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Kürzung der Pendlerpauschale doch nicht<br />
verfassungswidrig?<br />
FG Köln 29.3.2007, 10 K 274/07<br />
Das FG Köln hält die Kürzung der Pendlerpauschale zum<br />
1.1.2007 ebenso wie das FG Baden-Württemberg nicht für verfassungswidrig<br />
und stellt sich damit gegen anderslautende Entscheidungen<br />
des Niedersächsischen FG und des FG des Saarlands.<br />
Nach Auffassung des FG Köln war der Gesetzgeber im<br />
Rahmen seiner Gestaltungsfreiheit ohne weiteres befugt, Aufwendungen<br />
für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte<br />
künftig grundsätzlich nicht mehr als Werbungskosten zu behandeln.<br />
Der Sachverhalt:<br />
Der Kläger erzielt Einnahmen aus einer nichtselbständigen<br />
Tätigkeit als Physiker. Er beantragte beim Finanzamt, auf seiner<br />
Lohnsteuerkarte für 2007 einen Freibetrag für Fahrten zwischen<br />
Wohnung und Arbeitsstätte in Höhe von 5.520 Euro (230 Tage<br />
x 80 Kilometer x 0,30 Euro) einzutragen. Das Finanzamt lehnte<br />
dies wegen der zum 1.1.2007 eingeführten Kürzung der Entfernungspauschale<br />
ab und berechnete den Freibetrag nur hinsichtlich<br />
der Kosten für die Entfernung ab dem 21. Kilometer.<br />
Mit seiner hiergegen gerichteten Klage machte der Kläger geltend,<br />
dass die Neuregelung in § 9 Abs.2 EStG, wonach die Aufwendungen<br />
für Fahrten zur Arbeit grundsätzlich keine Werbungskosten<br />
mehr und lediglich ab dem 21. Kilometer „wie“<br />
Werbungskosten zu behandeln seien, verfassungswidrig sei.<br />
Hierin liege ein Verstoß gegen das Nettoprinzip, den Grundsatz<br />
der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit und gegen den<br />
gemäß Art. 6 Abs.1 GG gebotenen Schutz von Ehe und Familie.<br />
Der Kläger beantragte, das Verfahren gemäß Art. 100 Abs.1 GG<br />
auszusetzen und dem BVerfG vorzulegen, und hilfsweise, das<br />
Verfahren bis zu einer Entscheidung des BVerfG über den Vorlagebeschluss<br />
des FG Niedersachsen vom 27.2.2007 (Az.: 8 K<br />
549/06) auszusetzen. Die Klage hatte lediglich hinsichtlich des<br />
Hilfsantrags Erfolg.<br />
Die Gründe:<br />
Das Verfahren ist nicht gemäß Art. 100 Abs.1 GG dem BVerfG<br />
vorzulegen, da keine Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der<br />
Neuregelung der Pendlerpauschale in § 9 Abs.2 S.1 EStG n.F.<br />
bestehen. Die im Rahmen der Neuregelung der Pendlerpauschale<br />
vorgenommene Zuordnung der Aufwendungen für Fahrten<br />
zwischen Wohnung und Arbeitsstätte zur Privatsphäre ist entgegen<br />
der Ansicht des Klägers mit dem Grundgesetz vereinbar.<br />
Die Neuregelung der Pendlerpauschale verstößt insbesondere<br />
nicht gegen das objektive Nettoprinzip, wonach grundsätzlich<br />
nur dasjenige der Besteuerung unterworden werden darf, was<br />
nach Abzug der Erwerbsaufwendungen von den Einnahmen zur<br />
freien Verfügung übrig bleibt. Dieses Prinzip ist im Streitfall<br />
nicht tangiert, weil es sich bei den Aufwendungen des Klägers<br />
für die Wege zwischen Wohnung und regelmäßiger Arbeitsstätte<br />
nicht um originäre Werbungskosten handelt.<br />
In der Vergangenheit ist das deutsche Einkommensteuerrecht<br />
zwar traditionell davon ausgegangen, dass die Arbeitssphäre<br />
nicht erst „am Werkstor“ beginnt. Diese Tradition hat der Gesetzgeber<br />
nunmehr aber aufgegeben. Er hat sich damit im Rahmen<br />
