B2004 - PTKA
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Untersuchungen zu den Anforderungen an<br />
die Trinkwasseraufbereitung in anderen<br />
Ländern<br />
Abschlußbericht zum Verbundprojekt:<br />
Exportorientierte Forschung und Entwicklung auf<br />
dem Gebiet der Wasserver- und -entsorgung<br />
Teil 1: Trinkwasser<br />
Rahmenprojekt 1, Teil A<br />
Zuwendungsempfänger<br />
Förderkennzeichen<br />
DVGW Technologiezentrum Wasser (TZW)<br />
02WT0207<br />
Laufzeit des Vorhabens<br />
01.06.2001 bis 30.06.2004<br />
Bearbeitung<br />
Prof. Dr. Wolfgang Kühn<br />
Dr.-Ing. Pia Lipp<br />
Dr.-Ing. Uwe Müller<br />
Dipl.-Ing. Volker Schlitt<br />
Dipl.-Ing. Stefan Stauder<br />
Dipl.-Ing. Wolfgang Strasser (Ingenieurbüro Eppler GmbH & Co. KG)<br />
Dr. Heike Hoffmann (Ingenieurbüro Eppler GmbH & Co. KG)<br />
Ort und Datum des Abschlußberichtes<br />
Karlsruhe, 30.07.2004
Das diesem Bericht zugrunde liegende Vorhaben wurde mit Mitteln des Bundesministeriums<br />
für Bildung und Forschung unter dem Förderkennzeichen 02WT0207 gefördert.<br />
Die Verantwortung für den Inhalt dieser Veröffentlichung liegt beim Autor.
Inhalt<br />
Vorwort<br />
1 Zielstellung ........................................................................................................ 1<br />
2 Fragekatalog ...................................................................................................... 2<br />
3 Länderberichte .................................................................................................. 4<br />
- Brasilien ............................................................................................................. 5<br />
- China................................................................................................................ 29<br />
- Indonesien ....................................................................................................... 51<br />
- Iran ................................................................................................................... 67<br />
- Südafrika .......................................................................................................... 83<br />
- Thailand ......................................................................................................... 105<br />
- Vietnam .......................................................................................................... 135<br />
- USA................................................................................................................ 155<br />
4 Zusammenfassung der Länderberichte ..................................................... 181<br />
5 Folgerungen ................................................................................................... 186<br />
6 Machbarkeitsstudie zur Uferfiltration am Beispiel des Wasserwerks<br />
Lagoa do Peri, Brasilien ............................................................................... 193<br />
Anhang:<br />
Machbarkeitsstudie zur Uferfiltration im Wasserwerk<br />
Lago do Peri, Brasilien .............................................................................. 1 - 25
Anforderungen an die Trinkwasseraufbereitung in anderen Ländern 1<br />
1 Zielstellung<br />
Beim Bau und Betrieb von Wasserwerken bzw. von Rohrnetzen im Ausland gilt es,<br />
neben politischen, handelsrechtlichen und kulturellen Besonderheiten auch spezielle<br />
wasserchemische bzw. verfahrenstechnische Faktoren zu berücksichtigen, die Einfluss<br />
auf die Anlagendimensionierung, den Aufbereitungserfolg bzw. die Trinkwasserqualität<br />
haben. Dazu zählen beispielsweise Temperatur, der Gehalt an Trübstoffen<br />
sowie die Konzentrationen an natürlichen organischen Wasserinhaltsstoffen. Bei<br />
der Verteilung von Trinkwasser stellen in manchen Ländern erhebliche Wasserverluste,<br />
häufige Unterbrechungen der Versorgung sowie illegale Entnahmen aus dem<br />
öffentlichen Verteilungsnetz Besonderheiten dar. Zu beachten ist ferner, dass sich<br />
bei den Verbrauchern zur Überbrückung von Versorgungsengpässen häufig Speicherbehälter<br />
befinden, die oft hohen Temperaturen sowie Keimeinträgen ausgesetzt<br />
sind.<br />
Das Ziel der Untersuchungen bestand darin, Praxiserfahrungen von Wasserwerken<br />
in anderen Ländern zusammenzutragen und zu bewerten. Dies bezieht Untersuchungen<br />
über standortspezifische Besonderheiten und Anforderungen bei der Trinkwassergewinnung,<br />
-aufbereitung und -verteilung unter den Bedingungen im Ausland<br />
ein. Während der Datenerhebung wurden ebenso Wasserproben im Ausland entnommen<br />
und in Deutschland der Analytik zugeführt.<br />
Die Länder für die Datenerhebung wurden in Abstimmung mit dem Projektträger<br />
Wassertechnologie und Entsorgung des Bundesministeriums für Bildung und Forschung<br />
(BMBF) ausgewählt. Dementsprechend wurden Daten von Wasserwerken in<br />
acht Ländern, Brasilien, China, Indonesien, Iran, Südafrika, Thailand, USA und Vietnam,<br />
erhoben und ausgewertet.<br />
Bei der Uferfiltration handelt es sich um ein naturnahes und kostengünstiges Aufbereitungsverfahren,<br />
zu dem in Deutschland jahrzehntelange Erfahrungen vorliegen. In<br />
vielen Ländern, wie beispielsweise in Brasilien, wird die Uferfiltration zur kommunalen<br />
Trinkwassergewinnung hingegen nicht genutzt. Die Uferfiltration kann somit ein<br />
Gebiet sein, um Know-how und Technologien der deutschen Wasserversorgung in<br />
das Ausland zu exportieren. In einem separaten Unterprojekt wurde daher eine<br />
Machbachkeitsstudie für das Wasserwerk Lagoa do Peri, Brasilien, angefertigt, die<br />
sich für einen konkreten Fall mit den Voraussetzungen für eine großtechnische Umsetzung<br />
der Uferfiltration befaßt. Bei einer erfolgreichen Umsetzung der Uferfiltration<br />
an diesem Standort wird zudem eine Leuchttrumfunktion für die umgebenden Regionen<br />
erwartet.
2<br />
2 Fragekatalog<br />
Um eine Vergleichbarkeit der Ergebnisse der Datenerhebung in den einzelnen Ländern<br />
sicherzustellen, wurde vor Beginn der Datenerhebung ein Fragekatalog erstellt.<br />
Die Schwerpunkte des Fragekataloges beinhalten gesetzliche Vorschriften, Randparameter,<br />
Wasserbeschaffenheit, Aufbereitungstechnologie, Wasserverteilung und<br />
Kosten.<br />
Die Dokumentation der gesetzlichen Vorschriften umfasst Verordnungen zur Rohwasserbeschaffenheit,<br />
zur Aufbereitung sowie zu Anforderungen an das Trinkwasser<br />
(Trinkwasserverordnungen). Unter den Randparametern wurden die wasserwirtschaftliche<br />
Situation sowie Klimaeinflüsse zusammengefasst. Gefährdungspotentiale<br />
bei der Trinkwasserproduktion waren ebenso aufzuzeigen, wobei bedingt durch den<br />
Aufbau des Vorhabens insbesondere Aussagen für das lokale Einzugsgebiet der<br />
befragten Wasserwerke möglich sind. Dies gilt ebenso für die Berücksichtigung von<br />
Sondereinflüssen, die erst in vertieften persönlichen Fachgesprächen vor Ort in Erfahrung<br />
gebracht werden können.<br />
Der Schwerpunkt Wasserbeschaffenheit umfasst die Beschaffenheit der Roh- und<br />
Reinwässer. Die Datenerfassung erfolgte, indem die kontaktierten Versorgungsunternehmen<br />
nach repräsentativen Analysen befragt wurden. Im Vordergrund standen<br />
einfach messbare und relativ weit verbreitete Parameter. Schwerpunkte der Befragung<br />
lagen neben den chemisch-physikalischen Parametern und den Spurenstoffen<br />
auch auf mikrobiologischen Befunden für Roh- und Reinwässer. Es hat sich gezeigt,<br />
dass in einigen Ländern die Analysendaten in relativ geringer Anzahl vorlagen und<br />
teilweise in sich nicht konsistent waren.<br />
In einem weiteren Schwerpunkt wurde die Technologie der Wasseraufbereitung in<br />
den im Ausland kontaktierten Versorgungsunternehmen erfasst. Neben der Dimensionierung<br />
der Anlagentechnik waren die verwendeten Zusatzstoffe sowie deren Verfügbarkeit<br />
von Bedeutung. Spezielle Betriebsbedingungen infolge besonderer klimatischer<br />
Bedingungen (Spülhäufigkeit von Schnellfiltern, Algenwuchs in Aufbereitungsanlagen)<br />
wurden ebenso aufgenommen wie Probleme mit Wasserwerksrückstände<br />
und deren Entsorgungswege.<br />
Unter dem Schwerpunkt Verteilung des Trinkwassers wurde die Situation im Versorgungsbereich<br />
der kontaktierten Wasserwerke skizzenhaft beschrieben. Auf Grund<br />
der unterschiedlichen Verantwortlichkeiten von Aufbereitung und Verteilung ließen<br />
sich diese Informationen nicht immer in dem gewünschten Umfang beschaffen.<br />
Der Fragekatalog endet mit einer Zusammenstellung von Angaben über Kosten. Eine<br />
Zusammenfassung des Fragekataloges ist in Tabelle 2.1 enthalten.
Anforderungen an die Trinkwasseraufbereitung in anderen Ländern 3<br />
Tabelle 2.1: Aufbau des Fragekataloges<br />
Thema<br />
Gesetze<br />
Randparameter<br />
Wasserbeschaffenheit<br />
Aufbereitung<br />
Verteilung<br />
Kosten<br />
Befragungsschwerpunkte<br />
- Roh- und Trinkwasserverordnungen<br />
- Regelwerke<br />
- Gebietsmanagementreglementierungen, Wasserrechte<br />
- Struktur der Wasserversorgung<br />
(Anzahl der Wasserwerke, Kapazität, Rechtsform)<br />
- Wasserwirtschaftliche Situation<br />
- Klima, Sonnenscheindauer, Temperatur, Niederschlag<br />
- Gefährdungspotentiale<br />
- Sondereinflüsse (Algen, Fliegenlarven)<br />
- Verbrauch nach Verbrauchergruppen<br />
- Sozioökonomie (Affordability-to-pay)<br />
- Hydrogeologie<br />
- Daten von Roh- und Trinkwasser, Bewertung deren Qualität<br />
- Eventuell Sonderanalysen auf Einzelstoffe<br />
- „verbotene Stoffe“ (z.B. DDT)<br />
- Landesspezifische Belastungen (z.B. Landwirtschaft, Bergbau)<br />
- Technologien und deren Grenzbereiche<br />
- Zusatzstoffe und deren Verfügbarkeit (z.B. O 2 , KMnO 4 , CO 2 )<br />
- Desinfektionspraxis<br />
- Spezielle Betriebsbedingungen<br />
- Rückstandsentsorgung<br />
- Alter, Netzgröße, Aufenthaltszeiten<br />
- Materialien (Transport und Verteilung, Hausinstallation)<br />
- Kontinuität des Betriebes, Druckverhältnisse<br />
- Wasserverluste (Erfahrungswerte), Rohrbruchhäufigkeit<br />
- Mikrobiologische Beschaffenheit, Wiederverkeimung<br />
- Gehalte an Desinfektionsmitteln, Temperatur<br />
- Vorhandensein und Betrieb von Zwischenspeichern<br />
- Roh- und Trinkwasser (Verbraucherpreise, Wasserzähler)<br />
- Energie, Zusatzstoffe, Entsorgung<br />
- Verfügbarkeit der Technik, Instandhaltung<br />
- Betriebswirtschaftliche Daten der Wassergesellschaft<br />
- Organisationsstruktur/Personal<br />
- Art und Injektionsstellen der Desinfektion<br />
- Aufbereitungskosten, Personalkosten<br />
- Instandhaltung, typische Betriebsprobleme, Lösungen<br />
- Tarifsystem, Anteil der Wassertarife an Lebenshaltungskosten
4<br />
3 Länderberichte<br />
Die Ergebnisse der Datenerhebung wurden in den nachstehenden Länderberichten<br />
zusammengestellt. Die Länderberichte folgen der Struktur des Fragebogens und bestehen<br />
aus einer verallgemeinernden Zusammenfassung der gewonnenen Erkenntnisse.
Brasilien
6<br />
1 Einleitung<br />
Der vorliegende Bericht beschreibt die Ergebnisse und Folgerungen von einer Datenerhebung<br />
über die brasilianische Trinkwassergewinnung. Dazu wurden im Zeitraum<br />
vom 18.03. bis 09.04.2002 Daten an mehreren brasilianischen Wasserwerken<br />
in den Bundesstaaten Santa Catarina, Minas Gerais, Rio de Janeiro und Bahia erhoben<br />
(Bild 1.1). Dabei wurden die Aufbereitungstechnik sowie allgemeine Aspekte<br />
der Trinkwasserversorgung Brasiliens mit den verantwortlichen Technikern diskutiert.<br />
Unter den besuchten Anlagen befand sich das Wasserwerk Rio Guandu, das mit<br />
einer Abgabemenge von bis zu 44 m³/s (ca. 3,4 Mio. m³/d) die ca. 8 Mio. Einwohner<br />
Rio de Janeiros mit Trinkwasser versorgt (Tabelle 1.1).<br />
Bild 1.1: Standorte der aufgesuchten Wasserwerke in Brasilien
Praxiserfahrungen in anderen Ländern - Brasilien 7<br />
Tabelle 1.1: Allgemeine Daten zu den besichtigten Wasserwerken<br />
TWA Bundesstaat Stadt Rohwasser Kapazität m³/d<br />
Jurere Santa Catarina Jurere See/Grundw. 4.000<br />
Brusque Santa Catarina Brusque Fluss 14.000<br />
Jaragua Santa Catarina Jaragua Fluss 20.000<br />
Criciuma Santa Catarina Criciuma Fluss/Stausee 40.000<br />
Tubarâo Santa Catarina Tubarâo Fluss 22.000<br />
Lagoa da Peri Santa Catarina Florianopolis Fluss 135.000<br />
Rio das Velhas Minas Gerais Belo Horizonte Fluss 500.000<br />
TWA Rio<br />
Manso<br />
Minas Gerais Belo Horizonte Stausee 330.000<br />
Brumadinho Minas Gerais Brumadinho Fluss 5.500<br />
Rio Guandu Rio de Janeiro Rio de Janeiro Fluss 3.400.000<br />
Niteroi Rio de Janeiro Niteroi Fluss 470.000<br />
Viera de Mello Bahia Salvador Fluss 400.000<br />
TeodoroSampai Bahia Salvador Fluss 400.000<br />
Darüber hinaus fanden Gespräche mit leitenden Mitarbeitern der Staatlichen Wasserversorgungsunternehmen<br />
in den Bundesstaaten Santa Catarina und Minas Gerais<br />
(CASAN bzw. COPASA), der Staatlichen Umweltbehörde von Santa Catarina,<br />
dem Leiter der Fakultät für Wasser- und Abwasseraufbereitung sowie Umwelt an der<br />
Universität Santa Catarina in Florianopolis sowie von zwei brasilianischen Ingenieurbüros,<br />
die im Bereich Trink- und Abwasseraufbereitung sowie Umweltschutz tätig<br />
sind, statt. Weiterhin wurde in Belo Horizonte, der Hauptstadt von Minas, eine Kläranlage,<br />
die derzeit für ca. 80 Mio. Euro erweitert wird, besichtigt.<br />
Von den Reinwässern der Wasserwerke<br />
- Rio das Velhas<br />
- Rio Manso<br />
- Rio de Janeiro<br />
- Laranjal<br />
- Viera de Mello<br />
- Juere<br />
- Brusque<br />
- Jaragua<br />
- Tubarao<br />
- Lagoa do Peri<br />
wurden Proben zur Untersuchung auf ausgewählte anorganische Parameter sowie<br />
teilweise auf bestimmte anthropogene Mikroverunreinigungen entnommen.
8<br />
2 Gesetzliche Regelungen<br />
Verordnungen bzw. Empfehlungen bezüglich der Beschaffenheit von Rohwässern,<br />
die zur Trinkwassergewinnung genutzt werden, existieren in Brasilien nicht. Das<br />
Süßwasser ist in sechs Nutzungsklassen aufgeteilt, wobei die ersten drei als für die<br />
Trinkwassergewinnung geeignet gelten. Die Einteilung erfolgt jedoch nicht nach dem<br />
Gewässerzustand sondern ist eine politische Willenserklärung, d. h. es werden zum<br />
Teil stark verschmutzte Flüsse als geeignet klassifiziert und zur Trinkwassergewinnung<br />
herangezogen.<br />
Im Februar 2003 trat die neue Trinkwasserverordnung Brasiliens in Kraft. Sie enthält<br />
detaillierte Regelungen zum Analysenumfang und zur Analysenhäufigkeit und kann<br />
in portugiesischer Sprache im Internet eingesehen werden [1]. Beim Vergleich der<br />
entsprechenden Grenzwerte mit der deutschen bzw. europäischen Norm fällt auf,<br />
dass in Brasilien für zahlreiche PBSM-Wirkstoffe und weitere anthropogene Mikroverunreinigungen<br />
aber auch für Desinfektionsnebenprodukte wie Trihalogenmethane<br />
deutlich höhere Werte zugelassen sind. Für bestimmte Substanzen, wie Aldrin und<br />
Dieldrin sowie Heptachlor gelten jedoch niedrigere Werte als in Deutschland. In Tabelle<br />
2.1 sind beispielhaft einige ausgewählte Parameter dargestellt.<br />
Tabelle 2.1: Vergleich der Trinkwassergrenzwerte in Brasilien und Deutschland anhand<br />
ausgewählter Parameter (toxische Substanzen)<br />
Parameter Brasilien Deutschland<br />
Nitrit mg/L 3,28 0,5<br />
Benzol µg/L 5 1<br />
Benz[a]pyren µg/L 0,7 0,01<br />
Vinylchlorid µg/L 5 0,5<br />
1,2-Dichlorethan µg/L 10 3<br />
Trichlorethen µg/L 70 10<br />
Atrazin µg/L 2 0,1<br />
Bentazon µg/L 300 0,1<br />
DDT (Isomere) µg/L 2 0,1<br />
Endosulfan µg/L 20 0,1<br />
Lindan µg/L 2 0,1<br />
Bromat mg/L 0,025 10<br />
freies Chlor mg/L 5 1,2<br />
THM mg/L 0,100 0,05<br />
Zu beachten ist, dass in der brasilianischen Trinkwasserverordnung auch Substanzen,<br />
wie z. B. verschiedene BTEX-Aromaten und Toxine von Cyanobakterien aufgeführt<br />
sind, für die in Deutschland keine Grenzwerte existieren.
Praxiserfahrungen in anderen Ländern - Brasilien 9<br />
Chemisch-physikalische Qualitätsparameter nach der brasilianischen sowie der<br />
deutschen Trinkwasserverordnung sind in Tabelle 2.2 zusammengestellt.<br />
Tabelle 2.2: Ausgewählte chemisch-physikalische Parameter der brasilianischen<br />
und deutschen Trinkwasserverordnungen (Indikatorparameter)<br />
Parameter Brasilien Deutschland<br />
Aluminium mg/L 0,2 0,2<br />
Ammonium mg/L 1,5 0,5<br />
Chlorid mg/L 250 250<br />
Eisen mg/L 0,3 0,2<br />
Mangan mg/L 0,1 0,05<br />
Natrium mg/L 200 200<br />
Sulfat mg/L 250 250<br />
Geruch - nicht feststellbar nicht feststellbar<br />
Geschmack - nicht feststellbar nicht feststellbar<br />
Trübung NTU 5,0 1) 1,0<br />
1)<br />
Grundwasser vor der Desinfektion: 95 % der Messwerte < 1,0 NTU<br />
Ablauf Schnellfilter: < 1,0 NTU<br />
Ablauf Langsamsandfilter: 95 % der Messwerte < 2,0 NTU<br />
Danach sind in Brasilien bezüglich der chemisch-physikalischen Parameter, mit Ausnahme<br />
Ammonium und der Trübung, ähnliche Werte festgelegt wie in Deutschland.<br />
Hinsichtlich der hygienisch-mikrobiologischen Beschaffenheit dürfen auch in Brasilien<br />
im Trinkwasser Escherichia coli und coliforme Keime in 100 mL nicht enthalten<br />
sein. Auch auf weitere mikrobiologische Parameter, wie z. B. humanpathogene Parasiten<br />
und Enteroviren wird eingegangen.<br />
Bezüglich der Analysenmethoden verweist die brasilianische Trinkwasserverordnung<br />
auf entsprechende amerikanische sowie die ISO-Normen. Für viele bau- bzw. prozesstechnische<br />
Parameter bei der Trinkwasseraufbereitung gibt es in der brasilianischen<br />
Norm (ABNT) Vorgaben.<br />
In Brasilien existiert somit ein umfassendes gesetzliches Regelwerk mit zahlreichen<br />
Grenzwerten, insbesondere auch für anthropogene Mikroverunreinigungen. Allerdings<br />
sind die staatliche Überwachung der Trinkwasserbeschaffenheit bzw. entsprechende<br />
Institutionen erst im Aufbau begriffen. Die Kontrolle der Trinkwasserbeschaffenheit<br />
sowie die Durchführung entsprechender Maßnahmen bei Grenzwertüberschreitungen<br />
bleibt somit in der Praxis weitestgehend der Eigeninitiative der jeweiligen<br />
Wasserversorger vorbehalten. Bei der Beurteilung von Analysendaten ist zu berücksichtigen,<br />
dass in Abhängigkeit vom Analysenlabor starke Unterschiede in der<br />
Analysenqualität vorliegen können.
10<br />
3 Allgemeine Angaben<br />
3.1 Rohwässer und wasserwirtschaftliche Situation<br />
Es wird überwiegend Oberflächenwasser zumeist aus Flüssen, in einigen Fällen<br />
auch aus Stauseen zur Trinkwassergewinnung herangezogen. Daneben gibt es auch<br />
kleinere Anlagen mit Grundwasser– bzw. Uferfiltratgewinnung. Diese gelten jedoch<br />
im Vergleich zur Flusswasseraufbereitung als zu aufwändig bzw. problematisch im<br />
Betrieb.<br />
Wasserwirtschaftliche Instrumentarien, die dem Schutz zur Trinkwassergewinnung<br />
herangezogener Rohwässer dienen, sind bislang kaum vorhanden bzw. werden nicht<br />
angewandt. Im Zuge eines steigenden Umweltbewusstseins zeichnet sich hier jedoch<br />
eine allmähliche Änderung ab. Das Bundesgesetz Nr. 9433 aus dem Jahr 1997<br />
regelt z. B. die Ausführung von Wasserressourcenschutz- und Managementsystemen,<br />
insbesondere für Flusssysteme. Auch die Erhebung einer Wasserabgabe,<br />
die sämtliche Nutzer eines Gewässers betrifft, ist darin vorgesehen.<br />
Von besonderer Bedeutung ist, dass derzeit noch ein Großteil der kommunalen Abwässer<br />
(ca. 95 %) unbehandelt in die Vorfluter eingeleitet wird. Dies führt zum Teil zu<br />
beträchtlichen Keimbelastungen der zur Trinkwassergewinnung genutzten Flusswässer.<br />
3.2 Klima<br />
Entsprechend seiner großen geografischen Ausdehnung weist Brasilien regional<br />
sehr unterschiedliche klimatische Verhältnisse auf. Sie reichen von gemäßigten Zonen<br />
im Süden des Landes bis hin zu den tropischen Regionen im Amazonas sowie<br />
Trockengebieten im Nordosten.<br />
Die Sonnenscheindauer bzw. -intensität und die Temperaturen sind vergleichsweise<br />
hoch (10-25 °C im Juli und 20-30°C im Januar). Lediglich im höher gelegenen Bergland<br />
im Süden Brasiliens treten in den Wintermonaten kurzzeitig auch Temperaturen<br />
unter 0 °C auf.<br />
Mit Ausnahme kleinerer Wassermangelgebiete im Nordosten Brasiliens (< 250 mm),<br />
steht in der Regel ausreichend Wasser für die Trinkwassergewinnung zur Verfügung.<br />
Im südlichen Landesteil liegen die Niederschläge im Mittel in den Wintermonaten bei<br />
ca. 80 mm und in den Sommermonaten bei 130 mm pro Monat, in den tropischen<br />
Regionen noch deutlich darüber (z.T. > 3000 mm pro Jahr).
Praxiserfahrungen in anderen Ländern - Brasilien 11<br />
3.3 Struktur der Wassergewinnung, -aufbereitung und -verteilung<br />
Die Wasserver- und entsorgung liegt im Zuständigkeitsbereich der Städte und Kommunen,<br />
wobei sie in den meisten Fällen mangels Kapital und fachlich geschultem<br />
Personal in Konzession an große staatliche, in den einzelnen Bundesstaaten jeweils<br />
überregional operierende Wasserversorgungsunternehmen vergeben wurden. Beispiele<br />
hierfür sind die COPASA, die etwa 10 der 16 Mio. Einwohner im Bundesstaat<br />
Minas Gerais mit Trinkwasser versorgt sowie die CASAN im Bundesstaat Santa Catarina,<br />
die an etwa 70 % der dortigen Bevölkerung Trinkwasser liefert. Daneben existieren<br />
kommunale Eigenbetriebe, die mit den deutschen Stadtwerken bzw. Zweckverbänden<br />
vergleichbar sind oder die Wasserversorgung erfolgt direkt durch die<br />
Kommunen.<br />
In vielen Fällen laufen die Konzessionsverträge derzeit aus, wobei Privatisierungen<br />
bzw. „privat sector participation“ (PSP) z. B. in Form von BOT-Modellen (buildoperate-transfer)<br />
diskutiert werden bzw. sind in Einzelfällen schon umgesetzt. Die<br />
Möglichkeiten für derartige Umstrukturierungen sind von den kommunalpolitischen<br />
Verhältnissen abhängig.<br />
Die Versorgung der Ballungsgebiete erfolgt aus – gemessen an deutschen Verhältnissen<br />
– relativ großen Wasserwerken mit Kapazitäten von mehreren m³/s (TWA Rio<br />
Guandu zur Versorgung von Rio de Janeiro, Nennleistung 44 m³/s) im ländlichen<br />
Raum sind dagegen zahlreiche kleine Versorgungsanlagen vorhanden.<br />
3.4 Wasserverbrauch<br />
Der Wasserverbrauch ist, u.a. abhängig von den sozialen Verhältnissen, extrem unterschiedlich<br />
und liegt zwischen ca. 100 und 350 L pro Einwohner und Tag. Nach<br />
Regionen aufgeschlüsselte Daten hierzu sowie allgemein zur Wasser- und Abwassersituation<br />
in Brasilien können im Internet [2, 3] abgerufen werden. Anlässlich des<br />
Besuches bei der CADAE (staatlicher Wasserversorger im Bundesstaat Rio de<br />
Janeiro) wurde berichtet, dass in den sehr ausgedehnten und bevölkerungsreichen<br />
Favellas in Rio de Janeiro, an die das Trinkwasser kostenfrei abgegeben wird, rechnerisch<br />
pro Kopf Verbräuche von zum Teil bis zu 600 L pro Einwohner und Tag vorliegen.<br />
Eine weitere Besonderheit ist, dass landesweit eine hohe Anzahl illegaler Anschlüsse<br />
am Trinkwasserversorgungsnetz vorgenommen wurden. Eine Differenzierung der<br />
dadurch bedingten „Verluste“ von den ebenfalls beträchtlichen Netzverlusten aufgrund<br />
von Rohrbrüchen und Undichtigkeiten ist nicht ohne weiteres möglich. Anlässlich<br />
der Besuche bei verschiedenen Wasserversorgern wurde angegeben, dass 35<br />
bis 70 % des in das Versorgungsnetz eingespeisten Trinkwassers nicht bezahlt wird.
12<br />
Die Trinkwasserversorgung in Brasilien kann als flächendeckend bezeichnet werden.<br />
Über 90 % der Bevölkerung sind an die öffentliche Versorgung angeschlossen.<br />
4 Wasserbeschaffenheit<br />
Bei den überwiegend als Rohwasser genutzten Fluss- und Stauseewässern handelt<br />
es sich in der Regel um sehr gering mineralisierte, schwach gepufferte Wässer mit<br />
z.T. relativ niedrigen pH-Werten, die schwankende und zeitweise stark erhöhte Mengen<br />
an Fest- bzw. Trübstoffen aufweisen. Nach Regenfällen können kurzfristig Trübungswerte<br />
> 1.000 FNU in den zur Trinkwassergewinnung genutzten Flusswässern<br />
auftreten. Zum Teil liegen auch erhöhte Manganwerte sowie eine Färbung des Rohwassers<br />
vor. Die Wassertemperaturen wurden im Süden mit 10-25 °C (abhängig von<br />
der Jahreszeit) angegeben. In den tropischen Landesteilen können sie durchaus auf<br />
über 30 °C ansteigen.<br />
Anlage 1 zeigt eine tabellarische Zusammenstellung der Ergebnisse der chemischphysikalischen<br />
Reinwasseruntersuchungen. Es ist zu erkennen, dass die Härten der<br />
Reinwässer aus den Flusswasseraufbereitungsanlagen mit 0,17- 0,70 mmol/L (1,0-<br />
4,0 °dH) sehr niedrig sind. In dem einzigen analysierten Grundwasser (TWA Jurere),<br />
betrug die Härte lediglich 1,6 mmol/L (9,1 °dH), wobei hier bereits von Verbraucherbeschwerden<br />
bezüglich der Wasserhärte berichtet wurde. Möglicherweise sind zeitweise<br />
jedoch auch Brunnen in Betrieb, die ein deutlich härteres Wasser liefern. Die<br />
hierzu vorgelegten Analysenergebnisse eines Universitätslabors wiesen jedoch stark<br />
unterschiedliche und z.T in sich unstimmige Daten (z.B. niedrige Leitfähigkeit bei<br />
relativ hohem Salzgehalt) auf und erlauben keine abschließende Beurteilung.<br />
Nach den Ergebnissen der Bestimmungen des Gehaltes an gelösten organischen<br />
Wasserinhaltsstoffen (DOC) sowie den spektralen Absorptionskoeffizienten (SAK<br />
254 nm) liegen die Konzentrationen an natürlichen organischen Wasserinhaltsstoffen<br />
auf einem mittleren bis leicht erhöhten Niveau, wie dies für Flusswässer durchaus<br />
üblich ist.<br />
Hinzuweisen ist auch auf die niedrigen Werte für die Säurekapazität bis pH 4,3, die<br />
meist mit 0,1-0,2 mmol/L angegeben wurde. In mehreren Werken wurde von Korrosionsproblemen<br />
in Versorgungsleitungen aus Eisenwerkstoffen berichtet. Der Säurekapazität<br />
wurde jedoch auf Nachfrage in diesem Zusammenhang keine Bedeutung<br />
beigemessen. Als alleinige Beurteilungsgröße für das Korrosionsverhalten des Wassers<br />
gilt der pH-Wert bzw. der Sättigungsindex.<br />
Als Ursachen für Eintrübungen im Leitungswasser, über die ebenfalls berichtet wurde,<br />
kommen auch die leicht erhöhten Werte für Eisen, Mangan und Aluminium in<br />
manchen Reinwässern in Betracht. Zum Teil sind die entsprechenden brasilianischen<br />
Trinkwassergrenzwerte überschritten.
Praxiserfahrungen in anderen Ländern - Brasilien 13<br />
Entsprechend den Gehalten an natürlichen organischen Stoffen sowie den Chlorzugabemengen<br />
von in der Regel ca. 2-3 mg Cl 2 /L resultieren erwartungsgemäß auch<br />
deutliche Mengen an Trihalogenmethanen im Trinkwasser (Anlage 2). Unter Berücksichtigung<br />
der Tatsache, dass die Probe am Ausgang des Wasserwerks entnommen<br />
wurde, sind die THM-Gehalte im Reinwasser Vieira de Mello (Salvador, Bahia) als<br />
vergleichsweise hoch einzustufen. Der brasilianische Trinkwassergrenzwert von 0,1<br />
mg/L ist überschritten. Neben Trihalogenmethanen sind in allen drei diesbezüglich<br />
untersuchten Reinwässern auch geringe Mengen an Trichlornitromethan nachweisbar.<br />
Hierbei handelt es sich vermutlich ebenfalls um ein Desinfektionsnebenprodukt.<br />
In einigen Werken wurde das Reinwasser auch auf verschiedene Spurenmetalle<br />
analysiert. Nach den Befunden, die in Anlage 3 enthalten sind, traten dabei keine<br />
Auffälligkeiten auf. Die in Anlage 3 mit angegebenen Rohwasserwerte in der TWA<br />
Rio das Velhas (Versorgung von Belo Horizonte im Bergbaugebiet von Minas Gerais)<br />
zeigen dass durch die Aufbereitung mittels Flockung und Filtration im Rohwasser<br />
enthaltene geringen Mengen an verschiedenen Elementen erwartungsgemäß<br />
größtenteils entfernt werden.<br />
Wie bereits erwähnt, sind viele Oberflächenwässer durch das Einleiten ungeklärter<br />
kommunaler Abwässer stark mikrobiologisch belastet. Es wurde von Werten für E.<br />
Coli sowie Coliformen Keimen von bis zu mehreren Tausend pro mL im Flusswasser<br />
bzw. den entsprechenden Rohwässern berichtet. Das abgegebene Reinwasser nach<br />
Desinfektion sei im allgemeinen frei von Indikatorbakterien. Untersuchungsergebnisse<br />
bzw. Kenntnisse zu humanpathogenen Parasiten in Roh- bzw. Trinkwässern lagen<br />
in den aufgesuchten Werken nicht vor. Bei dem staatlichen Wasserversorger in<br />
Minas Gerais (COPASA) wird derzeit eine entsprechende Analytik aufgebaut.<br />
Auch Daten zu anthropogenen Mikroverunreinigungen sind in den Werken nicht vorhanden.<br />
Hierzu wurden orientierende Messungen auf schwerflüchtige organische<br />
Spurenstoffe (Industriechemikalien) durchgeführt, deren Parameterumfang in Anlage<br />
4 enthalten ist. Die Befunde in den Reinwässern der in Anlage 1 aufgeführten<br />
Werke waren negativ. In den Trinkwässern der Städte Rio de Janeiro, Niteroi und<br />
Salvador (Flusswassergewinnungen jeweils in Ballungsgebieten), wurden auch auf<br />
Komplexbildner sowie Röntgenkontrastmittel als Abwasserindikatoren analysiert. Mit<br />
Ausnahmen geringer Mengen an EDTA (Anlage 5) und Röntgenkontastmittel (Anlage<br />
6) im Trinkwasser von Rio de Janeiro waren die Befunde ebenfalls unauffällig.<br />
Saisonal treten in einigen Fällen Geruchs- und Geschmacksprobleme im Trinkwasser<br />
auf, die einerseits auf Abschwemmungen von landwirtschaftlich genutzten Flächen<br />
und andererseits durch Algen bzw. deren Stoffwechselprodukte bedingt sind.<br />
Ein besonderes Problem sind saisonal auftretende Massenentwicklungen von<br />
Cyanobakterien. Dies kann einerseits zu Betriebsstörungen durch Filterverbackungen<br />
führen, da diese Organismen in den Flockungs- bzw. Sedimentationsanlagen
14<br />
nicht ausreichend abgetrennt werden. Andererseits können unter Umständen stark<br />
toxische Substanzen freigesetzt werden.<br />
Zum Zeitpunkt des Besuches in Brasilien konnte beim staatlichen Versorger in Sao<br />
Paulo aufgrund dieser Problematik ein Rohwasserteilstrom von ca. 15 m³/s nicht genutzt<br />
werden. In Brasilien kam es bereits zu Todesfällen bei Dialysepatienten durch<br />
Cyanotoxine. Dies war jedoch vermutlich auf die irrtümliche Verwendung von Rohanstelle<br />
von Trinkwasser bzw. eine unsachgemäße Behandlung des Wassers im<br />
Dialyseinstitut zurückzuführen.<br />
5 Aufbereitung<br />
Die in den besuchten Wasserwerken ermittelten Daten unter anderem zur jeweiligen<br />
Aufbereitungstechnik sind aus den Kurzbeschreibungen in Anlage 7 zu entnehmen.<br />
Daraus geht hervor, dass in der Regel folgende Verfahrenstechnik zur Aufbereitung<br />
der Wässer eingesetzt wird:<br />
- Flockung/Fällung<br />
- Sedimentation<br />
- Schnellfiltration<br />
- Chlorung<br />
Zu erwähnen sind auch wasserbauliche Maßnahmen (Wehre und Staustufen) bei<br />
Flusswassergewinnungsanlagen, durch die bereits eine gewisse Voraufbereitung<br />
durch Abtrennung von Schwebstoffen erzielt wird. Ein Beispiel hierfür ist die Rohwasserfassung<br />
des Werkes Rio das Velhas in Belo Horizonte (Minas Gerais), die<br />
sich unmittelbar hinter einem Wehr befindet (Bild 5.1). Das Rohwasser weist eine<br />
starke Trübung von ca. 500 FNU auf.<br />
In einigen Werken erfolgt mittels Alkalienzugabe (Natronlauge bzw. Kalkmilch) auch<br />
eine Anhebung des pH-Wertes.<br />
Eine Chlorung zu Beginn des Aufbereitungsprozesses war früher gängige Praxis,<br />
wurde jedoch zwischenzeitlich im Hinblick auf eine Minimierung der Desinfektionsnebenprodukte<br />
in den meisten Werken abgestellt.<br />
In zwei der besuchten Werke erfolgt jedoch auch heute noch eine Vorchlorung zur<br />
Entmanganung.
Praxiserfahrungen in anderen Ländern - Brasilien 15<br />
Bild 5.1: Rohwasserfassung des Werkes Rio das Velhas (Belo Horizonte)<br />
5.1 Flockung/Fällung<br />
In den meisten, insbesondere in den kleineren Wasserwerken wird ein kostengünstiges<br />
Aluminiumsulfat als Flockungsmittel eingesetzt. Aus dem entsprechenden Granulat<br />
wird vor Ort durch mehrstündiges Rühren und anschließender Sedimentation<br />
die Dosierlösung zubereitet.<br />
In größeren Werken kommen auch höherwertige Aluminiumsulfate, die vor Ort in<br />
Wasser gelöst werden oder Flockungsmittel auf Aluminiumbasis und Eisen(III)-salze<br />
zum Einsatz, die als saure Lösung im Silofahrzeug angeliefert werden.<br />
Die Zugabe des Flockungsmittels erfolgt meist in einen offenen Zulaufkanal, wobei<br />
durch eine kurze Fließstrecke mit verengtem Strömungsquerschnitt oder eine Kaskade<br />
im Bereich der Dosierstelle eine starke Turbulenz erzeugt und damit eine gute<br />
Einmischung gewährleistet wird. (Bild 5.2 zeigt die Dosierstelle und die Mischstrecke<br />
im Wasserwerk Laranjal der Stadt Niteroi in Rio de Janeiro).
16<br />
Die zusätzliche Dosierung von Flockungshilfsmittel in der nachgeschalteten Flockungsstufe<br />
ist weit verbreitet, wobei sowohl kationische als auch anionische Polyacrylamide<br />
zum Einsatz kommen.<br />
Bild 5.2: Flockungsmitteldosierung und Einmischung im Wasserwerk Laranjal<br />
(Niteroi, Rio de Janeiro)<br />
Nachfolgend bilden sich die Flocken in einem mehrstufigen Prozessablauf mit abnehmendem<br />
Energieeintrag. Hierzu werden sowohl Systeme mit hydraulischem<br />
Energieeintrag als auch mit Rührern oder Paddelwerken eingesetzt. Es sind meist G-<br />
Werte von 80 bis 20 s -1 realisiert und die Aufenthaltszeit des Wassers in der gesamten<br />
Flockungsstufe liegt zwischen 10 und 15 Minuten.<br />
Auf Bild 5.3 ist die Aufbereitungsanlage des Wasserwerks in Criciuma (Santa Catarina)<br />
zu erkennen. Bei dem rechten Anlagenteil handelt es sich um eine Flockungsstufe<br />
mit hydraulischem Energieeintrag. Links im Bildvordergrund ist eine zweite Flockungsanlage<br />
mit Rührwerken und dahinter die Sedimentations- und Filterstufe zu<br />
erkennen.
Praxiserfahrungen in anderen Ländern - Brasilien 17<br />
Bild 5.3: Aufbereitungsanlage des Wasserwerks in Criciuma (Santa Catarina)<br />
5.2 Sedimentation<br />
Die Sedimentationsbecken weisen Füllhöhen von 2-3 m und Verweilzeiten von rd.<br />
1,5 bis zwei Stunden auf. Durch den Einsatz von Lamellen bzw. Schrägplatten in den<br />
Sedimentationsbecken wird die Flächenbelastung in vielen Werken auf bis zu ca<br />
10 m³/m² h gesteigert und die Verweilzeit auf deutlich unter eine Stunde verringert,<br />
so dass bei gleicher Aufbereitungsleistung deutlich geringere Bauvolumina erforderlich<br />
sind.<br />
Die Ablauftrübungen der Sedimentationsbecken wurden meist mit 3 bis 10 FNU angegeben.<br />
In einem Werk kann auch bei stark erhöhten Rohwassertrübungen eine<br />
Trübung im Ablauf der Sedimentationsstufe < 1 FNU erzielt werden.<br />
Bild 5.4 zeigt den Überstau der Lamellen- Sedimentationsanlage im Wasserwerk<br />
Vieira de Mello in Salvador (Bahia).<br />
Ein Beispiel für eine schlecht funktionierende Sedimentationsanlage ist in Bild 5.5 zu<br />
erkennen.
18<br />
Bild 5.4: Überstau der Sedimentationsanlage im Werk Vieira de Mello (Salvador,<br />
Bahia)<br />
Bild 5.5: Flockenaustrag in einer Sedimentationsanlage
Praxiserfahrungen in anderen Ländern - Brasilien 19<br />
Zu erwähnen ist, dass in einigen Werken auch Flotationsanlagen zum Einsatz kommen.<br />
Diese weisen nach Angaben der Mitarbeiter betriebliche Vorteile, insbesondere<br />
hinsichtlich eines einfacheren Schlammaustrages auf. In einem Flusswasserwerk<br />
wurde berichtet, dass die Flotationsanlge bei stark erhöhten Rohwassertrübungen<br />
hinsichtlich der Ablauftrübung den parallel betriebenen Sedimentationsanlagen<br />
(Schrägplatten) unterlegen sind und außer Betrieb genommen werden müssen. Bei<br />
erhöhten Algenzahlen im Rohwasser, wie sie bei der Nutzung stehender Gewässer<br />
auftreten können, sind Flotationsanlagen jedoch unter Umständen von Vorteil.<br />
5.3 Schnellfiltration<br />
Das Wasser aus der Sedimentationsstufe wird meistens in abwärts durchströmten<br />
Schnellfiltern weiter behandelt. Seltener sind aufwärts durchströmte Filter im Einsatz.<br />
Es handelt sich in der Regel um offene Stahlbetonfilter in Rechteckbauweise. Als<br />
Beispiel für einen Schnellfilter ist auf Bild 5.6 ein Filter des Werkes Rio Guandu in<br />
Rio de Janeiro dargestellt, das gerade umgebaut wird.<br />
Bild 5.6: Offenes Schnellfilter im Werk Rio Guandu (Rio de Janeiro)
20<br />
Als wirksame Filterschichten ist relativ feiner Sand (d W 0,5-0,6 mm), bei Zweischichtfiltern<br />
zusätzlich Anthrazit (Korngröße 0,57 - 2,2 mm) eingebracht, wobei die gesamte<br />
Schütthöhe von in der Regel 0,7 bis 1,0 m gemessen an deutschen Verhältnissen<br />
relativ gering sind. Bei ebenfalls verbreitetem Einschichtfilteraufbau beträgt die<br />
Schütthöhe an Quarzsand sogar in der Regel lediglich rd 0,6 m. Die Drainage des<br />
Filtrates bzw. die Spülwasserverteilung erfolgt meist durch Kanäle, Düsenböden sind<br />
seltener im Einsatz. Die Stützschichten bestehen aus Kiesen verschiedenster Korngrößen<br />
und weisen eine Gesamthöhe von ca. 0,5 bis 0,6 m auf.<br />
Der Filterüberstau bzw. der Freibord betragen meist ca. 2,0 bzw. ca. 0,8 m. Übliche<br />
Filtergeschwindigkeiten betragen zwischen 10 und 15 m/h. Die entsprechende brasilianische<br />
Norm gibt als Auslegungsgröße eine Flächenbelastung von 320 m³/m² d<br />
an.<br />
Gespült werden die Filter in Abhängigkeit von der Rohwasserbeschaffenheit und der<br />
Flockungsmittelzugabemenge in Abständen von 15 bis 40 Stunden mit Spülwassergeschwindigkeiten<br />
von 45 bis 50 m/h über die Dauer von sechs bis acht Minuten bis<br />
zum optischen Aufklaren des Spülwassers. Zur Wasserspülung werden in der Regel<br />
keine Pumpen eingesetzt, sondern sie erfolgt in freiem Gefälle aus entsprechenden<br />
Reinwasserreservoirs. Luftspülungen sind aus Kostengründen nicht üblich, haben<br />
sich aber in den wenigen Fällen, in denen sie angewandt werden, bewährt.<br />
Das Spülabwasser aus den Filtern sowie der Grundablass aus den Sedimentationsanlagen<br />
werden meistens ohne weitere Behandlung in die Vorfluter geleitet. Aufgrund<br />
geänderter gesetzlicher Rahmenbedingungen planen die Werke jedoch derzeit<br />
Anlagen zur Spülabwasserbehandlung.<br />
5.4 Desinfektion<br />
Gemäß der brasilianischen Trinkwasserverordnung müssen nach Abschluss der<br />
Aufbereitung mindestens 0,5 mg/L freies Chlor enthalten sein, maximal sind 5 mg/L<br />
zulässig. Ziel ist es dabei, auch in peripheren Netzbereichen einen Restgehalt an<br />
Chlor von 0,2 mg/L zu gewährleisten. In der Regel werden den Reinwässern 2 bis 3<br />
mg/L Chlor zudosiert, wobei in kleineren Anlagen Natriumhypochloritlösung, in Werken<br />
mittlerer Größe Chlorgasflaschen und in größeren Werken mittels Tankwagen<br />
geliefertes Flüssigchlor verwendet wird.<br />
Auf eine Vorchlorung wird wie bereits erwähnt zwischenzeitlich zur Minimierung der<br />
Gehalte an Desinfektionsnebenprodukten im Trinkwasser in vielen Werken verzichtet.<br />
Bei erhöhten Mangangehalten im Rohwasser ist sie jedoch durchaus noch üblich.<br />
In einem Fall wurde die Chlorzugabemenge mit 14 mg/L angegeben. Dies sei<br />
erforderlich, um nach Abschluss der Aufbereitung den gewünschten Chlorgehalt von<br />
1 bis 2 mg/L einzustellen. Die Konzentration an Trihalogenmethanen im Trinkwasser
Praxiserfahrungen in anderen Ländern - Brasilien 21<br />
ist gesetzlich auf 100 µg/L begrenzt und muss in regelmäßigen Abständen analysiert<br />
werden. Laut Aussagen der Mitarbeiter der besuchten Werke liegen die THM-<br />
Gehalte im Trinkwasser in der Regel zwischen 40 und 60 µg/L.<br />
5.5 Stabilisierung und Fluoridierung<br />
Sofern eine pH-Werteinstellung erfolgt, wird hierzu überwiegend Kalkmilchsuspension<br />
eingesetzt, die vor Ort aus Calciumoxid bzw. Calciumhydroxid hergestellt wird. In<br />
einem der besichtigten Werke ist Natronlauge, in einem weiteren Natriumcarbonat im<br />
Einsatz. Die Entsäuerung wird zum Teil zu Beginn der Aufbereitung mit dem Ziel einer<br />
optimierten Entmanganung durchgeführt, meistens jedoch erst vor der abschließenden<br />
Desinfektion. Der Umfang der pH-Wertanhebung ist unterschiedlich, wobei<br />
in einigen Fällen pH-Werte > 8 mit dem Ziel eingestellt werden, durch möglichst niedrige<br />
Sättigungsindices Korrosionserscheinigungen in Transportleitungen aus Eisenwerkstoffen<br />
zu minimieren. In anderen Fällen wird der pH-Wert lediglich auf 7 bis 7,5<br />
angehoben um die Desinfektionswirkung nicht zu beeinträchtigen.<br />
Eine Besonderheit in Brasilien besteht darin, dass gesetzlich eine Fluoridierung auf<br />
0,5 bis 0,8 mg F - /L vorgeschrieben ist. Hierzu werden unterschiedliche fluoridhaltige<br />
Präparate (z.B. Na 2 F 6 SiO 4 ) zudosiert.<br />
6 Wasserverteilung<br />
In Brasilien ist praktisch in jedem Haushalt auf dem Dach ein Wasserspeicher für<br />
mindestens zwei Tagesverbräuche installiert. Temperaturen des Leitungswassers<br />
von 35 bis 40 °C sind deshalb keine Seltenheit. Darüber hinaus besteht die Gefahr<br />
eines Schmutz- bzw. Keimeintrags (Kleintiere). Diese Wasserspeicher sind jedoch<br />
erforderlich, da die Wasserversorgung mehrmals im Jahr, z. B. aufgrund von Rohrbrüchen,<br />
über die Dauer von bis zu einigen Tagen unterbrochen ist.<br />
Versorgungsleitungen aber auch die Hausinstallationen bestehen überwiegend aus<br />
kostengünstigem PVC. Ältere Leitungen bzw. Leitungen mit größerem Durchmesser<br />
sind aus Eisen- zum Teil auch aus Zementwerkstoffen gefertigt. Die Netze haben oft<br />
in den Endhaltungen keine durchgehende Versorgung. Der Betriebsdruck beträgt<br />
selten über 3, nie über 5 bar.<br />
Wie bereits erwähnt, sind die Wasserverluste mit 35 bis 50 % bzw. unter Umständen<br />
auch mit darüber liegenden Werten relativ hoch. Dies ist einerseits auf Rohrbrüche,<br />
die zum Teil relativ spät, gar nicht oder nicht fachgerecht repariert werden, andererseits<br />
auch auf eine Vielzahl illegaler Anschlüsse sowie insbesondere in ärmeren
22<br />
Wohngebieten mit kostenloser Wasserabgabe auf ein fehlendes Bewusstsein beim<br />
Umgang mit dem Wasser zurückzuführen.<br />
Durch die zahlreichen Rohrbrüche in Verbindung mit dem relativ niedrigen Netzdruck,<br />
aber insbesondere durch die illegalen Anschlüsse, die zum Teil in Abwasserleitungen<br />
versteckt verlegt werden, besteht eine hohe Gefährdung für einen Keimeintrag<br />
bei der Verteilung des Wassers. Dies ist mit ein Grund für die Erfordernis relativ<br />
hoher Desinfektionsmittelgehalte im abgegebenen Trinkwasser. Der bakteriologischen<br />
Beschaffenheit wird in den Werken ein hoher Stellenwert eingeräumt. In den<br />
mittleren und größeren Werken sind in der Regel Labors zur Durchführung der gesetzlich<br />
vorgeschriebenen bakteriologischen Analysen am Wasserwerksausgang<br />
sowie im Verteilungsnetz vorhanden.<br />
7 Kosten<br />
Die Rohwasserentnahme ist für die Versorgungsunternehmen noch kostenfrei. Zwischenzeitlich<br />
wurden jedoch wasserwirtschaftliche Regelungen bzw. entsprechende<br />
Verordnungen geschaffen, so dass in den kommenden Jahren voraussichtlich für die<br />
Rohwasserentnahme ebenso wie für andere Nutzungen der Gewässer Entgelte entrichtet<br />
werden müssen.<br />
Die Wasserpreise sind regional unterschiedlich und tendenziell im Süden höher als<br />
im weniger entwickelten Norden. Die Tarifstruktur ist dabei relativ komplex, da einerseits<br />
in Abnehmergruppen differenziert wird, mit von Privat nach öffentlichem Gewerbe<br />
und Industrie steigenden Tarifen, und andererseits der Wasserpreis auch mit<br />
der Abgabemenge zunimmt.<br />
Für Abgabemengen < 10 m³ pro Monat ist in der Regel ein „sozialer“ Wasserpreis<br />
von € 2,5 bis 5 pro Monat, der aufgrund oftmals fehlender Wasserzähler pauschal<br />
abgerechnet wird, festgesetzt (€ 0,25 – 0,5/m³). Bei höheren Abnahmemengen steigen<br />
die Tarife auf ca. € 0,6 bis 0,8/m³ an. Auch Industrie und Gewerbe müssen Kosten<br />
für das Trinkwasser von ca. € 0,7 bis 1,5/m³ kalkulieren. Detailliertere Preisangaben<br />
für die einzelnen Versorger können der bereits erwähnten Studie [2] entnommen<br />
werden.<br />
Bezüglich Verbrauchsmittelkosten wurden von der COPASA in Minas Gerais für ein<br />
Wasserwerk mit einer Aufbereitungsmenge von 6 m³/s die in Tabelle 7.1 aufgeführten<br />
Angaben gemacht. Für den Chemikalieneinsatz kann von mittleren Betriebsmittelkosten<br />
von rd. 0,03 €/m³ ausgegangen werden. Bei einer Abschätzung der gesamten<br />
Gestehungskosten ist zu berücksichtigen, dass in vielen Werken, insbesondere<br />
bei den staatlichen Großbetrieben, eine relativ hohe Anzahl von Mitarbeitern vorwiegend<br />
im Verwaltungsbereich beschäftigt sind.
