 Satz 1 AGG ist eine unterschiedliche<br />

Behandlung wegen <strong>de</strong>s Alters zulässig,<br />

wenn sie objektiv und angemessen<br />

und durch ein legitimes Ziel gerechtfertigt<br />

ist. Die Mittel zur Erreichung dieses<br />

Ziels müssen nach § 10 Satz 2 AGG angemessen<br />

und erfor<strong>de</strong>rlich sein. § 10 Satz 3<br />

AGG enthält eine Aufzählung von Tatbestän<strong>de</strong>n,<br />

wonach <strong>de</strong>rartige unterschiedliche<br />

Behandlungen insbeson<strong>de</strong>re gerechtfertigt<br />

sein können. Nach § 10 Satz 3<br />

Nr. 4 AGG ist dies <strong>de</strong>r Fall bei <strong>de</strong>r Festsetzung<br />

von Altersgrenzen bei betrieblichen<br />

Systemen <strong>de</strong>r sozialen Sicherheit als Voraussetzung<br />

<strong>für</strong> die Mitgliedschaft o<strong>de</strong>r<br />

<strong>de</strong>n Bezug von Altersrente.<br />

Das vom Gesetzgeber verfolgte Ziel <strong>de</strong>r<br />

För<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>r betrieblichen Altersversorgung<br />

ist ein legitimes Ziel im Sinne <strong>de</strong>s<br />

§ 10 Satz 1 AGG. Um dieses Ziel zu för<strong>de</strong>rn,<br />

hat <strong>de</strong>r Gesetzgeber mit § 10 Satz 3 Nr. 4<br />

AGG zur Gestaltung <strong>de</strong>r betrieblichen Altersversorgung<br />

<strong>das</strong> Mittel <strong>de</strong>r Festsetzung<br />

von Altersgrenzen in Versorgungsordnungen<br />

zur Verfügung gestellt. Von dieser<br />

Möglichkeit kann grundsätzlich auch<br />

<strong>de</strong>r einzelne Arbeitgeber bei <strong>de</strong>r Schaffung<br />

von Versorgungsregelungen Gebrauch<br />

machen. Allerdings muss die konkret<br />

festgelegte Altersgrenze nach § 10<br />

Satz 2 AGG angemessen sein. Das ist <strong>de</strong>r<br />

Fall, wenn <strong>de</strong>r Arbeitgeber diejenigen Arbeitnehmer<br />

von <strong>de</strong>r betrieblichen Altersversorgung<br />

ausnimmt, die von ihrem Eintritt<br />

in <strong>das</strong> Arbeitsverhältnis bis zur<br />

Regelaltersgrenze in <strong>de</strong>r gesetzlichen Rentenversicherung<br />

eine 15-jährige Betriebszugehörigkeit<br />

nicht erreichen können.<br />

Dem Arbeitgeber steht bei freiwilligen zusätzlichen<br />

Leistungen – wozu Leistungen<br />

<strong>de</strong>r betrieblichen Altersversorgung zählen<br />

– ein von <strong>de</strong>n Gerichten zu respektieren<strong>de</strong>r<br />

Ermessensspielraum zu. Dies ist<br />

seiner Bereitschaft geschul<strong>de</strong>t, sich freiwillig<br />

zu einer von ihm zu finanzieren<strong>de</strong>n<br />

betrieblichen Zusatzversorgung zu verpflichten.<br />

Durch die Festlegung <strong>de</strong>r Voraussetzungen<br />

<strong>für</strong> die Zusage einer betrieblichen<br />

Altersversorgung bestimmt<br />

<strong>de</strong>r Arbeitgeber zu<strong>de</strong>m seinen Dotierungsrahmen.<br />

Diese Gestaltungsfreiheit<br />

eröffnet <strong>de</strong>m Arbeitgeber grundsätzlich<br />

die Möglichkeit, einen Zeitraum festzulegen,<br />

<strong>de</strong>n ein Arbeitnehmer min<strong>de</strong>stens im<br />

Arbeitsverhältnis zurückgelegt haben<br />

muss, um einen Versorgungsanspruch zu<br />

erwerben.<br />

Allerdings darf <strong>de</strong>r Arbeitgeber bei <strong>de</strong>r<br />

Festlegung einer Höchstaltersgrenze o<strong>de</strong>r<br />

einer Min<strong>de</strong>stbetriebszugehörigkeit als<br />

Voraussetzung <strong>für</strong> Leistungen <strong>de</strong>r betrieblichen<br />

