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2060_DBB_09_2012_g_PDF 29.08.2012 14:19 Uhr Seite 295<br />

Thema <strong>de</strong>s Monats<br />

<strong>BayKiBiG</strong><br />

Editorial<br />

Liebe Leserinnen und Leser!<br />

Wichtigstes Gut <strong>de</strong>r Eltern ist das eigene Kind, liegt es da nicht nahe, dass sie<br />

ihre Sprösslinge während ihrer Abwesenheit gut betreut wünschen.<br />

Im Jahre 2005 wur<strong>de</strong> das <strong>BayKiBiG</strong> in Kraft gesetzt, gera<strong>de</strong> wird es novelliert<br />

und das ist aus <strong>de</strong>r Sicht <strong>de</strong>r Spitzenverbän<strong>de</strong> und <strong>de</strong>rer, die täglich damit<br />

arbeiten, auch dringend erfor<strong>de</strong>rlich.<br />

Was die Novellierung, die nach <strong>de</strong>r Sommerpause verabschie<strong>de</strong>t wer<strong>de</strong>n soll,<br />

bringen mag, haben die Autoren dieser Ausgabe für Sie zusammengefasst.<br />

Nur so viel im Vorfeld: Es ist nicht alles Gold was glänzt!<br />

Herzliche Grüße!<br />

Katharina Hipp<br />

– Verantwortliche Redakteurin –<br />

Der Bayerische Bürgermeister 9/2012<br />

295


2060_DBB_09_2012_g_PDF 29.08.2012 14:19 Uhr Seite 296<br />

Thema <strong>de</strong>s Monats<br />

Die Novellierung <strong>de</strong>s <strong>BayKiBiG</strong><br />

Johanna Huber, Leiterin <strong>de</strong>r Abteilung für Familie und Jugend, Bildung und Erziehung im<br />

Bayerischen Staatsministerium für Arbeit und Sozialordnung, Familie und Frauen, München.<br />

Der Reformentwurf <strong>de</strong>r Bayerischen Staatsregierung entwickelt das am 1. August<br />

2005 in Kraft getretene, bewährte und bun<strong>de</strong>sweit vorbildliche Bayerische Kin<strong>de</strong>rbildungs-<br />

und -betreuungsgesetz (<strong>BayKiBiG</strong>) weiter. Die Novelle hält an <strong>de</strong>n verbindlichen<br />

Bildungs- und Erziehungszielen, <strong>de</strong>r verpflichten<strong>de</strong>n Bedarfsplanung<br />

<strong>de</strong>r Kommunen sowie <strong>de</strong>r kindbezogenen För<strong>de</strong>rung fest, verbessert die Rahmenbedingungen<br />

weiter und reagiert auf neue Herausfor<strong>de</strong>rungen.<br />

Bildung von Anfang an<br />

Bildung ist <strong>de</strong>r Schlüssel zur Zukunft.<br />

Mehr <strong>de</strong>nn je. Das gilt für<br />

die Entwicklung eines je<strong>de</strong>n jungen<br />

Menschen, aber auch für unsere<br />

Gesellschaft im Ganzen. Der erste und<br />

ursprünglichste Bildungsort ist die Familie:<br />

Hier wird <strong>de</strong>r Grundstein gelegt<br />

für alle Kompetenzen, die wir in <strong>de</strong>r<br />

Lebens- und Arbeitswelt von heute und<br />

morgen brauchen. In <strong>de</strong>r Familie entwickelt<br />

sich beginnend mit <strong>de</strong>n ersten Bindungserfahrungen<br />

die ganze Persönlichkeit.<br />

Hier lernen unsere Kin<strong>de</strong>r soziales<br />

Verhalten – geben und nehmen,<br />

sich etwas zutrauen und einan<strong>de</strong>r vertrauen.<br />

Deshalb wird hier, in <strong>de</strong>r Familie<br />

auch das Band <strong>de</strong>s Generationenzusammenhalts<br />

geknüpft.<br />

Eine qualitativ gute Kin<strong>de</strong>rbetreuung<br />

unterstützt und ergänzt die Familien<br />

bei <strong>de</strong>r Bildung, Erziehung und Betreu-<br />

<br />

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<br />

<br />

<br />

<br />

ung <strong>de</strong>r Kin<strong>de</strong>r und gewährleistet so<br />

bestmögliche Bildungs- und Entwicklungschancen.<br />

Zugleich ermöglichen<br />

Kin<strong>de</strong>rtageseinrichtungen und Tagesmütter<br />

o<strong>de</strong>r Tagesväter die Vereinbarkeit<br />

von Familie und Erwerbstätigkeit.<br />

Erfolgsmo<strong>de</strong>ll <strong>BayKiBiG</strong><br />

Das <strong>BayKiBiG</strong> ist ein Erfolgsmo<strong>de</strong>ll. Mit<br />

seiner Einführung am 1. August 2005<br />

wur<strong>de</strong>n die Weichen für die Kin<strong>de</strong>rbetreuung<br />

in Bayern neu gestellt und die<br />

Rahmenbedingungen für Familien und<br />

Kin<strong>de</strong>r in Bayern nachhaltig verbessert.<br />

Allein die Ausbauzahlen belegen die<br />

Wirksamkeit <strong>de</strong>s <strong>BayKiBiG</strong> und <strong>de</strong>r<br />

darin verankerten Bedarfsplanung: So<br />

stieg die Zahl <strong>de</strong>r betreuten Kin<strong>de</strong>r mit<br />

bestehen<strong>de</strong>r o<strong>de</strong>r drohen<strong>de</strong>r Behin<strong>de</strong>rung<br />

seit Einführung <strong>de</strong>s <strong>BayKiBiG</strong> um<br />

76 %. Die Zahl <strong>de</strong>r betreuten Kin<strong>de</strong>r mit<br />

Migrationshintergrund erhöhte sich alleine<br />

in <strong>de</strong>n letzten drei Jahren um<br />

<br />

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<br />

<br />

Quelle: StMAS<br />

22,7 %. Die Zahl <strong>de</strong>r betreuten Kin<strong>de</strong>r<br />

unter drei Jahren hat sich sogar vervierfacht.<br />

Dafür war zum einen entschei<strong>de</strong>nd,<br />

dass <strong>de</strong>r Freistaat die Kommunen seit<br />

2005 unabhängig von <strong>de</strong>r Betreuungsform<br />

auf gesetzlicher Basis bei <strong>de</strong>n laufen<strong>de</strong>n<br />

Kosten unterstützt. Zum an<strong>de</strong>ren<br />

wur<strong>de</strong>n die Gemein<strong>de</strong>n zur örtlichen<br />

Bedarfsplanung verpflichtet. Es<br />

kommt dabei nicht auf das Erreichen eines<br />

vorgegebenen Versorgungsziels an,<br />

son<strong>de</strong>rn auf die Prognose <strong>de</strong>s örtlichen<br />

Bedarfs und die Schaffung eines darauf<br />

ausgerichteten Angebots, das kontinuierlich<br />

<strong>de</strong>r Prüfung und ggf. Nachbesserung<br />

bedarf. Dabei haben die Gemein<strong>de</strong>n<br />

auch zu erheben, welche Betreuungsangebote<br />

die Eltern in welchem<br />

Umfang in Anspruch nehmen wollen –<br />

dadurch stehen die Wünsche <strong>de</strong>r Familien<br />

im Mittelpunkt.<br />

Um die Gemein<strong>de</strong>n dabei zu unterstützen,<br />

gewährt ihnen <strong>de</strong>r Freistaat finanzielle<br />

Planungssicherheit. So ist die gesetzliche,<br />

kindbezogene Betriebskostenför<strong>de</strong>rung<br />

vom Freistaat für alle<br />

Betreuungsangebote einschließlich <strong>de</strong>r<br />

Kin<strong>de</strong>rtagespflege unge<strong>de</strong>ckelt. Dadurch<br />

konnte <strong>de</strong>r Freistaat seine Ausgaben<br />

für die Kin<strong>de</strong>rbetreuung in <strong>de</strong>n<br />

letzten Jahren massiv steigern. ■ Grafik 1<br />

Darüber hinaus leistet <strong>de</strong>r Freistaat Finanzhilfen<br />

zu <strong>de</strong>n Investitionskosten im<br />

Rahmen <strong>de</strong>s Kommunalen Finanzausgleichs<br />

und <strong>de</strong>s Son<strong>de</strong>rinvestitionsprogramms<br />

für <strong>de</strong>n Ausbau <strong>de</strong>r Betreuung<br />

von Kin<strong>de</strong>rn unter drei Jahren.<br />

Der Bund hat im Rahmen <strong>de</strong>s Kin<strong>de</strong>rför<strong>de</strong>rungsgesetzes<br />

zum 1. August 2013<br />

einen Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz<br />

für je<strong>de</strong>s Kind ab <strong>de</strong>m vollen<strong>de</strong>ten<br />

ersten Lebensjahr eingeführt.<br />

Die Bürgermeister und Gemein<strong>de</strong>räte<br />

haben sich dieser Herausfor<strong>de</strong>rung gestellt<br />

und mit <strong>de</strong>r bun<strong>de</strong>sweit höchsten<br />

Dynamik Betreuungsplätze ausgebaut,<br />

so dass Bayern bei <strong>de</strong>r Erfüllung <strong>de</strong>s<br />

Rechtsanspruchs auf <strong>de</strong>r Zielgera<strong>de</strong>n<br />

ist. Bei diesem Kraftakt unterstützt <strong>de</strong>r<br />

296 Der Bayerische Bürgermeister 9/2012


2060_DBB_09_2012_g_PDF 29.08.2012 14:19 Uhr Seite 297<br />

Freistaat die Kommunen über die Betriebskostenför<strong>de</strong>rung<br />

und Investitionskostenför<strong>de</strong>rung<br />

nach <strong>de</strong>m <strong>BayKiBiG</strong><br />

hinaus durch ein unge<strong>de</strong>ckeltes Son<strong>de</strong>rinvestitionsprogramm.<br />

Die darin eingestellten<br />

Bun<strong>de</strong>smittel für <strong>de</strong>n Ausbau<br />

von Krippenplätzen in Höhe von<br />

340 Mio. € sind in Bayern bereits verplant<br />

bzw. ausbezahlt. Der Freistaat<br />

führt die För<strong>de</strong>rung nun allein mit Lan<strong>de</strong>smitteln<br />

fort, <strong>de</strong>rzeit mit rund<br />

600 Mio. €, und liegt dabei bun<strong>de</strong>sweit<br />

an <strong>de</strong>r Spitze. Dazu kommen weitere<br />

Mittel aus <strong>de</strong>m Fiskalpakt in Höhe von<br />

91,7 Mio. €, die voll an die Kommunen<br />

weitergeleitet wer<strong>de</strong>n.<br />

Die Unterstützung durch <strong>de</strong>n Freistaat<br />

zeigt Wirkung, was die Entwicklung<br />

<strong>de</strong>r Betreuungsquote <strong>de</strong>r Kin<strong>de</strong>r im<br />

zweiten und dritten Lebensjahr eindrucksvoll<br />

belegt. ■ Grafik 2<br />

Mit <strong>de</strong>m Gesetzentwurf zur Än<strong>de</strong>rung<br />

<strong>de</strong>s <strong>BayKiBiG</strong> knüpft die bayerische<br />

Staatsregierung an diese positive Entwicklung<br />

an und reagiert auf neue Herausfor<strong>de</strong>rungen,<br />

die sich für die Kin<strong>de</strong>rbetreuung<br />

in Bayern stellen.<br />

Entlastung <strong>de</strong>r Familien<br />

und qualitative Impulse<br />

Die Novelle <strong>de</strong>s <strong>BayKiBiG</strong> entlastet die<br />

Familien durch einen Zuschuss zu <strong>de</strong>n<br />

Elternbeiträgen im dritten Kin<strong>de</strong>rgartenjahr.<br />

Der Beitragszuschuss wird in<br />

Höhe von zunächst 50 € monatlich ab<br />

<strong>de</strong>m Kin<strong>de</strong>rgartenjahr 2012/2013 zusätzlich<br />

zur kindbezogenen För<strong>de</strong>rung<br />

an die Kommune ausgezahlt, die diesen<br />

an die Einrichtung weiterleitet. Für das<br />

Kin<strong>de</strong>rgartenjahr 2013/2014 ist als<br />

zweite Stufe eine Erhöhung <strong>de</strong>s Zuschusses<br />

auf 100 € geplant. Damit wird<br />

das letzte Kin<strong>de</strong>rgartenjahr für die<br />

meisten Eltern beitragsfrei.<br />

Für mehr Personal und kleinere Gruppen<br />

senkt <strong>de</strong>r Freistaat <strong>de</strong>n Anstellungsschlüssels<br />

von <strong>de</strong>rzeit 1:11,5 auf<br />

1:11,0. Der Freistaat übernimmt dafür<br />

die Kosten in Höhe von 11 Mio. € und<br />

legt noch einmal 22 Mio. € drauf, was<br />

zu einer weiteren Entlastung <strong>de</strong>r Kommunen<br />

führt. Um <strong>de</strong>n Einrichtungen im<br />

Hinblick auf die Umstellung entgegen<br />

zu kommen, wird eine Übergangsregelung<br />

von zunächst drei Jahren geschaffen.<br />

Quelle: StMAS<br />

<br />

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<br />

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<br />

<br />

<br />

<br />

Optimierung <strong>de</strong>s<br />

Verwaltungsverfahrens<br />

Als wesentliche Maßnahme zur weiteren<br />

Optimierung <strong>de</strong>s Verwaltungsverfahrens<br />

sieht die Novelle die Abschaffung<br />

<strong>de</strong>r Gastkin<strong>de</strong>rregelung in Art. 23<br />

<strong>BayKiBiG</strong> vor. Art. 18 Abs. 1 und Art. 22<br />

<strong>BayKiBiG</strong> wer<strong>de</strong>n zu einem allgemeinen<br />

För<strong>de</strong>ranspruch erweitert, womit<br />

die Unterscheidung von bedarfsnotwendigen<br />

und nicht bedarfsnotwendigen<br />

Plätzen für die Frage <strong>de</strong>r kindbezogenen<br />

För<strong>de</strong>rung hinfällig wird. Künftig<br />

ist <strong>de</strong>shalb gesetzlich klargestellt,<br />

dass die kindbezogene För<strong>de</strong>rung nach<br />

<strong>de</strong>m <strong>BayKiBiG</strong> stets durch die Aufenthaltsgemein<strong>de</strong><br />

zu leisten ist. Auf diese<br />

Weise wird das Wunsch- und Wahlrecht<br />

<strong>de</strong>r Eltern umfassend gestärkt.<br />

Der Gesetzentwurf <strong>de</strong>r Staatsregierung<br />

sieht ferner vor, dass die Träger künftig<br />

vierteljährlich aktuelle Daten zur Kin<strong>de</strong>rbetreuung<br />

auf einer Online-Plattform<br />

einstellen müssen. Dies wird die<br />

örtliche Bedarfsplanung <strong>de</strong>r Gemein<strong>de</strong>n<br />

erheblich vereinfachen. Zu<strong>de</strong>m<br />

wer<strong>de</strong>n damit Probleme in <strong>de</strong>n Einrichtungen<br />

o<strong>de</strong>r Verän<strong>de</strong>rungen im Nachfrageverhalten<br />

<strong>de</strong>r Eltern frühzeitig<br />

sichtbar. Die Gemein<strong>de</strong>n können zeitnah<br />

darauf reagieren.<br />

Steigerung <strong>de</strong>r Attraktivität<br />

<strong>de</strong>r Tagespflege<br />

<br />

<br />

<br />

Thema <strong>de</strong>s Monats<br />

Betreuungsquote (Zahl <strong>de</strong>r betreuten Kin<strong>de</strong>r zur Zahl <strong>de</strong>r Kin<strong>de</strong>r im zweiten und dritten Lebensjahr, jeweils<br />

zum 1. Januar; aktuelle Schätzung <strong>de</strong>r Versorgungsquote für zwei- und dreijährige Kin<strong>de</strong>r 43 %.)<br />

<br />

<br />

<br />

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<br />

<br />

<br />

Ziel <strong>de</strong>r Reform <strong>de</strong>s <strong>BayKiBiG</strong> ist auch<br />

die Steigerung <strong>de</strong>r Attraktivität <strong>de</strong>r Tagespflege<br />

und <strong>de</strong>r Großtagespflege als<br />

echte Alternative zur Kin<strong>de</strong>rkrippe.<br />

Denn die Tagespflege kann entschei<strong>de</strong>nd<br />

dazu beitragen, dass <strong>de</strong>r Rechtsanspruch<br />

auf einen Betreuungsplatz<br />

kommen<strong>de</strong>s Jahr eingehalten wer<strong>de</strong>n<br />

kann. Wenn Einrichtungen mit langen<br />

Öffnungszeiten fehlen, wenn Krippen<br />

mangels Grundstücken nicht gebaut<br />

wer<strong>de</strong>n können o<strong>de</strong>r auf <strong>de</strong>m Arbeitsmarkt<br />

keine Fachkräfte verfügbar sind,<br />

ist die Tagespflege möglicherweise <strong>de</strong>r<br />

Rettungsanker, um <strong>de</strong>n Eltern rechtzeitig<br />

eine Betreuungsmöglichkeit bieten<br />

zu können.<br />

Damit <strong>de</strong>r Ausbau <strong>de</strong>r Tagespflege forciert<br />

wird und an Akzeptanz bei <strong>de</strong>n<br />

Eltern gewinnt, wollen wir zum einen<br />

die Elternbeiträge auf das 1,5-fache <strong>de</strong>r<br />

kindbezogenen staatlichen För<strong>de</strong>rung<br />

begrenzen. Der Höchstbetrag einer<br />

Ganztagsbetreuung wür<strong>de</strong> <strong>de</strong>mnach<br />

für die Eltern rund 300 € betragen. Der<br />

durchschnittliche Krippenplatz kostet<br />

die Eltern im Vergleich etwa 250 €. Soweit<br />

Landkreise und kreisfreie Städte<br />

durch die Deckelung Einnahmen verlieren,<br />

darf man nicht vergessen, dass <strong>de</strong>r<br />

Freistaat die Bun<strong>de</strong>sgel<strong>de</strong>r für Kin<strong>de</strong>r<br />

unter drei Jahren auch für die Tagespflegefälle<br />

ungekürzt an die Kommunen<br />

weiterleitet und diese Unterstützung<br />

durch <strong>de</strong>n Fiskalpakt noch einmal angehoben<br />

wird. Zu<strong>de</strong>m ist die Tagespflege<br />

für die Kommunen unterm Strich auch<br />

weiterhin die günstigere Alternative im<br />

Vergleich zu Kin<strong>de</strong>rkrippen.<br />

Verbesserung <strong>de</strong>r<br />

Bedingungen <strong>de</strong>r<br />

Schulkindbetreuung<br />

Die Novelle soll auch <strong>de</strong>m hohen Bedarf<br />

nach Betreuungsangeboten im<br />

Schulkindbereich, <strong>de</strong>r zunehmen<strong>de</strong>n<br />

Angebotsvielfalt und <strong>de</strong>m Wunsch <strong>de</strong>r<br />

Der Bayerische Bürgermeister 9/2012<br />

297


2060_DBB_09_2012_g_PDF 29.08.2012 14:19 Uhr Seite 298<br />

Thema <strong>de</strong>s Monats<br />

Eltern nach passgenauen Kombinationsangeboten<br />

Rechnung tragen. So<br />

wird die Pflicht zur Abstimmung <strong>de</strong>r<br />

Planungen von Schule und Jugendhilfe<br />

gesetzlich verankert. Für Schulkin<strong>de</strong>r<br />

verbessern wir zu<strong>de</strong>m die Ganztagsangebote<br />

insbeson<strong>de</strong>re in Rand- und Ferienzeiten,<br />

in<strong>de</strong>m kombinierte Angebote<br />

von Kin<strong>de</strong>rtageseinrichtungen bzw.<br />

Tagespflege und <strong>de</strong>r Schule erleichtert<br />

wer<strong>de</strong>n.<br />

Stärkung <strong>de</strong>s ländlichen<br />

Raums – Verbesserung <strong>de</strong>r<br />

Landkin<strong>de</strong>rgartenregelung<br />

Um überall in Bayern qualitativ hochwertige<br />

und wohnortnahe Kin<strong>de</strong>rtageseinrichtungen<br />

sicherzustellen, wird<br />

schließlich die Landkin<strong>de</strong>rgartenregelung<br />

verbessert: Die Zahl <strong>de</strong>r Kin<strong>de</strong>r<br />

wird künftig fiktiv auf 25 Kin<strong>de</strong>r hochgerechnet<br />

(bisher 22 Kin<strong>de</strong>r). Außer<strong>de</strong>m<br />

wird durch eine Modifizierung <strong>de</strong>s Berechnungsverfahrens<br />

die För<strong>de</strong>rung erhöht.<br />

Fazit<br />

Mit <strong>de</strong>n geplanten Än<strong>de</strong>rungen im<br />

<strong>BayKiBiG</strong> wird <strong>de</strong>r Freistaat zusätzliche<br />

Mittel in Höhe von bis zu 185 Mio. € pro<br />

Jahr in die Kin<strong>de</strong>rbetreuung investieren.<br />

Die Haushaltsansätze haben sich<br />

seit Einführung <strong>de</strong>s <strong>BayKiBiG</strong> beinahe<br />

verdoppelt. Der staatliche Anteil an <strong>de</strong>n<br />

Grundkosten liegt heute in Bayern<br />

bei 44,3 % (2005: 39,7 %). Durch das<br />

<strong>BayKiBiG</strong> gewährleistet <strong>de</strong>r Freistaat<br />

eine verlässliche För<strong>de</strong>rung. Gleichzeitig<br />

ist es unerlässlich, dass die Gemein<strong>de</strong>n<br />

durch Defizitverträge mit <strong>de</strong>n Trägern<br />

für eine durchgehend hohe Qualität<br />

sorgen. Dieses Geld ist gut<br />

angelegt. Denn Investitionen in die Bildung<br />

und Betreuung sind Investitionen<br />

in die Zukunft unserer Kommunen und<br />

unserer Gesellschaft.<br />

Zweiter Aufschlag zur Novellierung <strong>de</strong>s Bayerischen<br />

Kin<strong>de</strong>rbildungs- und -betreuungsgesetzes<br />

Gerhard Dix, Bayerischer Gemein<strong>de</strong>tag und Julius Forster, Bayerischer Städtetag, bei<strong>de</strong> München<br />