Praxiserfahrungen in anderen Ländern - Brasilien 23<br />
Tabelle 7.1: Chemikalienkosten in einem Wasserwerk<br />
Chemikalie<br />
Kosten in €/kg<br />
Calciumhydroxid 0,04<br />
Chlor (flüssig) 0,3<br />
Eisen(III)-salz 0,2<br />
Aluminiumsulfat (Granulat) 0,1<br />
8 Folgerungen und Zusammenfassung<br />
Die Ergebnisse der Besichtigungen von 12 Trinkwasseraufbereitungsanlagen in vier<br />
brasilianischen Bundesstaaten, der an verschiedenen Trinkwässern durchgeführten<br />
Untersuchungen sowie der Gespräche mit brasilianischen Fachleuten lassen sich<br />
wie folgt zusammenfassen:<br />
Für die Trinkwasserver- und Abwasserentsorgung sind in Brasilien die Kommunen<br />
zuständig. Der Anschlussgrad an das Trinkwassernetz ist mit über 90 % relativ hoch,<br />
dagegen existiert erst für ca. 5 % der Bevölkerung eine kontrollierte Abwasserentsorgung<br />
bzw. Abwasserbehandlung. In den meisten Fällen erfolgt die Trinkwasserversorgung<br />
im Auftrag der Kommunen durch große staatliche Wasserversorgungsunternehmen,<br />
die in den einzelnen Bundesländern jeweils landesweit tätig sind. Viele<br />
Konzessionsverträge laufen in Kürze aus, wobei z. T. auf Seiten der Kommunen<br />
die Schaffung von Eigenbetrieben diskutiert wird. Aufgrund fehlender Mittel für die<br />
anstehenden Investitionen aber auch infolge Mangel an Fachpersonal sind dabei<br />
vermutlich Privatisierungen bzw. private sector participation- Modelle unumgänglich.<br />
Die rechtlichen Rahmenbedingungen hierfür wurden in den vergangenen Jahren geschaffen.<br />
Bei den besuchten Versorgungsunternehmen ist z.T. ein hohes technischwissenschaftliches<br />
know how bezüglich der Trinkwasseraufbereitung vorhanden.<br />
Einigen Angaben zufolge ist der Verwaltungsapparat insbesondere der staatlichen<br />
Versorger jedoch relativ groß und ineffektiv. Mittel für oftmals erforderliche Neuinvestitionen<br />
bzw. Erhaltungsmaßnahmen in den Trinkwasseraufbereitungs- und<br />
-verteilungsanlagen sind knapp.<br />
Als Rohwasser wird überwiegend Flusswasser genutzt, das meist sehr gering mineralisiert<br />
und durch stark schwankende, zeitweise sehr hohe Trübstoffgehalte gekennzeichnet<br />
ist. Zum Teil liegen auch niedrige pH-Werte und erhöhte Mangankonzentrationen<br />
vor. Erwartungsgemäß sind die Rohwassertemperaturen mit in Einzelfällen<br />
zeitweise über 30°C relativ hoch. Hierdurch sowie insbesondere durch die Einleitung<br />
unbehandelter Abwässer resultieren hohe Keimbelastungen.<br />
Bei orientierenden Reinwasseruntersuchungen im Rahmen der vorliegenden Studie,<br />
ergaben sich selbst unter ungünstigen Randbedingungen (Fluss Paraiba do Sul im
24<br />
Ballungsgebiet zwischen Sao Paulo und Rio de Janeiro) keine Hinweise auf eine<br />
signifikante Kontamination des Wassers mit anthropogenen Störstoffen. Inwieweit<br />
dies repräsentativ für die Situation in ganz Brasilien ist, müsste durch weitere Messungen<br />
abgeklärt werden. In Gesprächen wurde von einzelnen Fällen mit Verunreinigungen<br />
des Grund- und Oberflächenwassers durch massiven Einsatz von Pestiziden<br />
in Sonderkulturen berichtet. Analysenergebnisse waren jedoch nicht verfügbar,<br />
da entsprechende Messgeräte zwar vorhanden aber aufgrund von „Personalproblemen“<br />
nicht betriebsbereit seien.<br />
Aufbereitungstechnische Probleme bestehen insbesondere durch saisonal auftretende<br />
Algenmassenentwicklungen. Diese verursachen einerseits Geruchs- sowie<br />
Geschmacksbeeinträchtigungen des Trinkwassers und sind z.T. auch gesundheitlich<br />
relevant (Cyanotoxine). Andererseits können sie zu Betriebsstörungen bis hin zu vorübergehenden<br />
Zwangsstilllegungen aufgrund eines zu großen Spülwasserverbrauchs<br />
führen. Bezüglich des Einsatzes von Ozon und Aktivkohle zur Beherrschung<br />
von Geruchs- und Geschmacksproblemen wurden bei größeren Wasserversorgern<br />
bereits Studien durchgeführt. Danach scheiden diese Verfahren für die untersuchten<br />
Werke mit Durchsatzmengen von bis zu 44 m³/s aus Kostengründen aus.<br />
Es wird überwiegend die Verfahrenskombination Flockung/Fällung – Sedimentation<br />
– Filtration – Desinfektion angewandt. In vielen Fällen erfolgt auch eine Alkalienzugabe<br />
zur Stabilisierung des Wassers. Gesetzlich vorgeschrieben ist in Brasilien<br />
die Fluoridierung des Trinkwassers.<br />
In den meisten Fällen können hiermit die gesetzlichen Vorgaben eingehalten werden,<br />
wobei von kurzzeitigen Überschreitungen der Vorgaben hinsichtlich der Trübung<br />
(< 1 FNU Ablauf Schnellfilter) sowie Eisen, Mangan und Aluminium auszugehen<br />
ist. Auch die bakteriologischen Anforderungen werden normalerweise eingehalten.<br />
Aufgrund der zahlreichen Leckagen bzw. illegalen Anschlüssen im Netz in Verbindung<br />
mit in den Endbereichen niedrigen Netzdrücken müssen hierzu jedoch relativ<br />
hohe Mengen an Chlor (2-3 mg/L) zugegeben werden. Ziel ist es hierbei, nach<br />
einer Verweildauer des Wassers von 2 Tagen im Netz noch einen Restgehalt an<br />
freiem Chlor von ca. 0,2 mg/L zu gewährleisten. Nach Angaben der Wasserwerksmitarbeiter<br />
resultieren bei dieser Fahrweise keine Überschreitungen des Grenzwertes<br />
für Trihalogenmethane von 0,1 mg/L, wobei dies jedoch bei einem der drei im<br />
Rahmen dieser Studie untersuchten Trinkwässer der Fall war.<br />
Kritisch ist im Zusammenhang mit der hygienisch-bakteriologischen Wasserbeschaffenheit<br />
des Leitungswassers die übliche Praxis der Zwischenspeicherung des Trinkwassers<br />
in Hausdachspeichern zu sehen. Bei mittleren Aufenthaltszeiten von 2 Tagen<br />
und hohen Wassertemperaturen stellen Sekundärkontaminationen darin vermutlich<br />
ein hohes Gefährdungspotential dar. Aufgrund der relativ geringen Versorgungssicherheit<br />
(häufige Unterbrechung der Versorgung über Stunden bis Tage) sind derartige<br />
Zwischenspeicher jedoch erforderlich.
Praxiserfahrungen in anderen Ländern - Brasilien 25<br />
2003 tritt in Brasilien eine neue Trinkwasserverordnung in Kraft, die sich an internationalen<br />
Normen orientiert. Unter anderem sind zahlreiche anthropogene Mikroverunreinigungen<br />
mit Grenzwerten versehen. Die staatliche Überwachung der Trinkwasserbeschaffenheit<br />
bzw. entsprechende Institutionen und Laborkapazitäten hierfür<br />
werden voraussichtlich in den kommenden Jahren aufgebaut.<br />
Hinsichtlich des Einsatzes deutscher Technologien der Trinkwasseraufbereitung in<br />
Brasilien bestehen insbesondere folgende Aufgabenfelder bzw. Optimierungs- und<br />
Modifizierungsmöglichkeiten:<br />
Einsatz der Uferfiltration (auch stehende Gewässer) und Langsamsandfiltration<br />
insbesondere für kleine und mittlere Anlagen. Wesentlich sind dabei u.a. Strategien<br />
zur Beherrschung von Algenwachstum, Kolmatationsvorgängen und damit für einen<br />
auch langfristig stabilen Betrieb.<br />
Optimierung der Flockungs- und Sedimentationstechnik. Erforderlich sind bspw.<br />
Angaben zur Dimensionierung und zum Betrieb derartiger Anlagen einerseits im<br />
Hinblick auf kurzzeitig schwankende und zeitweise sehr hohe (> 1.000 FNU) Trübstoffgehalte<br />
sowie andererseits unter dem Gesichtspunkt hoher Gehalte an natürlichen<br />
organischen Wasserinhaltsstoffen. Dies betrifft bspw. die Auswahl der geeigneten<br />
Flockungschemikalien und deren Zugabemengen (einschl. Steuerung der Zugabemenge),<br />
die konstruktive Gestaltung der Flockungsanlage (Art des Energieeintrags,<br />
Vermeidung von Totzonen) sowie der Sedimentationsanlage (Bauhöhe,<br />
Schrägplatten oder Lamellen, Schlammabzug, Rohwassereinspeisung). Zu beachten<br />
sind dabei die hohe Wassertemperatur und Sonneneinstrahlung (z. B. Sonnenschutz<br />
zur Vermeidung von Algenwachstum im Wasserüberstau). Letztlich sollten auch die<br />
möglichen Vorteile der Flotationstechnik insbesondere zur Beherrschung von erhöhten<br />
Algenzahlen untersucht bzw. entsprechende Prozessführungen ermittelt werden.<br />
Ausarbeitung von Vorschlägen zur optimierten Betriebsführung bzw. von Dimensionierungsvorgaben<br />
für Schnellfilteranlagen. Als Stichworte seien hier genannt:<br />
Sekundärdosierung von Flockungschemikalien. Geeigneter Filtermaterialaufbau (Art,<br />
Körnung, Füllhöhe) auch unter dem Gesichtspunkt der Minimierung von Spülwasservolumenstrom<br />
und Spülabwasseranfall sowie der erforderlichen Überstauhöhe bei<br />
den in der Regel zu bevorzugenden offenen Anlagen. Vorteilhafter Filterbodentyp<br />
(Düsen oder Drainagesystem) und Stützschichtaufbau. Einsatzgebiete und Gestaltung<br />
aufwärtsdurchströmter Filter. Handlungskonzepte für einen Betrieb von Filteranlagen<br />
zur biologischen Entmanganung (anstelle üblicher Oxidation mit Chlor). Auch<br />
hierbei sind die relativ hohen Wassertemperaturen zu beachten. Für die Art der<br />
Spülwasserbereitstellung (Spülwasserpumpen oder Reservoire für Spülungen im<br />
freien Gefälle) sowie die Erfordernis zusätzlicher Aufwendungen für Luftspülungen<br />
sollten Entscheidungskriterien ausgearbeitet werden.<br />
Der Einsatz von Chlordioxid als alternatives Desinfektionsmittel zu Chlor bietet unter<br />
Umständen verschiedene Vorteile und sollte untersucht werden. Auch für einfa-
26<br />
che Lösungen zur Minimierung von Korrosionsfolgeerscheinungen (Einsatz von Korrosionsinhibitoren)<br />
besteht Bedarf. Eine insbesondere unter Kostenaspekten interessante<br />
Variante könnte die Entwicklung von modularen Einheiten z.B. für die<br />
Aufbereitung von Flusswasser und reduziertem Grundwasser bei kleinen bis mittleren<br />
Anlagengrößen sein. Sofern parallel Konzepte zur gezielten Anpassung der baugleichen<br />
Module auf die jeweils spezifischen Randbedingungen erarbeitet werden,<br />
sollte damit die Beherrschung eines breiten Spektrums von Rohwasserqualitäten<br />
kostengünstig möglich sein.<br />
Weitere Aufgabenbereiche, die nicht unmittelbar der Aufbereitungstechnik zuzuordnen<br />
sind, bestehen im Brunnenbau, in der Lecksuche und Rohrverlegetechnik sowie<br />
bei Rohrreinigungs- und -sanierungsmaßnahmen (Minimierung von Wasserverlusten)<br />
und der MSR- bzw. Automatisationstechnik. Nicht zuletzt sollte auch die Schaffung<br />
entsprechender Finanzierungsmöglichkeiten für die Durchführung von Maßnahmen<br />
unter Beteiligung deutscher Firmen geprüft werden (soft loans, revolving<br />
fonds).<br />
Wie aus den Ausführungen hervorgeht, sind insbesondere Lösungen für einfache<br />
und kostengünstige Technologien gefragt („lean technologies“). Verfahren wie die<br />
Ozonung und Aktivkohlebehandlung oder gar die Membrantechnik, für die in<br />
Deutschland zwar ein großes know how vorhanden ist, die jedoch bei höheren Aufbereitungsmengen<br />
(und hohen Wasserverlusten) relativ teuer sind, dürften dagegen<br />
in der öffentlichen Trinkwasserversorgung Brasiliens, von Einzelfällen abgesehen,<br />
auf absehbare Zeit keine Rolle spielen. Die unkritische Übertragung deutscher Verhältnisse<br />
hinsichtlich Analytik und diskutierter Relevanz von anthropogenen Störstoffen<br />
auf Brasilien ist ebenfalls nicht zielführend.<br />
9 Literatur und Links<br />
[1] Trinkwasserverordnung von Brasilien (portugiesisch)<br />
<br />
[2] Wasser- und Abwassersituation, Wasserverbrauch in Brasilien<br />
<br />
[3] Preisangaben für einzelne brasilianische Versorger<br />
Praxiserfahrungen in anderen Ländern - Brasilien 27<br />
10 Anlagen (auf CD beigefügt)<br />
- Anlage 1: Ergebnisse der chemisch-physikalischen Untersuchungen von Reinwässern<br />
aus brasilianischen Wasserwerken<br />
- Anlage 2: Analysendaten zu den besuchten Wasserwerken (leichtflüchtige Halogenkohlenwasserstoffe)<br />
- Anlage 3: Analysendaten zu den besuchten Wasserwerken (Metalle)<br />
- Anlage 4: Analysendaten zu den besuchten Wasserwerken (organische Spurenstoffe,<br />
Industriechemikalien)<br />
- Anlage 5: Analysendaten zu den besuchten Wasserwerken (synthetische Komplexbildner)<br />
- Anlage 6: Analysendaten zu den besuchten Wasserwerken (iodierte Röntgenkontrastmittel)<br />
- Anlage 7: Kurzbeschreibungen der besuchten Wasserwerke (Steckbriefe)<br />
- Bilddokumentation zu den aufgesuchten Wasserwerken<br />
- Trinkwasserverordnung Brasilien (portugiesisch)
China
30<br />
1 Einleitung<br />
Zwischen dem 15.08. und 30.08.2002 wurden an den in Tabelle 1.1 aufgeführten<br />
Wasserwerken Daten erhoben.<br />
Die Lage der Wasserwerke in der Volksrepublik China ist in Bild 1.1 gekennzeichnet.<br />
Bild 1.1:<br />
Lage der aufgesuchten Wasserwerke<br />
Zudem wurden in China folgende Organisationen und Behörden aufgesucht:<br />
- Ministry of Health, Department of Disease Control<br />
- Ministry of Construction, Department of Urban Construction<br />
- Tsinghua University<br />
- Wuhan Water Authority<br />
- Chinese Waterworks Association
Praxiserfahrungen in anderen Ländern - China 31<br />
Tabelle 1.1: Allgemeine Daten zu den besichtigten Wasserwerken<br />
Standort<br />
Stadt<br />
Rohwasservorkommen<br />
Aufbereitungsmenge,<br />
m³/d<br />
Beijing Water Company<br />
Wasserwerk Nr. 9<br />
Beijing Talsperre 1.500.000<br />
Xian Water Company<br />
Wasserwerk Xian Süd<br />
Xian Talsperre 500.000<br />
Neues WW Wuhan Wuhan Fluss 135.000<br />
Ältestes WW Wuhan Wuhan Fluss 850.000<br />
Kunming Waterworks<br />
Wasserwerk Nr. 1<br />
Wasserwerk Nr. 4<br />
Wasserwerk Nr. 5<br />
Anning Waterworks<br />
Anning Waterworks<br />
Kunming<br />
Talsperre<br />
Talsperre<br />
Talsperre/See<br />
Gebirgssee<br />
Quellwasser<br />
200.000<br />
80.000<br />
100.000<br />
10.000<br />
7.000<br />
Haikou Waterworks Haikou Fluss 260.000<br />
Shakou Waterworks Foshan Fluss 500.000<br />
Shanghai Municipal Wks.<br />
Linjiang Water Plant<br />
Shanghai Fluss 300.000<br />
Bei diesen Kontakten wurden insbesondere die Aufbereitungstechnik in Chinas<br />
Wasserwerken sowie allgemeine Aspekte der Trinkwasserversorgung mit verantwortlichen<br />
Fachleuten diskutiert. Die nachstehenden Ausführungen basieren im Wesentlichen<br />
auf den dabei gewonnenen Informationen.<br />
2 Gesetzliche Regelungen<br />
Der rechtliche Rahmen für die Wasserversorgung in China lässt sich in 4 Ebenen<br />
darstellen [1]:<br />
Staatliche Gesetze: Rahmengesetze werden auf Vorschlag der Regierung vom<br />
Volkskongress verabschiedet.<br />
Verordnungen der zuständigen Ministerien: Die Ministerien, überwiegend das<br />
Bauministerium, erlassen Regularien zur Sicherstellung der Wasserversorgung.<br />
Kommunalgesetze: Jede Kommune kann im Rahmen der oben genannten Gesetze<br />
und Verordnungen weitere Regelungen erlassen.<br />
Technisches Regelwerk: Diese Regeln werden vom Bauministerium, Gesundheitsministerium<br />
oder vom Amt für Standardisierung erlassen. Die Erarbeitung der<br />
technischen Regeln geschieht in der Regel über die CAS, China Assosiation for<br />
Standardisation, die Fachleute aus einschlägigen Ministerien und den Unternehmen<br />
hinzuzieht. Unter diese Rubrik fallen auch die wichtigsten Standards wie die chinesi-
32<br />
sche Trinkwasserverordnung (Sanitary Standards for Drinking Water) und die Gütekriterien<br />
für die Wasserversorgung in ländlichen Gebieten (Guideline for Implementation<br />
of Hygiene Standards for Drinking Water in Rural Areas).<br />
Somit existieren in China prinzipiell zwei verschiedene Trinkwasserverordnungen, die<br />
den Stellenwert eines Technischen Regelwerkes haben. Die chinesische Trinkwasserverordnung,<br />
die sich im Wesentlichen an WHO-Standards orientiert, definiert die<br />
Güteanforderungen an das Trinkwasser in städtischen Gebieten wobei die Zuständigkeit<br />
beim Bauministerium liegt. In den Händen des Gesundheitsministeriums bzw.<br />
des Wasserbauministeriums hingegen liegt die Wasserversorgung im ländlichen<br />
Raum, wobei die Gütekriterien für die Wasserversorgung in ländlichen Gebieten anzuwenden<br />
sind, die weit unterhalb der Anforderungen liegen, die für Großstädte gelten.<br />
Das Ministerium für den ländlichen Raum hat für den internen Gebrauch zusätzlich<br />
noch Mindestanforderungen, die weit schlechtere Werte definieren als die beiden<br />
erstgenannten Regelungen. In der Diskussion wurde deutlich, dass nicht jedes<br />
leitungsgebundene Wasser auch Trinkwasser sein muss. Es wurde sowohl auf die<br />
Verfügbarkeit von Flaschenwasser als auch auf die oft empfohlene Nachaufbereitung<br />
(point of use treatment) verwiesen. In Großstädten wird die Wiederverwendung<br />
von Grauwasser bereits praktiziert. In Beijing ist in modernen Hotels die Aufbereitung<br />
von Grauwasser und die Wiederverwendung zur Toilettenspülung bereits Vorschrift.<br />
Das Hauptaugenmerk beruht ohnehin auf der biologischen Unbedenklichkeit, wobei<br />
dem Nachweis von freiem Chlor oberste Bedeutung zugemessen wird.<br />
Beide Trinkwasserverordnungen unterscheiden sich sowohl in der Höhe der angegebenen<br />
Zielwerte als auch in deren Anzahl. Für den ländlichen Raum werden 26<br />
Parameter berücksichtigt, während die Trinkwasserverordnung 96 Parameter enthält.<br />
Für einige Großwasserwerke werden allerdings bis zu 120 Grenzwerte angegeben,<br />
deren Überwachung und Messung jedoch fraglich ist. Die städtische Trinkwasserverordnung<br />
ist darüber hinaus in Parameter, die regelmäßig bzw. im Bedarfsfall zu<br />
bestimmen sind, untergliedert. Analytische Möglichkeiten sind in den Labors der<br />
Großstädte in der Regel gegeben.<br />
Tabelle 2.1 vergleicht ausgewählte Parameter der städtischen und ländlichen Trinkwasserverordnung<br />
mit den entsprechenden Werten aus Deutschland. Daraus geht<br />
hervor, dass beispielsweise für Trübung, Eisen und Mangan in China wesentlich höhere<br />
Gehalte zugelassen sind als in Deutschland. Für den ländlichen Raum lässt die<br />
chinesische Trinkwasserverordnung bei der mikrobiologischen Beschaffenheit erhebliche<br />
Spielräume zu, wie dies in Tabelle 2.1 beispielhaft für Gesamtcoliforme dargestellt<br />
wurde.<br />
Eine Auflistung einer Auswahl von Gesetzen und Regelungen sowie alle Trinkwassergrenzwerte<br />
ist in Anlage 5 [1] enthalten.<br />
Tabelle 2.1: Ausgewählte Parameter der chinesischen und deutschen Trinkwasserverordnungen
Praxiserfahrungen in anderen Ländern - China 33<br />
Parameter Einheit Stadt<br />
Land +<br />
BRD<br />
I II III TrinkwV<br />
Trübung FNU 1 * 3 * 10 20 1,0<br />
Eisen mg/L 0,3 0,3 0,5 1,0 0,2<br />
Mangan mg/L 0,1 0,1 0,3 0,5 0,05<br />
Sulfat mg/L 250 250 300 400 240<br />
Fluorid mg/L 1 1 1,2 1,5 1,5<br />
Arsen mg/L 0,05 0,01<br />
Nitrat-N mg N/L 20 10<br />
Gesamtcoliforme n/100mL 0 3 11 27 0<br />
+<br />
I guter Wert, II erlaubter Wert, III unter besonders ungünstigen Bedingungen<br />
* im Sonderfall 5 FNU<br />
3 Allgemeine Angaben zur Trinkwassergewinnung und<br />
-versorgung in China<br />
3.1 Rohwässer und wasserwirtschaftliche Situation<br />
In China werden etwa ein Viertel des Trinkwassers aus Oberflächenwasser und dreiviertel<br />
aus Grundwasser gewonnen (Tabelle 3.1). Bei Oberflächenwässern werden<br />
im Wesentlichen die Flüsse genutzt. Grundwasser wird meist aus flachen Brunnen<br />
mit weiten Öffnungen gewonnen, die insbesondere in den ländlichen Gebieten nicht<br />
oder schlecht ausgebaut sind. Diese traditionellen Wasserentnahmestellen befinden<br />
sich in Höfen oder an Straßen und bieten kaum Schutz gegen Verschmutzungen.<br />
Aus diesen Brunnen entnehmen die Einwohner das benötigte Wasser durch eigene<br />
Schöpfgeräte wie beispielsweise Eimer. Ursächlich für Verunreinigungen des Brunnenwassers<br />
sind u.a. Einträge über die Schöpfgeräte, Regen, Wind, Dünger, Toiletten<br />
oder Sickergräben. Einige dieser Flachbrunnen sind mit Handpumpen ausgestattet,<br />
was eine wesentliche Verbesserung der Wasserbeschaffenheit im Vergleich zu<br />
den traditionellen Wasserentnahmestellen zur Folge hatte. Gegenwärtig sind die<br />
Flachbrunnen die Hauptquelle für die dezentrale Wassergewinnung in China.<br />
Allerdings differieren die Anteile an den verwendeten Rohwasserarten stark zwischen<br />
den einzelnen Landesteilen. Beispielsweise werden in der Region Shanghai<br />
(Bevölkerung ca. 12 Mio.) und in Tibet (Bevölkerung ca. 1,3 Mio.) ca. 70 % des<br />
Trinkwassers aus Flüssen gewonnen, während in der Provinz Heliongjiang (Bevölkerung<br />
ca. 33 Mio.) praktisch kein Flusswasser verwendet wird.
34<br />
Tabelle 3.1: Rohwasserherkunft bei der Trinkwassergewinnung für China<br />
Oberflächenwasser<br />
Flusswasser 20,6 %<br />
Talsperren- und Seewässer 1,6 %<br />
Teich- und Grubenwässer 5,5 %<br />
Grundwasser<br />
Tiefbrunnen- und Quellwässer 17,6 %<br />
Flachbrunnen 54,8 %<br />
27,6 %<br />
72,4 %<br />
Obwohl eine zentrale Wasserversorgung in den Kerngebieten der großen Städte<br />
bereits seit 100 Jahren existiert, gibt es in ca. 60% der Gemeinden und Dörfer des<br />
ländlichen Raumes heute noch keine zentrale Wasserversorgung [1]. Nach anderen<br />
Quellen [2] verfügt nur etwa ein Fünftel der chinesichen Bevölkerung über Zugang zu<br />
Leitungswasser (Bild 3.1). Der überwiegende Teil des in China benötigten Trinkwassers<br />
wird in „Einzel“-Wasserversorgungen in ländlichen Gebieten gewonnen. Etwa<br />
60 % des Trinkwassers wird durch die Verbraucher selbst gefasst.<br />
Formen der Wasserversorgung in China<br />
Gemeinschaftliche<br />
Wasserversorgung<br />
20,8 %<br />
„Einzel“-<br />
Wasserversorgung<br />
79,2 %<br />
Vollständig<br />
aufbereitetes<br />
Leitungswasser<br />
9,6 %<br />
Teilweise<br />
aufbereitetes /<br />
unbehandeltes<br />
Leitungswasser<br />
11,2 %<br />
Wasserförderung<br />
durch<br />
Maschinen<br />
17 %<br />
Wasserhebung<br />
durch<br />
Menschen<br />
62,2 %<br />
Elektrisch<br />
3,5 %<br />
Manuell<br />
13,5 %<br />
Bild 3.1:<br />
Formen der Wasserversorgung in China und prozentualer Anteil der<br />
betroffenen Bevölkerung [2]<br />
3.2 Klima<br />
Auf Grund der geographischen Ausdehnung und der ungleichen Topographie der<br />
Volksrepublik China sind die unterschiedlichsten Landschaften und Klimazonen vertreten.<br />
Beispielsweise hat der nördliche Teil der Provinz Heilongjiang im Nordosten<br />
Chinas keinen Sommer. Hingegen hat die Insel Hainan einen langen Sommer aber
Praxiserfahrungen in anderen Ländern - China 35<br />
keinen Winter. Tabelle 3.2 gibt einen Überblick über die mittleren Temperaturen im<br />
Januar und Juli von einigen Großstädten in China.<br />
Tabelle 3.2: Auswahl verschiedener Temperaturbereiche in China [3]<br />
Stadt<br />
Höhe ü. NN Temperatur Temperatur<br />
in m<br />
Januar in °C Juli in °C<br />
Harbin 143 -17 +24<br />
Beijing 55 -3 +27<br />
Shanghai 4 +5 +28<br />
Hong-Kong 24 +17 +29<br />
Der jährliche Niederschlag variiert von Region zu Region. Entlang der Südostküste<br />
fallen ca. 1.500 mm/a Regen während im Nordwesten Chinas weniger als 50 mm/a<br />
Niederschläge auftreten. In den dicht besiedelten Gebieten des Nordwestens<br />
herrscht daher Wassermangel, während im Südosten viel Wasser vorhanden ist,<br />
allerdings jahreszeitlich extrem unterschiedlich und meist sehr schwankender Güte<br />
(Flüsse, Hochwasser, Unwetter usw.).<br />
3.3 Struktur der Wassergewinnung, -aufbereitung und -verteilung<br />
Die öffentliche Wasserversorgung ist in der Regel staatlich, d.h. städtisch bzw.<br />
kommunal. Darüber hinaus gibt es Wasserwerke, die als Joint-Venture von chinesischen<br />
und ausländischen Partnern betrieben werden, wie beispielsweise ein Wasserwerk<br />
in Xian (Berlinwasser) und in Shanghai (Vivendi). China ist stark an Joint-<br />
Ventures interessiert, wobei neben den bevorzugten reinen Finanzbeteiligungen<br />
auch Betriebsführungsmodelle in Frage kommen, da hierbei das dringend notwendige<br />
Know-How erworben werden kann. Von dieser Art der betrieblichen Kooperation<br />
verspricht man sich auch einen gewissen Wettbewerb, der die vorhandenen Strukturen<br />
aufbricht (Benchmark).<br />
Die Wasserversorgung in den Kerngebieten der großen Städte fällt in die Zuständigkeit<br />
des Bauministeriums. Für die kleinen Gemeinden und den ländlichen Raum ist<br />
das Gesundheitsministerium und das Wasserbauministerium zuständig.<br />
3.4 Wasserverbrauch<br />
Die Wasserressourcen sind in China regional ungleichmäßig verteilt. Im Norden des<br />
Landes herrscht Wassermangel. 400 von 669 großen Städten sind vom Wassermangel<br />
betroffen, der zur Unterbrechung der Versorgung führen kann. Im Süden des<br />
Landes herrscht hingegen Wasserüberschuss [3].
36<br />
Der Yangtse, dessen Einzugsgebiet sowie dessen südliche Zuflüsse repräsentieren<br />
etwa 80 % der Oberflächenwässer, obwohl das kultivierbare Land in diesen Gebieten<br />
nur ca. 40 % der gesamten nutzbaren Fläche entspricht. Die Wiederverwendung<br />
von Wasser liegt für das gesamte Land bei durchschnittlich 40 %. In bestimmten<br />
Regionen wie beispielsweise Beijing und Tianjin liegt die Wiederverwendungsrate bei<br />
87 % [4].<br />
In den Regionen mit Wassermangel leben etwa 47 Mio. Menschen, denen weniger<br />
als 10-15 L/d zur Verfügung stehen. Bei den Wassermangelgebieten handelt es sich<br />
neben den ariden und semiariden Gebieten um Bergregionen und Lößplateaus. In<br />
den Städten Shanghai und Beijing liegt der Wasserverbrauch eines Einwohners bei<br />
69 bzw. 93 L/d [2]. Andere Quellen gehen, bezogen auf das gesamte Land, von einem<br />
Wasserverbrauch von 227 L/d in Städten und 89 L/d in ländlichen Gebieten aus<br />
[4]. Darüber hinaus sind Angaben zu finden, die den Wasserverbrauch pro Einwohner<br />
mit 100 L/d bis 600 L/d beziffern [1]. Diese sehr hohen Zahlen beinhalten wohl<br />
einen hohen Verbrauch der Industrie. In den industriellen Ballungsgebieten wird von<br />
hohen Verbrauchszahlen und starker Industrieabwasserbelastung berichtet.<br />
4 Wasserbeschaffenheit<br />
In China verschlechtert sich die Rohwasserqualität wegen der raschen industriellen<br />
Entwicklung, die noch wenig Rücksicht auf Gewässerschutz nimmt, ständig, Dadurch<br />
wird die Situation für die Trinkwasseraufbereitung zunehmend problematischer. Im<br />
Einzugsbereich der großen Städte, insbesondere am Jangtse, ist die Qualität der<br />
Oberflächenwässer besonders schlecht [1]. Wie die folgenden Ausführungen noch<br />
zeigen, kann die Verschlechterung nicht nur auf organische Spurenstoffe zurückgeführt<br />
werden. Ungeklärte Abwässer aus allen Bereichen verschärfen die Situation.<br />
Daten zur Trinkwasserbeschaffenheit in Hinblick auf physikalisch-chemische sowie<br />
mikrobiologische Parameter wurden durch chinesische Behörden in den Jahren<br />
1983 bis 1985 landesweit erhoben. In die Erhebung gingen ca. 2 Millionen Daten von<br />
28.800 Probenahmestellen ein [2]. Auf Grund der geringen Anzahl von Aufbereitungsanlagen<br />
in China entspricht die ermittelte Trinkwasserbeschaffenheit meist<br />
auch der Rohwasserbeschaffenheit.<br />
Tabelle 4.1 enthält eine Zusammenstellung der untersuchten Parameter und ihre<br />
Schwankungsbreite, wie sie im Rahmen der oben genannten Datenerhebung erhalten<br />
wurden. Die Analysendaten wurden der Rohwasserherkunft zugeordnet und als<br />
50 bzw. 90 Perzentile angegeben. Die gemessenen Maximalwerte, und darauf muss<br />
man sich bei der Planung einer Trinkwasseraufbereitung beziehen, liegen erfahrungsgemäß<br />
deutlich über den genannten 90 Perzentilwerten. Die oberste Zeile gibt<br />
jeweils die in der Trockenzeit ermittelten Werte an, während die untere Zeile die in<br />
der Regenzeit analysierten Daten enthält.
Praxiserfahrungen in anderen Ländern - China 37<br />
Tabelle 4.1: Beschaffenheit von Trinkwässern in Abhängigkeit ihrer Herkunft als 50<br />
bzw. 90 Perzentil, Werte der oberen Zeile: Messungen zur Trockenzeit,<br />
untere Zeile: Regenzeit [2]<br />
Farbe<br />
„units“ [2]<br />
Trübung<br />
NTU<br />
Oberflächenwasser Flachbrunnen Tiefbrunnen/Quellen<br />
P 50 P 90 P 50 P 90 P 50 P 90<br />
3-26<br />
3-15<br />
2-9<br />
2-30<br />
pH 6,6-8,3<br />
6,9-8,3<br />
Eisen<br />
mg/L<br />
Mangan<br />
mg/L<br />
CaCO 3<br />
mg/L<br />
Chlorid<br />
mg/L<br />
Sulfat<br />
mg/L<br />
NO 3 -N<br />
mg/L<br />
Arsen<br />
mg/L<br />
Fluorid<br />
mg/L<br />
0,1-0,6<br />
0,1-0,8<br />
0,05-0,21<br />
0,08-0,08<br />
23-243<br />
15-307<br />
8,2-63<br />
8,0-66<br />
10-197<br />
10-66<br />
0,8-2,3<br />
0,8-1,5<br />
0,01<br />
0,01-0,02<br />
0,1-0,6<br />
0,1-0,9<br />
3-60<br />
3-60<br />
8-160<br />
10-160<br />
7,9-8,9<br />
7,8-9,4<br />
0,7-4,5<br />
0,4-4,7<br />
0,3-2,8<br />
0,07-2,7<br />
138-995<br />
58-990<br />
15-705<br />
15-638<br />
17-1188<br />
17-580<br />
1,5-29<br />
1,5-11<br />
0,01-0,05<br />
0,01-0,04<br />
0,2-1,2<br />
0,2-1,1<br />
3-5<br />
3-6<br />
2-6<br />
2-9<br />
6,6-8,0<br />
6,5-8,0<br />
0,1-0,5<br />
0,1-0,4<br />
0,05-0,21<br />
0,04-0,16<br />
49-590<br />
65-660<br />
11-186<br />
13-138<br />
13-193<br />
12-126<br />
1,2-5,6<br />
1,1-6,4<br />
0,01<br />
0,01-0,02<br />
0,1-0,7<br />
0,1-0,7<br />
5-45<br />
10-35<br />
10-160<br />
10-160<br />
7,7-8,6<br />
7,5-8,6<br />
0,6-0,8<br />
0,5-2,9<br />
0,3-2,1<br />
0,06-1,8<br />
230-996<br />
256-997<br />
40-683<br />
38-755<br />
61-949<br />
59-1099<br />
4,4-40<br />
5,9-46<br />
0,01-0,03<br />
0,01-0,03<br />
0,2-4<br />
0,2-3,9<br />
3-10<br />
3-7<br />
2-5<br />
2-5<br />
6,7-7,9<br />
6,7-7,9<br />
0,1-0,8<br />
0,1-0,6<br />
0,05-0,17<br />
0,05-0,13<br />
21-381<br />
17-492<br />
8,7-91<br />
8,4-128<br />
10-147<br />
10-137<br />
0,3-3,3<br />
0,8-3,1<br />
0,01<br />
0,01-0,02<br />
0,1-2,2<br />
0,1-2,3<br />
5-30<br />
6-35<br />
4-100<br />
4-79<br />
7,9-8,0<br />
7,5-9,0<br />
0,4-6,4<br />
0,4-4,0<br />
0,07-1,5<br />
0,06-1,3<br />
193-931<br />
200-995<br />
25-653<br />
10-1073<br />
17-863<br />
17-758<br />
1,5-30<br />
1,4-28<br />
0,01-0,02<br />
0,01-0,03<br />
0,2-4,7<br />
0,2-4,9<br />
Aus Tabelle 4.1 geht hervor, dass in den Oberflächenwässern zeitweise erhebliche<br />
Trübstoffgehalte mit 160 Trübungseinheiten (90 Perzentil) vorliegen. Der pH-Wert<br />
der Rohwässer liegt oft zwischen 6,6 und 9,4. In den aus Oberflächenwasser gewonnenen<br />
Trinkwässern wurden teilweise erhebliche Mangangehalte (90 Perzentil:<br />
2,8 mg/L) beobachtet. In Hinblick auf den Gehalt Calcit können nicht nur die Grundwässer<br />
sondern ebenso die Oberflächenwässer Werte > 900 mg/L CaCO 3 aufweisen.<br />
Teilweise treten erhebliche Salzgehalte in Trinkwässern auf, wie aus den<br />
90 Perzentilwerten für Chlorid (638-1.073 mg/L) und Sulfat (580-1188 mg/L) hervorgeht.<br />
Während die 90 Perzentilwerte der Grundwässer für Sulfat in der Trocken- und<br />
Regenzeit vergleichbar sind, wird bei den Oberflächenwässern insbesondere in der<br />
Regenzeit eine wesentlich geringere Sulfatkonzentration im Vergleich zur Trockenzeit<br />
beobachtet. Die nicht unerheblichen Nitrat-Stickstoffgehalte weisen auf eine<br />
anthropogene Beeinflussung hin. Die 90 Perzentilwerte für Eisen- bzw. Mangan<br />
übersteigen zeitweise 4 bzw. 2 mg/L.
38<br />
Unter den hier betrachteten physikalisch-chemischen Parametern werden neben den<br />
erhöhten Eisen- und Mangangehalten im Wesentlichen die regional erhöhten Arsenund<br />
Fluoridgehalte als problematisch eingeschätzt. Beispielsweise können die 90<br />
Perzentile für Arsen bis 0,05 mg/L betragen. Für die 90 Perzentile für Fluorid im<br />
Grundwasser wurden bis zu 4,9 mg/L ermittelt.<br />
Die oben aufgeführten Zahlenwerte aus der Datenerhebung [2] stimmen mit den Erfahrungen<br />
des chinesischen Gesundheitsministeriums überein, die während des<br />
Aufenthaltes in der Volksrepublik China durch die zuständigen Behörden mitgeteilt<br />
wurden. Demnach wird seitens des chinesischen Gesundheitsministeriums im Bereich<br />
der anorganischen Wasserinhaltsstoffe das Hauptproblem bei Fluorid, Arsen,<br />
Eisen und Mangan gesehen. Nitrat wird in der Regel nicht als Problem eingestuft,<br />
wobei jedoch zu beachten ist, dass besonders in den nördlichen Landesteilen die<br />
Konzentrationen ansteigen. Im Bereich der organischen Wasserinhaltsstoffe wird<br />
vom zuständigen Ministerium von Problemen durch den Einsatz von Pestiziden berichtet,<br />
wobei insbesondere die südlichen Landesteile betroffen sein sollen. Konkrete<br />
Messwerte dazu liegen jedoch nicht vor.<br />
Gravierender wird seitens der zuständigen Behörden die Algenproblematik (Algenmetabolite,<br />
Algentoxine, Geruch, Geschmack) bewertet. Den natürlichen organischen<br />
Wasserinhaltsstoffen wird aufgrund der dadurch bedingten Haloformbildung<br />
bzw. Chlorzehrung in der Regel mehr Bedeutung zugemessen als einzelnen Spurenstoffen.<br />
Endokrine Stoffe, Pharmaka usw. werden wegen des relativ niedrigen<br />
Einsatzes (Sozialentwicklung) als noch unbedeutend dargestellt. Sie wird deshalb als<br />
das größte Gefährdungspotential angesehen.<br />
Nach Aussagen des Ministeriums für Gesundheit werden in 35 bis 40 % der Fälle die<br />
Güteanforderungen ohnehin überschritten. Dies ist weniger in den Großstädten der<br />
Fall als vielmehr im ländlichen Raum. Die Problematik Cryptosporidien und Giardien<br />
war an keiner der besuchten Stellen bekannt.<br />
Besonders problematisch ist in China die mikrobiologische Wasserbeschaffenheit.<br />
Etwa 60 % der ländlichen Bevölkerung muss sich mit Trinkwasser versorgen, in dem<br />
der Grenzwert für coliforme Bakterien überschritten wird. Bei der gemeinschaftlichen<br />
Wasserversorgung erhalten etwa 20 % Bevölkerung Trinkwasser, das hinsichtlich<br />
des Gehaltes an coliformen Bakterien nicht dem chinesischen Trinkwasserstandard<br />
entspricht [2].<br />
Nach dem vorliegenden Datenmaterial liegen besonders typische Probleme in der<br />
chinesischen Trinkwasserbeschaffenheit bei regional erhöhten Fluoridgehalten sowie<br />
nahezu flächendeckend bei einer unzureichenden mikrobiologischen Trinkwasserbeschaffenheit.<br />
Tabelle 4.2 zeigt, dass nur etwa 10 % der chinesischen Bevölkerung Trinkwasser der<br />
Güteklasse I erhält. Davon erfüllt vergleichsweise häufig aufbereitetes Leitungswas-
Praxiserfahrungen in anderen Ländern - China 39<br />
ser die geforderten Kriterien, während das manuell, beispielsweise durch Wassereimer,<br />
gehobene Wasser in der Regel den Anforderungen an Güteklasse I nicht entspricht.<br />
Etwa 70 % der chinesischen Bevölkerung müssen Trinkwasser der Güteklasse<br />
III verwenden. Dabei handelt es sich meist um manuell gehobenes Wasser.<br />
Durch Trinkwasser übertragene Krankheiten werden in der chinesischen Statistik<br />
unterteilt in endemisch und infektiös.<br />
Unter endemischen, d.h. in bestimmten Gebieten ständig auftretenden, Krankheiten<br />
werden u.a. Fluorose (fluorosis), Kropfbildung (goiter), Kretinismus (cretinism) sowie<br />
die Kaschin-Beck-Krankheit (kaschin-beck disease) gezählt. Die Daten werden offen<br />
und emotionslos in einem Gesundheits- bzw. Krankheitsatlas, der die regionale Verteilung<br />
wasserbürtiger Krankheiten beinhaltet, dargestellt [2].<br />
Tabelle 4.2: Versorgungsgrad der Bevölkerung mit Trinkwasser unterschiedlicher<br />
Güte [2]<br />
Wasser der Güteklasse<br />
I II III<br />
Gemeinschaftliche Wasserversorgung<br />
Vollständig aufbereitetes<br />
Leitungswasser<br />
40 40 20<br />
Teilweise aufbereitetes<br />
Leitungswasser<br />
21 32 47<br />
Einzelwasserversorgung<br />
Elektrisch gepumptes Wasser 16 30 54<br />
Manuell gepumptes Wasser 8 27 65<br />
Manuell gehobenes Wasser 3 13 85<br />
Gesamt<br />
10 20 70<br />
Tabelle 4.3 zeigt die Ergebnisse einer Datenerhebung in Hinblick auf durch Trinkwasser<br />
übertragene endemische Krankheiten, hochgerechnet auf die erkrankten<br />
Personen in der gesamten Volksrepublik. Beispielsweise wurden Daten zur Zahn-<br />
Fluorose an 41,4 Mio. Menschen erhoben. Eine Hochrechnung auf die gesamte Bevölkerung<br />
Chinas zeigt, dass von dieser Krankheit ca. 37,5 Mio. Menschen betroffen<br />
sind. Nach Angaben des Ministeriums für Gesundheit wurde im persönlichen Gespräch<br />
erklärt, dass sogar bis zu 70 Mio. Chinesen durch erhöhte Fluoridgehalte in<br />
ihrer Gesundheit gefährdet sind. Das Arsenproblem ist betrachtet auf die Anzahl der<br />
betroffenen Personen geringer, jedoch sind auch in einzelnen Regionen über eine<br />
Million Menschen betroffen.
40<br />
Tabelle 4.3: Durch Trinkwasser verursachte endemische Krankheiten [2]<br />
Hochrechnung<br />
erkrankte Bevölkerung<br />
in China<br />
in Mio. Personen<br />
Anzahl der Umfrage<br />
zugrunde<br />
liegenden Personen<br />
in Mio. Personen<br />
Zahn-Fluorose 37,5<br />
Skelett-Fluorose 1,7<br />
41,4<br />
Kropfbildung 19,8 214<br />
Kretinismus 0,24 129<br />
Kaschin-Beck-Krankheit 2,5 28<br />
Zu den durch Wasser übertragenen Infektionskrankheiten zählen Typhus, bakterielle<br />
Ruhr und Hepatitis. Tabelle 4.4 zeigt die Häufigkeit des Auftretens dieser Krankheiten<br />
für einen Zeitraum von ca. 25 Jahren.<br />
Tabelle 4.4: Durch Trinkwasser übertragene Infektionskrankheiten [2]<br />
Krankheit Zeitraum Anzahl Anzahl der Fälle<br />
Bakterielle Ruhr 1959 - 1983 157 50.934<br />
Typhus 1959 - 1984 141 9.548<br />
Hepatitis 1958 - 1984 353 45.535<br />
Durch das TZW wurden Stichproben von Roh-, Rein- und Leitungswasser von verschiedenen<br />
Wasserwerken untersucht. Die Analysenergebnisse sind in den Anlagen<br />
1 und 2 enthalten. Die Rohwässer wiesen eine geringe Mineralisierung (Calcium<br />
< 40 mg/L, Magnesium und Natrium < 10 mg/L) auf (Anlage 1). Teilweise waren in<br />
den Rohwässern erhöhte Eisen- und Mangangehalte (z.B. Foshan 4,2 mg/L Fe,<br />
0,2 mg/L Mn) nachweisbar. Eine Beprobung auf weitere Elemente erbrachte jedoch<br />
keine Auffälligkeiten.<br />
Die TOC-Gehalte der Rohwässer lagen zwischen 2 und 6 mg/L (Anlage 2). Die<br />
Trinkwässer wiesen erwartungsgemäß wie auch das Rohwasser eine geringe Mineralisierung<br />
auf. Eisen- und Manganionen wurden durch die Aufbereitung entfernt und<br />
waren daher in den Rein- und Leitungswässern in der Regel in Konzentrationen im<br />
Bereich der Bestimmungsgrenze nachweisbar. Die TOC-Gehalte der Reinwasserproben<br />
lagen oft etwa 10-20 % unter den Rohwasserkonzentrationen. Dies ist ein<br />
Hauptgrund für die hohe Chlorzehrung und die zwar bekannte aber wenig beachtete<br />
Haloformbildung. Diese wird in größeren Werken durch den Zusatz von Ammonium<br />
(Chloraminverfahren) unterdrückt.
Praxiserfahrungen in anderen Ländern - China 41<br />
5 Aufbereitung<br />
Etwa 9 % der chinesischen Bevölkerung hat Zugang zu vollständig aufbereitetem<br />
Leitungswasser. Dieses wird in den südlichen Gebieten Chinas insbesondere aus<br />
Oberflächenwässern gewonnen. Unter vollständiger Aufbereitung wird meist die Abfolge<br />
Flockung, Sedimentation, Filtration und Chlorung verstanden. Das teilweise<br />
aufbereitete Leitungswasser, das etwa 11 % der Bevölkerung erhalten, wird nur<br />
durch einen Teil der vorstehend genannten Verfahren behandelt, wobei auch Verfahren<br />
zur Entfernung von Eisen, Mangan oder Fluorid eingesetzt werden. Wasserwerke,<br />
die Tiefengrundwasser benutzen unterziehen das Wasser oft nur einer Chlorung<br />
und sofern erforderlich einer Eisen, Mangan und Fluoridentfernung.<br />
Wasseraufbereitung in China<br />
Vollständig<br />
aufbereitetes<br />
Leitungswasser<br />
9,6 %<br />
Teilweise<br />
aufbereitetes /<br />
unbehandeltes<br />
Leitungswasser<br />
11,2 %<br />
Oberflächenwasser:<br />
- Sedimentation<br />
- Flockung<br />
- Filtration<br />
- Chlorung<br />
Grundwasser:<br />
- Enteisenung<br />
- Entmanganung<br />
- Fluoridentfernung<br />
Sandfiltration<br />
1,3 %<br />
Chlorung<br />
1,8 %<br />
andere<br />
Verfahren<br />
1,7 %<br />
unbehandelt<br />
6,5 %<br />
Bild 5.1:<br />
Wasseraufbereitungsverfahren in China und Anteil der versorgten Bevölkerung<br />
[2]<br />
Im Folgenden werden nur Wasserwerke betrachtet, die zu den Anlagen zählen, mit<br />
denen 9 % der Bevölkerung versorgt werden. Von diesen Anlagen wiederum gibt es<br />
wenige Modellvorhaben, die mit moderner Aufbereitungs- und Analysentechnik ausgestattet<br />
und betrieben werden. Diese Modellvorhaben entstanden u.a. in Kooperationen<br />
mit dem Ausland. Das in Xian besuchte Wasserwerk Xian-Süd wurde beispielsweise<br />
von Berlinwasser International GmbH gebaut und betrieben. Besuchern<br />
aus dem Ausland werden von chinesischer Seite gerne solche Modellprojekte vorgestellt.<br />
Es wird daher an dieser Stelle darauf hingewiesen, dass die nachfolgend aufgeführten<br />
Wasseraufbereitungsverfahren nur einem geringen Teil der Bevölkerung<br />
zur Verfügung stehen.<br />
In China erfolgt prinzipiell die Aufbereitung von Oberflächenwasser nach der altbekannten<br />
klassischen Methode Flockung, Sedimentation, Filtration und Desinfektion<br />
(Bild 5.1 bis 5.6).
42<br />
Bild 5.1: Rohwasserentnahmestelle auf Schiffen im ältesten Wasserwerk der Stadt<br />
Wuhan<br />
Bild 5.2: Einlaufbauwerk mit Flockungsmitteldosierung im Wasserwerk Nr. 1 der<br />
Stadt Kunming
Praxiserfahrungen in anderen Ländern - China 43<br />
Bild 5.3: Fließstrecke zur Flockenausbildung im ältesten Wasserwerk der Stadt<br />
Wuhan<br />
Bild 5.4: Sedimentationsbecken in Beijing, WW Nr. 9
44<br />
Bild 5.5: offene Schnellfilter im Wasserwerk Xian-Süd<br />
Bild 5.6: Chlormessung im neuen Wasserwerk der Stadt Wuhan mit Geräten der<br />
Firma Wallace & Tiernan
Praxiserfahrungen in anderen Ländern - China 45<br />
An mehreren Stellen der Aufbereitung wird sehr viel Chlor und oft auch Ammonium<br />
zudosiert. Die mittlere Chlordosierung liegt in der Regel über 10 mg/L. Neben den<br />
klassischen Aufbereitungsanlagen gibt es im Rahmen von Forschungsvorhaben und<br />
Auslandshilfen errichtete Wasserwerke, die über den neuesten Stand der Technik<br />
verfügen. Eingesetzt werden hierbei: Flotation, Ozonung, die Adsorption an Aktivkohle<br />
und Membrantechnologien. Trotzdem wird z.B. in Kunming derzeit ein neues großes<br />
Wasserwerk geplant, das lediglich die klassische Aufbereitungstechnologie beinhaltet.<br />
Die gleiche Stadt betreibt bereits zur vollsten Zufriedenheit ein Wasserwerk<br />
mit Flotation, Ozonung und Aktivkohle. Warum diese Technik im neuen Wasserwerk<br />
nicht mehr eingesetzt wird, wurde mit reinen Kostengründen erklärt, wobei auch auf<br />
die Verschlechterung der Wasserqualität bei der Verteilung hingewiesen wurde.<br />
Als Flockungsmittel werden in China Eisen(III)- oder Aluminiumsalze eingesetzt, wobei<br />
auch die Aluminiumlösungen im Wasserwerk hergestellt werden. Zur Schnellfiltration<br />
kommen meist Einschichtfilter mit einer Schütthöhe von ca. 1 m zum Einsatz.<br />
In keinem der besuchten Wasserwerke wurde Erstfiltrat abgeschlagen. Die Desinfektion<br />
erfolgte in den besichtigten Anlagen meist mit Chlorgas. Schlammbehandlungen<br />
sind praktisch nicht vorhanden. Die Rückspülung erfolgt in der Regel direkt in den<br />
Vorfluter, obwohl unterhalb weitere Wasserwerke liegen. In Xian-Süd ist jedoch bereits<br />
eine Schlammbehandlung im Bau und viele solcher Anlagen befinden sich in<br />
der Vorplanung. Hier ist ein weiteres Betätigungsfeld für Planer und Anlagenbauer.<br />
Eine Kurzbeschreibung der aufgesuchten Wasserwerke ist in Anlage 3 enthalten.<br />
Eine Beschreibung zugehörigen Fotodokumentation vermittelt Anlage 4.<br />
6 Verteilung<br />
Das Alter der Netze beträgt in den Kerngebieten der großen Städte, in denen 16%<br />
der Einwohner leben, bis zu 100 Jahre und ist oftmals trotz des schnellen Wachstums<br />
in manchen Gebieten veraltet und sanierungsbedürftig. In den Gemeinden und<br />
Dörfern des ländlichen Raumes, die von 84% der Bevölkerung bewohnt werden haben<br />
die Leitungen ein Alter von 15 Jahren und jünger. Für die Rohrnetze werden folgende<br />
Materialien angewendet: Grauguss, Duktilguss, Beton und Stahl für alte Netze<br />
sowie Duktilguss, Stahl, PVC, PE in den neuen Netzen. Hausanschlussleitungen<br />
sind in den Großstädten aus verzinktem Stahlrohr, in jüngster Zeit auch aus PE.<br />
Meist werden die Rohrleitungen in China hergestellt (Bild 6.1).<br />
Der geforderte Mindestdruck beträgt 16 mWS. Der Einspeisedruck liegt in der Regel<br />
bei 35 bis 45 mWS. Auf Grund der erheblichen Druckschwankungen, die aus verschiedenen<br />
Entnahmemengen resultieren, können Hauswasserspeicher, die in den<br />
Dächern angeordnet sind, oft nur in den Nachtstunden gefüllt werden.
46<br />
Bild 6.1: Transportleitungen: Stahl, zementmörtelausgekleidet, in China hergestellt<br />
Absperrarmaturen sind in den Netzen der innerstädtischen Wasserversorgungen oft<br />
nur in geringer Anzahl vorhanden. Dies führt zu Problemen im Betrieb, da bei Reparaturen<br />
großen Bereiche abgesperrt werden müssen.<br />
Wasserverbrauchszähler sind im ländlichen Raum kaum vorhanden. In den Kerngebieten<br />
der Städte verfügt in der Regel jeder Verbraucher über einen eigenen Wasserzähler.<br />
Die Wasserverluste liegen zwischen 15 und 20 % [4] bzw. 10% und 30% [1]. Diese<br />
Zahlen werden, wie persönliche Diskussionen zeigten, als zu optimistisch bewertet.<br />
Nach Literaturangaben [1] liegt die Schadenshäufigkeit im Rohrnetz bei:<br />
- Versorgungsleitungen: 2 bis 4 mal höher als in Deutschland (≈ 30/100 km)<br />
- Hausanschlüsse: 4 bis 6 mal höher als in Deutschland (≈ 25/1000 HA)<br />
- Armaturen: 6 bis 8 mal höher als in Deutschland (≈ 80/1000 Armaturen)<br />
Beide chinesischen Trinkwasserverordnungen schreiben vor, dass ein Restchlorgehalt<br />
von wenigstens 0,3 mg/L nach 30 Minuten bzw. wenigstens 0,05 mg/L am<br />
Ende des Rohrnetzes einzuhalten ist.
