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07.06.2014 Aufrufe

coverstory Die Naturwissenschafter der Zukunft: Die Neugierde der Kinder, fremdes Terrain zu erkunden, lässt sie ständig und ganz mühelos Neues lernen. Die dahintersteckende Triebfeder ist Belohnung. Eine scheinbar einfache Frage und doch findet man sich gleich in einem Dilemma: Welche Teile des menschlichen Wissens sind angeboren, welche sind erworben? Generationen von Philosophen, Wissenschaftern – neuerdings die Hirnforscher – beschäftigt diese Frage. So ist bis heute keinesfalls geklärt, wie der für Menschen so wichtige Erwerb der Sprachkompetenz genau vor sich geht. Der amerikanische Linguistiker Noam Chromsky, Professor am Massachusetts Institute of Technology, vertritt z. B. die Theorie, dass gewisse Grundstrukturen für sprachliche Grammatik angeboren, d. h. genetisch sind. Das Wissen, das notwendig ist, um eine Sprache zu beherrschen, ist demnach nur zum Teil erworben, also erlernt. Die Grundlage dafür ist uns aber scheinbar schon in den Erbanlagen mitgegeben. Eine bislang nicht endgültig entschiedene Henne-Ei-Frage. Derartige Überlegungen führen rasch zur nächsten Fragestellung: Über welche (angeborenen) Fähigkeiten – man könnte auch Talente dazu sagen – verfügen wir Menschen und welche Fertigkeiten können wir daraus entwickeln? Gemeinhin erwerben wir Fertigkeiten zwar auf Basis unserer Talente, aber dann doch vor allem durch drei weitere wesentliche Schritte: Erstens: durch Übung. Es gab Zeiten, in denen in Schulen ausschließlich durch dauerndes Wiederholen gelernt wurde. Mittlerweile hat sich glücklicherweise durchgesetzt, dass es dazu doch etwas mehr braucht, um effizient und nachhaltig Wissen aufzubauen, nämlich zweitens: bereits Erlerntes. Das bereits Vorhandene kann zu neuen Erkenntnissen verknüpft werden, wenn ein neuer Input hinzukommt. Aufgrund der Vernetztheit des Gehirns sind zuvor erworbene Kenntnisse, Erfahrungen, aber auch persönliche Reife wichtige Lerngrundlagen, auf denen aufgebaut werden kann. Deshalb ist fächerübergreifendes, also vernetzendes Lernen ein wichtiges Element in der Pädagogik. Und drittens: die Motivation, also die Bereitschaft, sich weiterzuentwickeln. Generationen von Schülern mussten darunter leiden, dass die Entwicklung einer persönlichen Reife und die Motivation kaum Berücksichtigung in den Schulen fanden. Der Gehirnforscher Manfred Spitzer fasst es prägnant in einem Satz zusammen: „Das Gehirn lernt immer – und am besten bei guter Laune!“ Ein beeindruckendes Beispiel für die Lernpotenziale des Menschen kann man bei einem Baby beobachten, wenn es laufen lernt. Es zieht sich hoch und fällt wieder hin – mit einem bemerkenswerten Durchhaltevermögen. Jeder Erwachsene hätte schon längst aufgeben. Das Baby macht weiter, oder wie Manfred Spitzer es formuliert: „Das Baby lernt von Fall zu Fall.“ Die dahintersteckende Triebfeder ist Belohnung. Das Gehirn empfindet dann Glück, wenn es etwas Neues, Positives lernen kann, das es nicht erwartet hat. So einfach funktionieren wir eigentlich. Trotzdem gibt es auch heute noch viele Menschen, die meinen, Lernen müsste anstrengend oder sogar mühevoll sein. Muss es nicht, darf es nicht. Wie erfolgt die Organisation von Wissen im Gehirn? Bei dieser Frage geht es darum, zu erklären, wie die Speicherung, Integration und Organisation von Informationen im Gedächtnis erfolgen. Ein Versuch, diese Vorgänge anschaulich zu zeigen, ist mithilfe sog. semantischer Netze, wie sie in den 1960er-Jahren vom Sprachwissenschaftler Ross Quillian vorgeschlagen wurden, möglich. Das Konzept besagt, dass Menschen Informationen in sehr einfacher Form abspeichern. Zum Beispiel in der Art: Kanarienvögel sind Vögel. Vögel haben Federn. Vögel können fliegen. Also kann das Gehirn schlussfolgern: Kanarienvögel können fliegen und haben Federn. Wenn nun eine neue Information gelernt wird, z. B. dass Amseln Vögel sind, kann das Gehirn sehr rasch eine 14 Leas•mich

