aktiv am liewen - RBS
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Mitten im Leben<br />
Was heißt hier eigentlich alt?<br />
Gebärfähigkeit als Frau zu demonstrieren, um die Chance<br />
auf einen Partner zu erhöhen. Der Jugendwahn ist keineswegs<br />
mehr ein rein „weibliches“ Phänomen. Immer mehr<br />
Männer lassen sich heute bereits mit Botox und Silikon<br />
„verjüngen“ (nicht) nur, um ihre beruflichen Aufstiegschancen<br />
zu verbessern.<br />
Alle Jahre wieder wird das Unwort des Jahres gekürt.<br />
Dabei wird abgestimmt, welches Wort besonders<br />
unschön und unerwünscht ist. Doch eines der<br />
unbeliebtesten Wörter spätestens ab Anfang 30<br />
taucht nie auf dieser Liste auf: das Wort ALT. Während<br />
sich Jugendliche darauf freuen, endlich alt genug zu<br />
sein, ist es fast ein Sakrileg, einen Menschen in der<br />
zweiten Lebenshälfte als alt zu bezeichnen. Aber was ist<br />
denn eigentlich so schlimm an diesem Wort?<br />
Wenn man das Wort „alt“ in einem Lexikon für Synonyme<br />
nachschlägt, muss man schon lange suchen, um auch etwas<br />
Positives zu finden. Wörter wie „abgenutzt, langweilig,<br />
verg<strong>am</strong>melt, schal, minderwertig, gebrechlich“ zeigen sehr<br />
konkret, was Menschen meistens mit diesem Wort verbinden.<br />
Seltener hört man dagegen die Bedeutungen „ehrwürdig,<br />
etabliert, bejahrt, erfahren, weise, wohlbekannt“.<br />
Doch vielleicht liegt der wichtigste Grund des negativen<br />
Beigeschmacks von „alt“ darin, dass es das Gegenteil<br />
von „jung“ ist. Und wir leben in einer Welt, die dem jungen<br />
Aussehen eine sehr hohe Bedeutung beimisst. Dabei<br />
geht es längst nicht mehr nur noch darum, potentielle<br />
Jugendliche beschweren sich sogar inzwischen darüber,<br />
dass die „Älteren“ – und d<strong>am</strong>it sind oft schon 40-Jährige<br />
gemeint – sich die Sprache und Kleidung der „Jüngeren“<br />
aneignen. Die Identität der Jugend wird kopiert, anstatt<br />
sich eine eigene Identität zu erschaffen. Doch zum Glück<br />
ist das keineswegs bei allen Menschen so, die das Privileg<br />
haben, alt werden zu dürfen. Die Psychologieprofessorin<br />
Pasqualina Perrig-Chiello von der Universität Bern<br />
schreibt dazu, dass glücklich gealterte Menschen in der<br />
Regel diejenigen sind, die bereits in ihrer Lebensmitte gelernt<br />
haben, sich frei zu machen von dem, was andere sagen<br />
oder was gerade in Mode ist.<br />
Ganz oft entsteht die Ablehnung des Wortes „alt“ auch<br />
dadurch, dass viele abwertende Äußerungen und sogar<br />
Beschimpfungen mit diesem Wort verbunden werden: Alter<br />
Sack, alte Schachtel, den „aale Granzert“. Bestimmt<br />
fallen Ihnen noch viele andere Beleidigungen dieser Art<br />
ein. Dabei ist besonders interessant, dass manchmal die<br />
wüstesten Beleidigungen zum Thema „alt“ von Menschen<br />
formuliert werden, die selbst bereits im Seniorenalter<br />
sind. Man hat zuweilen das Gefühl, es gäbe einen graus<strong>am</strong>en<br />
K<strong>am</strong>pf zwischen Menschen in der 2. Lebenshälfte,<br />
um zu zeigen, dass immer nur die Anderen alt sind.<br />
Dahinter steckt ja eigentlich die Angst, mit der Bezeichnung<br />
„alt“ als minderwertig abgestempelt zu werden. Doch<br />
gleichzeitig verlängert sich zunehmend der Lebensabschnitt<br />
„Alter“. Über diese eigentlich recht erfreuliche Tatsache<br />
hat der franzöische Komponist Daniel François Auber<br />
(1782 – 1871) übrigens bereits vor 150 Jahren geschrieben:<br />
28 Aktiv <strong>am</strong> Liewen N°46