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Gigantisches Skrotal- und Beinlymphödem - Prof-wendt.de

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KASUISTIK<br />

<strong>Gigantisches</strong> <strong>Skrotal</strong>- <strong>und</strong><br />

Beinlymphö<strong>de</strong>m<br />

Eine Kasuistik<br />

U. Herpertz<br />

Lymphologische Abteilung (Ö<strong>de</strong>mklinik) <strong>de</strong>s Reha-Zentrums Bad Nauheim <strong>de</strong>r<br />

Deutschen Rentenversicherung (Ärztlicher Leiter: <strong>Prof</strong>. Dr. Th. Wendt)<br />

Zusammenfassung<br />

Es wird <strong>de</strong>r Fall eines 21-jährigen Afrikaners aus Nigeria mit primären gigantischen<br />

Lymphö<strong>de</strong>men <strong>de</strong>r Beine <strong>und</strong> <strong>de</strong>s Skrotums geschil<strong>de</strong>rt,<strong>de</strong>r über das Internet weltweit<br />

eine Therapiemöglichkeit suchte <strong>und</strong> sie in Deutschland fand. Das Management<br />

<strong>de</strong>r Therapie dieser riesigen Ö<strong>de</strong>me <strong>und</strong> die Möglichkeiten <strong>de</strong>r anschließen<strong>de</strong>n<br />

Behandlung im Heimatland wer<strong>de</strong>n aufgezeigt.<br />

Schlüsselwörter: gigantisches primäres Lymphö<strong>de</strong>m,Elephantiasis,physikalische<br />

Ö<strong>de</strong>mtherapie, Ö<strong>de</strong>mklinik<br />

Summary<br />

The case of a 21-year-old African male from Nigeria with a gigantic primary lymphe<strong>de</strong>ma<br />

of both legs and the scrotum is <strong>de</strong>scribed. The patient searched the internet<br />

worldwi<strong>de</strong> for an a<strong>de</strong>quate treatment and finally fo<strong>und</strong> a specialized clinic in Germany.<br />

The management of a gigantic e<strong>de</strong>ma and follow-up treatment possibilities<br />

after returning home are discussed.<br />

Key words: gigantic primary lymphe<strong>de</strong>ma,elephantiasis,physical e<strong>de</strong>ma treatment,<br />

e<strong>de</strong>ma clinic<br />

Ein 21-jähriger Afrikaner aus Nigeria mit<br />

primären gigantischen Lymphö<strong>de</strong>men <strong>de</strong>r<br />

Beine <strong>und</strong> <strong>de</strong>s Skrotums hatte über das<br />

Internet weltweit eine Therapiemöglichkeit<br />

gesucht <strong>und</strong> sie in Deutschland gef<strong>und</strong>en.<br />

Sein Fall soll im Folgen<strong>de</strong>n geschil<strong>de</strong>rt<br />

wer<strong>de</strong>n.<br />

Vorgeschichte<br />

In <strong>de</strong>r Familie <strong>de</strong>s Patienten sind bisher<br />

keinerlei Lymphö<strong>de</strong>me aufgetreten. Seine<br />

Eltern, fünf Geschwister, Großeltern sowie<br />

Onkel <strong>und</strong> Tanten seien alle lymphges<strong>und</strong>.<br />

Die Beinlymphö<strong>de</strong>me entwickelten<br />

sich spontan mit acht Jahren <strong>und</strong> verschlechterten<br />

sich rasant seit <strong>de</strong>m 16. Lebensjahr.<br />

Die letzten Schuljahre waren für<br />

ihn schon sehr belastend, da ihm das Laufen<br />

zunehmend schwer fiel. Nach <strong>de</strong>m Abitur<br />

wollte er Jura studieren, was dann aber<br />

nicht mehr möglich war, da er <strong>de</strong>n Weg zur<br />

Universität nicht mehr schaffte. So blieb er<br />

die letzten zwei Jahre nur noch daheim bei<br />

seinen Eltern, einem Geschäftsmann <strong>und</strong><br />

einer Lehrerin.<br />

Die Konsultationen in <strong>de</strong>n heimatlichen<br />

Kliniken hatten bereits die richtige Diagnose<br />

eines primären Lymphö<strong>de</strong>ms ergeben.<br />

Eine therapeutische Möglichkeit wur<strong>de</strong><br />

nur operativ gesehen, aber wegen <strong>de</strong>r<br />

extremen Aus<strong>de</strong>hnung <strong>de</strong>r Ö<strong>de</strong>me nicht<br />

