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2060_DBB_09_2012_g_PDF 29.08.2012 14:19 Uhr Seite 295<br />
Thema <strong>de</strong>s Monats<br />
<strong>BayKiBiG</strong><br />
Editorial<br />
Liebe Leserinnen und Leser!<br />
Wichtigstes Gut <strong>de</strong>r Eltern ist das eigene Kind, liegt es da nicht nahe, dass sie<br />
ihre Sprösslinge während ihrer Abwesenheit gut betreut wünschen.<br />
Im Jahre 2005 wur<strong>de</strong> das <strong>BayKiBiG</strong> in Kraft gesetzt, gera<strong>de</strong> wird es novelliert<br />
und das ist aus <strong>de</strong>r Sicht <strong>de</strong>r Spitzenverbän<strong>de</strong> und <strong>de</strong>rer, die täglich damit<br />
arbeiten, auch dringend erfor<strong>de</strong>rlich.<br />
Was die Novellierung, die nach <strong>de</strong>r Sommerpause verabschie<strong>de</strong>t wer<strong>de</strong>n soll,<br />
bringen mag, haben die Autoren dieser Ausgabe für Sie zusammengefasst.<br />
Nur so viel im Vorfeld: Es ist nicht alles Gold was glänzt!<br />
Herzliche Grüße!<br />
Katharina Hipp<br />
– Verantwortliche Redakteurin –<br />
Der Bayerische Bürgermeister 9/2012<br />
295
2060_DBB_09_2012_g_PDF 29.08.2012 14:19 Uhr Seite 296<br />
Thema <strong>de</strong>s Monats<br />
Die Novellierung <strong>de</strong>s <strong>BayKiBiG</strong><br />
Johanna Huber, Leiterin <strong>de</strong>r Abteilung für Familie und Jugend, Bildung und Erziehung im<br />
Bayerischen Staatsministerium für Arbeit und Sozialordnung, Familie und Frauen, München.<br />
Der Reformentwurf <strong>de</strong>r Bayerischen Staatsregierung entwickelt das am 1. August<br />
2005 in Kraft getretene, bewährte und bun<strong>de</strong>sweit vorbildliche Bayerische Kin<strong>de</strong>rbildungs-<br />
und -betreuungsgesetz (<strong>BayKiBiG</strong>) weiter. Die Novelle hält an <strong>de</strong>n verbindlichen<br />
Bildungs- und Erziehungszielen, <strong>de</strong>r verpflichten<strong>de</strong>n Bedarfsplanung<br />
<strong>de</strong>r Kommunen sowie <strong>de</strong>r kindbezogenen För<strong>de</strong>rung fest, verbessert die Rahmenbedingungen<br />
weiter und reagiert auf neue Herausfor<strong>de</strong>rungen.<br />
Bildung von Anfang an<br />
Bildung ist <strong>de</strong>r Schlüssel zur Zukunft.<br />
Mehr <strong>de</strong>nn je. Das gilt für<br />
die Entwicklung eines je<strong>de</strong>n jungen<br />
Menschen, aber auch für unsere<br />
Gesellschaft im Ganzen. Der erste und<br />
ursprünglichste Bildungsort ist die Familie:<br />
Hier wird <strong>de</strong>r Grundstein gelegt<br />
für alle Kompetenzen, die wir in <strong>de</strong>r<br />
Lebens- und Arbeitswelt von heute und<br />
morgen brauchen. In <strong>de</strong>r Familie entwickelt<br />
sich beginnend mit <strong>de</strong>n ersten Bindungserfahrungen<br />
die ganze Persönlichkeit.<br />
Hier lernen unsere Kin<strong>de</strong>r soziales<br />
Verhalten – geben und nehmen,<br />
sich etwas zutrauen und einan<strong>de</strong>r vertrauen.<br />
Deshalb wird hier, in <strong>de</strong>r Familie<br />
auch das Band <strong>de</strong>s Generationenzusammenhalts<br />
geknüpft.<br />
Eine qualitativ gute Kin<strong>de</strong>rbetreuung<br />
unterstützt und ergänzt die Familien<br />
bei <strong>de</strong>r Bildung, Erziehung und Betreu-<br />
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ung <strong>de</strong>r Kin<strong>de</strong>r und gewährleistet so<br />
bestmögliche Bildungs- und Entwicklungschancen.<br />
Zugleich ermöglichen<br />
Kin<strong>de</strong>rtageseinrichtungen und Tagesmütter<br />
o<strong>de</strong>r Tagesväter die Vereinbarkeit<br />
von Familie und Erwerbstätigkeit.<br />
Erfolgsmo<strong>de</strong>ll <strong>BayKiBiG</strong><br />
Das <strong>BayKiBiG</strong> ist ein Erfolgsmo<strong>de</strong>ll. Mit<br />
seiner Einführung am 1. August 2005<br />
wur<strong>de</strong>n die Weichen für die Kin<strong>de</strong>rbetreuung<br />
in Bayern neu gestellt und die<br />
Rahmenbedingungen für Familien und<br />
Kin<strong>de</strong>r in Bayern nachhaltig verbessert.<br />
Allein die Ausbauzahlen belegen die<br />
Wirksamkeit <strong>de</strong>s <strong>BayKiBiG</strong> und <strong>de</strong>r<br />
darin verankerten Bedarfsplanung: So<br />
stieg die Zahl <strong>de</strong>r betreuten Kin<strong>de</strong>r mit<br />
bestehen<strong>de</strong>r o<strong>de</strong>r drohen<strong>de</strong>r Behin<strong>de</strong>rung<br />
seit Einführung <strong>de</strong>s <strong>BayKiBiG</strong> um<br />
76 %. Die Zahl <strong>de</strong>r betreuten Kin<strong>de</strong>r mit<br />
Migrationshintergrund erhöhte sich alleine<br />
in <strong>de</strong>n letzten drei Jahren um<br />
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Quelle: StMAS<br />
22,7 %. Die Zahl <strong>de</strong>r betreuten Kin<strong>de</strong>r<br />
unter drei Jahren hat sich sogar vervierfacht.<br />
Dafür war zum einen entschei<strong>de</strong>nd,<br />
dass <strong>de</strong>r Freistaat die Kommunen seit<br />
2005 unabhängig von <strong>de</strong>r Betreuungsform<br />
auf gesetzlicher Basis bei <strong>de</strong>n laufen<strong>de</strong>n<br />
Kosten unterstützt. Zum an<strong>de</strong>ren<br />
wur<strong>de</strong>n die Gemein<strong>de</strong>n zur örtlichen<br />
Bedarfsplanung verpflichtet. Es<br />
kommt dabei nicht auf das Erreichen eines<br />
vorgegebenen Versorgungsziels an,<br />
son<strong>de</strong>rn auf die Prognose <strong>de</strong>s örtlichen<br />
Bedarfs und die Schaffung eines darauf<br />
ausgerichteten Angebots, das kontinuierlich<br />
<strong>de</strong>r Prüfung und ggf. Nachbesserung<br />
bedarf. Dabei haben die Gemein<strong>de</strong>n<br />
auch zu erheben, welche Betreuungsangebote<br />
die Eltern in welchem<br />
Umfang in Anspruch nehmen wollen –<br />
dadurch stehen die Wünsche <strong>de</strong>r Familien<br />
im Mittelpunkt.<br />
Um die Gemein<strong>de</strong>n dabei zu unterstützen,<br />
gewährt ihnen <strong>de</strong>r Freistaat finanzielle<br />
Planungssicherheit. So ist die gesetzliche,<br />
kindbezogene Betriebskostenför<strong>de</strong>rung<br />
vom Freistaat für alle<br />
Betreuungsangebote einschließlich <strong>de</strong>r<br />
Kin<strong>de</strong>rtagespflege unge<strong>de</strong>ckelt. Dadurch<br />
konnte <strong>de</strong>r Freistaat seine Ausgaben<br />
für die Kin<strong>de</strong>rbetreuung in <strong>de</strong>n<br />
letzten Jahren massiv steigern. ■ Grafik 1<br />
Darüber hinaus leistet <strong>de</strong>r Freistaat Finanzhilfen<br />
zu <strong>de</strong>n Investitionskosten im<br />
Rahmen <strong>de</strong>s Kommunalen Finanzausgleichs<br />
und <strong>de</strong>s Son<strong>de</strong>rinvestitionsprogramms<br />
für <strong>de</strong>n Ausbau <strong>de</strong>r Betreuung<br />
von Kin<strong>de</strong>rn unter drei Jahren.<br />
Der Bund hat im Rahmen <strong>de</strong>s Kin<strong>de</strong>rför<strong>de</strong>rungsgesetzes<br />
zum 1. August 2013<br />
einen Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz<br />
für je<strong>de</strong>s Kind ab <strong>de</strong>m vollen<strong>de</strong>ten<br />
ersten Lebensjahr eingeführt.<br />
Die Bürgermeister und Gemein<strong>de</strong>räte<br />
haben sich dieser Herausfor<strong>de</strong>rung gestellt<br />
und mit <strong>de</strong>r bun<strong>de</strong>sweit höchsten<br />
Dynamik Betreuungsplätze ausgebaut,<br />
so dass Bayern bei <strong>de</strong>r Erfüllung <strong>de</strong>s<br />
Rechtsanspruchs auf <strong>de</strong>r Zielgera<strong>de</strong>n<br />
ist. Bei diesem Kraftakt unterstützt <strong>de</strong>r<br />
296 Der Bayerische Bürgermeister 9/2012
2060_DBB_09_2012_g_PDF 29.08.2012 14:19 Uhr Seite 297<br />
Freistaat die Kommunen über die Betriebskostenför<strong>de</strong>rung<br />
und Investitionskostenför<strong>de</strong>rung<br />
nach <strong>de</strong>m <strong>BayKiBiG</strong><br />
hinaus durch ein unge<strong>de</strong>ckeltes Son<strong>de</strong>rinvestitionsprogramm.<br />
Die darin eingestellten<br />
Bun<strong>de</strong>smittel für <strong>de</strong>n Ausbau<br />
von Krippenplätzen in Höhe von<br />
340 Mio. € sind in Bayern bereits verplant<br />
bzw. ausbezahlt. Der Freistaat<br />
führt die För<strong>de</strong>rung nun allein mit Lan<strong>de</strong>smitteln<br />
fort, <strong>de</strong>rzeit mit rund<br />
600 Mio. €, und liegt dabei bun<strong>de</strong>sweit<br />
an <strong>de</strong>r Spitze. Dazu kommen weitere<br />
Mittel aus <strong>de</strong>m Fiskalpakt in Höhe von<br />
91,7 Mio. €, die voll an die Kommunen<br />
weitergeleitet wer<strong>de</strong>n.<br />
Die Unterstützung durch <strong>de</strong>n Freistaat<br />
zeigt Wirkung, was die Entwicklung<br />
<strong>de</strong>r Betreuungsquote <strong>de</strong>r Kin<strong>de</strong>r im<br />
zweiten und dritten Lebensjahr eindrucksvoll<br />
belegt. ■ Grafik 2<br />
Mit <strong>de</strong>m Gesetzentwurf zur Än<strong>de</strong>rung<br />
<strong>de</strong>s <strong>BayKiBiG</strong> knüpft die bayerische<br />
Staatsregierung an diese positive Entwicklung<br />
an und reagiert auf neue Herausfor<strong>de</strong>rungen,<br />
die sich für die Kin<strong>de</strong>rbetreuung<br />
in Bayern stellen.<br />
Entlastung <strong>de</strong>r Familien<br />
und qualitative Impulse<br />
Die Novelle <strong>de</strong>s <strong>BayKiBiG</strong> entlastet die<br />
Familien durch einen Zuschuss zu <strong>de</strong>n<br />
Elternbeiträgen im dritten Kin<strong>de</strong>rgartenjahr.<br />
Der Beitragszuschuss wird in<br />
Höhe von zunächst 50 € monatlich ab<br />
<strong>de</strong>m Kin<strong>de</strong>rgartenjahr 2012/2013 zusätzlich<br />
zur kindbezogenen För<strong>de</strong>rung<br />
an die Kommune ausgezahlt, die diesen<br />
an die Einrichtung weiterleitet. Für das<br />
Kin<strong>de</strong>rgartenjahr 2013/2014 ist als<br />
zweite Stufe eine Erhöhung <strong>de</strong>s Zuschusses<br />
auf 100 € geplant. Damit wird<br />
das letzte Kin<strong>de</strong>rgartenjahr für die<br />
meisten Eltern beitragsfrei.<br />
Für mehr Personal und kleinere Gruppen<br />
senkt <strong>de</strong>r Freistaat <strong>de</strong>n Anstellungsschlüssels<br />
von <strong>de</strong>rzeit 1:11,5 auf<br />
1:11,0. Der Freistaat übernimmt dafür<br />
die Kosten in Höhe von 11 Mio. € und<br />
legt noch einmal 22 Mio. € drauf, was<br />
zu einer weiteren Entlastung <strong>de</strong>r Kommunen<br />
führt. Um <strong>de</strong>n Einrichtungen im<br />
Hinblick auf die Umstellung entgegen<br />
zu kommen, wird eine Übergangsregelung<br />
von zunächst drei Jahren geschaffen.<br />
Quelle: StMAS<br />
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Optimierung <strong>de</strong>s<br />
Verwaltungsverfahrens<br />
Als wesentliche Maßnahme zur weiteren<br />
Optimierung <strong>de</strong>s Verwaltungsverfahrens<br />
sieht die Novelle die Abschaffung<br />
<strong>de</strong>r Gastkin<strong>de</strong>rregelung in Art. 23<br />
<strong>BayKiBiG</strong> vor. Art. 18 Abs. 1 und Art. 22<br />
<strong>BayKiBiG</strong> wer<strong>de</strong>n zu einem allgemeinen<br />
För<strong>de</strong>ranspruch erweitert, womit<br />
die Unterscheidung von bedarfsnotwendigen<br />
und nicht bedarfsnotwendigen<br />
Plätzen für die Frage <strong>de</strong>r kindbezogenen<br />
För<strong>de</strong>rung hinfällig wird. Künftig<br />
ist <strong>de</strong>shalb gesetzlich klargestellt,<br />
dass die kindbezogene För<strong>de</strong>rung nach<br />
<strong>de</strong>m <strong>BayKiBiG</strong> stets durch die Aufenthaltsgemein<strong>de</strong><br />
zu leisten ist. Auf diese<br />
Weise wird das Wunsch- und Wahlrecht<br />
<strong>de</strong>r Eltern umfassend gestärkt.<br />
Der Gesetzentwurf <strong>de</strong>r Staatsregierung<br />
sieht ferner vor, dass die Träger künftig<br />
vierteljährlich aktuelle Daten zur Kin<strong>de</strong>rbetreuung<br />
auf einer Online-Plattform<br />
einstellen müssen. Dies wird die<br />
örtliche Bedarfsplanung <strong>de</strong>r Gemein<strong>de</strong>n<br />
erheblich vereinfachen. Zu<strong>de</strong>m<br />
wer<strong>de</strong>n damit Probleme in <strong>de</strong>n Einrichtungen<br />
o<strong>de</strong>r Verän<strong>de</strong>rungen im Nachfrageverhalten<br />
<strong>de</strong>r Eltern frühzeitig<br />
sichtbar. Die Gemein<strong>de</strong>n können zeitnah<br />
darauf reagieren.<br />
Steigerung <strong>de</strong>r Attraktivität<br />
<strong>de</strong>r Tagespflege<br />
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Thema <strong>de</strong>s Monats<br />
Betreuungsquote (Zahl <strong>de</strong>r betreuten Kin<strong>de</strong>r zur Zahl <strong>de</strong>r Kin<strong>de</strong>r im zweiten und dritten Lebensjahr, jeweils<br />
zum 1. Januar; aktuelle Schätzung <strong>de</strong>r Versorgungsquote für zwei- und dreijährige Kin<strong>de</strong>r 43 %.)<br />
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Ziel <strong>de</strong>r Reform <strong>de</strong>s <strong>BayKiBiG</strong> ist auch<br />
die Steigerung <strong>de</strong>r Attraktivität <strong>de</strong>r Tagespflege<br />
und <strong>de</strong>r Großtagespflege als<br />
echte Alternative zur Kin<strong>de</strong>rkrippe.<br />
Denn die Tagespflege kann entschei<strong>de</strong>nd<br />
dazu beitragen, dass <strong>de</strong>r Rechtsanspruch<br />
auf einen Betreuungsplatz<br />
kommen<strong>de</strong>s Jahr eingehalten wer<strong>de</strong>n<br />
kann. Wenn Einrichtungen mit langen<br />
Öffnungszeiten fehlen, wenn Krippen<br />
mangels Grundstücken nicht gebaut<br />
wer<strong>de</strong>n können o<strong>de</strong>r auf <strong>de</strong>m Arbeitsmarkt<br />
keine Fachkräfte verfügbar sind,<br />
ist die Tagespflege möglicherweise <strong>de</strong>r<br />
Rettungsanker, um <strong>de</strong>n Eltern rechtzeitig<br />
eine Betreuungsmöglichkeit bieten<br />
zu können.<br />
Damit <strong>de</strong>r Ausbau <strong>de</strong>r Tagespflege forciert<br />
wird und an Akzeptanz bei <strong>de</strong>n<br />
Eltern gewinnt, wollen wir zum einen<br />
die Elternbeiträge auf das 1,5-fache <strong>de</strong>r<br />
kindbezogenen staatlichen För<strong>de</strong>rung<br />
begrenzen. Der Höchstbetrag einer<br />
Ganztagsbetreuung wür<strong>de</strong> <strong>de</strong>mnach<br />
für die Eltern rund 300 € betragen. Der<br />
durchschnittliche Krippenplatz kostet<br />
die Eltern im Vergleich etwa 250 €. Soweit<br />
Landkreise und kreisfreie Städte<br />
durch die Deckelung Einnahmen verlieren,<br />
darf man nicht vergessen, dass <strong>de</strong>r<br />
Freistaat die Bun<strong>de</strong>sgel<strong>de</strong>r für Kin<strong>de</strong>r<br />
unter drei Jahren auch für die Tagespflegefälle<br />
ungekürzt an die Kommunen<br />
weiterleitet und diese Unterstützung<br />
durch <strong>de</strong>n Fiskalpakt noch einmal angehoben<br />
wird. Zu<strong>de</strong>m ist die Tagespflege<br />
für die Kommunen unterm Strich auch<br />
weiterhin die günstigere Alternative im<br />
Vergleich zu Kin<strong>de</strong>rkrippen.<br />
Verbesserung <strong>de</strong>r<br />
Bedingungen <strong>de</strong>r<br />
Schulkindbetreuung<br />
Die Novelle soll auch <strong>de</strong>m hohen Bedarf<br />
nach Betreuungsangeboten im<br />
Schulkindbereich, <strong>de</strong>r zunehmen<strong>de</strong>n<br />
Angebotsvielfalt und <strong>de</strong>m Wunsch <strong>de</strong>r<br />
Der Bayerische Bürgermeister 9/2012<br />
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Thema <strong>de</strong>s Monats<br />
Eltern nach passgenauen Kombinationsangeboten<br />
Rechnung tragen. So<br />
wird die Pflicht zur Abstimmung <strong>de</strong>r<br />
Planungen von Schule und Jugendhilfe<br />
gesetzlich verankert. Für Schulkin<strong>de</strong>r<br />
verbessern wir zu<strong>de</strong>m die Ganztagsangebote<br />
insbeson<strong>de</strong>re in Rand- und Ferienzeiten,<br />
in<strong>de</strong>m kombinierte Angebote<br />
von Kin<strong>de</strong>rtageseinrichtungen bzw.<br />
Tagespflege und <strong>de</strong>r Schule erleichtert<br />
wer<strong>de</strong>n.<br />
Stärkung <strong>de</strong>s ländlichen<br />
Raums – Verbesserung <strong>de</strong>r<br />
Landkin<strong>de</strong>rgartenregelung<br />
Um überall in Bayern qualitativ hochwertige<br />
und wohnortnahe Kin<strong>de</strong>rtageseinrichtungen<br />
sicherzustellen, wird<br />
schließlich die Landkin<strong>de</strong>rgartenregelung<br />
verbessert: Die Zahl <strong>de</strong>r Kin<strong>de</strong>r<br />
wird künftig fiktiv auf 25 Kin<strong>de</strong>r hochgerechnet<br />
(bisher 22 Kin<strong>de</strong>r). Außer<strong>de</strong>m<br />
wird durch eine Modifizierung <strong>de</strong>s Berechnungsverfahrens<br />
die För<strong>de</strong>rung erhöht.<br />
Fazit<br />
Mit <strong>de</strong>n geplanten Än<strong>de</strong>rungen im<br />
<strong>BayKiBiG</strong> wird <strong>de</strong>r Freistaat zusätzliche<br />
Mittel in Höhe von bis zu 185 Mio. € pro<br />
Jahr in die Kin<strong>de</strong>rbetreuung investieren.<br />
Die Haushaltsansätze haben sich<br />
