forward ever â backward never«. - Die Linke
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BÜCHER<br />
Wer schreibt,<br />
bleibt nicht immer<br />
Vergessene Literaten und Literaturgeschichten,<br />
nachgelesen von Ingrid Feix<br />
75 Jahre ist es her, als am 10. Mai<br />
im Herzen Berlins von den Nazis<br />
ein großer Scheiterhaufen<br />
aus Büchern errichtet wurde. Große<br />
Autoren der Weltliteratur wurden quasi<br />
über Nacht zu Unpersonen erklärt, ihre<br />
Bücher und Schriften vernichtet und<br />
verboten. Thomas Mann, Karl Marx, Sigmund<br />
Freud sind nur einige wenige von<br />
ihnen. Der Germanist Armin Strohmeyr<br />
bringt mit seinem sehr lesenswerten<br />
Buch 30 vergessene Dichterinnen und<br />
Dichter ins allgemeine Gedächtnis zurück,<br />
bei denen die Aktion der Nationalsozialisten<br />
»erfolgreich« war. Verlorene<br />
Generation heißt die Sammlung kurzer<br />
© Repro<br />
gefürchtete Publizist Kurt Hiller, ein revolutionärer<br />
Pazifi st, der sich auch kritisch<br />
mit dem Verhalten der <strong>Linke</strong>n bei<br />
der Machtergreifung Hitlers auseinandersetzte<br />
und von den Nazis als Kriegsdienstverweigerer<br />
und Homosexueller<br />
verhaftet und gefoltert wurde. Noch in<br />
seiner Autobiografi e musste sich der<br />
84-Jährige 1969 gegen Verleumdungen<br />
verwahren. Er starb 1972 in Hamburg …<br />
Im Laufe der Jahre sind von vielen<br />
der Dichterinnen und Dichter hie und<br />
da auch Texte und Bücher veröffentlicht<br />
worden. Dem aufmerksamen Leser<br />
sind somit Namen wie Max Herrmann-<br />
Neiße, Hans Sahl, Otto Flake, Walter<br />
Hasencl<strong>ever</strong>, Paul Zech, Leonhard<br />
Frank, Ricarda Huch, Hermann Kesten,<br />
Ernst Weiß oder Vicki Baum nicht gänzlich<br />
unbekannt. Dennoch ist dem Autor<br />
und dem Verlag sehr für diesen konzentrierten<br />
Überblick über eine literarische<br />
Welt und ihre Protagonisten zu<br />
danken, zumal es sich um ein im besten<br />
Sinne populär geschriebenes Stück<br />
Zeitgeschichte handelt.<br />
öffentlicht wurden. Bevor in der DDR ein<br />
Buch erschien, hatte es vor der Druckgenehmigung<br />
in der Regel zwei Gutachten<br />
zu geben. Damit war sichergestellt, dass<br />
möglichst kein unerwünschter Gedanke<br />
die Öffentlichkeit erreicht. Der hintersinnige<br />
Aphorismus »Satiren, die der Zensor<br />
versteht, werden mit Recht verboten«<br />
wurde so aus dem im Eulenspiegel<br />
Verlag erscheinenden Band »Das<br />
Tier lacht nicht« vorab entdeckt und gestrichen.<br />
Anders verhielt es sich bei der<br />
Veröffentlichung von Plenzdorfs Roman<br />
»<strong>Die</strong> Legende vom Glück ohne Ende«<br />
1979 im Rostocker Hinstorff Verlag,<br />
darin durfte Paul von einem DDR-Grenzer<br />
aufgefordert im Rollstuhl sogar ohne<br />
Papiere über die Grenze in den Westen<br />
und wieder zurück fahren … Zwar begleiteten<br />
alle Manuskripte Plenzdorfs<br />
Kritiken zu seiner »falschen Heldenkonzeption«,<br />
doch machte man hier Zugeständnisse.<br />
<strong>Die</strong>se heimlichen Literatur-<br />
Repro<br />
