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Verbundbau in neuer Dimension - Quadriga

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Holz-Beton-Verbund-Konstruktionen – 44 –<br />

2/2012<br />

<strong>Verbundbau</strong> <strong>in</strong> <strong>neuer</strong> <strong>Dimension</strong><br />

Holz-Beton-Verbunddecken kommen häufig dann zum E<strong>in</strong>satz,<br />

wenn besonders hohe statische Anforderungen an Deckenkonstruktionen<br />

vorliegen oder hohe bauphysikalische<br />

Anforderungen erfüllt werden müssen. Bei dem Neubau<br />

e<strong>in</strong>es mehrgeschossigen Labor- und Bürogebäudes an der<br />

Universität <strong>in</strong> Vancouver waren beide Aspekte gleichermaßen<br />

zu erfüllen. 4 Geschossdeckenebenen wurden mit Deckenelementen<br />

<strong>in</strong> Holz-Beton-<strong>Verbundbau</strong>weise ausgeführt. Dies<br />

entsprach e<strong>in</strong>er Gesamtfläche von ca. 5200 m². Planerische<br />

Besonderheit hierbei: Es liegt e<strong>in</strong> zweiachsig gespanntes<br />

Deckentragwerk vor – bestehend aus Holz-Beton-Verbunddecken<br />

sowie Unterzügen <strong>in</strong> Holz-Beton-Verbund- bzw.<br />

Stahlverbundbauweise. Technisches Highlight ist jedoch e<strong>in</strong><br />