Beispiel für ein semantisches Netz = Informationsknoten Tier atmet kann sich bewegen Vogel hat Federn kann fliegen Fisch hat Kiemen kann schwimmen Amsel Kanarienvogel kann singen ist gelb Strauß ist groß kann nicht fliegen (nicht direkt erhaltene) neue Information generieren: Amseln fliegen und haben Federn. Dies ist eine sehr effiziente Form der Organisation, wie auch experimentell nachgewiesen werden konnte: Je nachdem, wie weit die Information logisch auseinanderliegt, dauert der Informationsabruf länger oder kürzer. Die abgelegten Einzelinformationen sind netzwerkartig abgelegt, sodass nicht jede mögliche Kombination gemerkt werden muss, sondern eben jederzeit Schlussfolgerungen gezogen werden können. Auch Ausnahmen können durch diese Technik gemanagt werden: die Information „Strauß“, der bekanntermaßen ein Vogel ist, aber nicht fliegen kann, wird beim entsprechenden Informationsknoten direkt abgespeichert: „Strauß kann nicht fliegen.“ Ähnliches gilt für sehr oft benötigte oder als besonders wichtig erachtete Informationen. Diese werden ebenfalls beim entsprechenden Informationsknoten direkt abgespeichert (z. B. Äpfel sind essbar, Fliegenpilz ist giftig, etc.). Semantische Netze sind in den letzten Jahren vor allem durch die Entwicklung des Internets in den Blickpunkt einer breiten Öffentlichkeit gerückt. Eine wahrlich revolutionäre Anwendung von semantischen Netzen ist die Online-Enzyklopädie Wikipedia. Dazu später mehr. Mitten in der Wissensgesellschaft Wir sind nicht auf dem Weg zur Wissensgesellschaft – wir sind mitten drin! Die Sozialwissenschaft erklärt, dass nach dem Übergang von der Agrar- zur Industriegesellschaft „der dritte gewaltige Paradigmenwechsel in der Geschichte der Menschheit“ zu beobachten ist. Zwischen 1800 und 1900 hat sich das Wissen der Menschheit verdoppelt, in den darauffolgenden 100 Jahren verzehnfacht! Heute gibt es alle vier Minuten eine neue medizinische Erkenntnis, alle drei Minuten wird ein neuer physikalischer Zusammenhang gefunden, jede Minute eine neue chemische Formel. Laut dem dänischen Mathematiker Jakob Nielsen wächst das Internet derzeit mit einer jährlichen Rate von 18 % und wird weltweit von mehr als einer Milliarde Menschen genutzt. In etwa zehn Jahren sollen bereits zwei Milliarden Menschen über das Internet miteinander verbunden sein. Ab 2050 wird sich bereits das Wissen der Menschheit täglich verdoppeln und man wird die Verdoppelung des Wissens in Stunden berechnen. Die Entwicklung ist dramatisch, aber ebenso chancenreich. Moshe Rappoport, Leiter des Züricher Forschungszentrums von IBM, hat bei einer Veranstaltung anlässlich des 40-Jahre-Jubiläums von Raiffeisen-Informatik einen Vortrag über die Auswirkungen der Digitalisierung gehalten. Er spricht in diesem Zusammenhang von zwei Generationen: Den „Digital Immigrants“ –, das sind über 35-jährige Menschen – die die Entwicklung der digitalen Welten von Beginn an miterlebten, aber erst entlang ihrer Entwicklung schrittweise erlernt haben. Der Umgang mit Computern wurde – wenn überhaupt – zaghaft in der Schule begonnen. Dem gegenüber stehen die „Digital Natives“. Sie sind im Durchschnitt jünger als 35 und haben in ihrem bisherigen Leben 200.000 elektronische Nachrichten gesendet oder empfangen, 20.000 Stunden TV konsumiert, 10.000 Stunden telefoniert und – bestenfalls – 5.000 Stunden Bücher gelesen. Die Auswirkungen dieser unterschiedlichen Sozialisations- und Lernerfahrungen sind aber enorm: Die Fähigkeiten, die hier bei „Digital Natives“, also der kommenden Generation aufgrund der Allgegenwart digitaler Welten entwickelt werden, sind atemberaubend. Geschwindigkeit, Risikobereitschaft und Fokussierung auf das Wesentliche: Diese drei Eigenschaften bildet man nämlich heraus, wenn man mit den heute so allgegenwärtigen Action-Computerspielen (sog. Jump & Run Spiele) NUMMER 2| JUNI 2009 15