Sieben Jahre nach Inkrafttreten <strong>de</strong>s Bayerischen Kin<strong>de</strong>rbildungs- und -betreuungsgesetzes<br />

(<strong>BayKiBiG</strong>) legt die Bayerische Staatsregierung einen Gesetzentwurf vor,<br />

<strong>de</strong>r eine umfassen<strong>de</strong> Än<strong>de</strong>rung vorsieht. Begrün<strong>de</strong>t wird dieser Novellierungsbedarf<br />

mit aktuellen Herausfor<strong>de</strong>rungen bei <strong>de</strong>r Kin<strong>de</strong>rtagesbetreuung. Aber auch<br />

die zwischenzeitlich verfestigte Rechtsprechung <strong>de</strong>s Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs<br />

zur Gastkin<strong>de</strong>rregelung dürfte zu <strong>de</strong>m vorgelegten Gesetzentwurf<br />

geführt haben. Und wenn man <strong>de</strong>n Gesetzentwurf samt Vorblatt und Begründung<br />

durchliest, so keimt Hoffnung auf, dass nach sieben mageren Jahren großen Verwaltungsaufwands<br />

bei <strong>de</strong>n Kommunen und zahlreichen Stolpersteinen in <strong>de</strong>m<br />

sperrigen Gesetz in <strong>de</strong>n kommen<strong>de</strong>n sieben fetten Jahren sich einiges zum Besseren<br />

wen<strong>de</strong>t. Die Familien sollen kurz vor <strong>de</strong>r nächsten Landtagswahl finanziell entlastet,<br />

die Qualität in <strong>de</strong>n Einrichtungen noch weiter verbessert wer<strong>de</strong>n, u. a. durch<br />

Absenkung <strong>de</strong>s Min<strong>de</strong>stanstellungsschlüssels für das Personal – sofern auf <strong>de</strong>m<br />

Arbeitsmarkt überhaupt noch Erzieher/innen zu fin<strong>de</strong>n sind –; <strong>de</strong>r Verwaltungsaufwand<br />

soll minimiert, die Tagespflege attraktiver und <strong>de</strong>r ländliche Raum gestärkt<br />

wer<strong>de</strong>n. Dafür will <strong>de</strong>r Freistaat im Jahr 185 Mio. € zusätzlich in die Hand nehmen.<br />

Die Kommunen wer<strong>de</strong>n angeblich entlastet, und das Konnexitätsprinzip fin<strong>de</strong>t<br />

völlig überraschend aus diesen Grün<strong>de</strong>n wie<strong>de</strong>r einmal keine Anwendung. Das Gesetz<br />

soll nunmehr nach <strong>de</strong>r Sommerpause verabschie<strong>de</strong>t und in Teilen voraussichtlich<br />

rückwirkend zum 1. September 2012 in Kraft treten. Die Oppositionsparteien<br />

im Bayerischen Landtag haben durchgesetzt, dass vor <strong>de</strong>r Verabschiedung <strong>de</strong>s Gesetzes<br />

eine weitere Verbän<strong>de</strong>anhörung durchgeführt wird. Dies gibt die Chance,<br />

wichtige Belange <strong>de</strong>r Kommunen doch noch im Gesetz zu verankern. Eigentlich<br />

wollte die Staatsregierung zu Beginn <strong>de</strong>s Kita-Jahres alles in trockenen Tüchern<br />

haben. So kommt es eben jetzt zu einem zweiten Aufschlag.<br />

Vorgezogene<br />

Regelungen<br />

Um die für das Sozialministerium<br />

bei<strong>de</strong>n wohl wichtigsten<br />

Än<strong>de</strong>rungen schon zum 1. September<br />

in Kraft setzen zu können, wird<br />

tief in die Trickkiste gegriffen: Erstens<br />

kommt die Elternbeitragsermäßigung<br />

in Form von Vollzugshinweisen zum<br />

1. September 2012. Begrün<strong>de</strong>t wird dies<br />

damit, dass die erfor<strong>de</strong>rlichen Mittel für<br />

2012 bereits haushaltsgesetzlich verankert<br />

sind. Letztlich könnte <strong>de</strong>r Freistaat<br />

Bayern auf dieser Grundlage auch<br />

lediglich eine För<strong>de</strong>rrichtlinie erlassen.<br />

Warum er <strong>de</strong>n umständlicheren Weg<br />

<strong>de</strong>r Verankerung in einem Gesetz sucht,<br />

gibt zu Fragen Anlass. Zweitens soll<br />

<strong>de</strong>r Anstellungsschlüssel durch eine in<br />

Win<strong>de</strong>seile umzusetzen<strong>de</strong> Än<strong>de</strong>rung<br />

<strong>de</strong>r Ausführungsverordnung zum<br />

<strong>BayKiBiG</strong> (AV<strong>BayKiBiG</strong>) umgesetzt<br />

wer<strong>de</strong>n. Die Verschärfung <strong>de</strong>s Anstel-<br />

298 Der Bayerische Bürgermeister 9/2012


2060_DBB_09_2012_g_PDF 29.08.2012 14:19 Uhr Seite 299<br />

lungsschlüssels wird mit einer Übergangsregelung<br />

(Fachkräftemangel) verbun<strong>de</strong>n.<br />

Allerdings ist für die Träger<br />

damit trotz<strong>de</strong>m ein hohes Risiko verbun<strong>de</strong>n,<br />

weil letztlich die ganze För<strong>de</strong>rung<br />

daran hängt, ob <strong>de</strong>r Härtefall anerkannt<br />

wird o<strong>de</strong>r nicht.<br />

Bezuschussung <strong>de</strong>r<br />

Elternbeiträge<br />

Die größte medienwirksame Resonanz<br />

hat <strong>de</strong>r vorgelegte Gesetzentwurf durch<br />

die geplante schrittweise Einführung<br />

<strong>de</strong>r Beitragsfreiheit im dritten Kin<strong>de</strong>rgartenjahr<br />

für die Eltern hervorgerufen.<br />

So sollen die Elterngebühren für alle<br />

Kin<strong>de</strong>r, die das letzte Kin<strong>de</strong>rgartenjahr<br />

besuchen, ab <strong>de</strong>m 1. September 2012<br />

um 50 € pro Monat und Kind reduziert<br />

wer<strong>de</strong>n, ein Jahr später um 100 €. Dafür<br />

will <strong>de</strong>r Freistaat jährlich zusätzliche<br />

125 Mio. € in die Hand nehmen. Die<br />

durchschnittliche Buchungszeit für diese<br />

Kin<strong>de</strong>r beträgt bayernweit mehr als<br />

sechs bis sieben Stun<strong>de</strong>n pro Tag. Dafür<br />

ist im Durchschnitt ein monatlicher Elternbeitrag<br />

in Höhe von 96 € zu entrichten.<br />

Mit <strong>de</strong>r nunmehr beabsichtigten<br />

Bezuschussung <strong>de</strong>s Elternbeitrags in<br />

Höhe von 100 € im Monat könnte man<br />

rein rechnerisch von einem gebührenfreien<br />

Kin<strong>de</strong>rgartenjahr sprechen. Da<br />

aber die Gebühren in Bayern sehr unterschiedlich<br />

von <strong>de</strong>n Kita-Trägern festgesetzt<br />

wer<strong>de</strong>n, wird es künftig Eltern geben,<br />

die für ihre Kin<strong>de</strong>r gar keine Gebühren<br />

mehr zu entrichten haben,<br />

an<strong>de</strong>re wer<strong>de</strong>n weiterhin noch kräftig<br />

draufzahlen.<br />

Wie kommt das Geld an die Eltern? Die<br />

Gemein<strong>de</strong>n wer<strong>de</strong>n im kibig.web, das<br />

ist die webbasierte Abrechnung für das<br />

Kita-För<strong>de</strong>rwesen, eine neue Spalte vorfin<strong>de</strong>n:<br />

Kin<strong>de</strong>r im letzten Kita-Jahr. Dort<br />

wer<strong>de</strong>n die von <strong>de</strong>n freigemeinnützigen<br />

Trägern erhobenen Kin<strong>de</strong>rzahlen eingegeben,<br />

zuzüglich <strong>de</strong>r Kin<strong>de</strong>rzahl, die<br />

kommunale Einrichtungen besuchen.<br />

Aufgrund dieser Meldung fließen künftig<br />

neben <strong>de</strong>n übrigen staatlichen För<strong>de</strong>rmitteln<br />

auch die Elternbeitragszuschüsse<br />

über die Kommunen an die<br />

Träger. Diese wie<strong>de</strong>rum haben sich<br />

gegenüber <strong>de</strong>m Freistaat zu verpflichten,<br />

die Entlastungen an die Eltern weiter<br />

zu geben. Eine Unterscheidung, ob<br />

die bisher erhobenen Elterngebühren<br />

über o<strong>de</strong>r unter 50 bzw. 100 € im Monat<br />

liegen, wird nicht vorgenommen.<br />

Mit diesem Vorpreschen <strong>de</strong>s Freistaats<br />

wird <strong>de</strong>r Druck auf die Kommunen erhöht,<br />

gleichfalls in Sachen Elterngebühren<br />

tätig zu wer<strong>de</strong>n.<br />

Die mehrfach gehörte Begründung zur<br />

Einführung dieses Beitragszuschusses,<br />

man wolle einkommensschwachen Eltern<br />

unter die Arme greifen, geht voll<br />

daneben. Denn bereits heute muss kein<br />

Kind zuhause bleiben, weil sich die Eltern<br />

die Gebühren nicht leisten können.<br />

In diesen Fällen übernimmt die wirtschaftliche<br />

Jugendhilfe die Kosten. Offensichtlich<br />

han<strong>de</strong>lt es sich bei diesem<br />

staatlichen Zuschuss um ein Wahlgeschenk<br />

an die Eltern. Doch selbst die<br />

Elternvertreter verstehen die Welt nicht<br />

mehr. So reagierte <strong>de</strong>r Bayerische Elternverband<br />

einer Agenturmeldung zufolge<br />

mit <strong>de</strong>r Bemerkung, dieser Zuschuss<br />

sei überflüssig und „nicht im<br />

Sinne <strong>de</strong>r Kin<strong>de</strong>r“. In diese Richtung<br />

gehen auch die Einschätzungen von<br />

Bayerischem Städtetag und Bayerischem<br />

Gemein<strong>de</strong>tag: Angesichts <strong>de</strong>r<br />

massiven Kosten durch <strong>de</strong>n Ausbau <strong>de</strong>r<br />

Betreuungsplätze für Kin<strong>de</strong>r unter drei<br />

Jahren und angesichts <strong>de</strong>r ständig steigen<strong>de</strong>n<br />

Qualitätsverbesserungen in <strong>de</strong>n<br />

Einrichtungen wären diese 125 Mio €<br />

im Jahr in <strong>de</strong>n Kitas für diese Zwecke<br />

besser angelegt.<br />

Verbesserung <strong>de</strong>s Min<strong>de</strong>stanstellungsschlüssels<br />

In <strong>de</strong>m vorliegen<strong>de</strong>n Gesetzentwurf<br />

wird angekündigt und in <strong>de</strong>r geplanten<br />

Än<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>r Ausführungsverordnung<br />

(AV<strong>BayKiBiG</strong>) zum 1. September 2012<br />

umgesetzt, dass <strong>de</strong>r bisherige Min<strong>de</strong>stanstellungsschlüssel<br />

von 1:11,5 (§ 17<br />

Abs. 1 AV<strong>BayKiBiG</strong>) auf 1:11,0 verbessert<br />

wer<strong>de</strong>n soll. Die Mehrkosten<br />

schätzt <strong>de</strong>r Freistaat auf 33 Mio. € im<br />

Jahr. 50 Mio. € zu wenig nach unserer<br />

Rechnung. Diese 33 Mio. € will <strong>de</strong>r Freistaat<br />

durch die Einführung eines sogenannten<br />

Basiswertes plus übernehmen.<br />

Künftig soll <strong>de</strong>mnach mit zwei unterschiedlichen<br />

Basiswerten gearbeitet<br />

wer<strong>de</strong>n, einen für die Kommunen und<br />

einen für <strong>de</strong>n Freistaat gelten<strong>de</strong>n. Trotz<br />

dieser Finanzierungszusage wird im<br />

Thema <strong>de</strong>s Monats<br />

Gesetzesvorblatt die Anwendung <strong>de</strong>s<br />

Konnexitätsprinzips verneint. Da wer<strong>de</strong><br />

mal einer schlau: Konnexität nein, zahlen<br />

ja. Das macht hellhörig und skeptisch<br />

zugleich. Auf je<strong>de</strong>n Fall Stoff für<br />

eine Groteske.<br />

Doch neben <strong>de</strong>r Finanzierung <strong>de</strong>s zusätzlich<br />

notwendigen Personals stellt<br />

sich vielerorts ein noch größeres Problem:<br />

Wo sollen die Fachkräfte überhaupt<br />

herkommen? Angesichts <strong>de</strong>s leergefegten<br />

Arbeitsmarktes fin<strong>de</strong>n heute<br />

schon viele Einrichtungsträger keine<br />

Erzieher/innen. Die Verbesserung <strong>de</strong>s<br />

Anstellungsschlüssels schon zum<br />

1. September wird mit und ohne Übergangsregelung<br />

<strong>de</strong>n Fachkräftemangel<br />

verschärfen. Der Einführung <strong>de</strong>s Rechtsanspruchs<br />

auf einen Betreuungsplatz<br />

für Kin<strong>de</strong>r ab <strong>de</strong>m ersten vollen<strong>de</strong>ten<br />

Lebensjahr zum 1. August 2013 wird<br />

damit ein Bärendienst erwiesen. Die im<br />

Entwurf <strong>de</strong>r AV<strong>BayKiBiG</strong> vorgesehene<br />

Übergangsregelung soll drei Jahre gelten.<br />

Aus hiesiger Sicht viel zu kurz. Die<br />

Kita-Träger wer<strong>de</strong>n trotz<strong>de</strong>m unnötig<br />

und zur Unzeit unter Druck gesetzt.<br />

Letztlich müssen sie je<strong>de</strong>s Angebot vom<br />

Arbeitsmarkt annehmen, wenn sie sich<br />

nicht <strong>de</strong>r Gefahr <strong>de</strong>s Verlusts von För<strong>de</strong>rmitteln<br />

aussetzen wollen.<br />

Wegfall <strong>de</strong>r<br />

Gastkin<strong>de</strong>rregelung<br />

Zu heftigen Diskussionen führte mit Inkrafttreten<br />

<strong>de</strong>s <strong>BayKiBiG</strong> im Jahr 2005<br />

die sogenannte Gastkin<strong>de</strong>rregelung in<br />

<strong>de</strong>ssen Artikel 23. Demnach müssen<br />

Aufenthaltsgemein<strong>de</strong>n für in auswärtigen<br />

Einrichtungen betreute Kin<strong>de</strong>r <strong>de</strong>n<br />

kommunalen Finanzierungsanteil übernehmen,<br />

sofern vor Ort <strong>de</strong>r festgestellte<br />

Bedarf nicht abge<strong>de</strong>ckt wer<strong>de</strong>n kann. In<br />

manchen Fällen können sogar Eltern<br />

zur Finanzierung <strong>de</strong>s kommunalen Anteils<br />

herangezogen wer<strong>de</strong>n. Doch seit<br />

<strong>de</strong>m Urteil <strong>de</strong>s Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs<br />

(Az. 12 BV 07.3085)<br />

vom 5. Mai 2008 steht fest, dass Gemein<strong>de</strong>n<br />

das in § 5 Abs. 1 SGB VIII normierte<br />

Wunsch- und Wahlrecht planerisch<br />

nicht einschränken können. Daher<br />

soll die Gastkin<strong>de</strong>rregelung vollständig<br />

aufgehoben wer<strong>de</strong>n. Somit hat künftig<br />

je<strong>de</strong> Aufenthaltsgemein<strong>de</strong> <strong>de</strong>n kommunalen<br />

För<strong>de</strong>ranteil für ihre Kin<strong>de</strong>r zu<br />

Der Bayerische Bürgermeister 9/2012<br />

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Thema <strong>de</strong>s Monats<br />

übernehmen, unabhängig davon, wo<br />

diese betreut wer<strong>de</strong>n. Damit fällt auch<br />

eine Anerkennung <strong>de</strong>r Bedarfsnotwendigkeit<br />

nach Art. 7 Abs. 2 <strong>BayKiBiG</strong><br />

weg. Entsprechend wer<strong>de</strong>n Art. 7 Abs. 2<br />

und 3 <strong>BayKiBiG</strong> ersatzlos gestrichen.<br />

Daher brauchen künftig auch keine<br />

diesbezüglichen Verwaltungsakte <strong>de</strong>r<br />

Gemein<strong>de</strong>n gegenüber <strong>de</strong>n Kita-Trägern<br />

erlassen wer<strong>de</strong>n. Dies ist ein Beitrag<br />

zur Verwaltungsvereinfachung,<br />

aber auch eine Herausfor<strong>de</strong>rung für<br />

zentrale Orte, wenn es dadurch zum<br />

Andrang von auswärtigen Kin<strong>de</strong>rn<br />

kommen sollte, insbeson<strong>de</strong>re auf Krippenplätze.<br />

Hier können die Gemein<strong>de</strong>n<br />

künftig nur noch vertragliche Regelungen<br />

mit <strong>de</strong>n freien Trägern schließen,<br />

die eine Bevorzugung <strong>de</strong>r Kin<strong>de</strong>r aus<br />

<strong>de</strong>r eigenen Gemein<strong>de</strong> vorsehen. In Betracht<br />

kommt dies z. B. bei Investitionsför<strong>de</strong>rungen,<br />

im Rahmen von Ausschreibungen<br />

und bei Abschluss o<strong>de</strong>r<br />

Än<strong>de</strong>rung von Defizitvereinbarungen.<br />

Durch <strong>de</strong>n Wegfall dieser bisherigen<br />

Unterscheidung zwischen Plätzen für<br />

Gastkin<strong>de</strong>r und auswärts gelegenen<br />

Plätzen, die von <strong>de</strong>r Aufenthaltsgemein<strong>de</strong><br />

als bedarfsnotwenig anerkannt<br />

wor<strong>de</strong>n sind, muss auch die bisherige<br />

Bestimmung zur Investitionskostenför<strong>de</strong>rung<br />

auswärtiger Plätze neu geregelt<br />

wer<strong>de</strong>n.<br />

Investitionskostenför<strong>de</strong>rung<br />

Künftig wer<strong>de</strong>n im Art. 27 <strong>BayKiBiG</strong><br />

nur noch die Finanzierungsverpflichtungen<br />

zwischen <strong>de</strong>m Freistaat und <strong>de</strong>n<br />

Kommunen geregelt, allerdings nicht<br />

mehr die Verpflichtungen im Verhältnis<br />

Kommunen und Träger. Die bisherige<br />

Kostenaufteilung zwischen Kommune<br />

und Träger von zwei Dritteln zu einem<br />

Drittel (Art. 27 Abs. 1 <strong>BayKiBiG</strong>) wird<br />

in <strong>de</strong>r Praxis seit Jahren so gut wie nicht<br />

mehr umgesetzt. Es bedarf hierzu im<br />

Übrigen auch keiner gesetzlichen Regelung.<br />

Ebenso wenig bedarf es einer<br />

solchen, wie sich die Kommunen untereinan<strong>de</strong>r<br />

für <strong>de</strong>n Fall einigen, dass Kin<strong>de</strong>r<br />

aus mehreren Gemein<strong>de</strong>n eine Einrichtung<br />

besuchen. Künftig erhalten<br />

diejenigen Kommunen staatliche Finanzhilfen<br />

über das Finanzausgleichsgesetz<br />

(FAG), die sich an <strong>de</strong>n Investitionskosten<br />

beteiligen. Im Gesetzentwurf<br />

war vorgesehen, dass <strong>de</strong>r Freistaat<br />

seine För<strong>de</strong>rung weiterhin auf <strong>de</strong>r Basis<br />

von zwei Dritteln <strong>de</strong>r zuweisungsfähigen<br />

Kosten bereitstellt (Art. 27 Abs. 1<br />

Satz 1 <strong>BayKiBiG</strong>-Entwurf). Gemein<strong>de</strong>tag<br />

und Städtetag konnten im Rahmen<br />

<strong>de</strong>r FAG-Verhandlungen durchsetzen,<br />

dass – wie bei allen an<strong>de</strong>ren Hochbaumaßnahmen<br />

auch – alle zuweisungsfähigen<br />

Kosten zugrun<strong>de</strong> gelegt wer<strong>de</strong>n.<br />

Dies betrifft aber nur die von <strong>de</strong>r<br />

Kommune selbst getragenen Kosten,<br />

nicht <strong>de</strong>n Anteil <strong>de</strong>s freien Trägers. Aber<br />