anderer Gebäudeteil: die am Atrium des Gebäudes unter<br />

Nutzung der Holz-Stahl-Klebeverbund-Technologie erstellte<br />

freitragende Treppe.<br />

Autoren:<br />

Prof. Dr.-Ing. Leander Bathon<br />

Dipl.-Ing. Oliver Bletz-Mühldorfer<br />

Hochschule Rhe<strong>in</strong>Ma<strong>in</strong><br />

Fachbereich Architektur<br />

und Bau<strong>in</strong>genieurwesen<br />

Institut für Baustoffe<br />

und Konstruktion<br />

Materialprüfanstalt für Bauwesen<br />

(MPA) Wiesbaden<br />

Earth System Science<br />

Build<strong>in</strong>g<br />

An der University of British<br />

Columbia im kanadischen<br />

Vancouver wird derzeit e<strong>in</strong><br />

mehrgeschossiges Labor- und<br />

Bürogebäude erbaut. Es wird<br />

nach se<strong>in</strong>er geplanten Fertigstellung<br />

im September 2012<br />

mehrere Institute beherbergen,<br />

u.a. das Department of<br />

Earth and Ocean Science. Das<br />

mehrgeschossige Earth System<br />

Science Build<strong>in</strong>g (ESSB) war<br />

ursprünglich als e<strong>in</strong>e re<strong>in</strong>e<br />

Stahlbetonkonstruktion geplant,<br />

konnte unter Nutzung<br />

der Initiative „wood-first-act“<br />

(siehe Infokasten) jedoch<br />

letztlich zu ca. 50 % als Holzkonstruktion<br />

realisiert werden.<br />

Im E<strong>in</strong>zelnen bedeutet das für<br />

das ESSB-Projekt, dass nur<br />

noch der komplette Südteil<br />

des Gebäudes, <strong>in</strong> welchem<br />

die Labore und der Coffeshop<br />

untergebracht s<strong>in</strong>d, als Stahlbetonbau<br />

erstellt wird, während<br />

der Nordteil des Gebäudes<br />

als Holzbau umgesetzt<br />

wird. In diesem Gebäudeteil<br />

s<strong>in</strong>d die Büros und Arbeitsstationen<br />

für Studenten sowie<br />

drei große Klassenräume<br />

untergebracht.<br />

Abb. 2:<br />

Nordflügel des<br />

Earth System<br />

Science Build<strong>in</strong>gs<br />

während der<br />

Bauphase.<br />

(Quelle: Equilibrium<br />

Consult<strong>in</strong>g Inc.).<br />

Abb. 3:<br />

Ansicht des<br />

Nordflügels – Holz<br />

als dom<strong>in</strong>ierender<br />

Baustoff.<br />

(Quelle: Equilibrium<br />

Consult<strong>in</strong>g Inc.).<br />

Abb. 1:<br />

Animation des Earth System Science<br />

Build<strong>in</strong>gs an der Universität <strong>in</strong><br />

Vancouver.<br />

(Quelle: Perk<strong>in</strong>s + Will).<br />

INFOKASTEN<br />

Initiative Wood First Act<br />

Die an der Westküste gelegene kanadische Prov<strong>in</strong>z British<br />

Columbia beherbergt e<strong>in</strong>en der nachhaltigsten und konkurrenzfähigsten<br />

Waldsektoren <strong>in</strong> der Welt. Die Initiative<br />

Wood First Act hat sich zum Ziel gesetzt, den Gebrauch<br />

von Holzprodukten aus British Columbia weiter zu fördern.<br />

Die Absicht besteht dar<strong>in</strong>, e<strong>in</strong>e kulturelle Verschiebung<br />

der Betrachtungsweise zum Werkstoff Holz zu erreichen.<br />

Holz soll – so der Wille der Initiatoren – künftig u.a. erste<br />

Werkstoffwahl im Bauwesen se<strong>in</strong>. Hierdurch soll zum e<strong>in</strong>en<br />

die heimische Holzwirtschaft gestärkt werden, zum anderen<br />

können durch Verwendung hölzerner Bauprodukte klimapolitische<br />

Ziele zur Nachhaltigkeit leichter erreicht werden. Der<br />

Wood First Act liefert somit letztlich die Grundlage dafür,<br />

dass bei Neubauten Holzlösungen anzustreben s<strong>in</strong>d.<br />

Abb. 4:<br />

Brettschichtholzträger<br />

mit<br />

e<strong>in</strong>geklebten HBV-<br />

Schubverb<strong>in</strong>dern<br />

bzw. Stahlträger<br />

mit aufgeschweißten<br />

Kopfbolzendübeln<br />

bilden<br />

jeweils die primären<br />

Tragstrukturen<br />

<strong>in</strong> den e<strong>in</strong>zelnen<br />

Geschossen.<br />

(Quelle: Equilibrium<br />

Consult<strong>in</strong>g Inc.).


2/2012<br />

– 45 –<br />

Holz-Beton-Verbund-Konstruktionen<br />

Nordflügel <strong>in</strong> Holz- und<br />

<strong>Verbundbau</strong>weise<br />

Der <strong>in</strong> Holzbauweise erstellte<br />

Nordflügel des Earth System<br />

Science Build<strong>in</strong>g (ESSB)<br />

ist 5geschossig. Die Grundfläche<br />

des Nordtraktes liegt<br />

bei ca. 1300 m 2 / Geschoss.<br />

Reihenförmig angeordnete<br />

Stützen aus Brettschichtholz<br />

(Holzart: Douglas Fir) prägen<br />

das aufgehende Tragsystem<br />

des Gebäudes. Zumeist drei<br />

Stützen – mit Achsabständen<br />

von 480 cm, 960 cm und 480<br />

cm – liegen <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Stützenreihe<br />