durchgeführt. Eine physikalische Behandlung<br />

von Lymphö<strong>de</strong>men ist dort nicht bekannt.<br />

Der Weg in die <strong>de</strong>utsche<br />

Klinik<br />

Abb. 1<br />

Zu Hause zur Untätigkeit verurteilt, suchte<br />

<strong>de</strong>r Patient im Internet nach Therapiemöglichkeiten<br />

<strong>und</strong> fand nach monatelangem<br />

Suchen heraus, dass es in Deutschland<br />

weltweit die einzigen Ö<strong>de</strong>mkliniken gibt.<br />

So erhielten wir im Februar 2006 eine E-<br />

Mail-Anfrage mit angehängten Fotos, ob<br />

wir eine »Elephantiasis« behan<strong>de</strong>ln könnten.<br />

Da wir dies bejahten, beantragte <strong>de</strong>r<br />

Patient ein Visum für eine Behandlung in<br />

Deutschland. Die <strong>de</strong>utsche Botschaft verlangte<br />

eine Bestätigung <strong>de</strong>r Behandlungsfähigkeit<br />

dieses Krankheitsbil<strong>de</strong>s in unserer<br />

Klinik <strong>und</strong> fragte nach <strong>de</strong>r<br />

voraussichtlichen Behandlungsdauer. Die<br />

voraussichtlichen Behandlungskosten<br />

mussten vor Ausstellung <strong>de</strong>s Visums per<br />

Überweisung bezahlt wer<strong>de</strong>n. Angesichts<br />

<strong>de</strong>r zahlreichen Formalitäten ist es nicht<br />

verw<strong>und</strong>erlich, dass <strong>de</strong>r Patient erst im August<br />

2006 in Deutschland eintraf. Für <strong>de</strong>n<br />

jungen Mann aus Nigeria, <strong>de</strong>r noch nie im<br />

Ausland gewesen war <strong>und</strong> auch nicht wusste,<br />

was ihn hier erwartete, sicher eine Reise<br />

mit sehr gemischten Gefühlen.<br />

Beschwer<strong>de</strong>n bei Ankunft<br />

<strong>und</strong> Untersuchungsbef<strong>und</strong><br />

Es fiel als erstes auf, dass <strong>de</strong>r Patient kaum<br />

gehen <strong>und</strong> nicht treppensteigen konnte. Ursache<br />

waren riesige Lymphsäcke an <strong>de</strong>n<br />

Oberschenkeln, die beim Gehen reibend<br />

aneinan<strong>de</strong>r vorbei bewegt wer<strong>de</strong>n muss-<br />

LymphForsch 11 (1) 2007; 51–55 51


KASUISTIK<br />

<strong>Gigantisches</strong> <strong>Skrotal</strong>- <strong>und</strong> Beinlymphö<strong>de</strong>m<br />

Abb. 2<br />

ten. Je<strong>de</strong>r Lymphsack enthielt etwa 15 Liter<br />

Flüssigkeit. Der Patient konnte die Ö<strong>de</strong>me<br />

gut unter seiner lan<strong>de</strong>stypischen Kleidung<br />

verbergen, die aus einem weiten,<br />

bo<strong>de</strong>nlangen Gewand besteht. Hosen o<strong>de</strong>r<br />

Unterhosen zu tragen, war ihm nicht möglich.<br />

Wegen <strong>de</strong>r gewaltigen Fußschwellungen<br />

konnte er nur offene Sandalen tragen.<br />

Die maximale Gehstrecke betrug circa<br />

100 Meter, die er nur ganz langsam <strong>und</strong><br />

breitbeinig zurücklegen konnte.<br />

An Beschwer<strong>de</strong>n klagte er nur über die<br />

Gehbehin<strong>de</strong>rung <strong>und</strong> über zeitweilige<br />

Unterbauchschmerzen seit einem Jahr.<br />

Spannungsschmerzen in <strong>de</strong>n Beinen wur<strong>de</strong>n<br />

verneint.<br />

Die Untersuchung ergab bei <strong>de</strong>m gering<br />

adipösen jungen Mann (178 cm, 179 kg)<br />

gigantische Beinlymphö<strong>de</strong>me. Der Oberschenkelumfang<br />

war rechts 126 cm, links<br />

117 cm. Die Wa<strong>de</strong>numfänge betrugen<br />

beidseits je 79 cm, <strong>de</strong>r Fesselumfang rechts<br />

64 <strong>und</strong> links 62 cm, <strong>de</strong>r Fußumfang rechts<br />

46 <strong>und</strong> links 42 cm (Abb. 1, 2). An <strong>de</strong>n kaudalen<br />