immerhin kommen durch unser Eintreten<br />

weitere 30 Mio. € p. a. Lan<strong>de</strong>smittel<br />

in <strong>de</strong>n staatlichen För<strong>de</strong>rtopf.<br />

Landkin<strong>de</strong>rgartenregelung<br />

Zur Finanzierung eingruppiger Kitas,<br />

sofern diese das einzige Betreuungsangebot<br />

in einer Gemein<strong>de</strong> o<strong>de</strong>r in einem<br />

Ortsteil darstellen, gilt bisher schon eine<br />

Son<strong>de</strong>rregelung. Wenn sich eine Gemein<strong>de</strong><br />

bereit erklärt, einen kommunalen<br />

Finanzierungsanteil für 22 Kin<strong>de</strong>r<br />

zu übernehmen, obwohl tatsächlich<br />

weniger Kin<strong>de</strong>r in <strong>de</strong>r Einrichtung betreut<br />

wer<strong>de</strong>n, beteiligt sich <strong>de</strong>r Freistaat<br />

in gleicher Höhe (Art. 24 <strong>BayKiBiG</strong>).<br />

Künftig sollen diese Leistungen für<br />

25 Kin<strong>de</strong>r erbracht wer<strong>de</strong>n (Art. 24<br />

<strong>BayKiBiG</strong>-Entwurf). Darüber hinaus<br />

soll <strong>de</strong>r Min<strong>de</strong>stanstellungsschlüssel<br />

nur für die tatsächlich betreuten Kin<strong>de</strong>r<br />

angewandt wer<strong>de</strong>n.<br />

Damit wird eine langjährige For<strong>de</strong>rung<br />

von Gemein<strong>de</strong>tag und Städtetag erfüllt.<br />

Tagespflege<br />

Das neue <strong>BayKiBiG</strong> will die Attraktivität<br />

<strong>de</strong>r Tages- und <strong>de</strong>r Großtagespflege<br />

verbessern. Die Tagespflege wird bei<br />

<strong>de</strong>r Betreuung von Kin<strong>de</strong>rn unter drei<br />

Jahren nur von 8 % im Vergleich zur<br />

Krippe mit 92 % genutzt. Die Eltern bevorzugen<br />

hier ein<strong>de</strong>utig institutionalisierte<br />

Betreuungsangebote mit hohem<br />

pädagogischem Standard. Außer<strong>de</strong>m<br />

stehen nicht ausreichend Tagespflegepersonen<br />

zur Verfügung, obwohl sich<br />

die örtlichen Jugendhilfeträger in <strong>de</strong>r<br />

Regel sehr um <strong>de</strong>ren Gewinnung und<br />

Qualifizierung bemühen. Ein Grund für<br />

diese niedrige Quote mag auch darin<br />

liegen, dass die Arbeit in Selbständigkeit<br />

erbracht wird und möglicherweise<br />

auch nicht ausreichend lukrativ bezahlt<br />

wird. Das Bayerische Sozialministerium<br />

sieht dagegen <strong>de</strong>n Grund für die verhaltene<br />

Annahme <strong>de</strong>r Tagespflege darin,<br />

dass die Elternbeiträge zu hoch sind.<br />

Bayerischer Landkreistag und Bayerischer<br />

Städtetag empfehlen seit längerem,<br />

dass die Elternbeiträge in <strong>de</strong>r Tagespflege<br />

maximal die Höhe vergleichbarer<br />

Elternbeiträge in Krippen<br />

erreichen sollen. Darüber hinaus will<br />

<strong>de</strong>r Freistaat die Elternbeiträge in <strong>de</strong>r<br />

Tagespflege noch <strong>de</strong>utlicher drücken<br />

und hat in Art. 20 <strong>BayKiBiG</strong>-Entwurf<br />

die zusätzliche För<strong>de</strong>rvoraussetzung<br />

hineingeschrieben, dass die Elternbeteiligung<br />

auf maximal die 1,5-fache Höhe<br />

<strong>de</strong>s staatlichen Anteils <strong>de</strong>r kindbezogenen<br />

För<strong>de</strong>rung begrenzt wird. Dies<br />

wird bei vielen Kommunen, sowohl in<br />

Ballungsräumen als auch im ländlichen<br />

Raum, zu Einnahmeausfällen führen,<br />

die wie<strong>de</strong>rum die Attraktivität <strong>de</strong>r Tagespflege<br />

sicherlich nicht för<strong>de</strong>rn. Zu<br />

be<strong>de</strong>nken ist bei diesem geplanten gesetzgeberischen<br />

Eingriff auch, dass Eltern,<br />

die sich <strong>de</strong>n Beitrag zur Tagespflege<br />

o<strong>de</strong>r zur Krippe nicht leisten können,<br />

die Übernahme dieser Kosten durch die<br />

wirtschaftliche Jugendhilfe zusteht.<br />

Außer<strong>de</strong>m will <strong>de</strong>r Freistaat künftig die<br />

Tagespflege för<strong>de</strong>rn, auch wenn diese<br />

Plätze nicht von <strong>de</strong>r Gemein<strong>de</strong>, son<strong>de</strong>rn<br />

vom Landkreis finanziell mitgetragen<br />

wer<strong>de</strong>n. Dies ist zu begrüßen, weil bisher<br />

einige Städte und Gemein<strong>de</strong>n für<br />

Tagespflegeplätze keine Bedarfsfestsetzung<br />

vorgesehen hatten und <strong>de</strong>r Landkreis<br />

Tagespflege alleine finanzieren<br />

musste.<br />

Ein weiteres Ziel <strong>de</strong>s Gesetzentwurfs ist<br />

<strong>de</strong>r Ausbau <strong>de</strong>r Großtagespflege. Bei<br />

dieser Betreuungsform schließen sich<br />

mehrere Tagespflegepersonen zusammen<br />

und können gleichzeitig bis zu<br />

zehn Kin<strong>de</strong>r in geeigneten Räumlichkeiten<br />

betreuen. Für diese Betreuungsform<br />

soll es künftig eine einrichtungsähnliche<br />

För<strong>de</strong>rung über die Gemein<strong>de</strong><br />

geben (Art. 20a <strong>BayKiBiG</strong>-Entwurf).<br />

Voraussetzung ist, dass min<strong>de</strong>stens eine<br />

Tagespflegeperson die Qualifikation ei-<br />

300 Der Bayerische Bürgermeister 9/2012


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ner pädagogischen Fachkraft aufweist.<br />

Die gemeindliche För<strong>de</strong>rung soll an <strong>de</strong>n<br />

„Träger <strong>de</strong>r Großtagespflege“ erfolgen,<br />

wobei unterschiedliche Trägerschaften<br />

möglich sind.<br />

Min<strong>de</strong>stbuchungszeiten<br />

Der Ausbau <strong>de</strong>r schulischen Ganztagsangebote<br />

führt nun endlich auch zu<br />

einer flexibleren Handhabung bei <strong>de</strong>n<br />

Min<strong>de</strong>stbuchungszeiten, so wie es Städtetag<br />

und Gemein<strong>de</strong>tag bereits im Gesetzgebungsverfahren<br />

vor sieben Jahren<br />

gefor<strong>de</strong>rt hatten. So sollen künftig bei<br />

<strong>de</strong>r Feststellung <strong>de</strong>r Min<strong>de</strong>stbuchungszeiten<br />

in Kitas o<strong>de</strong>r in <strong>de</strong>r Tagespflege<br />

auch die Zeiten in schulischen Einrichtungen<br />

zusammengerechnet wer<strong>de</strong>n,<br />

wobei die Berechnung <strong>de</strong>r kindbezogenen<br />

För<strong>de</strong>rung nur auf Grundlage <strong>de</strong>r<br />

jeweiligen Buchungszeit in <strong>de</strong>r Kita<br />

o<strong>de</strong>r bei <strong>de</strong>r Tagespflegeperson erfolgt<br />

(Art. 2 Abs. 5 <strong>BayKiBiG</strong>-Entwurf). Damit<br />

kann die Zusammenarbeit zwischen<br />

Schule und Kita <strong>de</strong>utlich verbessert<br />

wer<strong>de</strong>n und <strong>de</strong>n Kommunen stehen<br />

breitere Handlungsspielräume offen.<br />

Datenschutz<br />

Als eine beson<strong>de</strong>re Schwierigkeit beim<br />

Abrechnungsverfahren gera<strong>de</strong> von Kin<strong>de</strong>rn<br />

in auswärtigen Einrichtungen haben<br />

sich die überaus engen Auslegungen<br />

<strong>de</strong>s Sozialdatenschutzes erwiesen.<br />

Die Aufenthaltsgemein<strong>de</strong> wusste bisher<br />

nicht, für welche Kin<strong>de</strong>r sie einen kindbezogenen<br />

För<strong>de</strong>ranteil zu entrichten<br />

hatte. So war eine Überprüfung <strong>de</strong>r gemel<strong>de</strong>ten<br />

Kin<strong>de</strong>rzahl so gut wie nicht<br />

möglich. Ab kommen<strong>de</strong>n September<br />

sollen die Gemein<strong>de</strong>n ein Einsichtsrecht<br />

in die von <strong>de</strong>n Trägern erhobenen und<br />

gespeicherten Daten erhalten, soweit<br />

dies zur Erfüllung <strong>de</strong>r Aufgaben <strong>de</strong>s<br />

Gesetzes notwendig ist (Art. 26a Abs. 2<br />

Satz 2 <strong>BayKiBiG</strong>-Entwurf). Damit wird<br />

eine langjährige For<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>r Kommunen<br />

erfüllt.<br />

Sonstige Än<strong>de</strong>rungen<br />

Darüber hinaus gibt es zahlreiche weitere<br />

Än<strong>de</strong>rungen im vorgelegten Gesetzentwurf.<br />

So wird die Teilhabe von Kin<strong>de</strong>rn<br />

mit Behin<strong>de</strong>rung am allgemeinen<br />

Bildungssystem <strong>de</strong>r Kitas noch stärker<br />

betont als bisher, um damit <strong>de</strong>m Inklusionsgedanken<br />

Rechnung zu tragen<br />

(Art. 6 Abs. 1 Satz 2, Art. 7 Satz 2,<br />

Art. 12, Art. 21 Abs. 5 <strong>BayKiBiG</strong>-Entwurf);<br />

allerdings allesamt ohne Anerkennung<br />

von konnexitätsrechtlichen<br />

Kostenfolgen.<br />

Art. 9a <strong>BayKiBiG</strong>-Entwurf greift die im<br />

SGB VIII formulierten Bestimmungen<br />

zum Kin<strong>de</strong>rschutz auf.<br />

Künftig haben alle Träger von Kitas unter<br />

<strong>de</strong>n vorgegebenen Voraussetzungen<br />

einen kindbezogenen För<strong>de</strong>ranspruch<br />

gegenüber <strong>de</strong>r Aufenthaltsgemein<strong>de</strong>,<br />

also auch kommunale Einrichtungsträger<br />

(Art. 18 Abs. 1 Satz 1 <strong>BayKiBiG</strong>-Entwurf).<br />

Dies wur<strong>de</strong> schon bisher in <strong>de</strong>r<br />

Regel so vollzogen und dient damit <strong>de</strong>r<br />

Klarstellung.<br />

Bei <strong>de</strong>n För<strong>de</strong>rvoraussetzungen wur<strong>de</strong><br />

auf Drängen <strong>de</strong>r kommunalen Spitzenverbän<strong>de</strong><br />

nunmehr bestimmt, dass die<br />

Einrichtungsträger binnen drei Monaten<br />

nach Aufnahme von ortsfrem<strong>de</strong>n<br />

Kin<strong>de</strong>rn die abgeben<strong>de</strong>n Aufenthaltsgemein<strong>de</strong>n<br />

darüber zu informieren haben<br />

(Art. 19 Nr. 7 <strong>BayKiBiG</strong>-Entwurf).<br />

Vollen<strong>de</strong>t ein Kind außerhalb einer<br />

Krippe sein drittes Lebensjahr und för<strong>de</strong>rt<br />

die Gemein<strong>de</strong> dieses bis zum En<strong>de</strong><br />

<strong>de</strong>s Kita-Jahres mit <strong>de</strong>m Faktor 2,0, so<br />

för<strong>de</strong>rt auch <strong>de</strong>r Freistaat dieses Kind in<br />

gleicher Höhe. Diese bisher schon praktizierte<br />

Vorgehensweise soll nun gesetzlich<br />

geregelt wer<strong>de</strong>n (Art. 21 Abs. 5<br />

Satz 6 <strong>BayKiBiG</strong>-Entwurf).<br />

Fazit<br />

Der vorgelegte Gesetzentwurf beinhaltet<br />

eine Reihe gravieren<strong>de</strong>r Än<strong>de</strong>rungen.<br />

Aus Sicht <strong>de</strong>r Kommunen sind<br />

zahlreiche Än<strong>de</strong>rungen von Be<strong>de</strong>utung.<br />

Thema <strong>de</strong>s Monats<br />

Der Wegfall <strong>de</strong>r Gastkin<strong>de</strong>rregelung ist<br />

sicherlich aus Sicht <strong>de</strong>r kleineren Städte<br />

und Gemein<strong>de</strong>n ein herber Rückschlag.<br />

Was nützt aber eine Bestimmung, die<br />

gegen das Bun<strong>de</strong>srecht verstößt und<br />

von <strong>de</strong>n Gerichten längst als nichtig angesehen<br />

wird? Die Neuregelung wird<br />

zu einer erheblichen verwaltungsmäßigen<br />

Entlastung in <strong>de</strong>n Rathäusern führen.<br />

Der Wegfall <strong>de</strong>r Anerkennung <strong>de</strong>r<br />

Bedarfsnotwendigkeit gegenüber <strong>de</strong>n<br />

Trägern wird ebenfalls tausen<strong>de</strong> von<br />

Verwaltungsakten überflüssig machen.<br />

Je<strong>de</strong> Gemein<strong>de</strong> zahlt für ihre Kin<strong>de</strong>r. So<br />

kann man kurz und bündig die neue<br />

Regelung formulieren. Problematischer<br />

kann dadurch die Einhaltung <strong>de</strong>s<br />

Rechtsanspruchs wer<strong>de</strong>n, wenn ein<br />

Träger die Plätze verstärkt durch auswärtige<br />

Kin<strong>de</strong>r belegen sollte.<br />

Mit <strong>de</strong>r Verbesserung <strong>de</strong>r Landkin<strong>de</strong>rgartenregelung<br />

soll wenigstens <strong>de</strong>n<br />

kleineren Gemein<strong>de</strong>n etwas geholfen<br />

wer<strong>de</strong>n. Den Kin<strong>de</strong>rschwund aufgrund<br />

<strong>de</strong>s Geburtenrückgangs in diesen Orten<br />

wird allerdings auch diese neue Bestimmung<br />

nicht aufhalten.<br />

Die Verbesserung <strong>de</strong>s Anstellungsschlüssels<br />

in einer Zeit, in <strong>de</strong>r die Kita-<br />

Träger gleichzeitig bei leergefegtem Arbeitsmarkt<br />

hän<strong>de</strong>ringend Erzieher/innen<br />

suchen, um <strong>de</strong>n Rechtsanspruch<br />

auf einen Kita-Platz für Kin<strong>de</strong>r ab <strong>de</strong>m<br />

vollen<strong>de</strong>ten ersten Lebensjahr erfüllen<br />

zu können, kommt zur Unzeit, unabhängig<br />

davon, wer die zusätzlichen<br />

Kosten hierfür übernimmt.<br />

Und die beabsichtigte Einführung eines<br />

beitragsfreien letzten Kin<strong>de</strong>rgartenjahres<br />

ist <strong>de</strong>m beginnen<strong>de</strong>n Wahlkampf<br />

geschul<strong>de</strong>t und sollte auch unter diesem<br />

Gesichtspunkt betrachtet wer<strong>de</strong>n.<br />

Die politische Debatte über <strong>de</strong>n vorgelegten<br />

Gesetzentwurf im Bayerischen<br />

Landtag wird sicherlich noch die eine<br />

o<strong>de</strong>r an<strong>de</strong>re Überraschung bringen. Das<br />

Wahljahr 2013 wirft seine Schatten voraus.<br />

Der Bayerische Bürgermeister 9/2012<br />

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Thema <strong>de</strong>s Monats<br />

Kein großer Schritt hinsichtlich <strong>de</strong>r<br />

Qualitätsverbesserung<br />

Prälat Bernhard Piendl, Lan<strong>de</strong>s-Caritasdirektor, München<br />

Die Novellierung <strong>de</strong>s <strong>BayKiBiG</strong> ist mit<br />

hohen Erwartungen verbun<strong>de</strong>n. Um<br />

<strong>de</strong>n neuen Herausfor<strong>de</strong>rungen zu<br />

begegnen, die auf die Einrichtungen<br />

zukommen, braucht es <strong>de</strong>utliche Verbesserungen.<br />

Dies gelingt allenfalls<br />

ansatzweise.<br />

Ein kurzer Blick zurück<br />

Um Entwicklungen bewerten zu<br />

können, ist oft ein kurzer Blick<br />

in die Historie hilfreich. Am<br />

1. August 2005 wur<strong>de</strong> mit <strong>de</strong>r Einführung<br />

<strong>de</strong>s „Bayerischen Gesetzes zur Bildung,<br />

Erziehung und Betreuung von<br />

Kin<strong>de</strong>rn in Kin<strong>de</strong>rgärten, an<strong>de</strong>ren Kin<strong>de</strong>rtageseinrichtungen<br />

und in Tagespflege<br />

(<strong>BayKiBiG</strong>)“ ein neues Kapitel in<br />

<strong>de</strong>r bayerischen Kin<strong>de</strong>rgartengeschichte<br />

aufgeschlagen. Vor allem die Finanzierung<br />

wur<strong>de</strong> auf völlig neue Beine gestellt.<br />

Als Grundlage dafür diente nun<br />

nicht mehr <strong>de</strong>r Aufwand im Bereich <strong>de</strong>r<br />

Personal- und Sachkosten, son<strong>de</strong>rn die<br />

Anzahl und die Buchungszeit <strong>de</strong>r Kin<strong>de</strong>r.<br />

Niemand wird heute ernsthaft die<br />

Rückkehr zur alten Systematik for<strong>de</strong>rn.<br />

Allerdings stellt sich die Frage, ob die<br />

damalige Umstellung <strong>de</strong>m damit verbun<strong>de</strong>nen<br />

Anspruch einer Qualitätsverbesserung<br />

gerecht wur<strong>de</strong>. Der Verwaltungsaufwand,<br />

<strong>de</strong>r immer auch zu Lasten<br />

<strong>de</strong>r pädagogischen Arbeit geht,<br />

wur<strong>de</strong> nicht geringer. Viele klagen vielmehr<br />

über eine gegenteilige Entwicklung.<br />

Nicht gera<strong>de</strong> för<strong>de</strong>rlich ist zu<strong>de</strong>m<br />

die Tatsache, dass die Verträge für das<br />

Personal flexibel und häufig befristet<br />

gestaltet wer<strong>de</strong>n müssen. Die Mitarbeiten<strong>de</strong>n<br />

müssen ständig mit einer Verkürzung<br />

o<strong>de</strong>r Verlängerung <strong>de</strong>r Arbeitszeit<br />

rechnen. Einer verlässlichen<br />

Erwerbsbiographie ist dies höchst abträglich<br />

und kann sehr <strong>de</strong>motivieren.<br />

Zur Attraktivität <strong>de</strong>s Erzieherberufes –<br />

und das gera<strong>de</strong> auch im Blick auf junge<br />

Männer – trägt dies nun wirklich nicht<br />

bei. Diese Aspekte gehen in <strong>de</strong>r Debatte<br />

um <strong>de</strong>n viel beschworenen Qualitätssprung<br />

durch die Einführung <strong>de</strong>s<br />

<strong>BayKiBiG</strong> gerne unter. Deshalb ist es<br />

notwendig, sie immer wie<strong>de</strong>r einmal<br />

ins Bewusstsein zu rufen, auch wenn<br />

die insgesamt gute Entwicklung nicht<br />

zu bestreiten ist.<br />

Wirtschaftlichkeit<br />

versus Qualität<br />

Positiv zu vermerken ist, dass sich in<br />

<strong>de</strong>n letzten Jahren die Relation zwischen<br />

Personal und Kind schrittweise<br />

verbessert hat. Dies kommt ohne Zweifel<br />

<strong>de</strong>r Qualität zugute. Ein Kernproblem<br />

bleibt allerdings bestehen. Das<br />

neue <strong>BayKiBiG</strong> ist mit <strong>de</strong>m Anspruch<br />

angetreten, sowohl die Qualität als auch<br />

Wirtschaftlichkeit und Marktorientierung<br />

zu verbessern. Faktisch steht jedoch<br />

bei<strong>de</strong>s in Konkurrenz zueinan<strong>de</strong>r.<br />

Für die Relation zwischen Personal und<br />

Kind ist ein Korridor vorgegeben, <strong>de</strong>r<br />

<strong>de</strong>rzeit nach unten mit <strong>de</strong>m Schlüssel<br />

1:11,5 begrenzt ist und im I<strong>de</strong>alfall sich<br />

nach oben möglichst an <strong>de</strong>n Schlüssel<br />

1:10 heran bewegen sollte. Letztlich<br />

steht <strong>de</strong>r Träger vor einer problematischen<br />

Abwägung: ein schlechterer<br />

Schlüssel be<strong>de</strong>utet weniger Personalaufwand,<br />

also geringere Kosten. Dementsprechend<br />

verbessert sich das wirtschaftliche<br />

Ergebnis. Dagegen führt ein<br />

besserer Schlüssel, <strong>de</strong>r ja die Basis für<br />

eine bessere Qualität bil<strong>de</strong>t, zu einem<br />

schlechteren wirtschaftlichen Ergebnis.<br />

Man kann es drehen o<strong>de</strong>r wen<strong>de</strong>n wie<br />

man will: innerhalb eines bestimmten<br />

Korridors muss sich <strong>de</strong>r Träger entwe<strong>de</strong>r<br />

für mehr Qualität o<strong>de</strong>r für ein besseres<br />

wirtschaftliches Ergebnis entschei<strong>de</strong>n!<br />

An dieser Systematik än<strong>de</strong>rt auch<br />

die geplante Novellierung nichts. Ich<br />

appelliere hier dringend an die Bürgermeister<br />

und Räte, die Träger nicht über<br />

das Instrument <strong>de</strong>r Betriebskosten<strong>de</strong>fizitvereinbarungen<br />

zur schlechteren<br />

Qualität zu zwingen, in<strong>de</strong>m um <strong>de</strong>s<br />

wirtschaftlichen Ergebnisses willen <strong>de</strong>r<br />

Anstellungsschlüssel nach unten gedrückt<br />

wer<strong>de</strong>n soll.<br />

Was schafft die<br />

Novellierung?<br />

Für <strong>de</strong>n Blick auf die geplante Novellierung<br />

<strong>de</strong>s <strong>BayKiBiG</strong> mit <strong>de</strong>r entsprechen<strong>de</strong>n<br />