Praxiserfahrungen in anderen Ländern - China 47<br />
Bei Einspeisung des Trinkwassers in das Verteilungsnetz entspricht die Qualität in<br />
der Regel den Anforderungen der chinesischen Standards. Durch Undichtigkeiten,<br />
Leckagen und Totzonen bzw. Wiederverkeimung tritt in der Regel eine Verschlechterung<br />
der Trinkwasserbeschaffenheit ein.<br />
Hygienisch bedenklich sind auch die Hauswasserspeicher. In den Großstädten, insbesondere<br />
in der Provinz Guang Dong, aber auch in Beijing und Shanghai wird daher<br />
in verschiedenen Gebäuden, wie beispielsweise Hotels mit internationalem<br />
Standard, das Wasser in Hauswasseraufbereitungsanlagen behandelt. Dabei kommen<br />
modernste Verfahren wie beispielsweise die Membranfiltration zum Einsatz.<br />
7 Kosten<br />
Einige große Wasserwerke haben bereits erreicht, dass sich ihr Betrieb durch Einnahmen<br />
selbst trägt. Der gesamte ländliche Raum ist auf Zuwendungen vom Staat<br />
angewiesen. Die Wasserversorger haben in der Regel keine Transparenz in ihrer<br />
Aufbau- und Ablauforganisation. Eine Instandhaltungsplanung existiert nicht oder ist<br />
nicht in die Neubauplanung integriert. Die Bestandspläne sind oft unvollständig.<br />
Die Belegschaft ist mindestens doppelt so hoch wie in Wasserversorgungsunternehmen<br />
vergleichbarer Größe in Europa.<br />
Wasserzähler werden monatlich abgelesen, wobei in einigen Städten auch die Möglichkeit<br />
besteht, dass dies durch die Verbraucher erledigt wird. Die entsprechenden<br />
Beträge werden auch regelmäßig gezahlt. Auf Grund der hohen Personalkosten<br />
durch monatliche Ablesungen soll eine jährliche Ablesung mit Abschlagszahlung erfolgen.<br />
Die Wasserpreise pro m³ liegen zwischen 0,1 Yuan (0,012 Euro) im ländlichen Raum<br />
und 2 Yuan (0,25 Euro) in großen Städten. Wasserwerke sowie private Unternehmen<br />
verkaufen an die Bevölkerung Trinkwasser in Vorratsbehältern. Dabei handelt<br />
es sich beispielsweise um Plastikbehälter mit 18,9 L Inhalt, wobei die Preise regional<br />
unterschiedlich sind (Bild 7.1).<br />
In Beijing kosten diese Behälter etwa 10 – 12 Yuan. Dies entspricht einem Trinkwasserpreis<br />
von 580 Yuan/m³. Über die öffentliche Trinkwasserversorgung zahlt der<br />
Verbraucher in Beijing einen Preis von 1,56 Yuan/m³ [1]. Das Trinkwasser aus Behältern<br />
ist somit in Beijing etwa um 37.000 % teurer als Leitungswasser. Zum Vergleich<br />
beträgt das Gehalt eines qualifizierten Arbeiters in einem Wasserwerk in Beijing<br />
etwa 2.000 Yuan (250 Euro) monatlich.
48<br />
Bild 7.1: Verkauf von Trinkwasser in Behältern im Wasserwerk Wuhan<br />
8 Zusammenfassung und Folgerungen<br />
China ist mit 1,25 Mrd. Einwohnern das bevölkerungsreichste Land der Erde. Ungeachtet<br />
der großen flächenhaften Ausdehnung des Landes ist immer zu beachten,<br />
dass die besiedelten Gebiete, ausgenommen Berg-, Steppen- und Wüstenregionen<br />
im Westen bzw. Nordwesten, eine sehr hohe Bevölkerungsdichte aufweisen. Dies<br />
gilt sowohl für den städtischen als auch für den ländlichen Raum. Damit werden an<br />
Ver- und Entsorgung ganz besondere Anforderungen gestellt.<br />
Die hohe Bevölkerungsanzahl sowie die geographische Ausdehnung des Landes<br />
erschweren es zusätzlich, für dieses unterschiedlich strukturierte Land verallgemeinerbare<br />
Aussagen zusammenzustellen. Auf Basis der Datenerhebungen in China sowie<br />
in Gesprächen mit einschlägigen Experten aus China und Deutschland soll dennoch<br />
der Versuch unternommen werden, allgemeingültige Aussagen in Bezug auf<br />
die Zielstellung des Forschungsvorhabens abzuleiten.<br />
Bei der Rohwasserbeschaffenheit liegen in Bezug auf anorganische Parameter lokal<br />
erhöhte Gehalte an Eisen, Mangan Arsen und Fluorid vor. Gerade in Hinblick auf<br />
eine Verringerung des Fluoridgehaltes würden verbesserte Aufbereitungstechniken<br />
begrüßt. Landesweit ist von einer fortschreitenden Gewässereutrophierung (Algentoxine)<br />
die Rede, so dass die Trinkwassergewinnung aus Binnenseen und Talsperren<br />
schwieriger wird. Neben Verbesserungen der entsprechenden Aufbereitungstechnologien<br />
gilt es, entsprechende Vermeidungsstrategien zu entwickeln. Die Fließgewässer<br />
weisen in der Regel und insbesondere während der häufigen Hochwasser-
Praxiserfahrungen in anderen Ländern - China 49<br />
ereignisse sowie in der Regenzeit hohe Trübstoffgehalte auf. Der optimierten Trübstoffentfernung<br />
kommt daher eine besondere Bedeutung zu. Geruchs- und Geschmacksprobleme<br />
sind weit verbreitet und werden durch die intensive Chlorung oft<br />
noch verstärkt. Landesweit stehen mikrobiologische Probleme und deren Beherrschung<br />
im Mittelpunkt des Interesses. Hohe Chlorzugaben und relativ hohe Chlormengen<br />
im Netz sollen die entsprechende Sicherheit geben.<br />
Organische Spurenstoffe spielen bei der Rohwasserqualität noch eine geringe Rolle.<br />
Am bedeutendsten sind wohl die regionalen Belastungen mit Pestiziden im Oberflächenwasser<br />
aber auch im Grundwasser. Wenig wird berichtet über eher „zivilisatorische<br />
Spurenstoffe“, d.h. über Rohwasserbelastungen durch Komplexbildner,<br />
Röntgenkontrastmittel, Kosmetika usw., was auf Grund der Gesellschaftsstruktur,<br />
des Lebensstandards und der Produktionsmengen wohl auch so sein muss. Von<br />
Bedeutung für die Wasseraufbereitung sind die oft sehr hohen Konzentrationen an<br />
natürlichen organischen Wasserinhaltsstoffen. Sie führen zu hohen Zehrungen bei<br />
der Desinfektion sowie auch zur Bildung von Oxidations- und Desinfektionsnebenprodukten.<br />
Der THM-Bildung kommt hierbei die größte Bedeutung zu, da selbst die<br />
in China im Vergleich zu Europa hohen THM-Grenzwerte nur aufgrund der Zugabe<br />
von Ammonium (Chloraminbildung) eingehalten werden.<br />
Zur Beurteilung der Trinkwasserqualität in China müssen neben den physikalischchemischen<br />
insbesondere die mikrobiologischen Aspekte beachtet werden. Nach<br />
wie vor kann auf die sensorischen Messgrößen wie Geruch, Geschmack und Färbung<br />
nicht verzichtet werden.<br />
In China besteht sicherlich Bedarf an deutscher Technologie. Darunter wird allerdings<br />
weniger der gesamte Bau von Wasseraufbereitungsanlagen verstanden, sondern<br />
viel mehr einzelne Bereiche, die den Einsatz hochwertiger Teile erfordern. Dies<br />
gilt beispielsweise für Absperr- und Regelarmaturen, Ausrüstungen, Dosieranlagen,<br />
Überwachungsgeräte usw. Selbstverständlich ist das Wissen und die Ingenieurerfahrung<br />
für die Gesamtplanung gefragt und gefordert. Auch für sehr moderne Aufbereitungstechnologien<br />
besteht hoher Bedarf, wobei letztere wohl eher zur Nachbehandlung<br />
(point of use) und zur dezentraleren Versorgung in Frage kommen. Für Großanlagen<br />
wird man wohl auch noch in naher Zukunft aus Kostengründen auf die klassische<br />
Aufbereitung zurückgreifen. In Mangel- und Sondergebieten (Tourismus, Ballungszentren<br />
usw.) wird man allerdings auch bei der zentralen Versorgung auf neueste<br />
Technologien nicht verzichten können.<br />
Betont und hervorgehoben wird allerorts der Wunsch nach Dialog, Aus- und Weiterbildung.<br />
In der Qualifikation und Schulung der Mitarbeiter wird ein hoher Nachholbedarf<br />
gesehen. Überall besteht der Wunsch nach Personalschulung, um auch den<br />
Betrieb und die Wartung zu verbessern. Jede, auch die rein technische Lieferung,<br />
muss in Zusammenhang mit Mitarbeiterschulungen stehen, wobei die Mitarbeiter<br />
bereits eine gute Grundausbildung haben. Kooperation, Erfahrungsaustausch und<br />
Information stehen ganz oben auf der Wunschliste.
50<br />
9 Literatur und Links<br />
[1] Ritter, K.; Guo, Q.: Wasserversorgung in China. Kurzbericht EITEP GmbH<br />
Hannover, Januar 2003. Als Anlage 5 beigefügt.<br />
[2] Jiuru, L. et al.: Drinking Water Atlas of China. Sponsored by Committee of<br />
Patriotic Health Campaign of China. Compiled by Cooperation Group of the<br />
Nationwide Survey on Drinking Water Quality and Water Borne Diseases, Institute<br />
of Geography, Chinese Academy of Sciences and State Planning<br />
Commission. China Cartographic Publishing House Beijing, 1990<br />
[3] <br />
[4] Zhang, K.; Wen, Z.; Xhang, X.: China‘s water environment at the beginning of<br />
the 21 st century: challenges and countermeasures. Wat. Sci. Technol.<br />
46(2002)11-12, 245-251<br />
10 Anlagen (auf CD beigefügt)<br />
- Anlage 1: Analysendaten zu den besuchten Wasserwerken (Metalle, physikalisch-chemische<br />
Parameter)<br />
- Anlage 2: Analysendaten zu den besuchten Wasserwerken (TOC)<br />
- Anlage 3: Kurzbeschreibungen der besuchten Wasserwerke (Steckbriefe)<br />
- Anlage 4: Kurzbeschreibung der Fotodokumentation<br />
- Anlage 5: Bericht über die Wasserversorgung in China. Kurzbericht EITEP GmbH<br />
(enthält chinesische Verordnungen)<br />
- Bilder zu den Wasserwerken
Indonesien
52<br />
1 Einleitung<br />
Der vorliegende Bericht fasst die Ergebnisse einer Datenerhebung zur Trinkwasserversorgung<br />
in Indonesien zusammen, die in der Zeit zwischen dem 12. und<br />
30.11.2002 durchgeführt wurde. Es erfolgten Besuche bei neun Wasserversorgungsunternehmen<br />
in zwei Provinzen der Hauptinsel Java sowie in zwei Provinzen<br />
Sumatras (Bild 1.1), wobei die Aufbereitungstechnik in verschiedenen Werken besichtigt<br />
und wesentliche Daten anhand von Gesprächen mit verantwortlichen Technikern<br />
erhoben wurden.<br />
Bild 1.1:<br />
Lage der aufgesuchten Wasserversorgungsunternehmen<br />
Tabelle 1.1: Allgemeine Daten zu den besichtigten Wasserwerken<br />
Wasserversorger Wasserwerk<br />
Rohwasser Aufbereitungsmenge,<br />
m³/d<br />
vorkommen<br />
Bogor - Stadt Dekeng Fluss 45.000<br />
Bogor - Stadt Cipaku Fluss 15.000<br />
Bogor - District Legong Fluss 35.000<br />
Tangerang Cikokol Fluss 90.000<br />
Yogyakarta Bedong Tiefbrunnen 15.000<br />
Sleman Nogotirto Tiefbrunnen 1.500<br />
Sleman Mlapi Tiefbrunnen 1.500<br />
Sleman Ngipiksari Quelle 15.000<br />
Bantul Nr. 7 Tiefbrunnen 1.500<br />
Padang Pangilun Fluss 40.000<br />
Bukittinggi „Neu“ Fluss 3.500<br />
Bukittinggi „große Quelle“ Quelle 4.000<br />
Pekanbaru Tampan Fluss 35.000
Praxiserfahrungen in anderen Ländern - Indonesien 53<br />
Diskussionen mit leitenden Mitarbeitern des indonesischen Wasserwerksverbandes<br />
PERPAMSI, der GTZ Indonesien und der Deutsch-Indonesischen Industrie- und<br />
Handelskammer in Jakarta erbrachten zusätzliche Informationen.<br />
Eine Übersicht über die Anlagengröße und die Rohwasserressource der aufgesuchten<br />
Wasserwerke gibt Tabelle 1.1.<br />
2 Gesetzliche Regelungen<br />
Im Jahre 2002 wurde in Indonesien eine neue Trinkwasserverordnung verabschiedet,<br />
die Grenzwerte für zahlreiche physikalisch-chemische und organo-chemische<br />
Parameter enthält. Zentrale Forderung ist, dass das verteilte Wasser frei von den<br />
Fäkalindikatoren E. coli und coliformen Bakterien sein muss. Dies soll durch einen<br />
Mindestgehalt an freiem Chlor von 0,2 mg/L im gesamten Netz sichergestellt werden.<br />
Wie aus einem Vergleich der chemisch-physikalischen Qualtätsparameter nach der<br />
indonesischen sowie der deutschen Trinkwasserverordnung in Tabelle 2.1 hervorgeht,<br />
sind mit Ausnahme von Ammonium, Nitrit und der Trübung in Indonesien ähnliche<br />
Werte festgelegt wie in Deutschland.<br />
Tabelle 2.1: Ausgewählte chemisch-physikalische Parameter der indonesischen und<br />
deutschen Trinkwasserverordnungen<br />
Parameter Indonesien Deutschland<br />
Arsen mg/L 0,01 0,01<br />
Fluorid mg/L 1,5 1,5<br />
Cyanid mg/L 0,07 0,05<br />
Ammonium mg/L 1,5 0,5<br />
Chlorid mg/L 250 250<br />
Nitrat mg/L 50 50<br />
Nitrit mg/L 3 0,5<br />
Aluminium mg/L 0,2 0,2<br />
Eisen mg/L 0,3 0,2<br />
Mangan mg/L 0,1 0,05<br />
Natrium mg/L 200 200<br />
pH - Wert - 6,5 – 8,5 6,5 – 9,5<br />
Trübung NTU 5,0 1,0<br />
Deutliche Unterschiede liegen jedoch bezüglich der organo-chemischen Parameter<br />
vor, da in Indonesien mit Ausnahme von Aldrin bzw. Dieldrin wesentlich höhere Werte<br />
für anthropogene Mikroverunreinigungen, z. T. im mg/L-Bereich, zugelassen sind<br />
als in Deutschland. Zu beachten ist weiterhin, dass die indonesische Trinkwasserverordnung<br />
für einige Substanzen Grenzwerte enthält, für die es in Deutschland keine<br />
gesetzlichen Regelungen gibt (z. B. Chlorbenzole, EDTA, Phtalate).
54<br />
In Indonesien existiert zwar eine umfassende Trinkwasserverordnung; die praktische<br />
Umsetzung der Qualitätsüberwachung ist jedoch nicht mit der Situation in Deutschland<br />
zu vergleichen. In den meisten Werken werden die gesetzlichen Vorgaben nicht<br />
eingehalten. Eine Überwachung auf spezielle Mikroverunreinigungen ist aufgrund<br />
fehlender Laborkapazitäten bzw. Analysengeräte kaum möglich. In einigen Werken<br />
wurde angegeben, dass bei 30 bis 70 % der mikrobiologisch untersuchten Netzproben<br />
coliforme Bakterien und z. T. auch E. coli im Trinkwasser enthalten sind. Auch<br />
Über- bzw. Unterschreitungen der Vorgaben in Hinblick auf die Trübung oder den<br />
pH-Wert sind üblich. Analysenergebnisse bezüglich anthropogener Mikroverunreinigungen<br />
lagen in keinem der besuchten Werke vor.<br />
Aufgrund der noch nicht vollständig umgesetzten Dezentralisierungsgesetze (vgl.<br />
Kapitel 3.2) besteht in vielen Fällen noch keine Klarheit, welche Behörden und Institutionen<br />
für die Überwachung der Trinkwasserbeschaffenheit zuständig sind.<br />
3 Allgemeine Angaben<br />
3.1 Rohwässer und wasserwirtschaftliche Situation<br />
Bei etwa 65 % des abgegebenen Trinkwassers handelt es sich um aufbereitetes<br />
Oberflächenwasser, zumeist aus Flüssen und Seen, zu einem geringeren Anteil<br />
auch aus Quellen. Die restlichen 35 % an Trinkwasser stammen aus Grundwasservorkommen,<br />
wobei es sich dabei meist um kleinere Gewinnungsanlagen handelt.<br />
Während das Quellwasser in vielen Fällen eine gute Beschaffenheit aufweist muss<br />
insbesondere in den dichter besiedelten Regionen, z. B. in Java, auf Flusswasser mit<br />
einer schlechten Beschaffenheit zurückgegriffen werden. Grundwasser stammt zum<br />
Zeil aus relativ flachen Brunnen. Insbesondere im Bereich von Siedlungsgebieten<br />
muss deshalb mit Belastungen des darin gewonnenen Wassers gerechnet werden.<br />
Eine geregelte Abfall- und Abwasserentsorgung existiert sowohl im kommunalen als<br />
auch im industriellen Bereich praktisch nicht. Dementsprechend sind die Flüsse zum<br />
Teil hoch verschmutzt. In einigen der im Rahmen des Vorhabens aufgesuchten<br />
Flusswasserwerke lagen im Bereich der Rohwasserentnahmestelle bzw. der Grobrechenanlage<br />
größere Mengen an abgetrenntem Hausmüll vor. Zudem war geruchlich<br />
eine hoher Abwasseranteil wahrnehmbar. Diese Situation soll Bild 3.1 verdeutlichen.<br />
Weitere Rohwasserprobleme resultieren regional aus der starken Abholzung und<br />
intensiver landwirtschaftlicher Tätigkeit.
Praxiserfahrungen in anderen Ländern - Indonesien 55<br />
Bild 3.1: Nebenfluss in Yogyakarta, Java<br />
3.2 Klima und Geographie<br />
Der Inselstaat Indonesien erstreckt sich auf einer Länge von 5.000 km zwischen Asien<br />
und Australien und ist etwa so groß wie Europa. Sein gesamtes Territorium umfasst<br />
ca. 14.000 Inseln, von denen etwa 6000 bewohnt sind. Es gibt viele tätige Vulkane,<br />
und Erdbeben sind häufig. Etwa 60 % der rund 210 Mio. Einwohner Indone-
56<br />
sions leben auf Java, der fünftgrößten Insel des Archipels, die damit zu den am dichtesten<br />
besiedelten Regionen der Erde zählt.<br />
Das Klima Indonesiens wird von der Äquatornähe bestimmt. Auf Sumatra, Kalimantan,<br />
Sulawesi, den nördlichen Molukken und Irian Jaya (Neu Guinea), sowie im westlichen<br />
Drittel Javas herrscht tropisches, immer-feuchtes Klima. Die zu allen Jahreszeiten<br />
fallenden Niederschläge erreichen Werte von 3.000-4.000 mm/a, im Gebirge<br />
z. T. über 5.000 mm/a.<br />
Das östliche Java und die Sundainseln sowie das Gebiet bis zu den Aruinseln haben<br />
tropisch-monsunales Klima mit einer feuchtschwülen Regenzeit (Dezember – März),<br />
einer Nachmonsunzeit und einer heißen Trockenzeit (vorwiegend im Aug./Sept.). Die<br />
Niederschläge betragen 2.000-3.000 mm pro Jahr mit größeren Unterschieden für<br />
Luv- und Leeseite.<br />
Bei einer mittleren täglichen Sonnenscheindauer von 7-9 Stunden liegt die Jahresmitteltemperatur<br />
an der Küste bei 27 °C, nimmt jedoch in den Gebirgen mit zunehmender<br />
Höhe rasch ab. Die relative Luftfeuchtigkeit beträgt im Mittel 80-90 %.<br />
3.3 Struktur der Wasserversorgung<br />
Mit Verabschiedung der Dezentralisierungsgesetze zu Beginn des Jahres 2001 und<br />
der damit verbundenen Neustrukturierung der Zuständigkeiten auf Distrikt- Provinzund<br />
nationaler Ebene sowie zusätzlich beeinflusst durch die anhaltende Wirtschaftskrise<br />
wurde auch der Bereich der Trinkwasserversorgung grundlegend verändert.<br />
Seit 2001 sind die Lokalregierungen für die Trinkwasserversorgung verantwortlich<br />
und Eigentümer der ca. 280 Wasserversorgungsunternehmen (PDAM). Bei über<br />
60 % dieser PDAM‘ s handelt es sich um relativ kleine Unternehmen mit weniger als<br />
10.000 Hausanschlüssen. Lediglich 5 % der Unternehmen sind mit mehr als 50.000<br />
Hausanschlüssen als relativ groß einzustufen. Der Anschlussgrad an die öffentliche<br />
Wasserversorgung ist gering und beträgt selbst in den größeren Städten selten über<br />
35 %.<br />
Die Wasserversorgungsunternehmen werden in der Regel nicht unter wirtschaftlichen<br />
Gesichtspunkten geführt. Nicht kostendeckende Tarife, unterbliebene Investitionen<br />
insbesondere in Ausbau und Unterhalt des Leitungsnetzes, internes Missmanagement,<br />
zu große Mitarbeiterzahlen, hohe Kreditrückzahlungen sowie überzogene<br />
Beiträge aus den unzureichenden Einnahmen der PDAM‘s zum Distriktbudget führen<br />
bei vielen der Unternehmen praktisch zum Bankrott. Durch derzeit noch unklare Definition<br />
bzw. Interpretation der Distriktzuständigkeiten kommt es zudem zu ineffizienten<br />
Lösungen z. B. bei der Neuerschließung von Rohwasserressourcen.
Praxiserfahrungen in anderen Ländern - Indonesien 57<br />
3.4 Wasserverbrauch<br />
Nach Umfrageergebnissen von PERPAMSI beträgt die gesamte Produktionskapazität<br />
für Trinkwasser in Indonesien ca. 80 m³/sec entsprechend 6,9 Mio m³ pro Tag.<br />
Die Wasserverluste liegen bei etwa 65 % der PDAM‘s bei über 30 %. 15 % der Unternehmen<br />
beziffern die Wasserverluste sogar auf über 50 %. Der Tagesverbrauch<br />
der angeschlossenen Abnehmer wurde mit 100 L/EW d im Mittel angegeben.<br />
4 Wasserbeschaffenheit<br />
In Tabelle 4.1 sind ausgewählte Untersuchungsergebnisse tabellarisch zusammengestellt.<br />
Dabei handelt es sich um Trinkwasserproben, die im Rahmen der Datenerhebung<br />
in verschiedenen indonesischen Wasserwerken entnommenen und nach<br />
Deutschland transportiert sowie analysiert wurden. Eine vollständige Auflistung aller<br />
analytischen Befunden ist in den Anlagen 1 bis 4 enthalten.<br />
Aus Tab. 4.1 bzw. den Anlagen 1 - 4 ist zu erkennen, dass die überwiegend genutzten<br />
Flusswässer mit Härten von maximal ca. 0,5 mmol/L (ca. 3° dH) sehr weich sind.<br />
Auch die Grundwässer waren mit Härten von maximal ca. 2 mmol/L (ca. 12° dH) lediglich<br />
mittelhart. Auffallend ist ein zum Teil erhöhter Natriumgehalt sowie die in vielen<br />
Wässern relativ hohen Konzentrationen an Silizium. In einem Fall wurde mit<br />
0,04 mg/L ein deutlich erhöhter Arsenwert festgestellt.<br />
Tabelle 4.1: Zusammenstellung ausgewählter Analysenergebnisse<br />
PDAM Flores Pekanbaru Bogor Sleman Bantul<br />
Rohwasser (Brunnen) Fluss Fluss Quelle Grundwasser<br />
Calcium mg/L 47,8 19,7 10,0 19,3 38,1<br />
Magnesium mg/L 22,9 0,7 3,3 5,5 12,9<br />
Natrium mg/L 157 1,7 6,3 14,4 30,9<br />
Kalium mg/L 11,4 2,1 2,0 3,6 12,3<br />
Eisen mg/L < 0,01 0,14 < 0,01 0,01 1,08<br />
Mangan mg/L < 0,01 0,02 < 0,01 0,01 0,35<br />
Aluminium mg/L < 0,01 2,85 < 0,01 0,01 < 0,01<br />
Silizium mg/L 44,0 2,1 33,5 43,0 51,3<br />
Arsen mg/L 0,041 < 0,001 0,001 0,003 0,001<br />
TOC mg/L 0,70 11,0 3,2 1,1 2,7<br />
Summe THM µg/L < 1 94,1 9,5 - < 1<br />
Tetrachlorethen µg/L < 1 0,9 0,1 - 1,3<br />
Chlor-Insektizide µg/L < 0,01 < 0,01 < 0,01 - < 0,01<br />
PCB µg/L < 0,01 < 0,01 < 0,01 - < 0,01
58<br />
Mit Ausnahme des Flusswasserwerkes in Pekanbaru, das ein Trinkwasser mit einem<br />
relativ hohen TOC-Gehalt abgibt, waren die Konzentrationen an natürlichen organischen<br />
Wasserinhaltsstoffen in den untersuchten Wässern gering bis leicht erhöht.<br />
Lediglich in dem erwähnten Werk mit hohem TOC-Gehalt im Trinkwasser lagen erhöhte<br />
Konzentrationen an den Desinfektionsnebenprodukten Trihalogenmethanen<br />
vor. In fast allen Wässern waren Spuren an Tetrachlorethen nachweisbar. Dagegen<br />
wurden in keinem Fall chlorierte Insektizide oder PCB nachgewiesen.<br />
Nach den in verschiedenen Werken gesichteten Analysedaten zur Eigenüberwachung<br />
sind die pH-Werte der Flussrohwässer meist relativ niedrig, wobei aufgrund<br />
der geringen Pufferung durch die Zugabe saurer Flockungsmittel im Aufbereitungsprozess<br />
zum Teil eine Absenkung des pH-Wertes. Der geforderte Mindest-pH-Wert<br />
von 6,5 wird somit nicht in allen Trinkwässern eingehalten. Weitere Problemfelder<br />
stellen erhöhte Trübungen und Färbungen sowie massive bakteriologische Belastungen<br />
der Flusswässer dar. In der Regel liegen 5-stellige Werte für coliforme Bakterien<br />
und E. coli in derartigen Rohwässern vor. In einem Fall wurde von der Einleitung<br />
industrieller Abwässer oberstromig der Fassungsanlage berichtet, wodurch in einem<br />
Flussabschnitt sowohl pH-Werte unter 4 als auch erhöhte Schwermetallgehalte sowie<br />
insbesondere sehr hohe Werte für den chemischen Sauerstoffbedarf von über<br />
100 mg/L resultieren.<br />
5 Aufbereitung<br />
Detaillierte Angaben zur Aufbereitungstechnik in den besuchten Werken gehen aus<br />
den Kurzbeschreibungen in Anlage 5 hervor. Prinzipiell werden in Abhängigkeit von<br />
der Rohwasserherkunft verschiedene Aufbereitungsschritte eingesetzt. Während<br />
Quellwasser häufig nur einer Desinfektion mit Chlor unterzogen wird, erfolgt bei den<br />
Grund- sowie Flusswässern eine weitergehende Aufbereitung entsprechend den Angaben<br />
in Tabelle 5.1.<br />
Tabelle 5.1: Aufbereitungsverfahren in Abhängigkeit von der Rohwasserherkunft<br />
Rohwasserherkunft<br />
Quelle Tiefbrunnen Fluss<br />
- Belüftung -<br />
- - Flockung/Fällung<br />
- Sedimentation Sedimentation<br />
- Filtration Filtration<br />
Chlorung Chlorung Chlorung
Praxiserfahrungen in anderen Ländern - Indonesien 59<br />
5.1 Quellwasser<br />
In den besichtigten Anlagen zur Quellwassergewinnung erfolgt lediglich eine Tropfchlorung<br />
in das in der Regel trübstoffarme Rohwasser, wobei von häufigen Ausfällen<br />
der Dosierung berichtet wurde.<br />
5.2 Grundwasser<br />
In den vier besuchten Grundwasserwerken war eine weitestgehend baugleiche Aufbereitungstechnik,<br />
bestehend aus Belüftung, Sedimentation, Filtration und Chlorung<br />
vorhanden.<br />
Bild 5.1 zeigt beispielhaft das Wasserwerk Nogotirto in der Nähe von Yogyakarta auf<br />
Java, das einen Durchsatz von 70 m³/h hat. Die beiden links im Hintergrund erkennbaren<br />
„Belüftungstürme“ sind vollständig mit Wasser gefüllt, so dass darin kein Sauerstoffeintrag<br />
stattfinden kann.<br />
Bild 5.1: Ansicht des Grundwasserwerkes Nogotirto, Sleman - Java
60<br />
Da die gesamte Anlage im freien Gefälle durchströmt wird, müssten die Belüftungstürme<br />
mindestens 1 bis 2 m angehoben werden, um durch eine Verrieselung die erforderliche<br />
Belüftung des Wassers sicherstellen zu können. Die Aufenthaltszeit des<br />
Wassers im nachgeschalteten Sedimentationsbecken (in Bild 5.1 hinter den drei Filterbecken<br />
erkennbar) beträgt ca. 20 Minuten. Dieses Becken hat keine Funktion, da<br />
es darin nicht zu einer Feststoffabtrennung kommt. Die nachgeschalteten drei offenen<br />
Filterbecken, die in Rechteckbauweise aus Stahl geschweißt sind, enthalten eine<br />
ca. 0,4 m hohe Kiesschicht (Korngröße 5 – 10 mm) und darüber eine etwa 1 m<br />
hohe Schicht aus Quarzsand der Körnung 0,4 bis 0,6 mm. Die Freibordhöhe beträgt<br />
etwa 0,8 m und die Filtergeschwindigkeit ist mit rund 3 m/h vergleichsweise niedrig.<br />
Trotz relativ niedriger Eisengehalte im Rohwasser (ca. 1-2 mg/L) müssen die Filter in<br />
allen vier besuchten Grundwasserwerken in Abständen von ein bis zwei Tagen gespült<br />
werden. Dies liegt darin begründet, dass bei einer Spülung keine ausreichende<br />
Reinigung des Filtermaterials gelingt. Die Spülw assergeschw indigkeit ist mit ca. 10<br />
m/h zu gering. Außerdem müssen die Filterspülungen aufgrund des begrenzten<br />
Speichervolumens der Rein- bzw. Spülwasserbecken vorzeitig abgebrochen werden.<br />
In den Filtern liegen somit umfangreiche Verbackungen und Ablagerungen vor, wie<br />
dies in Bild 5.2 dokumentiert ist.<br />
Bild 5.2: Enteisenungsfilter im Grundwasserwerk Nr. 7, Bantul
Praxiserfahrungen in anderen Ländern - Indonesien 61<br />
Abschließend wird dem derart behandelten Grundwasser ca. 0,5 mg/L Chlor in Form<br />
einer Calciumhypochloritlösung zudosiert. Dies erfolgt im freien Gefälle aus einem<br />
Vorlagebehälter, der auf Bild 5.1 im Vordergrund zu erkennen ist.<br />
Es wurde auch eine Gewinnungsanlage besichtigt, in der durch Infiltration von<br />
druckbelüftetem Wasser eine Untergrundenteisenung erfolgen soll. Die verantwortlichen<br />
Mitarbeiter des Versorgungsunternehmens äußerten sich unzufrieden über diese<br />
Verfahrenstechnik, da häufig betriebliche Probleme sowie Beanstandungen über<br />
die Reinwasserbeschaffenheit resultieren. Möglicherweise ist dies darauf zurückzuführen,<br />
dass die Anlagen nicht sachgemäß betrieben werden. Die Mitarbeiter konnten<br />
keine Angaben zum Infiltrationsregime oder dem vermutlich zu geringen Sauerstoffgehalt<br />
des infiltrierten Wassers machen.<br />
5.3 Flusswasser<br />
Die Flusswasseraufbereitung erfolgt in der Regel mittels der Verfahrenskombination<br />
Flockung/Fällung – Sedimentation – Filtration – Chlorung. In Einzelfällen wird durch<br />
Alkaliendosierung auch der pH-Wert angehoben. Darüber hinaus sind zusätzliche<br />
Chlorzugaben, zu Beginn der Aufbereitung oder vor der Schnellfiltration, üblich, um<br />
unter anderem die Algenentwicklung in nicht überdachten Anlagenteilen zu minimieren.<br />
Die in den einzelnen Werken vorhandene und prinzipiell ähnliche Verfahrenstechnik<br />
wird nachfolgend am Beispiel des Flusswasserwerks Legong erläutert.<br />
Dem mittels einer Pumpanlage (Bild oben links) entnommenen Flusswasser wird im<br />
turbulenten Bereich einer Engstelle im Zulaufkanal zur Aufbereitungsanlage Polyaluminiumchlorid<br />
zugegeben (Bild oben rechts). Die Zugabemengen betragen 20 bis<br />
100 mg Al/L. Anschließend strömt das Wasser mäanderförmig durch einen hydraulischen<br />
Flocker, in dem bei abnehmendem Energieeintrag die Flockenbildung stattfindet<br />
(Bild Mitte links).<br />
Die Aufenthaltszeit des Wassers im Flocker beträgt ca. 20 Minuten. Abgetrennt werden<br />
die Flocken in einem Schrägplattenklärer bei einer Flächenbelastung von ca.<br />
5 m/h (Bild Mitte rechts). Mittels Filtration über einen Zweischichtfilter mit einer 0,3 m<br />
hohen Quarzsandschicht (Körnung 0,5 – 1,2 mm) und einer ebenfalls 0,3 m hohen<br />
Anthrazitschicht (Körnung 1,4 – 2,5 mm) erfolgt die Feinreinigung (Bild unten links).<br />
Die Filter werden mit einer Filtergeschwindigkeit von 8 bis 10 m/h betrieben und im<br />
Abstand von ein bis zwei Tagen mit Luft und Wasser gespült.<br />
Durch abschließende Zugabe von ca. 1,5 mg/L Chlorgas (Bild unten rechts) soll ein<br />
Chlorgehalt von mindestens 0,2 mg/L beim letzten Abnehmer sichergestellt werden.
62<br />
Bild 5.3: Verschiedene Stufen der Aufbereitung im Wasserwerk Legong, Bogor
Praxiserfahrungen in anderen Ländern - Indonesien 63<br />
6 Wasserverteilung<br />
Die Versorgungsleitungen bestehen überwiegend aus PVC, wobei Rohre mit größerem<br />
Druchmesser in Guss ausgeführt werden. Außerdem sind Rohre aus Faserzementwerkstoffen<br />
im Einsatz. Das Verteilungsnetz ist meist in einem schlechten Zustand,<br />
so dass Netzverluste von zum Teil über 50 % resultieren. In einem Fall wurde<br />
berichtet, dass bereits beim Transport des Rohwassers über eine 7 km lange Leitung<br />
in einen Speicherbehälter über 70 % eines qualitativ hochwertigen Quellwassers verlorengehen.<br />
Vom gleichen Versorger wurde ein neues Flusswasserwerk errichtet,<br />
dessen Kapazität in etwa diesen Quellwasserverlusten entspricht.<br />
Neben Keimeinträgen infolge von Undichtigkeiten und häufigem Druckabfall im Netz<br />
sind auch die dezentralen Dachwasserspeicher zu berücksichtigen. Derartige Wasserspeicher<br />
zur Überbrückung von kurzzeitigen Versorgungsausfällen sind in privaten<br />
und öffentlichen Gebäuden üblich. Bild 6.1 zeigt am Beispiel einer relativ neuen<br />
Anlage die grundsätzliche Problematik dabei auf. Derartige Anlagen sind in der Regel<br />
aus Kunststoff ausgeführt und befinden sich unter direkter Sonneneinstrahlung.<br />
Bild 6.1: Dezentraler Trinkwasserspeicher<br />
Wie bereits erwähnt, sind selbst in den Millionenstädten maximal 30 – 40 % der Bevölkerung<br />
an die öffentliche Wasserversorgung angeschlossen. Ein Großteil der Bevölkerung<br />
insbesondere in den ärmeren Wohngebieten muss auf Wasser, das in
64<br />
Flaschen und Kanistern vertrieben wird, zurückgreifen. Hierfür entstehen nicht unerhebliche<br />
Kosten, die zum Teil über den Kosten für die Versorgung über das öffentliche<br />
Netz liegen. Die Nutzung von Oberflächenwasser oder Wasser aus Schöpfbrunnen<br />
ist ebenfalls üblich wobei von einer z. T. sehr schlechten Qualität des Wassers<br />
auszugehen ist.<br />
Bei der Beurteilung einer möglichen Gesundheitsgefährdung durch mikrobiologisch<br />
belastete Wässer, sowohl aus dem öffentlichen Netz als auch aus anderen Quellen,<br />
ist zu berücksichtigen, dass in Indonesien traditionsgemäß ausschließlich abgekochtes<br />
Wasser konsumiert wird.<br />
7 Kosten<br />
Die Wasserpreise in Indonesien können grob in die in Tabelle 7.1 dargestellten drei<br />
Kategorien eingeteilt werden, wobei es sich um Mittelwerte handelt, da die Preise mit<br />
steigenden Abnahmemengen zunehmen. Zum Vergleich liegt das monatliche Einkommen<br />
ärmerer Familien in der Hauptstadt Jakarta bei rund 60 Euro.<br />
Der Sozialtarif wird zugrunde gelegt, sofern die Wohnfläche des Abnehmers unter<br />
36 m² liegt. Nach mündlicher Mitteilung wird mit dieser Einteilung ein erheblicher<br />
Missbrauch getrieben. Weiterhin existieren eine Vielzahl illegaler Anschlüsse. Relativ<br />
hohen Gestehungskosten, unter anderem bedingt durch hohe Zinsen und sonstige<br />
Kapitalkosten und Abgaben an die Kommunen stehen somit nur unzureichende Einkünfte<br />
gegenüber.<br />
Tabelle 7.1: Wasserpreise in Indonesien<br />
Tarif<br />
Wasserpreis in Euro/m³<br />
1 (sozial) 0,05<br />
2 (normal) 0,2<br />
3 (Hotels / Industrie) 0,5<br />
8 Zusammenfassung<br />
Indonesien ist ein Land großer wirtschaftlicher und sozialer Unterschiede. Während<br />
die bevölkerungsreiche Hauptinsel Java landwirtschaftlich geprägt und arm an natürlichen<br />
Ressourcen ist, sind weite Gebiete des Archipels relativ dünn besiedelt und<br />
zum Teil reich an Rohstoffen. Eine geregelte Abwasserentsorgung existiert praktisch<br />
nicht. Die Trinkwasserversorgung befindet sich in einem, an europäischen Verhältnissen<br />
gemessenen, desolaten Zustand. Viele Wasserversorgungsunternehmen
Praxiserfahrungen in anderen Ländern - Indonesien 65<br />
sind in finanziellen Schwierigkeiten, so dass selbst dringendste Maßnahmen nicht<br />
durchgeführt werden.<br />
Gründe für die schlechte wirtschaftliche Lage der Unternehmen sind:<br />
- Politische Abhängigkeiten<br />
- Nicht kostendeckende Tarife<br />
- Hohe Kapitalbelastungen durch Zinsen und Abgaben an die Kommunen<br />
- Internes Missmanagement<br />
Lediglich ca. 30 - 40 % der Bevölkerung in den Städten ist an die öffentliche Versorgung<br />
angeschlossen. Die Wasserverlustraten liegen zum Teil über 50 %. Nach Auskunft<br />
indonesischer Fachleute liefert lediglich eines der ca. 280 indonesischen Wasserversorgungsunternehmen<br />
Trinkwasser nach den gesetzlichen Vorgaben bzw.<br />
dem WHO-Standard. Die Anforderungen an die Trübung und die bakteriologische<br />
Beschaffenheit des Wassers werden häufig nicht erfüllt. Folgende Ursachen hierfür<br />
sind zu nennen:<br />
- Fehlende Mittel für dringendste Reparatur- und Sanierungsmaßnahmen<br />
- Schlechte Rohwasserbeschaffenheit insbesondere in den Ballungsgebieten mit<br />
hoher mikrobiologischer Belastung durch Abwässer<br />
- Mängel in Konzeption und Betrieb der Aufbereitungsanlagen<br />
- Ungenügender Ausbildungsstand der Mitarbeiter<br />
Trotz bzw. wegen dieser Defizite bieten sich Möglichkeiten für ausländische Investoren.<br />
Potenzial wird beispielsweise in Joint Venture Projekten gesehen, bei denen<br />
durch Lecksuche und Rohrnetzsanierung, aber auch mit Hilfe organisatorischer Optimierungen<br />
(Beseitigung scheinbarer Verluste durch illegale Anschlüsse und falsche<br />
Abrechnungen) relativ kurzfristig Wasserverluste minimiert und die Einnahmen erhöht<br />
werden könnten.<br />
Hinsichtlich Optimierung und Neubau von Anlagen beispielsweise im Rahmen von<br />
Betriebsführungen seien auf folgende Ansatzpunkte hingewiesen:<br />
- Angepasste Spülbedingungen für die Filteranlagen<br />
- Optimierte Betriebsweise der Flockungsstufen. Im Einzelfall zu prüfen wären dabei<br />
eine Aufhärtung der oftmals sauren und ungepufferten Rohwässer, der Einsatz<br />
alternativer Flockungsmittel (Eisensalze oder Polyaluminiumchloride) und die<br />
zusätzliche Verwendung von Flockungshilfsmitteln.<br />
- Überdachung von Flockungs- und Filteranlagen<br />
Ziel dieser relativ einfach umzusetzender Maßnahmen sollte es sein, Reinwassertrübungen<br />
von stabil unter 1 FNU sicherzustellen. In Einzelfällen ist durch die genannten<br />
Maßnahmen parallel zur Verbesserung der Reinwasserbeschaffenheit auch eine<br />
Kapazitätserhöhung denkbar. Eine zusätzliche betriebssichere Desinfektionstechnik
66<br />
mit Mitteln auf Chlorbasis könnte bei minimierter Trübung einen ausreichenden Mindeststandard<br />
der Trinkwasserqualität garantieren.<br />
Als unabdingbar wird parallel zu den verfahrenstechnischen Optimierungen die<br />
Schulung und Weiterbildung des Wasserwerkspersonals angesehen.<br />
Einsatzgebiete auch für höherwertige Aufbereitungstechnik sind unter Umständen<br />
separate Versorgungsgebiete in Hotel-, Industrie- und privaten Wohnanlagen.<br />
Abschließend sei auf den Bedarf an internationalem Erfahrungsaustausch beispielsweise<br />
hinsichtlich der Entwicklung und Etablierung technischer Regelwerke und Fortsowie<br />
Weiterbildungsinstitutionen hingewiesen. Ansätze für eine entsprechende Kooperation<br />
zwischen dem deutschen und dem indonesischen Wasserwerksverband<br />
(DVGW und PERPAMSI) existieren.<br />
9 Anlagen (auf CD beigefügt)<br />
- Analysendaten zu den aufgesuchten Wasserwerken<br />
- Anlage 1: Elemente<br />
- Anlage 2: TOC<br />
- Anlage 3: LHKW<br />
- Anlage 4: Organochlorinsektizide und PCB<br />
- Anlage 5: Kurzbeschreibungen der aufgesuchten Wasserwerke (Steckbriefe)<br />
- Fotodokumentation der aufgesuchten Wasserwerke
Iran
68<br />
1 Einleitung<br />
Der vorliegende Bericht fasst die Ergebnisse einer Datenerhebung zur Wasserversorgung<br />
im Iran zusammen. Das Ziel bestand darin, einen Überblick über die dortigen<br />
Randbedingungen und Strukturen der Wasserversorgung, -aufbereitung und -<br />
verteilung zu erhalten. Die Datenerhebung im Iran mußte unter den besonderen landesspezifischen<br />
Bedingungen durchgeführt werden. Daher konzentrierte sich die<br />
Datenerhebung im wesentlichen auf zwei Wasserwerke in der Hauptstadt Tehran,<br />
die während eines fünftägigen Aufenthaltes durchgeführt wurde. Bild 1.1 kennzeichnet<br />
die Lage der aufgesuchte Werke.<br />
Bild 1.1: Pfeile markieren die Standorte der besichtigten Wasserwerke
Praxiserfahrungen in anderen Ländern - Iran 69<br />
Tabelle 1.1: Liste der zur Datenerhebung aufgesuchten Wasserwerke<br />
Kapazität<br />
Name WVU Provinz Betreiber Rohwasser<br />
in m³/d<br />
WTP No. 1<br />
Tehran Province<br />
230.000<br />
Talsperrenwasser<br />
350.000<br />
Tehran Water & Sewage<br />
WTP No. 3<br />
Company<br />
2 Gesetzliche Regelungen<br />
Grenzwerte für Trinkwasser werden vom iranischen Department of Environment erlassen.<br />
Die Grenzwerte folgen weitgehend den Empfehlungen der WHO.<br />
3 Allgemeine Angaben<br />
3.1 Rohwässer und wasserwirtschaftliche Situation<br />
Der Gesamtniederschlag im Iran beträgt ca. 413 Billionen Kubikmeter. Die erneuerbare<br />
Wassermenge die prinzipiell zur Trink- oder Brauchwassernutzung herangezogen<br />
werden kann beläuft sich auf 130 Bill. m³. Diese teilt sich auf in 32 Bill. m³<br />
Grundwasser und 112 Bill. m³ oberflächig ablaufendes Wasser. Im Oberflächenwasseranteil<br />
sind 13 Bill. m³ aus der positiven Bilanz aus Zu- und Abfluss von Flusswasser<br />
aus und in die Nachbarländern enthalten.<br />
Insgesamt werden ca. 45 Millionen Menschen im Iran mit leitungsgebundenem<br />
Trinkwasser versorgt. Im städtischen Bereich sind dies ca. 40 Millionen, so dass die<br />
Versorgungsquote in diesem Bereich 96 % beträgt. Im ländlichen Raum liegt der Anteil<br />
entsprechend niedriger. Die Versorgungsquote mit sicherem Trinkwasser für die<br />
gesamte iranische Bevölkerung wird von der UNESCO mit 97 % angegeben, wobei<br />
als sicherer Versorgung nicht ausschließlich die leitungsgebundene Versorgung eingestuft<br />
wird.<br />
Statistische Daten zur Trinkwasserversorgung sind in Tabelle 3.1 zusammengestellt.<br />
Aus den Angaben geht hervor, dass in den städtischen Gebieten ca. ein Drittel des<br />
Trinkwassers aus Oberflächenwässern gewonnen wird. Die iranischen Wasserwerke<br />
verkaufen ca. 3 Mrd. m³/a Trinkwasser an Verbraucher. Im Iran gibt es 64 Wasserwerke.<br />
Wie die durchschnittliche Aufbereitungskapazität der Wasserwerke von<br />
3.600 m³/h zeigt, handelt es sich dabei in der Regel um Anlagen mit relativ großer<br />
Kapazität.
70<br />
Tabelle 3.1: Daten zur Wasserversorgung im Iran (2002)<br />
Oberflächenwasseranteil<br />
bei der städtischen Versorgung<br />
37 %<br />
Anzahl der Wasserwerke 64<br />
Gesamtaufbereitungskapazität<br />
5,5 Mio. m³/d<br />
Durchschnittliche Aufbereitungskapazität<br />
eines Wasserwerks<br />
3.600 m³/h<br />
produziertes Trinkwasser<br />
4.000 Mio. m³/a<br />
verkauftes Trinkwasser<br />
2.900 Mio. m³/a<br />
Wasserverluste 27 %<br />
Angestellte im Wassersektor 28000<br />
Quelle: Ministry of Energy, National Water & Wastewater<br />
Angaben zur Abwasserentsorgung sind in Tabelle 3.2 zusammengefasst. Ein<br />
Vergleich der Daten für den Trink- und Abwassersektor deutet auf ein Problem bei<br />
der Bereitstellung von Trinkwasser hin. Dadurch, dass nur wenige Haushalte an eine<br />
Kläranlage angeschlossen sind und zudem die Abwasserrohre im allgemeinen eine<br />
hohe Leckagerate aufweisen, versickert Abwasser unkontrolliert in den Boden. In<br />
einigen Städten Irans wird auf diese Weise das Grundwasser stark verunreinigt. Dies<br />
betrifft u.a. die mikrobiologische Beschaffenheit sowie die Nitrat- oder Sulfatgehalte.<br />
Tabelle 3.2: Daten zur Abwasserentsorgung im Iran (2002)<br />
an das Abwassernetz angeschlossen Einwohner<br />
6,5 Mio.<br />
Aufbereitungskapazität für kommunales Abwasser<br />
0,8 Mio. m³/d<br />
Anzahl der Kläranlagen 34<br />
Durchschnittliche Kapazität der Kläranlagen<br />
980 m³/h<br />
Quelle: Ministry of Energy, National Water & Wastewater<br />
3.2 Klima<br />
Die größten Teile Irans sind dem ariden bis semiariden Klima zuzuordnen. Lediglich<br />
an der Südküste des kaspischen Meeres herrscht ein feuchtes subtropisches Klima<br />
vor. In diesem Teil des Landes, den beiden kaspischen Provinzen mit dem Oberzentrum<br />
Rasht, liegen die fruchtbarsten Gebiete.<br />
Wie die Klimadiagramme in Bild 3.1 zeigen, ist das Klima im Iran kontinental geprägt<br />
Die jahreszeitlichen Temperaturschwankungen insbesondere im Landesinnern sind<br />
sehr ausgeprägt. Lediglich am Kaspischen Meer (Rasht) und am persischen Golf<br />
(Bandar Abbas) sind die Temperaturen ausgeglichener.