Polen <strong>de</strong>r Lymphsäcke (Abb. 3) sowie<br />

am rechten Unterschenkel vorne (Abb.<br />

4) <strong>und</strong> im Sprunggelenksbereich links vorne<br />

fan<strong>de</strong>n sich superinfizierte Ulzerationen.<br />

Am linken Unterschenkel fand sich<br />

ventral eine ausgeprägte Papillomatosis<br />

lymphostatica <strong>und</strong> lateral eine ausge<strong>de</strong>hnte<br />

superinfizierte Mykose<br />

von 35 x 15 cm<br />

(Abb. 5). Die Haut <strong>de</strong>r<br />

Unterschenkel war<br />

stark verdickt (Pachy<strong>de</strong>rmie)<br />

<strong>und</strong> völlig<br />

ausgetrocknet. An<br />

<strong>de</strong>n Zehen fand sich<br />

eine diffuse Papillomatosis<br />

<strong>und</strong> eine<br />

Interdigitalmykose.<br />

Das Skrotum war<br />

mit einer Höhe von 23<br />

cm, einer Breite von Abb. 3<br />

16 cm <strong>und</strong> einem Umfang<br />

von 53 cm ebenfalls<br />

gigantisch verdickt. Dadurch war <strong>de</strong>r<br />

Penis nicht sichtbar (Abb. 1). Rumpf, Kopf<br />

<strong>und</strong> Arme waren ö<strong>de</strong>mfrei. Das Ö<strong>de</strong>mvolumen<br />

<strong>de</strong>r Beine wur<strong>de</strong> auf 70 bis 80 Liter<br />

geschätzt.<br />

Diagnostik<br />

Eine sek<strong>und</strong>äre Ursache für die Lymphö<strong>de</strong>me<br />

konnte ausgeschlossen wer<strong>de</strong>n, da<br />

es in <strong>de</strong>r Vorgeschichte keinen Unfall, keine<br />

Operation <strong>und</strong> keine Infektion gegeben<br />

hat. Eine kindliche Schnittverletzung am<br />

Rumpf links vorne war nur oberflächlich<br />

gewesen <strong>und</strong> kam als Ursache für die<br />

Abb. 4 Abb. 5<br />

Lymphabflussbehin<strong>de</strong>rungen <strong>de</strong>r Beine<br />

nicht infrage. Der Lymphabfluss <strong>de</strong>r Beine<br />

<strong>und</strong> <strong>de</strong>s Genitals verläuft bekanntermaßen<br />

von <strong>de</strong>n Leistenlymphknoten (Lymphknoten<br />

= LK) zu <strong>de</strong>n Becken-LK (iliacale LK)<br />

dorsal im Becken <strong>und</strong> dann zu <strong>de</strong>n lumbalen<br />

LK vor <strong>de</strong>r Wirbelsäule. – Die abdominelle<br />

Sonographie ergab keinen Hinweis<br />

auf einen Tumor o<strong>de</strong>r LK-Vergrößerungen<br />

im Bauch-Beckenbereich. Eine<br />

Echokardiographie zeigte keinen pathologischen<br />

Bef<strong>und</strong>.<br />

Die Blutuntersuchungen ergaben eine<br />

leichte Hypercholesterinämie <strong>und</strong> eine latente<br />

Hypothyreose (Substitution hier be-<br />

52 LymphForsch 11 (1) 2007; 51–55


<strong>Gigantisches</strong> <strong>Skrotal</strong>- <strong>und</strong> Beinlymphö<strong>de</strong>m<br />

KASUISTIK<br />

Abb. 6<br />

Abb. 7<br />

gonnen). Ein Befall mit Filarien, Trypanosomen,<br />

Schistosomen <strong>und</strong> Amöben konnte<br />

ausgeschlossen wer<strong>de</strong>n. Die Abstriche<br />

von <strong>de</strong>n W<strong>und</strong>en ergaben Epi<strong>de</strong>rmophyten<br />

sowie Pseudomonas <strong>und</strong> Proteus. Die Blutsenkungsgeschwindigkeit<br />

