3 Grußwort des Vertreters des Hohen ... - Pro Asyl
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ingen die Hamburger Beamten die<br />
stowaways, die ihrer Auffassung nach juristisch<br />
bereits zurückgewiesen sind, in<br />
das Wasserschutzpolizeirevier 2 (WSR 2)<br />
am Roßdamm. Zunächst gibt ein Formblatt<br />
die »Befragung eines Einschleichers«<br />
vor. Dieses »Interview«, das aus 19 Fragen<br />
zu Name, Alter, Beruf, Grund der<br />
Einreise und Einverständniserklärung zur<br />
eigenen Rückschiebung per Flugzeug<br />
besteht, wird nicht in jedem Fall von<br />
Beamten der Hamburger Wasserschutzpolizei<br />
geführt. Nach der Einreise der<br />
neun liberianischen Bürgerkriegsflüchtlinge<br />
1996 in den Hamburger Hafen<br />
stellte z.B. ein Mitarbeiter <strong>des</strong> »maritimen<br />
Dienstleisters« Claas W. Brons die<br />
Fragen aus dem Amtsformular. Ein Dolmetscher<br />
war nicht zugegen. Offensichtlich<br />
besteht ein derart vertrauensvolles<br />
Verhältnis zwischen den Mitarbeitern der<br />
Claas W. Brons und den Polizisten, daß<br />
die Beamten für die Befragung durch eine<br />
Privatperson in ihren Diensträumen verantwortlich<br />
zeichnen. Auf die Art der Befragung<br />
und vor allem der Übersetzung<br />
der Antworten hat bekanntlich das Interesse<br />
<strong>des</strong> Fragenden einen großen Einfluß.<br />
Hierbei wird wichtig, daß die Reederei,<br />
in der Regel vertreten durch den<br />
Kapitän <strong>des</strong> Schiffes, nach § 73 Abs. 1<br />
<strong>des</strong> deutschen Ausländergesetzes die Verpflichtung<br />
hat, den zurückgewiesenen<br />
Flüchtling wieder außer Lan<strong>des</strong> zu bringen.<br />
Noch während der stowaway an<br />
Bord ist, läßt der Beamte, der das Schiff<br />
grenzpolizeilich abfertigt, den Kapitän<br />
und den stowaway hierüber eine Verpflichtung<br />
unterschreiben. Diese Verpflichtung<br />
gibt der Kapitän jedoch in den<br />
meisten Fällen gleich weiter.<br />
Viele Reedereien haben sich bei ihren<br />
Haftpflichtversicherern gegen die Kosten<br />
versichert, die ihnen aus dieser Rückführungsverpflichtung<br />
entstehen. Da aber<br />
nicht jeder Versicherer eigene Mitarbeiter<br />
in allen Häfen der Welt haben kann,<br />
regulieren P&I-Clubs im Auftrag der jeweils<br />
haftenden Versicherung Schäden,<br />
die zum Beispiel an der Ladung entstanden<br />
sind. Die bereits erwähnte Agentur<br />
Claas W. Brons ist P&I-Club-Repräsentant<br />
in Hamburg, aber auch der Bremer<br />
Repräsentant J. und K. Brons hat mit<br />
Pandi Services einen P&I-Korrespondenten<br />
in Hamburg. Auf einem Formblatt<br />
der Hansestadt Hamburg autorisiert der<br />
Kapitän einen Versicherungsagenten, die<br />
Angelegenheiten betreffs <strong>des</strong> stowaways<br />
zu regeln. Dieser unterschreibt die Vollmacht<br />
ebenso wie der Kapitän, der Agent<br />
und der Polizeibeamte. Es verwundert<br />
nicht, wenn Versicherungsmitarbeiter die<br />
Antworten von Blinden Passagieren bei<br />
der Erstbefragung aus dem Interesse heraus<br />
übersetzen, den Flüchtling so schnell<br />
wie möglich wieder loszuwerden. Wenn<br />
ein junger Mann, der jahrelang als liberianischer<br />
Flüchtling in Ghana auf der<br />
Straße lebte und schlief, dies zum Beispiel<br />
erzählt, wenn er nach dem Zweck der<br />
Reise befragt wird, lautet die übersetzte<br />
Antwort, daß er kam, weil er in Ruhe<br />
schlafen können wollte. Doch dies ist nur<br />
ein Detail gegenüber der Tatsache, daß<br />
an dem Berichteten deutlich wird, daß<br />
sich im Hamburger Hafen die Geschäftsinteressen<br />
einer Firma mit dem Amtsgebaren<br />
der Wasserschutzpolizei aufs intimste<br />
verbinden. Die Beamten dienen<br />
den Reedereien auf städtischen Formularen<br />
die Dienste eines privaten Rückschiebers<br />
an. Gleichsam als Gegenleistung<br />
übernehmen die Mitarbeiter dieser Firma<br />
die offizielle Erstbefragung, wiederum<br />
auf Amtsformularen. Eine Dolmetscherin<br />
oder ein Dolmetscher wird so überflüssig,<br />
denn die Herren aus der sogenannten<br />
freien Wirtschaft sind Spezialisten,<br />
die im Bedarfsfall Afrikaner als<br />
Übersetzer mitbringen und auch aus ihrer<br />
Kasse bezahlen.<br />
Inhaftierung<br />
Nach der Befragung bei der<br />
Wasserschutzpolizei werden die<br />
stowaways zur erkennungsdienstlichen<br />
Behandlung zu anderen<br />
Dienststellen der Polizei gefahren. Die<br />
dort »gewonnenen Unterlagen«, so das<br />
Ausländergesetz, werden beim Bun<strong>des</strong>kriminalamt<br />
in einem speziellen Ausländerregister<br />
gespeichert und mit vorhandenen<br />