seit Einführung <strong>de</strong>s <strong>BayKiBiG</strong> beinahe<br />
verdoppelt. Der staatliche Anteil an <strong>de</strong>n<br />
Grundkosten liegt heute in Bayern<br />
bei 44,3 % (2005: 39,7 %). Durch das<br />
<strong>BayKiBiG</strong> gewährleistet <strong>de</strong>r Freistaat<br />
eine verlässliche För<strong>de</strong>rung. Gleichzeitig<br />
ist es unerlässlich, dass die Gemein<strong>de</strong>n<br />
durch Defizitverträge mit <strong>de</strong>n Trägern<br />
für eine durchgehend hohe Qualität<br />
sorgen. Dieses Geld ist gut<br />
angelegt. Denn Investitionen in die Bildung<br />
und Betreuung sind Investitionen<br />
in die Zukunft unserer Kommunen und<br />
unserer Gesellschaft.<br />
Zweiter Aufschlag zur Novellierung <strong>de</strong>s Bayerischen<br />
Kin<strong>de</strong>rbildungs- und -betreuungsgesetzes<br />
Gerhard Dix, Bayerischer Gemein<strong>de</strong>tag und Julius Forster, Bayerischer Städtetag, bei<strong>de</strong> München<br />
Sieben Jahre nach Inkrafttreten <strong>de</strong>s Bayerischen Kin<strong>de</strong>rbildungs- und -betreuungsgesetzes<br />
(<strong>BayKiBiG</strong>) legt die Bayerische Staatsregierung einen Gesetzentwurf vor,<br />
<strong>de</strong>r eine umfassen<strong>de</strong> Än<strong>de</strong>rung vorsieht. Begrün<strong>de</strong>t wird dieser Novellierungsbedarf<br />
mit aktuellen Herausfor<strong>de</strong>rungen bei <strong>de</strong>r Kin<strong>de</strong>rtagesbetreuung. Aber auch<br />
die zwischenzeitlich verfestigte Rechtsprechung <strong>de</strong>s Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs<br />
zur Gastkin<strong>de</strong>rregelung dürfte zu <strong>de</strong>m vorgelegten Gesetzentwurf<br />
geführt haben. Und wenn man <strong>de</strong>n Gesetzentwurf samt Vorblatt und Begründung<br />
durchliest, so keimt Hoffnung auf, dass nach sieben mageren Jahren großen Verwaltungsaufwands<br />
bei <strong>de</strong>n Kommunen und zahlreichen Stolpersteinen in <strong>de</strong>m<br />
sperrigen Gesetz in <strong>de</strong>n kommen<strong>de</strong>n sieben fetten Jahren sich einiges zum Besseren<br />
wen<strong>de</strong>t. Die Familien sollen kurz vor <strong>de</strong>r nächsten Landtagswahl finanziell entlastet,<br />
die Qualität in <strong>de</strong>n Einrichtungen noch weiter verbessert wer<strong>de</strong>n, u. a. durch<br />
Absenkung <strong>de</strong>s Min<strong>de</strong>stanstellungsschlüssels für das Personal – sofern auf <strong>de</strong>m<br />
Arbeitsmarkt überhaupt noch Erzieher/innen zu fin<strong>de</strong>n sind –; <strong>de</strong>r Verwaltungsaufwand<br />
soll minimiert, die Tagespflege attraktiver und <strong>de</strong>r ländliche Raum gestärkt<br />
wer<strong>de</strong>n. Dafür will <strong>de</strong>r Freistaat im Jahr 185 Mio. € zusätzlich in die Hand nehmen.<br />
Die Kommunen wer<strong>de</strong>n angeblich entlastet, und das Konnexitätsprinzip fin<strong>de</strong>t<br />
völlig überraschend aus diesen Grün<strong>de</strong>n wie<strong>de</strong>r einmal keine Anwendung. Das Gesetz<br />
soll nunmehr nach <strong>de</strong>r Sommerpause verabschie<strong>de</strong>t und in Teilen voraussichtlich<br />
rückwirkend zum 1. September 2012 in Kraft treten. Die Oppositionsparteien<br />
im Bayerischen Landtag haben durchgesetzt, dass vor <strong>de</strong>r Verabschiedung <strong>de</strong>s Gesetzes<br />
eine weitere Verbän<strong>de</strong>anhörung durchgeführt wird. Dies gibt die Chance,<br />
wichtige Belange <strong>de</strong>r Kommunen doch noch im Gesetz zu verankern. Eigentlich<br />
wollte die Staatsregierung zu Beginn <strong>de</strong>s Kita-Jahres alles in trockenen Tüchern<br />
haben. So kommt es eben jetzt zu einem zweiten Aufschlag.<br />
Vorgezogene<br />
Regelungen<br />
Um die für das Sozialministerium<br />
bei<strong>de</strong>n wohl wichtigsten<br />
Än<strong>de</strong>rungen schon zum 1. September<br />
in Kraft setzen zu können, wird<br />
tief in die Trickkiste gegriffen: Erstens<br />
kommt die Elternbeitragsermäßigung<br />
in Form von Vollzugshinweisen zum<br />
1. September 2012. Begrün<strong>de</strong>t wird dies<br />
damit, dass die erfor<strong>de</strong>rlichen Mittel für<br />
2012 bereits haushaltsgesetzlich verankert<br />
sind. Letztlich könnte <strong>de</strong>r Freistaat<br />
Bayern auf dieser Grundlage auch<br />
lediglich eine För<strong>de</strong>rrichtlinie erlassen.<br />
Warum er <strong>de</strong>n umständlicheren Weg<br />
<strong>de</strong>r Verankerung in einem Gesetz sucht,<br />
gibt zu Fragen Anlass. Zweitens soll<br />
<strong>de</strong>r Anstellungsschlüssel durch eine in<br />
Win<strong>de</strong>seile umzusetzen<strong>de</strong> Än<strong>de</strong>rung<br />
<strong>de</strong>r Ausführungsverordnung zum<br />
<strong>BayKiBiG</strong> (AV<strong>BayKiBiG</strong>) umgesetzt<br />
wer<strong>de</strong>n. Die Verschärfung <strong>de</strong>s Anstel-<br />
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lungsschlüssels wird mit einer Übergangsregelung<br />
(Fachkräftemangel) verbun<strong>de</strong>n.<br />
Allerdings ist für die Träger<br />
damit trotz<strong>de</strong>m ein hohes Risiko verbun<strong>de</strong>n,<br />
weil letztlich die ganze För<strong>de</strong>rung<br />
daran hängt, ob <strong>de</strong>r Härtefall anerkannt<br />
wird o<strong>de</strong>r nicht.<br />
Bezuschussung <strong>de</strong>r<br />
Elternbeiträge<br />
Die größte medienwirksame Resonanz<br />
hat <strong>de</strong>r vorgelegte Gesetzentwurf durch<br />
die geplante schrittweise Einführung<br />
<strong>de</strong>r Beitragsfreiheit im dritten Kin<strong>de</strong>rgartenjahr<br />
für die Eltern hervorgerufen.<br />
So sollen die Elterngebühren für alle<br />
Kin<strong>de</strong>r, die das letzte Kin<strong>de</strong>rgartenjahr<br />
besuchen, ab <strong>de</strong>m 1. September 2012<br />
um 50 € pro Monat und Kind reduziert<br />
wer<strong>de</strong>n, ein Jahr später um 100 €. Dafür<br />
will <strong>de</strong>r Freistaat jährlich zusätzliche<br />
125 Mio. € in die Hand nehmen. Die<br />
durchschnittliche Buchungszeit für diese<br />
Kin<strong>de</strong>r beträgt bayernweit mehr als<br />
sechs bis sieben Stun<strong>de</strong>n pro Tag. Dafür<br />
ist im Durchschnitt ein monatlicher Elternbeitrag<br />
in Höhe von 96 € zu entrichten.<br />
Mit <strong>de</strong>r nunmehr beabsichtigten<br />
Bezuschussung <strong>de</strong>s Elternbeitrags in<br />
Höhe von 100 € im Monat könnte man<br />
rein rechnerisch von einem gebührenfreien<br />
Kin<strong>de</strong>rgartenjahr sprechen. Da<br />
aber die Gebühren in Bayern sehr unterschiedlich<br />
von <strong>de</strong>n Kita-Trägern festgesetzt<br />
wer<strong>de</strong>n, wird es künftig Eltern geben,<br />
die für ihre Kin<strong>de</strong>r gar keine Gebühren<br />
mehr zu entrichten haben,<br />
an<strong>de</strong>re wer<strong>de</strong>n weiterhin noch kräftig<br />
draufzahlen.<br />
Wie kommt das Geld an die Eltern? Die<br />
Gemein<strong>de</strong>n wer<strong>de</strong>n im kibig.web, das<br />
ist die webbasierte Abrechnung für das<br />
Kita-För<strong>de</strong>rwesen, eine neue Spalte vorfin<strong>de</strong>n:<br />
Kin<strong>de</strong>r im letzten Kita-Jahr. Dort<br />
wer<strong>de</strong>n die von <strong>de</strong>n freigemeinnützigen<br />
Trägern erhobenen Kin<strong>de</strong>rzahlen eingegeben,<br />
zuzüglich <strong>de</strong>r Kin<strong>de</strong>rzahl, die<br />
kommunale Einrichtungen besuchen.<br />
Aufgrund dieser Meldung fließen künftig<br />
neben <strong>de</strong>n übrigen staatlichen För<strong>de</strong>rmitteln<br />
auch die Elternbeitragszuschüsse<br />
über die Kommunen an die<br />
Träger. Diese wie<strong>de</strong>rum haben sich<br />
gegenüber <strong>de</strong>m Freistaat zu verpflichten,<br />
die Entlastungen an die Eltern weiter<br />
zu geben. Eine Unterscheidung, ob<br />
die bisher erhobenen Elterngebühren<br />
über o<strong>de</strong>r unter 50 bzw. 100 € im Monat<br />
liegen, wird nicht vorgenommen.<br />
Mit diesem Vorpreschen <strong>de</strong>s Freistaats<br />
wird <strong>de</strong>r Druck auf die Kommunen erhöht,<br />
gleichfalls in Sachen Elterngebühren<br />
tätig zu wer<strong>de</strong>n.<br />
Die mehrfach gehörte Begründung zur<br />
Einführung dieses Beitragszuschusses,<br />
man wolle einkommensschwachen Eltern<br />
unter die Arme greifen, geht voll<br />
daneben. Denn bereits heute muss kein<br />
Kind zuhause bleiben, weil sich die Eltern<br />
die Gebühren nicht leisten können.<br />
In diesen Fällen übernimmt die wirtschaftliche<br />
Jugendhilfe die Kosten. Offensichtlich<br />
han<strong>de</strong>lt es sich bei diesem<br />
staatlichen Zuschuss um ein Wahlgeschenk<br />
an die Eltern. Doch selbst die<br />
Elternvertreter verstehen die Welt nicht<br />
mehr. So reagierte <strong>de</strong>r Bayerische Elternverband<br />
einer Agenturmeldung zufolge<br />
mit <strong>de</strong>r Bemerkung, dieser Zuschuss<br />
sei überflüssig und „nicht im<br />
Sinne <strong>de</strong>r Kin<strong>de</strong>r“. In diese Richtung<br />
gehen auch die Einschätzungen von<br />
Bayerischem Städtetag und Bayerischem<br />
Gemein<strong>de</strong>tag: Angesichts <strong>de</strong>r<br />
massiven Kosten durch <strong>de</strong>n Ausbau <strong>de</strong>r<br />
Betreuungsplätze für Kin<strong>de</strong>r unter drei<br />
Jahren und angesichts <strong>de</strong>r ständig steigen<strong>de</strong>n<br />
Qualitätsverbesserungen in <strong>de</strong>n<br />
Einrichtungen wären diese 125 Mio €<br />
im Jahr in <strong>de</strong>n Kitas für diese Zwecke<br />
besser angelegt.<br />
Verbesserung <strong>de</strong>s Min<strong>de</strong>stanstellungsschlüssels<br />
In <strong>de</strong>m vorliegen<strong>de</strong>n Gesetzentwurf<br />
wird angekündigt und in <strong>de</strong>r geplanten<br />
Än<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>r Ausführungsverordnung<br />
(AV<strong>BayKiBiG</strong>) zum 1. September 2012<br />
umgesetzt, dass <strong>de</strong>r bisherige Min<strong>de</strong>stanstellungsschlüssel<br />
von 1:11,5 (§ 17<br />
Abs. 1 AV<strong>BayKiBiG</strong>) auf 1:11,0 verbessert<br />
wer<strong>de</strong>n soll. Die Mehrkosten<br />
schätzt <strong>de</strong>r Freistaat auf 33 Mio. € im<br />
Jahr. 50 Mio. € zu wenig nach unserer<br />
Rechnung. Diese 33 Mio. € will <strong>de</strong>r Freistaat<br />
durch die Einführung eines sogenannten<br />
Basiswertes plus übernehmen.<br />
Künftig soll <strong>de</strong>mnach mit zwei unterschiedlichen<br />
Basiswerten gearbeitet<br />
wer<strong>de</strong>n, einen für die Kommunen und<br />
einen für <strong>de</strong>n Freistaat gelten<strong>de</strong>n. Trotz<br />
dieser Finanzierungszusage wird im<br />
Thema <strong>de</strong>s Monats<br />
Gesetzesvorblatt die Anwendung <strong>de</strong>s<br />
Konnexitätsprinzips verneint. Da wer<strong>de</strong><br />
mal einer schlau: Konnexität nein, zahlen<br />
ja. Das macht hellhörig und skeptisch<br />
zugleich. Auf je<strong>de</strong>n Fall Stoff für<br />
eine Groteske.<br />
Doch neben <strong>de</strong>r Finanzierung <strong>de</strong>s zusätzlich<br />
notwendigen Personals stellt<br />
sich vielerorts ein noch größeres Problem:<br />
Wo sollen die Fachkräfte überhaupt<br />
herkommen? Angesichts <strong>de</strong>s leergefegten<br />
Arbeitsmarktes fin<strong>de</strong>n heute<br />
schon viele Einrichtungsträger keine<br />
Erzieher/innen. Die Verbesserung <strong>de</strong>s<br />
Anstellungsschlüssels schon zum<br />
1. September wird mit und ohne Übergangsregelung<br />
<strong>de</strong>n Fachkräftemangel<br />
verschärfen. Der Einführung <strong>de</strong>s Rechtsanspruchs<br />
auf einen Betreuungsplatz<br />
für Kin<strong>de</strong>r ab <strong>de</strong>m ersten vollen<strong>de</strong>ten<br />
Lebensjahr zum 1. August 2013 wird<br />
damit ein Bärendienst erwiesen. Die im<br />
Entwurf <strong>de</strong>r AV<strong>BayKiBiG</strong> vorgesehene<br />
Übergangsregelung soll drei Jahre gelten.<br />
Aus hiesiger Sicht viel zu kurz. Die<br />
Kita-Träger wer<strong>de</strong>n trotz<strong>de</strong>m unnötig<br />
und zur Unzeit unter Druck gesetzt.<br />
Letztlich müssen sie je<strong>de</strong>s Angebot vom<br />
Arbeitsmarkt annehmen, wenn sie sich<br />
nicht <strong>de</strong>r Gefahr <strong>de</strong>s Verlusts von För<strong>de</strong>rmitteln<br />
aussetzen wollen.<br />
Wegfall <strong>de</strong>r<br />
Gastkin<strong>de</strong>rregelung<br />
Zu heftigen Diskussionen führte mit Inkrafttreten<br />
<strong>de</strong>s <strong>BayKiBiG</strong> im Jahr 2005<br />
die sogenannte Gastkin<strong>de</strong>rregelung in<br />
<strong>de</strong>ssen Artikel 23. Demnach müssen<br />
Aufenthaltsgemein<strong>de</strong>n für in auswärtigen<br />
Einrichtungen betreute Kin<strong>de</strong>r <strong>de</strong>n<br />
kommunalen Finanzierungsanteil übernehmen,<br />
sofern vor Ort <strong>de</strong>r festgestellte<br />
Bedarf nicht abge<strong>de</strong>ckt wer<strong>de</strong>n kann. In<br />
manchen Fällen können sogar Eltern<br />
zur Finanzierung <strong>de</strong>s kommunalen Anteils<br />
herangezogen wer<strong>de</strong>n. Doch seit<br />
<strong>de</strong>m Urteil <strong>de</strong>s Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs<br />
(Az. 12 BV 07.3085)<br />
vom 5. Mai 2008 steht fest, dass Gemein<strong>de</strong>n<br />
das in § 5 Abs. 1 SGB VIII normierte<br />
Wunsch- und Wahlrecht planerisch<br />
nicht einschränken können. Daher<br />
soll die Gastkin<strong>de</strong>rregelung vollständig<br />
aufgehoben wer<strong>de</strong>n. Somit hat künftig<br />
je<strong>de</strong> Aufenthaltsgemein<strong>de</strong> <strong>de</strong>n kommunalen<br />
För<strong>de</strong>ranteil für ihre Kin<strong>de</strong>r zu<br />
Der Bayerische Bürgermeister 9/2012<br />
299
2060_DBB_09_2012_g_PDF 29.08.2012 14:19 Uhr Seite 300<br />
Thema <strong>de</strong>s Monats<br />
übernehmen, unabhängig davon, wo<br />
diese betreut wer<strong>de</strong>n. Damit fällt auch<br />
eine Anerkennung <strong>de</strong>r Bedarfsnotwendigkeit<br />
nach Art. 7 Abs. 2 <strong>BayKiBiG</strong><br />
weg. Entsprechend wer<strong>de</strong>n Art. 7 Abs. 2<br />
und 3 <strong>BayKiBiG</strong> ersatzlos gestrichen.<br />
Daher brauchen künftig auch keine<br />
diesbezüglichen Verwaltungsakte <strong>de</strong>r<br />
Gemein<strong>de</strong>n gegenüber <strong>de</strong>n Kita-Trägern<br />
erlassen wer<strong>de</strong>n. Dies ist ein Beitrag<br />
zur Verwaltungsvereinfachung,<br />
aber auch eine Herausfor<strong>de</strong>rung für<br />
zentrale Orte, wenn es dadurch zum<br />
Andrang von auswärtigen Kin<strong>de</strong>rn<br />
kommen sollte, insbeson<strong>de</strong>re auf Krippenplätze.<br />
Hier können die Gemein<strong>de</strong>n<br />
künftig nur noch vertragliche Regelungen<br />
mit <strong>de</strong>n freien Trägern schließen,<br />
die eine Bevorzugung <strong>de</strong>r Kin<strong>de</strong>r aus<br />
<strong>de</strong>r eigenen Gemein<strong>de</strong> vorsehen. In Betracht<br />
kommt dies z. B. bei Investitionsför<strong>de</strong>rungen,<br />
im Rahmen von Ausschreibungen<br />
und bei Abschluss o<strong>de</strong>r<br />
Än<strong>de</strong>rung von Defizitvereinbarungen.<br />
Durch <strong>de</strong>n Wegfall dieser bisherigen<br />
Unterscheidung zwischen Plätzen für<br />
Gastkin<strong>de</strong>r und auswärts gelegenen<br />
Plätzen, die von <strong>de</strong>r Aufenthaltsgemein<strong>de</strong><br />
als bedarfsnotwenig anerkannt<br />
wor<strong>de</strong>n sind, muss auch die bisherige<br />
Bestimmung zur Investitionskostenför<strong>de</strong>rung<br />
auswärtiger Plätze neu geregelt<br />
wer<strong>de</strong>n.<br />
Investitionskostenför<strong>de</strong>rung<br />
Künftig wer<strong>de</strong>n im Art. 27 <strong>BayKiBiG</strong><br />
nur noch die Finanzierungsverpflichtungen<br />
zwischen <strong>de</strong>m Freistaat und <strong>de</strong>n<br />
Kommunen geregelt, allerdings nicht<br />
mehr die Verpflichtungen im Verhältnis<br />
Kommunen und Träger. Die bisherige<br />
Kostenaufteilung zwischen Kommune<br />
und Träger von zwei Dritteln zu einem<br />
Drittel (Art. 27 Abs. 1 <strong>BayKiBiG</strong>) wird<br />
in <strong>de</strong>r Praxis seit Jahren so gut wie nicht<br />
mehr umgesetzt. Es bedarf hierzu im<br />
Übrigen auch keiner gesetzlichen Regelung.<br />
Ebenso wenig bedarf es einer<br />
solchen, wie sich die Kommunen untereinan<strong>de</strong>r<br />
für <strong>de</strong>n Fall einigen, dass Kin<strong>de</strong>r<br />
aus mehreren Gemein<strong>de</strong>n eine Einrichtung<br />
besuchen. Künftig erhalten<br />
diejenigen Kommunen staatliche Finanzhilfen<br />
über das Finanzausgleichsgesetz<br />
(FAG), die sich an <strong>de</strong>n Investitionskosten<br />
beteiligen. Im Gesetzentwurf<br />
war vorgesehen, dass <strong>de</strong>r Freistaat<br />
seine För<strong>de</strong>rung weiterhin auf <strong>de</strong>r Basis<br />
von zwei Dritteln <strong>de</strong>r zuweisungsfähigen<br />
