forward ever â backward never«. - Die Linke
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Ein ordentlicher Schluck<br />
Geschafft: Reale Einkommenssteigerung für die Beschäftigten durchgesetzt.<br />
<strong>Die</strong> Tarifrunde 2008 im öffentlichen <strong>Die</strong>nst Von Ulrike Zerhau<br />
Nach Jahren konnten sich die Beschäftigten<br />
im öffentlichen <strong>Die</strong>nst in einer<br />
Tarifrunde wieder sehr gut behaupten.<br />
In der Nacht vom 30. auf den 31. März<br />
rang die Verhandlungskommission von<br />
ver.di den Arbeitgebern quasi in letzter<br />
Minute vor einem Streik eine spürbare<br />
Einkommensverbesserung ab. ver.di<br />
konnte einen Abschluss deutlich über<br />
der Preissteigerungsrate durchsetzen,<br />
das heißt die Realeinkommen im öffentlichen<br />
<strong>Die</strong>nst werden endlich wieder<br />
steigen.<br />
Dass dieses Ergebnis möglich wurde,<br />
haben die Beschäftigten vor allem<br />
auch sich selbst zu verdanken. <strong>Die</strong> hohe<br />
Beteiligung an den Warnstreiks hatte<br />
der Verhandlungskommission den<br />
Rücken gestärkt. Vor allem aber wurde<br />
er wohl durch die überall zu verspürende<br />
Stimmung unter den Beschäftigten<br />
gestärkt, sich dem Arbeitskampf auch<br />
wirklich stellen zu wollen. Darüber hinaus<br />
war allgemein bekannt, dass die<br />
Steuereinnahmen im letzten Jahr hoch<br />
waren und der öffentliche <strong>Die</strong>nst durchaus<br />
in der Lage ist, den Beschäftigten<br />
den geforderten und wohlverdienten<br />
Einkommenszuwachs zu fi nanzieren.<br />
Und überhaupt hat sich die Stimmung<br />
in Tarifrunden sichtbar geändert.<br />
<strong>Die</strong> Beschäftigten nehmen nicht mehr<br />
hin, dass sie vom wirtschaftlichen Zuwachs<br />
ausgenommen werden, es wird<br />
selbstbewusster gefordert, und die übrige<br />
Bevölkerung verhält sich dazu überhaupt<br />
nicht kritisch. Ganz im Gegenteil,<br />
viele erhoffen sich für ihre eigene Situation<br />
positive Auswirkungen und unterstützen<br />
daher die Forderungen der<br />
streitenden Gewerkschaften auch als<br />
nicht unmittelbar Beteiligte.<br />
ver.di hatte sich schon im letzten<br />
Jahr auf eine schwere Tarifrunde eingestellt,<br />
wenn nötig auf einen Arbeitskampf.<br />
<strong>Die</strong> Tarifrunden in den Jahren<br />
davor waren Abwehrrunden gewesen,<br />
in denen die Arbeitgeberseite ihre Erfolge<br />
davontragen konnte, zum Beispiel<br />
in Form von Absenkungen beim<br />
Urlaubsgeld und den Jahressonderzahlungen.<br />
Für die diesjährige Tarifrunde hatte<br />
die Gewerkschaftsseite eine kräftige<br />
Einkommenserhöhung von acht<br />
Prozent mit einem Mindestbetrag von<br />
200 Euro als Hauptforderung eingebracht.<br />
Dem standen die Arbeitgeber<br />
GEWERKSCHAFT<br />
gegenüber, die von Anfang an mauerten<br />
und ein »Angebot« vorlegten, das<br />
allerdings bei genauerer Betrachtung<br />
eine Kürzung der Einkommen beinhaltete.<br />
Sie beharrten vor allem auf ihrer<br />
Forderung nach einer Verlängerung der<br />
Arbeitszeit. Ministerpräsident Althaus<br />
(CDU) spielte sogar mit dem Gedanken<br />
an eine 42-Stunden-Woche.<br />
Unter diesen Bedingungen scheiterten<br />
die Tarifverhandlungen. Im Tarifprozedere<br />
des öffentlichen <strong>Die</strong>nstes<br />
führt ein Scheitern der Verhand-<br />
Flagge zeigen, Streikweste überstreifen<br />
lungen zu einem Schlichtungsverfahren.<br />
In diesem Jahr war der Vorsitz in<br />
der Schlichtungskommission mit Lothar<br />
Späth durch die Arbeitgeberseite<br />
besetzt, so dass am Ende der Schlichtung<br />
eine Einigungsempfehlung gegen<br />
die Arbeitnehmervertreter durchgesetzt<br />
werden konnte. <strong>Die</strong>se sah im Ergebnis<br />
vor, dass praktisch keine Einkommenserhöhung<br />
stattfi nden sollte<br />
bzw. das Wenige an Steigerung obendrein<br />
von den Beschäftigten selbst<br />
durch längere Arbeitszeiten eigenfinanziert<br />
werden sollte. <strong>Die</strong> Gewerkschaftsseite<br />
lehnte daher die Schlichtungsempfehlung<br />
ab, und alle Zeichen<br />
deuteten darauf hin, dass im öffentlichen<br />
<strong>Die</strong>nst gestreikt werden müsste.<br />
Am letzten Märzwochenende gab es einen<br />
letzten Verhandlungsversuch, der<br />
schließlich doch und für viele unerwartet<br />
sogar zu einer Tarifeinigung führte.<br />
Aus Sicht der Arbeitnehmer ist das Ergebnis<br />
ein großer Erfolg.<br />
Für die Beschäftigten des öffentlichen<br />
<strong>Die</strong>nstes ist folgendes Ergebnis<br />
erreicht worden: 2008 steigen die<br />
Einkommen um 50 Euro plus, darauf<br />
aufgesattelt, weitere 3,1 Prozent. Im<br />
nächsten Jahr kommen im Januar eine<br />
weitere Erhöhung um 2,8 Prozent sowie<br />
eine Einmalzahlung von 225 Euro<br />
dazu. <strong>Die</strong> Auszubildenden erhalten 70<br />
Euro mehr. Des Weiteren: Bisher nicht<br />
geregelte und umstrittene Fragen des<br />
Übergangs zum neuen Tarifvertrag für<br />
den öffentlichen <strong>Die</strong>nst konnten geregelt<br />
werden. Allerdings, die Beschäftigten<br />
im Westen müssen jetzt eine<br />
halbe Stunde länger arbeiten, und die<br />
40-Stunden-Woche im Osten bleibt erhalten.<br />
Ausgenommen von der Arbeitszeitverlängerung<br />
sind lediglich die<br />
Krankenhäuser.<br />
Schon lange hat ein Tarifabschluss<br />
nicht mehr so viel Zustimmung bei den<br />
Betroffenen erhalten. Fragt man unter<br />
Gewerkschaftern nach, herrscht Freude<br />
über das Ergebnis vor. Viele wussten<br />
schon gar nicht mehr, was ein »Sockelbetrag«<br />
überhaupt ist und wie er wirkt.<br />
Insbesondere für die Beschäftigten in<br />
den unteren Einkommensgruppen gibt<br />
© Erich Wehnert<br />
DISPUT April 2008 06