Beispiel für ein semantisches Netz<br />

= Informationsknoten<br />

Tier<br />

atmet<br />

kann sich bewegen<br />

Vogel<br />

hat Federn<br />

kann fliegen<br />

Fisch<br />

hat Kiemen<br />

kann schwimmen<br />

Amsel<br />

Kanarienvogel<br />

kann singen<br />

ist gelb<br />

Strauß<br />

ist groß<br />

kann nicht fliegen<br />

(nicht direkt erhaltene) neue Information<br />

generieren: Amseln fliegen und haben<br />

Federn. Dies ist eine sehr effiziente Form<br />

der Organisation, wie auch experimentell<br />

nachgewiesen werden konnte: Je<br />

nachdem, wie weit die Information logisch<br />

auseinanderliegt, dauert der Informationsabruf<br />

länger oder kürzer. Die<br />

abgelegten Einzelinformationen sind<br />

netzwerkartig abgelegt, sodass nicht<br />

jede mögliche Kombination gemerkt<br />

werden muss, sondern eben jederzeit<br />

Schlussfolgerungen gezogen werden<br />

können. Auch Ausnahmen können<br />

durch diese Technik gemanagt werden:<br />

die Information „Strauß“, der bekanntermaßen<br />

ein Vogel ist, aber nicht fliegen<br />

kann, wird beim entsprechenden Informationsknoten<br />

direkt abgespeichert:<br />

„Strauß kann nicht fliegen.“ Ähnliches<br />

gilt für sehr oft benötigte oder als besonders<br />

wichtig erachtete Informationen.<br />

Diese werden ebenfalls beim entsprechenden<br />

Informationsknoten direkt abgespeichert<br />

(z. B. Äpfel sind essbar, Fliegenpilz<br />

ist giftig, etc.).<br />

Semantische Netze sind in den letzten<br />

Jahren vor allem durch die Entwicklung<br />

des Internets in den Blickpunkt einer<br />

breiten Öffentlichkeit gerückt. Eine<br />

wahrlich revolutionäre Anwendung von<br />

semantischen Netzen ist die Online-Enzyklopädie<br />

Wikipedia. Dazu später mehr.<br />

Mitten in der Wissensgesellschaft<br />

Wir sind nicht auf dem Weg zur<br />

Wissensgesellschaft – wir sind mitten<br />

drin! Die Sozialwissenschaft erklärt,<br />

dass nach dem Übergang von der<br />

Agrar- zur Industriegesellschaft „der<br />

dritte gewaltige Paradigmenwechsel in<br />

der Geschichte der Menschheit“ zu beobachten<br />

ist. Zwischen 1800 und 1900<br />

hat sich das Wissen der Menschheit<br />

verdoppelt, in den darauffolgenden<br />

100 Jahren verzehnfacht! Heute gibt es<br />

alle vier Minuten eine neue medizinische<br />

Erkenntnis, alle drei Minuten wird ein<br />

neuer physikalischer Zusammenhang<br />

gefunden, jede Minute eine neue chemische<br />

Formel.<br />

Laut dem dänischen Mathematiker<br />

Jakob Nielsen wächst das Internet derzeit<br />

mit einer jährlichen Rate von 18 %<br />

und wird weltweit von mehr als einer Milliarde<br />

Menschen genutzt. In etwa zehn<br />

Jahren sollen bereits zwei Milliarden<br />

Menschen über das Internet miteinander<br />

verbunden sein. Ab 2050 wird sich bereits<br />

das Wissen der Menschheit täglich<br />

verdoppeln und man wird die Verdoppelung<br />

des Wissens in Stunden berechnen.<br />

Die Entwicklung ist dramatisch,<br />

aber ebenso chancenreich.<br />

Moshe Rappoport, Leiter des Züricher<br />

Forschungszentrums von IBM, hat<br />

bei einer Veranstaltung anlässlich des<br />

40-Jahre-Jubiläums von <strong>Raiffeisen</strong>-Informatik<br />

einen Vortrag über die Auswirkungen<br />

der Digitalisierung gehalten. Er<br />

spricht in diesem Zusammenhang von<br />

zwei Generationen: Den „Digital Immigrants“<br />

–, das sind über 35-jährige Menschen<br />

– die die Entwicklung der digitalen<br />

Welten von Beginn an miterlebten, aber<br />

erst entlang ihrer Entwicklung schrittweise<br />

erlernt haben. Der Umgang mit<br />

Computern wurde – wenn überhaupt –<br />

zaghaft in der Schule begonnen.<br />

Dem gegenüber stehen die „Digital<br />

Natives“. Sie sind im Durchschnitt jünger<br />

als 35 und haben in ihrem bisherigen Leben<br />

200.000 elektronische Nachrichten<br />

gesendet oder empfangen, 20.000 Stunden<br />

TV konsumiert, 10.000 Stunden telefoniert<br />

und – bestenfalls – 5.000 Stunden<br />

Bücher gelesen.<br />

Die Auswirkungen dieser unterschiedlichen<br />

Sozialisations- und Lernerfahrungen<br />

sind aber enorm: Die Fähigkeiten,<br />

die hier bei „Digital Natives“, also<br />

der kommenden Generation aufgrund<br />

der Allgegenwart digitaler Welten entwickelt<br />

werden, sind atemberaubend. Geschwindigkeit,<br />

Risikobereitschaft und<br />

Fokussierung auf das Wesentliche:<br />

Diese drei Eigenschaften bildet man<br />

nämlich heraus, wenn man mit den<br />

heute so allgegenwärtigen Action-Computerspielen<br />

(sog. Jump & Run Spiele)<br />

NUMMER 2| JUNI 2009 15

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