vor. Der Achsabstand<br />

der Stützenreihen untere<strong>in</strong>ander<br />

(quer zur Haupttragrichtung)<br />

beträgt i.d.R. 640 cm.<br />

Zwischen den Stützen s<strong>in</strong>d<br />

<strong>in</strong> Hauptragrichtung Träger<br />

angeordnet, die als Auflager<br />

für die eigentlichen Deckenelemente<br />

dienen. Die Länge<br />

der Träger liegt i.d.R. bei ca.<br />

430 cm bzw. 920 cm. Um die<br />

Träger <strong>in</strong> statisch optimierter<br />

Weise nutzen zu können,<br />

werden diese jeweils als Verbundträger<br />

ausgeführt, <strong>in</strong>dem<br />

sie <strong>in</strong> die Verbunddecke mit<br />

e<strong>in</strong>gebunden werden. Zum<br />

E<strong>in</strong>satz kommen Brettschichtholzb<strong>in</strong>der<br />

(Holzart: Douglas<br />

Fir) mit oberseitig e<strong>in</strong>geklebten<br />

HBV-Schubverb<strong>in</strong>dern [4].<br />

Zum Teil s<strong>in</strong>d anstelle der<br />

Brettschichtholzb<strong>in</strong>der auch<br />

Stahlträger (als Teil e<strong>in</strong>es<br />

Fachwerks) e<strong>in</strong>gezogen, die<br />

jedoch ebenfalls mit <strong>in</strong> die<br />

Verbundkonstruktion <strong>in</strong>tegriert<br />

s<strong>in</strong>d. Hierzu s<strong>in</strong>d an<br />

der Oberseite der Stahlträger<br />

Kopfbolzendübel angeschweißt.<br />

Das Sekundärtragwerk bilden<br />

<strong>in</strong> allen 4 aufgehenden<br />

Geschossen Deckenelemente<br />

<strong>in</strong> Holz-Beton-<strong>Verbundbau</strong>weise.<br />

Sie bestehen aus<br />

vorgefertigten flachliegenden<br />

Elementen aus LSL (lam<strong>in</strong>ated<br />

strand lumber) mit Spannweiten<br />

von 640 cm sowie e<strong>in</strong>er<br />

Höhe von jeweils 98 mm, <strong>in</strong><br />

die an der Oberseite HBV-<br />

Schubverb<strong>in</strong>der e<strong>in</strong>geklebt<br />

s<strong>in</strong>d. Alle HBV-Schubverb<strong>in</strong>der<br />

werden vor Ort auf der<br />

Baustelle <strong>in</strong> die Holzplatten<br />

e<strong>in</strong>geklebt. Auf den hölzernen<br />

Elementen s<strong>in</strong>d vollflächig<br />

druckfeste Dämmplatten mit<br />

Abb. 5:<br />

LSL-Plattenelemente, die auf Stahlträger aufgelagert s<strong>in</strong>d.<br />

