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PSC 4-11 - FSP

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«Status-Scham ist in der<br />

Schweiz allgegenwärtig.»<br />

hat es der angehende Psychotherapeut<br />

erstmals mit PTSD-Betroffenen<br />

zu tun. Im Rahmen seiner Forschung<br />

begegnet Andreas Maercker anderen<br />

ehemaligen politisch Inhaftierten, aber<br />

auch Frauen, die in den Nachkriegstagen<br />

von russischen Soldaten vergewaltigt<br />

worden waren.<br />

Scham und Traumata<br />

Nicht zuletzt die ausgeprägten Schamgefühle<br />

von Gewaltopfern beschäftigen<br />

den seit 1999 praktizierenden Psychotherapeuten<br />

nachhaltig. So fühlen<br />

sich beispielsweise ehemalige politische<br />

Häftlinge, für ihn «per se Helden»,<br />

keineswegs als solche, sondern<br />

schämen sich für ihren Gefängnisaufenthalt.<br />

Bestimmte Rollenerwartungen<br />

gegenüber Traumaopfern, etwa<br />

dass Vergewaltigungsopfer als «beschmutzt»<br />

zu gelten haben, führen bei<br />

den Betroffenen häufig zu einem Verharren<br />

in der Symptomatik. Ebenso<br />

zeugen die öffentlich gemachten inneren<br />

Kämpfe einer Natascha Kampusch<br />

davon, welch verheerende Folgen<br />

die kulturelle Erwartung, ein<br />

Opfer solle «bitte schön still bleiben»,<br />

für die Betroffenen haben.<br />

Derartige Beobachtungen führten<br />

in der Traumaforschung zum sozialinterpersonellen<br />

Kontextmodell von<br />

PTSD. Therapeutisch wird diesen systemischen<br />

Aspekten u.a. mittels Exposition<br />

und Kommunikationstraining<br />

begegnet. Nach dem Aufbau<br />

einer tragenden therapeutischen Beziehung<br />

wird mit den Betroffenen für<br />

die Exposition möglichst ausführlich<br />

über die traumatisierenden Ereignisse<br />

gesprochen, respektive werden diese<br />

mittels Imagination intensiv nacherlebt<br />

und die Körperempfindungen<br />

und Gefühle vergegenwärtigt.<br />

Künftige Flashbacks werden dadurch<br />

emotional besser kontrollierbar und<br />

das Erlebte kann in ein positives<br />

Selbstbild integriert werden. Im Kommunikationstraining<br />

wird geübt, wie<br />

man anderen von seinem Trauma erzählen<br />

kann, ohne sich selbst und anderen<br />

Missempfindungen zu bereiten.<br />

Andreas Maercker, obwohl auch medizinisch<br />

geschult, findet methodisch<br />

bei den meisten Krankheitsbildern<br />

«gute Argumente für psychologische<br />

Psychotherapie als erste Wahl». Die<br />

Traumafolgestörungen, aber auch Depressionen,<br />

könne man günstigenfalls<br />

− gegen den Zeittrend der zunehmenden<br />

Medikamentenverschreibung −<br />

ganz ohne Pharmaka therapieren.<br />

Sein Renommee im Bereich PTSD<br />

führt Andreas Maercker nach Forschungsaufenthalten<br />

in Amerika, Kooperationsprojekten<br />

mit China und einer<br />

Professur in Trier schliesslich auf<br />

den heutigen Lehrstuhl.<br />

Schweizer Schamspezifitäten<br />

Hier befasst sich Andreas Maercker<br />

als Therapeut und Forscher u.a. mit<br />

den Symptomen alt gewordener ehemaliger<br />

Verdingkinder und mit Altersdepressionen.<br />

Ein aktuelleres<br />

Forschungsresultat aus der Schweiz<br />

erstaunt dabei auch ihn noch: «Anlässlich<br />

repräsentativer Studien in<br />

zahlreichen vergleichbaren Industrieländern<br />

war die Schweizer Population<br />

die einzige, in der kein einziger<br />