(BSG) war mit<br />

70/80 mm n. W. (nach Westergreen) <strong>de</strong>utlich<br />

erhöht, das C-reaktive Protein war<br />

grenzwertig, die Leukozytenzahl normal.<br />

Früher lautete <strong>de</strong>r Diagnosebegriff für<br />

so gigantische Lymphö<strong>de</strong>me üblicherweise<br />

»Elephantiasis«. Dieser Ausdruck<br />

ist aber wissenschaftlich nicht korrekt, da<br />

er keine ein<strong>de</strong>utige Diagnose, son<strong>de</strong>rn nur<br />

ein Symptom einer Erkrankung mit riesiger<br />

Gewebsvermehrung bezeichnet.<br />

Therapie<br />

Als physikalische Therapie <strong>de</strong>r Ö<strong>de</strong>me bekam<br />

<strong>de</strong>r Patient täglich zwei St<strong>und</strong>en manuelle<br />

Lymphdrainage (MLD), auch am<br />

Wochenen<strong>de</strong>. Nach <strong>de</strong>r Abflussbehandlung<br />

supraclavikulär, <strong>de</strong>n Atemübungen<br />

zur Aktivierung <strong>de</strong>r Ductus-thoracicus-<br />

Strömung <strong>und</strong> <strong>de</strong>r Bauchtiefdrainage zur<br />

Verbesserung <strong>de</strong>s Abflusses in <strong>de</strong>n iliacalen<br />

<strong>und</strong> lumbalen Lymphgefäßen wur<strong>de</strong><br />

auch von <strong>de</strong>n Leisten zu <strong>de</strong>n Achseln drainiert.<br />

Zuerst waren Lymphdrainagegriffe an<br />

<strong>de</strong>n Beinen aufgr<strong>und</strong> <strong>de</strong>r sehr prallen <strong>und</strong><br />

verdickten Haut kaum anwendbar, sodass<br />

Ö<strong>de</strong>mgriffe völlig im Vor<strong>de</strong>rgr<strong>und</strong> stan<strong>de</strong>n.<br />

Mit zunehmen<strong>de</strong>m Weicherwer<strong>de</strong>n<br />

<strong>de</strong>r Haut waren später auch die sanften<br />

Lymphdrainagegriffe möglich. Sie machten<br />

aber nie mehr als 25 % <strong>de</strong>r Behandlungszeit<br />

aus. Die Ö<strong>de</strong>mgriffe mussten mit<br />

sehr kräftigem Druck durchgeführt wer<strong>de</strong>n,<br />

was <strong>de</strong>m Patienten jedoch keinerlei<br />

Schmerzen bereitete.<br />

Abb. 8 Abb. 9 Abb. 10<br />

LymphForsch 11 (1) 2007; 51–55 53


KASUISTIK<br />

<strong>Gigantisches</strong> <strong>Skrotal</strong>- <strong>und</strong> Beinlymphö<strong>de</strong>m<br />

In <strong>de</strong>n ersten Tagen wur<strong>de</strong>n nur die<br />

Unterschenkel, danach die gesamten Beine<br />

bandagiert. Teilweise wur<strong>de</strong> auch das<br />

Skrotum gewickelt. In die tiefen Hautfalten<br />

wur<strong>de</strong> Schaumstoff eingelegt, damit<br />

keine Einschnürungen durch die Bandagen<br />

entstan<strong>de</strong>n. Die nicht zu strammen Kurzzugbin<strong>de</strong>n<br />

wur<strong>de</strong>n mit Langzugbin<strong>de</strong>n<br />

überwickelt. Nachts wur<strong>de</strong>n nur die Kurzzugbin<strong>de</strong>n<br />

belassen.<br />

Schon nach wenigen Tagen führten wir<br />

vor je<strong>de</strong>r MLD eine apparative intermittieren<strong>de</strong><br />

Kompression (AIK) mit Drücken<br />

von bis zu 100 mmHg über circa eine St<strong>und</strong>e<br />

durch. Dazu mussten anfangs zwei Stiefelerweiterungen<br />

beidseits eingezogen<br />

wer<strong>de</strong>n. Diese konnten mit zunehmen<strong>de</strong>r<br />

Ö<strong>de</strong>mabnahme nacheinan<strong>de</strong>r entfernt wer<strong>de</strong>n<br />