Kosten bereitstellt (Art. 27 Abs. 1<br />
Satz 1 <strong>BayKiBiG</strong>-Entwurf). Gemein<strong>de</strong>tag<br />
und Städtetag konnten im Rahmen<br />
<strong>de</strong>r FAG-Verhandlungen durchsetzen,<br />
dass – wie bei allen an<strong>de</strong>ren Hochbaumaßnahmen<br />
auch – alle zuweisungsfähigen<br />
Kosten zugrun<strong>de</strong> gelegt wer<strong>de</strong>n.<br />
Dies betrifft aber nur die von <strong>de</strong>r<br />
Kommune selbst getragenen Kosten,<br />
nicht <strong>de</strong>n Anteil <strong>de</strong>s freien Trägers. Aber<br />
immerhin kommen durch unser Eintreten<br />
weitere 30 Mio. € p. a. Lan<strong>de</strong>smittel<br />
in <strong>de</strong>n staatlichen För<strong>de</strong>rtopf.<br />
Landkin<strong>de</strong>rgartenregelung<br />
Zur Finanzierung eingruppiger Kitas,<br />
sofern diese das einzige Betreuungsangebot<br />
in einer Gemein<strong>de</strong> o<strong>de</strong>r in einem<br />
Ortsteil darstellen, gilt bisher schon eine<br />
Son<strong>de</strong>rregelung. Wenn sich eine Gemein<strong>de</strong><br />
bereit erklärt, einen kommunalen<br />
Finanzierungsanteil für 22 Kin<strong>de</strong>r<br />
zu übernehmen, obwohl tatsächlich<br />
weniger Kin<strong>de</strong>r in <strong>de</strong>r Einrichtung betreut<br />
wer<strong>de</strong>n, beteiligt sich <strong>de</strong>r Freistaat<br />
in gleicher Höhe (Art. 24 <strong>BayKiBiG</strong>).<br />
Künftig sollen diese Leistungen für<br />
25 Kin<strong>de</strong>r erbracht wer<strong>de</strong>n (Art. 24<br />
<strong>BayKiBiG</strong>-Entwurf). Darüber hinaus<br />
soll <strong>de</strong>r Min<strong>de</strong>stanstellungsschlüssel<br />
nur für die tatsächlich betreuten Kin<strong>de</strong>r<br />
angewandt wer<strong>de</strong>n.<br />
Damit wird eine langjährige For<strong>de</strong>rung<br />
von Gemein<strong>de</strong>tag und Städtetag erfüllt.<br />
Tagespflege<br />
Das neue <strong>BayKiBiG</strong> will die Attraktivität<br />
<strong>de</strong>r Tages- und <strong>de</strong>r Großtagespflege<br />
verbessern. Die Tagespflege wird bei<br />
<strong>de</strong>r Betreuung von Kin<strong>de</strong>rn unter drei<br />
Jahren nur von 8 % im Vergleich zur<br />
Krippe mit 92 % genutzt. Die Eltern bevorzugen<br />
hier ein<strong>de</strong>utig institutionalisierte<br />
Betreuungsangebote mit hohem<br />
pädagogischem Standard. Außer<strong>de</strong>m<br />
stehen nicht ausreichend Tagespflegepersonen<br />
zur Verfügung, obwohl sich<br />
die örtlichen Jugendhilfeträger in <strong>de</strong>r<br />
Regel sehr um <strong>de</strong>ren Gewinnung und<br />
Qualifizierung bemühen. Ein Grund für<br />
diese niedrige Quote mag auch darin<br />
liegen, dass die Arbeit in Selbständigkeit<br />
erbracht wird und möglicherweise<br />
auch nicht ausreichend lukrativ bezahlt<br />
wird. Das Bayerische Sozialministerium<br />
sieht dagegen <strong>de</strong>n Grund für die verhaltene<br />
Annahme <strong>de</strong>r Tagespflege darin,<br />
dass die Elternbeiträge zu hoch sind.<br />
Bayerischer Landkreistag und Bayerischer<br />
Städtetag empfehlen seit längerem,<br />
dass die Elternbeiträge in <strong>de</strong>r Tagespflege<br />
maximal die Höhe vergleichbarer<br />
Elternbeiträge in Krippen<br />
erreichen sollen. Darüber hinaus will<br />
<strong>de</strong>r Freistaat die Elternbeiträge in <strong>de</strong>r<br />
Tagespflege noch <strong>de</strong>utlicher drücken<br />
und hat in Art. 20 <strong>BayKiBiG</strong>-Entwurf<br />
die zusätzliche För<strong>de</strong>rvoraussetzung<br />
hineingeschrieben, dass die Elternbeteiligung<br />
auf maximal die 1,5-fache Höhe<br />
<strong>de</strong>s staatlichen Anteils <strong>de</strong>r kindbezogenen<br />
För<strong>de</strong>rung begrenzt wird. Dies<br />
wird bei vielen Kommunen, sowohl in<br />
Ballungsräumen als auch im ländlichen<br />
Raum, zu Einnahmeausfällen führen,<br />
die wie<strong>de</strong>rum die Attraktivität <strong>de</strong>r Tagespflege<br />
sicherlich nicht för<strong>de</strong>rn. Zu<br />
be<strong>de</strong>nken ist bei diesem geplanten gesetzgeberischen<br />
Eingriff auch, dass Eltern,<br />
die sich <strong>de</strong>n Beitrag zur Tagespflege<br />
o<strong>de</strong>r zur Krippe nicht leisten können,<br />
die Übernahme dieser Kosten durch die<br />
wirtschaftliche Jugendhilfe zusteht.<br />
Außer<strong>de</strong>m will <strong>de</strong>r Freistaat künftig die<br />
Tagespflege för<strong>de</strong>rn, auch wenn diese<br />
Plätze nicht von <strong>de</strong>r Gemein<strong>de</strong>, son<strong>de</strong>rn<br />
vom Landkreis finanziell mitgetragen<br />
wer<strong>de</strong>n. Dies ist zu begrüßen, weil bisher<br />
einige Städte und Gemein<strong>de</strong>n für<br />
Tagespflegeplätze keine Bedarfsfestsetzung<br />
vorgesehen hatten und <strong>de</strong>r Landkreis<br />
Tagespflege alleine finanzieren<br />
musste.<br />
Ein weiteres Ziel <strong>de</strong>s Gesetzentwurfs ist<br />
<strong>de</strong>r Ausbau <strong>de</strong>r Großtagespflege. Bei<br />
dieser Betreuungsform schließen sich<br />
mehrere Tagespflegepersonen zusammen<br />
und können gleichzeitig bis zu<br />
zehn Kin<strong>de</strong>r in geeigneten Räumlichkeiten<br />
betreuen. Für diese Betreuungsform<br />
soll es künftig eine einrichtungsähnliche<br />
För<strong>de</strong>rung über die Gemein<strong>de</strong><br />
geben (Art. 20a <strong>BayKiBiG</strong>-Entwurf).<br />
Voraussetzung ist, dass min<strong>de</strong>stens eine<br />
Tagespflegeperson die Qualifikation ei-<br />
300 Der Bayerische Bürgermeister 9/2012
2060_DBB_09_2012_g_PDF 29.08.2012 14:19 Uhr Seite 301<br />
ner pädagogischen Fachkraft aufweist.<br />
Die gemeindliche För<strong>de</strong>rung soll an <strong>de</strong>n<br />
„Träger <strong>de</strong>r Großtagespflege“ erfolgen,<br />
wobei unterschiedliche Trägerschaften<br />
möglich sind.<br />
Min<strong>de</strong>stbuchungszeiten<br />
Der Ausbau <strong>de</strong>r schulischen Ganztagsangebote<br />
führt nun endlich auch zu<br />
einer flexibleren Handhabung bei <strong>de</strong>n<br />
Min<strong>de</strong>stbuchungszeiten, so wie es Städtetag<br />
und Gemein<strong>de</strong>tag bereits im Gesetzgebungsverfahren<br />
vor sieben Jahren<br />
gefor<strong>de</strong>rt hatten. So sollen künftig bei<br />
<strong>de</strong>r Feststellung <strong>de</strong>r Min<strong>de</strong>stbuchungszeiten<br />
in Kitas o<strong>de</strong>r in <strong>de</strong>r Tagespflege<br />
auch die Zeiten in schulischen Einrichtungen<br />
zusammengerechnet wer<strong>de</strong>n,<br />
wobei die Berechnung <strong>de</strong>r kindbezogenen<br />
För<strong>de</strong>rung nur auf Grundlage <strong>de</strong>r<br />
jeweiligen Buchungszeit in <strong>de</strong>r Kita<br />
o<strong>de</strong>r bei <strong>de</strong>r Tagespflegeperson erfolgt<br />
(Art. 2 Abs. 5 <strong>BayKiBiG</strong>-Entwurf). Damit<br />
kann die Zusammenarbeit zwischen<br />
Schule und Kita <strong>de</strong>utlich verbessert<br />
wer<strong>de</strong>n und <strong>de</strong>n Kommunen stehen<br />
breitere Handlungsspielräume offen.<br />
Datenschutz<br />
Als eine beson<strong>de</strong>re Schwierigkeit beim<br />
Abrechnungsverfahren gera<strong>de</strong> von Kin<strong>de</strong>rn<br />
in auswärtigen Einrichtungen haben<br />
sich die überaus engen Auslegungen<br />
<strong>de</strong>s Sozialdatenschutzes erwiesen.<br />
Die Aufenthaltsgemein<strong>de</strong> wusste bisher<br />
nicht, für welche Kin<strong>de</strong>r sie einen kindbezogenen<br />
För<strong>de</strong>ranteil zu entrichten<br />
hatte. So war eine Überprüfung <strong>de</strong>r gemel<strong>de</strong>ten<br />
Kin<strong>de</strong>rzahl so gut wie nicht<br />
möglich. Ab kommen<strong>de</strong>n September<br />
sollen die Gemein<strong>de</strong>n ein Einsichtsrecht<br />
in die von <strong>de</strong>n Trägern erhobenen und<br />
gespeicherten Daten erhalten, soweit<br />
dies zur Erfüllung <strong>de</strong>r Aufgaben <strong>de</strong>s<br />
Gesetzes notwendig ist (Art. 26a Abs. 2<br />
Satz 2 <strong>BayKiBiG</strong>-Entwurf). Damit wird<br />
eine langjährige For<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>r Kommunen<br />
erfüllt.<br />
Sonstige Än<strong>de</strong>rungen<br />
Darüber hinaus gibt es zahlreiche weitere<br />
Än<strong>de</strong>rungen im vorgelegten Gesetzentwurf.<br />
So wird die Teilhabe von Kin<strong>de</strong>rn<br />
mit Behin<strong>de</strong>rung am allgemeinen<br />
Bildungssystem <strong>de</strong>r Kitas noch stärker<br />
betont als bisher, um damit <strong>de</strong>m Inklusionsgedanken<br />
Rechnung zu tragen<br />
(Art. 6 Abs. 1 Satz 2, Art. 7 Satz 2,<br />
Art. 12, Art. 21 Abs. 5 <strong>BayKiBiG</strong>-Entwurf);<br />
allerdings allesamt ohne Anerkennung<br />
von konnexitätsrechtlichen<br />
Kostenfolgen.<br />
Art. 9a <strong>BayKiBiG</strong>-Entwurf greift die im<br />
SGB VIII formulierten Bestimmungen<br />
zum Kin<strong>de</strong>rschutz auf.<br />
Künftig haben alle Träger von Kitas unter<br />
<strong>de</strong>n vorgegebenen Voraussetzungen<br />
einen kindbezogenen För<strong>de</strong>ranspruch<br />
gegenüber <strong>de</strong>r Aufenthaltsgemein<strong>de</strong>,<br />
also auch kommunale Einrichtungsträger<br />
(Art. 18 Abs. 1 Satz 1 <strong>BayKiBiG</strong>-Entwurf).<br />
Dies wur<strong>de</strong> schon bisher in <strong>de</strong>r<br />
Regel so vollzogen und dient damit <strong>de</strong>r<br />
Klarstellung.<br />
Bei <strong>de</strong>n För<strong>de</strong>rvoraussetzungen wur<strong>de</strong><br />
auf Drängen <strong>de</strong>r kommunalen Spitzenverbän<strong>de</strong><br />
nunmehr bestimmt, dass die<br />
Einrichtungsträger binnen drei Monaten<br />
nach Aufnahme von ortsfrem<strong>de</strong>n<br />
Kin<strong>de</strong>rn die abgeben<strong>de</strong>n Aufenthaltsgemein<strong>de</strong>n<br />
darüber zu informieren haben<br />
(Art. 19 Nr. 7 <strong>BayKiBiG</strong>-Entwurf).<br />
Vollen<strong>de</strong>t ein Kind außerhalb einer<br />
Krippe sein drittes Lebensjahr und för<strong>de</strong>rt<br />
die Gemein<strong>de</strong> dieses bis zum En<strong>de</strong><br />
<strong>de</strong>s Kita-Jahres mit <strong>de</strong>m Faktor 2,0, so<br />
för<strong>de</strong>rt auch <strong>de</strong>r Freistaat dieses Kind in<br />
gleicher Höhe. Diese bisher schon praktizierte<br />
Vorgehensweise soll nun gesetzlich<br />
geregelt wer<strong>de</strong>n (Art. 21 Abs. 5<br />
Satz 6 <strong>BayKiBiG</strong>-Entwurf).<br />
Fazit<br />
Der vorgelegte Gesetzentwurf beinhaltet<br />
eine Reihe gravieren<strong>de</strong>r Än<strong>de</strong>rungen.<br />
Aus Sicht <strong>de</strong>r Kommunen sind<br />
zahlreiche Än<strong>de</strong>rungen von Be<strong>de</strong>utung.<br />
Thema <strong>de</strong>s Monats<br />
Der Wegfall <strong>de</strong>r Gastkin<strong>de</strong>rregelung ist<br />
sicherlich aus Sicht <strong>de</strong>r kleineren Städte<br />
und Gemein<strong>de</strong>n ein herber Rückschlag.<br />
Was nützt aber eine Bestimmung, die<br />
gegen das Bun<strong>de</strong>srecht verstößt und<br />
von <strong>de</strong>n Gerichten längst als nichtig angesehen<br />
wird? Die Neuregelung wird<br />
zu einer erheblichen verwaltungsmäßigen<br />
Entlastung in <strong>de</strong>n Rathäusern führen.<br />
Der Wegfall <strong>de</strong>r Anerkennung <strong>de</strong>r<br />
Bedarfsnotwendigkeit gegenüber <strong>de</strong>n<br />
Trägern wird ebenfalls tausen<strong>de</strong> von<br />
Verwaltungsakten überflüssig machen.<br />
Je<strong>de</strong> Gemein<strong>de</strong> zahlt für ihre Kin<strong>de</strong>r. So<br />
kann man kurz und bündig die neue<br />
Regelung formulieren. Problematischer<br />
kann dadurch die Einhaltung <strong>de</strong>s<br />
Rechtsanspruchs wer<strong>de</strong>n, wenn ein<br />
Träger die Plätze verstärkt durch auswärtige<br />
Kin<strong>de</strong>r belegen sollte.<br />
Mit <strong>de</strong>r Verbesserung <strong>de</strong>r Landkin<strong>de</strong>rgartenregelung<br />
soll wenigstens <strong>de</strong>n<br />
kleineren Gemein<strong>de</strong>n etwas geholfen<br />
wer<strong>de</strong>n. Den Kin<strong>de</strong>rschwund aufgrund<br />
<strong>de</strong>s Geburtenrückgangs in diesen Orten<br />
wird allerdings auch diese neue Bestimmung<br />
nicht aufhalten.<br />
Die Verbesserung <strong>de</strong>s Anstellungsschlüssels<br />
in einer Zeit, in <strong>de</strong>r die Kita-<br />
Träger gleichzeitig bei leergefegtem Arbeitsmarkt<br />
hän<strong>de</strong>ringend Erzieher/innen<br />
suchen, um <strong>de</strong>n Rechtsanspruch<br />
auf einen Kita-Platz für Kin<strong>de</strong>r ab <strong>de</strong>m<br />
vollen<strong>de</strong>ten ersten Lebensjahr erfüllen<br />
zu können, kommt zur Unzeit, unabhängig<br />
davon, wer die zusätzlichen<br />
Kosten hierfür übernimmt.<br />
Und die beabsichtigte Einführung eines<br />
beitragsfreien letzten Kin<strong>de</strong>rgartenjahres<br />
ist <strong>de</strong>m beginnen<strong>de</strong>n Wahlkampf<br />
geschul<strong>de</strong>t und sollte auch unter diesem<br />
Gesichtspunkt betrachtet wer<strong>de</strong>n.<br />
Die politische Debatte über <strong>de</strong>n vorgelegten<br />
Gesetzentwurf im Bayerischen<br />
Landtag wird sicherlich noch die eine<br />
o<strong>de</strong>r an<strong>de</strong>re Überraschung bringen. Das<br />
Wahljahr 2013 wirft seine Schatten voraus.<br />
Der Bayerische Bürgermeister 9/2012<br />
301
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Thema <strong>de</strong>s Monats<br />
Kein großer Schritt hinsichtlich <strong>de</strong>r<br />
Qualitätsverbesserung<br />
Prälat Bernhard Piendl, Lan<strong>de</strong>s-Caritasdirektor, München<br />
Die Novellierung <strong>de</strong>s <strong>BayKiBiG</strong> ist mit<br />
hohen Erwartungen verbun<strong>de</strong>n. Um<br />
<strong>de</strong>n neuen Herausfor<strong>de</strong>rungen zu<br />
begegnen, die auf die Einrichtungen<br />
zukommen, braucht es <strong>de</strong>utliche Verbesserungen.<br />
Dies gelingt allenfalls<br />
ansatzweise.<br />
Ein kurzer Blick zurück<br />
Um Entwicklungen bewerten zu<br />
können, ist oft ein kurzer Blick<br />
in die Historie hilfreich. Am<br />
1. August 2005 wur<strong>de</strong> mit <strong>de</strong>r Einführung<br />
<strong>de</strong>s „Bayerischen Gesetzes zur Bildung,<br />
Erziehung und Betreuung von<br />
Kin<strong>de</strong>rn in Kin<strong>de</strong>rgärten, an<strong>de</strong>ren Kin<strong>de</strong>rtageseinrichtungen<br />
und in Tagespflege<br />
(<strong>BayKiBiG</strong>)“ ein neues Kapitel in<br />
<strong>de</strong>r bayerischen Kin<strong>de</strong>rgartengeschichte<br />
aufgeschlagen. Vor allem die Finanzierung<br />
wur<strong>de</strong> auf völlig neue Beine gestellt.<br />
Als Grundlage dafür diente nun<br />
nicht mehr <strong>de</strong>r Aufwand im Bereich <strong>de</strong>r<br />
Personal- und Sachkosten, son<strong>de</strong>rn die<br />
Anzahl und die Buchungszeit <strong>de</strong>r Kin<strong>de</strong>r.<br />
Niemand wird heute ernsthaft die<br />
Rückkehr zur alten Systematik for<strong>de</strong>rn.<br />
Allerdings stellt sich die Frage, ob die<br />
damalige Umstellung <strong>de</strong>m damit verbun<strong>de</strong>nen<br />
Anspruch einer Qualitätsverbesserung<br />
gerecht wur<strong>de</strong>. Der Verwaltungsaufwand,<br />
<strong>de</strong>r immer auch zu Lasten<br />
<strong>de</strong>r pädagogischen Arbeit geht,<br />
wur<strong>de</strong> nicht geringer. Viele klagen vielmehr<br />
über eine gegenteilige Entwicklung.<br />
Nicht gera<strong>de</strong> för<strong>de</strong>rlich ist zu<strong>de</strong>m<br />
die Tatsache, dass die Verträge für das<br />
Personal flexibel und häufig befristet<br />
gestaltet wer<strong>de</strong>n müssen. Die Mitarbeiten<strong>de</strong>n<br />
müssen ständig mit einer Verkürzung<br />
o<strong>de</strong>r Verlängerung <strong>de</strong>r Arbeitszeit<br />
rechnen. Einer verlässlichen<br />
Erwerbsbiographie ist dies höchst abträglich<br />
und kann sehr <strong>de</strong>motivieren.<br />
Zur Attraktivität <strong>de</strong>s Erzieherberufes –<br />
und das gera<strong>de</strong> auch im Blick auf junge<br />
Männer – trägt dies nun wirklich nicht<br />
bei. Diese Aspekte gehen in <strong>de</strong>r Debatte<br />
um <strong>de</strong>n viel beschworenen Qualitätssprung<br />
durch die Einführung <strong>de</strong>s<br />
<strong>BayKiBiG</strong> gerne unter. Deshalb ist es<br />
notwendig, sie immer wie<strong>de</strong>r einmal<br />
ins Bewusstsein zu rufen, auch wenn<br />
die insgesamt gute Entwicklung nicht<br />
zu bestreiten ist.<br />
Wirtschaftlichkeit<br />
versus Qualität<br />
Positiv zu vermerken ist, dass sich in<br />
<strong>de</strong>n letzten Jahren die Relation zwischen<br />
Personal und Kind schrittweise<br />
verbessert hat. Dies kommt ohne Zweifel<br />
<strong>de</strong>r Qualität zugute. Ein Kernproblem<br />
bleibt allerdings bestehen. Das<br />
neue <strong>BayKiBiG</strong> ist mit <strong>de</strong>m Anspruch<br />
