PSC 12-10 - FSP
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Psychotherapie international vernetzt<br />
22<br />
<strong>FSP</strong> AKTUELL<br />
PSYCHOSCOPE <strong>12</strong>/20<strong>10</strong><br />
Der Psychotherapieforscher Prof.Franz Caspar wurde<br />
im Juni zum Präsidenten der International Federation for<br />
Psychotherapy (IFP) gewählt. Im Psychoscope-Interview<br />
äussert sich der <strong>FSP</strong>-Psychologe zu methodischen und<br />
strategischen Fragen in dieser Funktion.<br />
Franz Caspar, seit der Gründung der IFP<br />
1934 durch C.G. Jung sind Sie der erste<br />
nichtärztliche Präsident der IFP: Welchen<br />
Stellenwert hat die nichtärztliche<br />
bzw. psychologische Psychotherapie innerhalb<br />
der IFP?<br />
DieGesellschafthiess früher International<br />
Federation forMedical<br />
Psychotherapy.Vieleshat sich seit<br />
1934 verändert.Dazugehört, dass<br />
diePsychologieals wissenschaftlich<br />
fundiertes Fach entstandenist,<br />
dass aktuelle psychotherapeutische<br />
Konzepte eine grossenteils psychologische<br />
Basishaben,dassPsychotherapieforscher<br />
grösstenteilsPsychologen,Therapeuten<br />
in Studien<br />
grösstenteilsnicht Ärztesind, dass<br />
international dasInteresse von<br />
Ärzten an Psychotherapierelativ zu<br />
medikamentöserBehandlungpsychischer<br />
Störungen undzuanderen,<br />
lukrativeren Bereichen derMedizin<br />
eherabnimmt.<br />
Hat dies Konsequenzen für die berufspolitische<br />
Ausrichtung der IFP?<br />
Berufspolitik istkeinZiel derIFP,<br />
wohl aber,einen Beitragdazuzuleisten,<br />
dass alle Berufsgruppenentsprechendihren<br />
Kompetenzenund Qualifikationen<br />
zumGesamtziel einer<br />
optimalen psychotherapeutischen<br />
Versorgung beitragen können. Ich<br />
sehe meine Wahl alsZeichen einer<br />
erfreulichen pragmatischen Haltung<br />
innerhalb der IFP: Wiekönnen<br />
wiralleambestenzur Erstarkung<br />
vonPsychotherapie beitragen,die ihr<br />
vonder Bedeutung psychischer Störungen<br />
undvon dernachweislichen<br />
Wirksamkeitguter Psychotherapie<br />
hergebührt?<br />
Psychotherapieist ja –mit grossen<br />
Unterschiedeniminternationalen<br />
Vergleich–immer noch einzartes<br />
Pflänzchen. Nicht, wasihreFundierung<br />
undWirksamkeitbetrifft, aber<br />
wasdie öffentlicheund politische Anerkennungihres<br />
Stellenwertes in der<br />
Versorgung betrifft.DiesimInteresse<br />
derbetroffenen Patientenzuverbessern<br />
muss eingemeinsames Anliegen<br />
allerPsychotherapeutensein.<br />
Viele Ärzte, mitdenen ichinder IFP<br />
gesprochen habe,sehendie Rollevon<br />
Psychologen nichtdurch dieberufspolitische<br />
Brille. Siesehenvor allem<br />
denmöglichen Beitraggegen eine<br />
einseitige Biologisierung psychischer<br />
Störungen.<br />
WelchenStellenwert ordnen Sie der IFP<br />
für die internationale Psychotherapie zu?<br />
DieIFP kann nichtallebestehendenProbleme<br />
lösen. Dafürgibtesja<br />
viele Fachverbände, unddie IFPist<br />
–abgesehenvon einer Anzahl individuellerMitglieder–vor<br />
allem Dachverband.Sie<br />
kann internationale<br />
Kontakte herstellen,den Austausch<br />
fördernund insbesondere auchhelfen,<br />
Psychotherapiedortzustärken,<br />
wo sieiminternationalen Vergleich<br />
schlechter dasteht.<br />
Sie vertreten eine pragmatisch-integrative<br />
Position (vgl. IFP-Newsletter 1/20<strong>10</strong>). Ist<br />
dies auch die Position der IFP oder gibt es<br />
hier eher –wie auch in der Schweizer Gesundheitspolitik<br />
–einen unumkehrbaren<br />
Trend hin zu naturwissenschaftlichen<br />
bzw. strikt «evidence-based» Methoden?<br />
Ichwerde sicher noch dazulernen<br />
müssen,wie dieIFP-Mitgliederdenken.<br />
Derzeitsehe ichein weites Spektrum<br />
an Positionen.<br />
Wenn manden sehr geringen Stellenwertvon<br />
Psychotherapieinden<br />
Herkunftsländern vielerIFP-Kollegen<br />
sieht, drängt sich eine pragmatisch-integrativeHaltung<br />
auf. In<br />
Chinagibteseinelange psychotherapeutischeTradition<br />
mitLinien direkt<br />
zu Freud.Andererseitsstandennoch<br />
vorkurzemrund200 zertifizierte<br />
Psychotherapeuten 1,4Milliarden<br />
Menschen gegenüber.Nachgrossen<br />
Katastrophen wurden auch schlecht<br />
ausgebildete Psychotherapeuten/Beratereingesetzt,<br />
diedem Rufehergeschadethaben.<br />
Da warten Aufgaben,<br />
dieganzsichernur miteiner pragmatischen<br />
Haltungangegangen werden<br />
können.<br />
Die1:1-Übertragung einermethodischengen<br />
Evidenzverbietet sich<br />
zudemalleinschondeshalb,weilEvidenz<br />
ausrandomisiertenkontrolliertenStudien<br />
nurdannunmittelbarrelevant<br />
ist, wennPatientenund<br />
Rahmenbedingungen denjenigen in<br />
denStudien entsprechen.<br />
Wasdie integrativeHaltung betrifft:<br />
DieAntwortauf dieAufgabenfür<br />
Psychotherapiekannnicht eineinzigeshochgezüchtetes<br />
Angebotsein.<br />
WirbrauchenKonzepteund Ideen<br />
ausmehrerenpsychotherapeutischen<br />
undmethodischen Ansätzen,aber<br />
auchaus Grundlagen-und Nachbarwissenschaften.<br />
Auch langfristigwerdenGeistes-und<br />
Naturwissenschaftenbeideihren<br />
Stellenwert<br />
haben. Dieunumgänglichen empirischen<br />
Fragen wie: «Und wasnützt