Ausführungsverordnung<br />

scheint <strong>de</strong>r knappe Rückblick auf die<br />

Entstehung <strong>de</strong>s Gesetzes vor 7 Jahren<br />

sowie die bisherige Entwicklung sinnvoll<br />

und notwendig zu sein. Die entschei<strong>de</strong>n<strong>de</strong><br />

Frage lautet: bringt die Novellierung<br />

einen echten Qualitätsschub<br />

nach vorne? Hier sind echte Zweifel<br />

angebracht. Zunächst bringt die Novellierung<br />

eine <strong>de</strong>utliche finanzielle Entlastung<br />

für die Eltern im letzten Kin<strong>de</strong>rgartenjahr.<br />

Dafür wer<strong>de</strong>n vom Freistaat<br />

erhebliche Mittel aufgewen<strong>de</strong>t:<br />

60 Mio. € in <strong>de</strong>r ersten und 125 Mio. € in<br />

<strong>de</strong>r zweiten Stufe. Die Hoffnung war,<br />

dass eine vergleichbare Summe auch in<br />

die Qualitätsverbesserung in <strong>de</strong>n Einrichtungen<br />

selber fließt. Diese fällt<br />

nach einer vorläufigen Berechnung mit<br />

33 Mio. € jedoch <strong>de</strong>utlich geringer aus.<br />

Die Summe hört sich zunächst durchaus<br />

beträchtlich an. Verteilt auf sämtliche<br />

Einrichtungen kommt jedoch bei<br />

<strong>de</strong>r einzelnen Einrichtung nicht mehr<br />

viel an. Wenn ein Träger durch <strong>de</strong>n sog.<br />

„Basiswert plus“, <strong>de</strong>n nur <strong>de</strong>r Staat,<br />

nicht jedoch die Kommune erbringt, pro<br />

Jahr z. B. 3.000–4.000 € mehr Einnahmen<br />

erzielt, kann er die für eine gute pädagogische<br />

Arbeit erfor<strong>de</strong>rliche bessere<br />

Personalausstattung allenfalls in einem<br />

sehr geringen Umfang vornehmen<br />

(wenn er nicht gar <strong>de</strong>r Versuchung erliegt,<br />

diesen Zusatzbetrag zur Verbesserung<br />

seines wirtschaftlichen Ergebnis-<br />

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ses und nicht <strong>de</strong>r pädagogischen Qualität<br />

zu verwen<strong>de</strong>n).<br />

Dass <strong>de</strong>r Min<strong>de</strong>stschlüssel durch die<br />

Ausführungsverordnung auf 1:11 angehoben<br />

wird, ist selbstverständlich zu<br />

begrüßen. Diejenigen, die <strong>de</strong>n bisherigen<br />

Schlüssel bis ganz nach unten ausgereizt<br />

haben, wer<strong>de</strong>n zu einer Verbesserung<br />

gezwungen. Ein echter und<br />

spürbarer Qualitätsschub in <strong>de</strong>r gesamten<br />

Breite <strong>de</strong>r Einrichtungen in Bayern<br />

ist jedoch dadurch nicht zu erreichen.<br />

Und das ist scha<strong>de</strong>.<br />

Neuen Herausfor<strong>de</strong>rungen<br />

begegnen<br />

Eine Verbesserung <strong>de</strong>r Bedingungen zugunsten<br />

einer Steigerung <strong>de</strong>r Qualität<br />

ist dringend erfor<strong>de</strong>rlich. Das hat nichts<br />

mit <strong>de</strong>n fachlichen und menschlichen<br />

Fähigkeiten <strong>de</strong>s Personals zu tun. Es<br />

Thema <strong>de</strong>s Monats<br />

liegt vielmehr an neuen Ansprüchen,<br />

die an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter<br />

herangetragen wer<strong>de</strong>n. So fragen<br />

Eltern zunehmend in ihrer eigenen familiären<br />

Erziehungsarbeit die Fachlichkeit<br />

<strong>de</strong>s Personals nach. Dies ist ein eindrucksvoller<br />

Beleg für das gute Miteinan<strong>de</strong>r<br />

zwischen Einrichtung und<br />

Personal. Und es kommt damit <strong>de</strong>ren<br />

Selbstverständnis als familienunterstützen<strong>de</strong>r<br />

Dienst sehr gut zum Ausdruck.<br />

Diese Art <strong>de</strong>r Familienorientierung<br />

braucht angemessene zeitliche Spielräume.<br />

Diese sind jedoch faktisch kaum gegeben<br />

und die geplante Novellierung<br />

lässt hier lei<strong>de</strong>r keine Verbesserung erwarten.<br />

Des Weiteren erfor<strong>de</strong>rt die pädagogische<br />

Arbeit mit Kin<strong>de</strong>rn unter<br />

3 Jahren o<strong>de</strong>r mit behin<strong>de</strong>rten Kin<strong>de</strong>rn<br />

eine ständige Weiterqualifizierung.<br />

Auch dafür sind die zeitlichen Möglichkeiten<br />

sehr begrenzt. Und schließlich<br />

nimmt die Zahl von Kin<strong>de</strong>rn mit gewissen<br />

Auffälligkeiten, die eine beson<strong>de</strong>re<br />

und intensivere Zuwendung brauchen,<br />

ten<strong>de</strong>nziell zu.<br />

Genau dies aber war die Erwartung an<br />

die Novellierung, nämlich in diesen<br />

(und natürlich noch weiteren) Bereichen<br />

eine <strong>de</strong>utliche Verbesserung <strong>de</strong>r<br />

Qualität zu ermöglichen. Wenn ich von<br />

Qualität spreche, dann ist dies kein leerer<br />

Begriff, son<strong>de</strong>rn mit konkreten Inhalten<br />

hinterlegt, wie dies im vorausgehen<strong>de</strong>n<br />

Abschnitt dargelegt wur<strong>de</strong>. Das<br />

Rad <strong>de</strong>r Geschichte dreht sich weiter.<br />

Neue Anfor<strong>de</strong>rungen wer<strong>de</strong>n an Träger,<br />

Einrichtung und Personal herangetragen.<br />

Diesen muss angemessen begegnet<br />

wer<strong>de</strong>n. Das sollte in einer Novellierung<br />

möglich gemacht wer<strong>de</strong>n. Eine<br />

gewisse Bewegung in diese Richtung ist<br />

zu erkennen. Im Grun<strong>de</strong> aber wird<br />

nicht recht viel mehr erreicht als <strong>de</strong>n<br />

bisherigen Status zu halten. Das ist<br />

nicht viel genug.<br />

Verlässliche Planungsgrundlagen erfor<strong>de</strong>rlich<br />

Pia Theresia Franke, Geschäftsführerin, Verband kath. Kin<strong>de</strong>rtageseinrichtungen Bayern e.V.,<br />

München<br />

Aktuelle und künftige gesellschaftliche<br />

Verän<strong>de</strong>rungen stellen Träger<br />

und Kin<strong>de</strong>rtageseinrichtungen vor<br />

große Herausfor<strong>de</strong>rungen. Um entsprechend<br />

qualitätsvoll und angemessen<br />

reagieren zu können, benötigen<br />

Träger verlässliche personelle<br />

und finanzielle Planungsgrundlagen.<br />

Mit <strong>de</strong>r Einführung <strong>de</strong>s<br />

Bayerischen Kin<strong>de</strong>rbildungsund<br />

-betreuungsgesetzes<br />

(<strong>BayKiBiG</strong>) im Jahre 2005 wur<strong>de</strong> die<br />

För<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>r Kin<strong>de</strong>rtageseinrichtungen<br />

grundlegend geän<strong>de</strong>rt – die Personalkostenför<strong>de</strong>rung<br />

wur<strong>de</strong> zugunsten<br />

einer kindbezogenen För<strong>de</strong>rung einund<br />

umgestellt. Basiswert, Buchungszeiten<br />

und Gewichtungsfaktoren bestimmten<br />

von nun an das Abrechnungsverfahren.<br />

Seit <strong>de</strong>r Einführung <strong>de</strong>s Gesetzes<br />

und <strong>de</strong>r Implementierung <strong>de</strong>s<br />

Bayerischen Bildungs- und Erziehungsplanes<br />

(BayBEP), so zeigen es die Erfahrungen,<br />

wer<strong>de</strong>n an die Träger und Einrichtungen<br />

sowie an das pädagogische<br />

Fachpersonal ständig höhere Anfor<strong>de</strong>rungen<br />

gestellt und ihnen neue Aufgaben<br />

zugewiesen; dies hat die Beteiligten<br />

vor immer neue und zusätzliche<br />

Herausfor<strong>de</strong>rungen gestellt. Daher ist<br />

die Frage gestattet: Ist eine nur kindbezogene<br />

För<strong>de</strong>rung ausreichend, um die<br />

Rahmenbedingungen von Kin<strong>de</strong>rtageseinrichtungen,<br />

adäquat und an aktuellen<br />

und künftigen Herausfor<strong>de</strong>rungen<br />

orientiert, entsprechend realistisch zu<br />

finanzieren?<br />

Zeigen doch die Erfahrungen, dass<br />

durch die Systematik <strong>de</strong>r kindbezogenen<br />

För<strong>de</strong>rung eine notwendige strukturelle<br />

Qualitätsvorgabe nicht ausreichend<br />

gesichert ist. Die ausschließlich<br />

kindbezogene För<strong>de</strong>rung – nur jeweils<br />

angepasst auf <strong>de</strong>r Grundlage <strong>de</strong>r Tarifsteigerungen<br />

– wird <strong>de</strong>n ständig steigen<strong>de</strong>n<br />

Anfor<strong>de</strong>rungen, die an die Einrichtungen<br />

gestellt wer<strong>de</strong>n, nicht in<br />

ausreichen<strong>de</strong>m Maße gerecht. Es besteht<br />

Handlungsbedarf; <strong>de</strong>nn die Qualität<br />

in <strong>de</strong>r Bildung, Erziehung und Betreuung<br />

ist nicht nur Angelegenheit <strong>de</strong>r<br />

pädagogischen Fachkräfte in <strong>de</strong>n Kin<strong>de</strong>rtageseinrichtungen.<br />

Sie ist wesentliche<br />

Aufgabe von politischen Entscheidungsträgern,<br />

tragen sie doch eine<br />

beson<strong>de</strong>re Verantwortung: Sie entschei<strong>de</strong>n<br />

durch Gesetze und Verordnungen<br />

über die Rahmenbedingungen, in <strong>de</strong>nen<br />

Träger und Fachkräfte Qualität umsetzen<br />

können. Und sie entschei<strong>de</strong>n<br />

über die Prioritäten, die Politik setzt.<br />

Derzeit steht zu befürchten, dass sich<br />

die Schere zwischen steigen<strong>de</strong>n Anfor<strong>de</strong>rungen<br />

und <strong>de</strong>r (finanziellen) Ausstattung<br />

weiter öffnet – zu Lasten <strong>de</strong>r<br />

Qualität in <strong>de</strong>r Bildung, Erziehung und<br />

Betreuung und damit zu Lasten <strong>de</strong>r<br />

Der Bayerische Bürgermeister 9/2012<br />

303


2060_DBB_09_2012_g_PDF 29.08.2012 14:19 Uhr Seite 304<br />

Thema <strong>de</strong>s Monats<br />

Kin<strong>de</strong>r und ihrer Familien. Mahnen<br />

doch auch die Befun<strong>de</strong> <strong>de</strong>r jüngst veröffentlichten<br />

Nubbek Studie dringend<br />

Verbesserungspotentiale an.<br />

Daher sind verlässliche Planungsgrundlagen<br />

für Träger und <strong>de</strong>ren Einrichtungen<br />

in personeller und finanzieller<br />

Hinsicht dringend geboten. Grundsätzlich<br />

sei hier angemerkt, eine<br />

finanzielle Absicherung im Sinne einer<br />

verlässlichen Planung muss unabhängig<br />

von <strong>de</strong>r Größe <strong>de</strong>r Einrichtung und<br />

unabhängig vom konzeptionellen<br />

Schwerpunkt (Aufnahme von Kin<strong>de</strong>rn<br />

mit beson<strong>de</strong>ren Bedürfnissen, Kin<strong>de</strong>r<br />

unter drei Jahren etc.) gewährleistet<br />

sein. Anhand nachfolgen<strong>de</strong>r Problemanzeigen<br />

soll dies exemplarisch dargestellt<br />

wer<strong>de</strong>n.<br />

Personelle<br />

Planungssicherheit –<br />

konkret<br />

Seit <strong>de</strong>r Einführung <strong>de</strong>r kindbezogenen<br />

För<strong>de</strong>rung nimmt <strong>de</strong>r Anteil an Teilzeitbeschäftigung<br />

im Bereich <strong>de</strong>r Kin<strong>de</strong>rtageseinrichtungen<br />

zu. War die Teilzeitbeschäftigung<br />

noch vor <strong>de</strong>r Einführung<br />

<strong>de</strong>s <strong>BayKiBiG</strong> die Ausnahme, wird es<br />

nun die Regel. Das macht <strong>de</strong>n Beruf <strong>de</strong>r<br />

Erzieherin und <strong>de</strong>s Erziehers nicht gera<strong>de</strong><br />

attraktiv. Die Zunahme von Teilzeitbeschäftigungen<br />

exponiert sich bei Trägern,<br />

bei <strong>de</strong>nen keine Betriebskostenvereinbarung<br />

mit Kommunen vorliegt.<br />

Die Frage <strong>de</strong>r Qualität – auch eine Frage<br />

<strong>de</strong>r Finanzierung. Die Situationen vor<br />

Ort zeigen, dass Träger auf kurzfristige<br />

Schwankungen in <strong>de</strong>r Belegung reagieren<br />

müssen – keine einfache Angelegenheit<br />

in Zeiten eines bayernweiten Fachkräftemangels.<br />

Die Planungen <strong>de</strong>s<br />

Freistaates in einen<br />

verbesserten Anstellungsschlüssel<br />

zu investieren<br />

weisen die richtige<br />

Richtung, doch…<br />

erachten die katholischen Träger und<br />

Entscheidungsträger die vorgesehene<br />

Anhebung von <strong>de</strong>rzeit 1:11,5 auf 1:11,0<br />

als nicht ausreichend und for<strong>de</strong>rn<br />

aus fachlichen und wissenschaftlichen<br />

Grün<strong>de</strong>n seit langem eine Verbesserung<br />

auf 1:10,0. Dies empfiehlt <strong>de</strong>r Gesetzgeber<br />

übrigens bereits jetzt in <strong>de</strong>r<br />

bestehen<strong>de</strong>n Ausführungsverordnung<br />

(AV<strong>BayKiBiG</strong>), schon um die Kin<strong>de</strong>rtageseinrichtung<br />

als Bildungseinrichtung<br />

abzusichern. Eine am Schlüssel 1:10,0<br />

ausgerichtete Personalpolitik gibt <strong>de</strong>m<br />

Träger wichtige Freiräume, zum Beispiel<br />

um während <strong>de</strong>s Kin<strong>de</strong>rgartenjahres<br />

weitere Kin<strong>de</strong>r aufzunehmen o<strong>de</strong>r<br />

um <strong>de</strong>m pädagogischen Personal Verfügungszeiten<br />

zu gewähren, die es für die<br />

Begleitung und Dokumentation <strong>de</strong>r Bildungs-<br />

und Lernprozesse <strong>de</strong>r Kin<strong>de</strong>r<br />

benötigt. Die For<strong>de</strong>rung nach mehr Personal<br />

ist zwingend mit Überlegungen<br />

zur Personalgewinnung verbun<strong>de</strong>n; bedarf<br />

es doch strategischer Überlegungen<br />

und nicht I<strong>de</strong>en, die aus einem<br />

Mangel heraus formuliert wer<strong>de</strong>n. Erinnert<br />

sei hier beispielsweise an Vorschläge,<br />

ungelernte Kräfte in Kin<strong>de</strong>rtageseinrichtungen<br />

einzusetzen o<strong>de</strong>r<br />

Kräfte in Schnellkursen zu qualifizieren.<br />

Dies steht im eklatanten Wi<strong>de</strong>rspruch<br />

zur For<strong>de</strong>rung „Die Besten für<br />

die Jüngsten“; bedarf es doch gera<strong>de</strong> für<br />

die jüngeren Kin<strong>de</strong>r in dieser sensiblen<br />

Lebensphase beson<strong>de</strong>rs geschulter<br />

Fachkräfte und verlässlicher Bezugspersonen.<br />

Doch dazu benötigen Träger<br />

sowohl eine ausreichend gesicherte Personalpolitik<br />

als auch Optionen von<br />

Übergangsregelungen.<br />

Ergänzend sei hier angemerkt, dass <strong>de</strong>r<br />

Anstellungsschlüssel lediglich eine<br />

rechnerische Größe darstellt und keine<br />

<strong>de</strong>finitive Fachkraft-Kind-Relation („eine<br />

Kraft auf 11 Kin<strong>de</strong>r“) wie<strong>de</strong>rgibt;<br />

<strong>de</strong>nn es wer<strong>de</strong>n alle Tätigkeiten außerhalb<br />