angetreten, sowohl die Qualität als auch<br />
Wirtschaftlichkeit und Marktorientierung<br />
zu verbessern. Faktisch steht jedoch<br />
bei<strong>de</strong>s in Konkurrenz zueinan<strong>de</strong>r.<br />
Für die Relation zwischen Personal und<br />
Kind ist ein Korridor vorgegeben, <strong>de</strong>r<br />
<strong>de</strong>rzeit nach unten mit <strong>de</strong>m Schlüssel<br />
1:11,5 begrenzt ist und im I<strong>de</strong>alfall sich<br />
nach oben möglichst an <strong>de</strong>n Schlüssel<br />
1:10 heran bewegen sollte. Letztlich<br />
steht <strong>de</strong>r Träger vor einer problematischen<br />
Abwägung: ein schlechterer<br />
Schlüssel be<strong>de</strong>utet weniger Personalaufwand,<br />
also geringere Kosten. Dementsprechend<br />
verbessert sich das wirtschaftliche<br />
Ergebnis. Dagegen führt ein<br />
besserer Schlüssel, <strong>de</strong>r ja die Basis für<br />
eine bessere Qualität bil<strong>de</strong>t, zu einem<br />
schlechteren wirtschaftlichen Ergebnis.<br />
Man kann es drehen o<strong>de</strong>r wen<strong>de</strong>n wie<br />
man will: innerhalb eines bestimmten<br />
Korridors muss sich <strong>de</strong>r Träger entwe<strong>de</strong>r<br />
für mehr Qualität o<strong>de</strong>r für ein besseres<br />
wirtschaftliches Ergebnis entschei<strong>de</strong>n!<br />
An dieser Systematik än<strong>de</strong>rt auch<br />
die geplante Novellierung nichts. Ich<br />
appelliere hier dringend an die Bürgermeister<br />
und Räte, die Träger nicht über<br />
das Instrument <strong>de</strong>r Betriebskosten<strong>de</strong>fizitvereinbarungen<br />
zur schlechteren<br />
Qualität zu zwingen, in<strong>de</strong>m um <strong>de</strong>s<br />
wirtschaftlichen Ergebnisses willen <strong>de</strong>r<br />
Anstellungsschlüssel nach unten gedrückt<br />
wer<strong>de</strong>n soll.<br />
Was schafft die<br />
Novellierung?<br />
Für <strong>de</strong>n Blick auf die geplante Novellierung<br />
<strong>de</strong>s <strong>BayKiBiG</strong> mit <strong>de</strong>r entsprechen<strong>de</strong>n<br />
Ausführungsverordnung<br />
scheint <strong>de</strong>r knappe Rückblick auf die<br />
Entstehung <strong>de</strong>s Gesetzes vor 7 Jahren<br />
sowie die bisherige Entwicklung sinnvoll<br />
und notwendig zu sein. Die entschei<strong>de</strong>n<strong>de</strong><br />
Frage lautet: bringt die Novellierung<br />
einen echten Qualitätsschub<br />
nach vorne? Hier sind echte Zweifel<br />
angebracht. Zunächst bringt die Novellierung<br />
eine <strong>de</strong>utliche finanzielle Entlastung<br />
für die Eltern im letzten Kin<strong>de</strong>rgartenjahr.<br />
Dafür wer<strong>de</strong>n vom Freistaat<br />
erhebliche Mittel aufgewen<strong>de</strong>t:<br />
60 Mio. € in <strong>de</strong>r ersten und 125 Mio. € in<br />
<strong>de</strong>r zweiten Stufe. Die Hoffnung war,<br />
dass eine vergleichbare Summe auch in<br />
die Qualitätsverbesserung in <strong>de</strong>n Einrichtungen<br />
selber fließt. Diese fällt<br />
nach einer vorläufigen Berechnung mit<br />
33 Mio. € jedoch <strong>de</strong>utlich geringer aus.<br />
Die Summe hört sich zunächst durchaus<br />
beträchtlich an. Verteilt auf sämtliche<br />
Einrichtungen kommt jedoch bei<br />
<strong>de</strong>r einzelnen Einrichtung nicht mehr<br />
viel an. Wenn ein Träger durch <strong>de</strong>n sog.<br />
„Basiswert plus“, <strong>de</strong>n nur <strong>de</strong>r Staat,<br />
nicht jedoch die Kommune erbringt, pro<br />
Jahr z. B. 3.000–4.000 € mehr Einnahmen<br />
erzielt, kann er die für eine gute pädagogische<br />
Arbeit erfor<strong>de</strong>rliche bessere<br />
Personalausstattung allenfalls in einem<br />
sehr geringen Umfang vornehmen<br />
(wenn er nicht gar <strong>de</strong>r Versuchung erliegt,<br />
diesen Zusatzbetrag zur Verbesserung<br />
seines wirtschaftlichen Ergebnis-<br />
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ses und nicht <strong>de</strong>r pädagogischen Qualität<br />
zu verwen<strong>de</strong>n).<br />
Dass <strong>de</strong>r Min<strong>de</strong>stschlüssel durch die<br />
Ausführungsverordnung auf 1:11 angehoben<br />
wird, ist selbstverständlich zu<br />
begrüßen. Diejenigen, die <strong>de</strong>n bisherigen<br />
Schlüssel bis ganz nach unten ausgereizt<br />
haben, wer<strong>de</strong>n zu einer Verbesserung<br />
gezwungen. Ein echter und<br />
spürbarer Qualitätsschub in <strong>de</strong>r gesamten<br />
Breite <strong>de</strong>r Einrichtungen in Bayern<br />
ist jedoch dadurch nicht zu erreichen.<br />
Und das ist scha<strong>de</strong>.<br />
Neuen Herausfor<strong>de</strong>rungen<br />
begegnen<br />
Eine Verbesserung <strong>de</strong>r Bedingungen zugunsten<br />
einer Steigerung <strong>de</strong>r Qualität<br />
ist dringend erfor<strong>de</strong>rlich. Das hat nichts<br />
mit <strong>de</strong>n fachlichen und menschlichen<br />
Fähigkeiten <strong>de</strong>s Personals zu tun. Es<br />
Thema <strong>de</strong>s Monats<br />
liegt vielmehr an neuen Ansprüchen,<br />
die an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter<br />
herangetragen wer<strong>de</strong>n. So fragen<br />
Eltern zunehmend in ihrer eigenen familiären<br />
Erziehungsarbeit die Fachlichkeit<br />
<strong>de</strong>s Personals nach. Dies ist ein eindrucksvoller<br />
Beleg für das gute Miteinan<strong>de</strong>r<br />
zwischen Einrichtung und<br />
Personal. Und es kommt damit <strong>de</strong>ren<br />
Selbstverständnis als familienunterstützen<strong>de</strong>r<br />
Dienst sehr gut zum Ausdruck.<br />
Diese Art <strong>de</strong>r Familienorientierung<br />
braucht angemessene zeitliche Spielräume.<br />
Diese sind jedoch faktisch kaum gegeben<br />
und die geplante Novellierung<br />
lässt hier lei<strong>de</strong>r keine Verbesserung erwarten.<br />
Des Weiteren erfor<strong>de</strong>rt die pädagogische<br />
Arbeit mit Kin<strong>de</strong>rn unter<br />
3 Jahren o<strong>de</strong>r mit behin<strong>de</strong>rten Kin<strong>de</strong>rn<br />
eine ständige Weiterqualifizierung.<br />
Auch dafür sind die zeitlichen Möglichkeiten<br />
sehr begrenzt. Und schließlich<br />
nimmt die Zahl von Kin<strong>de</strong>rn mit gewissen<br />
Auffälligkeiten, die eine beson<strong>de</strong>re<br />
und intensivere Zuwendung brauchen,<br />
ten<strong>de</strong>nziell zu.<br />
Genau dies aber war die Erwartung an<br />
die Novellierung, nämlich in diesen<br />
(und natürlich noch weiteren) Bereichen<br />
eine <strong>de</strong>utliche Verbesserung <strong>de</strong>r<br />
Qualität zu ermöglichen. Wenn ich von<br />
Qualität spreche, dann ist dies kein leerer<br />
Begriff, son<strong>de</strong>rn mit konkreten Inhalten<br />
hinterlegt, wie dies im vorausgehen<strong>de</strong>n<br />
Abschnitt dargelegt wur<strong>de</strong>. Das<br />
Rad <strong>de</strong>r Geschichte dreht sich weiter.<br />
Neue Anfor<strong>de</strong>rungen wer<strong>de</strong>n an Träger,<br />
Einrichtung und Personal herangetragen.<br />
Diesen muss angemessen begegnet<br />
wer<strong>de</strong>n. Das sollte in einer Novellierung<br />
möglich gemacht wer<strong>de</strong>n. Eine<br />
gewisse Bewegung in diese Richtung ist<br />
zu erkennen. Im Grun<strong>de</strong> aber wird<br />
nicht recht viel mehr erreicht als <strong>de</strong>n<br />
bisherigen Status zu halten. Das ist<br />
nicht viel genug.<br />
Verlässliche Planungsgrundlagen erfor<strong>de</strong>rlich<br />
Pia Theresia Franke, Geschäftsführerin, Verband kath. Kin<strong>de</strong>rtageseinrichtungen Bayern e.V.,<br />
München<br />
Aktuelle und künftige gesellschaftliche<br />
Verän<strong>de</strong>rungen stellen Träger<br />
und Kin<strong>de</strong>rtageseinrichtungen vor<br />
große Herausfor<strong>de</strong>rungen. Um entsprechend<br />
qualitätsvoll und angemessen<br />
reagieren zu können, benötigen<br />
Träger verlässliche personelle<br />
und finanzielle Planungsgrundlagen.<br />
Mit <strong>de</strong>r Einführung <strong>de</strong>s<br />
Bayerischen Kin<strong>de</strong>rbildungsund<br />
-betreuungsgesetzes<br />
(<strong>BayKiBiG</strong>) im Jahre 2005 wur<strong>de</strong> die<br />
För<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>r Kin<strong>de</strong>rtageseinrichtungen<br />
grundlegend geän<strong>de</strong>rt – die Personalkostenför<strong>de</strong>rung<br />
wur<strong>de</strong> zugunsten<br />
einer kindbezogenen För<strong>de</strong>rung einund<br />
umgestellt. Basiswert, Buchungszeiten<br />
und Gewichtungsfaktoren bestimmten<br />
von nun an das Abrechnungsverfahren.<br />
Seit <strong>de</strong>r Einführung <strong>de</strong>s Gesetzes<br />
und <strong>de</strong>r Implementierung <strong>de</strong>s<br />
Bayerischen Bildungs- und Erziehungsplanes<br />
(BayBEP), so zeigen es die Erfahrungen,<br />
wer<strong>de</strong>n an die Träger und Einrichtungen<br />
sowie an das pädagogische<br />
Fachpersonal ständig höhere Anfor<strong>de</strong>rungen<br />
gestellt und ihnen neue Aufgaben<br />
zugewiesen; dies hat die Beteiligten<br />
vor immer neue und zusätzliche<br />
Herausfor<strong>de</strong>rungen gestellt. Daher ist<br />
die Frage gestattet: Ist eine nur kindbezogene<br />
För<strong>de</strong>rung ausreichend, um die<br />
Rahmenbedingungen von Kin<strong>de</strong>rtageseinrichtungen,<br />
adäquat und an aktuellen<br />
und künftigen Herausfor<strong>de</strong>rungen<br />
orientiert, entsprechend realistisch zu<br />
finanzieren?<br />
Zeigen doch die Erfahrungen, dass<br />
durch die Systematik <strong>de</strong>r kindbezogenen<br />
För<strong>de</strong>rung eine notwendige strukturelle<br />
Qualitätsvorgabe nicht ausreichend<br />
gesichert ist. Die ausschließlich<br />
kindbezogene För<strong>de</strong>rung – nur jeweils<br />
angepasst auf <strong>de</strong>r Grundlage <strong>de</strong>r Tarifsteigerungen<br />
– wird <strong>de</strong>n ständig steigen<strong>de</strong>n<br />
Anfor<strong>de</strong>rungen, die an die Einrichtungen<br />
gestellt wer<strong>de</strong>n, nicht in<br />
ausreichen<strong>de</strong>m Maße gerecht. Es besteht<br />
Handlungsbedarf; <strong>de</strong>nn die Qualität<br />
in <strong>de</strong>r Bildung, Erziehung und Betreuung<br />
ist nicht nur Angelegenheit <strong>de</strong>r<br />
pädagogischen Fachkräfte in <strong>de</strong>n Kin<strong>de</strong>rtageseinrichtungen.<br />
Sie ist wesentliche<br />
Aufgabe von politischen Entscheidungsträgern,<br />
tragen sie doch eine<br />
beson<strong>de</strong>re Verantwortung: Sie entschei<strong>de</strong>n<br />
durch Gesetze und Verordnungen<br />
über die Rahmenbedingungen, in <strong>de</strong>nen<br />
Träger und Fachkräfte Qualität umsetzen<br />
können. Und sie entschei<strong>de</strong>n<br />
über die Prioritäten, die Politik setzt.<br />
Derzeit steht zu befürchten, dass sich<br />
die Schere zwischen steigen<strong>de</strong>n Anfor<strong>de</strong>rungen<br />
und <strong>de</strong>r (finanziellen) Ausstattung<br />
weiter öffnet – zu Lasten <strong>de</strong>r<br />
Qualität in <strong>de</strong>r Bildung, Erziehung und<br />
Betreuung und damit zu Lasten <strong>de</strong>r<br />
Der Bayerische Bürgermeister 9/2012<br />
303
2060_DBB_09_2012_g_PDF 29.08.2012 14:19 Uhr Seite 304<br />
Thema <strong>de</strong>s Monats<br />
Kin<strong>de</strong>r und ihrer Familien. Mahnen<br />
doch auch die Befun<strong>de</strong> <strong>de</strong>r jüngst veröffentlichten<br />
Nubbek Studie dringend<br />
Verbesserungspotentiale an.<br />
Daher sind verlässliche Planungsgrundlagen<br />
für Träger und <strong>de</strong>ren Einrichtungen<br />
in personeller und finanzieller<br />
Hinsicht dringend geboten. Grundsätzlich<br />
sei hier angemerkt, eine<br />
finanzielle Absicherung im Sinne einer<br />
verlässlichen Planung muss unabhängig<br />
von <strong>de</strong>r Größe <strong>de</strong>r Einrichtung und<br />
unabhängig vom konzeptionellen<br />
Schwerpunkt (Aufnahme von Kin<strong>de</strong>rn<br />
mit beson<strong>de</strong>ren Bedürfnissen, Kin<strong>de</strong>r<br />
unter drei Jahren etc.) gewährleistet<br />
sein. Anhand nachfolgen<strong>de</strong>r Problemanzeigen<br />
soll dies exemplarisch dargestellt<br />
wer<strong>de</strong>n.<br />
Personelle<br />
Planungssicherheit –<br />
konkret<br />
Seit <strong>de</strong>r Einführung <strong>de</strong>r kindbezogenen<br />
För<strong>de</strong>rung nimmt <strong>de</strong>r Anteil an Teilzeitbeschäftigung<br />
im Bereich <strong>de</strong>r Kin<strong>de</strong>rtageseinrichtungen<br />
zu. War die Teilzeitbeschäftigung<br />
noch vor <strong>de</strong>r Einführung<br />
<strong>de</strong>s <strong>BayKiBiG</strong> die Ausnahme, wird es<br />
nun die Regel. Das macht <strong>de</strong>n Beruf <strong>de</strong>r<br />
Erzieherin und <strong>de</strong>s Erziehers nicht gera<strong>de</strong><br />
attraktiv. Die Zunahme von Teilzeitbeschäftigungen<br />
exponiert sich bei Trägern,<br />
bei <strong>de</strong>nen keine Betriebskostenvereinbarung<br />
mit Kommunen vorliegt.<br />
Die Frage <strong>de</strong>r Qualität – auch eine Frage<br />
<strong>de</strong>r Finanzierung. Die Situationen vor<br />
Ort zeigen, dass Träger auf kurzfristige<br />
Schwankungen in <strong>de</strong>r Belegung reagieren<br />
müssen – keine einfache Angelegenheit<br />
in Zeiten eines bayernweiten Fachkräftemangels.<br />
Die Planungen <strong>de</strong>s<br />
Freistaates in einen<br />
verbesserten Anstellungsschlüssel<br />
zu investieren<br />
weisen die richtige<br />
Richtung, doch…<br />
erachten die katholischen Träger und<br />
Entscheidungsträger die vorgesehene<br />
Anhebung von <strong>de</strong>rzeit 1:11,5 auf 1:11,0<br />
als nicht ausreichend und for<strong>de</strong>rn<br />
aus fachlichen und wissenschaftlichen<br />
Grün<strong>de</strong>n seit langem eine Verbesserung<br />
auf 1:10,0. Dies empfiehlt <strong>de</strong>r Gesetzgeber<br />
übrigens bereits jetzt in <strong>de</strong>r<br />
bestehen<strong>de</strong>n Ausführungsverordnung<br />
(AV<strong>BayKiBiG</strong>), schon um die Kin<strong>de</strong>rtageseinrichtung<br />
als Bildungseinrichtung<br />
abzusichern. Eine am Schlüssel 1:10,0<br />
ausgerichtete Personalpolitik gibt <strong>de</strong>m<br />
Träger wichtige Freiräume, zum Beispiel<br />
um während <strong>de</strong>s Kin<strong>de</strong>rgartenjahres<br />
weitere Kin<strong>de</strong>r aufzunehmen o<strong>de</strong>r<br />
um <strong>de</strong>m pädagogischen Personal Verfügungszeiten<br />
zu gewähren, die es für die<br />
Begleitung und Dokumentation <strong>de</strong>r Bildungs-<br />
und Lernprozesse <strong>de</strong>r Kin<strong>de</strong>r<br />
benötigt. Die For<strong>de</strong>rung nach mehr Personal<br />
ist zwingend mit Überlegungen<br />
zur Personalgewinnung verbun<strong>de</strong>n; bedarf<br />
es doch strategischer Überlegungen<br />
und nicht I<strong>de</strong>en, die aus einem<br />
Mangel heraus formuliert wer<strong>de</strong>n. Erinnert<br />
sei hier beispielsweise an Vorschläge,<br />
ungelernte Kräfte in Kin<strong>de</strong>rtageseinrichtungen<br />
einzusetzen o<strong>de</strong>r<br />
Kräfte in Schnellkursen zu qualifizieren.<br />
Dies steht im eklatanten Wi<strong>de</strong>rspruch<br />
zur For<strong>de</strong>rung „Die Besten für<br />
die Jüngsten“; bedarf es doch gera<strong>de</strong> für<br />
die jüngeren Kin<strong>de</strong>r in dieser sensiblen<br />
Lebensphase beson<strong>de</strong>rs geschulter<br />
Fachkräfte und verlässlicher Bezugspersonen.<br />
Doch dazu benötigen Träger<br />
sowohl eine ausreichend gesicherte Personalpolitik<br />
als auch Optionen von<br />
Übergangsregelungen.<br />
Ergänzend sei hier angemerkt, dass <strong>de</strong>r<br />
Anstellungsschlüssel lediglich eine<br />
rechnerische Größe darstellt und keine<br />
<strong>de</strong>finitive Fachkraft-Kind-Relation („eine<br />
Kraft auf 11 Kin<strong>de</strong>r“) wie<strong>de</strong>rgibt;<br />
<strong>de</strong>nn es wer<strong>de</strong>n alle Tätigkeiten außerhalb<br />
<strong>de</strong>r Gruppe („Verfügungszeiten“)<br />
bei <strong>de</strong>r Berechnung <strong>de</strong>s Anstellungsschlüssels<br />
nicht geson<strong>de</strong>rt ausgewiesen<br />
(vgl. Iska, 2004).<br />
Finanzielle<br />
Planungssicherheit –<br />
konkret<br />
Eine Absenkung <strong>de</strong>s Anstellungsschlüssels<br />
zur Qualitätssteigerung muss jedoch<br />
zwingend mit einer Erhöhung <strong>de</strong>s<br />
Basiswertes verbun<strong>de</strong>n sein. Die angestrebte<br />
Verbesserung <strong>de</strong>r Qualität ist<br />
<strong>de</strong>utlich unterfinanziert, da die veranschlagten<br />
Mehrkosten als Berechnungsgrundlage<br />
offenbar nur diejenigen Einrichtungen<br />
berücksichtigen, die <strong>de</strong>n<br />
verbesserten Anstellungsschlüssel von<br />
1:11,0 noch nicht aufweisen. Welche<br />
Schlussfolgerungen lassen sich aus diesem<br />
Berechnungsmo<strong>de</strong>ll ziehen? Träger,<br />
die sich um höhere Qualität bemüht<br />
haben und jetzt schon einen besseren<br />
