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PSC 5-12 - FSP

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8<br />

DOSSIER: Frühgeburt<br />

PSYCHOSCOPE 5/20<strong>12</strong><br />

Schwieriger Start<br />

ins Leben<br />

Wie eine Frühgeburt das Kind beeinflusst<br />

Ein paar Wochen zu früh zur Welt zu<br />

kommen, kann enorme Folgen haben.<br />

Neurologische Veränderungen bringen<br />

kognitive, emotionale und Verhaltensdefizite<br />

mit sich. Die Fachpsychologin für<br />

Psychotherapie <strong>FSP</strong> Margarete Bolten<br />

skizziert die komplexen Auswirkungen<br />

einer zu frühen Geburt.<br />

Etwa jedes zehnte Kind kommt in der Schweiz zu<br />

früh zur Welt, also vor der vollendeten 37. Schwangerschaftswoche<br />

(SSW). Durch die Fortschritte der Intensivmedizin<br />

können immer kleinere und unreifere Babys<br />

überleben – doch betroffene Kinder zahlen einen hohen<br />

Preis. Bei den extrem kleinen Frühgeborenen, mit<br />

einem Geburtsgewicht von weniger als 1000 Gramm,<br />

überlebt nur eine Minderheit ohne Beeinträchtigungen.<br />

Bei vier von fünf Kindern, die vor der 26. Schwangerschaftswoche<br />

zur Welt kamen, wurden im Alter von<br />

sechs Jahren Schädigungen nachgewiesen, die eindeutig<br />

mit der Frühgeburt im Zusammenhang standen.<br />

Im Rahmen einer durch die Medizinische Hochschule<br />

Hannover in den Jahren 2004 bis 2006 durchgeführten<br />

Längsschnittstudie zeigte sich, dass sich nur<br />

48 Prozent der untersuchten Extremfrühchen bis zum<br />

zehnten Lebensjahr normal entwickelt hatten. Bei 36<br />

Prozent der Kinder wurden Entwicklungsdefizite oder<br />

ausgeprägte Teilleistungsstörungen beobachtet, 14 Prozent<br />

waren sogar geistig behindert.<br />

Aber auch sogenannte «späte Frühchen», welche zwischen<br />

der 34. und 37. SSW geboren werden, haben<br />

ein um 30 Prozent höheres Risiko für Entwicklungsverzögerungen<br />

als reif geborene Kinder. Entscheidend<br />

für die Prognose der Entwicklung von Frühgeborenen<br />

ist deren Gewicht. Frühgeborene Kinder mit einem<br />

Geburtsgewicht von weniger als 1500 Gramm haben<br />

ein zehnmal so hohes Risiko, neurologische Schäden<br />

davonzutragen, als Frühchen mit einem Gewicht von<br />

über 2500 Gramm.<br />

Während die Inzidenz von gravierenden Behinderungen<br />

wie Cerebralparesen (Bewegungsstörungen, deren<br />

Ursache eine frühkindliche Hirnschädigung ist), mentalen<br />

Retardierungen, Taubheit oder Blindheit relativ<br />

niedrig ist, mehren sich die Hinweise, dass geringfügigere<br />

Schädigungen wie zum Beispiel neurokognitive<br />

Defizite, Lern- oder Verhaltensstörungen und Entwicklungsverzögerungen<br />

deutlich häufiger auftreten.<br />

Neurologische Defizite<br />

Zwischen der 24. und 40. Schwangerschaftswoche vervierfacht<br />

das Gehirn eines Fötus sein Gewicht. Entsprechend<br />

ist das Gehirn eines Frühgeborenen kleiner<br />

und weniger ausgereift. So erreicht beispielsweise der<br />

Cortex eines extrem kleinen Frühgeborenen gerade einmal<br />

60 Prozent des normalen Faltungsgrades. Auch die<br />

Hirnmasse ist bei Geburt deutlich verringert. Postnatal<br />

entwickelt sich das Gehirn dieser Kinder ebenfalls anders,<br />

und dieser Aufbau scheint bei einem Teil der Kinder<br />

ausserdem kaum mehr aufholbar zu sein.<br />

Solche neurologischen Defizite können zu Behinderungen<br />

wie Cerebralparesen, Koordinationsstörungen,<br />

Konzentrationsschwierigkeiten, Sprachproblemen und<br />

Lernschwierigkeiten führen. Geringe Hirnschädigungen<br />

werden anfangs oft gar nicht wahrgenommen, können<br />

sich später aber in emotionalen, kognitiven und sozialen<br />

Schwierigkeiten manifestieren.<br />

Leistungsprobleme<br />

In der EPICure-Studie, welche alle im Jahr 1995 vor<br />

der 26. SSW in Grossbritannien und Irland geborenen<br />

Kinder untersuchte, zeigten rund 16 Prozent der untersuchten<br />

Sechsjährigen schwere Beeinträchtigungen in<br />

der Sprache. Etwa 40 Prozent der extrem kleinen Frühgeborenen<br />

wiesen im Alter von elf Jahren Lernbehinderungen<br />

auf – demgegenüber nur ein Prozent der gesunden<br />

Termingeborenen. 13 Prozent der extrem kleinen<br />

Frühgeborenen besuchten eine Sonderschule.<br />

Dabei scheinen vor allen Dingen die sogenannten exekutiven<br />

Funktionen beeinträchtigt zu sein. Das heisst,<br />

dass Frühgeborene häufiger Schwierigkeiten mit komplexen<br />

Aufgaben haben, welche eine simultane Informationsverarbeitung<br />

erfordern. So fand die Arbeitsgruppe<br />

um den Psychologen Dieter Wolke von der<br />

University of Warwick (Grossbritannien) im Jahr 2008

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