seiner Gestaltungsbefugnis gehalten. Denn der Gesetzgeber darf<br />
bei der Schaffung einfachgesetzlichen Rechts auch einfachgesetzliche<br />
„Traditionen“ ändern. Da die Wahl des Wohnsitzes<br />
eine private Entscheidung ist, ist es auch nicht sachwidrig, die<br />
Arbeitssphäre erst am „Werkstor“ beginnen zulassen.<br />
Angesichts der Härteregelung für Fernpendler ist die Neuregelung<br />
der Pendlerpauschale auch mit dem verfassungsrechtlich<br />
gebotenen Schutz von Ehe und Familie (Art. 6 Abs.1 GG) vereinbar.<br />
Die Sonderregelung für Fernpendler verletzt zudem nicht<br />
das Gebot der Folgerichtigkeit, da mit dieser Steuervergünstigung<br />
eine Härteregelung subventioniert wird. Diese Subvention<br />
ist lediglich „wie“ Werbungskosten zu behandeln und stellt<br />
damit keine Durchbrechung des Grundsatzes dar, dass die Aufwendungen<br />
für Wege zur Arbeit keine Werbungskosten mehr<br />
darstellen.<br />
Gleichwohl war das Verfahren im Streitfall vor dem Hintergrund<br />
des Vorlagebeschlusses des FG Niedersachsen vom 27.2.2007<br />
(Az.: 8 K 549/06) gemäß § 74 FGO bis zu einer abschließenden<br />
Entscheidung des BVerfG über die streitige Regelung auszusetzen.<br />
Linkhinweis:<br />
Für den auf den Webseiten des FG Köln veröffentlichten Volltext<br />
der Entscheidung klicken Sie bitte hier.<br />
In Ausnahmefällen kann auch bei nichtehelichen<br />
Lebensgemeinschaften eine doppelte<br />
Haushaltsführung anzuerkennen sein<br />
BFH 15.3.2007, VI R 31/05<br />
Die Rechtsprechung zur doppelten Haushaltsführung bei<br />
Personen, die anlässlich ihrer Heirat einen Familienhausstand<br />
begründen, kann zwar nicht generell auf nichteheliche<br />
Lebensgemeinschaften übertragen werden. Bei nichtehelichen<br />
Lebensgemeinschaften kann aber zumindest dann eine doppelte<br />
Haushaltsführung anzuerkennen sein, wenn die Partner an<br />
verschiedenen Orten arbeiten, dort wohnen und im zeitlichen<br />
Zusammenhang mit der Geburt eines gemeinsamen Kindes eine<br />
ihrer Wohnungen zur Familienwohnung machen.<br />
Der Sachverhalt:<br />
Der nicht verheiratete Kläger erzielte im Streitjahr 1998 Einkünfte<br />
aus nichtselbständiger Tätigkeit und wohnte und arbeitete<br />
in A. Seine Lebensgefährten L. wohnte und arbeitete ursprünglich<br />
in B. Im Oktober 1996 wurde die gemeinsame Tochter des<br />
Klägers und der L. geboren. L. blieb nach der Geburt zunächst<br />
mit dem Kind in B. wohnen und nahm Erziehungsurlaub in<br />
Anspruch. Im Juli 1997 bezog sie zusammen mit ihrer Tochter<br />
eine Wohnung in C.<br />
Der Kläger unterstützte L. und seine Tochter finanziell und fuhr<br />
zunächst nur an den Wochenenden regelmäßig nach C. Im Oktober<br />
des Streitjahres 1998 verlegte er seinen Hauptwohnsitz von<br />
A. nach C. und behielt seine Wohnung in A. als Zweitwohnsitz.<br />
In seiner Einkommensteuererklärung machte er für die Zeit vom<br />
1.10.1998 bis zum 31.12.1998 Mehraufwendungen für doppelte<br />
Haushaltsführung als Werbungskosten bei seinen Einkünften aus<br />
nichtselbständiger Arbeit geltend.<br />
Das Finanzamt lehnte die Anerkennung einer doppelten Haushaltsführung<br />
ab. Die hiergegen gerichtete Klage hatte vor dem<br />
FG teilweise Erfolg. Auf die Revision des Finanzamts hob der<br />
BFH die Vorentscheidung auf und wies die Klage ab.<br />
09/2007 <strong><strong>Anwalt</strong>swoche</strong> 16