©<br />
Armin Strohmeyr<br />
Simone Barck/<br />
Verlorene Generation<br />
Siegfried Lokatis<br />
Dreißig vergessene<br />
Zensurspiele<br />
Dichterinnen & Dichter<br />
Heimliche Literatur-<br />
des »anderen<br />
Deutschland«<br />
447 Seiten<br />
Um eine Literatur oder besser deren<br />
Literaturbetrieb geht es in dem<br />
Buch »Zensurspiele«, nämlich um<br />
geschichte<br />
aus der DDR<br />
296 Seiten<br />
Atrium Verlag Zürich<br />
die DDR-Literatur bzw. die Literatur, die Mitteldeutscher<br />
24,90 Euro in der DDR erscheinen oder auch nicht Verlag, 20 Euro<br />
erscheinen durfte. Wenn später jemand<br />
biografi scher Texte, in denen sowohl vielleicht auf die Idee kommen sollte, geschichten enthalten viele auch wider-<br />
die Lebensumstände wie auch die lite- die inzwischen vergessenen DDR-Autosprüchliche Beispiele.<br />
rarisch-künstlerischen Leistungen beren porträtieren zu wollen, kann er auch<br />
schrieben sind.<br />
in diesem Buch einige interessante und<br />
Da ist die einstige »Muse des expressionistischen<br />
und dadaistischen Cabarets«<br />
Emmy Ball-Hennings, eine Freun-<br />
wichtige Hinweise fi nden. Immerhin ist<br />
es heute kaum noch vorstellbar, wie das<br />
mit der Zensur in der DDR ablief. Was<br />
Autoren aus Ost und West trafen<br />
sich und ihre Leser in der Buchmessestadt<br />
Leipzig. <strong>Die</strong>ser ungedin<br />
Hesses, die in den 1930er Jahren, heute »der Markt« und eine mediale Erwöhnliche Bild-Text-Band erinnert an<br />
abgeschnitten vom literarischen Leben, wartenshaltung zwischen zwei Buchde- ungewöhnliche Begegnungen. Außer-<br />
arbeitete und 1948 krank, arm und völckeln erscheinen lassen, und mehr noch, dem ist er eine kleine Fundgrube für die,<br />
lig desillusioniert starb. Der Satiriker was nicht, mag manchem Schreibenden die auf der Suche nach Episoden und<br />
und Herausgeber Franz Blei, der mit wie Zensur vorkommen, eine anonyme fast vergessenen Literaturgeschichten<br />
seinem »Bestiarium literaricum« die Macht. In diesem vorliegenden Buch sind.<br />
literarische Welt der 1920er Jahre ka- geht es jedoch um ideologische Grünrikierte<br />
und dessen im Exil entstandede, die ganz konkrete Institutionen und<br />
nen Zeitroman »Das trojanische Pferd« Leute dazu brachte, vor einer Veröffent- Buch-Tipp:<br />
kein Verlag drucken wollte, starb in lichung in der DDR darüber zu befin- Weltnest<br />
einem Armenhospital auf Long Island. den, was, wann und wie gedruckt wer- Literarisches Leben<br />
Vergessen ist auch der jüdische Anwalt den durfte. Bei den in einen chronolo- in Leipzig<br />
und Dichter Paul Mühsam aus Görlitz, gischen Rahmen gestellten kurzen und 1970–1990<br />
der zwei Jahre ältere Vetter des im KZ kurzweiligen Beiträgen der beiden Au- 160 Seiten<br />
Oranienburg ermordeten Erich Mühtoren sowie noch einiger anderer han- Mitteldeutscher<br />
sam. Ein anderes Beispiel ist der einst delt es sich um Kolumnen, die über Jah- Verlag<br />
wegen seiner Polemiken und Glossen re hinweg in der »Berliner Zeitung« ver- 25 Euro<br />
DISPUT April 2008 046<br />
© Repro