der älteren Befragten angab, sexuelle<br />

Gewalt erfahren zu haben.» Da dies<br />

nachweislich unmöglich ist, scheint<br />

hierzulande die Sexualscham einzigartig<br />

ausgeprägt zu sein.<br />

Relevant für das Entstehen von Altersdepressionen<br />

ist bei uns zudem<br />

eine biografische respektive die Status-Scham:<br />

«Der Vergleich mit anderen<br />

Lebensverläufen und dem, was<br />

andere scheinbar erreicht haben,<br />

ist allgegenwärtig.» Ein der Status-<br />

Scham verwandtes «Sich-verstecken-<br />

Wollen» trägt wohl zudem dazu bei,<br />

dass ältere Menschen nur selten Psychotherapie<br />

beanspruchen. Andreas<br />

Maercker, der sich künftig u.a. noch<br />

stärker für psychotherapeutische Zugänge<br />

zu Demenzkranken engagieren<br />

möchte, hält diesbezüglich einen<br />

allgemeinen Kulturwandel für<br />

möglich. «Dann wird es auch mit 85<br />

noch okay sein, mit Psychotherapeuten<br />

zu arbeiten.»<br />

Susanne Birrer<br />

Résumé<br />

Andreas Maercker est né en Allemagne<br />

de l’Est, où il passe son enfance<br />

et son adolescence. Pour<br />

des raisons politiques, il choisit les<br />

études de médecine au lieu de sa<br />

discipline de prédilection, la philosophie.<br />

Passionné par la psyché<br />

humaine, il suit en parallèle les<br />

cours de psychologie. Il achève ses<br />

études en 1986-1987 à Berlin-Est,<br />

où il travaille d’abord comme médecin-assistant<br />

dans une clinique<br />

psychiatrique.<br />

Fuite à l’Ouest<br />

Avant la réunification, il fuit Berlin-Est.<br />

A l’Ouest, il se tourne vers<br />

la profession de psychologue et<br />

consacre sa thèse à l’Institut Max-<br />

Planck à une recherche sur la sagesse<br />

chez les personnes âgées.<br />

Dans les années 90, sa formation<br />

en psychothérapie conduit Andreas<br />

Maercker à Dresde, où il mène des<br />

recherches sur les anciens détenus<br />

politiques et les victimes traumatisées<br />

par la guerre ou le viol.<br />

Recherche de pointe sur le PTSD<br />

Durant ses séjours en Amérique et<br />

plus tard en Chine, il approfondit<br />

notamment ses recherches personnelles<br />

dans le domaine du PTSD.<br />

En 2005, il est appelé à la chaire de<br />

psychopathologie et d’intervention<br />

clinique qu’il occupe aujourd’hui à<br />

l’Institut de psychologie de l’Université<br />

de Zurich. Il y consacre son activité<br />

quotidienne à parts égales à la<br />

recherche, l’enseignement, la thérapie<br />

ou la supervision et l’administration.<br />

Parmi ses étudiants, un groupe<br />

de projet s’intéresse à une nouvelle<br />

approche du Sense of coherence.<br />

La honte et ses conséquences<br />

Dans son travail, le Professeur<br />

Maercker est aussi constamment<br />

confronté aux effets psychologiques<br />

des sentiments de honte,<br />

qui compliquent notamment le processus<br />

de guérison des victimes<br />

de traumatismes et jouent un rôle<br />

dans l’apparition des dépressions<br />

liées à l’âge et dans les réticences<br />

vis-à-vis de la psychothérapie.<br />

A l’avenir, Andreas Maercker a l’intention<br />

d’intensifier encore ses recherches<br />

en psychothérapie sur le<br />

thème des démences débutantes.<br />

41<br />

PANORAMA<br />

PSYCHOSCOPE X-X/200X 4/20<strong>11</strong>

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