Praxiserfahrungen in anderen Ländern - Iran 71<br />
300<br />
Niederschlag<br />
Tagesdurchschnitt<br />
Tabris<br />
40<br />
30<br />
Niederschlag, mm<br />
200<br />
100<br />
20<br />
10<br />
0<br />
Temperatur, C°<br />
0<br />
Jan Feb Mar Apr May Jun Jul Aug Sep Oct Nov Dec<br />
-10<br />
300<br />
Niederschlag<br />
Tagesdurchschnitt<br />
Rasht<br />
40<br />
30<br />
Niederschlag, mm<br />
200<br />
100<br />
20<br />
10<br />
0<br />
Temperatur, C°<br />
0<br />
Jan Feb Mar Apr May Jun Jul Aug Sep Oct Nov Dec<br />
-10<br />
300<br />
Niederschlag<br />
Tagesdurchschnitt<br />
Teheran<br />
40<br />
30<br />
Niederschlag, mm<br />
200<br />
100<br />
20<br />
10<br />
0<br />
Temperatur, C°<br />
0<br />
Jan Feb Mar Apr May Jun Jul Aug Sep Oct Nov Dec<br />
-10<br />
300<br />
Niederschlag<br />
Tagesdurchschnitt<br />
Bandar Abbas<br />
40<br />
30<br />
Niederschlag, mm<br />
200<br />
100<br />
20<br />
10<br />
0<br />
Temperatur, C°<br />
0<br />
Jan Feb Mar Apr May Jun Jul Aug Sep Oct Nov Dec<br />
-10<br />
Bild 3.1: Klimadaten von ausgewählten Städten im Iran
72<br />
Das Landesinnere, das Zentralplateau, das ca. 50 % der gesamten Landesfläche<br />
umfasst, wird von hohen Gebirgen umgeben. Im Norden erstreckt sich das Alborgebirge<br />
von der Grenze zur Türkei über die Südküste des Kaspischen Meers bis nach<br />
Afghanistan. Ausläufer des Zagrogebirge enden ebenfalls an der Grenze zur Türkei.<br />
Das Gebirge weist eine Nord-Süd-Südost Ausdehnung auf und verläuft entlang der<br />
Iran-irakischen Grenze und die Nordküste des persischen Golfs bis an die Grenze zu<br />
Pakistan. Aufgrund dieser besondere Lage ist das Zentralplateau sehr trocken, da<br />
die Niederschläge hauptsächlich über den einrahmenden Gebirgen niedergehen. Die<br />
zwei großen Wüstengebiete des Irans liegen im Landesinnern.<br />
Lediglich 1 % der Landesfläche wird als Ackerfläche genutzt, weitere 9 % können<br />
zumindest saisonal als Anbaufläche genutzt werden. Auf ca. 1/3 der Landesfläche<br />
wird eine extensive Weidewirtschaft betrieben.<br />
3.3 Struktur der Wassergewinnung, -aufbereitung und -verteilung<br />
In den 28 Provinzen des Irans ist jeweils ein selbständiges Wasserversorgungsunternehmen<br />
für die Versorgung der Bevölkerung mit Trinkwasser zuständig. Daneben<br />
arbeiten noch 15 regionale Unternehmen, die als Vertragspartner im Auftrag der zuständigen<br />
Wasserversorger der Provinz tätig sind.<br />
3.4 Wasserverbrauch<br />
Der Hauptteil des Wasserdargebotes wird für landwirtschaftliche Zwecke verwendet<br />
(Tabelle 3.3). Auf die öffentliche Wasserversorgung entfallen ca. 5-7 % des gesamten<br />
Wasserverbrauchs in Iran. Der Verbrauch von Trinkwasser wird mit<br />
240 L/Einwohner und Tag angegeben.<br />
Tabelle 3.3: Verteilung des Wasserverbrauchs nach Sektoren, Angaben in %<br />
1960 1995 2020<br />
Landwirtschaft 98,6 93,3 87,0<br />
Trinkwasser 1,3 5,2 7,4<br />
Industrie 0,1 1,0 2,7<br />
Fischzucht 0 0,5 2,9
Praxiserfahrungen in anderen Ländern - Iran 73<br />
4 Wasserbeschaffenheit<br />
Bedingt durch die oft fehlende bzw. unzureichende Abwasserbehandlung resultieren<br />
die entsprechenden Probleme in den Rohwässern, die Wasserwerke zur Trinkwassergewinnung<br />
nutzen. Augenmerk ist neben anorganischen Wasserinhaltsstoffen,<br />
auch auf die mikrobiologische Wasserbeschaffenheit zu richten. Beispielsweise<br />
liegen selbst in einigen Grundwässern in der Umgebung von Teheran oder von<br />
Mashad durch unsachgemäße Entsorgung von Abwasser die Gehalte von Nitrat<br />
sowie Sulfat im Bereich von mehreren hundert Milligramm pro Liter. Mit einem deutschen<br />
Kooperationspartner wurde daher im Jahr 2003 ein Projekt zur Entfernung von<br />
Nitrat aus Grundwasser begonnen.<br />
In Tabelle 4.1 ist die Wasserbeschaffenheit von Brunnenwässern einer Brunnengalerie<br />
im Südosten von Tehran aufgeführt. Auch in diesen Wässern sind die Nitratgehalte<br />
vergleichsweise hoch. Obwohl es sich um Grundwasser handelt ist das Wasser<br />
zeitweise mikrobiologisch belastet.<br />
Analysendaten aus den Jahren 1980 bis 1990 sind auf der beigefügten CD enthalten,<br />
die vom Environment Canada`s National Water Research Institute erhoben wurden<br />
[1]. Diese Analysen geben einen Überblick über die Wasserqualitäten in den<br />
verschiedenen Landesteilen des Irans.<br />
Tabelle 4.1: Wasserbeschaffenheit einer Brunnengalerie mit 18 Einzelbrunnen im<br />
Südosten Teherans (Quelle: Tehran Province Water and Sewage Company)<br />
Minimum<br />
Maximum<br />
Trübung NTU 0,1 0,6<br />
pH-Wert - 7,7 8,14<br />
Eisen mg/L 0,01 0,2<br />
Mangan mg/L 0 0,05<br />
Kupfer mg/L 0 0,016<br />
Zink mg/L 0,01 0,037<br />
Calcium mg/L 50 135<br />
Magnesium mg/L 10 23<br />
Sulfat mg/L 75 130<br />
Chlorid mg/L 70 120<br />
Nitrat mg/L 50 120<br />
Ammonium mg/L 0 0,15<br />
Chrom mg/L 0 0,011<br />
Cadmium mg/L 0 0,003<br />
Blei mg/L 0 0<br />
Nickel mg/L 0 0<br />
Coliforme Bakterien 1/mL < 2 23
74<br />
5 Wasserversorgung im Iran am Beispiel der Tehran Province<br />
Water and Sewage Company<br />
5.1 Allgemeine Angaben<br />
Im Großraum Teheran ist die Tehran Province Water and Sewage Company für die<br />
Trinkwasserversorgung der Bevölkerung verantwortlich. Das Unternehmen betreibt<br />
im Stadtgebiet derzeit insgesamt 4 Wasserwerke mit einer Gesamtaufbereitungskapazität<br />
von ca. 70.000 m³/h. Ein weiteres Wasserwerk mit einer Aufbereitungskapazität<br />
von 54.000 m³/h ist in Bau (Tabelle 5.1).<br />
Tabelle 5.1: Wasserwerke in Teheran<br />
Name Inbetriebnahme Kapazität in m³/h<br />
WTP No. 1 (Jalalyeh) 1955 9.700<br />
WTP No. 2 (Kan) 1963 / 1970 29.000<br />
WTP No. 3 (Tehranpars) 1968 14.000<br />
WTP No. 4 (Tehranpars) 1984 14.000<br />
WTP No. 5 im Bau 54.000<br />
Teherans Wasserwerke gewinnen Trinkwasser aus Grund- sowie aus Talsperrenwasservorkommen.<br />
Das Karaj Reservoir mit einem Inhalt von 250 Milliarden m³ liegt<br />
ca. 100 km nordwestlich von Teheran. Von hier gelangt das Wasser über einen offenen<br />
Kanal bis ca. 30 km vor Teheran und wird anschließend teils unterirdisch, teils<br />
offen bis nach Teheran zu den Wasserwerken 1 und 2 geleitet. Etwa ein Drittel des<br />
in Teheran verteilten Trinkwassers kommt aus dem Karaj Reservoir. Ein weiteres<br />
Drittel wird in den Wasserwerken 3 und 4 produziert, die von dem östlich von Teheran<br />
gelegenen Talsperren Lar und Latyan Dam gespeist werden. Das fünfte, im Bau<br />
befindliche Wasserwerk, soll ebenfalls das Rohwassers aus den östlichen Reservoiren<br />
beziehen.<br />
Als weitere Rohwasssergewinnungsanlagen werden mehrere Brunnenfelder im<br />
Stadtgebiet wie auch in der Provinz Teheran genutzt. Insgesamt werden ca. 240<br />
Tiefbrunnen betrieben. Dieses Wasser wird ohne weitere Aufbereitung nach einer<br />
Desinfektion ins Trinkwassernetz eingespeist.<br />
Im Normalbetrieb stammt ca. 30 Prozent des in Teheran abgegebenen Trinkwassers<br />
aus Grundwasser, wobei in extremer Trockenperioden dieser Anteil auf ca. 40 Prozent<br />
ansteigt.<br />
Die Aufbereitungstechnologie in den einzelnen Wasserwerken ist ähnlich. In der Regel<br />
besteht die Aufbereitung aus einer Vorsedimentation, die beispielsweise in separaten<br />
Becken erfolgt. Danach wird dem Wasser Chlor zur Vordesinfektion sowie Flockungs-<br />
und Flockungshilfsmittel zugesetzt. Die Abtrennung der Trübstoffe erfolgt im<br />
Wasserwerk No. 1 über Accelatoren, in den anderen Wasserwerken über Pulsatoren
Praxiserfahrungen in anderen Ländern - Iran 75<br />
der Firma Degremont. Zur Feinreinigung wird das Wasser dann einer Trübstofffiltration<br />
über Sandfilter unterzogen. Vor der Einleitung in den Reinwasserbehälter wird<br />
die Abschlusschlorung vorgenommen. Der Prozessablauf bei der Trinkwassergewinnung<br />
in Teheran ist in Bild 5.1 zusammengestellt.<br />
Vorsedimentation<br />
Vorchlorung Flockungsmittel<br />
Flockungshilfsmittel<br />
Pulsator<br />
Accelator<br />
Filtration<br />
Endchlorung<br />
Wasserspeicher<br />
Netzabgabe<br />
Bild 5.1:<br />
Aufbereitungstechnologie zur Trinkwassergewinnung in Teheran
76<br />
5.2 Fallbeispiel WTP No. 1 der Tehran Province Water & Sewage Company<br />
Im Wasserwerk 1 werden bis zu 9.700 m³ Trinkwasser pro Stunde produziert. Das<br />
Rohwasser wird aus dem Karaj River bzw. dem Reservoir entnommen und über offene<br />
Kanäle bzw. geschlossene Leitungen dem Wasserwerk im Zentrum von Teheran<br />
beigeleitet. Die Trübung im Rohwasser beträgt im Normalfall weniger als 10 FNU<br />
steigt jedoch zur Schneeschmelze im Frühjahr bis auf 1.000 FNU an.<br />
Im Einlauf zum Wasserwerk wird das Wasser zunächst einer Vorchlorung unterzogen.<br />
Die Zugabemenge beträgt hierbei ca. 1 mg/L.<br />
Das aufzubereitende Wasser wird 6 Accelatoren mit einer Kapazität von jeweils<br />
1.600 m³/h zugeführt. Die Accelatoren haben einen Durchmesser von 23,5 m und<br />
eine Höhe von 6,3 m. Die Aufenthaltszeit beträgt ca. 1 Stunde. In der Reaktionszone<br />
der Accelatoren werden dann Flockung- und Flockungshilfsmittel zugegeben, wobei<br />
als Flockungsmittel Eisen-III-Chlorid eingesetzt wird. In der Einmischzone des Accelators<br />
wird zur Einstellung eines pH-Wertes von 7,5 und 8 Kalkmilch zugegeben.<br />
Die Trübung im Ablauf der Accelatoren beträgt im Normalbetrieb weniger als 2 FNU.<br />
Bei Zulauftrübungen > 60 FNU steigt die Trübung im Ablauf an.<br />
Bild 5.2: Accelatoren im Wasserwerk No. 1, Teheran
Praxiserfahrungen in anderen Ländern - Iran 77<br />
Nach der Flockung und Sedimentation gelangt das Wasser auf die Filteranlage, die<br />
aus insgesamt 40 Einzelfiltern besteht (Bild 5.3). Die Filter sind 10 m lang und 4,8 m<br />
breit. Die Filter werden mit einem Durchsatz von 240 bis 270 m³/h beaufschlagt. Daraus<br />
errechnet sich eine Filtergeschwindigkeit von ca. 5,2 m/h. Das Filtermaterial<br />
besteht aus Sand mit der Körnung 0,8 bis 1,2 mm, das eine Schichthöhe von 1 m<br />
aufweist. Die Filterlaufzeit liegt in der Regel zwischen 24 und 48 Stunden. Die Filtrattrübung<br />
liegt in einem Bereich von 0,1 bis 0,3 FNU. Die Filter werden mit einem<br />
konstanten Überstau betrieben und nach einem Druckverlustanstieg von 0,15 bar<br />
gespült. Bei der Spülung wird der Wasserstand zunächst bis zu einer Überstauhöhe<br />
von ca.10 cm abgesenkt. Anschließend erfolgt über 3 Minuten eine Luftspülung mit<br />
ca. 95 m/h (Bild 5.4). Danach wird die Luftgeschwindigkeit auf ca. 12,5 m/h gesenkt<br />
und Spülwasser mit einer Geschwindigkeit von 25 m/h zugeschaltet. Nach einer zwei<br />
Minuten andauernden Luft/Wasserspülung wird der Filter mit Wasser klargespült.<br />
Das Spülabwasser gelangt in ein Absetzbecken (Bild 5.5). Das Klarwasser wird dem<br />
Aufbereitungsprozeß vor den Accelatoren bzw. Pulsatoren wieder zugeführt.<br />
Nach der Filtration wird das aufbereitete Wasser vor Einleitung in den Reinwasserbehälter<br />
einer Desinfektion mittels Chlorgas unterzogen.<br />
Bild 5.3: Filterhalle im WW No. 1, Teheran
78<br />
Bild 5.4: Filter bei der Luftspülung im WW No. 1, Teheran<br />
Bild 5.5: Spülabwasser-Absetzbecken im WW No. 1, Teheran
Praxiserfahrungen in anderen Ländern - Iran 79<br />
6 Verteilung am Beispiel Teheran<br />
Die Gesamtlänge des Verteilungsnetzes einschließlich der Rohwasserleitungen beträgt<br />
in Teheran ca. 9.300 km. Die Rohwasserzuführleitungen sind hauptsächlich in<br />
Stahl (1.000 mm) und Spannbeton (2.000 mm) ausgeführt.<br />
Daten zum primären Verteilungsnetz sind in Tabelle 6.1 zusammengestellt. Demnach<br />
dominieren in Teheran Stahlleitungen. Das sekundäre und tertiäre Netz besteht<br />
hauptsächlich aus duktilen Gußrohren und Asbestzementrohren, sowie Leitungen<br />
aus PVC und Polyethylen. Viele PVC Rohre, die in den letzten Jahren verlegt wurden,<br />
müssen aufgrund von schlechter Qualität des Rohrmaterials bzw. nicht fachgerechter<br />
Verlegung bereits wieder ersetzt werden. Im Jahre 1999 wurden im Teheraner<br />
Verteilungsnetz insgesamt über 100.000 Reparaturarbeiten an Trinkwasserleitungen<br />
durchgeführt.<br />
Tabelle 6.1: Rohrmaterialien im primären Trinkwasserverteilungsnetz in Teheran<br />
Material Länge in km Anteil in %<br />
duktiles Gußrohr 18,4 6<br />
Stahl 248,5 74<br />
Spannbeton 68,6 20<br />
7 Kosten am Beispiel Teheran<br />
Die Aufbereitungskosten pro Kubikmeter betragen durchschnittlich 470 Rial (0,05<br />
Euro). Den Hauptteil der Kosten wird dabei durch Personalausgaben verursacht<br />
(Tabelle 7.1).<br />
Tabelle 7.1: Aufbereitungskosten bei der Trinkwassergewinnung in Teheran<br />
Ausgabenposten Anteil in %<br />
Personal 40<br />
Rohwasser 14<br />
Chemikalien 1<br />
Energie 7<br />
Wartung / Instandhaltung 9<br />
Abschreibung 17<br />
Sonstiges 12<br />
Die Wasserversorgung ist nicht kostendeckend. Für einen Kubikmeter Trinkwasser<br />
zahlt der Verbraucher in Teheran im Durchschnitt 150 Rial entsprechend ca. 2 Cent.
80<br />
So müssen für einen durchschnittlichen Verbrauch von ca. 20 m³ pro Monat und<br />
Hausanschluss 3.000 Rial bezahlt werden. Dies entspricht im Iran einem Gegenwert<br />
von beispielsweise einer 1,5 Liter PET Flasche Cola.<br />
8 Zusammenfassung<br />
Die Datenerhebung wurde unter den speziellen, landestypischen Bedingungen im<br />
Iran durchgeführt. Daher bildeten zwei von den iranischen Gastgebern ausgewählte<br />
Wasserwerke die Grundlage für die Datenerhebung. Analysendaten bzw. Details zur<br />
Wasserversorgung wurden von offizieller iranischer Seite nicht zur Verfügung gestellt.<br />
Die Versorgungsquote mit Trinkwasser im Iran ist insbesondere im städtischen Bereich<br />
relativ hoch und die Qualität des abgegebenen Trinkwasser vermutlich relativ<br />
gut. Aufgrund der wachsenden Bevölkerungszahlen und der zunehmenden Verunreinigung<br />
des Grundwassers in einigen Gebieten werden jedoch zukünftig vermehrt<br />
Probleme bei der Trinkwassergewinnung auftreten. Diese Probleme betreffen sowohl<br />
die Quantität als auch die Qualität des Rohwassers.<br />
Aus diesen Problemen ergibt sich ein Handlungszwang, der Maßnahmen beim Dargebot,<br />
bei der Aufbereitungstechnologie sowie beim Verbraucher einbezieht. Verbraucher<br />
sollen vermehrt zu einem sparsamen Umgang mit Wasser angeregt werden.<br />
Allein durch Einsparmaßnahmen und Verringerung der hohen Verlustraten in<br />
den Netzen ließe sich die Situation an einigen Orten bereits erheblich entspannen. In<br />
dieser Richtung wurden bereits einige Pilotprojekt in Teheran gestartet. So wurden in<br />
Teheran im Jahr 2001 insgesamt über 300.000 Wasserspargeräte installiert.<br />
Des Weiteren ließen sich durch die Mehrfachverwendung von Wasser, beispielsweise<br />
durch den Einsatz aufbereiteten Grauwassers zur Bewässerung in der Landwirtschaft<br />
Erfolge erzielen. Eine optimierte Bewässerungstechnik würde ebenfalls ihren<br />
Beitrag leisten können. Dieser Lösungsansatz wird im Iran zukünftig verstärkt verfolgt<br />
werden. So wurde der Bau von zwei Abwasser-Recycling- und Wasseraufbereitungswerken<br />
in den umfassenden Abwasserplan aufgenommen. Der Standort im<br />
südlichen Teheran hat eine Recycling-Kapazität von 250.000 Kubikmetern zur Versorgung<br />
einer Bevölkerung von rund 4.000.000. Der Standort in Südwest-Teheran<br />
hat eine Kapazität von 350.000 Kubikmetern zur Versorgung einer Bevölkerung von<br />
rund 6.000.000. Das wiederaufbereitete Wasser aus dem erstgenannten Werk wird<br />
zur Bewässerung von Ackerflächen eingesetzt werden.
Praxiserfahrungen in anderen Ländern - Iran 81<br />
9 Literatur und Links<br />
[1] Environment Canada`s National Water Research Institute<br />
<br />
10 Anlagen (auf CD beigefügt)<br />
- Anlage 1: Daten zur Wasserbeschaffenheit im Iran, erhoben vom Environment<br />
Canada`s National Water Research Institute<br />
- Anlage 2: Fotodokumentation
Südafrika
84<br />
1 Einleitung<br />
Im vorliegenden Bericht sind die Ergebnisse der Datenerhebung zur Wasserversorgung<br />
im südlichen Afrika zusammengefasst. Im Zeitraum vom 07.03.2002 bis<br />
15.03.2003 wurden an insgesamt 10 Wasserwerken in verschiedenen Regionen<br />
Südafrikas und in Namibia Daten erhoben. Bild 1.1 zeigt die geographische Lage der<br />
Wasserwerke in Südafrika.<br />
Bild 1.1: Pfeile markieren die Standorte der besichtigten Wasserwerke<br />
Eine Übersicht über die Anlagengröße und den jeweiligen Standort ist in Tabelle 1.1<br />
gegeben. Mit Ausnahme einer Anlage zur Meerwasserentsalzung (östlich von Port
Praxiserfahrungen in anderen Ländern - Südafrika 85<br />
Elizabeth) handelte es sich hierbei um Anlagen, die Talsperrenwasser aufbereiten.<br />
Zusätzlich wurden Daten einer Wasseraufbereitungsanlage in Windhoek, Namibia<br />
erhoben, die als Rohwasser das Wasser aus dem Ablauf einer Kläranlage verwendet<br />
und in einem mehrstufigen Prozess Trinkwasser produziert.<br />
Tabelle 1.1: Allgemeine Daten zu den besichtigten Wasserwerken<br />
Standort Provinz Stadt<br />
Rohwasser<br />
vorkommen<br />
Aufbereitungsmenge,<br />
m³/d<br />
Rietvlei Gauteng Pretoria Rietvlei Dam 40.000<br />
Schoemansville<br />
North West Pretoria Hartbeesport Dam 10.000<br />
Magalies<br />
Water<br />
Rand Water<br />
Wiggins<br />
Water<br />
Albany<br />
Coast<br />
North West Pretoria Vaalkop Dam 210.000<br />
Free State<br />
Johannesburg<br />
Vaal Dam 3.800.000<br />
Kwazulu-Natal Durban Inanda Dam 200.000<br />
Eastern Cape<br />
Port<br />
Elizabeth<br />
Meerwasser<br />
aus Bohrungen<br />
George Western Cape George Garden Route Dam 20.000<br />
Blackheath Western Cape Kapstadt Theewaterskloof Dam 150.000<br />
Faure Western Cape Kapstadt Theewaterskloof Dam 500.000<br />
Kloof Nek Western Cape Kapstadt Tablemountaindams 20.000<br />
Goreangab Namibia Windhoek Kläranlagenablauf 24.000<br />
500<br />
2 Gesetzliche Regelungen<br />
In Südafrika werden Gesetze in Verbindung mit Wasser im Wesentlichen durch ein<br />
Ministerium, dem Department of Water Affairs and Forestry (DWAF), erlassen.<br />
Schutz, Nutzung, Erhaltung, Entwicklung, Management und Kontrolle der nationalen<br />
Wasserressourcen sowie Preisstrategien für die Wassernutzung werden durch den<br />
National Water Act (36/1998) geregelt. Die Wasserqualität wird durch die South African<br />
Water Quality Guidelines festgelegt. Das SABS South Africa Bureau of Standards<br />
hat specifications for Water for domestic supplies 1984 festgelegt [1]. Die<br />
neue SABS wurde am 24. Mai 1999 verabschiedet und ersetzt damit die Verordnung<br />
Nr. 241/1984. Demnach wird das Wasser je nach chemisch-physikalischen und organoleptischen<br />
Parametern in drei Klassen aufgeteilt. Klasse 0 entspricht der Idealvorstellung<br />
mit Werten wie sie dem internationalen Vergleich (z.B. WHO) standhalten.<br />
Wasser der Klasse 1 ist so beschaffen, dass ein lebenslanger Genuss ohne
86<br />
Schaden für die Gesundheit möglich ist. Wasser der Klasse 2 eignet sich nur für<br />
kurzzeitigen Genuss, d.h. Deckung des täglichen Wasserbedarfs für max. ein Jahr.<br />
Die Verordnung enthält neben Hinweisen zu den Untersuchungsmethoden und Probenahmetechniken<br />
ferner Tabellen, in denen die einzuhaltenden Richtwerte für die<br />
drei Klassen aufgelistet sind. Tabelle 2.1 gibt einige Beispiele im Vergleich zu den in<br />
Deutschland geltenden Grenzwerten.<br />
Tabelle 2.1: Vergleich der Trinkwassergrenzwerte (Klasse 0) in Südafrika und<br />
Deutschland anhand ausgewählter Parameter<br />
Parameter<br />
Südafrika<br />
Deutschland<br />
Klasse 0 Klasse I Klasse II TrinkwV<br />
Färbung mg/L Pt 15 20 50 0,5 m -1<br />
Trübung FNU 0,1 1 10 1,5<br />
Ammonium mg/L 0,2 1,0 2,0 0,5<br />
Fluoride mg/L 0,7 1,0 1,5 1,5<br />
Nitrat, Nitrit-N mg/L 6,0 10,0 20,0 50, 0,1<br />
Natrium mg/L 100 200 400 200<br />
Aluminium mg/L 0,150 0,300 0,500 0,200<br />
Arsen mg/L 0,010 0,050 0,200 0,010<br />
Eisen mg/L 0,010 0,200 2,000 0,200<br />
Mangan mg/L 0,050 0,100 1,000 0,050<br />
Phenol mg/L 0,100 0,200 0,300 -<br />
DOC mg/L 5 10 20 -<br />
THM mg/L 0,100 0,200 0,300 0,010<br />
Für toxische Substanzen werden keine Grenzwerte angegeben.<br />
Nach Tabelle 2.1 sind in Südafrika bezüglich der chemisch-physikalischen Parameter<br />
für die Klasse 0 teilweise strengere Grenzwerte festgelegt als in Deutschland.<br />
Hinsichtlich der hygienisch-mikrobiologischen Beschaffenheit dürfen im Trinkwasser<br />
Escherichia coli und coliforme Keime in 100 mL nicht enthalten sein. Parasiten und<br />
Enteropathogene Viren dürfen in 100 L nicht enthalten sein, somatische Coliphagen<br />
nicht in 10 mL. Die Werte sind in 95 % der Messungen einzuhalten. Die in 4 % bzw.<br />
1 % der Messungen maximal erlaubten Werte gehen aus Tabelle 2.2 hervor. Für die<br />
Koloniezahlen gilt ein Wert von 100 pro mL nicht zu überschreiten.
Praxiserfahrungen in anderen Ländern - Südafrika 87<br />
Tabelle 2.2: Mikrobiologische Anforderungen<br />
Parameter<br />
Erlaubte Übereinstimmung<br />
95 % min. 4 % max. 1 % max.<br />
Koloniezahl Anzahl pro mL 100 1.000 10.000<br />
Gesamtcoliforme Anzahl pro 100 mL n.n. 10 100<br />
Fäkalcoliforme Anzahl pro 100 mL n.n. 1 10<br />
Somatische Coliphagen Anzahl pro 10 mL n.n. 1 10<br />
Enteropathogene Viren Anzahl pro 100 L n.n. 1 10<br />
Parasiten<br />
(Giardia/Cryptosporidien)<br />
Anzahl<br />
pro 100 L<br />
n.n. 1 10<br />
Hinsichtlich der Analysenmethoden verweist die südafrikanische Trinkwasserverordnung<br />
auf entsprechende amerikanische Standardtestmethoden (ASTM) sowie<br />
APHA-, AWWA-, WPCF-Methoden.<br />
Die Überwachung der Trinkwasserbeschaffenheit sowie die Durchführung entsprechender<br />
Maßnahmen bei Grenzwertüberschreitungen bleibt in der Praxis weitestgehend<br />
der Eigeninitiative der jeweiligen Wasserversorger vorbehalten. Eine staatliche<br />
Überwachung erfolgt bislang nicht.<br />
Die Kommunen überwachen die Wasserbeschaffenheit hinsichtlich mikrobiologischer<br />
Parameter. Organische Spurenstoffe werden allerdings routinemäßig nicht erfasst.<br />
Für eine Überwachung dieser Parameter wären kostengünstigere Analysenmethoden<br />
gewünscht.<br />
DWAF hat im September 2000 beschlossen, dass das abgegebene Trinkwasser ab<br />
01.09.2003 0,7 mg/L Fluorid enthalten muss. Ist im Rohwasser nicht genügend Fluorid<br />
enthalten, muss es dem Trinkwasser im Rahmen der Aufbereitung zudosiert werden.<br />
Einige Wasserversorger versuchen sich dem zu widersetzen mit dem Argument,<br />
dass unter Berücksichtigung der z.T. erheblichen Rohrleitungsverluste von bis<br />
35 % zu hohe Kosten für diese Maßnahme anfallen.<br />
In der südafrikanischen Verfassung ist festgeschrieben, dass der Bevölkerung eine<br />
Umwelt sicherzustellen ist, die die Gesundheit nicht gefährdet. So gibt es beispielsweise<br />
verschiedene Regelungen, die die Nutzung von Rohwasserressourcen regeln.<br />
Water Act 36 (1998) beinhaltet den Schutz der Wasserressourcen hinsichtlich einer<br />
nachhaltigen Nutzung.<br />
Der Water Services Act 108 (1997) regelt die Nutzung der Rohwasserressourcen,<br />
d.h. die Entnahme von Rohwasser zur Aufbereitung für die Trinkwasserversorgung<br />
sowie die Abwasserbehandlung zum Schutz der Flüsse.
88<br />
Zum Schutz der Flüsse gibt es gesetzliche Regelungen durch ein General Effluent<br />
Standard und ein Special Effluent Standard (Water Act 54 von 1956). In einem dreijährigen<br />
Projekt wird ein sogenanntes Water Discharge Charge System (WDCS)<br />
entwickelt, um Abwassereinleitungen in öffentliche Gewässer zu reglementieren.<br />
Dies ist angelehnt an das in Deutschland schon seit 1981 gültige Abwasserabgabengesetz.<br />
Die Water Research Commission (WRC) wurde 1971 gegründet, um die Forschung<br />
auf dem Gebiet Wasser zu unterstützen, voranzutreiben und zu koordinieren. So<br />
führt das WRC beispielsweise in Kooperation mit dem Department of Environmental<br />
Affairs and Tourism (DEAT) und dem DWAF Programme zur Beurteilung der Flusswasserbeschaffenheit<br />
durch. Hier wird beispielsweise auch der ökologische Zustand<br />
verschiedener Flussgebiete beurteilt.<br />
3 Allgemeine Angaben<br />
3.1 Rohwässer und wasserwirtschaftliche Situation<br />
Die Fläche der Republik Südafrika beträgt ca. 1,22 Mio. km². Nur 15 % der Gesamtfläche<br />
(18 Mio. km²) wird als kultivierbar eingeschätzt. 7 % sind bewaldetes Gebiet.<br />
12.700 km² werden bewässert. Natürliche Vorkommen sind Gold, Chrom, Antimon,<br />
Kohle, Eisenerz, Mangan, Nickel, Phosphate, Zinn, Uran, Diamanten, Platin, Kupfer,<br />
Vanadium, Salz, Erdgas. Die Küstenlinie am Atlantischen Ozean und am Indischen<br />
Ozean beträgt 2.798 km. Die höchste Erhebung ist der Njesuthi mit 3.408 m.<br />
Die Bevölkerung beträgt etwa 43,6 Mio. (2001), von denen 49 % auf dem Land wohnen.<br />
Die mittlere Bevölkerungsdichte beträgt etwa 33 pro km², sie reicht von<br />
> 100/km² in den Stadtgebieten der früheren Homelands zu 21 pro km² in den anderen<br />
Landesteilen. Die jährliche Demographische Entwicklungsrate liegt bei ca. 2,4 %.<br />
Namibia hat eine Bevölkerung von 2 Mio. und eine Wachstumsrate von 3 %. 50 %<br />
der Bevölkerung liegt unter der Armutsgrenze (2000). Die Inflationsrate beträgt ca.<br />
5 %, die Arbeitslosigkeit liegt bei 30 %.<br />
Etwa 80 % der Bevölkerung von Südafrika verwendet Oberflächenwasser als Rohwasser,<br />
20 % verwenden Grundwasser. Die gesamte Talsperrenkapazität Südafrikas<br />
wird mit 26.9 km³ eingeschätzt. Wie Bild 3.1 zeigt, weist Südafrika im Vergleich zu<br />
den anderen afrikanischen Staaten eine besonders hohe Talsperrendichte auf.
Praxiserfahrungen in anderen Ländern - Südafrika 89<br />
Bild 3.1: Talsperren in Afrika (FAO, 2000)<br />
Die Grundwasserressourcen betragen ca. 4.8 km³/a (2000), davon werden ca. 1,8<br />
km³ (1980) genutzt (World Ressources Institute, 2001). Es ist vorgesehen, die<br />
Grundwassernutzung insbesondere im westlichen Teil des Landes zu erhöhen, in<br />
dem es wenige beständige Flüsse gibt.<br />
Vor allem im ariden Westen von Südafrika wird vorwiegend Grundwasser genutzt. In<br />
den Regionen Witwatersrand, Südafrika und Grootfontein, Namibia ist die Grundwasserbeschaffenheit<br />
gut. Grundwasser minderer Qualität ist im Gebiet des Orange<br />
Flusses zu finden. Die Bevölkerung in diesem Gebiet, das etwa ein Drittel der gesamten<br />
Fläche von Südafrika ausmacht, nutzt fast ausschließlich Grundwasser.<br />
Die Wasserentnahme beträgt ca. 13,3 km³. Davon werden 72 % von der Landwirtschaft,<br />
11 % für die Industrie und 17 % von den Haushalten genutzt.
90<br />
30 % der Bevölkerung Südafrikas verwendet Wasser ohne Aufbereitung, 50 % der<br />
Bevölkerung hat keine hinreichenden sanitären Einrichtungen, was zu hoch kontaminierten<br />
Abschwemmungen in der Regenzeit führt. Damit haben auch punktuelle<br />
Einträge bspw. durch Kläranlagen in Flüsse insbesondere in den Trockenzeiten einen<br />
hohen Anteil an der gesamten Flusswassermenge.<br />
92 % der städtischen bzw. 80 % der ländlichen Bevölkerung haben Zugang zu einer<br />
Wasserquelle mit einer verbesserten Qualität (Worldbank, 2001).<br />
3.2 Klima<br />
Südafrika ist aufgrund seiner geografischen Ausdehnung geprägt von starken klimatischen<br />
Unterschieden, die sich sowohl in der Vegetation und damit in der landwirtschaftlichen<br />
Nutzbarkeit als auch in der Bevölkerungsdichte auswirken. In Nord-<br />
Südrichtung (latitude) sind es im Wesentlichen Temperaturgradienten, in West-Ost-<br />
Richtung (longitude) sind es deutliche Unterschiede in den Niederschlagsmengen.<br />
Damit zählt der Norden eher zu den Tropischen Gebieten, während der Süden als<br />
subtropisch oder sogar gemäßigt zu bezeichnen ist. Im Westen ist es hyperarid im<br />
Osten eher mesic. Im Nordosten treten die Niederschläge jahreszeitlich vor allem in<br />
den Sommermonaten von November bis Februar auf, während im Südwesten die<br />
Niederschläge unvorhersehbar und heftig auftreten. Hier sind heiße, trockene Sommer<br />
und regnerische Winter nicht ungewöhnlich. Insgesamt gesehen müssen die<br />
meisten Regionen über mehrere Monate im Jahr ohne Regenfälle auskommen.<br />
Demnach wird Wasser in Dämmen, Talsperren gespeichert, um über die trockenen<br />
Perioden wegzukommen. Im Südwesten ist dies besonders wichtig, da dort die niederschlagsarme<br />
Zeit in den heißen Sommermonaten stattfindet. Zusätzlich variieren<br />
die Niederschlagsmengen über die Jahre, so dass Wasser auch gespeichert werden<br />
muss, um in trockenen Jahren genügend Vorräte zu haben. Der Variationskoeffizient<br />
für den mittleren Abfluss in südafrikanischen Flüssen beträgt 117 % im Vergleich zu<br />
38 % in den USA, 22 % in Europa, 53 % in Victoria, Australien.<br />
Der mittlere jährliche Niederschlag liegt bei 451 mm/a, der von < 10 mm in den westlichen<br />
Wüsten bis 1.200 mm/a in den östlichen Landesteilen reicht. Ein großer Teil<br />
des Landes (21 %) wird als arid (< 200 mm/a Niederschlag) oder semi-arid (44 %<br />
des Landes mit einer Niederschlagsmenge von 200 bis 500 mm/a) eingestuft. Somit<br />
haben 65 % nicht ausreichend Niederschlag für eine erfolgreiche Bewirtschaftung<br />
von Feldern.<br />
Aufgrund dieser klimatischen Verhältnisse und der geologischen Strukturen gibt es in<br />
Südafrika nur wenige natürliche Oberflächenwässer, wobei Flüsse hier dominant<br />
sind. Seen sind im Landesinneren selten, da die Verdunstungsmengen größer sind<br />
als die Niederschlagsmengen. An der Küste finden sich jedoch einige Seen.
Praxiserfahrungen in anderen Ländern - Südafrika 91<br />
Flusswasser muss daher aufgestaut werden, wobei häufig Dämme gebaut werden,<br />
die den Wasserverbrauch von mehreren Jahren speichern können. Neben diesen<br />
großen Dämmen gibt es zehntausende kleinere Staudämme, die von Farmern angelegt<br />
wurden, um das Vieh zu tränken und Felder zu bewässern.<br />
In Südafrika werden Wassermengen über große Distanzen transportiert, um in den<br />
Ballungsgebieten eine ausreichende Wasserversorgung sicherzustellen. Beispielsweise<br />
ist geplant, Wasser aus den Zuflüssen des Orange Flusses in Lesotho durch<br />
riesige Tunnelsysteme in den Drachenbergen zum Vaal Fluss zu transportieren, um<br />
für die Gauteng-Region mit Johannesburg genügend Wasservorräte zu haben. 2,2<br />
Billionen m³ Wasser sollen nach Fertigstellung des Projektes jährlich geliefert werden.<br />
Sumpfgebiete („wetlands“) sind eine weitere Form von Oberflächenwasser, die jedoch<br />
üblicherweise nicht für die öffentliche Trinkwasserversorgung genutzt werden,<br />
für die Ökologie aber eine wesentliche Rolle spielen, da sie große Wassermengen<br />
speichern und so Hochwässer abschwächen können. Von insgesamt 800 wetlands<br />
in Südafrika unterliegen lediglich 14% dem Naturschutz.<br />
3.3 Struktur der Wassergewinnung, -aufbereitung und -verteilung<br />
In Südafrika liegen die Zuständigkeiten für Fassung, Aufbereitung und Verteilung<br />
üblicherweise in verschiedenen Händen. Die Bereitstellung und der Verkauf von<br />
Rohwasser an die Wasserwerke erfolgt durch das Ministerium für Wasserangelegenheiten<br />
und Forst (Department of Water Affairs and Forestry, DWAF). Die Aufbereitung<br />
des Rohwassers erfolgt in Verantwortung der Wasserwerke, während die<br />
Verteilung des Trinkwassers und der Verkauf an die Verbraucher durch die Kommunen<br />
erfolgt. In einzelnen Fällen vereinen Organisationen alle drei Funktionen.<br />
Die Versorgung der Ballungsgebiete erfolgt aus – gemessen an deutschen Verhältnissen<br />
– relativ großen Wasserwerken mit Kapazitäten von mehreren m³/s. Im ländlichen<br />
Raum sind dagegen zahlreiche kleine und kleinste Versorgungsanlagen vorhanden.<br />
Der größte Wasserversorger ist Rand Water. Rand Water wurde bereits 1903 gegründet,<br />
um die Wasserversorgung in und um Johannesburg sicherzustellen. Die<br />
Organisation wurde so ausgelegt, dass die Kosten für die Wasserbereitstellung gedeckt<br />
werden, ohne dass eine Unterstützung durch die Regierung erforderlich wurde.<br />
Der Vorstand (Board) setzt sich aus Personen aus den Kommunen, Minen, Gewerbe,<br />
Industrie und der Regierung zusammen. 1923 wurde am Vaal Fluss der erste<br />
Damm mit einer Kapazität von 2.603 Mio. m³ gebaut. Heute verteilt Rand Water pro<br />
Tag 3 Mio. m³ an 10 Mio. Personen. Im Einzugsgebiet von Rand Water mit einer<br />
Größe von 18.000 km² finden mehr als 50 % der wirtschaftlichen Aktivitäten Südafri-
92<br />
kas statt. 60 % des von Rand Water aus dem Vaal Fluss entnommenen Wassers<br />
kommt als Abwasser zurück in den Fluss. Viele Minenbetreiber sind gezwungen,<br />
Überlegungen anzustellen, um die aus den Minen abgepumpten Wässer erst nach<br />
entsprechender Behandlung in die Vorfluter zu leiten oder zur Beregnung im landwirtschaftlichen<br />
Bereich zu nutzen oder direkt als Trinkwasser verteilen zu können.<br />
Rand Water verfolgt Überwachungsprogramme für Roh- und Reinwasser, um die<br />
Wasserqualität sicherzustellen und im Bedarfsfall entsprechend eingreifen zu können.<br />
3.4 Wasserverbrauch<br />
Der gesamte Wasserverbrauch teilt sich auf in 54 % für Bewässerung, 19 % Umwelt,<br />
11 % Stadt und Haus, 6 % Minen und Industrie, 6 % Aufforstung.<br />
Bewässerte Landwirtschaft findet auf 1,3 Mio. ha Fläche statt, wofür pro Jahr ca.<br />
12,3 Mrd. m³ Oberflächen- und Grundwasser verwendet werden. Als Bewässerungsmethoden<br />
werden in 53 % der Fälle Sprinkler, in 18,5 % der Fälle Tropfenbewässerung<br />
eingesetzt. In 28,5 % der Fälle werden Felder, Wiesen, Gräben etc. geflutet.<br />
Aufgrund mangelnder demoskopischer Erhebung von Bevölkerungszahlen ist ein<br />
Pro-Kopf-Verbrauch an Trinkwasser schlecht abzuschätzen. Geschätzt wird er auf<br />
ca. 50 L pro Tag. In den Ballungsgebieten liegt der Verbrauch bei mehr als 100 L pro<br />
Einwohner und Tag. Der größte Anteil der Bevölkerung, insbesondere die armen Bevölkerungsschichten,<br />
ist noch nicht an die öffentliche Wasserversorgung angeschlossen.<br />
Sie erhalten im Monat 6 m³ Wasser kostenlos über öffentliche Zapfstellen.<br />
Für die Besitzer von Gärten und Schwimmbädern gibt es Auflagen zur Bewässerung<br />
und zur Abdeckung der Wasserflächen, um die Verdunstungsraten zu minimieren.<br />
Der Bewuchs mit fremden Pflanzen wird landesweit mit Sorge betrachtet. Aus Australien<br />
eingeschleppte Pflanzen (z.B. Gumtrees und Wattle), die in Südafrika nicht<br />
heimisch sind, nehmen deutlich mehr Wasser auf. In einigen Regionen wird deshalb<br />
die Weiterverbreitung dieser Pflanzen zu verhindern versucht. ABM-Maßnahmen zur<br />
Entfernung dieser Pflanzen. Rand Water hat in den vergangenen 3 Jahren 10 Mio. R<br />
(ca. 1 Mio. EUR) in solche Programme investiert. Neben Bäumen werden auch<br />
Wasserrosenarten entfernt, die zwar einen positiven Effekt auf die Wasserbeschaffenheit<br />
haben, aber einen hohen Wasserverbrauch aufweisen und deshalb entfernt<br />
werden.
Praxiserfahrungen in anderen Ländern - Südafrika 93<br />
DWAF gibt den Wasserwerken auf, ein sogenanntes Wasserverbrauchsmanagement<br />
durchzuführen. Dies beinhaltet die Reparatur von Rohrnetzleckagen, Einbau<br />
wassersparender Armaturen, Vorgaben zur Bewässerung von Gärten, Erhöhung der<br />
Wasserkosten mit zunehmendem Wasserverbrauch. In Windhoek resultierten derartige<br />
Maßnahmen in einem Rückgang des Wasserverbrauches um 30-50 % über 8<br />
Jahre. Im Greater Hermanus Gebiet, Südafrika, konnte der Wasserverbrauch in einem<br />
Jahr um 16,5 % gesenkt werden. Solche Wasserverbrauchsmanagementmaßnahmen<br />
werden allerdings behindert durch hohe Investitionskosten, Interessen privater<br />
Wasserwerke, Ingenieurbüros, die sich durch den Bau von Dämmen finanzieren.<br />
4 Wasserbeschaffenheit<br />
Die ausgeprägte Gesteinsstruktur in Südafrika hat einen wesentlichen Einfluss auf<br />
die mineralischen Wasserinhaltsstoffe der Oberflächenwässer.<br />
Die Wasserbeschaffenheit der Flüsse wird beeinflusst durch Einleitungen aus der<br />
Industrie und Minen, kommunale Abwassereinleitungen, landwirtschaftliche Einflüsse<br />
durch Dünger und Pestizide und Aufsalzungen durch unsachgemäße Beregnungsmaßnahmen.<br />
Zu den Verunreinigungen kommen ferner Kanalisierungsmaßnahmen<br />
in den Stadtgebieten. Die Abholzung von Wäldern entlang der Flüsse hat ebenfalls<br />
einen negativen Einfluss auf die Wasserbeschaffenheit. Im „State of the river report“<br />
wurden drei Flussgebiete näher betrachtet und die Flusswässer hinsichtlich ihrer<br />
limnologischen Beschaffenheit anhand eines Bewertungssystems (SASS = south<br />
african scoring system) in Katagorien eingeteilt. Die Wassertemperaturen schwanken<br />
im Wesentlichen im Bereich zwischen 10 und 22 °C, wobei hier örtlich geringere<br />
Schwankungen auftreten. Neben der Flusswasserbeschaffenheit wurden auch die<br />
flussnahe Vegetation sowie Veränderungen in die Bewertung des ökologischen Zustandes<br />
einbezogen. Es wurde in die Kategorien natural, good, fair, poor, unacceptable<br />
unterteilt, wobei in einem Flussgebiet je nach Einteilung in kleinere Regionen<br />
meist alle Kategorien vertreten sind.<br />
Einträge durch Dünger und kommunale Abwassereinleitungen verursachen die Eutrophierung<br />
der Stauseen und stellen höhere Anforderungen an die Wasseraufbereitung.<br />
Zum Teil werden Probleme aber auch durch erosive Auswaschungen bei starken<br />
Niederschlägen mit hohen Trübungen verursacht. Während die Trübungen meist<br />
unter 10 FNU liegen, können vereinzelt Werte bis 150 und in einem Fall auch 1200<br />
FNU auftreten.<br />
Bei den überwiegend genutzten Talsperrenwässern handelt es sich überwiegend um<br />
sehr gering mineralisierte, praktisch ungepufferte Wässer mit erhöhten und stark
94<br />
schwankenden Trübstoffgehalten. Teilweise enthalten diese Wässer nicht unerheblihe<br />
Gehalte an Huminstoffen und Algen. Zum Teil liegen erhöhte Mangangehalte vor.<br />
Die pH-Werte in diesen Wässern liegen meist im Bereich zwischen 4,6 und 6. Einzelne<br />
Wässer weisen allerdings auch pH-Werte größer 7 auf.<br />
Hinsichtlich des Gehaltes an organischen Wasserinhaltsstoffen wird meist die Färbung<br />
im Vergleich zur Platinskala gemessen. Im Wasserwerk George war die Färbung<br />
mit Werten im Bereich von 700 bis 1000 mg/L Pt sehr hoch. Vereinzelt liegen<br />
auch Werte für die UV-Absorption bei verschiedenen Wellenlängen vor. In den Talsperren<br />
des Westkaps liegt die UV-Absorption bei 300 nm (40 mm Küvette) im Bereich<br />
von 0,1 bis 2 1/m. Die Talsperrenwässer in Durban weisen TOC-Gehalte zwischen<br />
4 und 14 mg/L auf.<br />
Saisonal treten in vielen Staudämmen Geruchs- und Geschmacksprobleme auf, die<br />
vermutlich durch Massenentwicklungen verschiedener Algenspezies bzw. deren<br />
Stoffwechselprodukte bedingt sind. Bei den Toxinen handelt es sich im Wesentlichen<br />
um Geosmin und Methylisoborneol (MIB). Die Gehalte können örtlich Werte bis 300<br />
ng/L Geosmin erreichen. Umgeni gibt Werte für den Algengehalt im Bereich von<br />
2000 bis 35.000 Zellen/mL an. Chlorophyll bis 10 µg/L.<br />
Hinsichtlich der mikrobiologischen Belastung der Talsperrenwässer liegen kaum Ergebnisse<br />
vor. In der Regel wird lediglich das Reinwasser untersucht. Hier liegen die<br />
Koloniezahlen kleiner 20 pro mL. E.coli und Coliforme sind nicht nachweisbar. An<br />
einigen Talsperren wurden Untersuchungsprogramme durchgeführt, um die Belastung<br />
hinsichtlich Parasiten zu ermitteln. Die Belastungen sind gering. Andere Talsperren<br />
planen solche Untersuchungen erst.<br />
Die Rohwassertemperaturen schwanken im Bereich von 8 bis 26°C.<br />
Über die Beschaffenheit der Grundwässer in Südafrika liegt ein elektronischer Atlas<br />
vor [2]. Darin sind Karten über die chemisch-physikalische Zusammensetzung, insbesondere<br />
die Parameter Calcium, Magnesium, Natrium, Kalium, Chlorid, Sulfat,<br />
Nitrat, Fluorid, Silikat, Hydrogencarbonat, Gesamtsalzgehalt, Härte, pH-Wert enthalten.<br />
Wie beispielhaft aus Bild 4.1 hervorgeht, sind die Grundwässer hart.<br />
Der Gesamtsalzgehalt liegt überwiegend im Bereich von 750 – 1000 mg/L, vereinzelt<br />
unter 450 mg/L bzw. über 1000 mg/L. Die Chloridgehalte sind überwiegend im Bereich<br />
kleiner 20 aber vereinzelt auch bis 2000 mg/L Die Grundwässer sind praktisch<br />
nicht mit Nitrat belastet. Die Sulfatgehalte sind vergleichsweise gering. Auch hier bilden<br />
die Wässer im Nordwesten des Landes eine Ausnahme mit Werten bis über<br />
1000 mg/L Sulfat.<br />
Der Calciumgehalt beträgt überwiegend kleiner 100 mg/L und erreicht im Westen<br />
des Landes vereinzelt 300 mg/L. Das Verhältnis von Calcium zu Magnesium beträgt
Praxiserfahrungen in anderen Ländern - Südafrika 95<br />
im Mittel 0,5 – 2. Fluorid ist in vielen Grundwässern unter den geforderten 0,7 mg/L,<br />
erreicht aber in den Gebieten nordwestlich des Landes bis 3 mg/L.<br />
Bild 4.1: Härte des Grundwassers in Südafrika [2]<br />
Die WRC berichtet über die Qualität von Oberflächen- und Grundwasser im Hinblick<br />
auf Gehalte an Pestiziden in den ländlichen Bereichen des Westkaps [3]. Darin werden<br />
als Substanzgruppen insbesondere Endosulfane und Chlorpyrifos genannt. In<br />
50% der untersuchten Proben wurden diese Substanzen nachgewiesen, wobei die<br />
Gehalte im Mittel 0,4 µg/L betrugen bei maximalen Werten bis 40 µg/L. Über Arzneimittel<br />
und endokrine Substanzen liegen keine Werte vor.<br />
5 Aufbereitung<br />
Zur Aufbereitung der in Südafrika für die Trinkwasserversorgung hauptsächlich genutzten<br />
Talsperrenwässer werden mehrstufige konventionelle Verfahrensstufen hintereinander<br />
geschaltet. Zum Einsatz kommen dabei die Verfahren Flockung/Fällung,<br />
Sedimentation, Flotation, Filtration, in Kombination mit Ozonung, Desinfektion und<br />
der Zugabe von Zusatzstoffen wie Pulveraktivkohle, Flockungs- sowie Flockungshilfsmittel<br />
und Chemikalien zur Einstellung des pH-Wertes und der Pufferung. Die Art<br />
und Reihenfolge der einzelnen Verfahrensstufen ist in den verschiedenen besuchten<br />
Wasserwerken unterschiedlich und hängt von der jeweiligen Rohwasserbeschaffen-
96<br />
heit ab. Detaillierte Angaben zu den Wasserwerken sowie eine Fotodokumentation<br />
befinden sich in den Anlagen 1 und 2 zu diesem Bericht.<br />
Wenn Grundwasser zur Trinkwasserversorgung genutzt wird, dann überwiegend ohne<br />
weitergehende Aufbereitung zum Teil auch ohne Desinfektion. An der Küste wird<br />
in einem Fall das Verfahren der Umkehrosmose zur Meerwasserentsalzung eingesetzt.<br />
Das Rohwasser wird über Bohrungen entnommen und direkt nach einem Vorfilter<br />
der UO zu geführt. Hierbei handelt es sich um ein spezielles System, bei dem<br />
keine Zusatzstoffe erforderlich sind.<br />
Aufgrund der klimatischen Verhältnisse besteht in Südafrika keine Notwendigkeit, die<br />
Wasseraufbereitung einzuhausen, wie dies in Deutschland aufgrund der frostigen<br />
Temperaturen im Winter erforderlich wird. In den Wasserwerken sind einzelne Verfahrensstufen<br />
teilweise überdacht oder eingehaust, teilweise aber auch offen und<br />
unter freiem Himmel. Es hängt von den jeweiligen örtlichen Gegebenheiten ab, welche<br />
Verfahrensstufe eingehaust oder überdacht wird und welche nicht. In Kapstadt<br />
wurden bspw. die Sedimentationstanks überdacht, da sonst durch zeitweise starke<br />
Winde der Sedimentationsprozess gestört würde. Die nachgeschaltete Filterstufe ist<br />
dagegen offen ohne Überdachung ausgeführt. Bei Magalies Water ist dagegen die<br />
Sedimentation offen und die Filtration ist eingehaust.<br />
Die Desinfektion erfolgt meist mit Chlorgas oder Chlorbleichlauge. In vielen Wasserversorgungen<br />
wurde das Desinfektionsverfahren auf Chlor + Ammonium umgestellt<br />
und damit eine Verbesserung der Trinkwasserbeschaffenheit erzielt. Damit kann außerdem<br />
eine Desinfektionskapazität im Versorgungsnetz aufrechterhalten und eine<br />
Wiederverkeimung des Trinkwassers im Netz verhindert werden. Hier spielt die<br />
Rückmeldung durch die Verbraucher eine ausschlaggebende Rolle.<br />
Besondere Zusatzstoffe wie z.B. Pulveraktivkohle müssen importiert werden, da hierfür<br />
in Südafrika kein Markt vorhanden ist, vor allem da PAC nur saisonal und diese<br />
auch nicht in jedem Jahr zur selben Zeit eingesetzt werden muss. Die größeren<br />
Wasserwerke arbeiten derzeit mit den kleineren Wasserwerken eine Strategie aus,<br />
wie die Verfügbarkeit von Pulverkohle für den Bedarfsfall sichergestellt werden<br />
Kann. Ozon wird aus Luft hergestellt, da flüssiger Sauerstoff zu teuer wäre. Für Zusatzstoffe<br />
gibt es keine Qualitätskriterien (Bsp. FeCl 3 in Durban). Deshalb wird Billigware<br />
bevorzugt. Vor dem Kauf werden Vergleichsangebote eingeholt. Die größeren<br />
Wasserwerke führen auch aufwändige Testreihen durch, um das am besten geeignete<br />
Produkt zu ermitteln.<br />
Die größeren Wasserwerke werden üblicherweise rund um die Uhr betrieben, meist<br />
in 3 Schichten à 8 Stunden oder 2 Schichten à 12 Stunden. Das Betriebspersonal<br />
kleinerer Wasserwerke ist meist nur werktags vor Ort für Kontrollmessungen. Ein<br />
Bereitschaftsdienst besteht für das Wochenende.
Praxiserfahrungen in anderen Ländern - Südafrika 97<br />
Aufgrund der kostenpflichtigen Rohwasserentnahme wird Filterspülwasser grundsätzlich<br />
gesammelt und nach einer Behandlung, die üblicherweise über ein Absetzbecken<br />
erfolgt, als Klarwasser dem Rohwasser wieder zugegeben. Das Schlammwasser<br />
wird in einigen Fällen in die Kanalisation abgegeben. Es gibt aber auch einige<br />
Wasserwerke, die über eine weitergehende Schlammbehandlung mit Eindicker<br />
und Trockenbeeten verfügen.<br />
Den Talsperrenwässern werden im Zulauf zum Wasserwerk verschiedene Chemikalien<br />
zugesetzt, um den pH-Wert für die nachgeschaltete Flockung einzustellen. Üblicherweise<br />
wird Kalkmilch zugesetzt und der pH-Wert dadurch soweit angehoben,<br />
dass eine chemische Entmanganung gelingt. Die eingesetzte Kalkmilch wird vor Ort<br />
hergestellt. In einzelnen Fällen sind Kalksättiger im Einsatz. Für die Beherrschung<br />
von algenbürtigen Geschmack- und Geruchsstoffen wird saisonal außerdem Pulveraktivkohle<br />
zugesetzt. Die pH-Wert-Anhebung dient ferner der Einstellung des für die<br />
Flockung optimalen pH-Wertes. Der Eintrag der Zusatzstoffe für die pH-Wert-<br />
Anhebung und die Flockung erfolgen über mehrere hydraulische Sprünge, wie dies<br />
beispielhaft Bild 5.1 zeigt.<br />
Bild 5.1: Dosierung von Flockungsmittel (Wiggins Water)<br />
Statische Mischer oder Rührer werden dagegen praktisch nicht eingesetzt. Die Flockenausbildung<br />
erfolgt ebenfalls nicht durch geregelten Energieeintrag mittels Rührer<br />
sondern über mäanderförmig angeordnete Kanäle (Bild 5.2) mit abnehmendem
98<br />
Energieeintrag, in denen die Verweilzeit des Wassers über die Einstellung der<br />
Durchflussmenge geregelt ist. Die Aufenthaltszeit des Wassers in der gesamten Flockungsstufe<br />
liegt zwischen 10 und 15 Minuten. Die zusätzliche Verwendung von Flockungshilfsmittel<br />
ist weit verbreitet. In der Regel handelt es sich dabei um schwach<br />
anionische Polyacrylamide. Das FHM wird meist auf halber Strecke in der Flockenausbildung<br />
eingesetzt. Zur Flockung kommen Mittel auf Aluminiumbasis oder Eisen(III)-salze<br />
in flüssiger Form zum Einsatz.<br />
Eine Chlorung zu Beginn des Aufbereitungsprozesses erfolgt aufgrund der Gefahr<br />
der Bildung von Desinfektionsnebenprodukten nicht.<br />
In einigen Werken erfolgt die Entfernung der ausgebildeten Flocken über Flotationsanlagen,<br />
die teilweise mit einer Filtration kombiniert sind. Es sind Verfahrensvarianten<br />
im Einsatz, die im Gegenstrom betrieben werden. Der Schlammaustrag wird<br />
durch Einbringen feinblasiger Luft vereinfacht. In einem Wasserwerk wurde berichtet,<br />
dass die Flotation je nach Algenblüte nur mit dem entsprechenden Flockungsmittel<br />
gelingt. Der Flotation ist immer eine Filtration nachgeschaltet. Anstelle Flotation wird<br />
der Flockung meist eine Sedimentation nachgeschaltet.<br />
Bild 5.2: Flockenausbildung vor der Flotation (Schoemansville)<br />
Die Sedimentationsbecken weisen Füllhöhen von 4 bis 6 m sowie Flächenbelastungen<br />
von 2 bis 6 m³/m² h auf. Hieraus errechnen sich Verweilzeiten von rd. zwei bis<br />
drei Stunden. In einem Wasserwerk wurde durch spezielle Einbauten das Sedimentationsverhalten<br />
und damit die Ablauftrübung verbessert. Die Ablauftrübungen der<br />
Sedimentationsbecken wurden mit 0,6 bis 1,6 FNU angegeben.