<strong>de</strong>r Gruppe („Verfügungszeiten“)<br />

bei <strong>de</strong>r Berechnung <strong>de</strong>s Anstellungsschlüssels<br />

nicht geson<strong>de</strong>rt ausgewiesen<br />

(vgl. Iska, 2004).<br />

Finanzielle<br />

Planungssicherheit –<br />

konkret<br />

Eine Absenkung <strong>de</strong>s Anstellungsschlüssels<br />

zur Qualitätssteigerung muss jedoch<br />

zwingend mit einer Erhöhung <strong>de</strong>s<br />

Basiswertes verbun<strong>de</strong>n sein. Die angestrebte<br />

Verbesserung <strong>de</strong>r Qualität ist<br />

<strong>de</strong>utlich unterfinanziert, da die veranschlagten<br />

Mehrkosten als Berechnungsgrundlage<br />

offenbar nur diejenigen Einrichtungen<br />

berücksichtigen, die <strong>de</strong>n<br />

verbesserten Anstellungsschlüssel von<br />

1:11,0 noch nicht aufweisen. Welche<br />

Schlussfolgerungen lassen sich aus diesem<br />

Berechnungsmo<strong>de</strong>ll ziehen? Träger,<br />

die sich um höhere Qualität bemüht<br />

haben und jetzt schon einen besseren<br />

Anstellungsschlüssel zugrun<strong>de</strong>legen,<br />

finanzieren diesen aus einer höheren<br />

Beteiligung, höheren Elternbeiträgen<br />

und/o<strong>de</strong>r höheren Betriebskostenzuschüssen<br />

<strong>de</strong>r Kommunen. Da jedoch<br />

diese Träger gera<strong>de</strong> nicht als Maßstab<br />

für die Neuberechnung <strong>de</strong>s Basiswertes<br />

herangezogen wer<strong>de</strong>n, son<strong>de</strong>rn ausschließlich<br />

die Träger, die diesen Schlüssel<br />

noch nicht erreicht haben, wird aufgrund<br />

<strong>de</strong>s Einsatzes eigener Mittel <strong>de</strong>r<br />

Träger und <strong>de</strong>r Kommunen zur Qualitätssteigerung<br />

nun <strong>de</strong>r Basiswert nur<br />

ungenügend angehoben. Der zusätzliche<br />

Aufwand engagierter Träger und<br />

Kommunen führt damit zu negativen<br />

Konsequenzen, was nicht gutgeheißen<br />

wer<strong>de</strong>n kann. Damit kann eine adäquate<br />

Finanzierung für Einrichtungen, die<br />

<strong>de</strong>n Anstellungsschlüssel von 1:11,0<br />

nicht erreicht haben, nicht sichergestellt<br />

wer<strong>de</strong>n. Den Berechnungen für eine<br />

ausreichen<strong>de</strong> Finanzierung zufolge,<br />

wären mehr als 80 Mio. € erfor<strong>de</strong>rlich.<br />

Der maximale Ausgleichsbetrag von<br />

33 Mio. € ist somit unterfinanziert. Bereits<br />

bei <strong>de</strong>r Verbesserung <strong>de</strong>s Anstellungsschlüssels<br />

von 1:12,5 auf 1:11,5 im<br />

Jahre 2008 wur<strong>de</strong> eine Erhöhung <strong>de</strong>s<br />

Basiswertes von 8 % von Seiten <strong>de</strong>r Träger<br />

als erfor<strong>de</strong>rlich betrachtet, um <strong>de</strong>n<br />

Mehraufwand angemessen kompensieren<br />

zu können; erzielt wur<strong>de</strong> jedoch<br />

lediglich ein Ausgleich von 1,74 %<br />

(s. Newsletter Nr. 71 <strong>de</strong>s StMAS). Die<br />

höhere Belastung <strong>de</strong>r Träger musste z. T.<br />

auch durch höhere Beiträge ausgeglichen<br />

wer<strong>de</strong>n. Nicht nur eine Anhebung<br />

<strong>de</strong>s Basiswertes wäre dringend erfor<strong>de</strong>rlich,<br />

son<strong>de</strong>rn eine Neubewertung<br />

<strong>de</strong>r Faktoren, die in die Berechnung <strong>de</strong>s<br />

Basiswertes einfließen, wäre zur Min<strong>de</strong>rung<br />

finanziellen Risikos <strong>de</strong>r Träger zu<br />

for<strong>de</strong>rn. (Der Basiswert resultiert aus<br />

<strong>de</strong>n Umrechnungen <strong>de</strong>s zugrun<strong>de</strong>gelegten<br />

Volumens <strong>de</strong>r staatlichen Personalkostenför<strong>de</strong>rung<br />

aus <strong>de</strong>m Jahr<br />

2002/2003. Der Basiswert wur<strong>de</strong> entsprechend<br />

tariflicher Entwicklungen<br />

modifiziert.)<br />

304 Der Bayerische Bürgermeister 9/2012


2060_DBB_09_2012_g_PDF 29.08.2012 14:19 Uhr Seite 305<br />

Problemanzeige<br />

Gewichtungsfaktoren?<br />

Wenn Träger Kin<strong>de</strong>r mit Gewichtungsfaktoren,<br />

z. B. Kin<strong>de</strong>r mit Behin<strong>de</strong>rung,<br />

in die Einrichtung aufnehmen, steigt die<br />

finanzielle Belastung. Dies resultiert sowohl<br />

durch einen Ausfall <strong>de</strong>r Elternbeiträge<br />

als auch durch die Aufnahme von<br />

Kin<strong>de</strong>rn mit Gewichtungsfaktoren;<br />

<strong>de</strong>nn je mehr Kin<strong>de</strong>r mit Anspruch auf<br />

Gewichtungsfaktoren in <strong>de</strong>r Einrichtung<br />

betreut und je länger die Buchungszeiten<br />

wahrgenommen wer<strong>de</strong>n,<br />

<strong>de</strong>sto größer das finanzielle Risiko. Anhand<br />

einer Mo<strong>de</strong>llberechnung wird<br />

dies <strong>de</strong>utlich: So ergibt sich für ein Kind<br />

mit Behin<strong>de</strong>rung mit Gewichtungsfaktor<br />

4,5 bei einer Buchungszeit von<br />

4,5 Stun<strong>de</strong>n und einem Anstellungsschlüssel<br />

von 1:10,0 ein Verlust von<br />

5.664 €.<br />

Für katholische Einrichtungen sind<br />

Chancengerechtigkeit und die Möglichkeit<br />

zur Teilhabe für alle Kin<strong>de</strong>r wichtige<br />

Anliegen. Fachleute sprechen von Inklusion.<br />

Das neue Gesetz soll Inklusion<br />

beför<strong>de</strong>rn, doch fehlen die personellen<br />

und finanziellen Rahmenbedingungen.<br />

Rahmenbedingungen und Verwaltungsabläufe<br />

wären daher zu schaffen,<br />

um Inklusion zu ermöglichen, in<strong>de</strong>m<br />

z. B. nebeneinan<strong>de</strong>r vorhan<strong>de</strong>ne Gewichtungsfaktoren<br />

addiert wer<strong>de</strong>n und<br />

sich nicht ausschließen. Kin<strong>de</strong>r, Eltern<br />

und Träger stehen vor hohen bürokratischen<br />

Hür<strong>de</strong>n.<br />

Hinlänglich bekannt ist, dass sich die<br />

Qualität einer Einrichtung an zentralen<br />

Aspekten bemessen lässt: <strong>de</strong>m Fachkraft-Kind-Schlüssel,<br />

<strong>de</strong>r Gruppengröße<br />

und <strong>de</strong>r Qualifikation <strong>de</strong>s Personals.<br />

Definierte Finanzierungsstrukturen bestimmen<br />

sowohl die Quantität als auch<br />

die Qualität <strong>de</strong>r Angebote in Kin<strong>de</strong>rtageseinrichtungen.<br />

Daher wäre auch eine<br />

Ergänzung <strong>de</strong>r kindbezogenen För<strong>de</strong>rung<br />

mit qualitäts-, einrichtungs- o<strong>de</strong>r<br />

sog. standortbezogenen Komponenten<br />

dringend erfor<strong>de</strong>rlich, um einen bedarfsgerechten<br />

Ressourceneinsatz zu<br />

ermöglichen. Dies ist unter an<strong>de</strong>rem erfor<strong>de</strong>rlich<br />

für eine zunehmend notwendige<br />

Familienorientierung <strong>de</strong>r Kin<strong>de</strong>rtageseinrichtung<br />

o<strong>de</strong>r auch für eine<br />

Berücksichtigung <strong>de</strong>r Situation <strong>de</strong>r<br />

Landkin<strong>de</strong>rgärten. Auch wenn die Bertelsmannstiftung<br />

konstatiert, dass es<br />

das richtige Finanzierungssystem nicht<br />

gibt, so formuliert sie doch Bausteine<br />

und Voraussetzungen für ein wirksames<br />

Finanzierungskonzept, um <strong>de</strong>n<br />

Ressourcenbedarf ausreichend zu <strong>de</strong>cken.<br />

Bock-Fomula verweist in ihren<br />

Thema <strong>de</strong>s Monats<br />

Ausführungen auf einen Finanzierungsmodus,<br />

<strong>de</strong>r sich vom Bildungsund<br />

Betreuungsauftrag ableitet. (vgl.<br />

Bock-Fomula, K.: Neugestaltung eines<br />

Finanzierungssystems für Kin<strong>de</strong>rtageseinrichtungen.<br />

2012)<br />

Schlussbemerkung<br />

Eine Novellierung eines Gesetzes bietet<br />

immer auch die Möglichkeit einer Zäsur<br />

und damit die Chance einer kritischen<br />

Überprüfung <strong>de</strong>s entwickelten Systems.<br />

Ob jedoch eine grundsätzliche kritische<br />

Betrachtung auch die <strong>de</strong>s Finanzierungssystems<br />

umfasst o<strong>de</strong>r nur einzelne<br />

„Stellschrauben“ im Gesetz zur<br />

Diskussion stehen, ist eine zu treffen<strong>de</strong><br />

Entscheidung <strong>de</strong>r politisch Verantwortlichen.<br />

Kin<strong>de</strong>rtagesbetreuung ist eine<br />

gesamtgesellschaftliche Aufgabe und<br />

schließt immer auch die Qualität <strong>de</strong>r<br />

Bildung, Erziehung und Betreuung <strong>de</strong>r<br />

Kin<strong>de</strong>r in unseren Kin<strong>de</strong>rtageseinrichtungen<br />

mit ein. Die Frage <strong>de</strong>r Qualität –<br />

auch eine Frage <strong>de</strong>r Finanzierung. Deshalb<br />

benötigen Träger und ihre Einrichtungen<br />

verlässliche Planungsgrundlagen<br />

und erkennbare fachlich gebotene<br />

Nachbesserungen im <strong>BayKiBiG</strong>.<br />

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Eine Arbeitshilfe für die<br />

öffentliche Verwaltung<br />

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Der Bayerische Bürgermeister 9/2012<br />

305


2060_DBB_09_2012_g_PDF 29.08.2012 14:19 Uhr Seite 306<br />

Thema <strong>de</strong>s Monats<br />

Familienfreundliche Kommune:<br />

Kin<strong>de</strong>rtagesstätten leicht verwaltet!<br />

Werner Thierbach, Geschäftsfeld ServicePlus, AKDB, Augsburg und Andreas Huber,<br />

Presse- und Öffentlichkeitsarbeit, AKDB, München<br />

Eine verantwortungsbewusste Kommune kümmert sich in beson<strong>de</strong>rem Maße um<br />

junge Familien. Verschie<strong>de</strong>ne Instrumente können <strong>de</strong>ren Lebensumfeld verbessern.<br />

Mit zusätzlichen sozialen Einrichtungen wie zum Beispiel Kin<strong>de</strong>rbetreuungsstätten<br />

schaffen Städte und Gemein<strong>de</strong>n attraktive Bedingungen und erreichen so eine<br />

bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Gera<strong>de</strong> in Zeiten <strong>de</strong>s <strong>de</strong>mografischen<br />

Wan<strong>de</strong>ls ist die Versorgung <strong>de</strong>r Kin<strong>de</strong>r in unserer Gesellschaft von großer<br />

Be<strong>de</strong>utung, be<strong>de</strong>utet doch ein Wegzug junger Familien auch einen Verlust von<br />

Steuereinnahmen.<br />

Die Verwaltung von Kin<strong>de</strong>rtagestagesstätten ist eine anspruchsvolle und aufwändige<br />

Aufgabe. Mit a<strong>de</strong>bisKITA bietet die AKDB eine leistungsfähige und preisgünstige<br />

Lösung an, das die Leitungsebene und die Träger bei <strong>de</strong>r Bewältigung <strong>de</strong>r<br />

anfallen<strong>de</strong>n Aufgaben in einer Kin<strong>de</strong>rtagesstätte effektiv unterstützt. Eine <strong>de</strong>r<br />

Hauptanfor<strong>de</strong>rungen bei <strong>de</strong>r Entwicklung <strong>de</strong>s Verfahrens war eine einfach, sozusagen<br />

kin<strong>de</strong>rleicht zu bedienen<strong>de</strong> Oberfläche. Damit leistet die AKDB einen<br />

weiteren Beitrag, damit sich Einrichtungen noch mehr auf ihre Kernkompetenzen<br />

konzentrieren können. Das entspricht <strong>de</strong>m partnerschaftlichen Selbstverständnis<br />

<strong>de</strong>r AKDB.<br />

Gesetzliche Grundlage<br />

Die Software erfüllt dabei alle<br />

Anfor<strong>de</strong>rungen, die aus <strong>de</strong>m<br />

Kin<strong>de</strong>rbildungs- und Kin<strong>de</strong>rbetreuungsgesetz<br />

<strong>BayKiBiG</strong> resultieren.<br />

Es beinhaltet zum Beispiel die automatische<br />

Übergabe an das KIBIG.web und<br />

bietet eine übersichtliche Kontrolle<br />

durch dynamische Analyse mit Mo<strong>de</strong>llen<br />

und Bezirksför<strong>de</strong>rung.<br />

Das <strong>BayKiBiG</strong> war im August 2005 in<br />

Kraft getreten und hat sich inzwischen<br />

bewährt. Das Gesetz hat <strong>de</strong>n Ausbau<br />

<strong>de</strong>r Kin<strong>de</strong>rbetreuung in Bayern sowohl<br />

quantitativ als auch qualitativ erheblich<br />

geför<strong>de</strong>rt und die kindbezogene För<strong>de</strong>rung<br />

etabliert. Damit ist das <strong>BayKiBiG</strong><br />

eine gute Grundlage für weitere Verbesserungen<br />

in <strong>de</strong>r Kin<strong>de</strong>rbetreuung.<br />

a<strong>de</strong>bisKITA wur<strong>de</strong> ursprünglich für die<br />

katholische Kirche entwickelt und ist in<br />

Bayern bei etwa 2.500 katholischen Einrichtungen<br />

im Einsatz. Zusätzlich verwen<strong>de</strong>n<br />

auch zahlreiche nicht-katholische<br />

Träger, gemeinnützige Vereine, das<br />

Bayerische Rote Kreuz, die Arbeiterwohlfahrt<br />

sowie private Elterninitiativen<br />

und natürlich viele Kommunen<br />

a<strong>de</strong>bisKITA und wer<strong>de</strong>n dabei von <strong>de</strong>r<br />

AKDB betreut. a<strong>de</strong>bisKITA erleichtert<br />

als ein<strong>de</strong>utiger Marktführer also bei fast<br />

<strong>de</strong>r Hälfte <strong>de</strong>r insgesamt 8.500 bayerischen<br />

Einrichtungen die Verwaltung<br />

von Kin<strong>de</strong>rtagesstätten. Bei Gesetzeso<strong>de</strong>r<br />

Programmän<strong>de</strong>rungen versorgt<br />

die AKDB ihre Kun<strong>de</strong>n in unregelmäßigen<br />

Abstän<strong>de</strong>n mit Updates.<br />

Software-Schwerpunkte<br />

Mit einer effektiven KITA-Software<br />

sollte die gewissenhafte Erfassung und<br />

flexible Pflege <strong>de</strong>r kompletten kindbezogenen<br />

Daten sowie <strong>de</strong>r Daten <strong>de</strong>r Erziehungsberechtigten<br />

und weiterer Bezugspersonen<br />

möglich sein. Alle Daten<br />

zu einem Kind wer<strong>de</strong>n übersichtlich auf<br />

einen Blick angezeigt. Der integrierte<br />

Kalen<strong>de</strong>r unterstützt die Terminplanung<br />

für die einzelnen Mitarbeiter<br />

durch eine Tagesanzeige, eine Wochenansicht<br />

und einen Jahresplan. Das Modul<br />

Personalplanung stellt die gebuchten<br />

Betreuungszeiten <strong>de</strong>r Kin<strong>de</strong>r <strong>de</strong>n<br />

Arbeitszeiten <strong>de</strong>s Personals gegenüber.<br />

Durch Variieren <strong>de</strong>r Arbeitszeiten kann<br />

<strong>de</strong>r Anstellungsschlüssel beeinflusst<br />

wer<strong>de</strong>n, um <strong>de</strong>n optimalen wirtschaftlichen<br />

Personaleinsatz zu fin<strong>de</strong>n.<br />

Auch eine schnelle Suche und eine Auswertung<br />

in Listen zur Unterstützung<br />

<strong>de</strong>r Gruppenarbeit sind mit <strong>de</strong>r Software<br />

leicht durchzuführen. Die Abrechnung<br />

<strong>de</strong>r Elternbeiträge wie allgemeine<br />

Beiträge, Essensgeld o<strong>de</strong>r Spielgeld erfolgt<br />

per Lastschrift im Datenträgeraustausch-Verfahren<br />

o<strong>de</strong>r über Schnittstellen<br />

zum Finanzwesen. Ein Zahlungsverkehr-Modul<br />

ist in <strong>de</strong>r Software<br />

integriert. Mit a<strong>de</strong>bisKITA läuft die gesamte<br />

Korrespon<strong>de</strong>nz, also Serienbriefe,<br />

Mitteilungen o<strong>de</strong>r Einladungen über<br />

ein integriertes Reporting-Tool o<strong>de</strong>r<br />

über Microsoft Word.<br />

a<strong>de</strong>bisKITA verfügt über eine rollenbasierte<br />

Benutzerverwaltung. Mit dieser<br />

können bestimmten Personen o<strong>de</strong>r Personengruppen<br />

<strong>de</strong>finierte Berechtigungen<br />

zugewiesen wer<strong>de</strong>n, etwa differenziert<br />

nach Lesen, Än<strong>de</strong>rn, Neuanlegen,<br />

Löschen und Drucken. Auch beliebige<br />

Kombinationen von Berechtigungen<br />

sind möglich.<br />

Insgesamt vereinfacht die Anwendung<br />

einer geeigneten Software die Erledigung<br />

aller in einer Kin<strong>de</strong>rtagesstätte anfallen<strong>de</strong>n<br />

Aufgaben erheblich und trägt<br />

damit ihren Teil zu einer effizienten Verwaltungserleichterung<br />

bei.<br />

306 Der Bayerische Bürgermeister 9/2012


2060_DBB_09_2012_g_PDF 29.08.2012 14:19 Uhr Seite 307<br />

Son<strong>de</strong>rrubrik Energiewen<strong>de</strong><br />

Interkommunale Zusammenarbeit als<br />

Lösungsansatz?<br />

Relevante Erscheinungsformen in Bayern und vergaberechtliche Rahmenbedingungen<br />

Felix Siebler, Rechtsanwalt, SIBETH Partnerschaft Rechtsanwälte Steuerberater, München<br />

Die Kommunen sehen sich seit<br />

Jahren einer stetig wachsen<strong>de</strong>n<br />

Anzahl von Aufgaben gegenüber,<br />

für <strong>de</strong>ren Erfüllung sie verantwortlich<br />

sind. Nicht zuletzt darauf ist<br />

zurückzuführen, dass die öffentlichen<br />

Haushalte zunehmend belastet wer<strong>de</strong>n.<br />

Einzelne Kommunen sind <strong>de</strong>shalb mittlerweile<br />

an <strong>de</strong>r Grenze <strong>de</strong>r Leistungsfähigkeit.<br />

Während bisher in vielen Fällen<br />

die Zusammenarbeit mit <strong>de</strong>r Privatwirtschaft<br />

als vorzugswürdig angesehen<br />

wur<strong>de</strong>, gehen Kommunen zuletzt vermehrt<br />

auch Kooperationen untereinan<strong>de</strong>r<br />

ein, um die Aufgabenerfüllung trotz<br />

<strong>de</strong>r angespannten Lage <strong>de</strong>r öffentlichen<br />

Haushalte zu gewährleisten. Zu<strong>de</strong>m<br />

wird in einer solchen Zusammenarbeit<br />

die Chance gesehen, durch wirtschaftliche<br />

Betätigungen Einnahmen zu generieren<br />

und damit eine Erholung <strong>de</strong>r<br />

kommunalen Haushalte zu erreichen.<br />

Gera<strong>de</strong> im Zusammenhang mit <strong>de</strong>r<br />

Energiewen<strong>de</strong> betätigen sich Kommunen<br />

verstärkt, um <strong>de</strong>n kommunaleigenen<br />

Energiebedarf zu <strong>de</strong>cken und die<br />

Bürger ortsnah mit Energie zu versorgen.<br />

Damit sollen einerseits zukünftig<br />

Energiekosten sowohl bei <strong>de</strong>r Kommune<br />

selbst als auch für die Bürger eingespart<br />

wer<strong>de</strong>n. An<strong>de</strong>rerseits spielen im<br />

Rahmen <strong>de</strong>r Überlegungen zur Verwirklichung<br />

solcher Projekte regelmäßig<br />

auch Gewinnerzielungsabsichten<br />

eine Rolle. Da Vorhaben im Bereich<br />

<strong>de</strong>r (erneuerbaren) Energien kapitalintensiv<br />

und oft nur überörtlich erfolgreich<br />

zu realisieren sind, kommt <strong>de</strong>r Kooperation<br />

<strong>de</strong>r Kommunen untereinan<strong>de</strong>r<br />

auch hier große Be<strong>de</strong>utung zu. Ob<br />

bei <strong>de</strong>n unterschiedlichen Formen <strong>de</strong>r<br />

interkommunalen Zusammenarbeit die<br />

Bestimmungen <strong>de</strong>s Vergaberechts zu<br />

beachten sind, ist bisher gesetzlich nicht<br />

ausdrücklich geregelt. In <strong>de</strong>r Vergangenheit<br />

hatte sich daher sowohl die<br />

nationale als auch die europäische Gerichtsbarkeit<br />

vielfach mit <strong>de</strong>r vergaberechtlichen<br />

Bewertung dieser Fragestellung<br />

zu befassen.<br />

Relevante<br />

Erscheinungsformen<br />

<strong>de</strong>r interkommunalen<br />

Kooperation in Bayern<br />

Für die Organisation <strong>de</strong>r kommunalen<br />

Zusammenarbeit im Bereich <strong>de</strong>r Energiegewinnung<br />

und -versorgung bieten<br />

sowohl das öffentliche als auch das<br />

private Recht relevante Ausgestaltungsformen.<br />

Die Wahl einer konkreten Organisationsform<br />

hängt davon ab, welche<br />

Bedürfnisse und Anfor<strong>de</strong>rungen die<br />

Aufgabenwahrnehmung mit sich bringt.<br />

1. Organisationsausgestaltung in Form<br />

<strong>de</strong>s öffentlichen Rechts<br />

Die Erscheinungsformen <strong>de</strong>s öffentlichen<br />

Rechts sind im spezifischen Lan<strong>de</strong>srecht<br />

normiert, wobei <strong>de</strong>r Freistaat<br />

Bayern in Art. 2 Abs. 1 <strong>de</strong>s Gesetzes<br />

über die kommunale Zusammenarbeit<br />

(KommZG) die entsprechen<strong>de</strong>n Organisationsformen<br />

vorsieht, nämlich<br />

die Arbeitsgemeinschaft,<br />

die Zweckvereinbarung,<br />

<strong>de</strong>n Zweckverband, sowie<br />

das gemeinsame Kommunalunternehmen.<br />

Während bei <strong>de</strong>r Arbeitsgemeinschaft<br />

und <strong>de</strong>r Zweckvereinbarung eine Kooperation<br />

auf rein vertraglicher Basis<br />

begrün<strong>de</strong>t wird, entstehen beim Zweckverband<br />

und <strong>de</strong>m gemeinsamen Kommunalunternehmen<br />

eigene Rechtspersönlichkeiten,<br />

sodass diese Formen<br />

auch als institutionalisierte Organisationsausgestaltung<br />

bezeichnet wer<strong>de</strong>n.<br />

a) Arbeitsgemeinschaft,<br />

Art. 4–6 KommZG<br />

Die kommunale Arbeitsgemeinschaft<br />

wird durch öffentlich-rechtlichen Vertrag<br />

gebil<strong>de</strong>t und stellt die Form <strong>de</strong>r<br />

interkommunalen Kooperation mit <strong>de</strong>r<br />

geringsten Bindungsintensität zwischen<br />

<strong>de</strong>n Beteiligten dar. Im Zusammenhang<br />

mit (überörtlichen) Aktivitäten <strong>de</strong>r<br />

Kommunen im Bereich <strong>de</strong>r Energiegewinnung<br />

und -versorgung kommt<br />

dieser Form <strong>de</strong>r Organisationsausgestaltung<br />

insbeson<strong>de</strong>re im Vorfeld <strong>de</strong>r<br />

Realisierung von Projekten beson<strong>de</strong>re<br />

Be<strong>de</strong>utung zu, da Art. 4 Abs. 2 Satz 2<br />

KommZG als mögliche Aufgabenwahrnehmung<br />

die Abstimmung von Planungen<br />

– beispielsweise <strong>de</strong>r Bauleitplanung<br />

o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r Planung zur Errichtung kommunaler<br />