Anstellungsschlüssel zugrun<strong>de</strong>legen,<br />
finanzieren diesen aus einer höheren<br />
Beteiligung, höheren Elternbeiträgen<br />
und/o<strong>de</strong>r höheren Betriebskostenzuschüssen<br />
<strong>de</strong>r Kommunen. Da jedoch<br />
diese Träger gera<strong>de</strong> nicht als Maßstab<br />
für die Neuberechnung <strong>de</strong>s Basiswertes<br />
herangezogen wer<strong>de</strong>n, son<strong>de</strong>rn ausschließlich<br />
die Träger, die diesen Schlüssel<br />
noch nicht erreicht haben, wird aufgrund<br />
<strong>de</strong>s Einsatzes eigener Mittel <strong>de</strong>r<br />
Träger und <strong>de</strong>r Kommunen zur Qualitätssteigerung<br />
nun <strong>de</strong>r Basiswert nur<br />
ungenügend angehoben. Der zusätzliche<br />
Aufwand engagierter Träger und<br />
Kommunen führt damit zu negativen<br />
Konsequenzen, was nicht gutgeheißen<br />
wer<strong>de</strong>n kann. Damit kann eine adäquate<br />
Finanzierung für Einrichtungen, die<br />
<strong>de</strong>n Anstellungsschlüssel von 1:11,0<br />
nicht erreicht haben, nicht sichergestellt<br />
wer<strong>de</strong>n. Den Berechnungen für eine<br />
ausreichen<strong>de</strong> Finanzierung zufolge,<br />
wären mehr als 80 Mio. € erfor<strong>de</strong>rlich.<br />
Der maximale Ausgleichsbetrag von<br />
33 Mio. € ist somit unterfinanziert. Bereits<br />
bei <strong>de</strong>r Verbesserung <strong>de</strong>s Anstellungsschlüssels<br />
von 1:12,5 auf 1:11,5 im<br />
Jahre 2008 wur<strong>de</strong> eine Erhöhung <strong>de</strong>s<br />
Basiswertes von 8 % von Seiten <strong>de</strong>r Träger<br />
als erfor<strong>de</strong>rlich betrachtet, um <strong>de</strong>n<br />
Mehraufwand angemessen kompensieren<br />
zu können; erzielt wur<strong>de</strong> jedoch<br />
lediglich ein Ausgleich von 1,74 %<br />
(s. Newsletter Nr. 71 <strong>de</strong>s StMAS). Die<br />
höhere Belastung <strong>de</strong>r Träger musste z. T.<br />
auch durch höhere Beiträge ausgeglichen<br />
wer<strong>de</strong>n. Nicht nur eine Anhebung<br />
<strong>de</strong>s Basiswertes wäre dringend erfor<strong>de</strong>rlich,<br />
son<strong>de</strong>rn eine Neubewertung<br />
<strong>de</strong>r Faktoren, die in die Berechnung <strong>de</strong>s<br />
Basiswertes einfließen, wäre zur Min<strong>de</strong>rung<br />
finanziellen Risikos <strong>de</strong>r Träger zu<br />
for<strong>de</strong>rn. (Der Basiswert resultiert aus<br />
<strong>de</strong>n Umrechnungen <strong>de</strong>s zugrun<strong>de</strong>gelegten<br />
Volumens <strong>de</strong>r staatlichen Personalkostenför<strong>de</strong>rung<br />
aus <strong>de</strong>m Jahr<br />
2002/2003. Der Basiswert wur<strong>de</strong> entsprechend<br />
tariflicher Entwicklungen<br />
modifiziert.)<br />
304 Der Bayerische Bürgermeister 9/2012
2060_DBB_09_2012_g_PDF 29.08.2012 14:19 Uhr Seite 305<br />
Problemanzeige<br />
Gewichtungsfaktoren?<br />
Wenn Träger Kin<strong>de</strong>r mit Gewichtungsfaktoren,<br />
z. B. Kin<strong>de</strong>r mit Behin<strong>de</strong>rung,<br />
in die Einrichtung aufnehmen, steigt die<br />
finanzielle Belastung. Dies resultiert sowohl<br />
durch einen Ausfall <strong>de</strong>r Elternbeiträge<br />
als auch durch die Aufnahme von<br />
Kin<strong>de</strong>rn mit Gewichtungsfaktoren;<br />
<strong>de</strong>nn je mehr Kin<strong>de</strong>r mit Anspruch auf<br />
Gewichtungsfaktoren in <strong>de</strong>r Einrichtung<br />
betreut und je länger die Buchungszeiten<br />
wahrgenommen wer<strong>de</strong>n,<br />
<strong>de</strong>sto größer das finanzielle Risiko. Anhand<br />
einer Mo<strong>de</strong>llberechnung wird<br />
dies <strong>de</strong>utlich: So ergibt sich für ein Kind<br />
mit Behin<strong>de</strong>rung mit Gewichtungsfaktor<br />
4,5 bei einer Buchungszeit von<br />
4,5 Stun<strong>de</strong>n und einem Anstellungsschlüssel<br />
von 1:10,0 ein Verlust von<br />
5.664 €.<br />
Für katholische Einrichtungen sind<br />
Chancengerechtigkeit und die Möglichkeit<br />
zur Teilhabe für alle Kin<strong>de</strong>r wichtige<br />
Anliegen. Fachleute sprechen von Inklusion.<br />
Das neue Gesetz soll Inklusion<br />
beför<strong>de</strong>rn, doch fehlen die personellen<br />
und finanziellen Rahmenbedingungen.<br />
Rahmenbedingungen und Verwaltungsabläufe<br />
wären daher zu schaffen,<br />
um Inklusion zu ermöglichen, in<strong>de</strong>m<br />
z. B. nebeneinan<strong>de</strong>r vorhan<strong>de</strong>ne Gewichtungsfaktoren<br />
addiert wer<strong>de</strong>n und<br />
sich nicht ausschließen. Kin<strong>de</strong>r, Eltern<br />
und Träger stehen vor hohen bürokratischen<br />
Hür<strong>de</strong>n.<br />
Hinlänglich bekannt ist, dass sich die<br />
Qualität einer Einrichtung an zentralen<br />
Aspekten bemessen lässt: <strong>de</strong>m Fachkraft-Kind-Schlüssel,<br />
<strong>de</strong>r Gruppengröße<br />
und <strong>de</strong>r Qualifikation <strong>de</strong>s Personals.<br />
Definierte Finanzierungsstrukturen bestimmen<br />
sowohl die Quantität als auch<br />
die Qualität <strong>de</strong>r Angebote in Kin<strong>de</strong>rtageseinrichtungen.<br />
Daher wäre auch eine<br />
Ergänzung <strong>de</strong>r kindbezogenen För<strong>de</strong>rung<br />
mit qualitäts-, einrichtungs- o<strong>de</strong>r<br />
sog. standortbezogenen Komponenten<br />
dringend erfor<strong>de</strong>rlich, um einen bedarfsgerechten<br />
Ressourceneinsatz zu<br />
ermöglichen. Dies ist unter an<strong>de</strong>rem erfor<strong>de</strong>rlich<br />
für eine zunehmend notwendige<br />
Familienorientierung <strong>de</strong>r Kin<strong>de</strong>rtageseinrichtung<br />
o<strong>de</strong>r auch für eine<br />
Berücksichtigung <strong>de</strong>r Situation <strong>de</strong>r<br />
Landkin<strong>de</strong>rgärten. Auch wenn die Bertelsmannstiftung<br />
konstatiert, dass es<br />
das richtige Finanzierungssystem nicht<br />
gibt, so formuliert sie doch Bausteine<br />
und Voraussetzungen für ein wirksames<br />
Finanzierungskonzept, um <strong>de</strong>n<br />
Ressourcenbedarf ausreichend zu <strong>de</strong>cken.<br />
Bock-Fomula verweist in ihren<br />
Thema <strong>de</strong>s Monats<br />
Ausführungen auf einen Finanzierungsmodus,<br />
<strong>de</strong>r sich vom Bildungsund<br />
Betreuungsauftrag ableitet. (vgl.<br />
Bock-Fomula, K.: Neugestaltung eines<br />
Finanzierungssystems für Kin<strong>de</strong>rtageseinrichtungen.<br />
2012)<br />
Schlussbemerkung<br />
Eine Novellierung eines Gesetzes bietet<br />
immer auch die Möglichkeit einer Zäsur<br />
und damit die Chance einer kritischen<br />
Überprüfung <strong>de</strong>s entwickelten Systems.<br />
Ob jedoch eine grundsätzliche kritische<br />
Betrachtung auch die <strong>de</strong>s Finanzierungssystems<br />
umfasst o<strong>de</strong>r nur einzelne<br />
„Stellschrauben“ im Gesetz zur<br />
Diskussion stehen, ist eine zu treffen<strong>de</strong><br />
Entscheidung <strong>de</strong>r politisch Verantwortlichen.<br />
Kin<strong>de</strong>rtagesbetreuung ist eine<br />
gesamtgesellschaftliche Aufgabe und<br />
schließt immer auch die Qualität <strong>de</strong>r<br />
Bildung, Erziehung und Betreuung <strong>de</strong>r<br />
Kin<strong>de</strong>r in unseren Kin<strong>de</strong>rtageseinrichtungen<br />
mit ein. Die Frage <strong>de</strong>r Qualität –<br />
auch eine Frage <strong>de</strong>r Finanzierung. Deshalb<br />
benötigen Träger und ihre Einrichtungen<br />
verlässliche Planungsgrundlagen<br />
und erkennbare fachlich gebotene<br />
Nachbesserungen im <strong>BayKiBiG</strong>.<br />
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Der Bayerische Bürgermeister 9/2012<br />
305
2060_DBB_09_2012_g_PDF 29.08.2012 14:19 Uhr Seite 306<br />
Thema <strong>de</strong>s Monats<br />
Familienfreundliche Kommune:<br />
Kin<strong>de</strong>rtagesstätten leicht verwaltet!<br />
Werner Thierbach, Geschäftsfeld ServicePlus, AKDB, Augsburg und Andreas Huber,<br />
Presse- und Öffentlichkeitsarbeit, AKDB, München<br />
Eine verantwortungsbewusste Kommune kümmert sich in beson<strong>de</strong>rem Maße um<br />
junge Familien. Verschie<strong>de</strong>ne Instrumente können <strong>de</strong>ren Lebensumfeld verbessern.<br />
Mit zusätzlichen sozialen Einrichtungen wie zum Beispiel Kin<strong>de</strong>rbetreuungsstätten<br />
schaffen Städte und Gemein<strong>de</strong>n attraktive Bedingungen und erreichen so eine<br />
bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Gera<strong>de</strong> in Zeiten <strong>de</strong>s <strong>de</strong>mografischen<br />
Wan<strong>de</strong>ls ist die Versorgung <strong>de</strong>r Kin<strong>de</strong>r in unserer Gesellschaft von großer<br />
Be<strong>de</strong>utung, be<strong>de</strong>utet doch ein Wegzug junger Familien auch einen Verlust von<br />
Steuereinnahmen.<br />
Die Verwaltung von Kin<strong>de</strong>rtagestagesstätten ist eine anspruchsvolle und aufwändige<br />
Aufgabe. Mit a<strong>de</strong>bisKITA bietet die AKDB eine leistungsfähige und preisgünstige<br />
Lösung an, das die Leitungsebene und die Träger bei <strong>de</strong>r Bewältigung <strong>de</strong>r<br />
anfallen<strong>de</strong>n Aufgaben in einer Kin<strong>de</strong>rtagesstätte effektiv unterstützt. Eine <strong>de</strong>r<br />
Hauptanfor<strong>de</strong>rungen bei <strong>de</strong>r Entwicklung <strong>de</strong>s Verfahrens war eine einfach, sozusagen<br />
kin<strong>de</strong>rleicht zu bedienen<strong>de</strong> Oberfläche. Damit leistet die AKDB einen<br />
weiteren Beitrag, damit sich Einrichtungen noch mehr auf ihre Kernkompetenzen<br />
konzentrieren können. Das entspricht <strong>de</strong>m partnerschaftlichen Selbstverständnis<br />
<strong>de</strong>r AKDB.<br />
Gesetzliche Grundlage<br />
Die Software erfüllt dabei alle<br />
Anfor<strong>de</strong>rungen, die aus <strong>de</strong>m<br />
Kin<strong>de</strong>rbildungs- und Kin<strong>de</strong>rbetreuungsgesetz<br />
<strong>BayKiBiG</strong> resultieren.<br />
Es beinhaltet zum Beispiel die automatische<br />
Übergabe an das KIBIG.web und<br />
bietet eine übersichtliche Kontrolle<br />
durch dynamische Analyse mit Mo<strong>de</strong>llen<br />
und Bezirksför<strong>de</strong>rung.<br />
Das <strong>BayKiBiG</strong> war im August 2005 in<br />
Kraft getreten und hat sich inzwischen<br />
bewährt. Das Gesetz hat <strong>de</strong>n Ausbau<br />
<strong>de</strong>r Kin<strong>de</strong>rbetreuung in Bayern sowohl<br />
quantitativ als auch qualitativ erheblich<br />
geför<strong>de</strong>rt und die kindbezogene För<strong>de</strong>rung<br />
etabliert. Damit ist das <strong>BayKiBiG</strong><br />
eine gute Grundlage für weitere Verbesserungen<br />
in <strong>de</strong>r Kin<strong>de</strong>rbetreuung.<br />
a<strong>de</strong>bisKITA wur<strong>de</strong> ursprünglich für die<br />
katholische Kirche entwickelt und ist in<br />
Bayern bei etwa 2.500 katholischen Einrichtungen<br />
im Einsatz. Zusätzlich verwen<strong>de</strong>n<br />
auch zahlreiche nicht-katholische<br />
Träger, gemeinnützige Vereine, das<br />
Bayerische Rote Kreuz, die Arbeiterwohlfahrt<br />
sowie private Elterninitiativen<br />
und natürlich viele Kommunen<br />
a<strong>de</strong>bisKITA und wer<strong>de</strong>n dabei von <strong>de</strong>r<br />
AKDB betreut. a<strong>de</strong>bisKITA erleichtert<br />
als ein<strong>de</strong>utiger Marktführer also bei fast<br />
<strong>de</strong>r Hälfte <strong>de</strong>r insgesamt 8.500 bayerischen<br />
Einrichtungen die Verwaltung<br />
von Kin<strong>de</strong>rtagesstätten. Bei Gesetzeso<strong>de</strong>r<br />
Programmän<strong>de</strong>rungen versorgt<br />
die AKDB ihre Kun<strong>de</strong>n in unregelmäßigen<br />
Abstän<strong>de</strong>n mit Updates.<br />
Software-Schwerpunkte<br />
Mit einer effektiven KITA-Software<br />
sollte die gewissenhafte Erfassung und<br />
flexible Pflege <strong>de</strong>r kompletten kindbezogenen<br />
Daten sowie <strong>de</strong>r Daten <strong>de</strong>r Erziehungsberechtigten<br />
und weiterer Bezugspersonen<br />
möglich sein. Alle Daten<br />
zu einem Kind wer<strong>de</strong>n übersichtlich auf<br />
einen Blick angezeigt. Der integrierte<br />
Kalen<strong>de</strong>r unterstützt die Terminplanung<br />
für die einzelnen Mitarbeiter<br />
durch eine Tagesanzeige, eine Wochenansicht<br />
und einen Jahresplan. Das Modul<br />
Personalplanung stellt die gebuchten<br />
Betreuungszeiten <strong>de</strong>r Kin<strong>de</strong>r <strong>de</strong>n<br />
Arbeitszeiten <strong>de</strong>s Personals gegenüber.<br />
Durch Variieren <strong>de</strong>r Arbeitszeiten kann<br />
<strong>de</strong>r Anstellungsschlüssel beeinflusst<br />
wer<strong>de</strong>n, um <strong>de</strong>n optimalen wirtschaftlichen<br />
Personaleinsatz zu fin<strong>de</strong>n.<br />
Auch eine schnelle Suche und eine Auswertung<br />
in Listen zur Unterstützung<br />
<strong>de</strong>r Gruppenarbeit sind mit <strong>de</strong>r Software<br />
leicht durchzuführen. Die Abrechnung<br />
<strong>de</strong>r Elternbeiträge wie allgemeine<br />
Beiträge, Essensgeld o<strong>de</strong>r Spielgeld erfolgt<br />
per Lastschrift im Datenträgeraustausch-Verfahren<br />
o<strong>de</strong>r über Schnittstellen<br />
zum Finanzwesen. Ein Zahlungsverkehr-Modul<br />
ist in <strong>de</strong>r Software<br />
integriert. Mit a<strong>de</strong>bisKITA läuft die gesamte<br />
Korrespon<strong>de</strong>nz, also Serienbriefe,<br />
Mitteilungen o<strong>de</strong>r Einladungen über<br />
ein integriertes Reporting-Tool o<strong>de</strong>r<br />
über Microsoft Word.<br />
a<strong>de</strong>bisKITA verfügt über eine rollenbasierte<br />
Benutzerverwaltung. Mit dieser<br />
können bestimmten Personen o<strong>de</strong>r Personengruppen<br />
<strong>de</strong>finierte Berechtigungen<br />
zugewiesen wer<strong>de</strong>n, etwa differenziert<br />
nach Lesen, Än<strong>de</strong>rn, Neuanlegen,<br />
Löschen und Drucken. Auch beliebige<br />
Kombinationen von Berechtigungen<br />
sind möglich.<br />
Insgesamt vereinfacht die Anwendung<br />
einer geeigneten Software die Erledigung<br />
aller in einer Kin<strong>de</strong>rtagesstätte anfallen<strong>de</strong>n<br />
Aufgaben erheblich und trägt<br />
damit ihren Teil zu einer effizienten Verwaltungserleichterung<br />
bei.<br />
306 Der Bayerische Bürgermeister 9/2012
2060_DBB_09_2012_g_PDF 29.08.2012 14:19 Uhr Seite 307<br />
Son<strong>de</strong>rrubrik Energiewen<strong>de</strong><br />
Interkommunale Zusammenarbeit als<br />
Lösungsansatz?<br />
Relevante Erscheinungsformen in Bayern und vergaberechtliche Rahmenbedingungen<br />
Felix Siebler, Rechtsanwalt, SIBETH Partnerschaft Rechtsanwälte Steuerberater, München<br />
Die Kommunen sehen sich seit<br />
Jahren einer stetig wachsen<strong>de</strong>n<br />
Anzahl von Aufgaben gegenüber,<br />
für <strong>de</strong>ren Erfüllung sie verantwortlich<br />
sind. Nicht zuletzt darauf ist<br />
zurückzuführen, dass die öffentlichen<br />
Haushalte zunehmend belastet wer<strong>de</strong>n.<br />
Einzelne Kommunen sind <strong>de</strong>shalb mittlerweile<br />
an <strong>de</strong>r Grenze <strong>de</strong>r Leistungsfähigkeit.<br />
Während bisher in vielen Fällen<br />
die Zusammenarbeit mit <strong>de</strong>r Privatwirtschaft<br />
als vorzugswürdig angesehen<br />
wur<strong>de</strong>, gehen Kommunen zuletzt vermehrt<br />
auch Kooperationen untereinan<strong>de</strong>r<br />
ein, um die Aufgabenerfüllung trotz<br />
<strong>de</strong>r angespannten Lage <strong>de</strong>r öffentlichen<br />
Haushalte zu gewährleisten. Zu<strong>de</strong>m<br />
wird in einer solchen Zusammenarbeit<br />
die Chance gesehen, durch wirtschaftliche<br />
Betätigungen Einnahmen zu generieren<br />
und damit eine Erholung <strong>de</strong>r<br />
kommunalen Haushalte zu erreichen.<br />
Gera<strong>de</strong> im Zusammenhang mit <strong>de</strong>r<br />
Energiewen<strong>de</strong> betätigen sich Kommunen<br />
verstärkt, um <strong>de</strong>n kommunaleigenen<br />
Energiebedarf zu <strong>de</strong>cken und die<br />
Bürger ortsnah mit Energie zu versorgen.<br />
Damit sollen einerseits zukünftig<br />
Energiekosten sowohl bei <strong>de</strong>r Kommune<br />
selbst als auch für die Bürger eingespart<br />
wer<strong>de</strong>n. An<strong>de</strong>rerseits spielen im<br />
Rahmen <strong>de</strong>r Überlegungen zur Verwirklichung<br />
solcher Projekte regelmäßig<br />
auch Gewinnerzielungsabsichten<br />
eine Rolle. Da Vorhaben im Bereich<br />
<strong>de</strong>r (erneuerbaren) Energien kapitalintensiv<br />
und oft nur überörtlich erfolgreich<br />
zu realisieren sind, kommt <strong>de</strong>r Kooperation<br />
<strong>de</strong>r Kommunen untereinan<strong>de</strong>r<br />
auch hier große Be<strong>de</strong>utung zu. Ob<br />
bei <strong>de</strong>n unterschiedlichen Formen <strong>de</strong>r<br />
interkommunalen Zusammenarbeit die<br />
Bestimmungen <strong>de</strong>s Vergaberechts zu<br />
beachten sind, ist bisher gesetzlich nicht<br />
ausdrücklich geregelt. In <strong>de</strong>r Vergangenheit<br />