<strong>und</strong> waren zuletzt nicht mehr nötig.<br />

Auch während <strong>de</strong>r zweistündigen MLD<br />

wur<strong>de</strong> jeweils ein Bein durch einen Kompressionsstiefel<br />

apparativ komprimiert,<br />

während das an<strong>de</strong>re Bein manuell behan<strong>de</strong>lt<br />

wur<strong>de</strong> (Abb. 6). In <strong>de</strong>n letzten Wochen<br />

passte <strong>de</strong>r Patient sogar in eine apparative<br />

Kompressionshose, wodurch das Genital<br />

in die Kompressionstherapie mit einbezogen<br />

wur<strong>de</strong> (Abb. 7).<br />

Die W<strong>und</strong>versorgung bestand in täglichem<br />

Verbandswechsel mit Desinfektion<br />

<strong>de</strong>r W<strong>und</strong>en, Auflage einer Fettgaze <strong>und</strong><br />

sterilem Verband. Die ausge<strong>de</strong>hnte Mykose<br />

am linken Unterschenkel lateral <strong>und</strong><br />

interdigital beidseits wur<strong>de</strong> lokal antimykotisch<br />

versorgt. Die sehr trockene Haut<br />

wur<strong>de</strong> nach je<strong>de</strong>r Behandlung großzügig<br />

mit Massage-Öl eingerieben. Erst danach<br />

erfolgte die Bandagierung (Abb. 8).<br />

Komplikation:<br />

unsichtbares Erysipel<br />

Nach sechs Wochen kam es zu akuten<br />

Unterbauchbeschwer<strong>de</strong>n mit reduziertem<br />

Allgemeinbefin<strong>de</strong>n <strong>und</strong> Krankheitsgefühl.<br />

Es fan<strong>de</strong>n sich bei nur subfebriler Temperatur<br />

stark schmerzhafte Leisten-LK links.<br />

Die zwischenzeitlich mit 12/22 mm normalisierte<br />

BSG stieg erneut an, eine Blutkultur<br />

war jedoch steril, <strong>und</strong> <strong>de</strong>r Antistreptolysintiter<br />

war nur grenzwertig. Der linke<br />

Unterschenkel war <strong>de</strong>utlich überwärmt.<br />

Abb. 11 Abb. 12<br />

Eine erysipeltypische Rötung war aufgr<strong>und</strong><br />

<strong>de</strong>r dunklen Haut <strong>de</strong>s Patienten nicht<br />

zu sehen. Es han<strong>de</strong>lte sich <strong>de</strong>nnoch um ein<br />

Erysipel. Eintrittspforte für die Infektion<br />

war die ausge<strong>de</strong>hnte Mykose am linken<br />

Unterschenkel lateral. Eine Antibiotikatherapie<br />

führte hier zu einer raschen Heilung.<br />

Retrospektiv waren also die seit einem<br />

Jahr immer wie<strong>de</strong>r auftreten<strong>de</strong>n Bauchschmerzen<br />

jeweils Symptome von Erysipelen,<br />

was bisher nur nicht erkannt wor<strong>de</strong>n<br />

war.<br />

Therapieergebnis<br />

Nach elfwöchiger stationärer<br />

lymphologischer<br />

Behandlung<br />

war das Ö<strong>de</strong>m an bei<strong>de</strong>n<br />

Beinen um insgesamt<br />

65 Liter reduziert<br />

(Tab. 1), sodass<br />

das Entlassgewicht<br />

bei 114 kg lag (Abb.<br />

9). Das Gangbild war<br />

normalisiert: Der Patient<br />

konnte in <strong>de</strong>r Bestrumpfung<br />

normal<br />

springen <strong>und</strong> laufen.<br />

Die Mykose am lin-<br />

Abb. 13<br />

ken Unterschenkel war abgeheilt (Abb.<br />

10), ebenso alle Ulzera. Die Haut war weicher<br />

<strong>und</strong> geschmeidig, hing allerdings an<br />

<strong>de</strong>n Oberschenkeln in Falten herunter. Die<br />

körperliche Leistungsfähigkeit war<br />

wie<strong>de</strong>rhergestellt <strong>und</strong> altersentsprechend.<br />

Auch das <strong>Skrotal</strong>-Lymphö<strong>de</strong>m war kleiner<br />

gewor<strong>de</strong>n, sodass zuletzt sogar <strong>de</strong>r Penis<br />

sichtbar wur<strong>de</strong>.<br />

Nachstationäre Versorgung<br />

Der Patient wur<strong>de</strong> eine Woche vor Entlassung<br />

mit Kompressionstextilien versorgt.<br />

Er bekam eine Doppelbestrumpfung, jeweils<br />

in Kompressionsklasse 3 <strong>und</strong> flach-<br />

54 LymphForsch 11 (1) 2007; 51–55


<strong>Gigantisches</strong> <strong>Skrotal</strong>- <strong>und</strong> Beinlymphö<strong>de</strong>m<br />