An dem Stahlträger s<strong>in</strong>d an der Oberseite Kopfbolzendübel<br />

angeschweißt. Nach dem Betonieren bildet der dann<br />

existierende Stahlverbundträger das primäre Tragwerk<br />

aus. Die Holz-Beton-Verbunddecken agieren als sekundäre<br />

Deckentragwerke.<br />

(Quelle: Equilibrium Consult<strong>in</strong>g Inc.).<br />

Dicken von jeweils 2,5 cm<br />

aufgelegt, wobei diese zwischen<br />

die herausstehenden<br />

HBV-Schubverb<strong>in</strong>der passgenau<br />

e<strong>in</strong>gesetzt werden. Auf<br />

der Oberseite der HBV-Schubverb<strong>in</strong>der<br />

liegt die Mattenbewehrung.<br />

Abschließend wird<br />

auf der Baustelle der Beton<br />

aufgebracht. Hierbei liegt e<strong>in</strong>e<br />

Betonstärke von 10 cm vor.<br />

Bei diesem Betoniervorgang<br />

werden auch die Kopfbolzendübel<br />

im Bereich der Stahlträger<br />

bzw. die HBV-Schubverb<strong>in</strong>der<br />

im Bereich der hölzernen<br />

Brettschichtholzträger mit<br />

e<strong>in</strong>betoniert, sodass hierdurch<br />

letztlich e<strong>in</strong> zweiachsig<br />

gespanntes Deckentragwerk<br />

generiert wird. Insgesamt ca.<br />

5200 m 2 Deckenfläche werden<br />

auf die beschriebene Weise<br />

hergestellt.<br />

Forschung im Vorfeld<br />

Das Verb<strong>in</strong>dungssystem<br />

(HBV-Schubverb<strong>in</strong>der), das<br />

beim Earth System Science<br />

Build<strong>in</strong>g zur Herstellung der<br />

Holz-Beton-Verbunddecken<br />

e<strong>in</strong>gesetzt wurde, ist <strong>in</strong> Europa<br />

bereits häufig bei Gebäuden<br />

im Hochbau e<strong>in</strong>gesetzt<br />

worden. Für dieses existiert<br />

auch e<strong>in</strong>e allgeme<strong>in</strong>e bauaufsichtliche<br />

Zulassung<br />

(abZ. Z-9.1-557; siehe [4]).<br />

Technisches Neuland beim<br />

Earth System Science Build<strong>in</strong>g<br />

ist allerd<strong>in</strong>gs die Komb<strong>in</strong>ation<br />

aus e<strong>in</strong>geklebten HBV-<br />

Schubverb<strong>in</strong>dern und Holz-<br />

Abb. 7:<br />

Unteransicht des<br />

Tragwerks. Stützen<br />

und Träger aus<br />

Brettschichtholz<br />

(Holzart Douglas<br />

Fir).<br />

Quelle: Equilibrium<br />

Consult<strong>in</strong>g Inc.).<br />

Abb. 8:<br />

Detailansicht des<br />

Anschlusses Stütze<br />

und Verbundträger<br />

ohne sichtbare<br />

Verb<strong>in</strong>dungsmittel.<br />

(Quelle: Equilibrium<br />

Consult<strong>in</strong>g Inc.).<br />

Abb. 9:<br />

Unteransichten der<br />

Deckentragwerke.<br />

(Quelle: Equilibrium<br />

Consult<strong>in</strong>g Inc.).<br />

Abb. 6:<br />

LSL-Plattenelemente, die auf Brettschichtholzträgern mit<br />

e<strong>in</strong>geklebten HBV-Schubverb<strong>in</strong>dern auflagern. Nach dem<br />

Betonieren bilden die Holz-Beton-Verbundträger das<br />

primäre Deckentragwerk aus, während die quer zur Haupttragrichtung<br />

angeordneten Holz-Beton-Verbunddecken<br />

das sekundäre Deckentragwerk erzeugen.<br />

(Quelle: Equilibrium Consult<strong>in</strong>g Inc.).


Holz-Beton-Verbund-Konstruktionen – 46 –<br />

2/2012<br />

Abb. 10:<br />

Detailansicht der Holz-Beton-Verbunddecke. LSL-Elemente,<br />

bei denen an der Oberseite bereits z.T. die HBV-Schubverb<strong>in</strong>der<br />

e<strong>in</strong>geklebt s<strong>in</strong>d. Ebenso s<strong>in</strong>d bereits die Dämmplatten<br />