hatte sich daher sowohl die<br />
nationale als auch die europäische Gerichtsbarkeit<br />
vielfach mit <strong>de</strong>r vergaberechtlichen<br />
Bewertung dieser Fragestellung<br />
zu befassen.<br />
Relevante<br />
Erscheinungsformen<br />
<strong>de</strong>r interkommunalen<br />
Kooperation in Bayern<br />
Für die Organisation <strong>de</strong>r kommunalen<br />
Zusammenarbeit im Bereich <strong>de</strong>r Energiegewinnung<br />
und -versorgung bieten<br />
sowohl das öffentliche als auch das<br />
private Recht relevante Ausgestaltungsformen.<br />
Die Wahl einer konkreten Organisationsform<br />
hängt davon ab, welche<br />
Bedürfnisse und Anfor<strong>de</strong>rungen die<br />
Aufgabenwahrnehmung mit sich bringt.<br />
1. Organisationsausgestaltung in Form<br />
<strong>de</strong>s öffentlichen Rechts<br />
Die Erscheinungsformen <strong>de</strong>s öffentlichen<br />
Rechts sind im spezifischen Lan<strong>de</strong>srecht<br />
normiert, wobei <strong>de</strong>r Freistaat<br />
Bayern in Art. 2 Abs. 1 <strong>de</strong>s Gesetzes<br />
über die kommunale Zusammenarbeit<br />
(KommZG) die entsprechen<strong>de</strong>n Organisationsformen<br />
vorsieht, nämlich<br />
die Arbeitsgemeinschaft,<br />
die Zweckvereinbarung,<br />
<strong>de</strong>n Zweckverband, sowie<br />
das gemeinsame Kommunalunternehmen.<br />
Während bei <strong>de</strong>r Arbeitsgemeinschaft<br />
und <strong>de</strong>r Zweckvereinbarung eine Kooperation<br />
auf rein vertraglicher Basis<br />
begrün<strong>de</strong>t wird, entstehen beim Zweckverband<br />
und <strong>de</strong>m gemeinsamen Kommunalunternehmen<br />
eigene Rechtspersönlichkeiten,<br />
sodass diese Formen<br />
auch als institutionalisierte Organisationsausgestaltung<br />
bezeichnet wer<strong>de</strong>n.<br />
a) Arbeitsgemeinschaft,<br />
Art. 4–6 KommZG<br />
Die kommunale Arbeitsgemeinschaft<br />
wird durch öffentlich-rechtlichen Vertrag<br />
gebil<strong>de</strong>t und stellt die Form <strong>de</strong>r<br />
interkommunalen Kooperation mit <strong>de</strong>r<br />
geringsten Bindungsintensität zwischen<br />
<strong>de</strong>n Beteiligten dar. Im Zusammenhang<br />
mit (überörtlichen) Aktivitäten <strong>de</strong>r<br />
Kommunen im Bereich <strong>de</strong>r Energiegewinnung<br />
und -versorgung kommt<br />
dieser Form <strong>de</strong>r Organisationsausgestaltung<br />
insbeson<strong>de</strong>re im Vorfeld <strong>de</strong>r<br />
Realisierung von Projekten beson<strong>de</strong>re<br />
Be<strong>de</strong>utung zu, da Art. 4 Abs. 2 Satz 2<br />
KommZG als mögliche Aufgabenwahrnehmung<br />
die Abstimmung von Planungen<br />
– beispielsweise <strong>de</strong>r Bauleitplanung<br />
o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r Planung zur Errichtung kommunaler<br />
Einrichtungen – vorsieht. Im<br />
Rahmen einer Arbeitsgemeinschaft lässt<br />
sich etwa die Ausweisung von Flächen<br />
für Projekte <strong>de</strong>r Gewinnung von (erneuerbarer)<br />
Energie o<strong>de</strong>r aber die Verlegung<br />
von Energieversorgungs- und<br />
Fernwärmenetzen gemeinschaftlich koordinieren.<br />
b) Zweckvereinbarung,<br />
Art. 7–16 KommZG<br />
Die Zweckvereinbarung wird ebenfalls<br />
durch öffentlich-rechtlichen Vertrag begrün<strong>de</strong>t<br />
und steht von <strong>de</strong>r Bindungsintensität<br />
zwischen <strong>de</strong>r Arbeitsgemeinschaft<br />
und <strong>de</strong>n institutionalisierten Organisationsformen,<br />
die über eine eigene<br />
Rechtspersönlichkeit verfügen. Dieser<br />
Form <strong>de</strong>r kommunalen Zusammenarbeit<br />
kommt im Bereich <strong>de</strong>r Energiegewinnung<br />
und -versorgung erhöhte Be<strong>de</strong>utung<br />
zu, da sich vertraglich eine<br />
Der Bayerische Bürgermeister 9/2012<br />
307
2060_DBB_09_2012_g_PDF 29.08.2012 14:19 Uhr Seite 308<br />
Energiewen<strong>de</strong><br />
Vielzahl von Aufgaben überantworten<br />
lassen und eine flexible Ausgestaltung<br />
im Einzelfall möglich ist. Dabei müssen<br />
die einzelnen Aufgaben gemäß Art. 10<br />
Abs. 1 KommZG in <strong>de</strong>r Zweckvereinbarung<br />
aufgeführt und klar umschrieben<br />
sein. Als Regelungsvarianten sind<br />
nach Maßgabe von Art. 7 Abs. 2 bis 4<br />
KommZG<br />
die Übertragungsvereinbarung (Übertragung<br />
von Aufgaben <strong>de</strong>r Kooperationspartner<br />
auf einen <strong>de</strong>r Beteiligten),<br />
die Mitbenutzungsvereinbarung (Gestattung<br />
<strong>de</strong>r Nutzung einer von einem<br />
<strong>de</strong>r Kooperationspartner betriebenen<br />
Einrichtung durch die übrigen<br />
Beteiligten),<br />
die Gemeinschaftsvereinbarung (Gemeinschaftliche<br />
Aufgabenwahrnehmung<br />
durch sämtliche Beteiligten),<br />
sowie<br />
die Personalleihvereinbarung (Zurverfügungstellung<br />
von Dienstkräften<br />
an übrige Beteiligte nach Zeitanteil)<br />
zu unterschei<strong>de</strong>n. Zu<strong>de</strong>m ist bei <strong>de</strong>r<br />
Ausgestaltung <strong>de</strong>r Leistungsverantwortlichkeit<br />
zwischen <strong>de</strong>n Beteiligten<br />
zu differenzieren, inwieweit nur die<br />
Aufgabenerfüllung übertragen wird<br />
und es bei <strong>de</strong>r grundsätzlichen Aufgabenzuständigkeit<br />
<strong>de</strong>r jeweiligen Kommune<br />
bleibt (sog. Mandatierung) o<strong>de</strong>r<br />
mit <strong>de</strong>r Beauftragung zur Aufgabenerfüllung<br />
auch die Aufgabenzuständigkeit<br />
auf die entsprechen<strong>de</strong> Kommune<br />
übergeht (sog. Delegation).<br />
c) Zweckverband,<br />
Art. 17–48 KommZG<br />
Als institutionalisierte Rechtsform <strong>de</strong>r<br />
kommunalen Zusammenarbeit mit eigener<br />
Rechtspersönlichkeit steht <strong>de</strong>r<br />
Zweckverband als Körperschaft <strong>de</strong>s öffentlichen<br />
Rechts zur Verfügung, <strong>de</strong>r<br />
durch eine von <strong>de</strong>n Beteiligten zu vereinbaren<strong>de</strong><br />
Verbandssatzung gebil<strong>de</strong>t<br />
wird. Nach Art. 17 Abs. 1 KommZG<br />
können <strong>de</strong>m Zweckverband durch die<br />
beteiligten Akteure einzelne Aufgaben<br />
o<strong>de</strong>r alle mit einem bestimmten Zweck<br />
zusammenhängen<strong>de</strong>n Aufgaben zu <strong>de</strong>ren<br />
Wahrnehmung übertragen wer<strong>de</strong>n,<br />
wobei die Aufgaben in <strong>de</strong>r Verbandssatzung<br />
bestimmt und <strong>de</strong>ren Umfang hinreichend<br />
beschrieben sein muss. Dabei<br />
gehen gemäß Art. 22 Abs. 1 KommZG<br />
sowohl das Recht wie auch die Pflicht<br />
<strong>de</strong>r Verbandsmitglie<strong>de</strong>r, die <strong>de</strong>m<br />
Zweckverband übertragenen Aufgaben<br />
zu erfüllen und die dazu notwendigen<br />
Befugnisse auszuüben, auf <strong>de</strong>n Zweckverband<br />
über. Grundsätzlich geht auch<br />
die Ermächtigung zum Satzungs- und<br />
Verordnungserlass für das übertragene<br />
Aufgabengebiet mit über.<br />
Dem Zweckverband kommt Be<strong>de</strong>utung<br />
bei großen überörtlichen Projekten <strong>de</strong>r<br />
Energiegewinnung und vor allem -versorgung<br />
zu. Dem hohen Gründungsaufwand<br />
steht <strong>de</strong>r Vorteil für die einzelnen<br />
Kommunen gegenüber, dass diese<br />
grundsätzlich von <strong>de</strong>ren Aufgabenverantwortlichkeit<br />
befreit sind und im<br />
Zweckverband das zur Aufgabenwahrnehmung<br />
erfor<strong>de</strong>rliche Know-How für<br />
sämtliche Beteiligten gebün<strong>de</strong>lt wer<strong>de</strong>n<br />
kann.<br />
d) Gemeinsames<br />
Kommunalunternehmen,<br />
Art. 49–50 KommZG<br />
Mit <strong>de</strong>m gemeinsamen Kommunalunternehmen<br />
als Anstalt <strong>de</strong>s öffentlichen<br />
Rechts steht eine weitere Option<br />
<strong>de</strong>r Organisationsausgestaltung mit eigener<br />
Rechtspersönlichkeit in Bayern<br />
zur Verfügung. Gemäß Art. 49 Abs. 1<br />
S. 1 KommZG wird dieses durch Vereinbarung<br />
einer Unternehmenssatzung<br />
errichtet. Hinsichtlich <strong>de</strong>r Aufgabenwahrnehmung<br />
ist zu beachten, dass<br />
Art. 50 Abs. 1 KommZG eine Verweisungsnorm<br />
vorhält, die in Verbindung<br />
mit Art. 26 Abs. 1 S. 1 KommZG die für<br />
die Gemein<strong>de</strong>n gelten<strong>de</strong>n Vorschriften<br />
für entsprechend anwendbar erklärt. In<br />
dieser Verweisungssystematik ist angelegt,<br />
dass insbeson<strong>de</strong>re die Zulässigkeitsvoraussetzungen<br />
<strong>de</strong>r Art. 86 ff. <strong>de</strong>r<br />
Gemein<strong>de</strong>ordnung (GO) zwingend zu<br />
beachten sind. Aus <strong>de</strong>r entsprechen<strong>de</strong>n<br />
Anwendung <strong>de</strong>s Art. 89 Abs. 2 S. 1 GO<br />
ergibt sich, dass <strong>de</strong>m gemeinsamen<br />
Kommunalunternehmen einzelne o<strong>de</strong>r<br />
alle mit einem bestimmten Zweck zusammenhängen<strong>de</strong>n<br />
Aufgaben ganz<br />
o<strong>de</strong>r teilweise übertragen wer<strong>de</strong>n können.<br />
Dem gemeinsamen Kommunalunternehmen<br />
kommt im Bereich <strong>de</strong>r<br />
Energiegewinnung und -versorgung<br />
vor allem als Organisationsform, die<br />
Vorteile <strong>de</strong>s öffentlichen und <strong>de</strong>s privaten<br />
Rechts in sich vereint, große Be<strong>de</strong>utung<br />
zu.<br />
2. Organisationsausgestaltung in Form<br />
<strong>de</strong>s privaten Rechts<br />
Gemäß Art. 1 Abs. 3 S. 1 KommZG stehen<br />
für die kommunale Zusammenarbeit<br />
auch die Formen <strong>de</strong>s Privatrechts<br />
zur Verfügung, wobei grundsätzlich die<br />
nach Bun<strong>de</strong>srecht geregelten Organisationsformen<br />
in Betracht kommen. Jedoch<br />
schränken die Vorgaben <strong>de</strong>s Kommunalwirtschaftsrechts<br />
diesen Grundsatz<br />
ein, in<strong>de</strong>m zum einen gem. Art. 92<br />
Abs. 1 S. 1 Nr. 3 1. HS GO eine zwingen<strong>de</strong><br />
Haftungsbeschränkung vorgesehen<br />
und zum an<strong>de</strong>ren eine ausreichen<strong>de</strong><br />
Einflussnahme <strong>de</strong>r Kommunen gem.<br />
Art. 92 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 GO gewährleistet<br />
sein muss. Im Folgen<strong>de</strong>n soll die Betrachtung<br />
auf die zur Realisierung von<br />
Projekten im Bereich <strong>de</strong>r Energiegewinnung<br />
und -versorgung relevanten Erscheinungsformen<br />
fokussiert wer<strong>de</strong>n.<br />
a) Aktiengesellschaft<br />
Die Aktiengesellschaft ist eine Form <strong>de</strong>r<br />
Organisationsausgestaltung die in <strong>de</strong>r<br />
kommunalen Praxis regelmäßig nur für<br />
Großunternehmungen mit erheblichem<br />
Kapitalbedarf geeignet ist und nur bei<br />
umfangreichen wirtschaftlichen Tätigkeiten<br />
in größeren Kommunen zur Anwendung<br />
kommt. Vornehmlich ist diese<br />
Form bei Stadtwerken großer Kommunen<br />
vorzufin<strong>de</strong>n, wobei sich regelmäßig<br />
die Betätigung nicht auf <strong>de</strong>n Bereich <strong>de</strong>r<br />
Energiegewinnung und -versorgung<br />
beschränkt, son<strong>de</strong>rn sich zu<strong>de</strong>m beispielsweise<br />
auf <strong>de</strong>n öffentlichen Personennahverkehr<br />
und die Abfallentsorgung<br />
erstreckt. Zwar ist <strong>de</strong>r kommunalwirtschaftsrechtlichen<br />
Vorgabe einer<br />
Haftungsbeschränkung regelmäßig auch<br />
bei dieser Form <strong>de</strong>r interkommunalen<br />
Kooperation Genüge getan. Allerdings<br />
weißt die Aktiengesellschaft einen hohen<br />
Grad <strong>de</strong>r Verselbständigung <strong>de</strong>s<br />
Unternehmens im Verhältnis zu <strong>de</strong>ssen<br />
Eigentümern auf, so dass die gesetzliche<br />
Vorgabe zur Sicherung <strong>de</strong>s kommunalen<br />
Einflusses häufig nur mit hohem<br />
gesellschaftsrechtlichem Aufwand gewährleistet<br />
wer<strong>de</strong>n kann.<br />
b) Gesellschaft mit beschränkter<br />
Haftung<br />
Die Gesellschaft mit beschränkter Haftung<br />
ist als privatrechtliche Form <strong>de</strong>r<br />
Organisationsausgestaltung im kommunalen<br />
Bereich am weitesten verbrei-<br />
308 Der Bayerische Bürgermeister 9/2012
2060_DBB_09_2012_g_PDF 29.08.2012 14:19 Uhr Seite 309<br />
tet, da das Recht <strong>de</strong>r Gesellschaft mit<br />
beschränkter Haftung im Gegensatz<br />
zum Aktiengesellschaftsrecht <strong>de</strong>utlich<br />
weitreichen<strong>de</strong>re Ausgestaltungsmöglichkeiten,<br />
insbeson<strong>de</strong>re bei <strong>de</strong>r Verteilung<br />
von Entscheidungs- und Handlungskompetenzen,<br />
zulässt. Daneben<br />
hält sich <strong>de</strong>r Gründungsaufwand im<br />
Gegensatz zur Aktiengesellschaft in<br />
<strong>de</strong>utlich überschaubarerem Rahmen.<br />
Entsprechend zahlreich fin<strong>de</strong>t man diese<br />
Gesellschaftsform auch im Bereich<br />
<strong>de</strong>r Energiegewinnung und -versorgung,<br />
wobei oftmals ebenfalls in Stadtwerken<br />
über Holdingstrukturen mehrere<br />
Tätigkeiten <strong>de</strong>r öffentlichen Hand in<br />
unterschiedlichen Organisationseinheiten<br />
organisiert sind.<br />
c) Eingetragene Genossenschaft<br />
Gera<strong>de</strong> im Zusammenhang mit <strong>de</strong>r Diskussion<br />
um die Bürgerakzeptanz bezüglich<br />
von Projekten im Bereich <strong>de</strong>r<br />
(erneuerbaren) Energien zeigt sich die<br />
Organisationsausgestaltung <strong>de</strong>r kommunalen<br />
Zusammenarbeit in Form <strong>de</strong>r<br />
eingetragenen Genossenschaft als eine<br />
in <strong>de</strong>r Praxis grundsätzlich zu berücksichtigen<strong>de</strong><br />
Option. Aufgrund <strong>de</strong>r gesetzlichen<br />
Vorgabe zur kommunalen<br />
Haftungsbeschränkung kommt jedoch<br />
nur eine Ausgestaltung mit einer beschränkten<br />
o<strong>de</strong>r ausgeschlossenen<br />
Nachschusspflicht für Verbindlichkeiten<br />
in Betracht. Eine weitere Möglichkeit<br />
ist die Beteiligung <strong>de</strong>r Kommunen<br />
über eine Organisationsform, die ihrerseits<br />
wie<strong>de</strong>rum haftungsbeschränkt<br />
ausgestaltet ist.<br />
Stellung <strong>de</strong>r interkommunalen<br />
Kooperation<br />
im Vergaberecht<br />
Der Anwendungsbereich <strong>de</strong>s europäischen<br />
Vergaberechts in <strong>de</strong>ssen nationaler<br />
Umsetzung in <strong>de</strong>n §§ 97 ff. <strong>de</strong>s Gesetzes<br />
gegen <strong>de</strong>n unlauteren Wettbewerb<br />
(GWB) ist dann eröffnet, wenn die beauftragen<strong>de</strong><br />
Stelle als öffentlicher Auftraggeber<br />
i. S. d. § 98 GWB zu qualifizieren<br />
ist, die Beschaffung einen öffentlichen<br />
Auftrag i. S. d. § 99 Abs. 1 GWB<br />
zum Gegenstand hat und zu<strong>de</strong>m <strong>de</strong>r geschätzte<br />
Auftragswert <strong>de</strong>n für die entsprechen<strong>de</strong><br />
Leistung gelten<strong>de</strong>n Schwellenwert<br />
erreicht o<strong>de</strong>r überschreitet.<br />
1. Derzeit keine ausdrückliche Regelung<br />
im Vergaberecht<br />
Welche Stellung <strong>de</strong>n Konstellationen<br />
<strong>de</strong>r interkommunalen Kooperation im<br />
Gefüge <strong>de</strong>s Vergaberechts zukommt, ist<br />
in <strong>de</strong>n <strong>de</strong>rzeit gelten<strong>de</strong>n Fassungen <strong>de</strong>r<br />
europäischen Vergaberichtlinien sowie<br />
<strong>de</strong>ren nationale Umsetzung in <strong>de</strong>n<br />
§§ 97 ff. GWB nicht ausdrücklich normiert.<br />
Zwar dürfte nach <strong>de</strong>r Entscheidung<br />
„Mehiläinen“ <strong>de</strong>s EuGH vom<br />
22. Dezember 2010 anerkannt sein, dass<br />
die Gründung einer Organisationsform<br />
an sich für die gemeinschaftliche Aufgabenwahrnehmung<br />
<strong>de</strong>r öffentlichen<br />
Hand keinen vergaberechtsrelevanten<br />
Vorgang darstellt. Der Entscheidung<br />
<strong>de</strong>s EuGH lag ein Sachverhalt zugrun<strong>de</strong>,<br />
in <strong>de</strong>m zunächst ein Unternehmen,<br />
an <strong>de</strong>m sowohl die öffentliche Hand als<br />
auch ein privater Partner beteiligt waren,<br />
gegrün<strong>de</strong>t und in einem zweiten<br />
Schritt mit <strong>de</strong>r konkreten Aufgabenerfüllung<br />
betraut wur<strong>de</strong>. Gera<strong>de</strong> im Zeitpunkt<br />
<strong>de</strong>r konkreten Aufgabenüberantwortung<br />
stellt sich dann aber die Frage,<br />
inwiefern es sich um eine <strong>de</strong>m Vergaberecht<br />
unterfallen<strong>de</strong> Leistungsnachfrage<br />
und damit im Ergebnis um einen öffentlichen<br />
Auftrag im Sinne <strong>de</strong>s § 99 Abs. 1<br />
GWB han<strong>de</strong>lt, <strong>de</strong>r grundsätzlich im<br />
Wege eines europaweiten Vergabeverfahrens<br />
ausgeschrieben wer<strong>de</strong>n müsste.<br />
2. Vergaberechtliche Privilegierung<br />
durch die Spruchpraxis<br />
Ähnlich wie bei <strong>de</strong>m (<strong>de</strong>rzeit ungeschriebenen)<br />
Ausnahmetatbestand <strong>de</strong>r<br />
sog. In-House-Vergabe – einer Auftragsvergabe<br />
an Organisationseinheiten, an<br />
<strong>de</strong>nen <strong>de</strong>r öffentliche Auftraggeber seinerseits<br />
