PSC 5-12 - FSP
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DOSSIER: Frühgeburt<br />
PSYCHOSCOPE 5/20<strong>12</strong><br />
Verhaltensstörungen<br />
Bedingt durch die Defizite in den exekutiven Funktionen<br />
und den damit einhergehenden Schwierigkeiten<br />
bei der simultanen Informationsverarbeitung, haben<br />
die Kinder häufiger Verhaltensschwierigkeiten, sowohl<br />
aus dem internalisierenden (beispielsweise Ängste)<br />
als auch dem externalisierenden Spektrum (etwa<br />
ADHS). Frühgeborene Kinder sind viermal so häufig<br />
sehr ängstlich als termingeborene. Auch hier könnten<br />
Schwierigkeiten mit der gleichzeitigen Verarbeitung<br />
verschiedener Informationen eine wichtige Rolle<br />
spielen. Den Kindern fällt es ausserdem schwer, Emotionen<br />
zu ergründen und eine problemorientierte Lösung<br />
zu finden. Dies wird unter anderem auch als ein<br />
Grund für das häufigere Auftreten von Depressionen<br />
bei Frühgeborenen angesehen, sowohl im Kindes- und<br />
Jugendalter als auch bei Erwachsenen.<br />
Wie schon erwähnt, können auch die Aufmerksamkeitsleistungen<br />
beeinträchtigt sein. Entsprechend sind diese<br />
Kinder auch deutlich häufiger von ADHS und ADS betroffen.<br />
So machen der amerikanische Pädiater Adnan<br />
Bhutta und Kollegen in ihrer Metaanalyse aus dem Jahr<br />
2002 deutlich, dass zu früh geborene Kinder ein mehr als<br />
2,5-fach erhöhtes Risiko für ein ADHS haben. Unabhängig<br />
vom kognitiven Entwicklungsstand zeigten Frühgeborene<br />
im Vergleich zu ihren reifgeborenen Altersgenossen<br />
langsamere Leistungsgeschwindigkeiten mit einer<br />
höheren Variabilität. Sie brauchten also für das Lösen der<br />
Aufgaben deutlich länger und machten mehr Fehler.<br />
Soziale Probleme<br />
Wie ein Team um die Physiotherapie-Forscherin Alicia<br />
Spittle von der University of Melbourne 2009 berichtete,<br />
manifestieren sich die Defizite im Bereich der exekutiven<br />
Funktionen bei Frühgeborenen auch im Sozialverhalten.<br />
Frühchen haben häufiger Probleme mit<br />
Gleichaltrigen – denn in Gruppen wird oft auf mehreren<br />
Ebenen kommuniziert, verschiedenste Reize müssen<br />
gleichzeitig verarbeitet und integriert werden.<br />
Acht Prozent der frühgeborenen Kinder leiden an einer<br />
Störung aus dem autistischen Spektrum, welche<br />
ebenfalls mit neurokognitiven Defiziten assoziiert sind.<br />
Gegenüber Normstichproben war die Rate sowohl in<br />
der EPICure-Studie als auch in der Hannoverschen<br />
Frühgeborenen-Langzeitstudie erhöht. Die betroffenen<br />
Frühchen leiden fast ausschliesslich unter der schweren<br />
Form des Autismus, dem frühkindlichen Autismus.<br />
Häufig können diese Kinder sozial nur unzureichend<br />
kommunizieren, fallen durch Rituale und Manierismen<br />
auf und sind tiefgreifend in ihrer kognitiven und sozialen<br />
Entwicklung gestört.<br />
Bindungsstörungen<br />
Die kognitiven Probleme und die Schwierigkeiten der<br />
simultanen Informationsverarbeitung können sich auch<br />
ungünstig auf die Bindungsentwicklung der Kinder<br />
auswirken. So konnten verschiedene Studien zeigen,<br />
dass unsichere und sogar desorganisierte Bindungsstile<br />
bei Frühgeborenen häufiger auftreten. Dabei entwi-<br />
Problembereich Frühgeborene (SSW < 37 und/oder Geburtsgewicht < 2500 g)<br />
Neuro-kognitive<br />
Entwicklung<br />
Soziale Entwicklung<br />
Verhaltensauffälligkeiten<br />
Defizite in den exekutiven Funktionen:<br />
– Arbeitsgedächtnis<br />
– Aufmerksamkeitssteuerung<br />
– Aufgabenmanagement<br />
– Handlungskontrolle (Planung, Überwachung und Ausführung komplexer Handlungen)<br />
– Problemlösefähigkeit<br />
– Steuerung von Motivation und Emotion<br />
Entwicklungsverzögerungen:<br />
– Sprachprobleme<br />
– Motorische Defizite<br />
Lernstörungen:<br />
– Konzentrationsstörungen<br />
– Teilleistungsstörungen (Dyslexie, Legasthenie, Dyskalkulie)<br />
Peer-Probleme<br />
Tiefgreifende Entwicklungsstörungen<br />
Autismusspektrumsstörungen<br />
Unsichere/desorganisierte Bindungsstile<br />
Externalisierende Störungen<br />
– ADS<br />
– ADHS<br />
Internalisierende Störungen<br />
– Angststörungen<br />
– Depressionen