Altersversorgung die berechtigten<br />

Belange <strong>de</strong>r betroffenen Arbeitnehmer<br />

nicht außer Acht lassen. Dabei ist zu<br />

berücksichtigen, <strong>das</strong>s die betriebliche Altersversorgung<br />

nicht nur Versorgungs-,<br />

son<strong>de</strong>rn auch Entgeltcharakter hat und<br />

eine anspruchsausschließen<strong>de</strong> Wartezeit<br />

in Form einer Min<strong>de</strong>stbetriebszugehörigkeit<br />

bis zum Erreichen <strong>de</strong>r Regelaltersgrenze<br />

in <strong>de</strong>r gesetzlichen Rentenversicherung<br />

o<strong>de</strong>r einer Höchstaltersgrenze<br />

dazu führt, <strong>das</strong>s die hiervon betroffenen<br />

Arbeitnehmer <strong>für</strong> die gesamte von ihnen<br />

geleistete Betriebstreue keine betriebliche<br />

Altersversorgung erhalten. Damit dürfte<br />

etwa eine Regelung, die zur Folge hat,<br />

<strong>das</strong>s während eines beträchtlichen Teils<br />

eines typischen Erwerbslebens keine Versorgungsanwartschaften<br />

erworben wer<strong>de</strong>n<br />

können, nicht zu vereinbaren sein.<br />

Eine Höchstaltersgrenze o<strong>de</strong>r die Festlegung<br />

einer Min<strong>de</strong>stbetriebszugehörigkeit<br />

bis zur Regelaltersgrenze in <strong>de</strong>r gesetzlichen<br />

Rentenversicherung als Anspruchsvoraussetzung<br />

<strong>für</strong> Leistungen <strong>de</strong>r betrieblichen<br />

Altersversorgung darf auch nicht<br />

zu einer mittelbaren Benachteiligung von<br />

Frauen führen. Deshalb ist bei einer solchen<br />

Regelung darauf Bedacht zu nehmen,<br />

<strong>das</strong>s Frauen häufig nach einer familiär bedingten<br />

Unterbrechung <strong>de</strong>r Berufstätigkeit<br />

zur Kin<strong>de</strong>rbetreuung und Erziehung<br />

in <strong>das</strong> Erwerbsleben zurückkehren und<br />

ihnen auch in <strong>de</strong>r Folgezeit grundsätzlich<br />

die Möglichkeit eröffnet wer<strong>de</strong>n soll, noch<br />

Ansprüche auf eine betriebliche Altersversorgung<br />

zu erwerben.<br />

Danach wer<strong>de</strong>n die Interessen <strong>de</strong>r Arbeitnehmer<br />

durch die Festlegung einer min<strong>de</strong>stens<br />

15-jährigen Betriebszugehörigkeit<br />

bis zur Regelaltersgrenze in <strong>de</strong>r<br />

gesetzlichen Rentenversicherung nicht<br />

unangemessen beeinträchtigt. Zwar können<br />

Arbeitnehmer, <strong>de</strong>ren Arbeitsverhältnis<br />

innerhalb <strong>de</strong>r letzten 15 Jahre vor <strong>de</strong>m<br />

gesetzlichen Rentenalter beginnt, keine<br />

Versorgungsanwartschaften erwerben. Im<br />

Hinblick darauf, <strong>das</strong>s ein Erwerbsleben<br />

bei typisieren<strong>de</strong>r Betrachtung min<strong>de</strong>stens<br />

40 Jahre und mehr umfasst, ist dies jedoch<br />

hinnehmbar, zumal diese Arbeitnehmer<br />

bereits in vorangegangenen Arbeitsverhältnissen<br />

die Möglichkeit hatten, Betriebsrentenanwartschaften<br />

zu erdienen.<br />

Das Erfor<strong>de</strong>rnis einer min<strong>de</strong>stens 15-jährigen<br />

Betriebszugehörigkeit führt auch<br />

nicht zu einer mittelbaren Diskriminierung<br />

von Frauen. Bei typisieren<strong>de</strong>r Betrachtung<br />

ist mit <strong>de</strong>m Wie<strong>de</strong>reintritt in<br />

<strong>das</strong> Berufsleben nach Zeiten <strong>de</strong>r Kin<strong>de</strong>rerziehung<br />

bereits vor Vollendung <strong>de</strong>s 50.<br />

Lebensjahres zu rechnen.<br />

(BAG, Urteil vom 12.02.2013 – 3 AZR<br />

100/11)<br />

DR. JUR.<br />

HANS-OTTO<br />

BLAESER<br />

Frechen<br />

26 | <strong>Journal</strong> <strong>für</strong> <strong>das</strong> <strong>Lohnbüro</strong> August 2013 Rechtsprechung <strong>für</strong> Sie aufbereitet


Der schönste Tag im Leben<br />

<strong>Journal</strong> <strong>für</strong> <strong>das</strong> <strong>Lohnbüro</strong> August 2013 | 27


<strong>Journal</strong><br />

<strong>für</strong> <strong>das</strong> <strong>Lohnbüro</strong><br />

<strong>06|2013</strong><br />

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