Einrichtungen – vorsieht. Im<br />

Rahmen einer Arbeitsgemeinschaft lässt<br />

sich etwa die Ausweisung von Flächen<br />

für Projekte <strong>de</strong>r Gewinnung von (erneuerbarer)<br />

Energie o<strong>de</strong>r aber die Verlegung<br />

von Energieversorgungs- und<br />

Fernwärmenetzen gemeinschaftlich koordinieren.<br />

b) Zweckvereinbarung,<br />

Art. 7–16 KommZG<br />

Die Zweckvereinbarung wird ebenfalls<br />

durch öffentlich-rechtlichen Vertrag begrün<strong>de</strong>t<br />

und steht von <strong>de</strong>r Bindungsintensität<br />

zwischen <strong>de</strong>r Arbeitsgemeinschaft<br />

und <strong>de</strong>n institutionalisierten Organisationsformen,<br />

die über eine eigene<br />

Rechtspersönlichkeit verfügen. Dieser<br />

Form <strong>de</strong>r kommunalen Zusammenarbeit<br />

kommt im Bereich <strong>de</strong>r Energiegewinnung<br />

und -versorgung erhöhte Be<strong>de</strong>utung<br />

zu, da sich vertraglich eine<br />

Der Bayerische Bürgermeister 9/2012<br />

307


2060_DBB_09_2012_g_PDF 29.08.2012 14:19 Uhr Seite 308<br />

Energiewen<strong>de</strong><br />

Vielzahl von Aufgaben überantworten<br />

lassen und eine flexible Ausgestaltung<br />

im Einzelfall möglich ist. Dabei müssen<br />

die einzelnen Aufgaben gemäß Art. 10<br />

Abs. 1 KommZG in <strong>de</strong>r Zweckvereinbarung<br />

aufgeführt und klar umschrieben<br />

sein. Als Regelungsvarianten sind<br />

nach Maßgabe von Art. 7 Abs. 2 bis 4<br />

KommZG<br />

die Übertragungsvereinbarung (Übertragung<br />

von Aufgaben <strong>de</strong>r Kooperationspartner<br />

auf einen <strong>de</strong>r Beteiligten),<br />

die Mitbenutzungsvereinbarung (Gestattung<br />

<strong>de</strong>r Nutzung einer von einem<br />

<strong>de</strong>r Kooperationspartner betriebenen<br />

Einrichtung durch die übrigen<br />

Beteiligten),<br />

die Gemeinschaftsvereinbarung (Gemeinschaftliche<br />

Aufgabenwahrnehmung<br />

durch sämtliche Beteiligten),<br />

sowie<br />

die Personalleihvereinbarung (Zurverfügungstellung<br />

von Dienstkräften<br />

an übrige Beteiligte nach Zeitanteil)<br />

zu unterschei<strong>de</strong>n. Zu<strong>de</strong>m ist bei <strong>de</strong>r<br />

Ausgestaltung <strong>de</strong>r Leistungsverantwortlichkeit<br />

zwischen <strong>de</strong>n Beteiligten<br />

zu differenzieren, inwieweit nur die<br />

Aufgabenerfüllung übertragen wird<br />

und es bei <strong>de</strong>r grundsätzlichen Aufgabenzuständigkeit<br />

<strong>de</strong>r jeweiligen Kommune<br />

bleibt (sog. Mandatierung) o<strong>de</strong>r<br />

mit <strong>de</strong>r Beauftragung zur Aufgabenerfüllung<br />

auch die Aufgabenzuständigkeit<br />

auf die entsprechen<strong>de</strong> Kommune<br />

übergeht (sog. Delegation).<br />

c) Zweckverband,<br />

Art. 17–48 KommZG<br />

Als institutionalisierte Rechtsform <strong>de</strong>r<br />

kommunalen Zusammenarbeit mit eigener<br />

Rechtspersönlichkeit steht <strong>de</strong>r<br />

Zweckverband als Körperschaft <strong>de</strong>s öffentlichen<br />

Rechts zur Verfügung, <strong>de</strong>r<br />

durch eine von <strong>de</strong>n Beteiligten zu vereinbaren<strong>de</strong><br />

Verbandssatzung gebil<strong>de</strong>t<br />

wird. Nach Art. 17 Abs. 1 KommZG<br />

können <strong>de</strong>m Zweckverband durch die<br />

beteiligten Akteure einzelne Aufgaben<br />

o<strong>de</strong>r alle mit einem bestimmten Zweck<br />

zusammenhängen<strong>de</strong>n Aufgaben zu <strong>de</strong>ren<br />

Wahrnehmung übertragen wer<strong>de</strong>n,<br />

wobei die Aufgaben in <strong>de</strong>r Verbandssatzung<br />

bestimmt und <strong>de</strong>ren Umfang hinreichend<br />

beschrieben sein muss. Dabei<br />

gehen gemäß Art. 22 Abs. 1 KommZG<br />

sowohl das Recht wie auch die Pflicht<br />

<strong>de</strong>r Verbandsmitglie<strong>de</strong>r, die <strong>de</strong>m<br />

Zweckverband übertragenen Aufgaben<br />

zu erfüllen und die dazu notwendigen<br />

Befugnisse auszuüben, auf <strong>de</strong>n Zweckverband<br />

über. Grundsätzlich geht auch<br />

die Ermächtigung zum Satzungs- und<br />

Verordnungserlass für das übertragene<br />

Aufgabengebiet mit über.<br />

Dem Zweckverband kommt Be<strong>de</strong>utung<br />

bei großen überörtlichen Projekten <strong>de</strong>r<br />

Energiegewinnung und vor allem -versorgung<br />

zu. Dem hohen Gründungsaufwand<br />

steht <strong>de</strong>r Vorteil für die einzelnen<br />

Kommunen gegenüber, dass diese<br />

grundsätzlich von <strong>de</strong>ren Aufgabenverantwortlichkeit<br />

befreit sind und im<br />

Zweckverband das zur Aufgabenwahrnehmung<br />

erfor<strong>de</strong>rliche Know-How für<br />

sämtliche Beteiligten gebün<strong>de</strong>lt wer<strong>de</strong>n<br />

kann.<br />

d) Gemeinsames<br />

Kommunalunternehmen,<br />

Art. 49–50 KommZG<br />

Mit <strong>de</strong>m gemeinsamen Kommunalunternehmen<br />

als Anstalt <strong>de</strong>s öffentlichen<br />

Rechts steht eine weitere Option<br />

<strong>de</strong>r Organisationsausgestaltung mit eigener<br />

Rechtspersönlichkeit in Bayern<br />

zur Verfügung. Gemäß Art. 49 Abs. 1<br />

S. 1 KommZG wird dieses durch Vereinbarung<br />

einer Unternehmenssatzung<br />

errichtet. Hinsichtlich <strong>de</strong>r Aufgabenwahrnehmung<br />

ist zu beachten, dass<br />

Art. 50 Abs. 1 KommZG eine Verweisungsnorm<br />

vorhält, die in Verbindung<br />

mit Art. 26 Abs. 1 S. 1 KommZG die für<br />

die Gemein<strong>de</strong>n gelten<strong>de</strong>n Vorschriften<br />

für entsprechend anwendbar erklärt. In<br />

dieser Verweisungssystematik ist angelegt,<br />

dass insbeson<strong>de</strong>re die Zulässigkeitsvoraussetzungen<br />

<strong>de</strong>r Art. 86 ff. <strong>de</strong>r<br />

Gemein<strong>de</strong>ordnung (GO) zwingend zu<br />

beachten sind. Aus <strong>de</strong>r entsprechen<strong>de</strong>n<br />

Anwendung <strong>de</strong>s Art. 89 Abs. 2 S. 1 GO<br />

ergibt sich, dass <strong>de</strong>m gemeinsamen<br />

Kommunalunternehmen einzelne o<strong>de</strong>r<br />

alle mit einem bestimmten Zweck zusammenhängen<strong>de</strong>n<br />

Aufgaben ganz<br />

o<strong>de</strong>r teilweise übertragen wer<strong>de</strong>n können.<br />

Dem gemeinsamen Kommunalunternehmen<br />

kommt im Bereich <strong>de</strong>r<br />

Energiegewinnung und -versorgung<br />

vor allem als Organisationsform, die<br />

Vorteile <strong>de</strong>s öffentlichen und <strong>de</strong>s privaten<br />

Rechts in sich vereint, große Be<strong>de</strong>utung<br />

zu.<br />

2. Organisationsausgestaltung in Form<br />

<strong>de</strong>s privaten Rechts<br />

Gemäß Art. 1 Abs. 3 S. 1 KommZG stehen<br />

für die kommunale Zusammenarbeit<br />

auch die Formen <strong>de</strong>s Privatrechts<br />

zur Verfügung, wobei grundsätzlich die<br />

nach Bun<strong>de</strong>srecht geregelten Organisationsformen<br />

in Betracht kommen. Jedoch<br />

schränken die Vorgaben <strong>de</strong>s Kommunalwirtschaftsrechts<br />

diesen Grundsatz<br />

ein, in<strong>de</strong>m zum einen gem. Art. 92<br />

Abs. 1 S. 1 Nr. 3 1. HS GO eine zwingen<strong>de</strong><br />

Haftungsbeschränkung vorgesehen<br />

und zum an<strong>de</strong>ren eine ausreichen<strong>de</strong><br />

Einflussnahme <strong>de</strong>r Kommunen gem.<br />

Art. 92 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 GO gewährleistet<br />

sein muss. Im Folgen<strong>de</strong>n soll die Betrachtung<br />

auf die zur Realisierung von<br />

Projekten im Bereich <strong>de</strong>r Energiegewinnung<br />

und -versorgung relevanten Erscheinungsformen<br />

fokussiert wer<strong>de</strong>n.<br />

a) Aktiengesellschaft<br />

Die Aktiengesellschaft ist eine Form <strong>de</strong>r<br />

Organisationsausgestaltung die in <strong>de</strong>r<br />

kommunalen Praxis regelmäßig nur für<br />

Großunternehmungen mit erheblichem<br />

Kapitalbedarf geeignet ist und nur bei<br />

umfangreichen wirtschaftlichen Tätigkeiten<br />

in größeren Kommunen zur Anwendung<br />

kommt. Vornehmlich ist diese<br />

Form bei Stadtwerken großer Kommunen<br />

vorzufin<strong>de</strong>n, wobei sich regelmäßig<br />

die Betätigung nicht auf <strong>de</strong>n Bereich <strong>de</strong>r<br />

Energiegewinnung und -versorgung<br />

beschränkt, son<strong>de</strong>rn sich zu<strong>de</strong>m beispielsweise<br />

auf <strong>de</strong>n öffentlichen Personennahverkehr<br />

und die Abfallentsorgung<br />

erstreckt. Zwar ist <strong>de</strong>r kommunalwirtschaftsrechtlichen<br />

Vorgabe einer<br />

Haftungsbeschränkung regelmäßig auch<br />

bei dieser Form <strong>de</strong>r interkommunalen<br />

Kooperation Genüge getan. Allerdings<br />

weißt die Aktiengesellschaft einen hohen<br />

Grad <strong>de</strong>r Verselbständigung <strong>de</strong>s<br />

Unternehmens im Verhältnis zu <strong>de</strong>ssen<br />

Eigentümern auf, so dass die gesetzliche<br />

Vorgabe zur Sicherung <strong>de</strong>s kommunalen<br />

Einflusses häufig nur mit hohem<br />

gesellschaftsrechtlichem Aufwand gewährleistet<br />

wer<strong>de</strong>n kann.<br />

b) Gesellschaft mit beschränkter<br />

Haftung<br />

Die Gesellschaft mit beschränkter Haftung<br />

ist als privatrechtliche Form <strong>de</strong>r<br />

Organisationsausgestaltung im kommunalen<br />

Bereich am weitesten verbrei-<br />

308 Der Bayerische Bürgermeister 9/2012


2060_DBB_09_2012_g_PDF 29.08.2012 14:19 Uhr Seite 309<br />

tet, da das Recht <strong>de</strong>r Gesellschaft mit<br />

beschränkter Haftung im Gegensatz<br />

zum Aktiengesellschaftsrecht <strong>de</strong>utlich<br />

weitreichen<strong>de</strong>re Ausgestaltungsmöglichkeiten,<br />

insbeson<strong>de</strong>re bei <strong>de</strong>r Verteilung<br />

von Entscheidungs- und Handlungskompetenzen,<br />

zulässt. Daneben<br />

hält sich <strong>de</strong>r Gründungsaufwand im<br />

Gegensatz zur Aktiengesellschaft in<br />

<strong>de</strong>utlich überschaubarerem Rahmen.<br />

Entsprechend zahlreich fin<strong>de</strong>t man diese<br />

Gesellschaftsform auch im Bereich<br />

<strong>de</strong>r Energiegewinnung und -versorgung,<br />

wobei oftmals ebenfalls in Stadtwerken<br />

über Holdingstrukturen mehrere<br />

Tätigkeiten <strong>de</strong>r öffentlichen Hand in<br />

unterschiedlichen Organisationseinheiten<br />

organisiert sind.<br />

c) Eingetragene Genossenschaft<br />

Gera<strong>de</strong> im Zusammenhang mit <strong>de</strong>r Diskussion<br />

um die Bürgerakzeptanz bezüglich<br />

von Projekten im Bereich <strong>de</strong>r<br />

(erneuerbaren) Energien zeigt sich die<br />

Organisationsausgestaltung <strong>de</strong>r kommunalen<br />

Zusammenarbeit in Form <strong>de</strong>r<br />

eingetragenen Genossenschaft als eine<br />

in <strong>de</strong>r Praxis grundsätzlich zu berücksichtigen<strong>de</strong><br />

Option. Aufgrund <strong>de</strong>r gesetzlichen<br />

Vorgabe zur kommunalen<br />

Haftungsbeschränkung kommt jedoch<br />

nur eine Ausgestaltung mit einer beschränkten<br />

o<strong>de</strong>r ausgeschlossenen<br />

Nachschusspflicht für Verbindlichkeiten<br />

in Betracht. Eine weitere Möglichkeit<br />

ist die Beteiligung <strong>de</strong>r Kommunen<br />

über eine Organisationsform, die ihrerseits<br />

wie<strong>de</strong>rum haftungsbeschränkt<br />

ausgestaltet ist.<br />

Stellung <strong>de</strong>r interkommunalen<br />

Kooperation<br />

im Vergaberecht<br />

Der Anwendungsbereich <strong>de</strong>s europäischen<br />

Vergaberechts in <strong>de</strong>ssen nationaler<br />

Umsetzung in <strong>de</strong>n §§ 97 ff. <strong>de</strong>s Gesetzes<br />

gegen <strong>de</strong>n unlauteren Wettbewerb<br />

(GWB) ist dann eröffnet, wenn die beauftragen<strong>de</strong><br />

Stelle als öffentlicher Auftraggeber<br />

i. S. d. § 98 GWB zu qualifizieren<br />

ist, die Beschaffung einen öffentlichen<br />

Auftrag i. S. d. § 99 Abs. 1 GWB<br />

zum Gegenstand hat und zu<strong>de</strong>m <strong>de</strong>r geschätzte<br />

Auftragswert <strong>de</strong>n für die entsprechen<strong>de</strong><br />

Leistung gelten<strong>de</strong>n Schwellenwert<br />

erreicht o<strong>de</strong>r überschreitet.<br />

1. Derzeit keine ausdrückliche Regelung<br />

im Vergaberecht<br />

Welche Stellung <strong>de</strong>n Konstellationen<br />

<strong>de</strong>r interkommunalen Kooperation im<br />

Gefüge <strong>de</strong>s Vergaberechts zukommt, ist<br />

in <strong>de</strong>n <strong>de</strong>rzeit gelten<strong>de</strong>n Fassungen <strong>de</strong>r<br />

europäischen Vergaberichtlinien sowie<br />

<strong>de</strong>ren nationale Umsetzung in <strong>de</strong>n<br />

§§ 97 ff. GWB nicht ausdrücklich normiert.<br />

Zwar dürfte nach <strong>de</strong>r Entscheidung<br />

„Mehiläinen“ <strong>de</strong>s EuGH vom<br />

22. Dezember 2010 anerkannt sein, dass<br />

die Gründung einer Organisationsform<br />

an sich für die gemeinschaftliche Aufgabenwahrnehmung<br />

<strong>de</strong>r öffentlichen<br />

Hand keinen vergaberechtsrelevanten<br />

Vorgang darstellt. Der Entscheidung<br />

<strong>de</strong>s EuGH lag ein Sachverhalt zugrun<strong>de</strong>,<br />

in <strong>de</strong>m zunächst ein Unternehmen,<br />

an <strong>de</strong>m sowohl die öffentliche Hand als<br />

auch ein privater Partner beteiligt waren,<br />

gegrün<strong>de</strong>t und in einem zweiten<br />

Schritt mit <strong>de</strong>r konkreten Aufgabenerfüllung<br />

betraut wur<strong>de</strong>. Gera<strong>de</strong> im Zeitpunkt<br />

<strong>de</strong>r konkreten Aufgabenüberantwortung<br />

stellt sich dann aber die Frage,<br />

inwiefern es sich um eine <strong>de</strong>m Vergaberecht<br />

unterfallen<strong>de</strong> Leistungsnachfrage<br />

und damit im Ergebnis um einen öffentlichen<br />

Auftrag im Sinne <strong>de</strong>s § 99 Abs. 1<br />

GWB han<strong>de</strong>lt, <strong>de</strong>r grundsätzlich im<br />

Wege eines europaweiten Vergabeverfahrens<br />

ausgeschrieben wer<strong>de</strong>n müsste.<br />

2. Vergaberechtliche Privilegierung<br />

durch die Spruchpraxis<br />

Ähnlich wie bei <strong>de</strong>m (<strong>de</strong>rzeit ungeschriebenen)<br />