Praxiserfahrungen in anderen Ländern - Südafrika 99<br />
Das Wasser aus der Sedimentationsstufe wird in der Regel in abwärts durchströmten<br />
Einschicht-Sandfiltern weiter behandelt. In einem Wasserwerk erfolgt nach der<br />
Sedimentation eine Sekundärdosierung von Flockungsmittel, gefolgt von einer Flotation<br />
mit kombinierter Filtration. Bei den Einschichtfiltern handelt es sich um offene<br />
Stahlbetonfilter in Rechteckbauweise. Als wirksame Filterschicht ist Sand im Korngrößenbereich<br />
von 0,6 bis 0,9 mm im Einsatz. Die Drainage bzw. Spülwasserverteilung<br />
erfolgt durch Kanäle im Filterboden. Die Stützschichten bestehen aus Kiesen<br />
verschiedenster Korngrößen und weisen eine Gesamthöhe von ca. 0,3 bis 0,5 m auf.<br />
Der Filterüberstau bzw. der Freibord beträgt zwischen 0,7 und 1,0 m. Übliche Filtergeschwindigkeiten<br />
betragen zwischen 5 und 7 m/h. Gespült werden die Filter in Abständen<br />
von 24 bis 72 Stunden in Abhängigkeit von der Rohwasserbeschaffenheit<br />
und der Flockungsmittelzugabemenge mit Luft und Wasser bei Spülwassergeschwindigkeiten<br />
von 40 bis 50 m/h über die Dauer von sechs bis acht Minuten bis<br />
zum optischen Aufklaren des Spülwassers.<br />
Das Spülabwasser aus den Filtern wird üblicherweise in Absetzbecken gesammelt<br />
und das Klarwasser dem Rohwasser zugeführt. Der Schlamm aus den Absetzbecken,<br />
der Flotation sowie der Grundablass aus den Sedimentationsanlagen wird teilweise<br />
einer Schlammbehandlungsanlage zugeführt oder in die Kanalisation abgeleitet.<br />
Aktivkohlefilter werden selten eingesetzt. In Rietvlei dienen sie der Entfernung algenbürtiger<br />
Substanzen. Für die größeren Wasserwerke kommt diese Verfahrensstufe<br />
allerdings aus Kostengründen nicht in Betracht.<br />
Einen Sonderfall stellt die Aufbereitung von Kläranlagenablauf in Windhoek dar. Hier<br />
sind sogar zwei Aktivkohlefiltrationsstufen hintereinander geschaltet, wobei eine adsorptiv,<br />
die andere biologisch arbeiten soll. In diesem Fall soll sichergestellt sein,<br />
dass die im Rohwasser enthaltenen unerwünschten organischen Wasserinhaltsstoffe<br />
sicher entfernt werden. Der Aktivkohlefiltration ist eine Flockung, Flotation,<br />
Schnellfiltration und Ozonung vorgeschaltet sowie eine Ultrafiltration und Desinfektion<br />
nachgeschaltet. Durch das mehrstufige Verfahren soll aus dem Wasser des Ablaufs<br />
einer konventionellen Kläranlage einwandfreies Trinkwasser hergestellt werden.<br />
Die Anlage deckt 50 % des Gesamtverbrauchs der Stadt Windhoek.<br />
In den Talsperrenwasserwerken erfolgt zum Abschluss der Aufbereitung eine pH-<br />
Werteinstellung durch Zugabe von Kalkmilchsuspension, die vor Ort aus Calciumoxid<br />
bzw. Calciumhydroxid hergestellt wird. In einigen Werken wird zusätzlich CO 2<br />
zugegeben, um die Pufferung des Wassers zu erhöhen. Dies erfolgt vor allem aufgrund<br />
korrosionschemischer Aspekte.<br />
Abschließend wird das Trinkwasser meist mit Chlor desinfiziert. Viele Wasserversorger<br />
haben das Desinfektionsverfahren auf Chlor + Ammonium umgestellt. Die Chlorzugabemengen<br />
betragen ca. 1 bis 4 mg/L Chlor.
100<br />
Derzeit diskutieren die Wasserwerke über die Umsetzung der staatlichen Forderung<br />
der Einhaltung eines Fluorid-Gehaltes von 0,7 mg/L im abgegebenen Trinkwasser.<br />
Bei den hohen Wasserverlusten in den Versorgungsnetzen und der anteilmäßig geringen<br />
Nutzung des Trinkwassers als Lebensmittel ist die Dosierung aus wirtschaftlichen<br />
Gründen fragwürdig.<br />
6 Verteilung<br />
Die Verteilung des Trinkwassers obliegt den Kommunen. Für die Wasserwerke endet<br />
die Verantwortlichkeit am Reinwasserbehälter. Reinwasserbehälter sind in großer<br />
Zahl vorhanden. Teilweise werden sehr große Reinwasserbehälter betrieben. In<br />
Kapstadt ist beispielsweise ein Behälter mit einem Fassungsvermögen von 640.000<br />
m³ in Planung. Bild 6.1 zeigt einen Blick auf das Wiggins Wasserwerk, aus dem die<br />
Größe des betriebenen Reinwasserbehälters zu erkennen ist (Bezeichnung F).<br />
Bild 6.1: Übersicht Wiggins Water (UMGENI)<br />
A – Rohwasserzulauf, B – Ozon mit Erzeugung und Reaktionsbecken,<br />
C – Chemikaliendosierung, D – Sedimentation, E – Filtration, F – Reinwasserbehälter<br />
(I=124.000 m³)<br />
Die Versorgungsgebiete der größeren Wasserwerke sind sehr groß. Rand Water<br />
versorgt 10 Mio. Personen im Mittel pro Tag mit 3.400.000 m³ in einem Gebiet mit
Praxiserfahrungen in anderen Ländern - Südafrika 101<br />
einer Fläche von 18.000 km². Das Netz weist 9.500 km auf und enthält 83 Reinwasserbehälter<br />
sowie 33 Wassertürme.<br />
Wiggins Water verteilt Wasser in einem Gebiet von 24.000 km². Magalies Water betreibt<br />
520 km Versorgungsnetz, mit einer maximalen Entfernung von 120 km. Die<br />
Verweilzeit wird hier mit 7 Tagen angegeben. In George werden 150.000 Einwohner<br />
versorgt.<br />
Das Trinkwasser wird in Leitungen aus Stahlbeton bzw. aus Stahl, der mit 12 mm<br />
Beton beschichtet ist, transportiert. Kleinere Transport- und Verteilungsleitungen bestehen<br />
aus Stahl, die teilweise mit Epoxiden beschichtet sind. PVC wird nur im Ausnahmefall<br />
verwendet. Die Netzverluste liegen zwischen 9 und 30 %.<br />
Viele Wasserwerke haben die Desinfektion von Chlor auf Chlorammin umgestellt.<br />
Der Einsatz von Chlorammin und Natriumsilikat als Korrosionsinhibition in Stahlleitungen<br />
wird im Bericht des WRC Nr. 779/1/00 beschrieben. Die Restgehalte an<br />
Chlor betragen zwischen 0,5 und vereinzelt bis 1,9 mg/L.<br />
In den ländlichen Regionen speichert die Bevölkerung ihr Wasser für den täglichen<br />
Gebrauch in Behältern, die z.T. aus Kunststoff, z.T. aus Edelstahl bestehen. Das<br />
Wasser reicht meist für zwei Tage. Untersuchungen zeigten, dass diese Art der<br />
Speicherung problematisch ist, insbesondere hinsichtlich hygienischer Bedingungen.<br />
7 Kosten<br />
Für das Rohwasser müssen die Wasserwerke zwischen 0,3 R und 1,5 R pro m³ an<br />
das DWAF bezahlen. 1 R entspricht ca. 0,1 €. Die Wasserwerke verkaufen das aufbereitete<br />
Trinkwasser anschließend für 1,15 R bis 2,5 R pro m³ an die Kommunen<br />
weiter (Magalies Water).<br />
Bei Rand Water kostet das Rohwasser 1,2 R pro m³, das sind 80 % der Produktionskosten.<br />
Die Verbraucher zahlen in Abhängigkeit vom Wasserverbrauch. Während<br />
die ersten 6 m³ pro Monat kostenlos sind, wird bei einem Wasserverbrauch<br />
zwischen 7 und 15 m³ z.B. 3,8 R/m³ pro m³ (George) bezahlt.<br />
In Windhoek, Namibia liegen die Kosten aufgrund der aufwändigen Technik höher,<br />
wie aus Tabelle 7.1 hervorgeht.<br />
Tabelle 7.1: Trinkwasserkosten Windhoek, Namibia<br />
Verbrauchte Wassermenge Kosten, N$ pro m³
102<br />
0-6 m³ 3,51<br />
6-45 m³ 5,7<br />
>45 m³ 7<br />
1 N$ = 1 R = 0,10 €<br />
8 Zusammenfassung<br />
Die Trinkwassergewinnung in Südafrika erfolgt zu etwa 80 % aus Talsperrenwasser.<br />
Hierbei handelt es sich im Wesentlichen um ungepufferte Wässer mit zeitweise erhöhten<br />
Trübstoffgehalten (< 150 FNU) sowie erhöhten Huminstoffgehalten<br />
(< 20 mg/L). In den Talsperren tritt typischerweise ein vermehrtes Algenwachstum<br />
auf.<br />
Die Wasseraufbereitung in Südafrika erfolgt auf einem hohen Niveau. Die Trinkwasserbeschaffenheit<br />
ist allgemein gut. Die Wasserversorger beherrschen auch extreme<br />
Rohwassersituationen. Insbesondere aufgrund hoher Algengehalte im Rohwasser,<br />
verbunden mit erhöhten Gehalten an Geruchs- und Geschmackstoffen wie z.B.<br />
Geosmin und Methylisoborneol, ist die Zugabe von Pulveraktivkohle erforderlich. In<br />
den meisten Wasserwerken erfolgt dies allerdings nur zeitweise. Aufgrund der hohen<br />
Kosten pro kg Pulveraktivkohle wird damit sparsam umgegangen und versucht, zunächst<br />
nur mit Flockungsmitteln und Flockungshilfsmitteln auszukommen. In einigen<br />
Werken sind erhöhte Rohwassertrübungen störend, in einem Werk ist eine sehr<br />
starke Färbung des Wassers verursacht durch Huminstoffe ohne Trübung zu beherrschen.<br />
Um den Flockungsprozess zu verbessern, werden bei trübstoffarmen<br />
Wässern Zusatzstoffe wie z.B. Bentonit als Kristallisationskeime für die Flockung<br />
zudosiert. Da es für die eingesetzten Zusatzstoffe keine Qualitätskriterien gibt, kann<br />
es vorkommen, dass im Aufbereitungsprozess zwar Mangan weitestgehend entfernt<br />
wird, aber bei der abschließenden pH-Wert-Einstellung braune Kalkmilch verwendet<br />
wird, die durch Mangan verunreinigt ist. Dadurch erhöht sich der Mangangehalt im<br />
abgegebenen Trinkwasser. Auch Eisenchlorid als Flockungsmittel enthält Mangan<br />
als Verunreinigung.<br />
Bei der Wasserverteilung liegt der Gehalt an freiem Chlor oft über > 0,5 mg/L. In den<br />
ländlichen Regionen wird das Trinkwasser oft in Zwischenbehältern gespeichert.<br />
Beachtlich sind das Wissen und die Forschungskapazität des WRC in Pretoria. Das<br />
zentrale Institut für Wasserforschung ist ein Partner für zahlreiche internationale Forschungs-<br />
und Entwicklungsvorhaben.
Praxiserfahrungen in anderen Ländern - Südafrika 103<br />
9 Literatur und Links<br />
[1] SABS South Africa Bureau of Standards. Specifications for Water for domestic<br />
supplies. 241/1984 (1984)<br />
[2] Simonic, M.: WRC k5/841. Elektronischer Atlas über die Grundwasserbeschaffenheit.<br />
Beispiel in der Anlage auf der CD.<br />
[3] London, L.; Dalvie, M.A.; Cairncross, E.; Solomons, A.: The Quality of surface<br />
and groundwater in the rural western cape with regard to pesticides. WRC<br />
Nr.795/1/00.<br />
Water Research Commission: <br />
Randwater (Wasserversorger): <br />
Umgeni Water (Wasserversorger): <br />
10 Anlagen (auf CD beigefügt)<br />
- Anlage 1: Kurzbeschreibungen der besuchten Wasserwerke (Steckbriefe)<br />
- Anlage 2: Kurzbeschreibung der Fotodokumentation<br />
- Bilddokumentation zu den Wasserwerken:<br />
• Rietvlei<br />
• Schoemansville<br />
• Magalies Water<br />
• Zuikerbosch, Rand Water<br />
• Wiggins Water, Umgeni<br />
• Albany Coast<br />
• George<br />
• Blackheath, Cape Town<br />
• Faure, Cape Town<br />
• Kloof Nek, Cape Town<br />
• Bilddokumentation Wasserwerk Goreangab (Namibia)<br />
- Gesetzestexte<br />
- Daten zur Grundwasserbeschaffenheit (elektronischer Atlas)
104
Thailand
106<br />
1 Einleitung<br />
Im Rahmen des Projektverbundes „Exportorientierte Forschung und Entwicklung auf<br />
dem Gebiet der Wasserver- und -entsorgung, Teil 1: Trinkwasser“ wurden innerhalb<br />
von Rahmenprojekt 1, Teil A Wasserwerke in Thailand aufgesucht, um einen Überblick<br />
über die dortigen Randbedingungen und Strukturen der Wasserversorgung,<br />
-aufbereitung und -verteilung zu erhalten.<br />
Dabei wurden insgesamt neun Wasseraufbereitungsanlagen besichtigt, darunter ein<br />
Wasserwerk, das unter der Betriebsführung von Thames Water, der Führungsgesellschaft<br />
sämtlicher Wasseraktivitäten von RWE, betrieben wird. Dieses Wasserwerk<br />
stellt das bisher einzige BOT (Build Operate Transfer) Projekt in Thailand dar.<br />
Die übrigen Wasserwerke werden von der Provincial Water Authority (PWA) bzw.<br />
der Metropolitan Water Authority (MWA) betrieben. In Tabelle 1.1 sind die besuchten<br />
Wasserwerke und die jeweiligen Betreiber aufgeführt. Die Lage der in Thailand aufgesuchten<br />
Wasserwerke ist in Bild 1.1 zusätzlich markiert.<br />
Tabelle 1.1: Liste der zur Datenerhebung aufgesuchten Wasserwerke<br />
Name WVU Provinz Betreiber Rohwasser<br />
Pathumtanee<br />
Nakorn Nayok<br />
Khon Kaen<br />
Udonthani<br />
Nong Kai<br />
Chiang Mai<br />
Chinag Mai<br />
Pathum Thani<br />
Nakorn Nayok<br />
Khon Kaen<br />
Udonthani<br />
Nong Kai<br />
Chiang Mai<br />
Lamphun<br />
RWE<br />
Thames Water<br />
PWA<br />
Regional Office 2<br />
PWA<br />
Regional Office 6<br />
PWA<br />
Regional Office 7<br />
PWA<br />
Regional Office 7<br />
PWA<br />
Regional Office 9<br />
PWA<br />
Regional Office 9<br />
Kapazität<br />
in (m³/d)<br />
Fluss 290.000<br />
Talsperre 25.000<br />
Fluss /<br />
Talsperre<br />
60.000<br />
Fluss 60.000<br />
Fluss 24.000<br />
Talsperre 100.000<br />
Grundwasser/<br />
Uferfiltrat<br />
5.500<br />
Bangkhen Bangkok MWA Fluss 3.600.000<br />
Mahasawat Bangkok MWA Fluss 800.000
Praxiserfahrungen in anderen Ländern - Thailand 107<br />
Bild 1.1: Lage der aufgesuchten Wasserversorgungsunternehmen in Thailand
108<br />
2 Gesetzliche Regelungen<br />
In Thailand wurden mehrere Gesetze und Verordnungen erlassen, die dem Schutz<br />
der Wasserressourcen dienen. Diese Gesetze betreffen den direkten Rohwasserschutz,<br />
das Monitoring, die Klassifizierung von Wässern, die zur Trinkwassergewinnung<br />
genutzt werden können, die Einleitung von Industrie- und sonstigen Abwässern<br />
oder auch Bestimmungen für Trink- und Flaschenwasser.<br />
Rohwasser, Flaschenwasser, Abwasser<br />
Oberflächenwässer werden in Thailand nach einem Klassifikationssystem eingeteilt<br />
[1]. Die Regelung gilt für Flüsse und Seen. Es gibt 5 Klassen, wobei Klasse 1 die<br />
höchsten Anforderungen an das Gewässer stellt. Darüber hinaus existieren noch<br />
verschiedene Gesetzesvorgaben, die die Ausweisung von Schutzgebieten, die<br />
Grundwasserqualität usw. beinhalten [2-3]. Die entsprechenden Grenz- und Richtwerte<br />
sind in Anlage 1 zusammengefasst. Darüber hinaus sind in Anlage 1 Grenzund<br />
Richtwerte zu der Beschaffenheit von Flaschenwasser [5] sowie von Abwasser<br />
[6] aufgelistet.<br />
Trinkwasser<br />
Für Thailand gilt eine einzige Trinkwasserverordnung (Drinking Water Quality Standards),<br />
die durch das Industrieministerium erlassen wurde [4]. Das thailändische Gesetz<br />
unterscheidet zwei Grenzwerte, die mit „maximal akzeptabel“ und „maximal erlaubt“<br />
bezeichnet sind. Der maximal akzeptable Wert gilt allgemein für Trinkwasser.<br />
In einigen Sonderfällen kann für einige nicht toxische Stoffe eine Lockerung der maximal<br />
akzeptablen Grenzwerte beantragt werden. Unter Sonderfällen sind beispielsweise<br />
schwierige Rohwasserverhältnisse oder bestimmte Situationen in der ländlichen<br />
Versorgung zu verstehen.<br />
In Tabelle 2.1 sind die in Thailand und Deutschland jeweils gültigen Trinkwassergrenzwerte<br />
für ausgewählte Parameter gegenübergestellt. Die thailändischen, maximal<br />
akzeptablen Grenzwerte liegen insbesondere für die Anionen weitgehend in derselben<br />
Größenordnung wie die deutschen Werte. Allerdings akzeptiert der thailändische<br />
Gesetzgeber u.a. bei Trübung, Eisen, Mangan, Arsen sowie bei Schwermetallen<br />
wesentlich höhere Werte. Hinsichtlich von PBSM-Wirkstoffen differenziert das<br />
thailändische Gesetz die einzelnen Wirkstoffe wesentlich stärker als dies in der deutschen<br />
TrinkwV geschieht.<br />
Eine Auflistung aller Parameter der thailändischen Trinkwasserverordnung enthält<br />
Anlage 1.
Praxiserfahrungen in anderen Ländern - Thailand 109<br />
Tabelle 1.1: Vergleich der Trinkwassergrenzwerte in Thailand und Deutschland anhand<br />
ausgewählter Parameter<br />
Thailand<br />
Parameter<br />
maximal<br />
akzeptabel<br />
maximal<br />
erlaubt<br />
Deutschland<br />
Geruch - nicht feststellbar<br />
Geschmack - nicht feststellbar<br />
Trübung NTU 5 20 1,0<br />
pH-Wert - 6,5 - 8,5 9,2 6,5 – 9,5<br />
Eisen mg/L 0,5 1,0 0,2<br />
Mangan mg/L 0,3 0,5 0,05<br />
Summe Fe und Mn mg/L 0,5 1,0<br />
Kupfer mg/L 0,5 1,5 2,0<br />
Zink mg/L 5,0 15,0<br />
Calcium mg/L 75 200<br />
Magnesium mg/L 50 150<br />
Sulfat mg/L 200 250 250<br />
Chlorid mg/L 250 600 250<br />
Fluorid mg/L 0,7 1,0 1,5<br />
Nitrat mg/L 45 45 50<br />
Alkylbenzylsulfonate–<br />
LAS<br />
mg/L 0,5 1,0<br />
Phenolische Substanzen<br />
Phenolindex<br />
mg/L 0,001 0,002 0,05<br />
Quecksilber mg/L 0,002 - 0,001<br />
Blei mg/L 0,05 - 0,01<br />
Arsen mg/L 0,05 - 0,01<br />
Selen mg/L 0,01 - 0,01<br />
Chrom mg/L 0,05 - 0,05<br />
Cyanid mg/L 0,2 - 0,05<br />
Cadmium mg/L 0,01 - 0,005<br />
Barium mg/L 1,0 -<br />
Pestizidrückstände *<br />
DDT (total)<br />
µg/L 1 - 0,5<br />
Aldrin und Dieldrin * µg/L 0,03 - 0,03<br />
Chlordan (total) * µg/L 0,3 - 0,1<br />
Hexachlorbenzol * µg/L 0,01 - 0,1<br />
Heptachlor und<br />
Heptachlorepoxid * µg/L 0,1 - 0,03<br />
alpha-HCH * µg/L 3 - 0,1<br />
Methoxychlor * µg/L 30 - 0,1<br />
2,4–<br />
Dichlorphenoxyessigsäure<br />
µg/L 100 - 0,1
110<br />
*<br />
Gesetzesvorschlag, noch nicht verabschiedet
Praxiserfahrungen in anderen Ländern - Thailand 111<br />
3 Allgemeine Angaben zur Trinkwassergewinnung<br />
und -versorgung<br />
3.1 Struktur der Wasserversorgung<br />
Die politische Verantwortlichkeit für den gesamten Bereich Wasser, sei es Trinkwasser,<br />
Abwasser, Industriewasser oder Wasser zur Bewässerung, ist in Thailand stark<br />
zersplittert. Sechs Ministerien (Ministry of Science, Technology and Environment,<br />
Ministry of Transport, Ministry of Interior, Ministry of Industry, Ministry of Public<br />
Health, and Ministry of Agriculture and Cooperatives) sowie insgesamt über 40 verschiedene<br />
staatliche Stellen und Behörden sind in Teilbereichen für Wasser zuständig.<br />
Aufgrund der daraus resultierenden Kompetenzansprüche sowie der unterschiedlichen<br />
Interessen der einzelnen Stellen kommt es eher zu einer gegenseitigen<br />
Behinderung als zu einem förderlichen Miteinander. Allerdings wurde im Herbst 2002<br />
eine Gesetzgebungs- bzw. Organisationsinitative mit dem Ziel gestartet, die Kompetenzen<br />
im Bereich der Wassergesetzgebung auf lediglich ein Ministerium zu konzentrieren<br />
und auch die Verwaltungsstrukturen in den Provinzen zu straffen.<br />
Für die zentrale Trinkwasserversorgung, die die Aufbereitung und die leitungsgebundene<br />
Verteilung von Trinkwasser umfasst, sind in Thailand im Wesentlichen zwei<br />
staatseigene Betriebe verantwortlich, die Metropolitan Water Authority (MWA) und<br />
die Provincial Water Authority (PWA). Die MWA ist für die Versorgung von Bangkok<br />
und drei angrenzende Provinzen verantwortlich. Die PWA versorgt in den übrigen<br />
Provinzen die Menschen mit Trinkwasser. Neben diesen beiden großen Wasserversorgungsunternehmen<br />
gibt es auch noch eine geringe Anzahl von kleinen lokalen<br />
Versorgern in kommunaler Hand, über deren genaue Anzahl und Wasserproduktion<br />
jedoch keine Angaben gefunden wurden.<br />
Nach Angaben der WHO (WHO/Unicef Joint Monitoring Programme for Water Supply<br />
and Sanitation, September 2001) haben im städtischen Raum 98 % der Bevölkerung<br />
Zugang zu sicherem Trinkwasser. Im ländlichen Raum beträgt der Anteil hingegen<br />
lediglich 90 %. Unter sicherem Trinkwasser werden hierbei verstanden: Hausanschlüsse,<br />
öffentliche Hydranten, „Bohrlöcher“, geschützte Tiefbrunnen und Quellen,<br />
Regenwasser. Aus diesen Angaben kann nicht direkt auf den Versorgungsgrad der<br />
Bevölkerung mit sicherem, leitungsgebundenen Trinkwasser geschlossen werden.<br />
Die WHO Statistik (1987), die noch nach Leitungsanschlüssen differenziert, gibt für<br />
den städtischen Bereich eine Anschlussquote ans öffentliche Trinkwassernetz von<br />
58 % und im ländlichen Raum von 7,8 % an.<br />
Ein Bericht der PWA (1997) zu einem Wasserversorgungsprojekt im Norden von<br />
Thailand an der Grenze zu Laos enthält u.a. folgende Angaben. Im geschilderten<br />
Projektgebiet leben 500.000 Menschen. Hiervon leben ca. 100.000 Menschen in insgesamt<br />
100 Dörfern entlang einer Autobahn, die von Udonthani nach Nong Kai verläuft<br />
und deren Trasse für den Bau einer Fernwasserleitung genutzt werden soll. Von<br />
dieser Fernwasserleitung sollen 100 Orte mit Trinkwasser versorgt werden. Vor Um-
112<br />
setzung des Projektes sind nach diesem Bericht lediglich die Bewohner von 19 Ortschaften<br />
an das Trinkwasserleitungsnetz angeschlossen, während die Bewohner von<br />
40 Ortschaften keinen Zugang zu sicherem Trinkwasser haben.<br />
Provincial Water Authority (PWA)<br />
Die staatseigene PWA betreibt in 73 Provinzen von Thailand insgesamt<br />
225 Wasserwerke mit einer Gesamtwasserproduktion von 703 Mio. m³/a.<br />
Die Struktur der PWA entspricht in etwa der Verwaltungsstruktur in Thailand. So betreibt<br />
die PWA 10 „Regional Offices“, die jeweils für die Wasserversorgung in 6 bis<br />
10 Provinzen verantwortlich sind und zwischen 16 und 26 Wasserwerke betreiben.<br />
Die „Regional Office“ sind nur in beschränktem Umfange selbständige Einheiten, da<br />
Investitionen stets von der Zustimmung des „Head Office“ in Bangkok abhängig sind.<br />
Die regionale Organisationsstruktur der PWA geht aus Bild 3.1 hervor. Einige der<br />
wichtigsten Kennzahlen zur PWA sind in Tabelle 3.1 zusammengestellt.<br />
Tabelle 3.1: Übersichtsdaten zur PWA<br />
1990 1995 1999 2001<br />
Hausanschlüsse Mio. 0,676 1,194 1,58 1,75<br />
Verbraucher Mio. ca. 10<br />
produziertes Wasser Mio.m³/a 332 526 642 703<br />
eingespeistes Wasser Mio.m³/a 320 509 615 673<br />
verkauftes Wasser Mio.m³/a 237 349 414 473<br />
„Wasserverluste“ % 26 31,3 32,6 29,6<br />
Angestellte 5.683 6.738 7.210 6.92<br />
Verhältnis Kunden/Angestellte 119 177 219 277<br />
Monatliche Wasserabnahme<br />
pro Anschluss<br />
m³ 31,3 25,8 22,14 23,12<br />
Entsprechend der Regierungspolitik bemüht sich die PWA, die Privatwirtschaft für<br />
ein stärkeres Engagement in der Wasserwirtschaft zu gewinnen. Nach dem ersten<br />
erfolgreich durchgeführten BOT- (Build Operate Transfer) Modell in Pathum Thani<br />
mit Thames Water als Partner sind derzeit insgesamt 8 weitere BOT- und BOO-<br />
(Build Own Operate) Projekte in Verhandlung oder bereits auf den Wege der Realisierung,<br />
wie die Zusammenstellung in Tabelle 3.2 zeigt. Es handelt sich hierbei ausschließlich<br />
um Projekte zum Bau und Betrieb von Wasserwerken.
Praxiserfahrungen in anderen Ländern - Thailand 113<br />
Bild 3.1: Regionale Struktur der PWA
114<br />
Tabelle 3.2: Projekte zum Bau und Betrieb von Wasserwerken in Thailand<br />
Ratchaburi/ Smut<br />
Snogkran<br />
Laufzeit in Jahren Mio.EUR Partner Art<br />
30 15,1<br />
Phuket 10 1,9<br />
Nakorn Pathon /<br />
Samut Sakorn<br />
Lampang Water<br />
Nakornsawan<br />
Chachoengsao<br />
Ban Pa Kong<br />
Vertragsverhandlung<br />
Vertragsverhandlung<br />
Vertragsverhandlung<br />
Vertragsverhandlung<br />
Vertragsverhandlung<br />
EGCOM TARA<br />
Co. Ltd.<br />
REQUIRE<br />
Construction Co.<br />
BOO<br />
BOO<br />
232,5 Thames Water BOT<br />
20,0 Vivendi / Aqua Thai BOT<br />
6,7 Samcon, Hydratek BOT<br />
20,5 Consortium BOT<br />
16,9 Consortium BOT<br />
Metropolitan Water Authority (MWA)<br />
Die ebenfalls staatseigene MWA ist, wie bereits erwähnt, für die Wasserversorgung<br />
in Bangkok sowie in den beiden angrenzenden Provinzen Samut Sakorn im Südosten,<br />
Samut Prakan im Südwesten und Teilen von Patum Thani im Norden verantwortlich.<br />
Das gesamte Versorgungsgebiet der MWA ist organisatorisch in 4 Gebiete<br />
aufgeteilt.<br />
Die MWA betreibt insgesamt vier Wasserwerke, Bangkhen, Mahasawat, Samsen<br />
und Thonburi, wobei die Reihenfolge in der Aufzählung der Größe der einzelnen<br />
Wasserwerke entspricht.<br />
Bangkhen versorgt hauptsächlich die „East Bank“ und das Zentrum Bangkoks, wobei<br />
auch das im Zentrum gelegene Samsen dieses Gebiet mit versorgt. Mahasawat und<br />
Thonburi speisen hauptsächlich das Verteilungsnetz der „West Bank“ des Chao<br />
Praya Rivers, was Gebiete des Outer Bangkok darstellen.<br />
Tabelle 3.3 enthält ausgewählte Kennzahlen zur MWA.
Praxiserfahrungen in anderen Ländern - Thailand 115<br />
Tabelle 3.3: Kennzahlen zur MWA<br />
1999 2000<br />
Hausanschlüsse Mio. 1,38 1,41<br />
Verbraucher Mio. 6,9 7<br />
produziertes Wasser Mio. m³/a 1,438 1,415<br />
verkauftes Wasser Mio. m³/a 856 880<br />
„Wasserverluste“ % 39,47 38,81<br />
Angestellte 5.321 5.281<br />
Verhältnis Kunden/Angestellte 259 266<br />
durchschnittl. Wasserabnahme pro Anschluss m³/Monat 51,64 52,15<br />
durchschnittlicher Wasserpreis Baht/m³ 10,42 11,70<br />
3.2 Rohwässer und wasserwirtschaftliche Situation<br />
Die beiden großen Wasserversorger PWA und MWA nutzen zu über 90 % Oberflächenwasser<br />
als Rohwasser. Grundwasser wird hingegen von Privatleuten, die nicht<br />
an die öffentliche Wasserversorgung angeschlossen sind oder die sich leitungsbundenes<br />
Trinkwasser nicht leisten können, von kleineren kommunalen Wasserversorgern<br />
und vor allem von der Industrie genutzt.<br />
In Bangkok wird die Nutzung von Grundwasser auf Grund von Bodenabsenkungen<br />
gesetzlich weitgehend eingeschränkt. Beispielsweise wurden 1990 in einem Teilgebiet<br />
von Bangkok 200.000 m³/d Grundwasser gefördert, obwohl die Grundwasserneubildung<br />
lediglich bei 150.000 m³/d lag. Die starke Nutzung von Grundwasser führt<br />
im Großraum Bangkok auf einer Fläche von mehreren 1.000 km² zu einer Absenkung<br />
von 5 – 10 cm pro Jahr. Diese Absenkungen rufen wiederum erhebliche Schäden<br />
an Gebäuden, Straßen, der gesamten Infrastruktur und nicht zuletzt des Trinkwasserverteilungsnetzes<br />
hervor. Die Verbote und Vorschriften zur Grundwassernutzung<br />
werden allerdings nicht mit letzter Konsequenz durchgesetzt. Vielmehr wird<br />
versucht, durch den massiven Ausbau der öffentlichen Wasserversorger die Grundwassernutzung<br />
zurückzudrängen.<br />
Ein weiterer Konflikt um die Nutzung der Ressource Wasser besteht zwischen den<br />
unterschiedlichen Interessenvertretern aus Landwirtschaft, Industrie und der öffentlichen<br />
Wasserversorgung. So werden derzeit ca. 90 % der jährlich nutzbaren Wassermenge<br />
von der Landwirtschaft verbraucht. Für die öffentliche Trinkwasserversorgung<br />
stehen hingegen lediglich 6 % dieser Wassermenge zur Verfügung. Aufgrund<br />
dieses Aufteilungsschlüssels muss beispielsweise die MWA einen ca. 160 km langen<br />
Rohwasserkanal bauen, da das Kontingent zur Trinkwassergewinnung aus dem nahegelegenen<br />
Chao Praya River bereits weitgehend ausgeschöpft ist.
116<br />
3.3 Klima<br />
In Thailand werden prinzipiell drei Jahreszeiten voneinander unterschieden. Die Jahreszeiten<br />
werden insbesondere durch den Monsun bestimmt. Dieser tritt in den einzelnen<br />
Regionen zu unterschiedlichen Zeiten auf. Im äußersten Süden gibt es lediglich<br />
zwei Jahreszeiten.<br />
Rund vier fünftel Thailands werden durch ein Klima mit einer Trockenzeit, dem so<br />
genannten Savannenklima geprägt. Dabei sind die Temperaturunterschiede am Tag<br />
und in der Nacht etwa genau so groß wie die jahreszeitlich bedingten Temperaturschwankungen.<br />
Zu diesen Regionen gehören der Norden, der Nordosten und die<br />
Zentralregion. Die trockene Jahreszeit beginnt in diesen Regionen im Dezember und<br />
endet März/April. Zu Beginn der Trockenzeit bzw. einen Monat früher beginnt auch<br />
die so genannte kühlere Jahreszeit mit Tagesdurchschnittstemperaturen unter 25°C<br />
und Höchsttemperaturen unter 30°C. Bis zum Ende der Trockenzeit steigen die<br />
Temperaturen dann bis Ende April auf 30 und über 35 °C an. Diese Zeit ist die Vormonsunzeit,<br />
in der die höchsten Temperaturen des Jahres erreicht werden.<br />
Die Regen- oder Monsunzeit beginnt im Norden, der Zentralregion und im Nordosten<br />
Ende Mai und dauert im Norden und Nordosten bis etwa Ende September und endet<br />
einen Monat später in der Zentralregion. In der Regenzeit kommt es nur selten zu<br />
Dauerregen. Vielmehr treten meist pro Tag ein bis zwei kräftige Schauer über ein bis<br />
zwei Stunden auf.<br />
Dem Klimatyp tropischer Regenwald mit einer kurzen Trockenzeit sind 13,4 % Thailands<br />
zuzuordnen. Dieses Gebiet erstreckt sich vom im äußersten Südwesten Thailands<br />
über Phuket bis nach Ranong. In diesem Gebiet sind die jahreszeitlich bedingten<br />
Temperaturunterschiede wesentlich geringer als die Tagesschwankungen. In<br />
den Monaten Januar und Februar fallen deutlich weniger als 50 mm Niederschlag.<br />
3,4 % der Landesfläche Thailands sind dem tropischen Regenwaldklima zuzuordnen.<br />
Dieses Gebiet liegt im äußersten Südosten des Landes zwischen Nakhon Si<br />
Thamarat und der malaiischen Grenze. In diesem Gebiet betragen die monatlichen<br />
Niederschläge in der Regel mehr als 60 mm, wobei allerdings die Hauptniederschläge<br />
in den Monaten Oktober bis Dezember niedergehen. Die mittleren Tagestemperaturen<br />
schwanken nur in einem sehr geringen Umfang zwischen 27 und 29°C (Song<br />
Khla).<br />
Wie Bild 3.3 zusammenfassend zeigt, nehmen die jahreszeitlichen Temperaturschwankungen<br />
von Norden nach Süden ab. Die Niederschlagsmenge nimmt nach<br />
Süden hin zu und die Regenzeit verschiebt sich um ein bis zwei Monate. Weitere<br />
Angaben zur Landeskunde sind in Anlage 3 enthalten.
Praxiserfahrungen in anderen Ländern - Thailand 117<br />
40<br />
35<br />
Chiang Mai<br />
Niederschlag<br />
mittlere Tagesminima<br />
mittlere Tagesdurchschnittstemperatur<br />
mittleres Tagesmaxima<br />
400<br />
350<br />
30<br />
300<br />
Temperatur, °C<br />
25<br />
20<br />
15<br />
250<br />
200<br />
150<br />
Niederschlag, mm<br />
10<br />
100<br />
5<br />
50<br />
0<br />
Jan Feb Mar Apr May Jun Jul Aug Sep Oct Nov Dec<br />
0<br />
40<br />
Bangkok<br />
400<br />
35<br />
350<br />
30<br />
300<br />
Temperatur, °C<br />
25<br />
20<br />
15<br />
10<br />
Niederschlag<br />
mittlere Tagesminima<br />
mittlere Tagesdurchschnittstemperatur<br />
mittleres Tagesmaxima<br />
250<br />
200<br />
150<br />
100<br />
Niederschlag, mm<br />
5<br />
50<br />
0<br />
Jan Feb Mar Apr May Jun Jul Aug Sep Oct Nov Dec<br />
0<br />
40<br />
35<br />
Song Khla<br />
600<br />
550<br />
500<br />
30<br />
450<br />
Temperatur, °C<br />
25<br />
20<br />
15<br />
Niederschlag<br />
mittlere Tagesminima<br />
mittlere Tagesdurchschnittstemperatur<br />
mittleres Tagesmaxima<br />
400<br />
350<br />
300<br />
250<br />
200<br />
Niederschlag, mm<br />
10<br />
150<br />
5<br />
100<br />
50<br />
0<br />
Jan Feb Mar Apr May Jun Jul Aug Sep Oct Nov Dec<br />
0<br />
Bild 3.3: Klimadaten ausgewählter thailändischer Städte
118<br />
3.4 Wasserverbrauch<br />
Die Wasserressourcen sind in Thailand regional ungleichmäßig verteilt. Im Nordosten<br />
und der Zentralregion herrscht Wassermangel vor allem in der Trockenzeit. Auch<br />
in Bangkok kann es ebenso wie in den großen Touristengebieten Phuket und<br />
Pattaya zu Wasserknappheit kommen.<br />
Der durchschnittliche Wasserverbrauch liegt im Versorgungsgebiet der MWA bei<br />
350 l/Einwohner/Tag, bei der PWA bei 170 l/Einwohner/Tag.<br />
4 Wasserbeschaffenheit<br />
Das „Pollution Control Department“ (PCD) führte 1999 ein umfangreiches Monitorprogramm<br />
zur Klassifizierung von Oberflächengewässern, 50 Flüsse und Seen,<br />
durch. Nach diesem Programm ist der Zustand von über 50 % der untersuchten Gewässer<br />
als stark bis sehr stark belastet zu bezeichnen. Tabelle 4.1 gibt einen Überblick<br />
über die mikrobiologische Beschaffenheit der wichtigsten thailändischen Flüsse.<br />
Tabelle 4.1: Beschaffenheit der wichtigsten thailändischen Flüsse<br />
Fluss/See BOD in mg/L O 2 (gel.) in mg/L Coliforme n/100 mL<br />
Yom 1,5 5,8 270<br />
Ping 1,1 5,6 800<br />
Mae Klong 1,0 6,0 790<br />
Thachin (Oberlauf) 1,1 4,8 1.450<br />
Thachin (Mittellauf) 1,6 1,5 10.000<br />
Thachin (Unterlauf) 2,0 1,3 2.400<br />
ChaoPraya (Oberl.) 0,9 5,7 1.300<br />
ChaoPraya (Mittell.) 0,8 4,5 2.700<br />
ChaoPraya (Unterl.) 2,8 1,0 14.500<br />
NAN 1,5 6,7 215<br />
Pasak 1,4 6,0 1.100<br />
Chi 1,4 6,6 130<br />
Moon 1,1 6,3 70<br />
Bangpakong 0,9 4,7 195<br />
Sonkhla Lake 1,8 5,9 110<br />
Bei der Förderung von Grundwasser treten insbesondere die auch in Deutschland<br />
bekannten Probleme mit der Entfernung von Eisen, Mangan und Ammonium auf.<br />
Hinzu kommt in einigen Gebieten von Thailand das Auftreten von Arsen, das bei einem<br />
landesweiten Monitorprogramm in Konzentrationen von 0,06 bis 1,86 mg/L<br />
nachgewiesen wurde.
Praxiserfahrungen in anderen Ländern - Thailand 119<br />
Die Beschaffenheit der Oberflächenwässer unterscheidet sich hinsichtlich des pH-<br />
Wertes und der Mineralisierung nicht wesentlich von den hier in Europa untersuchten<br />
Wässern. Aufgrund der extremeren klimatischen Bedingungen (Regenzeit, Monsun<br />
etc.) im Vergleich zu Europa sind die Schwankungen insbesondere der Trübung und<br />
des Gehaltes an natürlichen organischen Wasserinhaltsstoffen wesentlich größer.<br />
So liegen die Trübungen in der „Nicht Regenzeit“ in der Regel zwischen 10 und 50<br />
FNU (Tabelle 4.2), steigen dann aber in der Regenzeit bis auf Werte von 300 bis<br />
1.000 FNU an.<br />
Tabelle 4.2: Rohwasserbeschaffenheit von verschiedenen Wasserwerken<br />
Provinz<br />
Udonthani<br />
Khon Kaen<br />
Thani Mai<br />
Pathum Chiang<br />
Wasserwerk<br />
Nong Pha Nong Khai<br />
Chak Plant Plant<br />
Rohwasser<br />
Nong Sam<br />
Rong<br />
Mea<br />
Khong<br />
Chao<br />
Reservoir Phrya River<br />
Reservoir<br />
Reservoir River<br />
Temperatur °C 18 - 28 15 - 22 15 - 22 15 - 22 15 - 22<br />
Trübung FNU 50 436 2 30 - 60<br />
pH - Wert 6,8 6,2 6,5 6.9-7.2 6,3<br />
Glührückst. mg/L 228 668 140 166<br />
Eisen mg/L 0,2 0,47 0,2 1.3-1.5 1,14<br />
Mangan mg/L 0,27 0,089 0,13 0.12-0.22 0,146<br />
Calcium mg/L 25,6 27 11 15 6<br />
Magnesium mg/L 2,4 5,8 9,2 4,3 2,1<br />
DOC mg/L 4,8 1,9<br />
In Anlage 2 sind die Befunde der vom TZW stichprobenartig durchgeführten Reinwasseranalysen<br />
enthalten. Es wurden sowohl Wässer am Wasserwerksausgang als<br />
auch Netzproben in Hotels genommen. Ein Auszug typischer Untersuchungsergebnisse<br />
ist in Tabelle 4.3 zusammengestellt. Demnach handelt es sich meist um<br />
schwach gepufferte Wässer mit teilweise erhöhten Gehalten an Eisen und Mangan.<br />
Darüber hinaus gibt es Analysen mit erhöhten Blei- und Zinkgehalten. Die DOC-<br />
Gehalte in den untersuchten Trinkwässern lagen zwischen 1,3 und 3,2 mg/L. THM-<br />
Gehalte im Netz betrugen in den Stichproben bis zu 45 µg/L. Spurenstoffe wie Organochlorinsektizide<br />
und PCB wurden nicht nachgewiesen.
120<br />
Tabelle 4.3: Ausgewählte Parameter von verschiedenen Trinkwässern (Analysen:<br />
TZW)<br />
Pathum Nakorn Khon U- Chiang<br />
Bangkok<br />
Thani Nayok Kaen donthani Mai<br />
Probenahmestelle<br />
Netz Ausgang Ausgang Netz Netz Netz<br />
Hotel WW WW Hotel Hotel Hotel<br />
pH-Wert 7,41 7,4 6,9 7,38 7,17 7,59<br />
Säurekap. mmol/L 1,34 1,46 0,38 1,07 0,86 2,21<br />
Eisen mg/L 0,04 n.n. n.n. 0,48 0,34 0,09<br />
Mangan mg/L 0,005 n.n. 0,021 0,008 0,045 0,009<br />
Aluminium mg/L 0,06 n.n. 0,05 0,09 n.n.<br />
Calcium mg/L 19 22,1 2,5 17,2 14 28,4<br />
Magnesium mg/L 4,3 4,6 n.n. 2,9 2,5 5,4<br />
Arsen mg/L n.n. n.n. n.n. n.n. n.n. n.n.<br />
Blei mg/L 0,004 n.n. n.n. 0,014 n.n. 0,002<br />
Nickel mg/L n.n. n.n. n.n. n.n. n.n. 0,001<br />
Kupfer mg/L n.n. n.n. n.n. n.n. n.n. 0,001<br />
Zink mg/L 0,44 n.n. n.n. 1,91 0,08 0,16<br />
DOC mg/L 3,2 3,4 1,7 2,7 1,3 1,3<br />
Summe THM µg/L 36,4 45,3 12 4,6 16,2 n.n.<br />
Organochlorinsekt. n.n. n.n. n.n. n.n. n.n. n.n.<br />
5 Aufbereitung<br />
In diesem Kapitel wird ein Überblick über die Technologien der Trinkwasseraufbereitung<br />
der beiden größten thailändischen Wasserversorger, PWA und MWA, gegeben.<br />
Die Angaben basieren auf Erkenntnissen, die während der Datenerhebung an ausgewählten<br />
Wasserwerken in Thailand erhalten wurden. Detailliertere Beschreibungen<br />
der besichtigten Wasserwerke sind in den Anlagen 4 bis 12 zusammengefasst.<br />
Die Behandlung von Fluss- bzw. Talsperrenwasser erfolgte in den besuchten Wasserwerken<br />
in einer drei- oder vierstufigen Trinkwasseraufbereitungsanlage bestehend<br />
aus:<br />
- Vorsedimentation (nur in 2 der 9 aufgesuchten Wasserwerke)<br />
- Flockung / Sedimentation<br />
- Schnellfiltration<br />
- Desinfektion<br />
In einigen Wasserwerken werden diese „Grundstufen“ abhängig von der Rohwasserqualität<br />
durch weitere Aufbereitungsschritte ergänzt. Sauerstoffarme Wässer<br />
werden in den Wasserwerken Mahasawat, Bangkok und Lamphun, Provinz Chiang<br />
Mai jeweils einer Kaskadenbelüftung unterzogen.
Praxiserfahrungen in anderen Ländern - Thailand 121<br />
Zur Unterstützung der Entmanganung erfolgt häufig eine Dosierung von Kaliumpermanganat<br />
oder Chlor. Chlor wird daneben auch zur Bekämpfung des Muschel- und<br />
Algenwachstums eingesetzt, wobei im letztgenannten Anwendungsfall die Chlorung<br />
stets intermittierend betrieben wird (3 Tage mit Chlordosierung, 1 Tag Pause). Die<br />
Chlordosen betragen in diesen Fällen ca. 0,3-0,8 mg/L. Die Dosierung erfolgt als<br />
Chlorgas.<br />
Im Wasserwerk Chiang Mai wird zur Algenbekämpfung Kaliumpermanganat eingesetzt.<br />
Als Rohwasser dient in diesem Wasserwerk ein Talsperrenwasser, in dem<br />
häufig auch Algentoxine auftreten. Aufgrund des Auftretens dieser Toxine und der<br />
nach Angaben des Wasserwerkes erhöhten Pestizidkonzentrationen wird hier auch<br />
Pulveraktivkohle vor der Sedimentationsstufe zudosiert.<br />
Pulverkohle kommt aufgrund von Geruchs- und Geschmacksproblemen auch im<br />
Wasserwerk Mahasawat, Bangkok zum Einsatz. In diesem Werk wird Flusswasser<br />
aufbereitet.<br />
Vorsedimentation<br />
In einigen Wasserwerken sind der eigentlichen Aufbereitung Becken vorgeschaltet,<br />
die der Vorsedimentation dienen. Diese Becken sind einfache, ausgekofferte Gruben,<br />
die mit Lehm oder Ton abgedichtet werden und zumeist keine Einbauten zur<br />
Strömungsrichtung aufweisen (Bild 5.1). Die Aufenthaltszeit in diesen Becken beträgt<br />
normalerweise kaum mehr als 12 Stunden.<br />
Bild 5.1: Einfaches Becken zur Vorsedimentation<br />
Sofern die Wasserentnahme aus Flüssen an kleinen Staustufen erfolgt, dienen diese<br />
ebenfalls als einfache Sedimentationsfallen. Erfolgt die Entnahme aus einem Ne-
122<br />
benarm, in dem die Fließgeschwindigkeit des Flusses nahezu Null ist, begünstigt<br />
dies ebenfalls die Sedimentation. Zumeist liegen die Entnahmen an den Flüssen<br />
jedoch direkt am Ufer und das Wasser wird aus der fließenden Welle entnommen<br />
(Bild 5.2).<br />
Bild 5.2: Rohwasserentnahme an einem Seitenarm<br />
Flockung und Sedimentation<br />
Nach der Vorsedimentation bzw. der Rohwasserentnahme gelangt das Wasser in<br />
die Flockung- und Sedimentationsstufe. Als Flockungsmittel kommt in allen besichtigten<br />
Wasserwerken Aluminium zum Einsatz. In den Anlagen der PWA wird ausschließlich<br />
Sackware verwendet, während bei den Wasserwerken der MWA Polyaluminium<br />
als flüssiges Fertigprodukt zum Einsatz kommt.<br />
In den Wasserwerken der PWA wird das Aluminium chargenweise angesetzt, wie<br />
dies in Bild 5.3 dargestellt ist. Der Energieeintrag bei der Dosierung erfolgt zumeist<br />
durch einen hydraulischen Sprung (Bild 5.4). Auch der Energieeintrag zur Flockenausbildung<br />
wird stets hydraulisch durch eine geeignete Wasserführung mittels<br />
Tauchwände oder Mäander (Bild 5.5) ausgeführt.<br />
Die Zugabemengen von Aluminiumsulfat oder –chlorid als Flockungsmittel sind abhängig<br />
von der Trübung im jeweiligen Rohwasser. Die Trübung unterliegt saisonal<br />
sehr starken Schwankungen und ist in der Regenzeit mit Werten von 300 bis<br />
1.000 FNU am höchsten. Die Flockungsmitteldosen betragen 30 bis 50 mg/L in Ausnahmefällen<br />
bis über 150 mg/L.
Praxiserfahrungen in anderen Ländern - Thailand 123<br />
Bild 5.3: Einfüllen des Aluminumgranulats in die Ansatzbehälter, Wasserwerk Nakorn<br />
Nayok<br />
Bild 5.4: Einmischung von Flockungsmittel mit hydraulischem Sprung, WW Mahasawat<br />
Bangkok
124<br />
Bild 5.5: Meanderführung, WW Nong Khai<br />
Neben Flockungsmittel wird in einigen Wasserwerken auch Kalkmilch zur Einstellung<br />
des pH-Wertes zugegeben. Die Kalkmilch wird ähnlich wie das Flockungsmittel<br />
ebenfalls chargenweise aus Sackware angesetzt.<br />
Flockungshilfsmittel wird ausschließlich in den Wasserwerken der MWA sowie in<br />
dem von der RWE betriebenen Wasserwerk Pathum Thani eingesetzt. Aufgrund des<br />
vergleichsweise hohen Preises setzt die PWA kein Flockungshilfsmittel ein. Da Flockungshilfsmittel<br />
in Thailand nicht produziert werden, ist ein Import aus dem Ausland<br />
erforderlich. Der Erwerb des Flockungshilfsmittels wird stets international ausgeschrieben.<br />
Zum Einsatz kommen meist Produkte aus Skandinavien oder Deutschland.<br />
Zur Zeit des Besuchs im Wasserwerk Bangkhen wurde beispielsweise Praestol<br />
der Firma Stockhausen verwendet. Die Zugabemengen an FHM sind mit 0,01 bis<br />
0,05 mg/L vergleichsweise gering.<br />
Zur Flockenabtrennung werden unterschiedliche Verfahren eingesetzt. Vorwiegend<br />
werden die Flocken durch Sedimentation abgetrennt, wobei die Sedimentationsbecken<br />
sowohl mit Einbauten wie Parallelplattenabscheider bzw. „Röhrenabscheider“<br />
als auch ohne spezielle Einbauten betrieben werden (Bild 5.6). Im MWA Wasserwerk<br />
Mahaswat, Bangkok, das von Degremont konzipiert wurde, erfolgt die Flockenabtrennung<br />
über Pulsatoren.