beteiligt ist – haben sich in <strong>de</strong>r<br />
vergaberechtlichen Spruchpraxis auch<br />
für die Konstellationen <strong>de</strong>r kommunalen<br />
Zusammenarbeit Kriterien herausgebil<strong>de</strong>t,<br />
bei <strong>de</strong>ren Vorliegen die vergaberechtlichen<br />
Vorgaben ausnahmsweise<br />
nicht zu berücksichtigen sind. Für diese<br />
(<strong>de</strong>rzeit noch) ungeschriebene Ausnahme<br />
vom vergaberechtlichen Anwendungsbereich<br />
etablierte sich <strong>de</strong>r Begriff<br />
<strong>de</strong>r sog. In-State-Vergabe.<br />
Energiewen<strong>de</strong><br />
a) Entscheidung <strong>de</strong>s EuGH vom 9. Juli<br />
2009 – „Stadtreinigung Hamburg“<br />
Während etwa im Hinblick auf <strong>de</strong>n<br />
Zweckverband als institutionalisierte<br />
Form <strong>de</strong>r kommunalen Zusammenarbeit<br />
in <strong>de</strong>r vergaberechtlichen Rechtsprechung<br />
weitestgehend anerkannt ist,<br />
dass die vergaberechtlichen Regelungen<br />
keine Anwendung fin<strong>de</strong>n, war für die<br />
Formen <strong>de</strong>r Kooperation auf vertraglicher<br />
Grundlage lange Zeit unklar, wie<br />
diese vergaberechtlich einzuordnen<br />
sind. In diesem Zusammenhang erging<br />
am 9. Juni 2009 die richtungsweisen<strong>de</strong><br />
Entscheidung „Stadtreinigung Hamburg“<br />
<strong>de</strong>s EuGH. Darin hatte <strong>de</strong>r EuGH<br />
darüber zu entschei<strong>de</strong>n, wie <strong>de</strong>r vertragliche<br />
Zusammenschluss mehrerer<br />
Kommunen zur gemeinschaftlichen Abfallentsorgung<br />
vergaberechtlich zu bewerten<br />
ist, wobei einer <strong>de</strong>r Kooperationspartner<br />
eine Müllverbrennungsanlage<br />
betrieb, die von <strong>de</strong>n übrigen<br />
Beteiligten dann entsprechend mit genutzt<br />
wer<strong>de</strong>n sollte.<br />
b) Kriterien zur vergaberechtlichen<br />
Bewertung<br />
Festzuhalten ist, dass es nach Ansicht<br />
<strong>de</strong>s EuGH nicht mehr auf die Form <strong>de</strong>r<br />
Organisationsausgestaltung <strong>de</strong>r kommunalen<br />
Zusammenarbeit ankommt,<br />
son<strong>de</strong>rn vielmehr eine aufgabenbezogene<br />
Betrachtung vorzunehmen ist. Damit<br />
dürften die in <strong>de</strong>r Entscheidung „Stadtreinigung<br />
Hamburg“ getroffenen Feststellungen<br />
grundsätzlich auch ergänzend<br />
zur bisherigen europäischen<br />
Spruchpraxis bezüglich <strong>de</strong>r Formen <strong>de</strong>r<br />
institutionalisierten Organisationsausgestaltung<br />
gelten. Gleichwohl ist das<br />
Verhältnis <strong>de</strong>r durch die einzelnen Entscheidungen<br />
entwickelten Kriterien<br />
untereinan<strong>de</strong>r noch nicht abschließend<br />
geklärt.<br />
aa) Aufgaben von allgemeinem<br />
(wirtschaftlichen) Interesse<br />
Der EuGH hat festgestellt, dass es sich<br />
bei <strong>de</strong>r gemeinsam wahrgenommenen<br />
Aufgabe um eine solche von allgemeinem<br />
(wirtschaftlichen) Interesse im Sinne<br />
<strong>de</strong>s Art. 14 <strong>de</strong>s Vertrages über die Arbeitsweise<br />
<strong>de</strong>r Europäischen Union<br />
(AEUV) für je<strong>de</strong>n Kooperationspartner<br />
han<strong>de</strong>ln muss. Welche Aufgaben damit<br />
an <strong>de</strong>r Schnittstelle von <strong>de</strong>r europarechtlichen<br />
Begriffsinterpretation und<br />
<strong>de</strong>r nationalen Interpretation <strong>de</strong>r sog.<br />
Daseinsvorsorge konkret erfasst sein<br />
sollen, ist momentan offen. Auf europäischer<br />
Ebene ist <strong>de</strong>rzeitig anerkannt,<br />
dass die Bereiche Verkehrsdienste,<br />
Der Bayerische Bürgermeister 9/2012<br />
309
2060_DBB_09_2012_g_PDF 29.08.2012 14:19 Uhr Seite 310<br />
Energiewen<strong>de</strong><br />
Energieversorgung, Post- und Telekommunikationsdienste,<br />
Abfallentsorgung,<br />
Wasserversorgung sowie Notfalltransporte<br />
mit Krankenwagen vom Begriff<br />
im Sinne <strong>de</strong>s Art. 14 AEUV erfasst sind.<br />
Inwiefern die Europäische Union von<br />
<strong>de</strong>r Ermächtigung zum Erlass einer Verordnung,<br />
welche die Grundsätze und<br />
Bedingungen für die Dienste von allgemeinem<br />
wirtschaftlichen Interesse festlegt,<br />
nach Maßgabe von Art. 14 Satz 2<br />
AEUV in <strong>de</strong>r Zukunft möglicherweise<br />
Gebrauch machen wird und damit <strong>de</strong>n<br />
Rechtsrahmen für die Einordnung einzelner<br />
Aufgabenbereiche weiter konturiert,<br />
bleibt abzuwarten. Derzeit gibt lediglich<br />
das 5. Protokoll über Dienste<br />
von allgemeinem Interesse gemeinsame<br />
Werte vor, die für eine Qualifizierung<br />
von Aufgaben als Dienste von allgemeinem<br />
Interesse zu berücksichtigen sind.<br />
bb) Gemeinsame Aufgabenwahrnehmung<br />
und Gegenseitigkeit <strong>de</strong>r<br />
Verpflichtungen<br />
Die Aufgabe muss zu<strong>de</strong>m in gemeinschaftlicher<br />
Verantwortung wahrgenommen<br />
wer<strong>de</strong>n, wobei gegenseitige<br />
Einstandsverpflichtungen gegeben sein<br />
müssen. Das Risiko <strong>de</strong>r gemeinschaftlichen<br />
Aufgabenwahrnehmung darf je<strong>de</strong>nfalls<br />
nicht nur zu Lasten einzelner<br />
Kooperationspartner ausgestaltet sein.<br />
Nach Ansicht <strong>de</strong>s EuGH dürfte es aber<br />
dann an einer gemeinsamen Aufgabenwahrnehmung<br />
fehlen, wenn einer <strong>de</strong>r<br />
Kooperationspartner weit überwiegend<br />
Leistungen für die restlichen Kommunen<br />
auf lediglich vertraglicher Grundlage<br />
erbringt. Solchen Konstellationen<br />
wäre ein Nachfragecharakter zuzusprechen,<br />
<strong>de</strong>r einem vergaberechtsrelevanten<br />
Beschaffungsvorgang gleichzusetzen<br />
wäre.<br />
cc) Kooperationsbegründung zur wirtschaftlichen<br />
Aufgabenwahrnehmung<br />
Die Entscheidung zur Zusammenarbeit<br />
<strong>de</strong>r Kommunen darf nach Auffassung<br />
<strong>de</strong>s EuGH ausschließlich darauf zurückzuführen<br />
sein, dass nur gemeinschaftlich<br />
eine wirtschaftliche Aufgabenwahrnehmung<br />
gewährleistet wer<strong>de</strong>n kann. Die<br />
Kooperation muss die Beteiligten erst in<br />
die Lage versetzen, die Aufgabe wirtschaftlich<br />
durchführen zu können. Welche<br />
Maßstäbe an die Bestimmung einer<br />
Wirtschaftlichkeit anzulegen sind, hat<br />
<strong>de</strong>r EuGH jedoch offen gelassen. Grundsätzlich<br />
ist aber davon auszugehen, dass<br />
die Kommunen in diesem Punkt eine erhöhte<br />
Darlegungslast trifft, da die ausnahmsweise<br />
Nichtanwendung <strong>de</strong>r vergaberechtlichen<br />
Vorgaben immer einer<br />
Rechtfertigung bedarf.<br />
dd) Dauerhaftigkeit <strong>de</strong>r Kooperation<br />
Die Kooperation muss auch von einer<br />
gewissen Dauerhaftigkeit geprägt sein.<br />
Damit sollen Nachfragen auf <strong>de</strong>m<br />
Markt, die nur <strong>de</strong>r kurzfristigen Bedarfs<strong>de</strong>ckung<br />
dienen, nicht von <strong>de</strong>r vergaberechtlichen<br />
Privilegierung erfasst<br />
sein. Nach <strong>de</strong>rzeitiger Rechtslage ist davon<br />
auszugehen, dass von einer Dauerhaftigkeit<br />
und damit Kontinuität <strong>de</strong>r<br />
Kooperationsbeziehungen auszugehen<br />
ist, sofern diese auf etwa 15 bis 20 Jahre<br />
angelegt sind.<br />
ee) Keine Beteiligung Privater<br />
Zu<strong>de</strong>m darf nach Ansicht <strong>de</strong>s EuGH<br />
auch kein Privater an <strong>de</strong>r Kooperation<br />
beteiligt sein, da je<strong>de</strong> auch nur min<strong>de</strong>rheitliche<br />
Beteiligung privaten Kapitals<br />
ohne vorangegangenes vergaberechtliches<br />
Ausschreibungsverfahren <strong>de</strong>m<br />
beteiligten Wirtschaftsteilnehmer in ungerechtfertigter<br />
Weise ein Vorteil gegenüber<br />
<strong>de</strong>ssen Wettbewerbern verschaffen<br />
wür<strong>de</strong>. Das wür<strong>de</strong> aber <strong>de</strong>m Grundsatz<br />
<strong>de</strong>r Gleichbehandlung wi<strong>de</strong>rsprechen.<br />
ff) Keine willentliche Umgehung <strong>de</strong>s<br />
Vergaberechts<br />
Es ist zu<strong>de</strong>m nach Auffassung <strong>de</strong>s<br />
EuGH im Rahmen einer Missbrauchskontrolle<br />
positiv festzustellen, dass die<br />
Organisationsausgestaltung <strong>de</strong>r kooperativen<br />
Aufgabenwahrnehmung durch<br />
die öffentliche Hand keine Umgehung<br />
<strong>de</strong>s Vergaberechts darstellt. Den Kommunen<br />
obliegt für diesen Umstand die<br />
Darlegungslast, wobei schlüssig sein<br />
muss, warum die Organisationausgestaltung<br />
gera<strong>de</strong> im Wege <strong>de</strong>r vertraglichen<br />
interkommunalen Kooperation<br />
realisiert wor<strong>de</strong>n ist.<br />
Ausblick: Ausnahmetatbestand<br />
in Entwürfen <strong>de</strong>r europäischen<br />
Vergaberichtlinien<br />
In <strong>de</strong>n Entwürfen <strong>de</strong>r novellierten<br />
europäischen Vergaberichtlinien vom<br />
20. Dezember 2011 sind die bisher ungeschriebenen<br />
Ausnahmetatbestän<strong>de</strong> <strong>de</strong>r<br />
sog. In-House-Vergabe und <strong>de</strong>r sog. In-<br />
State-Vergabe als normierte Ausnahmen<br />
vorgesehen. Teilweise wur<strong>de</strong>n<br />
dabei die Kriterien aus <strong>de</strong>r entsprechen<strong>de</strong>n<br />
Spruchpraxis <strong>de</strong>s EuGH übernommen.<br />
Inwiefern die Entwurfsfassungen<br />
in dieser Form verabschie<strong>de</strong>t wer<strong>de</strong>n,<br />
muss aber abgewartet wer<strong>de</strong>n. Momentan<br />
wer<strong>de</strong>n die eingegangenen Än<strong>de</strong>rungsanträge<br />
auf europäischer Ebene<br />
geprüft.<br />
Ergebnis<br />
Es besteht weitestgehend Einigkeit darüber,<br />
dass die Kommunen einen maßgeblichen<br />
Beitrag zur Energiewen<strong>de</strong><br />
leisten und <strong>de</strong>r Erfolg nicht zuletzt von<br />
<strong>de</strong>r erfolgreichen Realisierung von Projekten<br />
zur Energiegewinnung und -versorgung<br />
im kommunalen Bereich abhängt.<br />
Dafür stehen <strong>de</strong>n Kommunen für<br />
<strong>de</strong>ren Zusammenarbeit untereinan<strong>de</strong>r<br />
verschie<strong>de</strong>ne Optionen <strong>de</strong>r Organisationsausgestaltung<br />
zur Verfügung. Dabei<br />
kommt es für die Frage, ob die<br />
konkrete Aufgabenübertragung ohne<br />
Beachtung <strong>de</strong>r vergaberechtlichen Vorgaben<br />
auch bei rein vertraglich begrün<strong>de</strong>ten<br />
Kooperationsformen zulässig ist,<br />
seit <strong>de</strong>r Entscheidung „Stadtreinigung<br />
Hamburg“ <strong>de</strong>s EuGH vom 9. Juni 2009<br />
nicht mehr (nur) auf die Form <strong>de</strong>r Organisationsausgestaltung<br />
an. Vielmehr ist<br />
eine aufgabenbezogene Betrachtung<br />
vorzunehmen, die <strong>de</strong>m Grun<strong>de</strong> nach<br />
die vergaberechtliche Privilegierung<br />
einzelner Aufgabenbereiche unter weiteren<br />
Voraussetzungen zur Konsequenz<br />
hat. Zwar wird je<strong>de</strong>nfalls die Energieversorgung<br />
als eine solche privilegierte<br />
Aufgabe von allgemeinem (wirtschaftlichen)<br />
Interesse angesehen. Gleichwohl<br />
wird im Einzelfall zu prüfen sein, ob die<br />
weiteren engen Voraussetzungen gegeben<br />
sind. Inwiefern die novellierten europäischen<br />
Vergaberichtlinien in diesem<br />
Zusammenhang durch die vorgesehene<br />
Normierung <strong>de</strong>s Ausnahmetatbestands<br />
<strong>de</strong>r sog. In-State-Vergabe in Zukunft einen<br />
Beitrag zu mehr Rechtssicherheit in<br />
<strong>de</strong>r kommunalen Praxis zu leisten vermögen,<br />
bleibt abzuwarten.<br />
310 Der Bayerische Bürgermeister 9/2012
2060_DBB_09_2012_g_PDF 29.08.2012 14:19 Uhr Seite 311<br />
Energiewen<strong>de</strong><br />
Garantie und Gewährleistung bei Photovoltaikanlagen<br />
Vier aktuelle Urteile beschäftigen die Branche<br />
Dr. Margarete Spiecker, Rechtsanwältin, Regensburg<br />
Die Photovoltaik-Branche ist<br />
noch ziemlich jung. Dementsprechend<br />
gering ist auch die<br />
Zahl <strong>de</strong>r Gerichtsurteile, die Photovoltaikanlagen<br />
zum Gegenstand haben.<br />
An<strong>de</strong>rs als in <strong>de</strong>r Baubranche sind <strong>de</strong>shalb<br />
viele zentrale Fragen im Bereich<br />
Garantie und Gewährleistung bei<br />
Photovoltaikanlagen in <strong>de</strong>r Rechtsprechung<br />
noch ungeklärt. Umso wichtiger<br />
ist es, die Rechtsprechung zu Photovoltaik<br />
genau zu verfolgen. Denn die<br />
Unternehmen <strong>de</strong>r Photovoltaikbranche<br />
müssen frühzeitig abschätzen, wohin<br />
sich die Rechtsprechung entwickeln<br />
wird und bei <strong>de</strong>r Vertragsgestaltung auf<br />
neue Urteile sofort reagieren. Im Folgen<strong>de</strong>n<br />
wer<strong>de</strong>n vier aktuelle Urteile<br />
vorgestellt, die die Photovoltaik-Branche<br />
<strong>de</strong>rzeit beschäftigen.<br />
I. Herstellergarantien für Module und<br />
Verbraucherschutz: Urteil <strong>de</strong>s Landgerichts<br />
München I vom 10.5.2012<br />
(Az. 12 O 18913/11)<br />
a) Der Haftungsausschluss in Garantiebedingungen<br />
für Ausbau- und Einbaukosten<br />
kann unwirksam sein,<br />
wenn die Klauseln unklar, wi<strong>de</strong>rsprüchlich<br />
und unangemessen benachteiligend<br />
sind. Das gilt gegenüber<br />
Verbrauchern, aber voraussichtlich<br />
auch gegenüber Unternehmern<br />
und juristischen Personen <strong>de</strong>s öffentliche<br />
Rechts.<br />
Langjährige Produkt- und Leistungsgarantien<br />
für Photovoltaikmodule sind inzwischen<br />
Gang und Gäbe. Beim genaueren<br />
Hinsehen können die Garantiebedingungen<br />
<strong>de</strong>r Hersteller aber für <strong>de</strong>n<br />
Kun<strong>de</strong>n tückisch sein und für <strong>de</strong>n Modulhersteller<br />
riskant. Zum Beispiel können<br />
in ihnen Klauseln versteckt sein,<br />
wonach <strong>de</strong>r Hersteller im Garantiefall<br />
für <strong>de</strong>n Ausbau und <strong>de</strong>n Wie<strong>de</strong>reinbau<br />
<strong>de</strong>r Module nicht haftet. Eine solche<br />
Klausel hatte sich ein ausländischer<br />
Modulhersteller mit Nie<strong>de</strong>rlassung in<br />
München ausgedacht. Ein Verbraucherverband<br />
hat dagegen geklagt. Die Richter<br />
<strong>de</strong>s Landgerichts München I haben<br />
antragsgemäß entschie<strong>de</strong>n, dass die<br />
Klausel gegenüber Verbrauchern nicht<br />
weiterverwen<strong>de</strong>t wer<strong>de</strong>n darf. Nebenbei<br />
stellen sie fest, wann Käufer<br />
von Photovoltaikanlagen Verbraucherschutz<br />
genießen und wie Herstellergarantien<br />
am besten aufgebaut sein sollten,<br />
um wirksam zu sein.<br />
Das Urteil <strong>de</strong>s Landgerichts München I<br />
vom 10.5.2012 (Az. 12 O 18913/11 – zitiert<br />
nach Juris) bil<strong>de</strong>t einen Anfang in<br />
<strong>de</strong>r Rechtsprechung zu Herstellergarantien<br />
im Modulbereich. Der Streitpunkt<br />
im Münchner Verfahren war folgen<strong>de</strong><br />
Klausel <strong>de</strong>s Modulherstellers in <strong>de</strong>ssen<br />
allgemeinen Geschäftsbedingungen:<br />
„Die Beschränkte Garantie gilt we<strong>de</strong>r<br />
für die Montage von PV-Modulen, noch<br />
für die Demontage <strong>de</strong>fekter PV-Module<br />
o<strong>de</strong>r die Wie<strong>de</strong>rmontage reparierter,<br />
ausgetauschter o<strong>de</strong>r zusätzlicher PV-<br />
Module noch für etwaige Kosten im Zusammenhang<br />
mit <strong>de</strong>m vorstehen<strong>de</strong>n<br />
Genannten“. Die Münchner Richter<br />
kippten diese Klausel, weil sie nicht<br />
hinreichend klar sei und weil sie zusammen<br />
mit <strong>de</strong>n übrigen Garantiebedingungen<br />
wi<strong>de</strong>rsprüchlich und intransparent<br />
sei. Die vom Hersteller vorformulierten<br />
Garantiebedingung sei auch<br />
unangemessen benachteiligend gemäß<br />
§ 307 BGB.<br />
Der Hintergrund war, dass in <strong>de</strong>n konkreten<br />
Garantiebedingungen an völlig<br />
an<strong>de</strong>rer Stelle die kostenlose Reparatur,<br />
<strong>de</strong>r kostenlose Austausch bzw. die Bereitstellung<br />
zusätzlicher Module zunächst<br />
versprochen wur<strong>de</strong> bzw. die Vergütung<br />
<strong>de</strong>r Differenz zwischen <strong>de</strong>r tatsächlichen<br />
Leistung <strong>de</strong>r Module und<br />
<strong>de</strong>r zugesagten Leistungsschwelle,<br />
wenn auch verbun<strong>de</strong>n mit einem Wahlrecht<br />
<strong>de</strong>s Herstellers. Die umstrittene<br />
Klausel wur<strong>de</strong> erst separat in <strong>de</strong>n allgemeinen<br />
Geschäftsbedingungen nachgeschoben.<br />
Diese Konstruktion riecht zunächst<br />
nach einem ungewöhnlichen<br />
Einzelfall. Wer viel mit Herstellergarantien<br />
zu tun hat, weiß aber, dass Garantiebedingungen<br />
häufig so aufgebaut<br />
sind, dass zunächst eine Leistung versprochen<br />
wird und dann mehr o<strong>de</strong>r weniger<br />
gravieren<strong>de</strong> Haftungsausschlüsse<br />