Ausnahmetatbestand <strong>de</strong>r<br />

sog. In-House-Vergabe – einer Auftragsvergabe<br />

an Organisationseinheiten, an<br />

<strong>de</strong>nen <strong>de</strong>r öffentliche Auftraggeber seinerseits<br />

beteiligt ist – haben sich in <strong>de</strong>r<br />

vergaberechtlichen Spruchpraxis auch<br />

für die Konstellationen <strong>de</strong>r kommunalen<br />

Zusammenarbeit Kriterien herausgebil<strong>de</strong>t,<br />

bei <strong>de</strong>ren Vorliegen die vergaberechtlichen<br />

Vorgaben ausnahmsweise<br />

nicht zu berücksichtigen sind. Für diese<br />

(<strong>de</strong>rzeit noch) ungeschriebene Ausnahme<br />

vom vergaberechtlichen Anwendungsbereich<br />

etablierte sich <strong>de</strong>r Begriff<br />

<strong>de</strong>r sog. In-State-Vergabe.<br />

Energiewen<strong>de</strong><br />

a) Entscheidung <strong>de</strong>s EuGH vom 9. Juli<br />

2009 – „Stadtreinigung Hamburg“<br />

Während etwa im Hinblick auf <strong>de</strong>n<br />

Zweckverband als institutionalisierte<br />

Form <strong>de</strong>r kommunalen Zusammenarbeit<br />

in <strong>de</strong>r vergaberechtlichen Rechtsprechung<br />

weitestgehend anerkannt ist,<br />

dass die vergaberechtlichen Regelungen<br />

keine Anwendung fin<strong>de</strong>n, war für die<br />

Formen <strong>de</strong>r Kooperation auf vertraglicher<br />

Grundlage lange Zeit unklar, wie<br />

diese vergaberechtlich einzuordnen<br />

sind. In diesem Zusammenhang erging<br />

am 9. Juni 2009 die richtungsweisen<strong>de</strong><br />

Entscheidung „Stadtreinigung Hamburg“<br />

<strong>de</strong>s EuGH. Darin hatte <strong>de</strong>r EuGH<br />

darüber zu entschei<strong>de</strong>n, wie <strong>de</strong>r vertragliche<br />

Zusammenschluss mehrerer<br />

Kommunen zur gemeinschaftlichen Abfallentsorgung<br />

vergaberechtlich zu bewerten<br />

ist, wobei einer <strong>de</strong>r Kooperationspartner<br />

eine Müllverbrennungsanlage<br />

betrieb, die von <strong>de</strong>n übrigen<br />

Beteiligten dann entsprechend mit genutzt<br />

wer<strong>de</strong>n sollte.<br />

b) Kriterien zur vergaberechtlichen<br />

Bewertung<br />

Festzuhalten ist, dass es nach Ansicht<br />

<strong>de</strong>s EuGH nicht mehr auf die Form <strong>de</strong>r<br />

Organisationsausgestaltung <strong>de</strong>r kommunalen<br />

Zusammenarbeit ankommt,<br />

son<strong>de</strong>rn vielmehr eine aufgabenbezogene<br />

Betrachtung vorzunehmen ist. Damit<br />

dürften die in <strong>de</strong>r Entscheidung „Stadtreinigung<br />

Hamburg“ getroffenen Feststellungen<br />

grundsätzlich auch ergänzend<br />

zur bisherigen europäischen<br />

Spruchpraxis bezüglich <strong>de</strong>r Formen <strong>de</strong>r<br />

institutionalisierten Organisationsausgestaltung<br />

gelten. Gleichwohl ist das<br />

Verhältnis <strong>de</strong>r durch die einzelnen Entscheidungen<br />

entwickelten Kriterien<br />

untereinan<strong>de</strong>r noch nicht abschließend<br />

geklärt.<br />

aa) Aufgaben von allgemeinem<br />

(wirtschaftlichen) Interesse<br />

Der EuGH hat festgestellt, dass es sich<br />

bei <strong>de</strong>r gemeinsam wahrgenommenen<br />

Aufgabe um eine solche von allgemeinem<br />

(wirtschaftlichen) Interesse im Sinne<br />

<strong>de</strong>s Art. 14 <strong>de</strong>s Vertrages über die Arbeitsweise<br />

<strong>de</strong>r Europäischen Union<br />

(AEUV) für je<strong>de</strong>n Kooperationspartner<br />

han<strong>de</strong>ln muss. Welche Aufgaben damit<br />

an <strong>de</strong>r Schnittstelle von <strong>de</strong>r europarechtlichen<br />

Begriffsinterpretation und<br />

<strong>de</strong>r nationalen Interpretation <strong>de</strong>r sog.<br />

Daseinsvorsorge konkret erfasst sein<br />

sollen, ist momentan offen. Auf europäischer<br />

Ebene ist <strong>de</strong>rzeitig anerkannt,<br />

dass die Bereiche Verkehrsdienste,<br />

Der Bayerische Bürgermeister 9/2012<br />

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Energiewen<strong>de</strong><br />

Energieversorgung, Post- und Telekommunikationsdienste,<br />

Abfallentsorgung,<br />

Wasserversorgung sowie Notfalltransporte<br />

mit Krankenwagen vom Begriff<br />

im Sinne <strong>de</strong>s Art. 14 AEUV erfasst sind.<br />

Inwiefern die Europäische Union von<br />

<strong>de</strong>r Ermächtigung zum Erlass einer Verordnung,<br />

welche die Grundsätze und<br />

Bedingungen für die Dienste von allgemeinem<br />

wirtschaftlichen Interesse festlegt,<br />

nach Maßgabe von Art. 14 Satz 2<br />

AEUV in <strong>de</strong>r Zukunft möglicherweise<br />

Gebrauch machen wird und damit <strong>de</strong>n<br />

Rechtsrahmen für die Einordnung einzelner<br />

Aufgabenbereiche weiter konturiert,<br />

bleibt abzuwarten. Derzeit gibt lediglich<br />

das 5. Protokoll über Dienste<br />

von allgemeinem Interesse gemeinsame<br />

Werte vor, die für eine Qualifizierung<br />

von Aufgaben als Dienste von allgemeinem<br />

Interesse zu berücksichtigen sind.<br />

bb) Gemeinsame Aufgabenwahrnehmung<br />

und Gegenseitigkeit <strong>de</strong>r<br />

Verpflichtungen<br />

Die Aufgabe muss zu<strong>de</strong>m in gemeinschaftlicher<br />

Verantwortung wahrgenommen<br />

wer<strong>de</strong>n, wobei gegenseitige<br />

Einstandsverpflichtungen gegeben sein<br />

müssen. Das Risiko <strong>de</strong>r gemeinschaftlichen<br />

Aufgabenwahrnehmung darf je<strong>de</strong>nfalls<br />

nicht nur zu Lasten einzelner<br />

Kooperationspartner ausgestaltet sein.<br />

Nach Ansicht <strong>de</strong>s EuGH dürfte es aber<br />

dann an einer gemeinsamen Aufgabenwahrnehmung<br />

fehlen, wenn einer <strong>de</strong>r<br />

Kooperationspartner weit überwiegend<br />

Leistungen für die restlichen Kommunen<br />

auf lediglich vertraglicher Grundlage<br />

erbringt. Solchen Konstellationen<br />

wäre ein Nachfragecharakter zuzusprechen,<br />

<strong>de</strong>r einem vergaberechtsrelevanten<br />

Beschaffungsvorgang gleichzusetzen<br />

wäre.<br />

cc) Kooperationsbegründung zur wirtschaftlichen<br />

Aufgabenwahrnehmung<br />

Die Entscheidung zur Zusammenarbeit<br />

<strong>de</strong>r Kommunen darf nach Auffassung<br />

<strong>de</strong>s EuGH ausschließlich darauf zurückzuführen<br />

sein, dass nur gemeinschaftlich<br />

eine wirtschaftliche Aufgabenwahrnehmung<br />

gewährleistet wer<strong>de</strong>n kann. Die<br />

Kooperation muss die Beteiligten erst in<br />

die Lage versetzen, die Aufgabe wirtschaftlich<br />

durchführen zu können. Welche<br />

Maßstäbe an die Bestimmung einer<br />

Wirtschaftlichkeit anzulegen sind, hat<br />

<strong>de</strong>r EuGH jedoch offen gelassen. Grundsätzlich<br />

ist aber davon auszugehen, dass<br />

die Kommunen in diesem Punkt eine erhöhte<br />

Darlegungslast trifft, da die ausnahmsweise<br />

Nichtanwendung <strong>de</strong>r vergaberechtlichen<br />

Vorgaben immer einer<br />

Rechtfertigung bedarf.<br />

dd) Dauerhaftigkeit <strong>de</strong>r Kooperation<br />

Die Kooperation muss auch von einer<br />

gewissen Dauerhaftigkeit geprägt sein.<br />

Damit sollen Nachfragen auf <strong>de</strong>m<br />

Markt, die nur <strong>de</strong>r kurzfristigen Bedarfs<strong>de</strong>ckung<br />

dienen, nicht von <strong>de</strong>r vergaberechtlichen<br />

Privilegierung erfasst<br />

sein. Nach <strong>de</strong>rzeitiger Rechtslage ist davon<br />

auszugehen, dass von einer Dauerhaftigkeit<br />

und damit Kontinuität <strong>de</strong>r<br />

Kooperationsbeziehungen auszugehen<br />

ist, sofern diese auf etwa 15 bis 20 Jahre<br />

angelegt sind.<br />

ee) Keine Beteiligung Privater<br />

Zu<strong>de</strong>m darf nach Ansicht <strong>de</strong>s EuGH<br />

auch kein Privater an <strong>de</strong>r Kooperation<br />

beteiligt sein, da je<strong>de</strong> auch nur min<strong>de</strong>rheitliche<br />

Beteiligung privaten Kapitals<br />

ohne vorangegangenes vergaberechtliches<br />

Ausschreibungsverfahren <strong>de</strong>m<br />

beteiligten Wirtschaftsteilnehmer in ungerechtfertigter<br />

Weise ein Vorteil gegenüber<br />

<strong>de</strong>ssen Wettbewerbern verschaffen<br />

wür<strong>de</strong>. Das wür<strong>de</strong> aber <strong>de</strong>m Grundsatz<br />

<strong>de</strong>r Gleichbehandlung wi<strong>de</strong>rsprechen.<br />

ff) Keine willentliche Umgehung <strong>de</strong>s<br />

Vergaberechts<br />

Es ist zu<strong>de</strong>m nach Auffassung <strong>de</strong>s<br />

EuGH im Rahmen einer Missbrauchskontrolle<br />

positiv festzustellen, dass die<br />

Organisationsausgestaltung <strong>de</strong>r kooperativen<br />

Aufgabenwahrnehmung durch<br />

die öffentliche Hand keine Umgehung<br />

<strong>de</strong>s Vergaberechts darstellt. Den Kommunen<br />

obliegt für diesen Umstand die<br />

Darlegungslast, wobei schlüssig sein<br />

muss, warum die Organisationausgestaltung<br />

gera<strong>de</strong> im Wege <strong>de</strong>r vertraglichen<br />

interkommunalen Kooperation<br />

realisiert wor<strong>de</strong>n ist.<br />

Ausblick: Ausnahmetatbestand<br />

in Entwürfen <strong>de</strong>r europäischen<br />

Vergaberichtlinien<br />

In <strong>de</strong>n Entwürfen <strong>de</strong>r novellierten<br />

europäischen Vergaberichtlinien vom<br />

20. Dezember 2011 sind die bisher ungeschriebenen<br />

Ausnahmetatbestän<strong>de</strong> <strong>de</strong>r<br />

sog. In-House-Vergabe und <strong>de</strong>r sog. In-<br />

State-Vergabe als normierte Ausnahmen<br />

vorgesehen. Teilweise wur<strong>de</strong>n<br />

dabei die Kriterien aus <strong>de</strong>r entsprechen<strong>de</strong>n<br />

Spruchpraxis <strong>de</strong>s EuGH übernommen.<br />

Inwiefern die Entwurfsfassungen<br />

in dieser Form verabschie<strong>de</strong>t wer<strong>de</strong>n,<br />

muss aber abgewartet wer<strong>de</strong>n. Momentan<br />

wer<strong>de</strong>n die eingegangenen Än<strong>de</strong>rungsanträge<br />

auf europäischer Ebene<br />

geprüft.<br />

Ergebnis<br />

Es besteht weitestgehend Einigkeit darüber,<br />

dass die Kommunen einen maßgeblichen<br />

Beitrag zur Energiewen<strong>de</strong><br />

leisten und <strong>de</strong>r Erfolg nicht zuletzt von<br />

<strong>de</strong>r erfolgreichen Realisierung von Projekten<br />

zur Energiegewinnung und -versorgung<br />

im kommunalen Bereich abhängt.<br />

Dafür stehen <strong>de</strong>n Kommunen für<br />

<strong>de</strong>ren Zusammenarbeit untereinan<strong>de</strong>r<br />

verschie<strong>de</strong>ne Optionen <strong>de</strong>r Organisationsausgestaltung<br />

zur Verfügung. Dabei<br />

kommt es für die Frage, ob die<br />

konkrete Aufgabenübertragung ohne<br />

Beachtung <strong>de</strong>r vergaberechtlichen Vorgaben<br />

auch bei rein vertraglich begrün<strong>de</strong>ten<br />

Kooperationsformen zulässig ist,<br />

seit <strong>de</strong>r Entscheidung „Stadtreinigung<br />

Hamburg“ <strong>de</strong>s EuGH vom 9. Juni 2009<br />

nicht mehr (nur) auf die Form <strong>de</strong>r Organisationsausgestaltung<br />

an. Vielmehr ist<br />

eine aufgabenbezogene Betrachtung<br />

vorzunehmen, die <strong>de</strong>m Grun<strong>de</strong> nach<br />

die vergaberechtliche Privilegierung<br />

einzelner Aufgabenbereiche unter weiteren<br />

Voraussetzungen zur Konsequenz<br />

hat. Zwar wird je<strong>de</strong>nfalls die Energieversorgung<br />

als eine solche privilegierte<br />

Aufgabe von allgemeinem (wirtschaftlichen)<br />

Interesse angesehen. Gleichwohl<br />

wird im Einzelfall zu prüfen sein, ob die<br />

weiteren engen Voraussetzungen gegeben<br />

sind. Inwiefern die novellierten europäischen<br />

Vergaberichtlinien in diesem<br />

Zusammenhang durch die vorgesehene<br />

Normierung <strong>de</strong>s Ausnahmetatbestands<br />

<strong>de</strong>r sog. In-State-Vergabe in Zukunft einen<br />

Beitrag zu mehr Rechtssicherheit in<br />

<strong>de</strong>r kommunalen Praxis zu leisten vermögen,<br />

bleibt abzuwarten.<br />

310 Der Bayerische Bürgermeister 9/2012


2060_DBB_09_2012_g_PDF 29.08.2012 14:19 Uhr Seite 311<br />

Energiewen<strong>de</strong><br />

Garantie und Gewährleistung bei Photovoltaikanlagen<br />

Vier aktuelle Urteile beschäftigen die Branche<br />

Dr. Margarete Spiecker, Rechtsanwältin, Regensburg<br />

Die Photovoltaik-Branche ist<br />

noch ziemlich jung. Dementsprechend<br />

gering ist auch die<br />

Zahl <strong>de</strong>r Gerichtsurteile, die Photovoltaikanlagen<br />

zum Gegenstand haben.<br />

An<strong>de</strong>rs als in <strong>de</strong>r Baubranche sind <strong>de</strong>shalb<br />

viele zentrale Fragen im Bereich<br />

Garantie und Gewährleistung bei<br />

Photovoltaikanlagen in <strong>de</strong>r Rechtsprechung<br />

noch ungeklärt. Umso wichtiger<br />

ist es, die Rechtsprechung zu Photovoltaik<br />

genau zu verfolgen. Denn die<br />

Unternehmen <strong>de</strong>r Photovoltaikbranche<br />

müssen frühzeitig abschätzen, wohin<br />

sich die Rechtsprechung entwickeln<br />

wird und bei <strong>de</strong>r Vertragsgestaltung auf<br />

neue Urteile sofort reagieren. Im Folgen<strong>de</strong>n<br />

wer<strong>de</strong>n vier aktuelle Urteile<br />

vorgestellt, die die Photovoltaik-Branche<br />

<strong>de</strong>rzeit beschäftigen.<br />

I. Herstellergarantien für Module und<br />

Verbraucherschutz: Urteil <strong>de</strong>s Landgerichts<br />

München I vom 10.5.2012<br />

(Az. 12 O 18913/11)<br />

a) Der Haftungsausschluss in Garantiebedingungen<br />

für Ausbau- und Einbaukosten<br />

kann unwirksam sein,<br />

wenn die Klauseln unklar, wi<strong>de</strong>rsprüchlich<br />

und unangemessen benachteiligend<br />

sind. Das gilt gegenüber<br />

Verbrauchern, aber voraussichtlich<br />

auch gegenüber Unternehmern<br />

und juristischen Personen <strong>de</strong>s öffentliche<br />

Rechts.<br />

Langjährige Produkt- und Leistungsgarantien<br />

für Photovoltaikmodule sind inzwischen<br />

Gang und Gäbe. Beim genaueren<br />

Hinsehen können die Garantiebedingungen<br />

<strong>de</strong>r Hersteller aber für <strong>de</strong>n<br />

Kun<strong>de</strong>n tückisch sein und für <strong>de</strong>n Modulhersteller<br />

riskant. Zum Beispiel können<br />

in ihnen Klauseln versteckt sein,<br />

wonach <strong>de</strong>r Hersteller im Garantiefall<br />

für <strong>de</strong>n Ausbau und <strong>de</strong>n Wie<strong>de</strong>reinbau<br />

<strong>de</strong>r Module nicht haftet. Eine solche<br />

Klausel hatte sich ein ausländischer<br />

Modulhersteller mit Nie<strong>de</strong>rlassung in<br />

München ausgedacht. Ein Verbraucherverband<br />

hat dagegen geklagt. Die Richter<br />

<strong>de</strong>s Landgerichts München I haben<br />

antragsgemäß entschie<strong>de</strong>n, dass die<br />

Klausel gegenüber Verbrauchern nicht<br />

weiterverwen<strong>de</strong>t wer<strong>de</strong>n darf. Nebenbei<br />

stellen sie fest, wann Käufer<br />

von Photovoltaikanlagen Verbraucherschutz<br />

genießen und wie Herstellergarantien<br />

am besten aufgebaut sein sollten,<br />

um wirksam zu sein.<br />

Das Urteil <strong>de</strong>s Landgerichts München I<br />

vom 10.5.2012 (Az. 12 O 18913/11 – zitiert<br />

nach Juris) bil<strong>de</strong>t einen Anfang in<br />

<strong>de</strong>r Rechtsprechung zu Herstellergarantien<br />

im Modulbereich. Der Streitpunkt<br />

im Münchner Verfahren war folgen<strong>de</strong><br />

Klausel <strong>de</strong>s Modulherstellers in <strong>de</strong>ssen<br />

allgemeinen Geschäftsbedingungen:<br />

„Die Beschränkte Garantie gilt we<strong>de</strong>r<br />

für die Montage von PV-Modulen, noch<br />

für die Demontage <strong>de</strong>fekter PV-Module<br />

o<strong>de</strong>r die Wie<strong>de</strong>rmontage reparierter,<br />

ausgetauschter o<strong>de</strong>r zusätzlicher PV-<br />

Module noch für etwaige Kosten im Zusammenhang<br />

mit <strong>de</strong>m vorstehen<strong>de</strong>n<br />

Genannten“. Die Münchner Richter<br />

kippten diese Klausel, weil sie nicht<br />

hinreichend klar sei und weil sie zusammen<br />

mit <strong>de</strong>n übrigen Garantiebedingungen<br />

wi<strong>de</strong>rsprüchlich und intransparent<br />

sei. Die vom Hersteller vorformulierten<br />

Garantiebedingung sei auch<br />

unangemessen benachteiligend gemäß<br />

§ 307 BGB.<br />

Der Hintergrund war, dass in <strong>de</strong>n konkreten<br />

Garantiebedingungen an völlig<br />

an<strong>de</strong>rer Stelle die kostenlose Reparatur,<br />

<strong>de</strong>r kostenlose Austausch bzw. die Bereitstellung<br />

zusätzlicher Module zunächst<br />

versprochen wur<strong>de</strong> bzw. die Vergütung<br />

<strong>de</strong>r Differenz zwischen <strong>de</strong>r tatsächlichen<br />

Leistung <strong>de</strong>r Module und<br />

<strong>de</strong>r zugesagten Leistungsschwelle,<br />

wenn auch verbun<strong>de</strong>n mit einem Wahlrecht<br />

<strong>de</strong>s Herstellers. Die umstrittene<br />

Klausel wur<strong>de</strong> erst separat in <strong>de</strong>n allgemeinen<br />

Geschäftsbedingungen nachgeschoben.<br />

Diese Konstruktion riecht zunächst<br />

nach einem ungewöhnlichen<br />

Einzelfall. Wer viel mit Herstellergarantien<br />

zu tun hat, weiß aber, dass Garantiebedingungen<br />

häufig so aufgebaut<br />

sind, dass zunächst eine Leistung versprochen<br />

wird und dann mehr o<strong>de</strong>r weniger<br />

gravieren<strong>de</strong> Haftungsausschlüsse<br />

folgen, durchaus auch in geson<strong>de</strong>rten<br />

allgemeinen Geschäftsbedingungen <strong>de</strong>s<br />

Herstellers. Das Urteil ist <strong>de</strong>shalb für<br />

die Praxis von erheblicher Be<strong>de</strong>utung.<br />

Obwohl die Richter sich ausdrücklich<br />

nur mit <strong>de</strong>m Schutz <strong>de</strong>r Verbraucher beschäftigen,<br />

verweisen sie auch auf Vorschriften,<br />

die <strong>de</strong>r Gesetzgeber je<strong>de</strong>nfalls<br />

auch zum Schutz von Unternehmern<br />

o<strong>de</strong>r juristischen Personen <strong>de</strong>s öffentlichen<br />