Praxiserfahrungen in anderen Ländern - Thailand 125<br />
Bild 5.6: Lammellenabscheider (Tubes)<br />
Die Aufenthaltszeit in den Flockungs- und Sedimentationsanlagen der Wasserwerke<br />
beträgt zwischen 1,5 und 2,5 Stunden. Dies ist ein Vielfaches der in Deutschland<br />
üblichen Zeiten. Kürzere Zeiten werden in den Wasserwerken der MWA, in denen<br />
Flockungshilfsmittel eingesetzt wird, erreicht. Die Rückführung von Kontaktschlamm<br />
in der Flockungsanlage ist in Thailand unbekannt und wird in keinem Wasserwerk<br />
durchgeführt.<br />
Filtration<br />
In allen besichtigten Wasserwerken läuft das Klarwasser aus der Sedimentationsstufe<br />
im freien Gefälle den offenen Filterstufen zu. Eine Sekundärdosierung an Flockungsmitteln<br />
wurde in keinem Wasserwerk angetroffen. Ein Grund hierfür ist unter<br />
anderem, dass die Trübungswerte im Ablauf der Sedimentation mit 2 bis 5 FNU, in<br />
Ausnahmefällen auch bis 10 FNU, vergleichsweise hoch sind. Eine Sekundärdosierung<br />
würde die Filter noch höher belasten und die Filtratqualität nicht wesentlich verbessern.<br />
Die Filter sind in der Regel als Einschichtfilter ausgeführt. Ausnahmen hiervon sind<br />
lediglich die großen Wasserwerke der MWA in Bangkok sowie einige wenige neuere<br />
und größere Wasserwerken der PWA, in denen Zweischichtfilter eingesetzt werden.<br />
Die Filterschichthöhen sind im Allgemeinen wesentlich geringer als in Deutschland<br />
üblich. Sie betragen für die Einschichtfilter zwischen 60 und maximal 100 cm, für die
126<br />
Mehrschichtfilter 100 bis maximal 150 cm. Einschichtfilter sind mit Quarzsand befüllt,<br />
wobei die Körnungen von 0,6 – 1 mm bis 1 – 2 mm variieren. Die Zweischichtfilter<br />
sind mit dem in Deutschland üblichen Schichtaufbau vergleichbar. Als Unterschicht<br />
kommt Quarzsand in einem Körnungsspektrum von 0,6 bis 1,5 mm und einer Mächtigkeit<br />
von 60 bis 120 cm zum Einsatz. Die Oberschicht besteht aus kohlenstoffhaltigem<br />
Material (Voraktivat) mit Körnungen von 1,6 bis 3 mm und einer Schichthöhe<br />
von 30 bis 50 cm.<br />
Die Filtergeschwindigkeiten in den Filterstufen der besichtigten Wasserwerke unterscheiden<br />
sich kaum voneinander. Üblich sind Geschwindigkeiten von 5 bis 8 m/h.<br />
Dies sind jedoch lediglich die nominellen Geschwindigkeiten, berechnet aus Durchsatz<br />
und Filterfläche. Da in vielen Wasserwerken keine Filterauslaufregelungen vorhanden<br />
sind und auch die einzelnen Filterzuläufe nicht geregelt werden, werden tatsächlich<br />
durchaus höhere Geschwindigkeiten erreicht. Hierüber lassen sich keine<br />
gesicherten Aussagen treffen, da die Einzeldurchsätze nicht gemessen werden können.<br />
Die Filterlaufzeit der Einzelfilter beträgt in der Regel 24 h und verkürzt sich ggf. in der<br />
Regenzeit auf 10 bis 12 h. In den Wasserwerken gibt es in der Regel keine online<br />
Überwachung der Trübung, weder im Einzelfilter noch im Gesamtfiltrat. Die Druckdifferenz<br />
wird ebenfalls nur selten überwacht, so dass die Filter lediglich nach Zeit gesteuert<br />
gespült werden. Die Filterlaufzeiten werden dann entsprechend der Betriebsüberwachung,<br />
dass heisst je nach Wasserwerk dem einmal täglich bis einmal stündlich<br />
gemessenen Parameter Trübung angepasst.<br />
In den kleineren Wasserwerken werden die Filter ausschließlich mit Wasser gespült,<br />
wobei es meist nicht zu einer nennenswerten Filterbettausdehnung kommt. Die<br />
Spülgeschwindigkeiten betragen zwischen 18 und 30 m/h, die Spülzeiten liegen zwischen<br />
10 und 30 Minuten. Häufig werden keine Spülpumpen eingesetzt, sondern die<br />
in Vierergruppen angeordneten Filter werden direkt durch Filtrat von drei Filtern gespült.<br />
Ein Erstfiltratabschlag nach Inbetriebnahme eines Filters nach der Spülung ist<br />
nicht üblich.<br />
In den größeren Wasserwerken werden die Filter einer Dreiphasenspülung bestehend<br />
aus : Luftspülung 5 Minuten<br />
Luft-Wasser-Spülung<br />
bis zum Erreichen der Überlaufrinne<br />
Klarspülphase mit Wasser 10 bis 15 Minuten<br />
unterzogen. Bei den Mehrschichtfiltern wird der Lockerungspunkt überschritten.<br />
Die Abläufe der Filter hinsichtlich der Trübung variieren sehr stark von Wasserwerk<br />
zu Wasserwerk. Im Mittel werden Trübungswerte von 0,5 bis 2 FNU erreicht, wobei<br />
jedoch in einigen Wasserwerken lediglich der Grenzwert von 5 FNU eingehalten<br />
wird. In den größeren Wasserwerken unterschreitet die Trübung in der Regel einen<br />
Wert von 0,3 FNU.
Praxiserfahrungen in anderen Ländern - Thailand 127<br />
Bild 5.7: Wasserspülung eines Filters im Wasserwerk Bankhen, Bangkok<br />
Desinfektion<br />
Nach Gesetzeslage ist die Desinfektion von Trinkwasser in Thailand obligatorisch.<br />
Der Restgehalt an freiem Chlor im Leitungsnetz muss mindestens 0,5 mg/L betragen.<br />
Als Desinfektionsmittel kommt ausschließlich Chlorgas zum Einsatz, das in Chlorbomben<br />
den Wasserwerken geliefert wird (Bild 5.8). In den meisten Wasserwerken<br />
wird an bis zu vier Stellen Chlor dosiert. So wird häufig bereits das Rohwasser an<br />
der Rohwasserentnahme desinfiziert, um u.a. den Aufwuchs von Muscheln zu verhindern.<br />
Die Zugabe von Chlor zur Entmanganung ist ebenfalls üblich. Die Abschlusschlorung<br />
vor der Abgabe ins Netz bzw. vor dem Reinwasserbehälter ist obligatorisch.<br />
Je nach Länge der Hauptleitung vom Wasserwerk zum eigentlichen Verteilungsnetz<br />
und der Verweilzeit des Wassers im Netz wird an der Übergabe zum Verteilungsnetz<br />
häufig eine Nachchlorung vorgenommen.<br />
Die Gesamtzugabe von Chlor beträgt 1,5 bis 4 mg/L, wobei der Hauptanteil mit 1 bis<br />
2,5 mg/L auf die Abschlusschlorung entfällt, die vor der Reinwasserkammer oder in<br />
die Hauptleitung erfolgt (Bild 5.9).
128<br />
Bild 5.8: Chlorgaslager<br />
Bild 5.9: Chlordosierstation
Praxiserfahrungen in anderen Ländern - Thailand 129<br />
6 Wasserverteilung<br />
Die Verteilungsnetze in Thailand sind im allgemeinen in einem schlechten Zustand.<br />
Wasserverluste von 30 % und mehr sind die Regel. Auf Nachfragen wurde bei jedem<br />
Versorger bestätigt, dass es sich tatsächlich um Verluste im Leitungsnetz handelt<br />
und nicht um illegale Abnahmen oder ähnliche Ursachen.<br />
Die Hauptursache dieser hohen Verluste sind die vornehmlich in den 70er und 80er<br />
Jahren verbauten Asbestzementrohre. Je nach Provinz bestehen die sekundären<br />
Verteilungsnetze zu 40 bis 55 % aus Asbestzementrohren. Diese Rohre werden in<br />
Thailand selbst hergestellt und sind vergleichsweise einfach zu bearbeiten. Die Leckagen<br />
und Rohrbrüche werden durch die Verteilung von zum Teil vergleichsweise<br />
sauren Wässern und die unsachgemäße Verlegung in sauren Böden, durch die die<br />
Korrosion der AZ-Rohre gefördert werden, begünstigt. Hinzu kommen noch Erdbewegungen<br />
und -verschiebungen durch Überflutungen, Unterspülungen und unzureichend<br />
befestigte Straßen, durch die ebenfalls viele Rohrbrüche hervorgerufen<br />
werden.<br />
In Tabelle 6.1 ist das Verteilungsnetz der MWA nach Rohrdurchmesser, -länge und<br />
-material aufgeschlüsselt dargestellt. Hauptverteilungsleitungen (Transmission<br />
Pipes) mit einem Durchmesser von mehr als 1.800 mm wurden nicht aufgeführt.<br />
Die Werkstoffverteilung ist in den Rohrnetzen der PWA ähnlich.<br />
Die Gesamtlänge des Trinkwasserversorgungsnetzes in Bangkok beträgt ca.<br />
19.250 km. Insgesamt sind ca. 12.000 Hydranten und ca. 60.000 Schieber verbaut.<br />
Die Gesamtübersicht zeigt, das bei großen Rohrdimensionen im primären Netz vorwiegend<br />
Stahlrohre, bei mittleren Rohrdurchmessern zumeist Asbestzementrohre<br />
und für Rohre mit maximal 3 Zoll Blei oder verzinkter Stahl verwendet wurde.<br />
Lediglich ca. 5 % der verlegten Leitungsrohre weisen einen Rohrdurchmesser von<br />
500 mm oder mehr auf. In dieser Dimension werden zu ca. 90 % Stahlrohre verlegt,<br />
wobei 1/6 dieser Rohre mit Zement ausgeschleudert sind.<br />
70 % des Netzes besteht aus Rohren der Dimension 100 bis 400 mm. Als Werkstoff<br />
wurde hierfür hauptsächlich Asbestzement (9.135 km entsprechend 67 %) und verzinkter<br />
Stahl (29 %) verwendet.<br />
Die Hausanschlüsse bestehen noch überwiegend aus Blei (46 %), weitere 44 % aus<br />
verzinktem Stahl. Neue Anschlüsse werden schon seit Jahren in PVC oder PE ausgeführt.<br />
Die PWA hat umfangreiche Ersetzungsprogramme mit dem Ziel gestartet, im sekundären<br />
Verteilungsnetz die Asbestzementleitungen und im tertiären Netz die Bleileitungen<br />
hauptsächlich durch PVC oder PE Leitungen zu ersetzen.
130<br />
Hauswasserspeicher sind im ländlichen Raum im Vergleich zu den Städten weiter<br />
verbreitet.<br />
Tabelle 2.1: Rohrleitungsnetz der MWA<br />
Primäres Verteilungsnetz, km<br />
Durchmesser<br />
mm ST Cl PC AC PE PVC GI PB Total<br />
1800 2,580 2,580<br />
1500 39,075 0,190 2,078 41,343<br />
1250 0,220 0,220<br />
1200 64,802 0,070 1,940 66,812<br />
1000 165,950 16,217 6,050 188,217<br />
900 28,180 29,370 5,815 1,065 64,430<br />
800 176,990 14,720 6,090 0,605 198,405<br />
700 50,965 13,105 9,145 73,215<br />
600 147,590 31,005 23,638 8,300 2,960 213,493<br />
500 48,980 33,185 19,125 18,220 119,510<br />
725,112 138,082 73,881 26,520 3,565 1,065 0,000 0,000 968,225<br />
75% 14% 8% 3% 0% 0% 0% 0% 100%<br />
sekundäres Verteilungsnetz, km<br />
mm ST Cl PC AC PE PVC GI PB Total<br />
400 33,093 52,212 10,663 85,112 181,080<br />
350 0,517 0,517<br />
300 69,316 18,354 1890,050 0,246 226,292 2204,258<br />
250 2,954 5,205 275,867 284,026<br />
200 32,050 22,578 1578,157 7,080 308,587 1948,452<br />
150 27,263 5,698 3335,277 17,230 581,566 2,458 3969,492<br />
100 3,772 9,378 1970,38 10,414 2820,363 144,435 4958,742<br />
168,448 113,942 10,663 9134,843 0,000 34,970 3936,808 146,893 13546,567<br />
1% 1% 0% 67% 0% 0% 29% 1% 100%<br />
tertiäres Verteilungsnetz / Hausanschlüsse, km<br />
Zoll ST Cl PC AC PE PVC GI PB Total<br />
3 32,265 35,870 0,140 68,275<br />
2 ½ 12,305 70,081 0,520 82,906<br />
2 1,665 125,649 400,321 1425,520 1951,490<br />
1 ½ 9,565 384,400 45,922 439,887<br />
1 90,255 310,112 226,765 627,132<br />
¾ 172,898 885,786 485,848 1544,532<br />
½ 0,965 9,592 12,396 22,953<br />
0,000 0,000 0,000 0,000 1,665 443,902 2096,162 2197,111 4737,175<br />
0% 0% 0% 0% 0% 9% 44% 46% 100%<br />
Gesamtanteile<br />
893,560 252,024 84,544 9161,363 5,230 479,937 6032,970 2344,004 19251,967<br />
5% 1% 0% 48% 0% 2% 31% 12% 100%<br />
ST Stahl PE Polyethylen<br />
CI Zementausgeschleudert PVC Polyvinylchlorid<br />
PC Zement GI verzinkter Stahl<br />
AC Asbestzement PB Blei
Praxiserfahrungen in anderen Ländern - Thailand 131<br />
7 Kosten und Tarife<br />
Der durchschnittliche Verkaufspreis für einen Kubikmeter Wasser betrug bei der<br />
MWA im Jahre 2000 11,7 Baht entsprechend ca. 27,2 Euro Cent. Die Wasserpreise<br />
der PWA liegen im Durchschnitt mit 12 Baht in derselben Größenordnung. Insgesamt<br />
ist der Tarif bei beiden Organisationen leicht progressiv gestaffelt. So erhöht<br />
sich der Wasserpreis ab dem 6. Abgabekubikmeter für Privatabnehmer um 1-2 Baht<br />
von ca. 12 auf 14 Baht. Industrie und kommerzielle Abnehmer zahlen in der Regel<br />
höhere Preise als Privatabnehmer.<br />
Die gesamten Aufwendungen im Jahre 2001 der MWA bezogen auf 1 Kubikmeter<br />
verkauftem Wasser sind aus Tabelle 7.1 ersichtlich. Die Hauptausgaben entfallen<br />
mit über 50 % auf Investitionen und Schuldzinsen, weitere 25 % auf Personalkosten<br />
und lediglich 18 % auf Betriebsmittelausgaben.<br />
Tabelle 3.1: Aufwendungen der MWA in den Jahren 2000 und 2001, Angaben in<br />
Baht/m³<br />
2001 2000<br />
Personal 2,34 2,39<br />
Energie 0,82 0,76<br />
Chemikalien 0,28 0,28<br />
weitere Ausgaben zur Aufbereitung 0,66 0,68<br />
Abschreibungen, Investitionen 3,79 3,47<br />
Zinsen, Schuldzinsen 1,4 1,42<br />
Wechselkursverluste 0,15 0,63<br />
nicht operative Ausgaben 0,19 0,19<br />
Gesamtausgaben 9,64 9,66<br />
Die Kosten für Chemikalien beziehen sich hauptsächlich auf den Einsatz von Aluminium,<br />
Chlor und Kalk. Der durchschnittliche Verbrauch dieser Chemikalien bei der<br />
PWA kann Tabelle 7.2 entnommen werden. Die angegebenen Mengen für Aluminium<br />
und Kalk beziehen sich auf die eingekaufte Ware. Durch den Ansatz der Dosierlösungen<br />
für Aluminium und Kalkmilch können sich Verluste von 15 bis 25 % ergeben.<br />
Tabelle 7.2: Verbrauch an Betriebschemikalien der PWA<br />
Verbrauch Verbrauch<br />
Chemikalie<br />
t/a<br />
g/m³<br />
Aluminium 22,311 31.7<br />
Chlorgas 1,460<br />
2.3<br />
Chlortabletten 369<br />
Kalk 707 1.0
132<br />
8 Zusammenfassung und Ausblick<br />
Obwohl Thailand reichlich Süßwasservorkommen besitzt und auch die Niederschlagsmengen<br />
vergleichsweise hoch sind, kommt es in einigen Regionen in der<br />
Trockenzeit zu Wasserknappheit. Zu diesen Regionen gehört Nordostthailand,<br />
Bangkok, die Touristenzentren Phuket und Pattaya sowie Teile der Zentralregion.<br />
Die Wasserknappheit in Bezug auf die Trinkwasserversorgung ist auf mehrere Faktoren<br />
zurückzuführen. Zu nennen sind die immer noch zunehmende Verschmutzung<br />
der Flüsse durch das Fehlen von Kläranlagen, der Interessenkonflikt zwischen<br />
Landwirtschaft, Industrie und Trinkwasserversorger, das ineffektive Wassermanagement<br />
sowie die hohe Leckrate im Verteilungsnetz.<br />
Die Trinkwasserversorgung selbst liegt in den Händen der beiden staatseigenen Organisationen<br />
Provincial Waterworks Authority (PWA) sowie Metropolitan Waterworks<br />
Authority (MWA). Die PWA ist verantwortlich für die Versorgung von 73 der insgesamt<br />
76 thailändischen Provinzen, während die MWA Bangkok und zwei angrenzende<br />
Provinzen mit Trinkwasser versorgt.<br />
Die Industrie versorgt sich zum größten Teil über eigene Grundwassergewinnungsanlagen<br />
mit Trink- und Brauchwasser. Viele Privatleute sowohl im städtischen als<br />
auch im ländlichen Raum betreiben eigene Fassungsanlagen. Die intensive Nutzung<br />
des Grundwassers in Bangkok führt zu erheblichen Problemen durch Bodenabsenkungen<br />
und der daher rührenden höheren Überflutung. Die Grundwassernutzung ist<br />
zwar gesetzlich eingeschränkt, allerdings fehlt eine wirksame Kontrolle.<br />
Die beiden großen Wasserversorger nutzen unter anderem zum Schutz des Grundwassers<br />
zu über 90 % Oberflächenwasser, Fluss- und Talsperrenwasser zur Trinkwassergewinnung.<br />
Die zentralen Aufbereitungsstufen aller von den beiden Wasserversorgern betriebenen<br />
Oberflächenwasserwerke sind Flockung/Sedimentation, Filtration und Desinfektion.<br />
Diese Stufen dienen vornehmlich der Entfernung von Trübstoffen, Mikroorganismen<br />
sowie Eisen und Mangan. Hauptsächliches Ziel ist, ein möglichst trübstoffarmes<br />
Wasser zu erhalten, um somit eine sichere Desinfektion zu gewährleisten. Die<br />
Desinfektion erfolgt stets mit Chlorgas. Ein Restchlorgehalt von 0,5 mg/L ist im<br />
Rohrnetz einzuhalten.<br />
Die Auslegung der Anlagen weicht zum Teil erheblich von den in Deutschland üblichen<br />
Werten ab. So sind die Aufenthaltszeiten in den Flockungs- und Sedimentationsanlagen<br />
vergleichsweise hoch. Als Flockungsmittel wird ausschließlich Aluminium<br />
eingesetzt, was nur den sehr großen Wasserwerken im Raum Bangkok Polyaluminium<br />
zur Verfügung steht. Flockungshilfsmittel werden nur in großen Wasserwerken<br />
eingesetzt. Die stets offen ausgeführten Schwerkraftfilter werden im Allgemeinen mit<br />
vergleichsweise niedrigen Geschwindigkeiten betrieben. Die Schichthöhen der zum
Praxiserfahrungen in anderen Ländern - Thailand 133<br />
überwiegenden Teil als Einschichtfilter ausgeführten Filter sind mit maximal 1 m vergleichsweise<br />
gering. Die Spülbedingungen sind in vielen Wasserwerken unzureichend.<br />
In der thailändischen Wasserwirtschaft wurden folgende Probleme identifiziert:<br />
Umwelt / Wasserdargebot:<br />
- Teilweise Wasserknappheit in der Trockenzeit<br />
- Zunehmende Verschmutzung der Flüsse<br />
- Thailand verfügt erst über eine Kläranlage zur Reinigung von kommunalem Abwasser<br />
- Absenkung von Bangkok durch die unkontrollierte Entnahme von Grundwasser<br />
Organisatorisch:<br />
- Zersplitterung der Zuständigkeit für den Wassersektor auf viele Ministerien und<br />
staatliche Organisationen<br />
- Große Organisationseinheiten (PWA, MWA), Zentralisierung<br />
- Vergleichsweise geringer Ausbildungsstand der Mitarbeiter, Techniker und Operatoren<br />
in den Wasserwerken selbst und hier insbesondere in den kleineren. U.a.<br />
aufgrund dieses Ausbildungsdefizits werden die Aufbereitungsanlagen nicht immer<br />
optimal betrieben.<br />
Wasserverteilung:<br />
- Hohe Leckraten von 25 bis 40 %<br />
- Asbestzementrohre im Verteilungsnetz<br />
- Bleirohre in der Hausinstallation<br />
Als wirkungsvolle Ansatzpunkte für eine Verbesserung der Trinkwasserversorgung<br />
werden folgende Maßnahmen erachtet:<br />
- Schulung und Weiterbildung des Wasserwerkspersonals<br />
- Optimierung der Wasseraufbereitungsanlagen in Verbindung mit Weiterbildung<br />
- Know-How-Transfer auf Wassermeisterebene<br />
- Straffung der Zuständigkeiten im staatlichen Bereich<br />
- Verlagerung von Entscheidungen von der Zentrale in die Wasserwerke bei den<br />
Wasserversorgern<br />
- Investitionen ins Rohrnetz zur Verminderung der Leckrate<br />
- Durchführung von eigenen Forschungs- und Entwicklungsprojekten insbesondere<br />
für die PWA
134<br />
9 Literatur zu Gesetzen und Verordnungen<br />
[1] Klassifizierung von Oberflächengewässern: Notification of the National Environmental<br />
Board, No. 8, B.E. 2537 (1994), issued under the Enhancement<br />
and Conservation of National Environmental Quality Act B.E.2535 (1992),<br />
published in the Royal Government Gazette, Vol. 111, Part 16, dated February<br />
24, B.E.2537 (1994)<br />
[2] Restricted Zone for Protecting the Source of Water Supply in Bangkok Metropolitan<br />
Region: The Cabinet Resolution dated April 17, B.E. 2522 (1979) and<br />
January 12, B.E.2531 (1988) The Cabinet Resolution dated February 11, B.E.<br />
2535 (1992)<br />
[3] Ground Water Quality Standards for Drinking Purposes: Notification of the<br />
Ministry of Industry, No. 4, B.E. 2521 (1978), issued under the Ground Water<br />
Act B.E. 2520 (1977), published in the Royal Gazette, Vol. 95, Part 66, dated<br />
June 27, B.E. 2521 (1978)<br />
[4] Groundwater Quality Standards: Notification of the National Environmental<br />
Board No. 20, B.E. 2543 (2000), issued under the Enhancement & Conservation<br />
of National Environment Quality Act B.E. 2535 (1992), published in the<br />
Royal Government Gazette, Vol. 117 Special part 95 D, dated September 15 ,<br />
B.E. 2543 (2000); Notification of the Ministry of Industry, No. 322, B.E. 2521<br />
(1978), issued under the Industrial Products Standards Act B.E. 2511 (1968),<br />
published in the Royal Gazette, Vol. 95, Part 68, dated July 4, B.E. 2521<br />
(1978)<br />
[5] Bottled Drinking Water Quality Standard: Notification of the Ministry of Public<br />
Health, No. 61 B.E. 2524 (1981), issued under the Food Act B.E. 2522 (1979),<br />
published in the Royal Gazette, Vol. 98, Part 157 (Special Issue), dated September<br />
24, B.E. 2524 (1981).<br />
[6] Richtlinien zu Abwässern: Industrial Effluent Standards<br />
Notification the Ministry of Science, Technology and Environment, No. 3,<br />
B.E.2539 (1996) issued under the Enhancement and Conservation of the National<br />
Environmental Quality Act B.E.2535 (1992), published in the Royal<br />
Government Gazette, Vol. 113 Part 13 D, dated February 13, B.E.2539 (1996)<br />
Notification the Ministry of Science, Technology and Environment, No. 4,<br />
B.E.2539 (1996) issued under the Enhancement and Conservation of the National<br />
Environmental Quality Act B.E.2535 (1992), published in the Royal<br />
Government Gazette, Vol. 113 Part 13 D, dated February 13, B.E.2539 (1996)
Praxiserfahrungen in anderen Ländern - Thailand 135<br />
Notification of the Pollution Control Committee, No. 3, B.E. 2539 (1996) dated<br />
August 20, B.E. 2539 (1996) issued under Factory Act B.E.2535 (1996), published<br />
in the Royal Gazette, Vol. 113, Part 75 D, dated September 17, B.E.<br />
2539 (1996)<br />
[7] Regulations of Industrial Pollution Control Facilities: Notification of the Ministry<br />
of Industry, No. 13 B.E. 2525 (1982), as amended in No. 22 B.E. 2528 (1985),<br />
issued under the Factory Act B.E. 2512 (1969), published in the Royal Gazette,<br />
Vol. 99, Part 89, dated June 29, B.E. 2525 (1982).<br />
[8] Building Effluents Standards<br />
Notification of the Ministry of Science, Technology and Environment issued<br />
under the Enhancement and Conservation of the National Enviromental Quality<br />
Act, B.E.2535, published in the Royal Government Gazette,Vol. 111 special<br />
part 9, dated February 4, B.E.2537 (1994).<br />
Notification of the Ministry of Science, Technology and Environment issued<br />
under the Enhancement and Conservation of the National Enviromental Quality<br />
Act, B.E.2535, published in the Royal Government Gazette,Vol. 111 special<br />
part 9, dated February 4, B.E.2537 (1994).<br />
10 Anlagen (auf CD beigefügt)<br />
- Anlage 1: Ausgewählte gesetzliche Vorschriften<br />
- Anlage 2: Analysendaten zu den besuchten Wasserwerken (Metalle, physikalisch-chemische<br />
Parameter) nach Messungen durch das TZW<br />
- Anlage 3: Landeskunde<br />
- Anlagen 4-12: Kurzbeschreibungen der besuchten Wasserwerke (Steckbriefe)
Vietnam
136<br />
1 Einleitung<br />
Im vorliegenden Bericht sind die Ergebnisse der Datenerhebung zur Wasserversorgung<br />
in Vietnam zusammengestellt. Das Ziel der Erhebung bestand darin, einen<br />
Überblick über die dortigen Randbedingungen und Strukturen der Wasserversorgung,<br />
-aufbereitung und -verteilung zu erhalten. Dazu wurden im Zeitraum vom<br />
15.06.02 bis 02.07.02 insgesamt sieben Water Supply Companies, jeweils drei in<br />
Süd- und Nordvietnam und eine Company in Zentralvietnam besucht.<br />
Tabelle 1.1 gibt einen Überblick über die aufgesuchten Wasserwerke.<br />
Ein großer Teil dieser Anlagen bzw. Wasserversorger gehört nach einem Ranking<br />
der Weltbank, das in Zusammenarbeit mit dem VWSA (Vietnamese Water and Sewage<br />
Association) durchgeführt wurde, mit zu den besten Wasserversorgern in Vietnam.<br />
Dies bedeutet, dass die bei der Datenerhebung gewonnenen Daten nicht unkritisch<br />
auf das gesamte Land übertragen werden können.<br />
Tabelle 1.1: Allgemeine Daten zu den besichtigten Wasserwerken<br />
Wasserwerk Provinz Unternehmen Rohwasser<br />
Giam Lam<br />
Dien Vong<br />
An Duong<br />
Suoi Vang<br />
Bien Hoa<br />
Ba Ria<br />
Thu Duc<br />
Gia Lam<br />
Quang Ninh<br />
Hai Phong<br />
Dalat<br />
Bien Hoa<br />
Vung Tau<br />
HoChiMinh<br />
Ha Noi No2. Clean<br />
Water Business<br />
Company<br />
Quang Ninh Water<br />
Supply and<br />
Construction Company<br />
Hai Phong Water<br />
Supply Company<br />
Lam Dong Water<br />
Grundwasser<br />
Talsperre<br />
Aufbereitungsmenge,<br />
m³/d<br />
max. 30.000<br />
akt. 30.000<br />
max. 60.000<br />
akt. 22.000<br />
max. 100.000<br />
Fluss<br />
akt. 90.000<br />
max. 25.000<br />
Talsperre<br />
Supply Company<br />
akt. 23.000<br />
Dong Nai Water<br />
max. 36.000<br />
Supply & Construction<br />
Company<br />
Fluss<br />
akt. 36.000<br />
The Water Supply<br />
Company of Ba Ria Grundwasser max. 20.000<br />
akt. 14.000<br />
HoChiMinh City Water<br />
Supply Company Fluss max. 650.000<br />
akt. 650.000
Praxiserfahrungen in anderen Ländern - Vietnam 137<br />
Bild 1.1: Lage der aufgesuchten Wasserwerke<br />
Außerdem wurde ein Betrieb zur Aufbereitung und Abfüllung von Flaschenwasser in<br />
Hai Dong (Nr. 19) in der Nähe von Hanoi besichtigt.
138<br />
2 Gesetzliche Regelungen<br />
2.1 Rohwasser<br />
In Vietnam beziehen sich zwei Gesetze auf das Rohwasser zur Trinkwassergewinnung.<br />
Dabei handelt es sich um das „Law on Water Resource“ (No. 8/1998/QH10 of<br />
May 20, 1998) sowie um Kriterien zur Auswahl von Oberflächen- und Grundwasser<br />
für die öffentliche Trinkwasserversorgung (TCDX 233-1999).<br />
Das „Law on Water Resource“ ist ein allgemeines Gesetz zum Schutz und zur Regelung<br />
des Gebrauchs und der Ausbeutung von Wasservorkommen. Die nachfolgend<br />
angegebenen Kapitelüberschriften geben einen Eindruck vom Inhalt dieses Gesetzes:<br />
Kapitel 1:<br />
Kapitel 2:<br />
Kapitel 3:<br />
Kapitel 4:<br />
Kapitel 5:<br />
Kapitel 6:<br />
Kapitel 7:<br />
Kapitel 8:<br />
Kapitel 9:<br />
Kapitel 10:<br />
Allgemeine Begriffe und Maßnahmen<br />
Schutz der Ressource Wasser<br />
Ausbeutung und Nutzung von Wasservorkommen<br />
Schutz, Bekämpfung und Überwindung der Gefährdung von Wasservorkommen<br />
durch Überflutung und andere negativen Einflüsse<br />
Monitoring und Schutz von Wasservorkommen<br />
Internationale Beziehungen und Kooperationen<br />
Staatliches Wassermanagement<br />
Überwachung der Wasserressourcen<br />
Bestrafung bei Verletzung von Bestimmungen zum Schutz der Ressource<br />
Wasser<br />
Implementierung der Bestimmungen<br />
2.2 Trinkwasser<br />
Es gibt zwei Gesetze, in denen Standards zur Trinkwasserbeschaffenheit festgeschrieben<br />
sind. Dies sind „Standard on Water Quality“ (TCXD 33-1985) und „Sanitary<br />
standard on drinking & domestic Water“ (Decision No. 505/BYT/QD 04/13/1992).<br />
Letztere wurde im Jahr 2002 durch die Decision No. 1329/2002/BYT/QD 04/18/2002<br />
ersetzt.<br />
Eine Übersicht mit aktuell gültigen Qualitätsstandards entsprechend der letztgenannten<br />
Regelung ist in Tabelle 2.1 beispielhaft für ausgewählte Parameter enthalten.<br />
Eine ausführliche Auflistung der Parameter der vietnamesischen Trinkwasserverordnung<br />
ist Bestandteil von Anlage 2. Demnach bestehen zwischen den vietnamesischen<br />
und den deutschen Grenzwerten Unterschiede. So weist beispielsweise die<br />
vietnamesische Trinkwasserverordnung für Arsen, Cyanid, Blei, Mangan höhere<br />
Grenzwerte im Vergleich zu Deutschland aus.
Praxiserfahrungen in anderen Ländern - Vietnam 139<br />
Tabelle 1.1: Vergleich der Trinkwassergrenzwerte in Vietnam und Deutschland anhand<br />
ausgewählter Parameter<br />
Vietnam<br />
Parameter<br />
Einheit<br />
Distribution<br />
Urban Area System &<br />
Deutschland<br />
Rural Area<br />
Trübung NTU 1 1 1<br />
Arsen mg/L 0,05 0,05 0,01<br />
Cadmium mg/L 0,005 0,005 0,005<br />
Chrom mg/L 0,05 0,05 0,05<br />
Kupfer mg/L 1 1 2<br />
Cyanid mg/L 0,1 0,1 0,05<br />
Fluorid mg/L 1,5 1,5 1,5<br />
Blei mg/L 0,05 0,05 0,01<br />
Mangan mg/L 0,1 0,1 0,05<br />
Quecksilber mg/L 0,001 0,001 0,001<br />
Nitrat mg/L 10 10 50<br />
Nitrit mg/L 0 0 0,5<br />
Selen mg/L 0,01 0,01 0,01<br />
Tetrachlorkohlenstoff µg/L 3 3<br />
1,1-Dichlorethan µg/L 0,3 0,3<br />
1,2-Dichlorethan µg/L 10 10 3<br />
Trichlorethen µg/L 30 30 Summe<br />
Tetrachlorethen µg/L 10 10 10<br />
Benzol µg/L 10 10 1<br />
Benzo[a]pyren µg/L 0,01 0,01 0,01<br />
Aldrin µg/L 0,03 0,03 0,03<br />
Dieldrin µg/L 0,03 0,03 0,03<br />
Heptachlor µg/L 0,1 0,1 0,03<br />
Heptachlorepoxid µg/L 0,1 0,1 0,03<br />
Chlordan µg/L 0,3 0,3<br />
PBSM Einzels./PBSM gesamt µg/L 0,1 / 0,5<br />
DDT µg/L 1 1<br />
2,4-D µg/L 100 100<br />
Hexachlorbenzol µg/L 0,01 0,01<br />
Lindan µg/L 3 3<br />
Metazachlor µg/L 30 30<br />
Pentachlorphenol µg/L 10 10<br />
Trihalogenmethane µg/L 30 30 50<br />
Chloroform µg/L 30 30<br />
Freies Chlor nach 30 min<br />
Kontakt bei pH
140<br />
3 Allgemeine Angaben<br />
3.1 Rohwässer und wasserwirtschaftliche Situation<br />
Mit 329.000 km² weist Vietnam etwa die gleiche Fläche wie Deutschland auf. Vietnam<br />
hat eine Nord-Süd-Ausdehnung von über 1.600 km. Die Ost-West-Ausdehnung<br />
liegt zwischen 60 km in Zentralvietnam und 600 km im Nord- bzw. 400 km in Südvietnam.<br />
Nord-, Zentral- und Südvietnam sind die drei Hauptregionen mit jeweils ca.<br />
1/3 der Landesfläche.<br />
Zu Nordvietnam gehören Gebirgslandschaften des chinesischen Gebirgssystems mit<br />
Höhen von über 3.000 Metern. Dieses Gebiet ist sehr dünn besiedelt, weist jedoch<br />
reiche Vorkommen verschiedener Bodenschätze wie Kohle, Eisenerz und Phosphat<br />
auf. Daneben gibt es kleinere Vorkommen an Kupfer, Mangan, Chrom, Titan und<br />
Bauxit. Ebenfalls zum Norden zählt der Tonkin, das Schwemmlandgebiet im Delta<br />
des Roten Flusses, in dem die Hauptstadt Hanoi liegt. Diese Region zählt mit bis zu<br />
2.000 Einwohner/km² zu den am dichtesten besiedelten Gebieten der Erde.<br />
Der Süden wird dominiert durch das Delta des Mekong, das mit 45.000 km² etwa<br />
dreimal so groß ist wie das des Roten Flusses. Dieses Gebiet verwendet Vietnam<br />
verstärkt zum Reisanbau. Die Besiedlung ist hier jedoch nicht so dicht wie im Norden<br />
des Landes. Vor der Südküste Vietnams liegen große Vorkommen an Erdöl und<br />
Erdgas, mit deren Ausbeutung gerade erst begonnen wird.<br />
Zur Trinkwassergewinnung nutzen die vietnamesischen Wasserwerke zu 66 % Oberflächenwasser<br />
und zu 34 % Grundwasser.<br />
3.2 Klima<br />
Das Klima ist im Norden je nach Höhenlage subtropisch bis gemäßigt und im Süden<br />
tropisch. Die jährlichen Niederschlagsmengen betragen durchschnittlich 1.500 mm,<br />
im Gebirge 2.500-3.000 mm und Mekongdelta bis zu 4.000 mm. Die Niederschläge<br />
fallen je nach Region zu unterschiedlichen Zeiten, deren jahreszeitlicher Verlauf im<br />
Süden im wesentlichen vom Monsun bestimmt wird. Hier können zwei „Jahreszeiten“,<br />
die Regen- und die Trockenzeit unterscheiden werden. Die Regenzeit dauert<br />
von Mai bis Oktober. In der Trockenzeit von November bis Mai fallen wenig Niederschläge,<br />
obwohl es trotzdem schwül und feucht ist.<br />
Die jahreszeitlich bedingten Temperaturschwankungen sind im Süden nicht sehr<br />
groß, wie aus dem unteren Teil von Bild 3.1 (Ho-Chi-Minh Stadt) hervorgeht.
Praxiserfahrungen in anderen Ländern - Vietnam 141<br />
700<br />
600<br />
Niederschlag<br />
Tagesmaximum<br />
Tagesmminimum<br />
Ha Noi<br />
35<br />
30<br />
500<br />
25<br />
Niederschlag, mm<br />
400<br />
300<br />
20<br />
15<br />
Temperatur, C°<br />
200<br />
10<br />
100<br />
5<br />
0<br />
Jan Feb Mar Apr May Jun Jul Aug Sep Oct Nov Dec<br />
0<br />
700<br />
Da Nang<br />
35<br />
600<br />
30<br />
500<br />
25<br />
Niederschlag, mm<br />
400<br />
300<br />
200<br />
Niederschlag<br />
Tagesmaximum<br />
Tagesmminimum<br />
20<br />
15<br />
10<br />
Temperatur, C°<br />
100<br />
5<br />
0<br />
Jan Feb Mar Apr May Jun Jul Aug Sep Oct Nov Dec<br />
0<br />
700<br />
Ho Chi Minh Stadt<br />
35<br />
600<br />
30<br />
500<br />
25<br />
Niederschlag, mm<br />
400<br />
300<br />
Niederschlag<br />
Tagesmaximum<br />
Tagesmminimum<br />
20<br />
15<br />
Temperatur, C°<br />
200<br />
10<br />
100<br />
5<br />
0<br />
Jan Feb Mar Apr May Jun Jul Aug Sep Oct Nov Dec<br />
Bild 3.1: Klimadaten ausgewählter Städte<br />
0
142<br />
Im Norden beginnt die niederschlagsreiche Zeit später (Juni) und endet früher (September)<br />
als im Süden, wobei die Gesamtniederschlagsmenge etwa die gleiche ist.<br />
Die Temperaturunterschiede zu den einzelnen Jahreszeiten sind wesentlich ausgeprägter<br />
als im Süden (Bild 3.1, Hanoi). Aufgrund der kühlen Luft fällt im Winter ein<br />
beständiger Nieselregen, so dass es eine ausgeprägte Trockenzeit im Norden nicht<br />
gibt.<br />
Aufgrund der großen Nord-Süd-Ausdehnung und der großen Höhenunterschiede<br />
gibt es in Mittelvietnam kein einheitliches Klima. Je weiter man nach Norden vordringt<br />
desto größer werden die jahrezeitlichen Temperaturschwankungen und je näher<br />
man der Küste kommt, desto mehr Niederschläge gibt es.<br />
3.3 Struktur der Wassergewinnung, -aufbereitung und -verteilung<br />
Seitens des Gesetzgebers liegt die Verantwortung für das Wasser bei mehreren Behörden.<br />
Das Ministerium für Landwirtschaft und ländliche Entwicklung (MARD = Ministry of<br />
Agriculture and Rural Development) ist zuständig für das Rohwasser, den Rohwasserschutz<br />
und die ländliche Wasserversorgung. Das Bauministerium (MOC = Ministry<br />
of Construction) ist verantwortlich für die städtische Wasserversorgung. Für die<br />
Abwasserentsorgung sind sowohl das Gesundheitsministerium (MOH = Ministry of<br />
Health) als auch MARD und MOC zuständig.<br />
Die Verantwortlichkeit für den Umweltschutz und dessen Überwachung ist über mehrere<br />
Ministerien verteilt, so dass eine Koordination der verschiedenen zuständigen<br />
staatlichen Behörden hinsichtlich der Wasserversorgung nicht immer gegeben<br />
scheint.<br />
Bei der Wasserver- und Abwasserentsorgung sind die ländlichen Regionen und die<br />
städtischen Räume voneinander zu unterscheiden. In diesen beiden Regionen unterscheidet<br />
sich die Versorgung der Bevölkerung mit Trinkwasser erheblich voneinander.<br />
Wie aus Tabelle 3.1 hervorgeht, haben nach Angaben der WHO 95 % der städtischen<br />
Bevölkerung und 74 % der Landbevölkerung Zugang zu sicherem Trinkwasser.<br />
Allerdings sind solche Zahlenangaben mit hohen Unsicherheiten behaftet. Nach<br />
Daten des Ministeriums für Landwirtschaft und ländlicher Entwicklung (MARD) liegt<br />
der Anteil der Landbevölkerung mit der Zugang zu sicherem Trinkwasser lediglich<br />
bei 30 %.
Praxiserfahrungen in anderen Ländern - Vietnam 143<br />
Tabelle3.1: Vergleich der Trinkwasserversorgung im ländlichen und städtischen<br />
Raum (Microcensuserhebung, WHO/UNICEF 2000), Angaben in %<br />
Art der Wasserversorgung Städtisch Ländlich Gesamt<br />
Hausanschlüsse 49 0,7 12<br />
Trinkwasserleitungen außerhalb des Hauses 1,4 0,1 0,4<br />
Öffentliche Hydranten 0,2 0,1 0,1<br />
Gebohrte Tiefbrunnen mit Pumpen 17,9 21,2 20,5<br />
Geschützte, gegrabene Brunnen 22,7 36,5 33,3<br />
Quellwasser mit Filtersystemen 0,4 0,8 0,7<br />
Regenwasser 3,8 14 11,7<br />
Ungeschützte, gegrabene Brunnen 1,1 6,8 5,5<br />
Ungeschützte Quellen 0,1 5,4 4,2<br />
Teich, Fluss 1,6 13,5 10,7<br />
Tankwagen 1,3 0 0,3<br />
Andere 0,5 0,9 0,6<br />
Gesamt 100 100<br />
Fehler!<br />
Textmarke<br />
nicht<br />
definiert.10<br />
0<br />
Anteil der Bevölkerung<br />
mit Zugang zu sicherem Trinkwasser<br />
nach Definition der WHO<br />
95 74 79<br />
Wasserversorgung in den ländlichen Regionen<br />
Ungefähr 75 % der Vietnamesen leben in ländlichen Regionen, zumeist in Haushalten<br />
mit durchschnittlich 5 Personen. Den Lebensunterhalt bestreitet der überwiegende<br />
Anteil der ländlichen Bevölkerung als Kleinbauern, wobei der Lebensstandard<br />
niedrig ist.<br />
Zur Wasserversorgung nutzen über 50 % der Haushalte offene oder abgedeckte gegrabene<br />
Schachtbrunnen, 25 % unbehandeltes Fluss-, Quell- oder Seewasser und<br />
über 10 % Regenwasser [1].<br />
Über 50 % der Landbevölkerung verfügen über keine Latrinen. Bei den vorhandenen<br />
Latrinen handelt es sich um offene Sickergruben, im Süden des Landes zum Teil um<br />
Fischteichlatrinen. 20 % der Latrinen sind mit Wasserspülung ausgerüstet und lediglich<br />
20 % aller genutzten Latrinen können als hygienisch bezeichnet werden.
144<br />
Die Probleme bei der Versorgung der Landbevölkerung mit Trinkwasser sind vielfältig<br />
und nur zum Teil in der natürlichen Ausstattung des Landes begründet. Eine zumindest<br />
ebenso große Rolle spielen soziale Aspekte, die Tradition sowie mangelnde<br />
technische Ausstattung und direkt vom Menschen verursachte Verschmutzungen.<br />
Nachstehend sind einige Probleme aufgeführt.
Praxiserfahrungen in anderen Ländern - Vietnam 145<br />
- Das Verständnis für hygienische Zusammenhänge und die Beachtung von hygienischen<br />
Standards ist in Teilen der Landbevölkerung nicht verbreitet.<br />
- In den ländlichen Regionen insbesondere im Mekong Delta, am Red River und in<br />
den Küstenregionen werden frische Fäkalien als Dünger sowie als Fischfutter<br />
verwendet.<br />
- Ca. 13 Millionen Menschen wohnen in Gebieten, in denen das Grundwasser zu<br />
versalzen droht oder bereits versalzen ist.<br />
- In einigen Gebirgs- bzw. Mittelgebirgsregionen herrscht aufgrund der geologischen<br />
Gegebenheiten wie Karst Wassermangel. Hier ist Grundwasser nur aus<br />
tieferen Schichten förderbar, wobei die technische Ausstattung zum Niederbringen<br />
von Tiefbrunnen und der Förderung nicht vorhanden ist.<br />
- Aufgrund der klimatischen Bedingungen kommt es zu Überflutungen, die auch in<br />
Hinblick mit offenen Latrinen, Fischteichlatrinen bzw. der mangelhaften Abwasserentsorgung<br />
zu weiteren Problemen führen.<br />
- Die Verschmutzung des Wassers wird verursacht u.a. durch lokal hohe Bevölkerungsdichten<br />
bzw. durch eine intensive landwirtschaftliche Nutzung (z.B. Viehzucht).<br />
Nach Angaben der VWSA scheint in einigen Regionen zudem der Einsatz<br />
von Pestiziden problematisch zu sein.<br />
Wasserversorgung im städtischen Bereich<br />
Im Gegensatz zum ländlichen Raum ist die Wasserversorgung in den Städten Vietnams<br />
vergleichsweise gut. In allen 61 größeren Städten und Provinzstädten existiert<br />
eine zentrale Trinkwasserversorgung. Von den 547 kleineren Districts, Städten bzw.<br />
Gemeinden verfügen jedoch nur 140 über eine zentrale Trinkwasserversorgung.<br />
Hinsichtlich der Abwasserentsorgung stellen sich die Probleme in den städtischen<br />
Gebieten ebenfalls anders dar. Es gibt eine Abwasserkanalisation, jedoch wie im<br />
ländlichen Raum bisher keine Abwasserbehandlung, so dass die Abwässer ungeklärt<br />
in die Vorfluter gelangen. Die Probleme der Wasserversorger im Zusammenhang mit<br />
der Einleitung ungeklärter kommunaler und industrieller Abwässer verstärken sich<br />
alljährlich während der Regenzeit, wenn die Flüsse teilweise über die Ufer treten.<br />
Planungen zur Erweiterung der öffentlichen Trinkwasserversorgung<br />
In Vietnam wurden in der Vergangenheit von Seiten der Regierung mehrere Programme<br />
zur Verbesserung der Trinkwasserversorgung und Abwasserentsorgung<br />
aufgelegt. Ein Programm zur Förderung der Wasserversorgung in den 61 größeren<br />
Städten und Provinzstädten wurde bereits 1995 implementiert und führte bisher zu<br />
einer Kapazitätserweiterung um 600.000 m³ Trinkwasser/d. Die Gesamtinvestitionssumme<br />
bis zum Jahre 2005 soll 1 Milliarde US $ betragen. Die Geldgeber sind insbesondere<br />
die Weltbank sowie Japan, Frankreich und Dänemark.
146<br />
Im Jahre 2000 wurde ein weiteres Programm mit dem Ziel der Förderung der Trinkwasserversorgung<br />
insbesondere in kleineren Städten und Ortschaften aufgelegt.<br />
Das Programm läuft bis 2010. Geldgeber sind Japan, Schweden, Dänemark.<br />
Die Programme verfolgen prinzipiell ähnliche Ziele. Demnach soll bis zum Jahre<br />
2010 ca. 85 % der ländlichen Bevölkerung sauberes Trinkwasser in einer Menge von<br />
60 Liter/Einwohner/Tag zur Verfügung stehen. 70 % der ländlichen Bevölkerung soll<br />
hygienische Latrinen benutzen und die wichtigsten hygienischen Standards einhalten.<br />
3.4 Water Supply Companies und Wasserwerke<br />
In 59 Provinzen ist jeweils eine Water Supply Company für die Wasserversorgung<br />
der gesamten Provinz verantwortlich. Dies umfasst die Gewinnung, Aufbereitung und<br />
Verteilung. Die drei Provinzen Hanoi, Ho Chi Minh Stadt und Dong Nai bilden eine<br />
Ausnahme, da hier jeweils zwei Water Supply Companies miteinander in Konkurrenz<br />
stehen.<br />
Die Wasserversorgung in Vietnam liegt somit in den Händen von lediglich 64 Betrieben,<br />
die insgesamt derzeit 240 Wasserwerke betreiben.<br />
Die Water Supply Companies der einzelnen Provinzen können die Verantwortung für<br />
die Wasserversorgung auf Water Supply Companies auf Distrikt-, Stadt- bzw. Dorfebene<br />
übertragen. Hierzu fehlt derzeit aber die gesetzliche Grundlage über die Verteilung<br />
der Verantwortung sowie Kontrolle, Pflichten und Rechte des jeweiligen Betreibers.<br />
Entsprechende Gesetze befinden sich zur Zeit im Gesetzgebungsverfahren.<br />
Trotzdem gibt es bereits einige Distrikt Water Supply Companies.<br />
Die Organisation und das Management bei den Wasserversorgern ist im allgemeinen<br />
als gut bis sehr gut einzustufen.<br />
Die durchschnittliche Aufbereitungskapazität eines Wasserwerkes beträgt<br />
12.500 m³/d, wobei die Kapazitäten tatsächlich sehr unterschiedlich sind und von<br />
1.000 m³/d bis zu 850.000 m³/d in Ho Chi Minh City reichen.<br />
Während in der Bundesrepublik Deutschland an einem Tag ca. 14 Mio. m³ Trinkwasser<br />
über zentrale Verteilungssysteme an die Verbraucher abgegeben werden,<br />
sind dies in Vietnam bei etwa gleicher Bevölkerungsanzahl lediglich ca. 3 Mio. m³/d.
Praxiserfahrungen in anderen Ländern - Vietnam 147<br />
4 Wasserbeschaffenheit<br />
4.1 Grundwasser<br />
Analysenwerte von Grundwasser liegen beispielhaft für die Umgebung von Hanoi<br />
vor. Tabelle 4.1 zeigt einige ausgewählte Güteparameter. Daraus geht hervor, dass<br />
Eisen, Mangan und Ammonium in hohen Konzentrationen vorkommen. Beispielsweise<br />
liegen im Grundwasser von Hanoi-Süd die Eisengehalte im Mittel bei ca.<br />
10 mg/L. Der Ammoniumgehalt beträgt ca. 14 mg/L.<br />
Die Gehalte an gelösten natürlichen organischen Inhaltsstoffen liegen in Grundwasser<br />
von Hanoi zwischen 0,4 und 4,1 mg/L. Bei der obligatorischen Desinfektion im<br />
Wasserwerk führen die teilweise erhöhten TOC-Gehalte zu einer verstärkten THM-<br />
Bildung. Weiterhin wird die THM-Bildung in einzelnen Wässern durch erhöhte Bromidgehalte<br />
begünstigt.<br />
In einigen Gebieten Vietnams stellt das Vorkommen von Arsen ein Problem dar.<br />
Spurenstoffe scheinen bei der Aufbereitung von Grundwasser von untergeordneter<br />
Bedeutung zu sein.<br />
Tabelle 4.1: Mittelwerte von Analyenergebnissen von Grundwasser in Hanoi und der<br />
Umgebung von Hanoi (Analytik durch Hanoi No.2 Clean Water Business<br />
Company)<br />
Süd Hanoi<br />
Nord Hanoi<br />
Nord Süd Soc Son Dong Anh Gia Lam<br />
pH-Wert 7,0 6,9 6,5 6,3 6,7<br />
Amonium mg/L 0,9 14,3 0,8 1,5 2,0<br />
Nitrat mg/L 0,6 0,3 1,6 1,5 1,1<br />
Eisen mg/L 2,1 9,9 1,7 6,8 7,8<br />
Calcium mg/L 70 ca.60 47 62 80<br />
Mangan mg/L 0,6 0,2 0,0 0,1 0,3<br />
Arsen µg/L < 50<br />
TOC mg/L 0,4 4,1 0,7 1,2 1,0<br />
4.2 Oberflächenwasser<br />
Bei der Aufbereitung von Oberflächenwasser steht die Entfernung von Trübstoffen<br />
und Mikroorganismen im Vordergrund. Problematisch sind die stark schwankenden<br />
Trübstoffgehalte. In den Flüssen liegt die Trübung bei normaler Wasserführung bei<br />
etwa 10 bis 50 FNU. In der Regenzeit kann die Trübung auf über 1.000 FNU ansteigen.<br />
Mit einem Anstieg der Trübung sind erhöhte Gehalte an Mikroorganismen verbunden.
148<br />
Die gegenüber in den gemäßigten Breiten vorliegenden höheren Wassertemperaturen<br />
(18 – 25°C) in den Oberflächengewässern Vietnams führen in Verbindung mit<br />
der höheren Sonneneinstrahlung auch zu vermehrtem Wachstum von Algen.<br />
In den landwirtschaftlich genutzten Flusstälern und Becken sollen nach Angaben der<br />
VWSA auch die Spurenstoffe wie Pestizide ein Problem darstellen. Konkrete Messergebnisse<br />
dazu stehen jedoch aus.<br />
Neben diesen für die Aufbereitung von Oberflächenwässern typischen Problemen<br />
sind zusätzlich die zum Teil vergleichsweise hohen Gehalte an Eisen und Mangan<br />
mit zu berücksichtigen.<br />
Die Wasserbeschaffenheit der Roh- und Reinwässer der besichtigten Wasserwerke<br />
ist in Anlage 2 gemeinsam mit weiteren Angaben zu den Werken enthalten.<br />
5 Aufbereitung<br />
In Vietnam erfolgt die Trinkwassergewinnung aus Grundwasser üblicherweise durch<br />
Belüftung, Schnellfiltration und Desinfektion. Bei hohen Eisen- und Mangangehalten,<br />
wie sie beispielsweise im Grundwasser von Hanoi vorliegen, wird die Schnellfiltration<br />
zweistufig ausgeführt. In einigen Wasserwerken wird zur Entmanganung Kaliumpermanganat<br />
bzw. Chlor vor der zweiten Filterstufe dosiert. Tabelle 5.1 stellt am Beispiel<br />
des Wasserwerks Gia Lam in Hanoi die Aufbereitung sowie ausgewählte Prozessparameter<br />
in einem vietnamesischen Grundwasserwerk dar.<br />
Tabelle 5.1: Kenndaten der Aufbereitungsanlage Gia Lam in Hanoi<br />
Belüftung -<br />
Enteisenungsfiltration<br />
Filtergeschwindigkeit ca. 6 m/h<br />
Spülintervall ca. 24 bis 36 Stunden<br />
KMnO 4 -Zugabe -<br />
Entmanganungsfiltration<br />
Filtergeschwindigkeit ca. 6 m/h<br />
Spülintervall ca. 24 bis 36 Stunden<br />
Desinfektion<br />
Zugabe von 0,8 bis 1 mg/L Chlor<br />
Oberflächenwasser wird meist in einer mindestens dreistufigen Anlage, bestehend<br />
aus Flockung mit Sedimentation, Schnellfiltration und Desinfektion zu Trinkwasser<br />
aufbereitet. Je nach Rohwasserbeschaffenheit und Rohwasserentnahme erfolgt zum<br />
Teil eine Vorchlorung. Bei geringen Mangankonzentrationen wird häufig Chlor vor<br />
der Schnellfiltration dosiert. Tabelle 5.2 zeigt am Beispiel des Wasserwerks Dien<br />
Vong das typische Aufbereitungskonzept für Oberflächenwasser.