verlegt. Im Vordergrund s<strong>in</strong>d die Kopfbolzen gut<br />

erkennbar, die nach dem Überbetonieren dazu führen,<br />

dass e<strong>in</strong> zweiachsig gespanntes Deckentragwerk ausgebildet<br />

wird.<br />

(Quelle: Equilibrium Consult<strong>in</strong>g Inc.).<br />

Abb. 11:<br />

Traglastversuch<br />

an e<strong>in</strong>em Holz-<br />

Beton-Verbunddeckenelement<br />

mit deutlichen<br />

Durchbiegungen<br />

während der<br />

Versuchsdurchführung.<br />

(Quelle: Equilibrium<br />

Consult<strong>in</strong>g Inc.).<br />

Abb. 12:<br />

Earth System<br />

Science Build<strong>in</strong>g –<br />

Hölzerne Treppe.<br />

(Quelle: Perk<strong>in</strong>s + Will).<br />

Abb. 13:<br />

Detailansicht der<br />

hölzernen Treppe<br />

aus dem Innern<br />

des Gebäudes.<br />

Die auskragende<br />

Treppe besitzt<br />

ke<strong>in</strong>e seitliche<br />

Verb<strong>in</strong>dung zum<br />

Gebäude.<br />

E<strong>in</strong>e konstruktive Besonderheit<br />

beim Earth System<br />

Science Build<strong>in</strong>g bildet die<br />

Treppe am Atrium des Gebäudes.<br />

Sie ist über die vier<br />

aufgehenden Geschosse komplett<br />

freitragend und besitzt<br />

ke<strong>in</strong>erlei seitliche Verb<strong>in</strong>dung<br />

zum Gebäude.<br />

Zur Herstellung der Treppe<br />

wurden vorgefertigte Treppenelemente<br />

benutzt, die auf<br />

der Baustelle zusammengefügt<br />

und anschließend verklebt<br />

wurden. Die Verb<strong>in</strong>dung<br />

zwischen dem eigentlichen<br />

Treppenläufen und den<br />

Podesten wurde hierbei über<br />

e<strong>in</strong>geklebte HSK-Lochbleche<br />

[4] realisiert. Dieses <strong>in</strong>novaelementen<br />

aus LSL. Die Auflagen<br />

sahen daher vor, Traglastversuche<br />

durchzuführen, um<br />

die Funktionalität dieses<br />

Konstruktionsansatzes zu gewährleisten.<br />

Am FP Innovations<br />

Labor wurden hierzu<br />

drei Traglastversuche an Versuchsträgern<br />

durchgeführt.<br />

Zum E<strong>in</strong>satz kamen Deckenelemente<br />

mit dem Aufbau aus<br />

dem eigentlichen Gebäude.<br />

Die Spannweite der Deckenelemente<br />

betrug 620 cm. Sie<br />

wurden <strong>in</strong> 4-Punkt-Biegeversuchen<br />

getestet. Das erzielte<br />

Traglastverhalten entsprach<br />

dem Traglastverhalten, welches<br />

von hiesigen Versuchen<br />

an solchen Verbundkonstruktionen<br />

bekannt war [1]. Es<br />

war geprägt durch hohe Systemsteifigkeiten,<br />

hohe Tragfähigkeiten<br />

und e<strong>in</strong> letztlich<br />

duktiles Versagen, welches<br />

auf e<strong>in</strong> Abscheren der HBV-<br />

Schubverb<strong>in</strong>der <strong>in</strong> der Scherfuge<br />

zurückgeführt werden<br />

konnte.<br />

Treppe als Eyecatcher<br />

INFOKASTEN<br />

Vorteile von Holz-Beton-Verbunddecken<br />

Die Holz-Beton-<strong>Verbundbau</strong>weise wurde ursprünglich angewandt,<br />

um bei bestehenden Holzbalkendecken durch Aufbr<strong>in</strong>gen<br />

e<strong>in</strong>er schubfest mit der Holzkonstruktion verbundenen<br />

Ortbetonschicht e<strong>in</strong>e Erhöhung der Tragfähigkeit sowie<br />

e<strong>in</strong>e Verbesserung der Gebrauchstauglichkeit zu erreichen.<br />

Für dieses Anwendungsgebiet der Ertüchtigung von Holzbalkendecken<br />

wurden seit den 1990er Jahren e<strong>in</strong>ige Verb<strong>in</strong>dungsmittel<br />

entwickelt (<strong>in</strong>sbesondere Verbundschrauben),<br />

die bis heute sehr erfolgreich e<strong>in</strong>gesetzt werden. Decken <strong>in</strong><br />

Holz-Beton-<strong>Verbundbau</strong>weise verfügen gegenüber Decken <strong>in</strong><br />

Holz- oder Stahlbetonbauweise über zahlreiche Vorteile. Im<br />

E<strong>in</strong>zelnen liegen folgende Eigenschaften vor:<br />

Hohe Tragfähigkeit und Biegesteifigkeit von Holz-Beton-<br />

Verbunddecken, u.a. durch <strong>in</strong> die Deckenkonstruktionen<br />

<strong>in</strong>tegrierten Beton<br />

Ger<strong>in</strong>ge Deckenverformungen <strong>in</strong>folge hoher Biegesteifigkeit<br />

bei vergleichsweise ger<strong>in</strong>ger Eigenlast<br />

Optimale Ausnutzung der spezifischen Werkstoffeigenschaften<br />

(Holz: Zugkräfte, Beton: Druckkräfte, Verb<strong>in</strong>dungsmittel:<br />

Scherkräfte)<br />

Sicherheit im Bruchzustand durch duktiles Verb<strong>in</strong>dungsmittelhalten<br />