Rechts geschaffen hat, nämlich<br />

§ 307 BGB. Allgemeine Geschäftsbedingungen<br />

dürfen danach keine unangemessen<br />

benachteiligen<strong>de</strong> Regelungen<br />

enthalten. Unangemessene Klauseln<br />

sind dann unwirksam, auch wenn sie<br />

einen garantieberechtigten Endkun<strong>de</strong>n<br />

betreffen, <strong>de</strong>r die Photovoltaikanlage<br />

als Unternehmer o<strong>de</strong>r juristische Person<br />

<strong>de</strong>s öffentlichen Rechts erwirbt und betreibt.<br />

Dazu fehlt bisher zwar noch<br />

Rechtsprechung, <strong>de</strong>r Hinweis <strong>de</strong>r Richter<br />

auf § 307 BGB <strong>de</strong>utet aber darauf<br />

hin.<br />

Für die Hersteller haben die Richter<br />

übrigens einen Trost: Sie bescheinigen<br />

nämlich, dass es <strong>de</strong>r Hersteller „von<br />

Vornherein in <strong>de</strong>r Hand gehabt hätte,<br />

seine Garantiezusage so <strong>de</strong>utlich und<br />

klar zu fassen, dass <strong>de</strong>r Eindruck, Montagekosten<br />

seien mitumfasst, gar nicht<br />

erst entstehen konnte“. Die Richter<br />

kommen weiter zu <strong>de</strong>m nüchternen<br />

Schluss, dass <strong>de</strong>r Hersteller die Garantie<br />

ja von vorne herein nur eingeschränkt<br />

hätte abgeben können. Wenn<br />

er dies etwa im Hinblick auf <strong>de</strong>n Werbeeffekt<br />

unterlasse, so müsse er sich daran<br />

festhalten lassen.<br />

Gefragt sind nach <strong>de</strong>m Münchner Urteil<br />

aus Sicht <strong>de</strong>r Modulhersteller mehr<br />

<strong>de</strong>nn je also juristisches Handwerk.<br />

Großzügige Klauseln und engherzige<br />

Der Bayerische Bürgermeister 9/2012<br />

311


2060_DBB_09_2012_g_PDF 29.08.2012 14:19 Uhr Seite 312<br />

Energiewen<strong>de</strong><br />

Klauseln sollten – wenn schon – dann in<br />

einen Paragraphen gepackt wer<strong>de</strong>n, im<br />

Text je<strong>de</strong>nfalls nicht zu weit auseinan<strong>de</strong>rgerissen<br />

und klar und wi<strong>de</strong>rspruchsfrei<br />

formuliert sein. Übrigens:<br />

Auf die Werbung kann es auch ankommen.<br />

Diese sollte <strong>de</strong>n Text <strong>de</strong>r Garantiebedingungen<br />

nicht durchkreuzen. Nach<br />

§ 443 BGB stehen <strong>de</strong>m Käufer aus einer<br />

Beschaffentheits- und Haltbarkeitsgarantie<br />

nämlich im Garantiefall die Rechte<br />

zu, die sich aus <strong>de</strong>n Garantiebedingungen<br />

<strong>de</strong>s Garantieversprechens und<br />

<strong>de</strong>r einschlägigen Werbung ergeben.<br />

Dazu haben sich die Richter im Münchner<br />

Verfahren allerdings ausgeschwiegen:<br />

Die Werbung <strong>de</strong>s Modulherstellers<br />

war nicht Streitgegenstand.<br />

b) Die Käufer von Photovoltaikmodulen<br />

können durchaus Verbraucher<br />

sein. Die Garantiebedingungen <strong>de</strong>r<br />

Hersteller sollten <strong>de</strong>shalb die Vorschriften<br />

zum Verbrauchsgüterkauf<br />

einhalten.<br />

Der Klageantrag <strong>de</strong>s Verbraucherverban<strong>de</strong>s<br />

im Münchner Verfahren ging<br />

dahin, dass <strong>de</strong>r Modulhersteller diese<br />

o<strong>de</strong>r eine inhaltsgleiche Klausel in Garantieversprechen<br />

gegenüber Verbrauchern<br />

in Deutschland nicht einbeziehen<br />

und sich gegenüber diesen Verbrauchern<br />

auf diese Klausel auch nicht berufen<br />

dürfe. Die Richter haben <strong>de</strong>n Modulhersteller<br />

antragsgemäß zur Unterlassung<br />

verurteilt und festgestellt: „Der<br />

Streitgegenstand ist damit begrenzt auf<br />

die Anwendung gegenüber Verbrauchern.“<br />

Das Urteil betrifft streng genommen daher<br />

nur <strong>de</strong>n kleinen Kreis <strong>de</strong>r Garantiefälle,<br />

bei <strong>de</strong>nen Verbraucher mit <strong>de</strong>r<br />

Garantiezusage in Berührung kommen,<br />

d. h. keine Unternehmer. Für <strong>de</strong>n Hersteller<br />

kann dies aber trotz<strong>de</strong>m empfindlich<br />

sein, weil die Richter weiter<br />

feststellen, dass „eine unbegrenzte Zahl<br />

von Fällen“ <strong>de</strong>nkbar sei, bei <strong>de</strong>nen ein<br />

Verbraucher erstmals mit <strong>de</strong>r Garantiezusage<br />

in Berührung komme. So könnten<br />

Existenzgrün<strong>de</strong>r Verbraucher sein,<br />

wenn sie z. B. durch <strong>de</strong>n Erwerb einer<br />

Photovoltaikanlage eine Existenzgründung<br />

erst vorbereiten, je<strong>de</strong>nfalls beim<br />

Ersterwerb. Auch Endkun<strong>de</strong>n, die die<br />

Anlage allein zum Zwecke erwerben,<br />

ihren Eigenbedarf zu <strong>de</strong>cken, seien keine<br />

Unternehmer, son<strong>de</strong>rn Verbraucher.<br />

Ob Endkun<strong>de</strong>n Unternehmer sind,<br />

wenn sie eine Photovoltaikanlage betreiben,<br />

hat das Gericht hingegen ausdrücklich<br />

offen gelassen.<br />

Für die Richter steht daher fest, dass<br />

Herstellergarantien für PV-Module<br />

nicht von Vornherein vom Verbraucherschutz<br />

ausgenommen sind. Man kann<br />

daraus <strong>de</strong>n Schluss ziehen, dass Modulhersteller<br />

die Verbraucherschutzvorschriften<br />

beherzigen sollten, wenn sie<br />

Garantiebedingungen schreiben, <strong>de</strong>nn<br />

sie wissen vorher nicht immer, ob ihre<br />

Module letztlich in die Hän<strong>de</strong> von<br />

Verbrauchern kommen, z. B. über<br />

Zwischenhändler. Den Verbrauchern<br />

kommt so die Vorschrift <strong>de</strong>s § 477 BGB<br />

zugute. Diese regelt zum Beispiel, dass<br />

die Garantieerklärung einfach und verständlich<br />

abgefasst sein muss und dass<br />

<strong>de</strong>r Verbraucher einen Anspruch auf<br />

Mitteilung <strong>de</strong>r Garantie in Textform hat.<br />

Die Vorschrift regelt auch Hinweispflichten,<br />

<strong>de</strong>nen Modulhersteller bei ihren<br />

Garantien erfahrungsgemäß nicht<br />

immer nachkommen.<br />

II. 5-jährige Verjährung für Mängelansprüche<br />

bei einer Freiflächenanlage:<br />

Beschluss <strong>de</strong>s OLG Bamberg vom<br />

12.1.2012 (Az. 6 W 38/11)<br />

In einem aktuellen Beschluss <strong>de</strong>s OLG<br />

Bamberg vom 12.1.2012 (6 W 38/11 –<br />

zitiert nach Juris) hat ein Gericht soweit<br />

ersichtlich erstmalig entschie<strong>de</strong>n, dass<br />

die gesetzliche Verjährungsfrist für<br />

Mängelansprüche für eine Freiflächen-<br />

Photovoltaikanlage fünf Jahre beträgt.<br />

Die Anlage sei als Bauwerk anzusehen,<br />

weil sie mit <strong>de</strong>m Erdbo<strong>de</strong>n fest verbun<strong>de</strong>n<br />

sei. Diese Rechtsprechung erschüttert<br />

einen landläufigen Glauben in <strong>de</strong>r<br />

Photovoltaikbranche an eine nur zweijährige<br />

gesetzliche Verjährungsfrist für<br />

Mängelansprüche. Es bleibt spannend,<br />

ob und inwieweit diese Rechtsprechung<br />

auch auf Dachflächen-Photovoltaikanlagen<br />

ausgeweitet wird und von an<strong>de</strong>ren<br />

Gerichten bestätigt wird.<br />

Vor <strong>de</strong>m Hintergrund dieser Rechtsprechung<br />

wer<strong>de</strong>n auch allgemeine Geschäftsbedingungen<br />

<strong>de</strong>r Solateure und<br />

Generalunternehmer kritisch zu betrachten<br />

sein, die eine nur zweijährige<br />

Verjährung von Mängelansprüchen bei<br />

Photovoltaikanlagen regeln. Gegenüber<br />

Verbrauchern sind diese Klauseln gemäß<br />

§ 309 Ziffer 8b) BGB ein<strong>de</strong>utig unwirksam,<br />

wenn die Anlage als Bauwerk<br />

angesehen wird. Auch bei Verwendung<br />

<strong>de</strong>r allgemeinen Geschäftsbedingungen<br />

gegenüber Unternehmern o<strong>de</strong>r juristischen<br />

Personen <strong>de</strong>s öffentlichen Rechts<br />

können solche Klauseln unangemessen<br />

benachteiligend und nach § 307 BGB<br />

unwirksam sein. Wenn in <strong>de</strong>r Branche<br />

eine zweijährige Verjährungsfrist für<br />

Mängelansprüche rechtssicher vereinbart<br />

wer<strong>de</strong>n soll, muss dies daher durch<br />

einzelvertragliche Regelungen erfolgen,<br />

nicht durch allgemeine Geschäftsbedingungen.<br />

III. Mängelansprüche beim Kaufvertrag:<br />

Haftung <strong>de</strong>s Verkäufers auch für die<br />

Demontage und Remontage? –<br />

EuGH, Urteil vom 16.6.2011 (Az.<br />

C-65/09, C-87/09) und Urteil <strong>de</strong>s<br />

BGH vom 21.12.2011 (Az. VIII ZR<br />

70/08).<br />

Die Urteile <strong>de</strong>s EuGH, Urteil vom<br />

16.6.2011 (Az. C-65/09, C-87/09) und<br />

Urteil <strong>de</strong>s BGH vom 21.12.2011 (Az. VIII<br />

ZR 70/08) haben keine Photovoltaikanlagen<br />

zum Gegenstand. Sie gelten aber<br />

als bahnbrechend für die Frage <strong>de</strong>r<br />

Mängelhaftung <strong>de</strong>s Verkäufers beim<br />

Kaufvertrag. In bei<strong>de</strong>n Entscheidungen<br />

geht es darum, inwieweit <strong>de</strong>r Verkäufer<br />

einer mangelhaften Sache im Rahmen<br />

<strong>de</strong>r Mängelhaftung auch dafür verantwortlich<br />

ist, dass die vom Käufer bereits<br />

eingebaute mangelhafte Sache wie<strong>de</strong>r<br />

ausgebaut und die ersatzgelieferte neue<br />

Sache wie<strong>de</strong>r eingebaut wer<strong>de</strong>n muss.<br />

Genau diese Frage kann für die PV-<br />

Branche im Einzelfall existentiell sein.<br />

Zwar sind die Errichtungsverträge für<br />

eine Photovoltaikanlage keine reinen<br />

Kaufverträge, son<strong>de</strong>rn Werkverträge,<br />

Werklieferverträge o<strong>de</strong>r Kaufverträge<br />

mit Montageverpflichtung. Trotz<strong>de</strong>m<br />

spielen reine Kaufverträge natürlich eine<br />

wichtige Rolle, z. B. <strong>de</strong>r Kaufvertrag<br />

zwischen Solateur und Hersteller über<br />

die Lieferung von Photovoltaikmodulen<br />

o<strong>de</strong>r Unterkonstruktionen. Wenn<br />

die Module o<strong>de</strong>r die Unterkonstruktion<br />

mangelhaft ist, ist die Frage, ob <strong>de</strong>r Verkäufer<br />

auch für die Demontage <strong>de</strong>r <strong>de</strong>fekten<br />

Module und die Remontage <strong>de</strong>r<br />

ausgewechselten Module haftet o<strong>de</strong>r ob<br />

er etwa nur die Module reparieren o<strong>de</strong>r<br />

neue Module liefern muss. Entsprechen<strong>de</strong>s<br />

gilt für an<strong>de</strong>re Anlagenteile.<br />

Im Recht <strong>de</strong>r Mängelhaftung beim<br />

Kaufvertrag gilt grundsätzlich seit <strong>de</strong>r<br />

312 Der Bayerische Bürgermeister 9/2012


2060_DBB_09_2012_g_PDF 29.08.2012 14:19 Uhr Seite 313<br />

Immer wissen, was das Gesetz<br />

sagt – wie geht das, wenn nicht ein Gesetz<br />

gilt, son<strong>de</strong>rn vier?<br />

Hölzl/Hien/Huber<br />

Gemein<strong>de</strong>ordnung mit Verwaltungsgemeinschaftsordnung,<br />

Landkreisordnung<br />

und Bezirksordnung für <strong>de</strong>n<br />

Freistaat Bayern<br />

Ihr Vorteil:<br />

4 Gesetze,<br />

1 Aktualisierung<br />

Der schnelle Praxisleitfa<strong>de</strong>n für rechtssichere Antworten<br />

im Kommunalrecht:<br />

enthält Gemein<strong>de</strong>-, Verwaltungsgemeinschafts-,<br />

Landkreis- und Bezirksordnung<br />

mit praxisnaher, leichtverständlicher Kommentierung<br />

und <strong>de</strong>tailliertem Stichwortverzeichnis<br />

inkl. ausführlicher Gesamtinhaltsübersicht, vier<br />

Teilinhaltsübersichten und Querverweisen zwischen<br />

<strong>de</strong>n Gesetzen<br />

WAN 516526 Stand Mai 2012<br />

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2060_DBB_09_2012_g_PDF 29.08.2012 14:19 Uhr Seite 314<br />

Energiewen<strong>de</strong><br />

jüngeren Rechtsprechung <strong>de</strong>s Europäischen<br />

Gerichtshofs, dass <strong>de</strong>r Verkäufer<br />

einer mangelhaften Sache auch die Einund<br />

Ausbaukosten zu tragen hat, je<strong>de</strong>nfalls<br />

beim Verbrauchsgüterkauf und<br />

nach europäischem Recht (vgl. EuGH,<br />

NJW 2011, 2269; Jaensch, Der Umfang<br />

<strong>de</strong>r kaufrechtlichen Nacherfüllung,<br />

NJW 2012, S. 1025). Das Urteil <strong>de</strong>s<br />

EuGH behan<strong>de</strong>lt dies im Zusammenhang<br />

mit <strong>de</strong>r Verbrauchsgüterkaufrichtlinie<br />

(Richtlinie 1999/44/EG). Der<br />

EuGH entschied, dass diese Richtlinie<br />

so auszulegen ist, dass <strong>de</strong>r Verkäufer<br />

beim Vertragsgüterkauf verpflichtet ist,<br />

entwe<strong>de</strong>r selbst <strong>de</strong>n Ausbau dieses Verbrauchsguts<br />

aus <strong>de</strong>r Sache, in die es eingebaut<br />

wur<strong>de</strong>, vorzunehmen und das<br />

als Ersatz gelieferte Verbrauchsgut in<br />

diese Sache einzubauen, o<strong>de</strong>r die Kosten<br />

zu tragen, die für diesen Ausbau<br />

und <strong>de</strong>n Einbau <strong>de</strong>s als Ersatz gelieferten<br />

Verbrauchsguts notwendig sind.<br />

Diese Verpflichtung <strong>de</strong>s Verkäufers besteht<br />

unabhängig davon, ob er sich im<br />

Kaufvertrag verpflichtet hatte, das ursprünglich<br />

gekaufte Verbrauchsgut einzubauen.<br />

Die Verpflichtung besteht<br />

aber grundsätzlich nur dann, wenn <strong>de</strong>r<br />

Käufer das mangelhafte Verbrauchsgut<br />

gutgläubig gemäß seiner Art und seinem<br />

Verwendungszweck eingebaut hat<br />

und wenn <strong>de</strong>r Verkäufer im Wege einer<br />

Ersatzlieferung <strong>de</strong>n Mangel beseitigt.<br />

Die Be<strong>de</strong>utung dieser Entscheidung <strong>de</strong>s<br />

Europäischen Gerichtshofs für das nationale<br />

Recht ist noch nicht endgültig<br />

geklärt. Der Bun<strong>de</strong>sgerichtshof hat jedoch<br />

die Haftung <strong>de</strong>s Verkäufers zumin<strong>de</strong>st<br />

für die Ausbaukosten und die<br />

Abtransportkosten beim Verbrauchsgüterkauf<br />

jetzt auch bestätigt (BGH,<br />

Urt. vom 21.12.2011 – VIII ZR 70/08).<br />

Dies erfor<strong>de</strong>re eine richtlinienkonforme<br />

Auslegung <strong>de</strong>s § 439 Abs. 1 Alt 2 BGB.<br />

Es spricht viel dafür, dass diese Rechtsprechung<br />

<strong>de</strong>s BGH aus Grün<strong>de</strong>n <strong>de</strong>r<br />

Einheit <strong>de</strong>r Rechtsordnung und einer<br />

einheitlichen Auslegung <strong>de</strong>s § 439<br />

Abs. 1 BGB auch auf Fälle ausge<strong>de</strong>hnt<br />

wird, in <strong>de</strong>nen <strong>de</strong>r Käufer nicht Verbraucher,<br />

son<strong>de</strong>rn Unternehmer o<strong>de</strong>r<br />

juristische Person <strong>de</strong>s öffentlichen<br />

Rechts ist.<br />

Die Grundkonstellation, die <strong>de</strong>m EuGH<br />

und <strong>de</strong>m BGH vorlagen, sind für Photovoltaikanlagen<br />

klassisch gegeben, wenn<br />

etwa <strong>de</strong>fekte Module vom Solateur in<br />

einer Dachflächenanlage verbaut wer<strong>de</strong>n,<br />

sich <strong>de</strong>r Mangel <strong>de</strong>r Module erst<br />

nach <strong>de</strong>r Montage und Inbetriebnahme<br />

zeigt und die Module dann ausgetauscht<br />

wer<strong>de</strong>n müssen. Für <strong>de</strong>n Solateur<br />

stellt sich dann die Frage, ob er<br />

vom Modulhersteller die Kosten <strong>de</strong>r<br />

Demontage und Remontage erstattet<br />

bekommt. Der Solateur ist zwar kein<br />

Verbraucher, aber die Rechtsprechung<br />

<strong>de</strong>s EuGH und BGH könnte auch für<br />

ihn richtungsweisend sein, weil sie im<br />

Kern <strong>de</strong>n Umfang <strong>de</strong>r Mängelhaftung<br />

beim Kaufvertrag und die Auslegung<br />

<strong>de</strong>r diesbezüglichen Vorschriften <strong>de</strong>s<br />

§§ 438 ff. BGB betrifft.<br />

Wirklich spannend ist dann die Frage,<br />

ob im Rahmen von allgemeinen Geschäftsbedingungen<br />

die Mängelhaftung<br />

in Bezug auf die Ein- und Ausbaukosten<br />

wirksam ausgeschlossen wer<strong>de</strong>n<br />

kann und inwieweit hier zwischen Verbrauchern<br />

und Unternehmern o<strong>de</strong>r juristischen<br />

Personen <strong>de</strong>s öffentlichen<br />

Rechts zu unterschei<strong>de</strong>n ist. Auch hier<br />

gilt, dass wirkliche Rechtssicherheit für<br />

<strong>de</strong>n Verkäufer eher in einzelvertraglichen<br />

Regelungen erreicht wer<strong>de</strong>n<br />

kann und weniger in allgemeinen Geschäftsbedingungen,<br />

je<strong>de</strong>nfalls wenn<br />

die Mängelhaftung von Seiten <strong>de</strong>s Verkäufers<br />

eingeschränkt wer<strong>de</strong>n soll. Die<br />

Rechtslage ist noch nicht ein<strong>de</strong>utig. Fest<br />

steht nur, dass die Photovoltaikbranche<br />

bei <strong>de</strong>r Vertragsgestaltung um das Thema<br />

nicht herumkommt.<br />

Dr. Margarete Spiecker ist Rechtsanwältin<br />

in Regensburg in <strong>de</strong>r<br />

Kanzlei Espenhain & Espenhain<br />

(www.espenhain.<strong>de</strong>). Als Fachanwältin<br />

für Verwaltungsrecht und für<br />

Bau- und Architektenrecht ist sie<br />

auf erneuerbare Energien sowie<br />

öffentliches und privates Baurecht<br />

spezialisiert. Sie begleitet Anlagenprojekte<br />

(insbeson<strong>de</strong>re Windkraft,<br />

Biogas, Photovoltaik) umfassend, von<br />

<strong>de</strong>r Genehmigung bis zur Errichtung,<br />

zum Netzanschluss und zu <strong>de</strong>r Durchsetzung<br />

von Vergütungs-, Garantieund<br />

Gewährleistungsansprüchen.<br />

314 Der Bayerische Bürgermeister 9/2012

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