Praxiserfahrungen in anderen Ländern - Vietnam 149<br />
Bild 5.1: Grundwasseraufbereitungsanlage Gia Lam, Hanoi<br />
Tabelle 5.2: Daten zur Talsperrenwasseraufbereitungsanlage Dien Vong<br />
Verfahrensschritt<br />
Ausführung<br />
Flockungsmittel Aluminiunmchlorid, Einmischung<br />
Flockung<br />
über hydraulischen Sprung,<br />
Kalkmilchzugabe Einstellung pH 7,5 bis 8<br />
Fünfstraßig, ca. 55 x 5,5 m je Straße<br />
Gesamtvolumen ca. 5.000 m³<br />
Sedimentation<br />
Verweilzeit bei derzeitigen Betrieb 5 h (bei<br />
60.000 m³/d: 2 h)<br />
12 Doppelfilter á 44 m² (528m²)<br />
Filtergeschwindigkeit derzeit 2 m/h (bei<br />
60.000 m³/d: 5 m/h)<br />
Schnellfiltration<br />
Filterschicht 1,2 m, Sand 0,8 – 1,2 mm<br />
Spülintervall ca. 30 Stunden<br />
Spülgeschwindigkeit 25 m/h<br />
0,7 bis 0,8 mg/L Chlorzugabe, abhängig von der<br />
Desinfektion<br />
Rohwassequalität (Regenzeit)<br />
Ausgang Zwischenbehälter Sollwert 0,3 mg/L
150<br />
Als Flockungsmittel kommt ausschließlich Aluminiumsulfat zum Einsatz, das in den<br />
Wasserwerken vor Ort aus Sackware zur dosierfähigen Lösung angesetzt wird. Nach<br />
Aussage der Wasserwerksbetreiber sind Eisensalze zur Flockung in Vietnam bisher<br />
nicht erhältlich. Flockungshilfsmittel werden in Vietnam ebenfalls nicht eingesetzt.<br />
Der Energieeintrag bei der Flockung und auch Flockenausbildung erfolgt in der Regel<br />
über einen hydraulischen Sprung bzw. entsprechende Einbauten zur Strömungsumlenkung.<br />
Ein mehrstufiger geregelter Energieeintrag über Rührer ist nicht üblich.<br />
In zwei der während der Datenerhebung besichtigten Wasserwerke wurden Rührer<br />
zumindest zur Einmischung des Flockungsmittels verwendet. Eine Rückführung von<br />
Kontaktschlamm ist nicht üblich. Die Verweilzeit in den Flockungs- und Sedimentationsanlagen<br />
beträgt in allen besichtigten Wasserwerken mehr als 1,5 Stunden.<br />
Zur Stabilisierung des pH-Wertes bei der Flockung wird in den meisten Wasserwerken<br />
Kalkmilch vor der Sedimentation dosiert, wobei die Zugabemenge lediglich mengenproportional<br />
erfolgt. Die Ermittlung der spezifischen Dosen erfolgt einmal täglich<br />
oder wöchentlich im Labor.<br />
Bild 5.2:<br />
Aufbereitungsanlage Dien Vong, Ho Chi Minh City, Sedimentation (Hintergrund)<br />
und Filtration (Vordergrund)
Praxiserfahrungen in anderen Ländern - Vietnam 151<br />
Die Schnellfilter werden in der Regel als Einschichtfilter mit Filtergeschwindigkeiten<br />
von 2 bis 8 m/h betrieben (Bild 5.2). Lediglich im Wasserwerk Thu Duc in Ho Chi<br />
Minh City sind Mehrschichtfilter im Einsatz. Die Filterschichten in den Einzelfiltern<br />
sind meist kleiner als 1,2 m und liegen zumeist zwischen 0,8 und 1 m.<br />
Ozon und Aktivkohle werden in der Trinkwasseraufbereitung Vietnams nicht eingesetzt.<br />
Da die Desinfektion obligatorisch und ein Restgehalt an Chlor nach Abschluss<br />
der Aufbereitung vorgeschrieben ist, werden keine anderen Desinfektionsverfahren<br />
wie beispielsweise UV-Desinfektion eingesetzt.<br />
Eine Kurzcharakteristik der besuchten Wasserwerke kann Anlage 2 entnommen<br />
werden.<br />
6 Verteilung<br />
Fernwasserleitungen und auch Hauptleitungen sind häufig oberirdisch verlegt, da<br />
eine frostsichere Verlegung nicht erforderlich ist. Diese Art der Verlegung begünstigt<br />
allerdings illegale Abnahmen.<br />
Die einzelnen Versorgungsgebiete in Vietnam weisen unterschiedlich hohe Wasserverlustraten<br />
im Netz auf. Diese liegen in der Regel zwischen 25 % und mehr als<br />
50 %. Als Verlust wird hierbei die Differenz zwischen produziertem und verkauftem<br />
Wasser angegeben. Dadurch werden auch Wasserentnahmen über illegale Anschlüsse<br />
mit erfasst. Ebenso zählen dazu abgegebene Wassermengen, die aufgrund<br />
des vergleichsweise großen Schlupfes der Wasserzähler messtechnisch nicht<br />
erfasst werden.<br />
In Vietnam wird daher weniger von Verlust sondern eher von „unaccounted water“<br />
gesprochen, also von Wasser, das nicht durch Wasserzähler erfasst wurde.<br />
Das Verteilungsnetz in Vietnam ist vergleichsweise jung und liegt oft unter<br />
10 Jahren. In Hanoi sind die Leitungen im Mittel seit ca. 7,5 Jahren eingebaut, wie<br />
aus Tabelle 6.1 hervorgeht. Dennoch beträgt der Wasserverlust ca. 25 %. Pro Jahr<br />
müssen insgesamt ca. 50 Rohrbrüche behoben werden.<br />
Die Kennzahl von 0,25 Rohrbrüchen pro Jahr und Leitungskilometer für Hanoi (Tabelle<br />
6.2) liegt im Vergleich mit anderen vietnamesischen Wasserversorgungsunternehmen<br />
im Mittelfeld.
152<br />
Tabelle 6.1: Verteilungsnetze der Hanoi No.2 Clean Water Business Company<br />
System number Total (Km)<br />
Km 0-5 Km 5-10 Km > 10<br />
years old years old years old<br />
Gia Lam Water Plant 146,4 35 111,4<br />
Dong Anh Water Station 25,5 6,5 19<br />
Gia Lam airpost Wa. Stat. 17,2 17,2<br />
Total 189,1 41,5 111,4 36,2<br />
Tabelle 6.2: Anzahl der Rohrbrüche für Hanoi<br />
Rohrbrüche 2000 1999 1998 1997<br />
Pipe Breaks Breaks/year 48 60 78 100<br />
Pipe Breaks Breaks/km/yr 0,2538 0,4758 0,9059 1,2422<br />
Pipe Breaks Breaks/conn/yr 0,0013 0,0030 0,0092 0,0198<br />
In Hinblick auf das Rohrmaterial werden je nach Durchmesser verschiedene Werkstoffe<br />
eingesetzt:<br />
- DN ≥ 250 duktile Gußrohre<br />
- DN 75 – 250 Guß, Stahl<br />
- DN ≤ 75 PVC, verzinktes Eisenrohr<br />
Kunststoffrohre werden derzeit noch wenig verlegt.<br />
Die meisten Verbraucher haben entweder im Erdgeschoß oder auf dem Dach Vorratstanks<br />
für Trinkwasser. Selbst wenn eine kontinuierliche Wasserversorgung gewährleistet<br />
ist, vertrauen die Verbraucher der Wasserversorgung nicht uneingeschränkt.<br />
Diese Zwischenspeicherung kann zu einer erheblichen Verschlechterung<br />
der Trinkwasserbeschaffenheit durch Wiederverkeimung bzw. Aufkeimung führen,<br />
was durch starke Temperaturerhöhungen begünstigt wird. Die Tanks werden häufig<br />
über Nacht mit einem sehr geringen Durchsatz befüllt. Dabei ist der Schlupf der eingesetzten<br />
Wasseruhren vergleichsweise hoch, so dass es dem Verbraucher mit dieser<br />
Methodik gelingt, trotz Wasseruhr einen Teil des Wasser ungemessen zu zapfen.<br />
7 Kosten und Tarife<br />
Die Mehrzahl der vietnamesischen Water Companies haben die Wassertarife progressiv<br />
gestaltet. Damit müssen auch Privatleute über einem bestimmten monatli-
Praxiserfahrungen in anderen Ländern - Vietnam 153<br />
chen Verbrauch für jeden weiteren verbrauchten Kubikmeter einen höheren Preis<br />
zahlen. Die Industrie zahlt, sofern sie an das öffentliche Trinkwassernetz angeschlossen<br />
ist, höhere Preise als private Abnehmer mit geringem Verbrauch.<br />
Der Wassertarif aus Ho Chi Minh City in Tabelle 7.1 ist typisch für Vietnam. Ein privater<br />
Verbraucher zahlt bei einer Wasserabnahme von weniger als 4 m³ pro Monat<br />
einen Wasserpreis von 1.700 Dong/m³ (0,11 Euro/m³). Bei Mehrverbrauch steigt der<br />
Wasserpreis bezogen auf den Kubikmeter immer weiter an und beträgt bei einem<br />
Wasserverbrauch von mehr als 11 m³ im Monat 4.000 Dong/m³ (0,27 Euro/m³). Letzteren<br />
Preis ist auch die Industrie verpflichtet zu zahlen. Das nicht produzierende Gewerbe<br />
muss ein Drittel mehr zahlen als die Industrie.<br />
Die Wasserrechnungen werden oft monatlich, mindestens aber sechsmal jährlich<br />
erstellt.<br />
Tabelle 7.1: Wassertarife in Ho Chi Minh City<br />
Bereich in<br />
Tarifkategorie<br />
Tarif in VND/m³<br />
m³/Monat/Einw.<br />
1 - 4 1.700<br />
5 – 6 2.500<br />
Domestic users<br />
7 – 10 3.200<br />
> 11 4.000<br />
1 2.200<br />
Administrative/non-business agencies<br />
> 1 3.000<br />
Service business 6.500<br />
Material production activity/Industrial 4.000<br />
8 Zusammenfassung und Folgerungen<br />
Das in Vietnam zentral verteilte Trinkwasser wird zu etwa einem Drittel aus Grundwasser<br />
und zu zwei Dritteln aus Oberflächenwasser gewonnen. Bei den Grundwässern<br />
sind lokal erhöhte Gehalte an Eisen, Mangan, Ammonium und teilweise auch<br />
Arsen aufbereitungstechnisch zu berücksichtigen. Oberflächenwässer zeichnen sich<br />
durch klimatisch bedingte extreme Schwankungen in der Wasserführung aus. Damit<br />
verbunden sind zeitweise sehr hohe Trübstoffgehalte. Das Klima begünstigt die Entwicklung<br />
von Algen, woraus die algentypischen Probleme bei der Trinkwassergewinnung<br />
resultieren. Die Oberflächenwässer sind mikrobiologisch verunreinigt. Sowohl<br />
bei der Aufbereitung von Grund- als auch von Oberflächenwässern sind erhöhte Gehalte<br />
an natürlichen organischen Wasserinhaltsstoffen ursächlich für eine verstärkte<br />
THM-Bildung im Trinkwasser infolge der Desinfektion mit Chlor.
154<br />
Für die Trinkwassergewinnung aus Oberflächenwasser setzen die Wasserwerke in<br />
der Regel die gleichen Verfahren ein. Dabei handelt es sich um Flockung, Sedimentation,<br />
Schnellfiltration und Desinfektion mit Chlor.<br />
Die Rohre zur Trinkwasserverteilung sind typischerweise auf der Oberfläche verlegt.<br />
Die recht hohen Verluste während der Verteilung beruhen jedoch nicht nur auf<br />
Lecks, sondern auch auf illegalen Entnahmen. Verbreitet ist die Nutzung von Hauswasserspeichern.<br />
Ansatzpunkte für eine Verbesserung der Trinkwasserversorgung in Vietnam bestehen<br />
u.a. in einer Optimierung des Wasserwerksbetriebes, dem Erfahrungsaustausch,<br />
Kooperationen in Forschung und Entwicklung sowie in der Aus- und Weiterbildung<br />
der Mitarbeiter von vietnamesischen Wasserwerken.<br />
9 Literatur und Links<br />
[1] MoC, MARD: National Rural Clean Water Supply and Sanitation Strategy up<br />
to year 2020. Internal Documents.<br />
10 Anlagen (auf CD beigefügt)<br />
- Anlage 1: Trinkwasserverordnung von Vietnam<br />
- Anlage 2: Charakteristika der besuchten Wasserwerke einschließlich Analysendaten
Praxiserfahrungen in anderen Ländern - Vietnam 155
USA
156<br />
1 Einleitung<br />
Der vorliegende Bericht fasst die Ergebnisse der Datenerhebung zur Wasserversorgung<br />
in den USA zusammen. In der Zeit vom 16.06.-16.07.2002 wurden 13 Trinkwasseraufbereitungsanlagen<br />
sowie 5 Anlagen zur Abwasserwiederverwendung bzw.<br />
Meerwasserentsalzung in 7 amerikanischen Bundesstaaten besichtigt. Für die Besuche<br />
wurden insbesondere Trinkwasseraufbereitungsanlagen in Wassermangelgebieten<br />
sowie in Zonen, in denen jahreszeitlich sehr hohe bzw. sehr niedrige Temperaturen<br />
auftreten, ausgewählt.<br />
Bild 1.1: Pfeile markieren die Standorte der besichtigten Wasserwerke<br />
Tabelle 1.1: Allgemeine Daten zu den besichtigten Wasserwerken<br />
Wasserwerk<br />
Stadt<br />
Bundesstaat<br />
vorkommen m³/d<br />
Rohwasser Kapazität in<br />
City of Mesa WTP Mesa Arizona Fluss 180.000<br />
City of Tucson WTP Tucson Arizona Fluss 570.000<br />
Weymouth WTP Los Angeles Californ. Fluss, See 1.800.000<br />
Fort Collins Utilities WTF Fort Collins Colorado Fluss, Reservoir 230.000<br />
City of Golden WTP Golden Colorado Fluss 55.000<br />
Hillsborough river WTP Tampa Florida Fluss 370.000<br />
Williams WTP Lakeland Florida Grundwasser 95.000<br />
TampaBay RegionalWTP Tampa Florida Fluss, Reservoir 250.000<br />
Tom C. Hansen WTP Kansas City Kansas Fluss 470.000<br />
Nearman WTP Kansas City Missouri Fluss, Uferfiltrat 150.000<br />
Cass County WTP Cass County Missouri Talsperre 3.800<br />
B. E. Payne WTP Louisville Kentucky Fluss, Uferfiltrat 230.000<br />
R. Miller WTP Cincinnati Ohio Fluss 830.000
Praxiserfahrungen in anderen Ländern - USA 157<br />
Darüber hinaus fanden Besuche bei der American Water Works Association Research<br />
Foundation (AWWARF), dem Bureau of Reclamation des amerikanischen Innenministeriums,<br />
der amerikanischen Umweltschutzbehörde (EPA) sowie einem im<br />
Bereich Trinkwasseraufbereitung weltweit tätigen Consulting-Unternehmen statt. Die<br />
aufgesuchten Städte bzw. Gebiete sind in Bild 1.1 gekennzeichnet. Darüber hinaus<br />
sind in Tabelle 1.1 die Wasserwerke, in denen die Datenerhebung stattfand, aufgelistet.<br />
2 Gesetzliche Regelungen<br />
In den USA wird dem Multibarrierenprinzip zur Sicherstellung der Trinkwasserversorgung<br />
zunehmend Bedeutung beigemessen. Dementsprechend existieren zwischenzeitlich<br />
Gesetze und Verordnungen, die sich mit dem Ressourcenschutz sowie mit<br />
den aufbereitungs- und verteilungstechnischen Randbedingungen, aber auch mit der<br />
Information der Öffentlichkeit befassen. Grundlage für die gesetzliche Überwachung<br />
ist dabei der "safe drinking water act" (SDWA) von 1974. Aus diesem sowie den Ergänzungen<br />
von 1986 und 1996 und zahlreichen ergänzenden Verordnungen gingen<br />
Grenzwerte bzw. verfahrenstechnische Vorgaben für ca. 100 Parameter hervor.<br />
Umfassende Informationen zu Rohwasserschutz, Wasserqualität, Trinkwasserstandards<br />
sowie zu aufbereitungstechnischen Fragestellungen sind über die Homepage<br />
der US Environmental Protection Agency [1] verfügbar.<br />
Die Festlegung von Grenzwerten erfolgt in der Regel anhand des cancerogenen Risikos<br />
(10 -5 - 10 -6 ), das in Tierversuchen bestimmt wird. Im Hinblick auf die mikrobiologische<br />
Trinkwasserbeschaffenheit bzw. Parameter, die nicht für eine analytische<br />
Überwachung geeignet sind, existieren Verordnungstexte, die auch detaillierte verfahrenstechnische<br />
Vorgaben enthalten. Ein Beispiel hierfür ist die „surface water treatment<br />
rule“ von 1989 für die Behandlung von Oberflächenwasser bzw. oberflächenwasserbeeinflussten<br />
Grundwässern im Zusammenhang mit humanpathogenen<br />
Parasiten und Viren. Die „long term enhanced surface water treatment rule (stage<br />
1)“, die 2003 in Kraft treten soll, enthält aktualisierte Vorgaben hierzu. In Tabelle<br />
2.1 sind beispielhaft für einige Parameter die in den USA und Deutschland geltenden<br />
Grenzwerte gegenübergestellt.<br />
Beim Vergleich der entsprechenden Grenzwerte mit der deutschen bzw. europäischen<br />
Norm fällt auf, dass in den USA für zahlreiche PBSM-Wirkstoffe und weitere<br />
anthropogene Mikroverunreinigungen aber auch für Desinfektionsnebenprodukten<br />
wie Trihalogenmethane höhere Werte zugelassen sind. Die amerikanischen Normen<br />
enthalten jedoch auch Grenzwerte für in Deutschland nicht geregelte Spurenstoffe,<br />
mit z. T. sehr niedrigen Grenzwerten (z. B. Dioxin).
158<br />
Tabelle 2.1: Vergleich der Trinkwassergrenzwerte für ausgewählte Parameter in den<br />
USA und Deutschland<br />
Parameter Einheit USA Deutschland<br />
Nitrit mg/L 3,29 0,5<br />
Benzol µg/L 5 1<br />
Benzo-(a)-pyren µg/L 0,2 0,01<br />
Vinylchlorid µg/L 2 0,5<br />
1,2-Dichlorethan µg/L 5 3<br />
Trichlorethen µg/L 5 10<br />
Toluol µg/L 1000 -<br />
Pentachlorphenol µg/L 1 -<br />
Dioxin µg/L 0,003 -<br />
Atrazin µg/L 3 0,1<br />
Glyphosate µg/L 700 0,1<br />
Lindan µg/L 0,2 0,1<br />
THM mg/L 0,08 0,05<br />
Chemisch-physikalische Parameter nach der amerikanischen sowie der deutschen<br />
Trinkwasserverordnung sind in Tabelle 2.2 zusammengestellt. Mit Ausnahme der<br />
Trübung, für die in Deutschland deutlich höhere Anforderungen gestellt werden, sind<br />
in den USA bezüglich der chemisch-physikalischen Parameter ähnliche Werte festgelegt<br />
wie in Deutschland.<br />
Tabelle 2.2: Ausgewählte chemisch-physikalische Parameter der amerikanischen<br />
und deutschen Trinkwassernorm<br />
Parameter Einheit USA Deutschland<br />
Aluminium mg/L 0,2 0,2<br />
Arsen mg/L 0,01 0,01<br />
Blei mg/L 0,015 0,010<br />
Eisen mg/L 0,3 0,2<br />
Kupfer mg/L 1,3 2,0<br />
Mangan mg/L 0,05 0,05<br />
Sulfat mg/L 250 250<br />
Trübung NTU 5,0 1) 1,0<br />
1) mindestens 95 % der Messwerte < 1,0 NTU (Ablauf Schnellfilter: < 0,5 NTU)
Praxiserfahrungen in anderen Ländern - USA 159<br />
3 Allgemeine Angaben<br />
3.1 Rohwässer und wasserwirtschaftliche Situation<br />
Zur Versorgung der Großstädte bzw. Ballungsgebiete mit Trinkwasser dient vorwiegend<br />
Oberflächenwasser aus Flüssen, Seen und Stauseen. Daneben existieren einige<br />
Uferfiltratgewinnungen und überwiegend bei kleineren und mittleren Versorgern,<br />
zahlreiche Anlagen mit Grundwassernutzung. Maßnahmen zum Schutz der Rohwasserressourcen<br />
werden, wie bereits erwähnt, vom Gesetzgeber zwar gefordert, sind in<br />
der Praxis jedoch oftmals aufgrund von Interessenkonflikten mit anderen Nutzern nur<br />
begrenzt umsetzbar. Beispielsweise werden viele Trinkwasserreservoire als Naherholungsgebiete<br />
genutzt, woraus unter anderem Kontaminationen mit MTBE resultieren<br />
(Motorboote).<br />
3.2 Klima<br />
Während in den meisten Landesteilen das Klima warm bis kühl-gemäßigt ist,<br />
herrscht im äußersten Südosten (Florida) im Sommer feucht-heißes Klima und im<br />
Südwesten kommen auch wüstenhafte Bedingungen vor.<br />
Die mittleren Temperaturen im Januar liegen bei maximal 10 – 15°C im Südosten<br />
und Südwesten bzw. minimal –5°C im nördlichen Landesteil. Die höchsten Temperaturen<br />
resultieren im Süden und Südosten im Juli mit 25 – 30°C im Monatsmittel. Hinsichtlich<br />
der Niederschläge liegen stark unterschiedliche Verhältnisse in den einzelnen<br />
Landesteilen vor. Spitzenwerte von bis über 3.000 mm Niederschlag pro Jahr<br />
fallen im feuchtheißen Südosten (z. B. Florida) sowie in den Küstenregion im äußersten<br />
Nordwesten (Washington, Nordkalifornien). Zu berücksichtigen ist dabei jedoch<br />
für beide Regionen, dass die Niederschläge vorwiegend im Herbst fallen. Das andere<br />
Extrem stellen die südwestlich gelegenen Bundesstaaten wie z. B. Arizona und<br />
Nevada dar, die sich im Windschatten der Sierra Nevada befinden und mit Niederschlägen<br />
unter ca. 250 mm pro Jahr beständig regenarm sind.<br />
3.3 Struktur der Wassergewinnung, -aufbereitung und -verteilung<br />
Es existieren ca. 170.000 öffentliche Wasserversorgungssysteme (Definition:<br />
> 15 Anschlüsse oder mehr als 25 Abnehmer für länger als 60 Tage pro Jahr). Diese<br />
setzen sich aus 55.000 kommunalen sowie 115.000 nicht kommunalen Anlagen (z.<br />
B. Schulen oder Campingplätze mit eigener Wasserversorgung) zusammen.<br />
Das hauptsächlich genutzte Oberflächenwasser wird mehrstufig aufbereitet und mit<br />
relativ hohen Desinfektionsmittelgehalten abgegeben. Auch die Grundwässer wer-
160<br />
den in der Regel desinfiziert, wobei in etwa 50% der Fälle zusätzliche Aufbereitungsmaßnahmen<br />
erfolgen.<br />
Es wird üblicherweise eine Fahrweise angestrebt bzw. gefordert, bei der sämtliche<br />
Verbraucher Wasser mit gewissen Restchlorgehalten (≥ 0,2 mg/L) erhalten. Darüber<br />
hinaus sind die Wasserversorgungsunternehmen vom Gesetzgeber angehalten,<br />
Maßnahmen zu ergreifen, um die Freisetzung von Blei und Kupfer in Hausinstallationen<br />
zu minimieren, sofern die Beschaffenheit des abgegebenen Trinkwassers zur<br />
Freisetzung dieser Metalle in den Privatinstallationen führt.<br />
3.4 Wasserverbrauch<br />
Der mittlere tägliche Verbrauch an Trinkwasser in den USA beträgt ca. 300 L/EW. In<br />
den semiariden Gebieten des Südwestens können ganzjährig, im Südosten während<br />
der niederschlagsarmen und heißen Sommermonate Wasserverbräuche von über<br />
500 L/EW und Tag, insbesondere durch die Bewässerung von Grünanlagen, resultieren.<br />
4 Wasserbeschaffenheit<br />
Im Rahmen der vorliegenden Studie wurden bevorzugt Flusswasserwerke aufgesucht,<br />
deren Rohwässer entsprechend ihrer Herkunft in drei Gruppen eingeteilt werden<br />
können.<br />
A: „Sumpfwasser“<br />
Die Flusswässer aus den zum Teil sumpfigen Einzugsgebieten im Südosten (z.B.<br />
Florida) sind relativ gering mineralisiert, in der Regel trübstoffarm (< 5 FNU), jedoch<br />
durch saisonal auftretende sehr hohe TOC-Gehalte (< 40 mg/L) und eine starke Färbung<br />
sowie in den Sommermonaten durch relativ hohe Temperaturen (< 30 °C) gekennzeichnet.<br />
Besondere Anforderungen an die Aufbereitung resultieren durch Algenmassenentwicklungen,<br />
die u. a. Geruchs- und Geschmacksprobleme im Trinkwasser<br />
verursachen können.<br />
B: „Schmelzwasser“<br />
Bei dem Rohwasser der beiden in Colorado besuchten Flusswasseraufbereitungsanlagen<br />
handelt es sich überwiegend um Schnee- bzw. Gletscherschmelzwasser, das<br />
sehr gering mineralisiert ist. Saisonal treten erhöhte Gehalte an organischen Wasserinhaltsstoffen<br />
sowie an Werten für die Färbung auf. Kurzzeitig auftretende Trü-
Praxiserfahrungen in anderen Ländern - USA 161<br />
bungserhöhungen sowie sehr niedrige Wassertemperaturen von bis zu minus 0,4 °C<br />
bereiten aufbereitungstechnische Probleme.<br />
C: „kontinentales“ Flusswasser<br />
Das Wasser der großen Flüsse, die das Landesinnere entwässern (Colorado, Missouri,<br />
Ohio), ist durch eine relativ hohe Mineralisierung (Härte bis 3,0 mmol/L, Sulfat<br />
bis 200 mg/L) gekennzeichnet. Sofern keine Zwischenspeicherung des Flusswassers<br />
in Stauseen erfolgt, treten kurzfristig nach Regenfällen auch starke Eintrübungen<br />
(>1.000 FNU) auf. Ein weiteres Merkmal sind Geruchs- und Geschmacksprobleme<br />
durch sporadische Algenmassenentwicklungen.<br />
5 Aufbereitung<br />
Detaillierte Angaben zur Verfahrenstechnik in den besuchten Wasserwerken gehen<br />
aus den Kurzbeschreibungen in Anlage 1 hervor. Danach wird zur Flusswasseraufbereitung<br />
in Amerika folgender Kernprozess (conventional treatment) eingesetzt.<br />
Flockung/Fällung<br />
Sedimentation<br />
Schnellfiltration<br />
Desinfektion/Chlorung<br />
Sofern rohwasserseitig besondere Anforderungen resultieren, ist dieser Aufbereitungsprozess<br />
um spezielle Stufen erweitert. Beispielsweise kann eine Sedimentationsstufe<br />
vorgeschaltet sein, um hohe Mengen an Trüb- und Feststoffen zu beherrschen.<br />
Darüber hinaus werden zwischenzeitlich verstärkt auch die Ozonung (meist mit<br />
H 2 O 2 - Dosierung) und adsorptive Verfahren eingesetzt. Dies dient einerseits dazu,<br />
die Beschaffenheit des abgegebenen Trinkwassers hinsichtlich Geruch, Geschmack<br />
und Färbung zu verbessern und andererseits den Gehalt an Desinfektionsnebenprodukten<br />
zu minimieren. In Einzelfällen werden damit auch anthropogene Störstoffe<br />
(z. B. Pestizidwirkstoffe) entfernt.<br />
Im Folgenden wird der übliche Aufbereitungsprozess (conventional treatment) näher<br />
beschrieben. Dabei sind insbesondere Maßnahmen bei extremen Rohwassersituationen,<br />
wie die Beherrschung von erhöhten Trübungen, Geruchs- und Geschmacksproblemen,<br />
Algenmassenentwicklungen sowie Temperaturextreme Gegenstand der<br />
Ausführungen.
162<br />
5.1 Flockung/Fällung<br />
Als Flockungsmittel sind sowohl Eisen- als auch Aluminiumsalze im Einsatz, wobei<br />
meist auch Flockungshilfsmittel, überwiegend kationischer Art, dosiert werden. In<br />
den beiden in Colorado besuchten Anlagen (Aufbereitung von Schneeschmelzwasser)<br />
wird jedoch ein anionisches Flockungshilfsmittel verwendet. Die Flockungsmittelzugabe<br />
erfolgt meist im Zulauf eines offenen Mischbeckens mit Propellerrührern,<br />
während das Flockungshilfsmittel in der letzten der nachgeschalteten Flockungsstufen<br />
dosiert wird.<br />
Für die Zugabemengen wurden Angaben zwischen 3 und 20 mg/L Fe bzw. Al und<br />
0,2 - 0,5 mg/L Flockungshilfsmittel gemacht. In einem Fall (Coloradowasser, Süd-<br />
Californien) werden jedoch bis zu 4 mg/L eines kationischen Flockungshilfsmittels<br />
zugegeben.<br />
In einem meist dreistufigen Prozessablauf bilden sich in den dem Mischbecken<br />
nachgeschalteten Flockungsbecken bei abnehmendem Energieeintrag (Paddel- oder<br />
Propellerrührer) sedimentierbare Flocken, wobei die gesamte Aufenthaltszeit des<br />
Wassers in dieser Stufe bei 20 - 30 min liegt.<br />
Die beiden Fotos in Bild 5.1 zeigen beispielhaft eine Flockungsanlage mit Paddelrührern<br />
älteren Baujahrs (oberes Foto) sowie einen neu errichteten Flockungsbehälter<br />
mit Propellerrührer (unteres Foto).<br />
In zwei der besuchten Werke konnte durch Änderung des hydraulischen Systems in<br />
der Flockungsstufe (Propfenströmung, Vermeidung von Totzonen) die Ablauftrübung<br />
deutlich gesenkt werden.<br />
5.2 Sedimentation<br />
In älteren Anlagen sind zumeist Sedimentationsbecken mit Verweilzeiten zwischen<br />
1,5 und 3 h vorhanden. In Bild 5.2 ist eine derartige Anlage im leeren sowie gefüllten<br />
Zustand dargestellt. Neuere Anlagen werden in der Regel mit Schrägplatten (Bild<br />
5.3) ausgerüstet, wodurch sich die Flächenbelastung von rd. 2 auf ca. 6-8 m/h steigern<br />
lässt.<br />
In den meisten Fällen wird das Wasser vor der Flockung einer Oxidation durch Dosierung<br />
von Kaliumpermanganat oder Chlordioxid, z.T. auch noch mittels Chlorzugabe<br />
unterzogen. Zur Beherrschung von Geruchs- und Geschmacksproblemen ist die<br />
Pulverkohlezugabe übliche Praxis. Darüber hinaus werden den schwach mineralisierten<br />
„Schneeschmelzwässern“ Natriumcarbonat bzw. Kalkmilch und Kohlendioxid<br />
zur Stabilisierung (Einstellung einer Säurekapazität bis pH 4,3 von ca. 0,7 mmol/L)<br />
zugegeben.
Praxiserfahrungen in anderen Ländern - USA 163<br />
Bild 5.1:<br />
Flockungsbecken mit Paddel- bzw. Propellerrührer
164<br />
Bild 5.2:<br />
Sedimentationbecken in leerem (oben) und gefülltem (unten) Zustand
Praxiserfahrungen in anderen Ländern - USA 165<br />
Bild 5.3: Ansicht eines Schrägplattenklärers<br />
Die gering mineralisierten und stark huminstoffhaltigen „Sumpfwässer“ Floridas werden<br />
dagegen mittels Säurezugabe im sauren Bereich (pH 4,5) mit dem Ziel geflockt,<br />
natürliche organische Wasserinhaltsstoffe weitergehend zu eliminieren. Die Flockung<br />
und Fällung der stärker neutralsalzhaltigen „kontinentalen" Flusswässer erfolgt meist<br />
beim Rohwasser-pH-Wert (ca. 7,5). Zum Teil wird jedoch eine zweistufige Flockung<br />
durchgeführt, wobei eine Kalkmilchzugabe zunächst den pH-Wert auf ca. 11 anhebt<br />
(Kalkfällung), und anschließend, nach CO 2 -Zugabe bei einem pH-Wert von 8 - 9 und<br />
Fe-Salzzugabe eine zweite Flockung und Sedimentation durchgeführt wird.<br />
In jüngster Zeit errichtete Anlagen setzen vielfach die so genannte „belastete“ Flokkulation<br />
ein. Bei diesem Verfahren wird mittels Zugabe von feinem Sand und einem<br />
Flockungshilfsmittel der Sand in die Eisenhydroxidflocken eingebunden. Hierdurch<br />
erhöht sich die Sedimentationsgeschwindigkeit der erzeugten Flocken, so dass Flächenbelastungen<br />
von über 50 m/h in der Sedimentationsstufe erzielt werden können.
166<br />
Mittels Hydrozyklonen wird der Sand vom sedimentierten Dünnschlamm getrennt<br />
und in den Aufbereitungsprozess zurückgeführt. Die gesamte Aufenthaltszeit in einer<br />
derartigen Flockungs- und Sedimentationsanlage liegt im Bereich von lediglich 10 -<br />
12 min.<br />
Bild 5.4 zeigt eine Versuchsanlage zur belasteten Flokkulation. Auf der linken Bildhälfte<br />
ist eine dreifach ausgelegte Dosieranlage zu erkennen, mit der verschiedene<br />
Flockungsmittel bzw. Flockungshilfsmittel versuchsweise dosiert werden können. Bei<br />
dem Becken in der rechten Bildhälfte handelt es sich um die eigentliche Flockungsund<br />
Sedimentationsanlage, die gerade errichtet wird. In der rechten Hälfte des Beckens<br />
sind die drei Flockungsstufen mit den noch verpackten Rührwerken und im<br />
linken Teil die Klarwasserabführrinnen aus Edelstahl zu erkennen. Die Anlage ist für<br />
einen Volumenstrom von bis zu 50 m³/h konzipiert und dient zur laufenden Optimierung<br />
des Verfahrensprozesses in der neuen Tampa Bay Regional Trinkwasseraufbereitungsanlage.<br />
Bild 5.4: Ansicht einer Versuchsanlage zur belasteten Flokkulation<br />
Eine weitere Technik, die in den USA in jüngster Vergangenheit an Bedeutung gewonnen<br />
hat, sind die so genannten Superpulsatoren. Auch diese Technik ist durch<br />
einen im Vergleich zur herkömmlichen Flockungsanlage geringeren Flächenbedarf
Praxiserfahrungen in anderen Ländern - USA 167<br />
gekennzeichnet, da keine mehrstufige Flockung mit Energieeintrag (somit auch keine<br />
bewegten Teile) erforderlich ist und relativ hohe Flächenbelastungen von bis zu<br />
12 - 15 m/h gefahren werden können. Bei dieser Technik erfolgt der Flockungsprozess<br />
in einem Schlammschwebebett.<br />
Nach Angaben der Mitarbeiter in den beiden Werken in Colorado, in denen zeitweise<br />
relativ kaltes Wasser aufbereitet wird, resultieren bei Wassertemperaturen von bis zu<br />
ca. 4 °C keine nennenswerten Beeinträchtigungen des Flockungs- bzw. Sedimentationsprozesses.<br />
Bei noch niedrigeren Temperaturen, es können bis zu –0,4 °C Wassertemperatur<br />
auftreten, gelingt selbst durch Erhöhung der Dosiermengen an Flockungschemikalien<br />
keine befriedigende Aufbereitung. Hierfür muss die Flächenbelastung<br />
und damit der Durchsatz auf bis zu 50 % der Nennbelastung gedrosselt werden.<br />
5.3 Filtration<br />
Die Feinreinigung des durch Flockung und Sedimentation vorbehandelten Wassers<br />
erfolgt in Schnellfilteranlagen, die in der Regel als offene Stahlbetonfilter in Rechteckbauweise<br />
ausgeführt sind. Die Bilder 5.5 und 5.6 zeigen beispielhaft ein derartiges<br />
Schnellfilter im Aufbereitungs- sowie im Spülprozess.<br />
Bild 5.5: Überstauraum eines Schnellfilters mit den Rohwasserzu- bzw. Schlammwasserabführrinnen<br />
im Aufbereitungsprozess
168<br />
Ältere Anlagen sind meist als Einschichtfilter, neuere als Zweischichtfilter ausgeführt.<br />
Die gesamten Schütthöhen sind mit 0,8 - 1,2 m im Vergleich zu deutschen Anlagen<br />
relativ gering. In der Regel kommen Sande mit Korngrößen von ca. 0,5 mm bzw. bei<br />
Zweischichtfiltern zusätzlich anthrazitische Filtermaterialien mit Nenndurchmessern<br />
von rd. 1,1 mm zum Einsatz. Übliche Filtergeschwindigkeiten liegen im Bereich zwischen<br />
6 und 12 m/h. Die Filterlaufzeiten können, abhängig von der Rohwasserbeschaffenheit<br />
sowie der Filtergeschwindigkeit, zwischen 14 und 50 h betragen.<br />
Bild 5.6:<br />
Überstauraum eines Schnellfilters während einer Spülung<br />
In einigen Werken wurde die Kapazität bestehender Anlagen durch einen Filterumbau<br />
um 20 - 30 % erhöht. Es wurden spezielle düsenlose Filterbodenmodule eingebaut,<br />
die keine Stützschichten aus Quarzkiesen benötigen. Dies ermöglicht es, Filtermaterialien<br />
einer etwas gröberen Körnung mit einer größeren Schütthöhe zu verwenden,<br />
so dass bei gleicher Aufbereitungswirksamkeit die Filtergeschwindigkeit und<br />
damit die Durchsatzmenge erhöht werden kann. Der Freibord beträgt meistens ca.<br />
0,7 m und die Überstauhöhe etwa 2 m.<br />
Insbesondere in den Wassermangelgebieten werden in der Regel die im Aufbereitungsprozess<br />
anfallenden Spülabwässer aus den Sedimentations- und Filteranlagen<br />
behandelt und in den Aufbereitungsprozess zurückgeführt. Die dabei einzuhaltenden<br />
Randbedingungen sind in der “Filter Backwash Recycling Rule“ (2001) geregelt. We-
Praxiserfahrungen in anderen Ländern - USA 169<br />
sentlich ist, dass das Klarwasser aus der Spülabwasserbehandlung an den Beginn<br />
des Aufbereitungsprozesses zurückgeführt werden muss.<br />
Das Wasserversorgungsunternehmen der City of Mesa in Arizona hat zur Aufbereitung<br />
der Spülabwässer ein Sedimentationsbecken sowie eine nachgeschaltete<br />
Kompaktflockungsanlage (Bild 5.7) errichtet. Bei der Kompaktflockungsanlage handelt<br />
es sich um eine standardisierte Anlage, die aus vorgefertigten Modulen vor Ort<br />
zusammengebaut wird. Diese relativ einfache und kostengünstige Technik ist unter<br />
Umständen auch für die Trinkwassergewinnung aus Oberflächenwässern bei kleineren<br />
Durchsatzmengen interessant.<br />
Bild 5.7: Kompaktflockungsanlage zur Filterspülwasserbehandlung<br />
5.4 Desinfektion<br />
Üblicherweise werden 2 – 4 mg Chlor am Ende der Aufbereitung dosiert. Ziel ist es<br />
hierbei, auch in Außenbereichen des Versorgungsnetzes Restchlorgehalte von ca.<br />
0,2 mg/L zu gewährleisten. Da bei dieser Vorgehensweise relativ hohe Konzentrationen<br />
an Desinfektionsnebenprodukten wie Trihalogenmethane sowie halogenierte<br />
Carbonsäuren entstehen, für die in der 2002 in Kraft getretenen Disinfectants and
170<br />
Disinfection Byproduct Rule (stage 1) verschärfte Grenzwerte vorgegeben sind (z. B.<br />
THM: 80 µg/L), haben viele Werke die Abschlussdesinfektion auf Chloramin umgestellt.<br />
Hierzu wird dem wie bisher gechlorten Wasser Ammonium im Verhältnis ca. 4-<br />
5 Teile Chlor zu 1 Teil Ammonium zudosiert. Eingestellt werden Chloraminkonzentrationen<br />
von 2,5 – 4,0 mg Cl 2 /L.<br />
5.5 Stabilisierung/Fluoridierung<br />
In den meisten Werken erfolgt zur Stabilisierung die Zugabe von Alkalien, wobei sowohl<br />
vor Ort erzeugte Kalkmilchsuspensionen als auch Natronlauge und Natriumcarbonat<br />
zum Einsatz kommen. In der Regel erfolgt dies am Ende der Aufbereitung,<br />
wobei aus korrosionschemischen Gründen eine leichte Calcitabscheidekapazität (5 –<br />
10 mg CaCO 3 /L) eingestellt wird. Eines der besuchten Werke stellt mit dem Ziel, die<br />
Kupfer- und Bleifreisetzung in den Hausinstallationen zu minimieren, einen relativ<br />
hohen pH-Wert von 8,8 ein, wobei sich jedoch bei der Verteilung des mittelharten<br />
Wassers Probleme durch Kalkausfällungen im Leitungsnetz langfristig ergaben.<br />
Zur Aufbereitung der schwach gepufferten und zeitweise stark eingefärbten und<br />
trübstoffhaltigen Schneeschmelzwässer in Colorado hat sich eine Stabilisierung der<br />
Aufbereitung mittels Zugabe von Alkalien und CO 2 bei der Optimierung des Flockungsprozesses<br />
bewährt.<br />
In vielen Werken wird das Trinkwasser durch Zugabe fluoridhaltiger Chemikalien fluoridiert,<br />
wobei der Zielwert bei ca. 1 mg Fluorid pro L liegt.<br />
5.6 Sonstige Aufbereitungsmaßnahmen<br />
Der Einsatz von Ozon zur Aufbereitung von Oberflächenwasser war früher in den<br />
USA nicht üblich, hat jedoch zwischenzeitlich im Zusammenhang mit den gestiegen<br />
Anforderungen an die hygienisch-mikrobiologische Wasserbeschaffenheit sowie den<br />
Gehalt an Desinfektionsnebenprodukten an Bedeutung gewonnen. Bei Ozonkontaktzeiten<br />
von ca. 15 Minuten wurden in den beiden besichtigten Ozonungsanlagen, abhängig<br />
von der Rohwasserbeschaffenheit 3-5 mg/L Ozon zudosiert. Beide Werke<br />
setzen zusätzlich Wasserstoffperoxid ein (Zugabe nach einer Ozonkontaktzeit von<br />
rd. 10 min). Dies dient einerseits dazu eine weitergehende Oxidation zu bewirken<br />
und andererseits Restozon vor den nachfolgenden, offenen Aufbereitungsstufen abzubauen.<br />
Adsorptive Verfahren werden in vielen Werken, zumindest zeitweise (Pulverkohledosierung),<br />
eingesetzt, um die Beschaffenheit des abgegebenen Trinkwassers hinsichtlich<br />
Geruch, Geschmack und Färbung zu verbessern oder anthropogene Störstoffe<br />
zu eliminieren.<br />
Auch die Uferfiltratgewinnung wird zunehmend als Alternative zur Aufbereitung von<br />
Flusswasser aus der „fließenden Welle“ in Betracht gezogen. Es fanden hierzu um-
Praxiserfahrungen in anderen Ländern - USA 171<br />
fangreiche Untersuchungen bzw. Forschungsvorhaben statt. Bild 5.8 zeigt das Pumpengebäude<br />
eines neu errichteten Horizontalfilterbrunnens zur Gewinnung von Uferfiltrat<br />
aus dem Ohio-River. Etwa 15 m vom Ufer des Ohios entfernt wird darin über<br />
sieben sternförmig angelegte und 75 m lange Sickerstränge, die sich somit z. T. unter<br />
den Ohio erstrecken, Uferfiltrat gefördert. Die Horizontalsickerstränge befinden<br />
sich dabei 25 m unter GOK, und sind durch eine rd. 7 m mächtige Lehmschicht gegen<br />
den unmittelbaren Zutritt von Oberflächenwasser geschützt.<br />
Bild 5.8: Uferfiltratbrunnen am Ohio<br />
Die anfängliche Ergiebigkeit von 3500 m³/h war zunächst über einen Zeitraum von<br />
einem halben Jahr auf 2500 m³/h zurückgegangen, erhöhte sich jedoch nach einem<br />
Hochwasser wieder auf rd. 3000 m³/h. Bei mittleren Verweilzeiten des Wassers im<br />
Untergrund von 2 Monaten (minimale 5 Tage) verringern sich die Koloniezahlen um<br />
2 log Stufen und es werden nur sehr selten Coliforme Keime im Uferfiltrat festgestellt.<br />
Der TOC-Gehalt verringert sich von 2-3 mg/L im Flusswasser auf ca. 1,3 mg/L<br />
und der Trübstoffgehalt von bis zu 1500 FNU auf Werte unter 0,5 FNU im Uferfiltrat.<br />
Durch die Bodenpassage werden darüber hinaus Geruchs- und Geschmacksstoffe<br />
sowie auch zeitweise im Flusswasser enthaltenes Atrazin entfernt. Allerdings treten<br />
Mangangehalte von 0,1-0,2 mg/L im Uferfiltrat auf. In einem anderen besichtigten<br />
Uferfiltratwerk (Missouri-River) mit einem neuen Horizontalfilterbrunnen (Nennleistung<br />
6500 m³/h) wurde sogar von anfänglichen Mangankonzentrationen von bis zu 2
172<br />
mg/L berichtet, die jedoch nach bislang 2-jährigem Betrieb auf 0,4 mg/L zurückgingen.<br />
Eine weitere Aufbereitungsvariante wurde bei einem kleinen Wasserversorger in<br />
Missouri 1999 umgesetzt. Das Wasser aus einem kleinen Stausee wird mittels belasteter<br />
Flockung (Ablauftrübung < 1,0 FNU) vorbehandelt und dann über Ultrafiltrationsmembranen<br />
behandelt (Anlagenkapazität ca. 160m³/h). In Bild 5.9 sind im Vordergrund<br />
die rückspülbaren Feinfilter (200µm) zum Schutz der Membranen, dahinter<br />
die eigentliche Membrananlage und dahinter die Flockungsanlage zu erkennen.<br />
Bild 5.9: Oberflächenwasseraufbereitung mit belasteter Flockung und Ultrafiltration<br />
In Abständen von 3 Monaten, wenn der Druckverlust von 140 auf 800 mbar angestiegen<br />
ist, wird eine relativ aufwändige chemische Membranreinigung durchgeführt.<br />
Maximal mögliche 1,7 bar werden zur Verlängerung der Membranstandzeit nicht<br />
ausgeschöpft. Hierzu werden 3 m³ vollentsalztes Wasser (Ionenaustauscheranlage)<br />
auf 50 °C erhitzt, mit NaOH (pH 13) sowie NaOCl versetzt (200 mg/L Cl 2 ) und im<br />
Gegenstrom durch die Membranen geführt. Anschließend erfolgen noch weitere<br />
Klarspülschritte. Der gesamte Reinigungsvorgang dauert 5 h. Die Spülabwässer der<br />
Anlage werden durch Sedimentation behandelt und das Klarwasser in den Vorfluter<br />
eingeleitet. Der Anfangsdruckverlust (nach chemischer Reinigung) hat sich nach<br />
3 Jahren Betrieb lediglich von 120 auf 140 mbar erhöht. Dies ist vermutlich u.a. da-
Praxiserfahrungen in anderen Ländern - USA 173<br />
rauf zurückzuführen, dass einerseits ca. 5% des Rohwasserstromes im „crossflow“<br />
über die Membrananlage ausgeleitet wird und andererseits eine Chlorung des Zulaufes<br />
erfolgt (Restchlorgehalt im Zulauf 0,4 mg/L nach einer Kontaktzeit von 4 h).<br />
6 Wasserverteilung<br />
Die größeren Versorgungsleitungen sind überwiegend aus Eisenwerkstoffen gefertigt.<br />
Dagegen bestehen die Rohre in den Hausinstallationen üblicherweise aus Kupferwerkstoffen.<br />
Wasserverlustraten wurden meistens mit 10 – 20 % angegeben. Im Bundesstaat<br />
Florida müssen aufgrund entsprechender gesetzlicher Bestimmungen Abhilfemaßnahmen<br />
ergriffen werden, sofern die Netzverluste 10 % übersteigen.<br />
7 Kosten<br />
Bezüglich des Wasserpreises wurden in den einzelnen Werken Angaben von umgerechnet<br />
ca. 0,4 – 0,7 €/ m³ gemacht. Erwartungsgemäß sind die Wasserpreise regional<br />
sehr unterschiedlich. Darüber hinaus sind sie oftmals progressiv und abhängig<br />
von Lage und Art der Abnehmer. Beispielhaft hierfür sind in der nachfolgenden Tabelle<br />
7.1 die Wasserpreise der Stadt Tampa in Florida aufgelistet.<br />
Tabelle 7.1: Wasserpreise in Tampa, Florida (2002)<br />
Verbrauch<br />
Kosten in €/m³<br />
m³/Monat Stadtgebiet außerhalb Stadtgebiet<br />
0 – 15 0,37 0,46<br />
16 – 36 0,43 0,54<br />
37 – 73 0,72 0,90<br />
74 – 126 0,96 1,21<br />
> 126 1,11 1,39<br />
Unter Berücksichtigung des mittleren täglichen Trinkwasserverbrauchs in den USA<br />
von ca. 300 L und einem Wasserpreis von ca. 0,5 - 0,6 €/ m³ resultieren für die<br />
Trinkwasserversorgung eines Vier-Personen-Haushaltes in den USA und Deutschland<br />
durchaus vergleichbare Jahreskosten von ca. 300 €.
174<br />
8 Meerwasserentsalzung und Abwasserverwendung in<br />
Californien und Arizona<br />
Die Ballungsgebiete im Süden Californiens und Arizonas werden überwiegend mit<br />
Fernwasser versorgt, das über mehrere bis zu 700 km lange offene Kanalsysteme<br />
beigeleitet wird. Die Hauptmenge des insgesamt zur Verfügung stehenden Fernwassers<br />
dient für Bewässerungszwecke in der Landwirtschaft. Politisch bzw. ökologisch<br />
ist die Fernwasserversorgung umstritten, so dass zur Einsparung von diesem Wasser<br />
an mehreren Stellen Großanlagen zur weitergehenden Aufbereitung von kommunalem<br />
Abwasser errichtet wurden. Das darin gewonnene Wasser dient insbesondere<br />
für Bewässerungszwecke sowie als Brauchwasser in der Industrie, zum Teil<br />
wird es aber auch zur Grundwasseranreicherung und damit indirekt zur Trinkwassergewinnung<br />
genutzt. Es wurden die nachfolgend aufgeführten Groß- bzw. Pilotanlagen<br />
zur Abwasserverwendung und zur Gewinnung von Trinkwasser durch Meerwasserentsalzung,<br />
die ebenfalls als Ersatz für den Fernwasserbezug untersucht wird,<br />
besichtigt.<br />
1. Long Beach, Californien<br />
Pilotanlage zur energieoptimierten Meerwasserentsalzung mittels „Niederdruck“ UO-<br />
Membranen<br />
2. Orange County, Californien (Water factory 21)<br />
A. Großanlage zur weitergehenden Aufbereitung von geklärtem Abwasser mittels<br />
Kalkfällung/Sedimentation/Neutralisation/Desinfektion/Filtration/UO für die künstliche<br />
Grundwasseranreicherung. B. Pilotanlagen zur Wassergewinnung aus geklärtem<br />
Abwasser mittels MF/UO)<br />
3. West Basin, Californien<br />
A. Großanlagen zur weitergehenden Aufbereitung von geklärtem Abwasser mittels<br />
MF/UO sowie Flockungsfiltration/Kalkfällung/Neutralisation/Zweischichtfiltration/UO<br />
für die künstliche Grundwasseranreicherung, Bewässerung von z.B. Parks und Golfplätzen<br />
sowie als Industriebrauchwasser. B. Pilotprojekt zur Meerwasserentsalzung<br />
mittels MF/UO)<br />
4. Scottsdale, Arizona (water campus)<br />
Großanlage zur Aufbereitung von kommunalem Abwasser u.a. mit MF/UO zur künstlichen<br />
Grundwasseranreicherung sowie Bewässerung von z.B. Parks und Golfplätzen<br />
5. Tucson, Arizona<br />
Großtechnische Abwasseraufbereitung einerseits mittels Sandfiltration/Chlorung sowie<br />
andererseits durch Bodenpassage zur Bewässerung u.a. von Parks und Golfplätzen
Praxiserfahrungen in anderen Ländern - USA 175<br />
Nähere Angaben zu den Randbedingungen sowie den eingesetzten Verfahrenstechniken<br />
in den einzelnen Werken gehen aus Anlage 2 hervor. Nachfolgen sind wesentliche<br />
Daten und Ergebnisse der Besuche zusammengefasst.<br />
Zur weitergehenden Behandlung von geklärtem und in der Regel auch mit Chlor<br />
desinfiziertem kommunalem Abwasser wird üblicherweise die Umkehrosmose eingesetzt,<br />
wobei die Vorbehandlung in früheren Jahren überwiegend durch die Verfahrenskombination<br />
Kalkfällung, Flockung, Sedimentation, Neutralisation, Desinfektion<br />
und Filtration erfolgte. Zwischenzeitlich kommen zur Vorbehandlung stattdessen zunehmend<br />
Mikrofiltrationsanlagen zum Einsatz. Überwiegend handelt es sich dabei<br />
um Systeme der Firma US Filter (Memcor), die betriebsstabil Wasser mit einer Trübung<br />
< 0,1 FNU sowie einem Kolloidindex < 1 %/min erzeugen. Bild 8.1 zeigt beispielhaft<br />
den Verfahrensprozess in der Anlage des West Basin Water Districts.<br />
Bild 8.1: Verfahrensprozess der weitergehenden Abwasseraufbereitung mittels<br />
Membrantechnik<br />
Die Ausbeuten wurden mit 85 - 95 % angegeben. Wesentlich für den Betrieb ist die<br />
Zugabe von rd. 2 mg/L Chlor im Zulauf, wodurch die Reinigungsintervalle von wenigen<br />
Tagen auf 2 - 3 Wochen bei einer in der Regel vorliegenden Zulauftrübung von<br />
ca. 5 FNU erzielt werden. Sofern infolge von Problemen im Aufbereitungsprozess<br />
(Temperaturänderungen) der vorgeschalteten Kläranlage erhöhte Zulauftrübungen<br />
(50 - 100 FNU) resultieren, verkürzen sich die Reinigungsintervalle auf wenige Tage.<br />
Zu berücksichtigen ist, dass das zu behandelnde Wasser erhöhte Mengen an Am-
176<br />
monium enthält, so dass zugesetztes Chlor zu Chloraminen reagiert. Die eingesetzten<br />
Membranen sind nicht chlorbeständig.<br />
Nach der Vorreinigung des geklärten Abwassers mittels Membranverfahren bzw.<br />
Flockung, Sedimentation, Filtration erfolgt in der Regel eine Umkehrosmosebehandlung.<br />
Hier haben sich neuere Membrantypen (thin film composit Membranen) gegenüber<br />
Zellulose-Acetat-Membranen durchgesetzt, da sie mit einem geringeren Betriebsdruck<br />
von ca. 15 gegenüber 24 bar (Zellulose-Acetat-Membrane) betrieben<br />
werden können. Auch der Aufwand für Spülungen und Reinigungen ist geringer, so<br />
dass sich die Ausbeuten bei Verwendung von thin film composit Membranen von ca.<br />
75 auf 85 % erhöhen. Durch die Umkehrosmosebehandlung wird der Salzgehalt von<br />
700 - 1000 auf rund 50 mg/L (angegeben als TDS), der Ammoniumgehalt von rund<br />
15 auf 2 - 3 mg/L und der TOC von ca. 12 auf Werte < 1 mg/L verringert.<br />
Zur Beherrschung toxischer bzw. kanzerogener Substanzen (z. B. NDMA), die mittels<br />
Umkehrosmosebehandlung, aber auch adsorptiv durch Aktivkohle, nicht ausreichend<br />
entfernt werden, kommen UV-Reaktoren zum Einsatz, wobei durch Zugabe<br />
von Wasserstoffperoxid eine weitergehende Oxidation erzielt werden soll.<br />
Die Produktionskosten für das derart erzeugte Wasser wurden mit 0,25-0,55 €/ m³<br />
angegeben. Zum Vergleich liegt der Preis für das aus Fernwasser (Flusswasser) erzeugte<br />
Trinkwasser bei derzeit ca. 0,45 €/ m³.<br />
Eine aufgrund des relativ einfachen Verfahrensprozesses interessante Alternative<br />
der weitergehenden Abwasserbehandlung zur Erzeugung von Brauchwasser besteht<br />
u. U. in der Bodenpassage bzw. der Filtration in Kombination mit einer Behandlung<br />
des Filterspülwassers in einer Pflanzenkläranlage, wie sie in Tucson, Arizona praktiziert<br />
wird. Für die Bodenpassage sind jedoch entsprechende hydrogeologische Voraussetzungen<br />
erforderlich.<br />
Die beiden besichtigten Pilotanlagen zur Meerwasserentsalzung haben zum Ziel,<br />
die Membrantechnik für die Trinkwassergewinnung aus Meerwasser zu optimieren.<br />
In der einen Anlage erfolgt eine zweistufige Behandlung mit Umkehrosmosemembranen,<br />
die bei relativ niedrigen Drücken betrieben werden (1. Stufe 36, 2. Stufe<br />
21 bar). In der zweiten Anlage wird die Mikrofiltration als Voraufbereitung vor der<br />
Umkehrosmosebehandlung (Betriebsdruck 62 bar) untersucht. Bei Ausbeuten von<br />
ca. 40 % soll in beiden Pilotanlagen der Meerwassersalzgehalt von etwa<br />
35.000 mg/L auf rund 300 mg/L verringert werden. Erste Schätzungen ergaben Produktionskosten<br />
in Höhe von 0,65 €/ m³, wobei jedoch gegebenenfalls zusätzliche<br />
Kosten für den Bau entsprechender Wasserspeicher und Verteilungsanlagen entstehen.