Tab. 1<br />

gestrickt, in Form von Leistenstrümpfen<br />

<strong>und</strong> Strumpfhose, die er übereinan<strong>de</strong>r anziehen<br />

musste (Abb. 11). Eine Zweitversorgung<br />

zum Wechseln (aus hygienischen<br />

Grün<strong>de</strong>n) wur<strong>de</strong> zusätzlich angefertigt.<br />

Weiterhin wur<strong>de</strong> <strong>de</strong>r Patient in die MLD-<br />

Eigenbehandlung <strong>und</strong> in die Eigenbandagierung<br />

ausführlich eingewiesen (Abb.<br />

12). Er bekam ein AIK-Gerät mit einem<br />

Paar Kompressionsstiefel mit nach Hause<br />

(Abb. 13). Selbstverständlich gaben wir<br />

ihm auch Vorräte an Antibiotika <strong>und</strong><br />

Schilddrüsenhormonen mit.<br />

Zur operativen Korrektur <strong>de</strong>r überschüssigen<br />

Hautlappen wur<strong>de</strong> Kontakt mit<br />

<strong>de</strong>r gemeinnützigen Gesellschaft »Interplast-Germany«<br />

(www.interplast-germany.<strong>de</strong>)<br />

aufgenommen. Hier sind Chirurgen<br />

ehrenamtlich tätig. Sie operieren in verschie<strong>de</strong>nen<br />

Entwicklungslän<strong>de</strong>rn kostenlos<br />

während ihres Urlaubs. Es konnte eine<br />

Klinik in <strong>de</strong>r Heimat benannt wer<strong>de</strong>n, in<br />

<strong>de</strong>r die Reduktionsplastik durchgeführt<br />

wer<strong>de</strong>n soll.<br />

Die Chirurgen von »Interplast-Germany«<br />

möchten solch aufwendige <strong>und</strong> ungewöhnliche<br />

Operationen nicht in Deutschland<br />

durchführen, son<strong>de</strong>rn vor Ort im<br />

Entwicklungsland. Auf diese Weise möchten<br />

Sie zur Fortbildung <strong>de</strong>r einheimischen<br />

Chirurgen beitragen.<br />

Fazit<br />

Bei diesem schweren<br />

Krankheitsbild konnte<br />

nicht nur ein sehr<br />

gutes Therapieergebnis<br />

erzielt wer<strong>de</strong>n.<br />

Durch die erfolgreiche<br />

Behandlung<br />

hat <strong>de</strong>r Patient eine<br />

gute Perspektive für<br />

die Zukunft. Einer<br />

Aufnahme <strong>de</strong>s Studiums<br />

in <strong>de</strong>r Heimat<br />

steht nichts mehr im<br />

Wege.<br />

Danksagung<br />

Der Patient hatte zunächst nur die Mittel<br />

für eine sechswöchige stationäre Therapie<br />

aufbringen können. Da dieser Zeitraum zur<br />

Therapie so schwergradiger Lymphö<strong>de</strong>me<br />

nicht ausreichte, wur<strong>de</strong> über einen Artikel<br />

in <strong>de</strong>r »Wetterauer Zeitung« eine Spen<strong>de</strong>naktion<br />

initiiert.<br />

Die Firma Bösl (Aachen), die Firma Jobst<br />

(Emmerich) <strong>und</strong> die Pitzer-Kliniken (Bad<br />

Nauheim) spen<strong>de</strong>ten daraufhin insgesamt<br />

ca. 10.000 Euro.<br />

Davon konnte <strong>de</strong>r Patient weitere fünf Wochen<br />

stationär behan<strong>de</strong>lt wer<strong>de</strong>n sowie die<br />

notwendige Bestrumpfung <strong>und</strong> ein Gerät<br />

für die apparative intermittieren<strong>de</strong> Kompression<br />

finanziert wer<strong>de</strong>n.<br />

Wir bedanken uns für diese großzügigen<br />

Spen<strong>de</strong>n.<br />

Korrespon<strong>de</strong>nzadresse<br />

Dr. U. Herpertz<br />

Taunus-Klinik<br />

Lin<strong>de</strong>nstraße 6<br />

61231 Bad Nauheim<br />

E-Mail:<br />

Dr.med.Ulrich.Herpertz@DRV-B<strong>und</strong>.<strong>de</strong><br />

LymphForsch 11 (1) 2007; 51–55 55

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