folgen, durchaus auch in geson<strong>de</strong>rten<br />
allgemeinen Geschäftsbedingungen <strong>de</strong>s<br />
Herstellers. Das Urteil ist <strong>de</strong>shalb für<br />
die Praxis von erheblicher Be<strong>de</strong>utung.<br />
Obwohl die Richter sich ausdrücklich<br />
nur mit <strong>de</strong>m Schutz <strong>de</strong>r Verbraucher beschäftigen,<br />
verweisen sie auch auf Vorschriften,<br />
die <strong>de</strong>r Gesetzgeber je<strong>de</strong>nfalls<br />
auch zum Schutz von Unternehmern<br />
o<strong>de</strong>r juristischen Personen <strong>de</strong>s öffentlichen<br />
Rechts geschaffen hat, nämlich<br />
§ 307 BGB. Allgemeine Geschäftsbedingungen<br />
dürfen danach keine unangemessen<br />
benachteiligen<strong>de</strong> Regelungen<br />
enthalten. Unangemessene Klauseln<br />
sind dann unwirksam, auch wenn sie<br />
einen garantieberechtigten Endkun<strong>de</strong>n<br />
betreffen, <strong>de</strong>r die Photovoltaikanlage<br />
als Unternehmer o<strong>de</strong>r juristische Person<br />
<strong>de</strong>s öffentlichen Rechts erwirbt und betreibt.<br />
Dazu fehlt bisher zwar noch<br />
Rechtsprechung, <strong>de</strong>r Hinweis <strong>de</strong>r Richter<br />
auf § 307 BGB <strong>de</strong>utet aber darauf<br />
hin.<br />
Für die Hersteller haben die Richter<br />
übrigens einen Trost: Sie bescheinigen<br />
nämlich, dass es <strong>de</strong>r Hersteller „von<br />
Vornherein in <strong>de</strong>r Hand gehabt hätte,<br />
seine Garantiezusage so <strong>de</strong>utlich und<br />
klar zu fassen, dass <strong>de</strong>r Eindruck, Montagekosten<br />
seien mitumfasst, gar nicht<br />
erst entstehen konnte“. Die Richter<br />
kommen weiter zu <strong>de</strong>m nüchternen<br />
Schluss, dass <strong>de</strong>r Hersteller die Garantie<br />
ja von vorne herein nur eingeschränkt<br />
hätte abgeben können. Wenn<br />
er dies etwa im Hinblick auf <strong>de</strong>n Werbeeffekt<br />
unterlasse, so müsse er sich daran<br />
festhalten lassen.<br />
Gefragt sind nach <strong>de</strong>m Münchner Urteil<br />
aus Sicht <strong>de</strong>r Modulhersteller mehr<br />
<strong>de</strong>nn je also juristisches Handwerk.<br />
Großzügige Klauseln und engherzige<br />
Der Bayerische Bürgermeister 9/2012<br />
311
2060_DBB_09_2012_g_PDF 29.08.2012 14:19 Uhr Seite 312<br />
Energiewen<strong>de</strong><br />
Klauseln sollten – wenn schon – dann in<br />
einen Paragraphen gepackt wer<strong>de</strong>n, im<br />
Text je<strong>de</strong>nfalls nicht zu weit auseinan<strong>de</strong>rgerissen<br />
und klar und wi<strong>de</strong>rspruchsfrei<br />
formuliert sein. Übrigens:<br />
Auf die Werbung kann es auch ankommen.<br />
Diese sollte <strong>de</strong>n Text <strong>de</strong>r Garantiebedingungen<br />
nicht durchkreuzen. Nach<br />
§ 443 BGB stehen <strong>de</strong>m Käufer aus einer<br />
Beschaffentheits- und Haltbarkeitsgarantie<br />
nämlich im Garantiefall die Rechte<br />
zu, die sich aus <strong>de</strong>n Garantiebedingungen<br />
<strong>de</strong>s Garantieversprechens und<br />
<strong>de</strong>r einschlägigen Werbung ergeben.<br />
Dazu haben sich die Richter im Münchner<br />
Verfahren allerdings ausgeschwiegen:<br />
Die Werbung <strong>de</strong>s Modulherstellers<br />
war nicht Streitgegenstand.<br />
b) Die Käufer von Photovoltaikmodulen<br />
können durchaus Verbraucher<br />
sein. Die Garantiebedingungen <strong>de</strong>r<br />
Hersteller sollten <strong>de</strong>shalb die Vorschriften<br />
zum Verbrauchsgüterkauf<br />
einhalten.<br />
Der Klageantrag <strong>de</strong>s Verbraucherverban<strong>de</strong>s<br />
im Münchner Verfahren ging<br />
dahin, dass <strong>de</strong>r Modulhersteller diese<br />
o<strong>de</strong>r eine inhaltsgleiche Klausel in Garantieversprechen<br />
gegenüber Verbrauchern<br />
in Deutschland nicht einbeziehen<br />
und sich gegenüber diesen Verbrauchern<br />
auf diese Klausel auch nicht berufen<br />
dürfe. Die Richter haben <strong>de</strong>n Modulhersteller<br />
antragsgemäß zur Unterlassung<br />
verurteilt und festgestellt: „Der<br />
Streitgegenstand ist damit begrenzt auf<br />
die Anwendung gegenüber Verbrauchern.“<br />
Das Urteil betrifft streng genommen daher<br />
nur <strong>de</strong>n kleinen Kreis <strong>de</strong>r Garantiefälle,<br />
bei <strong>de</strong>nen Verbraucher mit <strong>de</strong>r<br />
Garantiezusage in Berührung kommen,<br />
d. h. keine Unternehmer. Für <strong>de</strong>n Hersteller<br />
kann dies aber trotz<strong>de</strong>m empfindlich<br />
sein, weil die Richter weiter<br />
feststellen, dass „eine unbegrenzte Zahl<br />
von Fällen“ <strong>de</strong>nkbar sei, bei <strong>de</strong>nen ein<br />
Verbraucher erstmals mit <strong>de</strong>r Garantiezusage<br />
in Berührung komme. So könnten<br />
Existenzgrün<strong>de</strong>r Verbraucher sein,<br />
wenn sie z. B. durch <strong>de</strong>n Erwerb einer<br />
Photovoltaikanlage eine Existenzgründung<br />
erst vorbereiten, je<strong>de</strong>nfalls beim<br />
Ersterwerb. Auch Endkun<strong>de</strong>n, die die<br />
Anlage allein zum Zwecke erwerben,<br />
ihren Eigenbedarf zu <strong>de</strong>cken, seien keine<br />
Unternehmer, son<strong>de</strong>rn Verbraucher.<br />
Ob Endkun<strong>de</strong>n Unternehmer sind,<br />
wenn sie eine Photovoltaikanlage betreiben,<br />
hat das Gericht hingegen ausdrücklich<br />
offen gelassen.<br />
Für die Richter steht daher fest, dass<br />
Herstellergarantien für PV-Module<br />
nicht von Vornherein vom Verbraucherschutz<br />
ausgenommen sind. Man kann<br />
daraus <strong>de</strong>n Schluss ziehen, dass Modulhersteller<br />
die Verbraucherschutzvorschriften<br />
beherzigen sollten, wenn sie<br />
Garantiebedingungen schreiben, <strong>de</strong>nn<br />
sie wissen vorher nicht immer, ob ihre<br />
Module letztlich in die Hän<strong>de</strong> von<br />
Verbrauchern kommen, z. B. über<br />
Zwischenhändler. Den Verbrauchern<br />
kommt so die Vorschrift <strong>de</strong>s § 477 BGB<br />
zugute. Diese regelt zum Beispiel, dass<br />
die Garantieerklärung einfach und verständlich<br />
abgefasst sein muss und dass<br />
<strong>de</strong>r Verbraucher einen Anspruch auf<br />
Mitteilung <strong>de</strong>r Garantie in Textform hat.<br />
Die Vorschrift regelt auch Hinweispflichten,<br />
<strong>de</strong>nen Modulhersteller bei ihren<br />
Garantien erfahrungsgemäß nicht<br />
immer nachkommen.<br />
II. 5-jährige Verjährung für Mängelansprüche<br />
bei einer Freiflächenanlage:<br />
Beschluss <strong>de</strong>s OLG Bamberg vom<br />
12.1.2012 (Az. 6 W 38/11)<br />
In einem aktuellen Beschluss <strong>de</strong>s OLG<br />
Bamberg vom 12.1.2012 (6 W 38/11 –<br />
zitiert nach Juris) hat ein Gericht soweit<br />
ersichtlich erstmalig entschie<strong>de</strong>n, dass<br />
die gesetzliche Verjährungsfrist für<br />
Mängelansprüche für eine Freiflächen-<br />
Photovoltaikanlage fünf Jahre beträgt.<br />
Die Anlage sei als Bauwerk anzusehen,<br />
weil sie mit <strong>de</strong>m Erdbo<strong>de</strong>n fest verbun<strong>de</strong>n<br />
sei. Diese Rechtsprechung erschüttert<br />
einen landläufigen Glauben in <strong>de</strong>r<br />
Photovoltaikbranche an eine nur zweijährige<br />
gesetzliche Verjährungsfrist für<br />
Mängelansprüche. Es bleibt spannend,<br />
ob und inwieweit diese Rechtsprechung<br />
auch auf Dachflächen-Photovoltaikanlagen<br />
ausgeweitet wird und von an<strong>de</strong>ren<br />
Gerichten bestätigt wird.<br />
Vor <strong>de</strong>m Hintergrund dieser Rechtsprechung<br />
wer<strong>de</strong>n auch allgemeine Geschäftsbedingungen<br />
<strong>de</strong>r Solateure und<br />
Generalunternehmer kritisch zu betrachten<br />
sein, die eine nur zweijährige<br />
Verjährung von Mängelansprüchen bei<br />
Photovoltaikanlagen regeln. Gegenüber<br />
Verbrauchern sind diese Klauseln gemäß<br />
§ 309 Ziffer 8b) BGB ein<strong>de</strong>utig unwirksam,<br />
wenn die Anlage als Bauwerk<br />
angesehen wird. Auch bei Verwendung<br />
<strong>de</strong>r allgemeinen Geschäftsbedingungen<br />
gegenüber Unternehmern o<strong>de</strong>r juristischen<br />
Personen <strong>de</strong>s öffentlichen Rechts<br />
können solche Klauseln unangemessen<br />
benachteiligend und nach § 307 BGB<br />
unwirksam sein. Wenn in <strong>de</strong>r Branche<br />
eine zweijährige Verjährungsfrist für<br />
Mängelansprüche rechtssicher vereinbart<br />
wer<strong>de</strong>n soll, muss dies daher durch<br />
einzelvertragliche Regelungen erfolgen,<br />
nicht durch allgemeine Geschäftsbedingungen.<br />
III. Mängelansprüche beim Kaufvertrag:<br />
Haftung <strong>de</strong>s Verkäufers auch für die<br />
Demontage und Remontage? –<br />
EuGH, Urteil vom 16.6.2011 (Az.<br />
C-65/09, C-87/09) und Urteil <strong>de</strong>s<br />
BGH vom 21.12.2011 (Az. VIII ZR<br />
70/08).<br />
Die Urteile <strong>de</strong>s EuGH, Urteil vom<br />
16.6.2011 (Az. C-65/09, C-87/09) und<br />
Urteil <strong>de</strong>s BGH vom 21.12.2011 (Az. VIII<br />
ZR 70/08) haben keine Photovoltaikanlagen<br />
zum Gegenstand. Sie gelten aber<br />
als bahnbrechend für die Frage <strong>de</strong>r<br />
Mängelhaftung <strong>de</strong>s Verkäufers beim<br />
Kaufvertrag. In bei<strong>de</strong>n Entscheidungen<br />
geht es darum, inwieweit <strong>de</strong>r Verkäufer<br />
einer mangelhaften Sache im Rahmen<br />
<strong>de</strong>r Mängelhaftung auch dafür verantwortlich<br />
ist, dass die vom Käufer bereits<br />
eingebaute mangelhafte Sache wie<strong>de</strong>r<br />
ausgebaut und die ersatzgelieferte neue<br />
Sache wie<strong>de</strong>r eingebaut wer<strong>de</strong>n muss.<br />
Genau diese Frage kann für die PV-<br />
Branche im Einzelfall existentiell sein.<br />
Zwar sind die Errichtungsverträge für<br />
eine Photovoltaikanlage keine reinen<br />
Kaufverträge, son<strong>de</strong>rn Werkverträge,<br />
Werklieferverträge o<strong>de</strong>r Kaufverträge<br />
mit Montageverpflichtung. Trotz<strong>de</strong>m<br />
spielen reine Kaufverträge natürlich eine<br />
wichtige Rolle, z. B. <strong>de</strong>r Kaufvertrag<br />
zwischen Solateur und Hersteller über<br />
die Lieferung von Photovoltaikmodulen<br />
o<strong>de</strong>r Unterkonstruktionen. Wenn<br />
die Module o<strong>de</strong>r die Unterkonstruktion<br />
mangelhaft ist, ist die Frage, ob <strong>de</strong>r Verkäufer<br />
auch für die Demontage <strong>de</strong>r <strong>de</strong>fekten<br />
Module und die Remontage <strong>de</strong>r<br />
ausgewechselten Module haftet o<strong>de</strong>r ob<br />
er etwa nur die Module reparieren o<strong>de</strong>r<br />
neue Module liefern muss. Entsprechen<strong>de</strong>s<br />
gilt für an<strong>de</strong>re Anlagenteile.<br />
Im Recht <strong>de</strong>r Mängelhaftung beim<br />
Kaufvertrag gilt grundsätzlich seit <strong>de</strong>r<br />
312 Der Bayerische Bürgermeister 9/2012
2060_DBB_09_2012_g_PDF 29.08.2012 14:19 Uhr Seite 313<br />
Immer wissen, was das Gesetz<br />
sagt – wie geht das, wenn nicht ein Gesetz<br />
gilt, son<strong>de</strong>rn vier?<br />
Hölzl/Hien/Huber<br />
Gemein<strong>de</strong>ordnung mit Verwaltungsgemeinschaftsordnung,<br />
Landkreisordnung<br />
und Bezirksordnung für <strong>de</strong>n<br />
Freistaat Bayern<br />
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2060_DBB_09_2012_g_PDF 29.08.2012 14:19 Uhr Seite 314<br />
Energiewen<strong>de</strong><br />
jüngeren Rechtsprechung <strong>de</strong>s Europäischen<br />
Gerichtshofs, dass <strong>de</strong>r Verkäufer<br />
einer mangelhaften Sache auch die Einund<br />
Ausbaukosten zu tragen hat, je<strong>de</strong>nfalls<br />
beim Verbrauchsgüterkauf und<br />
nach europäischem Recht (vgl. EuGH,<br />
NJW 2011, 2269; Jaensch, Der Umfang<br />
<strong>de</strong>r kaufrechtlichen Nacherfüllung,<br />
NJW 2012, S. 1025). Das Urteil <strong>de</strong>s<br />
EuGH behan<strong>de</strong>lt dies im Zusammenhang<br />
mit <strong>de</strong>r Verbrauchsgüterkaufrichtlinie<br />
(Richtlinie 1999/44/EG). Der<br />
EuGH entschied, dass diese Richtlinie<br />
so auszulegen ist, dass <strong>de</strong>r Verkäufer<br />
beim Vertragsgüterkauf verpflichtet ist,<br />
entwe<strong>de</strong>r selbst <strong>de</strong>n Ausbau dieses Verbrauchsguts<br />
aus <strong>de</strong>r Sache, in die es eingebaut<br />
wur<strong>de</strong>, vorzunehmen und das<br />
als Ersatz gelieferte Verbrauchsgut in<br />
diese Sache einzubauen, o<strong>de</strong>r die Kosten<br />
zu tragen, die für diesen Ausbau<br />
und <strong>de</strong>n Einbau <strong>de</strong>s als Ersatz gelieferten<br />
Verbrauchsguts notwendig sind.<br />
Diese Verpflichtung <strong>de</strong>s Verkäufers besteht<br />
unabhängig davon, ob er sich im<br />
Kaufvertrag verpflichtet hatte, das ursprünglich<br />
gekaufte Verbrauchsgut einzubauen.<br />
Die Verpflichtung besteht<br />
aber grundsätzlich nur dann, wenn <strong>de</strong>r<br />
Käufer das mangelhafte Verbrauchsgut<br />
gutgläubig gemäß seiner Art und seinem<br />
Verwendungszweck eingebaut hat<br />
und wenn <strong>de</strong>r Verkäufer im Wege einer<br />
Ersatzlieferung <strong>de</strong>n Mangel beseitigt.<br />
Die Be<strong>de</strong>utung dieser Entscheidung <strong>de</strong>s<br />
Europäischen Gerichtshofs für das nationale<br />
Recht ist noch nicht endgültig<br />
geklärt. Der Bun<strong>de</strong>sgerichtshof hat jedoch<br />
die Haftung <strong>de</strong>s Verkäufers zumin<strong>de</strong>st<br />
für die Ausbaukosten und die<br />
Abtransportkosten beim Verbrauchsgüterkauf<br />
jetzt auch bestätigt (BGH,<br />
Urt. vom 21.12.2011 – VIII ZR 70/08).<br />
Dies erfor<strong>de</strong>re eine richtlinienkonforme<br />
Auslegung <strong>de</strong>s § 439 Abs. 1 Alt 2 BGB.<br />
Es spricht viel dafür, dass diese Rechtsprechung<br />
<strong>de</strong>s BGH aus Grün<strong>de</strong>n <strong>de</strong>r<br />
Einheit <strong>de</strong>r Rechtsordnung und einer<br />
einheitlichen Auslegung <strong>de</strong>s § 439<br />
Abs. 1 BGB auch auf Fälle ausge<strong>de</strong>hnt<br />
wird, in <strong>de</strong>nen <strong>de</strong>r Käufer nicht Verbraucher,<br />
son<strong>de</strong>rn Unternehmer o<strong>de</strong>r<br />
juristische Person <strong>de</strong>s öffentlichen<br />
Rechts ist.<br />
Die Grundkonstellation, die <strong>de</strong>m EuGH<br />
und <strong>de</strong>m BGH vorlagen, sind für Photovoltaikanlagen<br />
klassisch gegeben, wenn<br />
etwa <strong>de</strong>fekte Module vom Solateur in<br />
einer Dachflächenanlage verbaut wer<strong>de</strong>n,<br />
sich <strong>de</strong>r Mangel <strong>de</strong>r Module erst<br />
nach <strong>de</strong>r Montage und Inbetriebnahme<br />
zeigt und die Module dann ausgetauscht<br />
wer<strong>de</strong>n müssen. Für <strong>de</strong>n Solateur<br />
stellt sich dann die Frage, ob er<br />
vom Modulhersteller die Kosten <strong>de</strong>r<br />
Demontage und Remontage erstattet<br />
bekommt. Der Solateur ist zwar kein<br />
Verbraucher, aber die Rechtsprechung<br />
<strong>de</strong>s EuGH und BGH könnte auch für<br />
ihn richtungsweisend sein, weil sie im<br />
Kern <strong>de</strong>n Umfang <strong>de</strong>r Mängelhaftung<br />
beim Kaufvertrag und die Auslegung<br />
<strong>de</strong>r diesbezüglichen Vorschriften <strong>de</strong>s<br />
§§ 438 ff. BGB betrifft.<br />
Wirklich spannend ist dann die Frage,<br />
ob im Rahmen von allgemeinen Geschäftsbedingungen<br />
die Mängelhaftung<br />
in Bezug auf die Ein- und Ausbaukosten<br />
wirksam ausgeschlossen wer<strong>de</strong>n<br />
kann und inwieweit hier zwischen Verbrauchern<br />
und Unternehmern o<strong>de</strong>r juristischen<br />
Personen <strong>de</strong>s öffentlichen<br />
Rechts zu unterschei<strong>de</strong>n ist. Auch hier<br />
gilt, dass wirkliche Rechtssicherheit für<br />
<strong>de</strong>n Verkäufer eher in einzelvertraglichen<br />
Regelungen erreicht wer<strong>de</strong>n<br />
kann und weniger in allgemeinen Geschäftsbedingungen,<br />
je<strong>de</strong>nfalls wenn<br />
die Mängelhaftung von Seiten <strong>de</strong>s Verkäufers<br />
eingeschränkt wer<strong>de</strong>n soll. Die<br />
Rechtslage ist noch nicht ein<strong>de</strong>utig. Fest<br />
steht nur, dass die Photovoltaikbranche<br />
bei <strong>de</strong>r Vertragsgestaltung um das Thema<br />
nicht herumkommt.<br />
Dr. Margarete Spiecker ist Rechtsanwältin<br />
in Regensburg in <strong>de</strong>r<br />
Kanzlei Espenhain & Espenhain<br />
(www.espenhain.<strong>de</strong>). Als Fachanwältin<br />
für Verwaltungsrecht und für<br />
Bau- und Architektenrecht ist sie<br />
auf erneuerbare Energien sowie<br />
öffentliches und privates Baurecht<br />
spezialisiert. Sie begleitet Anlagenprojekte<br />
(insbeson<strong>de</strong>re Windkraft,<br />
Biogas, Photovoltaik) umfassend, von<br />
<strong>de</strong>r Genehmigung bis zur Errichtung,<br />
zum Netzanschluss und zu <strong>de</strong>r Durchsetzung<br />
von Vergütungs-, Garantieund<br />
Gewährleistungsansprüchen.<br />
314 Der Bayerische Bürgermeister 9/2012