Praxiserfahrungen in anderen Ländern - USA 177<br />
9 Zusammenfassung und Folgerungen<br />
Die geografischen und klimatischen Verhältnisse in den USA sind regional sehr unterschiedlich.<br />
Zwar sind viele Gegenden kühl-gemäßigt, es existieren daneben jedoch<br />
auch Bereiche mit jahreszeitlich sehr niedrigen Temperaturen, semiaride bis<br />
aride sowie feucht-heiße Zonen. Da in Deutschland kaum Erfahrungen mit den Anforderungen<br />
an die Wasserversorgung, speziell an die Trinkwasseraufbereitung bei<br />
derartigen Verhältnissen vorliegen, wurden insgesamt 16 Wasserversorgungsunternehmen<br />
in den USA aufgesucht und die Aufbereitungstechnik ermittelt sowie dokumentiert.<br />
Zur Versorgung der ca. 280 Mio. Einwohner in den USA existieren rd. 170.000 öffentliche<br />
Wasserversorgungssysteme, von denen 55.000 der Versorgung von Kommunen<br />
dienen. Bei den übrigen handelt es sich im Wesentlichen um kleinere Anlagen,<br />
z. B. in Reservaten, Campingplätzen und sonstigen Einrichtungen ohne Anschluss<br />
an die öffentliche Versorgung. Während kleinere Versorger oftmals unbehandeltes<br />
Grundwasser abgeben bzw. lediglich eine Desinfektion mit Chlor durchführen,<br />
wird zur Versorgung der größeren Städte in der Regel Oberflächenwasser aus<br />
Flüssen und Seen bzw. Reservoiren mehrstufig aufbereitet und verteilt.<br />
Die Beschaffenheit der Oberflächenwässer ist dabei je nach Einzugsgebiet sehr unterschiedlich,<br />
so dass von gering mineralisierten und deutlich huminstoffhaltigen<br />
"Sumpfwässern" (z.B. in Florida) bis hin zu relativ salzhaltigen, nach Regenfällen<br />
stark eintrübenden Flusswässern (z. B. Colorado) ein breites Spektrum zu behandeln<br />
ist. Neben aufbereitungstechnischen Anforderungen wie der Entfernung von Trübstoffen<br />
und natürlichen organischen Wasserinhaltsstoffen müssen dabei in einzelnen<br />
Werken auch sehr niedrige Wassertemperaturen (bis -0,4°C), in anderen relativ hohe<br />
Temperaturen (ca. 30°C) beherrscht werden. Darüber hinaus treten in vielen Fällen<br />
zeitweise Algenmassenentwicklungen auf, die Geruchs- und Geschmacksprobleme<br />
verursachen oder es sind anthropogene Mikroverunreinigungen (z. B. PBSM-<br />
Wirkstoffe, Perchlorat, MTBE, NDMA) zu berücksichtigen.<br />
Zur Oberflächenwasseraufbereitung wird in der Regel die Verfahrenskombination<br />
Flockung/Fällung-Sedimentation-Filtration-Desinfektion angewandt. Darüber hinaus<br />
erfolgt oftmals eine Alkalienzugabe zur Enthärtung bzw. Stabilisierung, eine Fluoridierung<br />
des Wassers und es wird bedarfsabhängig (Geruchs und Geschmacksprobleme)<br />
Pulverkohle zudosiert.<br />
Der Trinkwasserpreis ist mit 0,5 - 0,6 €/ m³ deutlich niedriger als in Deutschland, wobei<br />
zu berücksichtigen ist, dass einerseits der mittlere Jahresverbrauch von rd. 300 L<br />
pro Einwohner fast dreimal so hoch ist wie in Deutschland und andererseits in der<br />
Regel nur geringe Aufwendungen für Rohwasser- bzw. Umweltschutzmaßnahmen<br />
getätigt werden. Viele kleine sowie mittlere Werke haben darüber hinaus wie erwähnt,<br />
ggf. mit Ausnahme einer Chlorung, keine Aufbereitung, während größere An-
178<br />
lagen mit mehrstufiger Aufbereitung aufgrund der in der Regel hohen Durchsatzmengen<br />
sehr wirtschaftlich betrieben werden können.<br />
Ausgelöst durch zahlreiche Erkrankungen, die von Erregern über das Trinkwasser<br />
übertragen wurden, sowie eine kritischere Bewertung von Chlorungsnebenprodukten<br />
hat sich in den USA in den vergangenen Jahren ein Wandel in der Trinkwasseraufbereitung<br />
vollzogen. Zum einen wurden die Anforderungen an die Aufbereitungswirksamkeit<br />
hinsichtlich der Entfernung von Trübstoffen sowie Partikeln und damit<br />
auch von chlorresistenten Mikroorganismen, sowie von organischen Wasserinhaltsstoffen<br />
als Precursoren von Desinfektionsnebenprodukten erhöht. Zum anderen wird<br />
dem Rohwasserschutz eine weit höhere Bedeutung als früher beigemessen („Multibarrierenprinzip“).<br />
Die Desinfektion sowie die Aufrechterhaltung von Desinfektionsmittelrestgehalten im<br />
Verteilungsnetz hat nach wie vor zentrale Bedeutung. Allerdings haben viele Werke<br />
zur Minimierung der Desinfektionsnebenprodukte die abschließende Desinfektion<br />
von Chlor auf Chloramin umgestellt. Um die geforderten Restmengen beim Verbraucher<br />
von 0,2 mg/L (freies bzw. gebundenes Chlor) zu gewährleisten, werden üblicherweise<br />
2 - 5 mg Chlor und ggf. entsprechende Mengen an Ammonium dosiert.<br />
Auch die Grundwasserdesinfektion ist in den USA gängige Praxis. Zum Teil werden<br />
dabei auch Wässer aus gut geschützten Vorkommen desinfiziert. Viele amerikanische<br />
Grundwässer sind jedoch aufgrund der hydrogeologischen Randbedingungen<br />
und fehlender wasserwirtschaftlicher Schutzmaßnahmen in mikrobiologischer Hinsicht<br />
gefährdet.<br />
Verfahren, die in Deutschland seit vielen Jahren zur Oberflächenwasseraufbereitung<br />
Stand der Technik sind, wie die Ozonung, die biologische und adsorptive Aktivkohlefiltration<br />
sowie die Uferfiltration wurden bzw. werden im Zuge der erwähnten gestiegenen<br />
Qualitätsanforderungen in den USA intensiv untersucht und zunehmend eingesetzt.<br />
Auch bei der Grundwasseraufbereitung erfolgen aufgrund geänderter gesetzlicher<br />
Rahmenbedingungen hinsichtlich Arsen und Mangan umfangreiche Untersuchungen<br />
hinsichtlich geeigneter Aufbereitungstechnologien. Diesbezüglich liegen in Deutschland<br />
ebenfalls langjährige Praxiserfahrungen vor. Es ist jedoch zu beachten, dass<br />
die in Deutschland bevorzugten naturnahen bzw. chemikalienarmen Aufbereitungsverfahren<br />
in den USA noch skeptisch betrachtet werden. Die biologische Aufbereitung<br />
bzw. die Verwendung von Luftsauerstoff als Oxidationsmittel bei der Entfernung<br />
von Eisen, Mangan und Arsen ist dort nicht üblich, sondern es wird in der Regel<br />
Chlor als Oxidationsmittel eingesetzt.<br />
Die Forschung und Entwicklung im Bereich der Trinkwasseraufbereitung erfolgt in<br />
wesentlich stärkerem Umfang als z. B. in Deutschland. Dies ist u. a. darin begründet,<br />
dass die qualitativen Anforderungen, wie bereits erwähnt, in den vergangenen Jah-
Praxiserfahrungen in anderen Ländern - USA 179<br />
ren in verschiedener Hinsicht stark erhöht wurden. Gleichzeitig muss zunehmend auf<br />
minderwertiges Rohwasser zurückgegriffen werden, da die Bevölkerung und damit<br />
der Bedarf in Wassermangelgebieten, wie z.B. in Südkalifornien, Arizona, Florida<br />
(Sommer), am stärksten wächst. Sicherlich spielen auch die zahlreichen Universitäten<br />
und Forschungseinrichtungen sowie eine Vielzahl großer, wirtschaftlich starker<br />
Versorgungs- und Consultingunternehmen eine Rolle.<br />
Zentrale Forschungsthemen sind neben den oben genannten Aufbereitungsaufgaben<br />
der Einsatz der Membrantechnologie und der weitergehenden Oxidation<br />
(UV/H 2 O 2 ) zur Verwendung von kommunalem Abwasser und die Meerwasserentsalzung<br />
mittels Membranverfahren.<br />
Nachfolgend sind Praxiserfahrungen, insbesondere hinsichtlich in Deutschland nicht<br />
üblicher Randbedingungen bei der Trinkwasseraufbereitung und mögliche Optimierungsansätze<br />
im Hinblick auf den internationalen Einsatz stichpunktartig aufgelistet.<br />
Tiefe Temperaturen<br />
Es sind mögliche Probleme durch Vereisungen an der Rohwasserentnahmestelle<br />
sowie in Sedimentationsanlagen zu berücksichtigen. In einem besuchten Werk wurde<br />
zur Enteisenung des „Intakes“ mit warmem Wasser eine Verbindung zum Kühlwasserkreislauf<br />
eines nahegelegenen Kraftwerks geschaffen.<br />
Die Auslegung von Flockungsanlagen für kalte, trübstoffhaltige Wässer sowie deren<br />
Betrieb stellt besondere Anforderungen, u.a. hinsichtlich des hydraulischen Systems<br />
(Energieeintrag, „Propfenströmung“) an Art und Zugabemengen an Flockungschemikalien<br />
(z.B. anionische oder kationische Flockungshilfsmittel). Bei schwach gepufferten<br />
Wässern ist vor der Flockung vermutlich eine Stabilisierung erforderlich. Nach<br />
Praxiserfahrungen in den USA resultieren bei Wassertemperaturen von unter 4 °C in<br />
Flockungsanlagen aufbereitungstechnische Probleme, die lediglich durch eine deutliche<br />
Durchsatzverringerung, nicht jedoch mittels Variation der Flockungsbedingungen<br />
zu beherrschen sind. Ein Optimierungsansatz besteht in der Dosierung von<br />
künstlichen Ballaststoffen, wie beispielsweise Mikrosand.<br />
Hohe Temperaturen, Sonneneinstrahlung<br />
Zur weitergehenden Huminstoffentfernung bietet sich, insbesondere bei gering gepufferten<br />
Wässern, eine pH-Wertabsenkung vor der Flockung an. Von besonderer<br />
Bedeutung sind Strategien zur Verhinderung von Algenmassenentwicklungen z. B. in<br />
Rohwasserreservoiren (Zugabe von Kupferpräparaten, Phosphatfällung, Abdeckung)<br />
und zur aufbereitungstechnischen Beherrschung von Algen bzw. dadurch verursachten<br />
Geruchs- und Geschmacksproblemen (z. B. Flotation, ggf. Pulverkohleeinsatz<br />
sowie Ozon). Vermutlich muss unter derartigen Verhältnissen auch der Einsatz von<br />
Chlorverbindungen im Rahmen des Aufbereitungsprozesses in Erwägung gezogen<br />
werden, sofern Ozon aus Kostengründen ausscheidet. Eine Möglichkeit, Nebenpro-
180<br />
dukte zu minimieren, bestünde im Einsatz von Chlordioxid, allerdings ist der verfahrenstechnische<br />
Aufwand bei den derzeit üblichen Verfahren zur Bereitstellung von<br />
Chlordioxid noch vergleichsweise hoch.<br />
Uferfiltration<br />
Wie auch das zunehmende Interesse in den USA zeigt, ist die Uferfiltration eine<br />
wichtige Aufbereitungsvariante mit zahlreichen Vorteilen. Konzepte zur Festlegung<br />
bzw. Minimierung der erforderlichen Nachbehandlung wären auch unter Kostengesichtspunkten<br />
vorteilhaft. In den USA wird die Nachbehandlung oftmals noch relativ<br />
aufwändig mit dem Ziel konzipiert, dass damit ggf. auch eine Flusswasseraufbereitung<br />
möglich ist. Zu berücksichtigen sind in jedem Fall erhöhte Mangangehalte im<br />
geförderten Uferfiltrat. Für den praktischen Betrieb von Uferfiltratgewinnungen wären<br />
die Kenntnis der Ursachen von Ergiebigkeitsabnahmen bzw. Konzepte zur Leistungssteigerung<br />
bei Rückgang der Ergiebigkeit wesentlich.<br />
Flockung, Sedimentation, Filtration<br />
Modulare Kompaktanlagen zur Flockung/Sedimentation stellen u. U. für kleinere und<br />
mittlere Anlagendurchsätze eine kostengünstige Alternative dar. Auch das bessere<br />
Verständnis der Einflussgrößen bei der Schnellfiltration (Korngröße, Schütthöhe, Filtergeschwindigkeit)<br />
und entsprechende Dimensionierungsmodelle könnten zu einer<br />
kosten- und leistungsoptimierten Konzeption eingesetzt werden.<br />
10 Literatur und Links<br />
[1] Environmental Protection Agency: <br />
11 Anlagen (auf CD beigefügt)<br />
- Anlage 1: Kurzbeschreibungen der besuchten Wasserwerke (Steckbriefe)<br />
- Anlage 2: Meerwasserentsalzung und Abwasserverwendung in Californien und<br />
Arizona<br />
- Bilddokumentation zu den Wasserwerken
Praxiserfahrungen in anderen Ländern - Zusammenfassung 181<br />
4 Zusammenfassung<br />
4.1 Datenbasis<br />
In Brasilien, China, Indonesien, Iran, Südafrika, Thailand, Vietnam und den USA<br />
wurden Daten zur Trinkwassergewinnung erhoben und ausgewertet. Tabelle 4.1 gibt<br />
einen Überblick über die Wasserwerke, die in den genannten Ländern aufgesucht<br />
wurden. Ein Vergleich der Kapazität der aufgesuchten Wasserwerke mit den beiden<br />
letzten Spalten der Tabelle zeigt, dass die Datenerhebung im Rahmen des Forschungsvorhabens<br />
in der Lage sein sollte, typische Charakteristika für die einzelnen<br />
Länder herauszustellen.<br />
Tabelle 4.1: Umfang der Datenerhebung<br />
Land<br />
Anzahl der<br />
aufgesuchten<br />
WW<br />
Kapazität der<br />
aufgesuchten<br />
WW<br />
in Mio. m³/d<br />
Mittlere Kapazität<br />
der WW<br />
des Landes<br />
in Mio. m³/d<br />
Einwohner<br />
des Landes<br />
in Mio.<br />
Brasilien 13 5,7 33 176<br />
China 12 4,4 77 (*) 1.284<br />
Indonesien 13 0,3 6,9 231<br />
Iran 2 0,6 5,5 67<br />
Südafrika 11 5,0 - 44<br />
Thailand 9 5,0 7 62<br />
Vietnam 7 0,9 3 81<br />
USA 13 3,6 - 281<br />
Deutschland - - 14 83<br />
(*) 593 städtische Kerngebiete<br />
4.2 Rohwasserherkunft<br />
Die Länder, in denen im Rahmen des Vorhabens Daten erhoben wurden, nutzen mit<br />
Ausnahme von China und den städtischen Gebieten im Iran überwiegend Oberflächenwasser<br />
zur Trinkwassergewinnung, wie aus Tabelle 4.2 hervorgeht.<br />
Tabelle 4.2: Rohwasserherkunft in den Ländern der Datenerhebung<br />
Land Oberflächenwasser in % Grundwasser in %<br />
China 30 70<br />
Iran (Städte), Deutschland 35 65<br />
Indonesien, USA, Vietnam 65 35<br />
Südafrika 80 20<br />
Thailand 90 10<br />
Brasilien 95 5
182<br />
4.3 Wasserbeschaffenheit<br />
Ein grundsätzliches Problem ist in den untersuchten Ländern, ausgenommen den<br />
USA, flächendeckend die mikrobiologische Beschaffenheit der Roh- und Trinkwässer.<br />
Eine geregelte Abwasserentsorgung gibt es praktisch nicht (z.B. Indonesien,<br />
Thailand). Oft werden kommunale Abwässer unbehandelt in Oberflächengewässer<br />
eingeleitet. Das Ausbringen von Abwasser auf Felder und die ungenügende Sicherung<br />
von Abwassergruben stellte eine weitere Ursache für eine Verschmutzung der<br />
Vorfluter dar (z.B. China, Vietnam). Dies führt u.a. in Binnenseen zur Algenbildung<br />
teilweise mit einem Ausmaß, dass eine Nutzung für die Trinkwassergewinnung nicht<br />
mehr möglich ist (z.B. China). Verschärft wird diese Problematik oft durch die vorherrschenden<br />
klimatischen Bedingungen. Beispielsweise weisen in verschiedenen<br />
Regionen die Vorfluter Temperaturen von ca. 18-25 °C (z.B. Vietnam, Thailand) auf.<br />
Starkniederschläge lassen die Trübstoffgehalte der Flüsse auf 100 bis 1.000 FNU<br />
über einen Zeitraum von Stunden und Tagen ansteigen (z.B. Brasilien, China, Vietnam,<br />
Thailand). Die Wasserbeschaffenheit ist damit durch extreme Schwankungen<br />
in der Wasserbeschaffenheit gekennzeichnet.<br />
Grundwasserfassungen an Küstenstreifen sind zunehmend von einer Versalzung<br />
betroffen (z.B. Südafrika, Vietnam, USA). Unkontrollierte Grundwasserentnahmen<br />
führen zu Bodenabsenkungen mit den daraus resultierenden Schäden an der Infrastruktur<br />
(z.B. Bangkok, Thailand).<br />
Lokal sind in einigen Landesteilen die Rohwasservorkommen mit erhöhten Gehalten<br />
an Fluorid, Arsen, Eisen und Mangan belastet (z.B. China, Brasilien).<br />
Die bisher durchgeführten Stichprobenuntersuchungen in Wasserwerken in Brasilien,<br />
China, Indonesien, Südafrika, Thailand und Vietnam zeigten, dass organische<br />
Spurenstoffe wie beispielsweise Insektizide, Pharmaka, Röntgenkontrastmitteln oder<br />
Komplexbildner in den Rohwässern der Wasserwerke in der Regel nicht oder in sehr<br />
geringen Konzentrationen auftraten. Dies hat vermutlich folgende Ursachen:<br />
- derzeit noch relativ geringe Industrialisierung - weniger Abwässer<br />
- geringerer Lebensstandard - weniger Konsumtion von Kosmetika bzw. Arzneimitteln<br />
- wärmeres Klima - schnellerer Abbau von Wasserinhaltsstoffen<br />
- höhere Niederschläge, größere Wasserkörper und größere Wasserführung<br />
in Flüssen im Vergleich zu Deutschland mit daraus resultierender Verdünnung<br />
Dementsprechend haben Spurenstoffe in der öffentlichen Wasserversorgung in diesen<br />
Ländern bisher eine geringere Bedeutung. Zudem führen höhere Grenzwerte für<br />
Spurenstoffe im Trinkwasser im Vergleich zu Deutschland dazu, dass deren Relevanz<br />
im Ausland deutlich geringer eingestuft wird. Einige ausländische Wasserwerke
Praxiserfahrungen in anderen Ländern - Zusammenfassung 183<br />
wiesen darauf hin, dass möglicherweise Pestizide im Rohwasser auftreten können.<br />
Konkrete Messwerte dazu stehen aus.<br />
Erhöhte Gehalte an natürlichen organischen Stoffen, erhöhte Bromidkonzentrationen<br />
sowie höhere Temperaturen rufen infolge der Desinfektion mit Chlor eine verstärkte<br />
Bildung von THM im Trinkwasser hervor. Bei Anwesenheit von Ammoniumionen<br />
werden THM jedoch nicht bzw. nur in geringen Konzentrationen gebildet. Ammoniumgehalte<br />
im zu desinfizierenden Wasser können daraus resultieren, dass Ammonium<br />
aus dem Rohwasser während der Aufbereitung nicht vollständig entfernt wird<br />
(z.B. Vietnam) bzw. dass während der Aufbereitung eine Dosierung von Ammonium<br />
erfolgt (z.B. China, USA). In Brasilien bzw. in den USA wird in einigen Fällen Chlor<br />
durch Chlordioxid ersetzt, um die THM-Bildung zu begrenzen. In der Regel liegen die<br />
im Ausland geltenden Grenzwerte für THM jedoch über den in Deutschland verbindlichen<br />
Werten.<br />
4.4 Aufbereitung<br />
Die Aufbereitung von Oberflächenwässern erfolgt meist durch Flockung, Sedimentation,<br />
Filtration und Desinfektion (z.B. Brasilien, China, Indonesien, Südafrika, Thailand,<br />
Vietnam). Als Flockungsmittel werden Aluminium- und Eisensalze und in Einzelfällen<br />
Flockungshilfsmittel zugegeben. In einigen Ländern stehen bestimmte Zusatzstoffe<br />
nicht zur Verfügung. So kann beispielsweise Vietnam nicht auf Flockungshilfsmittel<br />
zurückgreifen. Die Dosierung mit Flockungsmitteln erfolgt oft durch freien<br />
Einlauf in Gerinne mit turbulenter Strömung (z.B. Brasilien, China, Indonesien, Thailand,<br />
Vietnam). Sedimentationsbecken sind teilweise überbemessen (z.B. China).<br />
Zur Schnellfiltration werden mehrheitlich Einschichtfilter verwendet. Die Einschichtfilter<br />
haben im Vergleich zu den in Deutschland üblichen Filterschichtaufbau meist geringere<br />
Schütthöhen und geringere Filterkorndurchmesser. Die Spülung der Filter<br />
erfolgt teilweise ohne Pumpen und nur mit Wasser (z.B. Brasilien, Thailand, Vietnam),<br />
obgleich die vorteilhafte Wirkung einer Luftspülung bekannt ist. Ein Abschlag<br />
von Erstfiltrat erfolgt nicht (z.B. China, Thailand, Vietnam).<br />
Schlammwässer aus Filterspülungen werden in Gebieten mit Wassermangel (z.B.<br />
Südafrika, USA) aufbereitet und die Klarwässer nach Sedimentation dem Rohwasser<br />
wieder zurückgeführt. In Brasilien zeigen sich auf Grund von Vorgaben des Gesetzgebers<br />
erste Bemühungen, das Spülabwasser aufzubereiten. Auch in anderen Ländern<br />
scheinen Wasserwerksrückstände als Problem erkannt zu sein.<br />
Ozon und Aktivkohle wird in Brasilien, China, Indonesien, Südafrika, Thailand und<br />
Vietnam aus Kostengründen kaum bzw. nicht eingesetzt. Für manche Länder ist Aktivkohle<br />
ein Importprodukt (z.B. Südafrika, Vietnam), was den Erwerb insbesondere<br />
bei einer schwachen Währung zusätzlich verteuert.
184<br />
In Brasilien ist die Zugabe von Fluorid gesetzlich vorgeschrieben.<br />
Die Desinfektion erfolgt in der Regel mit Chlor. Die Zugabemengen betragen oft zwischen<br />
1 und 5 mg/L, teilweise auch noch höher. Restgehalte an freiem Chlor nach<br />
Abschluss der Aufbereitung in der Größenordnung von > 0,2 mg/L sind gesetzlich<br />
vorgeschrieben, wobei in manchen Ländern noch höhere Restgehalte erforderlich<br />
sind.<br />
Wasserversorgungsunternehmen, beispielsweise in China, verfügen oft über einen<br />
Personalstamm, der, bezogen auf die produzierte Wassermenge, ein Vielfaches von<br />
dem in Deutschland ist. Dies führt neben einer Kostenbelastung auch zu Schwierigkeiten<br />
bei der Abstimmung des Fachpersonals untereinander. U.a. bedingt durch die<br />
Mentalität haben Kontrollen in Entwicklungsländern nicht immer den gleichen Erfolg<br />
wie in Deutschland. Auch dies führt zu Problemen beim Betrieb von Wasseraufbereitungsanlagen.<br />
4.5 Verteilung<br />
Generell werden zur Verteilung in den Entwicklungsländern auch die in Deutschland<br />
bekannten Rohrmaterialien eingesetzt, wobei für größere Rohrdurchmesser eher<br />
Betonrohre und für kleinere eher PVC-Rohre verwendet werden. Diese Länder verfügen<br />
neben anderen Materialien nach wie vor über einen hohen Bestand an Asbest-<br />
Zementrohren, deren Problematik noch nicht sehr ausgeprägt wahrgenommen wird<br />
und die meist die kostengünstigste Materialvariante darstellen.<br />
Wasserverluste in den Verteilungsnetzen beruhen sowohl auf Leckagen und Rohrbrüchen<br />
als auch zu einem erheblichen Anteil auf nichttechnischen Verlusten. Leckagen<br />
und Rohrbrüche werden einerseits durch die Trinkwasserbeschaffenheit verursacht,<br />
da die Trinkwässer ohne eine nennenswerte Aufhärtung aus weichen Oberflächenwässern<br />
gewonnen werden und sich nicht im Zustand der Calcitsättigung befinden.<br />
Andererseits erfolgt die Verlegung zum Teil unsachgemäß. Unter den nichttechnischen<br />
Verluste sind keine oder falsche Verbrauchsmessungen, geduldete kostenlose<br />
Abgaben oder illegale Entnahmen von Trinkwasser zu verstehen. Beispielsweise<br />
betragen für das Versorgungsgebiet des brasilianischen Wasserwerks Rio<br />
Guandu (Kapazität 46 m³/s) die gesamten Rohrnetzverluste 50 %, von denen die<br />
technischen Netzverluste nur 10 % betragen sollen, während 40 % des Trinkwassers<br />
ohne Bezahlung insbesondere die in Armenvierteln wohnenden Verbraucher erreicht.<br />
Hingegen sollen die Wasserverluste in thailändischen Netzen von ca. 30 %<br />
nach Angaben der lokalen Wasserversorgungsunternehmen überwiegend echte<br />
technische Verluste sein.<br />
In Ländern mit tropischem Klima und geringem Bruttoinlandsprodukt, BIP, (z.B. Vietnam,<br />
Thailand) sind die Transportleitungen teilweise oberirdisch verlegt. Brasilien
Praxiserfahrungen in anderen Ländern - Zusammenfassung 185<br />
hingegen verlegt die Transportleitungen in der Regel unterirdisch, wenn auch nicht<br />
die in Deutschland typischen Tiefen erreicht werden. Allerdings gibt es auch Beispiele<br />
von Industrieländern (z.B. Australien), die teilweise auf eine Verlegung auf der<br />
Oberfläche zurückgreifen. Wesentlichen Einfluss auf die Verlegung der Rohre hat<br />
die geologische Beschaffenheit des Untergrundes.<br />
Kennzeichen vieler Systeme ist der zeitweise diskontinuierliche Betrieb der öffentlichen<br />
Trinkwasserversorgung mit der Folge, dass die betroffene Bevölkerung oft<br />
Hauswasserspeicher (z.B. Brasilien, Indonesien, Südafrika, Vietnam) installiert hat.<br />
Die Speisung der Hausspeicher erfolgt allerdings mit geringem Durchfluss, so dass<br />
ein Problem bei der messtechnischen Erfassung der Wassermengen bestehen kann.<br />
In den Hausspeichern kann in tropischen Gebieten die Wassertemperatur auf über<br />
40 °C ansteigen, die Gefahr einer Wiederverkeimung ist gegeben. In den tropischen<br />
Ländern ist nach Entnahme aus dem Vorfluter bei Aufbereitung und Verteilung von<br />
einer Aufwärmung des Wasser auszugehen, so dass die Wassertemperatur beim<br />
Verbraucher höher ist als im Vorfluter. Bei großen Verbrauchern (z.B. Hotels) hat die<br />
Hauswasseraufbereitung einen hohen Stellenwert.<br />
Illegale Entnahmen bzw. Leckagen im Verteilungsnetz sowie der Betrieb von Hausspeichern<br />
durch Verbraucher ist ursächlich dafür, dass Wasserwerke auch nach einer<br />
Optimierung der Aufbereitung hohe Desinfektionsmittelrestgehalte bei der Verteilung<br />
aufrecht halten müssen. Eine alleinige Desinfektion des Trinkwassers mit UV-<br />
Bestrahlung im Wasserwerk wird auf absehbare Zeit in den Entwicklungsländern<br />
nicht möglich sein.<br />
Vom wirtschaftlichen Standpunkt her ist es in diesen Ländern in einigen Regionen<br />
nicht immer sinnvoll und durchführbar, eine zentrale Trinkwasserversorgung überhaupt<br />
aufzubauen. Dezentrale Lösungen sind hier plausibler. In vielen Städten wird<br />
der Trinkwasserbedarf trotz hoher Kosten über Flaschenwasser gedeckt.<br />
4.6 Tarife<br />
Die Trinkwasserpreise sind für die Länder der Datenerhebung u.a. vom spezifischen<br />
Verbrauch, von den Verbrauchergruppen (Bevölkerung oder Industrie) sowie von<br />
sozialen Komponenten abhängig. Darüber hinaus sind die Landeswährungen extremen<br />
Schwankungen unterworfen, was ebenfalls länderübergreifende Preis- bzw.<br />
Kostenbetrachtungen kompliziert (Tabelle 4.3). In der Regel liegen die Preise, die ein<br />
Verbraucher für Trinkwasser zu zahlen hat zwischen etwa 1 und 25 Euro-Cent/m³<br />
(China, Iran, Indonesien, Thailand, Vietnam). In Brasilien und Südafrika liegt der<br />
Trinkwasserpreis mit 25 und 50 Cent/m³ etwas höher. Selbstredend sind die Tarife in<br />
absoluten Zahlen in Deutschland deutlich höher, allerdings ist ein direkter Vergleich<br />
nur schwer möglich, da hierbei eine Vielzahl von Faktoren wie Abgaben, Versorgungssicherheit,<br />
Wasserqualität usw. berücksichtigt werden müssen. Zudem ist zu
186<br />
beachten, dass in den betrachteten Ländern die Ausgaben pro Familie für Trinkwasser<br />
prozentual trotzdem höher sind als in Deutschland. Darüber hinaus können in<br />
den im Rahmen der Studie betrachteten Ländern, mit Ausnahme der USA, die Tarife<br />
nur einen Teil der Betriebskosten abdecken, der Rest muss durch staatliche Subventionen<br />
ausgeglichen werden.<br />
Tabelle 4.3: Tarifvergleiche<br />
Trinkwassertarif<br />
in €/m³<br />
Wechselkurs zum US$<br />
Land<br />
Währung<br />
1997 2002 2002<br />
Brasilien Real 1,08 2,38 0,25-0,50<br />
China Yuan 8,28 8,28 0,01-0,25<br />
Indonesien Rupiah 2.909,00 10.377,00 0,05-0,50<br />
Iran Rial 1.750,00 7.900,00 0,02<br />
Südafrika Rand 4,61 11,59 0,40<br />
Thailand Baht 31,36 43,98 0,27<br />
Vietnam Dong 11.680,00 15.090,00 0,10-0,27<br />
USA US$ - - 0,40-0,70<br />
Deutschland Euro 0,89 1,13 1,71<br />
5 Folgerungen<br />
Die in den nachstehenden Kapiteln dargestellten Folgerungen beziehen sich auf eine<br />
zusammenfassende Bewertung der Ergebnisse der Datenerhebungen in Brasilien,<br />
China, Iran, Indonesien, Südafrika, Thailand und Vietnam. Von den Folgerungen<br />
ausgenommen sind die USA.<br />
Situation<br />
Wie Bild 5.1 zeigt, kann eine allgemeine Tendenz zwischen dem Einsatz von Wasseraufbereitungstechnologien<br />
und dem Bruttoinlandsprodukt (BIP) abgeleitet werden.<br />
Flockung und Sedimentation werden praktisch in allen Ländern eingesetzt.<br />
Mehrschichtfilter kommen verstärkt in den entwickelten Ländern zum Einsatz, u.a.<br />
weil Mehrschichtfilter höhere Anforderungen an die Spülung bzw. Spülpumpen und<br />
damit an die Ausrüstung stellen. Neue Aufbereitungsverfahren kommen in nennenswerter<br />
Anzahl erst in den entwickelten Ländern zum Einsatz. Unabhängig von dem<br />
hier dargestellten allgemeinen Zusammenhang werden in Einzelfällen auch Mehrschichtfilter<br />
(z.B. Indonesien) oder moderne Verfahren wie Membranen, Ozon oder<br />
Aktivkohle (z.B. China, Namibia, Südafrika, Thailand) eingesetzt, was aber nicht repräsentativ<br />
für die öffentliche Wasserversorgung des jeweiligen Landes ist. Tendenziell<br />
sind Spurenstoffe in Ländern mit geringem BIP nicht prioritär.
Praxiserfahrungen in anderen Ländern - Zusammenfassung 187<br />
Bild 5.1: Technologien in Wasserwerken zur Oberflächenwasseraufbereitung in<br />
Abhängigkeit vom BIP (2001) pro Einwohner<br />
Produkte<br />
In Ländern mit niedrigem BIP kann die Mehrzahl der Verbraucher qualitativ hochwertige<br />
Produkte auf Grund der wirtschaftlichen Verhältnisse nicht konsumieren. Dieser<br />
Umstand wirkt sich insbesondere auf die Trinkwasserversorgung aus, da hierdurch<br />
nahezu alle gesellschaftlichen Schichten abgedeckt werden. Die Folge ist, dass sich<br />
die Ausstattung der Wasserwerke an den wirtschaftlichen Verhältnissen des Landes<br />
orientiert. So ist häufig das Fehlen moderner Wasseraufbereitungstechnologien weniger<br />
auf den Mangel von Know-how sondern primär auf fehlende finanzielle Mittel<br />
zurückzuführen.<br />
Bei der Beurteilung der Beschaffenheit von Roh- und Trinkwasser sollten Summenparameter<br />
wie Trübstoffgehalt, Leitfähigkeit, Geruch und Geschmack einbezogen<br />
werden. Auch sogenannten einfachen Parametern wie DOC, COD, Ammonium,<br />
Sauerstoff usw. kommt gerade in Schwellenländern eine prinzipielle Bedeutung zu.<br />
Daneben sind verfahrenstechnische Analysenparameter wie z.B. Chlorzehrung,<br />
Haloformbildungspotential, Wiederverkeimungspotential von fundamentaler Bedeutung<br />
für Bau und Betrieb von Aufbereitungsanlagen in diesen Ländern.
188<br />
Algen und Algentoxine sowie teilweise erhöhte Fluorid- und Arsengehalte in Rohwässern<br />
haben eine besondere Bedeutung. Für die öffentliche Wasserversorgung in<br />
den betrachteten Schwellenländern haben Spurenstoffe derzeit eine geringere Bedeutung<br />
als in Deutschland. Der in Deutschland diesbezüglich vorhandene wissenschaftliche<br />
und analysentechnologische Vorsprung sollte insbesondere mit einer<br />
fortschreitenden Entwicklung im Ausland künftig stärker nachgefragt werden. So wird<br />
beispielsweise in Brasilien in den nächsten Jahren eine staatliche Überwachung der<br />
Trinkwasserbeschaffenheit aufgebaut.<br />
Prinzipiell besteht Bedarf für innovative Lösungen zu einfachen und kostengünstigen<br />
Technologien. Für kleine und mittlere Anlagen erscheint die Uferfiltration durchaus<br />
als sinnvoll. Bisher werden in den Entwicklungsländern Uferfiltratanlagen nicht eingesetzt,<br />
obgleich in einigen der besuchten Wasserwerke gezielt nach Uferfiltration<br />
gefragt wurde. Die Herausarbeitung von Kriterien zur Beurteilung der Einsatzmöglichkeit,<br />
zum Anordnen der Brunnen bzw. zum Brunnenausbau in Abhängigkeit von<br />
der konkret vorliegenden geologischen Situation ist erforderlich.<br />
Für alle Anlagengrößen besteht Bedarf bei der Optimierung der Flockung und Sedimentation<br />
bei stark schwankenden Trübstoffgehalten bis 1.000 FNU, wobei die Vorfluter<br />
in bestimmten Regionen eine durchschnittliche Temperatur von 18 bis 25 °C<br />
aufweisen. Dabei kann die Temperatur des zu flockenden Wassers in Einzelfällen<br />
beispielsweise durch die Vorschaltung von Sedimentationsbecken wesentlich höher<br />
sein. Aufgrund der Algenproblematik kann möglicherweise auch die Flotation zur<br />
Partikelabtrennung eingesetzt werden. Dabei könnten modulare Anlagen zum Einsatz<br />
kommen.<br />
Eine Optimierung der Schnellfiltration, u.a. hinsichtlich Filterschichtaufbau, Spülung<br />
und Betrieb, wäre in den besuchten Wasserwerken erforderlich gewesen.<br />
Wenig genutzt werden bisher naturnahe Aufbereitungsverfahren. So wird für Oxidationsreaktionen<br />
meist Chlor eingesetzt.<br />
Hochtechnisierte Wasseraufbereitungstechnologien wie beispielsweise Membranen<br />
sind derzeit insbesondere für die Hauswasseraufbereitung (point of use) von Interesse.<br />
Hierbei scheinen Ultrafiltrationsmembranen, die der Entfernung von Trübstoffen<br />
und Mikroorganismen dienen und automatisierbar sind, besonders wichtig zu sein.<br />
Die technisch aufwendigeren Nanofiltrationsmembranen werden in den Fällen zum<br />
Einsatz kommen, in denen neben der Trübstoffentfernung auch die Elimination von<br />
Ionen sowie Humin- und Spurenstoffen erforderlich wird. An den im Rahmen des<br />
Forschungsprojektes stichpunktartig aufgesuchten Stellen wären Ultrafiltrationsmembranen<br />
jedoch ausreichend gewesen. Der Einsatz von Ozon und Aktivkohle ist<br />
in den Entwicklungsländern auf Einzelfälle beschränkt. Der Einsatz dieser Verfahrenskombination<br />
zur Spurenstoffentfernung in Wasserwerken erscheint für absehbare<br />
Zeit u.a. aus Kostengründen unrealistisch.
Praxiserfahrungen in anderen Ländern - Zusammenfassung 189<br />
Bei der Aufbereitung ist die Optimierung bestehender Anlagen generell ein Schwerpunkt.<br />
Neben der reinen Lieferung und Installation von hochwertiger Technologie aus<br />
Deutschland, ist die Übernahme der Betriebsführung ausländischer Wasserwerke<br />
ein wichtiger Ansatzpunkt für die Exportfähigkeit. Die Fähigkeit und Bereitschaft, die<br />
Inbetriebnahme oder Optimierung einer Anlage verantwortlich zu übernehmen, erhöht<br />
die Möglichkeiten der Auslandsaktivitäten ganz erheblich.<br />
Die Optimierung des Rohrnetzbetriebes in Hinblick auf den Zusatz von Korrosionsinhibitoren<br />
sowie Lecksuche- und Rohrverlegungstechniken werden ebenso nachgefragt.<br />
Darüber hinaus liefern verschiedene Firmen aus Deutschland Produkte für die Wassergewinnung<br />
und –verteilung wie beispielsweise MSR-Technik (z.B. Dr. Lange),<br />
Armaturen (z.B. Erhard) oder Zusatzstoffe (z.B. Stockhausen). Ein wichtiges Kaufargument<br />
für die Wasserwerke im Ausland ist die hohe Qualität der Produkte aus<br />
Deutschland, die natürlich im Wettbewerb mit internationalem Rahmen stehen.<br />
Personal und Management<br />
Im Allgemeinen ist Know-How zur Wasseraufbereitung bei ausländischen Spezialisten<br />
vorhanden. Bei wenigen Spezialisten stehen auch praktische Erfahrungen bei<br />
der Umsetzung moderner Technologien (Ozon, Aktivkohle, Membranen) zur Verfügung.<br />
Weniger ausgeprägt erscheint das Know-How für breitere Schichten des Betriebspersonals<br />
für Wasserwerke. Daher besteht Bedarf bei der Aus- und Weiterbildung<br />
für diese Zielgruppen. Auch die Mithilfe beim Aufbau eines technischen Regelwerkes<br />
wird nachgefragt.<br />
Die Schaffung von Grundlagen zur Einführung eines effektiven Kontrollsystems unter<br />
Berücksichtigung der landesspezifischen Bräuche sollte zu einem effizienteren Betriebsablauf<br />
und infolge dessen auch zu einer Verbesserung der Trinkwasserbeschaffenheit<br />
führen.<br />
Zusammenfassung<br />
Tabelle 5.1 fasst die nach den Ergebnissen der Datenerhebung in andern Ländern<br />
erforderlich erscheinenden Forschungsarbeiten nach ihrer Priorität zusammen.
190<br />
Tabelle 5.1: Priorisierung von Arbeiten bei der exportorientierten Forschung<br />
Priorität<br />
Hoch<br />
Mittel<br />
Niedrig<br />
Wasserbeschaffenheit<br />
- Schutz des<br />
Rohwassers<br />
- Mikrobiologie<br />
- Trübstoffe<br />
- Geruch /<br />
Geschmack<br />
- Algen<br />
- Desinfektionsnebenprodukte<br />
lokal<br />
problematisch:<br />
- Fluorid<br />
- Arsen<br />
- Spurenstoffe<br />
- Schwermetalle<br />
Aufbereitung<br />
- Flockung, Sedimentation,<br />
Filtration<br />
- Schwankungsbreiten<br />
(Trübstoffe,<br />
Temperatur)<br />
- Betriebsoptimierung<br />
- Wasserwerksrückstände<br />
Verteilung<br />
Hohe Qualität<br />
(Produkte, Bauteile)<br />
- Uferfiltration<br />
- Langsamsandfiltration<br />
- Membranen<br />
- Ozon<br />
- Aktivkohle<br />
- UV-Desinfekt.<br />
- Kontaminationen<br />
- Diskontinuierl.<br />
Versorgung<br />
- Wasserverluste<br />
- Hausspeicher<br />
- Korrosion<br />
- Flächendeckende<br />
Versorgung<br />
Personal /<br />
Management<br />
- Ausbildung<br />
des Wasserwerkspersonals<br />
- Einführung von<br />
effektiven<br />
Qualitätskontrollen<br />
- Personalkosten<br />
Projektverbund<br />
Bedingt durch die Gewässereutrophierung von Binnenseen im Ausland sind bereits<br />
beim Gewässerschutz und der Abwasserbehandlung Gegenmaßnahmen erforderlich.<br />
Versuche innerhalb des Projektverbundes sollten sich an den in Tabelle 5.2 zusammengestellten<br />
Randparametern orientieren. Dies entspricht in der Regel den Angaben,<br />
die während den Projekttreffen innerhalb der Kernprojekte diskutiert wurden.<br />
Generell sollten alle Teilprojekte bei der Weiterführung der Untersuchungen die in<br />
Tabelle 5.2 zusammengestellten Kriterien berücksichtigen. Hierbei sollten prinzipielle<br />
Aussagen über die Einsetzbarkeit der jeweils untersuchten Verfahren bei den in Tabelle<br />
5.2 angegebenen Güteintervallen hinsichtlich Trübung, DOC, Temperatur und<br />
Desinfektionsmittelrestgehalt abgeleitet werden.
Praxiserfahrungen in anderen Ländern - Zusammenfassung 191<br />
Tabelle 5.2: Untersuchungsintervalle und –kriterien für den Projektverbund<br />
Trübung in FNU<br />
DOC in mg/L<br />
Temperatur in °C<br />
Desinfektionsmittelrestgehalte<br />
Weitere Untersuchungsschwerpunkte<br />
Aufbereitung<br />
Verteilung<br />
(Kernprojekte A bis C) (Kernprojekt D)<br />
< 10<br />
0,5 mg/L Chlor)<br />
- Diskontinuierlicher<br />
Betrieb<br />
- Lokale Kontaminationen<br />
im Netz<br />
- Chlor/Chloramin<br />
- Booster<br />
Darüber hinaus wurden in Tabelle 5.2 Untersuchungsschwerpunkte zusammengestellt,<br />
zu denen Bewertungen, ggf. ausschließlich basierend auf Literaturangaben,<br />
erwünscht sind. Dabei handelt es sich um folgende Aspekte:<br />
- Bei der Prüfung der Einsetzbarkeit der Uferfiltration besteht oft Unklarheit darüber,<br />
welche Anforderungen an den Untergrund zu stellen und welche geologischen<br />
Untersuchungen erforderlich sind, um eine prinzipielle Aussage zur Realisierbarkeit<br />
zu erhalten.<br />
- Technologisch orientierte Projekte sollten prüfen, inwieweit bekannte Technologien<br />
wie Flockung, Sedimentation oder Filtration in der Lage sind, stark schwankende<br />
Rohwasserbeschaffenheiten aufbereitungstechnisch sicher zu beherrschen.<br />
Kompakte und modulare Ausführungen scheinen von besonderem Interesse<br />
zu sein. Bei den Untersuchungen gilt es insbesondere, die im Vergleich zu<br />
Deutschland unterschiedlichen Rohwassertemperaturen zu berücksichtigen. Projekte,<br />
die sich mit Oxidation, Adsorption und Ionentausch befassen, sollten zudem<br />
prüfen, inwieweit diese Technologien unter ungünstigen Rohwasserbedingungen<br />
wie erhöhte Trübstoffgehalte überhaupt noch den erwarteten Aufbereitungseffekt<br />
erbringen. Bei den Untersuchungen zur Entfernung von Schwermetal-
192<br />
len sollte geprüft werden, inwieweit Aussagen zum Rückhalt von Fluorid mit aufgenommen<br />
werden können.<br />
- Die Projekte zur Verteilung umfassen gemäß Arbeitsplan bereits eine Vielzahl der<br />
notwendigen Forschungsarbeiten. Ggf. könnten Untersuchungen zur Wiederherstellung<br />
eines ordnungsgemäßen Netzbetriebes nach lokalen Kontaminationen<br />
noch stärker gewichtet werden.<br />
- Bei allen Projekten muß ein wichtiges Ziel immer beachtet werden: die Prozessstabilität<br />
verbunden mit einer möglichst unkomplizierten Betriebsführung.
Praxiserfahrungen in anderen Ländern - Zusammenfassung 193<br />
6 Machbarkeitsstudie zur Uferfiltration am Beispiel des Wasserwerks<br />
Lagoa do Peri, Brasilien<br />
Die im Rahmen des Vorhabens durch das deutsch-brasilianische Ingenieurbüro<br />
Cobas und der Universität Florianopolis (Brasilien) in Zusammenarbeit mit dem TZW<br />
erstellte Machbarkeitsstudie eruiert die Möglichkeiten und Voraussetzungen für eine<br />
großtechnische Umsetzung der Uferfiltration in dem brasilianischen Wasserwerk<br />
Lagoa do Peri. Das Ingenieurbüro Cobas ist eine Außenstelle des Ingenieurbüros<br />
Eppler, Dornstetten (Deutschland).<br />
Die Uferfiltration wird bisher nicht in Brasilien eingesetzt, so dass seitens des staatlichen<br />
brasilianischen Wasserwerksbetreibers CASAN Unsicherheiten hinsichtlich einer<br />
erfolgreichen Umsetzung bestehen. Daher enthält die Machbarkeitsstudie neben<br />
Analysendaten, Lageplänen und Literaturauswertung einen Stufenplan zum weiteren<br />
Vorgehen, der einen Kooperationsvertrag mit dem brasilianischen Betreiber, eine<br />
erste Ausbaustufe mit Pilotierungsphase sowie die großtechnische Realisierung der<br />
Uferfiltration einschließt. Die Machbarkeitsstudie ist dem vorliegenden Bericht als<br />
Anhang beigefügt. Die nachstehenden Absätze fassen ausgewählte Ergebnisse zusammen.<br />
Das Wasserwerk Lagoa do Peri nutzt Seewasser zur Trinkwassergewinnung. Das<br />
Seewasser ist sehr gering mineralisiert, wie aus den Werten für die elektrische Leitfähigkeit<br />
von 53-80 µS/cm hervorgeht. Der TOC ist hingegen mit Werten von 5,5-<br />
7,1 mg/l als relativ hoch einzustufen. Das Wasser enthält Spuren von Phosphat und<br />
Ammonium. Die Trübung liegt im Bereich von 3 bis 8 FNU und ist zu einem erheblichen<br />
Anteil auf Phyto-Plankton zurückzuführen. Weitere Analysendaten sind in Tabelle<br />
6.1 zusammengestellt.<br />
Die derzeitige Aufbereitungstechnologie des Wasserwerks Lagoa do Peri umfasst<br />
eine Flockungsfiltration durch Zugabe von Aluminiumsalzen mit nachfolgender offener,<br />
abwärts durchströmter Zweischichtfiltration, eine Kalkmilchdosierung sowie die<br />
Desinfektion. In Zeiträumen mit hoher Algenbelastung des Seewassers müssen die<br />
Filter bereits nach vier Betriebsstunden gespült werden. Dabei steht die Nennleistung<br />
des Werkes nicht mehr zur Verfügung und der Schlammwasseranfall ist nicht<br />
mehr beherrschbar. In Zusammenhang mit hohen Algenbelastungen reklamieren die<br />
Verbraucher zudem häufig Geruch und Geschmack des Leitungswassers.<br />
Durch die Nutzung der Uferfiltration wird eine erhebliche Verbesserung der Wasserbeschaffenheit<br />
und des Betriebsverhaltens erwartet, da dadurch der bestehenden<br />
Aufbereitungsanlage ein algenfreies Rohwasser zugeführt werden kann.
194<br />
Tabelle 6.1: Rohwasserbeschaffenheit (2001-2003)<br />
Parameter Einheit Minimum Maximum<br />
Alkalinität (Säurekap. pH 4,3) mmol / L 0,06 0,34<br />
Härte mmol / L 0,07 0,09<br />
pH 6,3 8,5<br />
Temperatur ºC 17 31<br />
Trübung NTU 3,0 7,8<br />
Leitfähigkeit µS/cm 53 80<br />
Sauerstoff mg O 2 /L 6,8 9,8<br />
Chlorid mg Cl - /L 11,4 22<br />
TOC mg C/L 5,5 7,1<br />
Ammonium mg NH + 4 /L 0,02 0,16<br />
Nitrat<br />
-<br />
mg NO 3 /L < 0,1 0,8<br />
o- Phosphat mg PO 3- 4 /L 0,04 0,07<br />
Phyto – Plankton gesamt Individuen/ mL 5.373 273.880<br />
Vor einer technischen Umsetzung der Uferfiltration sind noch verschiedene Fragen<br />
zu klären. Die erstellte Machbarkeitsstudie enthält daher Vorschläge für das weitere<br />
Vorgehen. Demnach könnte ein Kooperationsvertrag zwischen einem deutschen Investor<br />
und dem brasilianischen Betreiber abgeschlossen und eine erste Ausbaustufe<br />
der Uferfiltratgewinnung errichtet werden (Volumenstrom ca. 50 m³/h). Daran<br />
schließt sich eine Pilotierungsphase an, die u.a. Langzeitpumpversuche über 8 bis<br />
12 Monate beinhaltet. Wesentliche Fragestellungen sind die Salzwasserintrusion und<br />
das Kolmationsverhalten des Untergrundes bzw. die Entwicklung entsprechender<br />
Vermeidungsstrategien. Bei positivem Abschluss der Pilotierung könnte die Anlage<br />
im Endausbau fertiggestellt werden (Volumenstrom ca. 700 m³/h). Die derzeitigen<br />
Vorstellungen der brasilianischen Seite beinhalten im Wesentlichen eine Vorfinanzierung<br />
und Risikoübernahme für die erforderliche Pilotierung durch einen deutschen<br />
Investor. Die Kosten für die Pilotierung werden auf ca. 195.000 € geschätzt.<br />
Die Machbarkeitsstudie kommt zu dem Schluss, dass der Einsatz der Uferfiltration<br />
im Wasserwerk Lagoa do Peri eine ausgezeichnete Gelegenheit bieten würde, um<br />
deutsches Know-How und Technologie aus dem Bereich Trinkwasserversorgung in<br />
Brasilien einzuführen. Da die brasilianische Trinkwassergewinnung meist auf die Behandlung<br />
von Flusswasser zurückgreift, ergäbe sich für die Uferfiltration bei Vorliegen<br />
geeigneter Randbedingungen ein erhebliches Einsatzpotential.