PSC 5-12 - FSP
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5<br />
um die Gesundheit des Kindes, Gefühle einer «nicht<br />
vollendeten Schwangerschaft» und anderes mehr<br />
können das psychische Gleichgewicht noch Wochen<br />
nach der Geburt oder länger beeinträchtigen. Oftmals<br />
kommt es auch bereits vor der Geburt zu Komplikationen<br />
in der Schwangerschaft, etwa zu vorzeitigen Wehen,<br />
begleitet von Ängsten und Verunsicherung.<br />
Psychosoziale Faktoren<br />
Zirka 20 bis 30 Prozent aller Frühgeburten (FG) werden<br />
aus medizinischen Gründen vom Arzt oder von der<br />
Ärztin ausgelöst, beispielsweise aufgrund einer Mangelversorgung<br />
des Kindes oder einer intrauterinen Druckzunahme<br />
bei Mehrlingen. Spontane Frühgeburten auf<br />
der anderen Seite sind entweder Folge eines vorzeitigen<br />
Blasensprungs (zirka 30 Prozent aller FG) oder werden<br />
durch vorzeitige Wehen ausgelöst (etwa bei 40 bis 45<br />
Prozent aller Fälle). Für Letzteres fassten der amerikanische<br />
Pädiater Richard Behrmann und die Psychologin<br />
Adrienne Butler vom Institute of Medicine (Washington,<br />
D.C.) im Jahr 2007 die bisher identifizierten<br />
verhaltensbezogenen und psychosozialen Risikofaktoren<br />
zusammen.<br />
Auf Verhaltensebene stehen Rauchen, Alkohol- und<br />
Drogenkonsum sowie Mangelernährung während der<br />
Schwangerschaft mit einem erhöhten Risiko einer FG<br />
im Zusammenhang. Auch eine grössere psychische Belastung<br />
geht häufig damit einher, besonders wenn das<br />
Coping maladaptiv ist. Während früher auch Berufstätigkeit<br />
als Risikofaktor zählte, geht man heute von<br />
einem Einfluss bestimmter Arbeitsbedingungen aus,<br />
zum Beispiel von langen Arbeitszeiten, hohem Stress<br />
oder körperlicher Belastung (stehen, laufen, tragen).<br />
Auf der sozialen Ebene wird ein tiefer sozioökonomischer<br />
Status mit einem erhöhten Risiko für eine FG<br />
assoziiert. Dies kann unter anderem damit zusammenhängen,<br />
dass sich Frauen mit tiefem sozioökonomischem<br />
Status vermehrt mit chronischen Stressoren<br />
konfrontiert sehen. Soziale Unterstützung auf der anderen<br />
Seite gilt als protektiver Faktor für den Schwangerschaftsverlauf,<br />
insbesondere aber für das fötale<br />
Wachstum und das Geburtsgewicht des Kindes.<br />
Auf psychologischer Ebene sind Ängste, Sorgen und<br />
Stress in Bezug auf die Schwangerschaft ein weiterer<br />
wichtiger Risikofaktor einer FG. So zeigte zum Beispiel<br />
das Forscherteam um die Epidemiologin Sue zanne<br />
Orr von der East Carolina University ein erhöhtes FG-<br />
Risiko bei Frauen mit starken schwangerschaftsspezifischen<br />
Ängsten. Ebenso lässt die Metaanalyse der<br />
Philosophin und Psychologin Nancy Grote von der<br />
University of Washington und Kollegen aus dem Jahr<br />
2010 annehmen, dass eine Depression das Risiko einer<br />
Frühgeburt steigert. Dagegen sind die Befunde zum<br />
Zusammenhang zwischen stabilen Persönlichkeitszügen<br />
und FG bisher widersprüchlich.<br />
Komplexe Wechselwirkungen<br />
Die dem Zusammenspiel dieser psychosozialen Risikofaktoren<br />
und den daraus resultierenden Auswirkungen<br />
auf den Schwangerschaftsverlauf zugrunde liegenden<br />
Mechanismen sind nicht vollständig geklärt. In den<br />
letzten Jahren mehren sich aber Befunde, die auf einen<br />
Einfluss psychoendokriner Faktoren im Rahmen der<br />
mütterlichen Stressreaktion auf die Funktion der Plazenta<br />
und den fötalen Kreislauf hinweisen. Demnach<br />
kann chronischer psychosozialer Stress physiologische<br />
Mechanismen aktivieren, welche auf die maternal-plazentär-fötale<br />
Einheit einwirken und verfrüht Kontraktionen<br />
auslösen beziehungsweise den Geburtsprozess<br />
initiieren.<br />
In der Abbildung (siehe S. 6) sind diese hypothetischen<br />
Zusammenhänge grafisch dargestellt: Durch die<br />
chronische Stressbelastung werden die beiden Stresssysteme<br />
(HHNA-Achse und SAM-System) der Mutter<br />
aktiviert. Dadurch werden neuroendokrine, immunologische<br />
und Verhaltensprozesse in Gang gesetzt, welche<br />
den Geburtsprozess auslösen beziehungsweise zu<br />
vorzeitigen Wehen führen können. Das Modell verdeutlicht<br />
neben den physiologischen Prozessen auch<br />
die Bedeutung von Lebensstilfaktoren, die im Zusammenhang<br />
mit einer erhöhten Stressbelastung stehen<br />
können (zum Beispiel Rauchen oder eine veränderte<br />
Ernährung). Wenn die Schwangere vorzeitige Wehen<br />
erlebt, kann das Wissen um die drohende Frühgeburt<br />
wiederum zusätzliche Ängste hervorrufen, und die erlebte<br />
Belastung vergrössert sich zunehmend.