(Stahlversagen)<br />

Hervorragende Bauphysik der Decke <strong>in</strong> Bezug auf Schw<strong>in</strong>gungsverhalten,<br />

Luftschallschutz, Brandschutz und Rauchdichtigkeit<br />

Deckenaussteifung / Scheibenwirkung vorhanden durch<br />

gegossene Betonplatte<br />

Im Vergleich zu massiven Stahlbetondecken reduziertes<br />

Eigengewicht bei Holz-Beton-Verbundecken<br />

Kurze Bauzeiten mit hohen Deckenvorfertigungsgraden<br />

möglich<br />

Große Deckenspannweiten erreichbar bei vielseitigen statischen<br />

Systemansätzen (E<strong>in</strong>feldsysteme, Mehrfeldsysteme,<br />

Kragarmsysteme)<br />

Deckenunteransichten mit Holzcharakteristik


2/2012<br />

– 47 –<br />

Holz-Beton-Verbund-Konstruktionen<br />

Abb. 14:<br />

Zur Herstellung der Treppe werden<br />

vorgefertigte Elemente benutzt, bei<br />

denen e<strong>in</strong>geklebte HSK-Lochbleche<br />

die Verb<strong>in</strong>dung der e<strong>in</strong>zelnen Treppenabschnitte<br />