Daten abgeglichen. Auch der<br />
hochspezialisierte Dienstleister Pandi Services<br />
sammelt laut Auskunft <strong>des</strong> Hamburger<br />
Schiffsversicherers Trampfahrt<br />
die Daten der stowaways, was die Attraktivität<br />
ihrer Dienstleistung erhöht.<br />
Hierbei nutzt die Firma, daß ihnen die<br />
Flüchtlinge ihre Geschichte erzählen,<br />
wenn sie in den Räumen der Wasserschutzpolizei<br />
die Befragung durchführen.<br />
Danach werden die Flüchtlinge in den<br />
Keller <strong>des</strong> Untersuchungsgefängnisses<br />
Holstenglacis gebracht. Sie werden also<br />
von den Behörden behandelt, als wären<br />
sie in der Transitzone eines Flughafens.<br />
Im UG bleiben sie so lange, bis das Schiff,<br />
mit dem sie gekommen sind, wieder ablegt.<br />
Oder bis sie ein Flugzeug in ein Land<br />
zurückbringt, für das Pandi Services ein<br />
Reisedokument organisiert hat. Die Reedereien<br />
müssen sich schon kurz nach der<br />
Ankunft <strong>des</strong> Schiffes verpflichten, ca.<br />
DM 15.000 für die Kosten der Rückführung<br />
zu hinterlegen. Bei nicht stattfindendem<br />
<strong>Asyl</strong>verfahren, was bei 80 bis<br />
90 % der stowaways der Fall ist, treten<br />
die Rückführungsverpflichtungen sofort<br />
in Kraft und Firmen wie Pandi Services<br />
als private Rückschieber in Aktion.<br />
Nur wenn der stowaway informiert genug<br />
ist und sich entsprechend durchsetzen<br />
kann, nehmen die Beamten ein <strong>Asyl</strong>begehren<br />
entgegen. Und nur in einem<br />
solchen Fall bekommt die Ausländerbehörde<br />
mit dem Flüchtling zu tun. Der<br />
stowaway nimmt dann am <strong>Asyl</strong>verfahren<br />
teil; die Rückführungsverpflichtung<br />
der Reederei erlischt allerdings nur für<br />
die Dauer <strong>des</strong> Verfahrens. Wird das <strong>Asyl</strong>begehren<br />
nicht anerkannt, was in neun<br />
von zehn Verfahren so ist, ist wieder die<br />
Reederei am Zug beziehungsweise der<br />
von ihr beauftragte Versicherungsagent.<br />
Rückschiebung<br />
Interessanterweise sind die beschriebenen<br />
Verpflichtungserklärungen der<br />
Reedereien Anhängsel einer Kostenfestsetzung<br />
im Fall eines <strong>Asyl</strong>begehrens.<br />
Die Reederei verpflichtet sich also in jedem<br />
Fall, die Kosten der Rückführung<br />
noch vor dem Auslaufen <strong>des</strong> Schiffes<br />
zu hinterlegen. Bei nicht stattfindendem<br />
<strong>Asyl</strong>verfahren sind die Rückführungskosten<br />
für die Reedereien jedoch geringer,<br />
denn die Schiffseigner müssen dann<br />
nicht zusätzlich für Unterbringungs- und<br />
Verwaltungskosten aufkommen, die<br />
nach der zu erwartenden Ablehnung <strong>des</strong><br />
<strong>Asyl</strong>verfahrens fällig werden. Auch sind<br />
viele Flüchtlinge nach einigen Wochen<br />
eher in der Lage, sich min<strong>des</strong>tens für einige<br />
Zeit der Abschiebung zu entziehen.<br />
Das führt bei Festnahme wiederum zu<br />
Kosten, zum Beispiel die der Abschiebehaft.<br />
Für die öffentliche Hand entfallen<br />
bei nicht gestelltem <strong>Asyl</strong>antrag die Kosten<br />
für die Dauer <strong>des</strong> <strong>Asyl</strong>verfahrens.<br />
Es verwundert also nicht, daß sowohl<br />
die Reedereien beziehungsweise die von<br />
ihnen bevollmächtigten Dienstleister und<br />
die Versicherungen, für die diese arbeiten,<br />
als auch die auf den sogenannten<br />
Sparkurs eingeschworenen BeamtInnen<br />
großes Interesse daran haben, daß die<br />
stowaways keinen <strong>Asyl</strong>antrag stellen. Ist<br />
keine anwaltliche oder ähnliche Unterstützung<br />
vorhanden, sind es vermutlich<br />
einfach »Verständigungsprobleme«, die<br />
dazu führen, daß der <strong>Asyl</strong>antrag nicht<br />
gehört wird. Unabhängige Dolmetscherinnen<br />
oder Dolmetscher sind ja aus gutem<br />
Grund nicht anwesend. (…)<br />
Der vorliegende Text ist entnommen aus dem Buch<br />
»Blinde Passagiere: es ist leichter, in den Himmel<br />
zu kommen als nach Europa« von Marily Stroux/<br />
Reimer Dohrn. Mit freundlicher Genehmigung<br />
<strong>des</strong> Bran<strong>des</strong> & Apsel Verlages, Frankfurt a. M.<br />
Die AG »Blinde Passagiere« hat einen Vorschlag<br />
für einen menschlichen Umgang mit<br />
Blinden Passagieren entwickelt und als Faltblatt<br />
veröffentlicht.<br />
Sie führt zum Thema Veranstaltungen und<br />
Aktionen durch. Bei der AG gibt es auch Hinweise<br />
auf Video- und Kinofilme sowie Ausstellungen<br />
zum Thema.<br />
Kontakt: AG »Blinde Passagiere«, c/o DOK-<br />
Zentrum, Wohlersallee 12, 22767 Hamburg.<br />
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