herstellen.<br />

(Quelle: Equilibrium Consult<strong>in</strong>g Inc.).<br />

Abb. 15:<br />

Detailansicht während der Montage. Das vorgefertigte<br />

Podest mit den herausstehenden HSK-Lochblechen wird<br />

passgenau e<strong>in</strong>gefädelt.<br />

(Quelle: Equilibrium Consult<strong>in</strong>g Inc.).<br />

Abb. 16:<br />

Nachdem die Treppenläufe und das Podest zusammengefügt<br />

und provisorisch fixiert wurden, erfolgt der eigentliche<br />

Verklebevorgang der Bauteile auf der Baustelle.<br />

(Quelle: Equilibrium Consult<strong>in</strong>g Inc.).<br />

tive Verb<strong>in</strong>dungssystem, über<br />

das <strong>in</strong> der HOLZBAU bereits<br />

häufiger berichtet wurde<br />

([2], [3]), wird seit geraumer<br />

Zeit an der MPA Wiesbaden<br />

untersucht und durchläuft<br />

derzeit e<strong>in</strong> bauaufsichtliches<br />

Zulassungsverfahren. Bisherige<br />

Versuchsergebnisse haben<br />

gezeigt, dass das HSK-System<br />

sehr hohe Tragfähigkeiten<br />

und sehr hohe Steifigkeiten<br />

bei gleichzeitiger Duktilität im<br />

Versagensfall aufweist. Aus<br />

statischer Sicht s<strong>in</strong>d – analog<br />

zur statischen Nachweisführung<br />

bei e<strong>in</strong>geklebten Stahlstäben<br />

– Holz, Stahl sowie die<br />

Klebung separat nachzuweisen.<br />

Der statische Nachweis<br />

der Klebung erfolgt hierbei<br />

u.a. über die Ausbildung von<br />

Klebstoffdübeln. Für e<strong>in</strong>en<br />

Klebstoffdübel kann e<strong>in</strong>e<br />

charakteristische Tragfähigkeit<br />

von R KD,k = 1200 N sowie e<strong>in</strong>e<br />

Verschiebungssteifigkeit von<br />

K ser = 7.000 N/mm angesetzt<br />

werden. E<strong>in</strong> Lochblech mit<br />

100 Lochungen (und damit<br />

100 Klebstoffdübeln) besitzt<br />

somit z.B. e<strong>in</strong>e charakteristische<br />

Tragfähigkeit von 120 kN<br />

sowie e<strong>in</strong>e Verschiebungssteifigkeit<br />

von 700 kN/mm.<br />

Die Herstellung und Montage<br />

der Treppe erforderte<br />

<strong>in</strong>sgesamt e<strong>in</strong> höchstes Maß<br />

an Passgenauigkeit und Präzision.<br />

Bed<strong>in</strong>gt durch die hohe<br />

Genauigkeit der Vorfertigung<br />

konnten die Elemente bei der<br />

Montage auf der Baustelle<br />

jedoch gut und leicht zusammengefügt<br />

werden. Nachdem<br />

diese provisorisch fixiert<br />

wurden, erfolgte schließlich<br />

der Verklebevorgang. Hierfür<br />

wurde e<strong>in</strong> zweikomponentiges<br />

PUR-Klebstoffsystem <strong>in</strong>jiziert.<br />

Fazit<br />

Das Earth System Science<br />

Build<strong>in</strong>g zeigt e<strong>in</strong>drucksvoll<br />

die Möglichkeiten des modernen<br />

Ingenieurholzbaus: E<strong>in</strong><br />

mehrgeschossiges Universitätsgebäude<br />

als Holzbaukonstruktion<br />

unter Nutzung<br />

leistungsfähigster Werkstoffe<br />

(u.a. BSH, LSL) und höchst<br />

<strong>in</strong>novativer Verb<strong>in</strong>dungstechniken<br />

(u.a. Sherpa, Vollgew<strong>in</strong>deschrauben,<br />

HSK-System).<br />

H<strong>in</strong>zu kommt die Idee der<br />

Nutzung der <strong>Verbundbau</strong>weisen,<br />

hier als Komb<strong>in</strong>ation<br />

von Holz-Beton-Verbund<br />

und Stahlverbund. Insgesamt<br />

e<strong>in</strong> Vorzeigeobjekt für den<br />

Holzbau. Wünschenswert<br />

wären aus Sicht der Autoren<br />

ähnliche Projekte im deutschsprachigen<br />

Raum. <br />

Quellen<br />

[1] Bahmer, R.; Bathon, L., Fritzen,<br />

K. (2003): „Mut zu Neuem – 10 m<br />

frei spannende Holz-Beton-Verbund-<br />

Flachdecke“, Bauen mit Holz, 1/2003,<br />

Seite 21 – 25<br />

[2] Bletz, O.; Bathon, L. (2009)<br />

„Fahrradschuppen als Experimentalbau“,<br />

HOLZBAU – die neue quadriga,<br />

1/2009, Seite 47 - 50<br />

[3] Bathon, L.; Bletz-Mühldorfer,<br />

O.; Schmidt, J.; Weber, M.; Weil, M.<br />

(2010) „Zur Temperaturbeständigkeit<br />

und Ermüdungsfestigkeit von <strong>in</strong> Holz<br />

e<strong>in</strong>geklebten Gew<strong>in</strong>destangen und<br />

Lochblechen“, HOLZBAU – die neue<br />

quadriga 2/2010, Seite 45 – 49<br />

[4] Fa. TiComTec GmbH,<br />

www.ticomtec.de<br />

Abb. 17:<br />

Ansicht der freitragenden<br />

Treppe<br />

während der<br />

Bauphase<br />

INFOKASTEN<br />

Projekttafel<br />

Objekt:<br />

Earth System Science Build<strong>in</strong>g<br />

Bauherr:<br />

UBC Properties Trust<br />

Bauzeit: August 2010 bis September 2012<br />

Architektur:<br />

Perk<strong>in</strong>s+Will, www.perk<strong>in</strong>swill.ca<br />

Tragwerksplanung: Equlibrium Consult<strong>in</strong>g Inc.,<br />

www.eqcanada.com<br />

Hersteller BSH: Structurlam Products Ltd.,<br />

www.structurlam.com<br />

Hersteller LSL: Weyerhaeuser Company,<br />

www.weyerhaeuser.com<br />

Montage & Verklebung: Adera / Nicola Logworks,<br />

www.adera.com<br />

www.logworks.ca

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