31.05.2014 Aufrufe

3 Grußwort des Vertreters des Hohen ... - Pro Asyl

3 Grußwort des Vertreters des Hohen ... - Pro Asyl

3 Grußwort des Vertreters des Hohen ... - Pro Asyl

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

Blinde Passagiere – Flüchtlinge<br />

auf dem Seeweg<br />

Marily Stroux / Reimer Dohrn<br />

Für die Bun<strong>des</strong>republik Deutschland<br />

regelt das Ausländergesetz in seiner<br />

Fassung vom Juli 1990 den Umgang<br />

mit »Blinden Passagieren«. In der<br />

Neufassung <strong>des</strong> Gesetzes, das der legislative<br />

Ausdruck <strong>des</strong> zunehmenden Fremdenhasses<br />

in Deutschland ist, heißt es in<br />

§ 73, Absatz 1: »Wird ein Ausländer, der<br />

mit einem Luft-, See- oder Landfahrzeug<br />

einreisen will, zurückgewiesen, so hat<br />

ihn der Beförderungsunternehmer außer<br />

Lan<strong>des</strong> zu bringen.« Der folgende Absatz<br />

regelt, daß die Dauer der Verpflichtung<br />

drei Jahre gilt und nur für ein <strong>Asyl</strong>begehren<br />

oder bei Abschiebungshindernissen<br />

ausgesetzt wird. Der dritte Absatz verlangt<br />

vom Beförderungsunternehmer,<br />

den Ausländer auf Verlangen der Grenzbehörden<br />

in das Land, das sein Reisedokument<br />

ausgestellt hat, das Abreiseland<br />

oder »einen sonstigen Staat zu bringen,<br />

in dem seine Einreise gewährleistet ist«.<br />

Weitere Paragraphen regeln die finanzielle<br />

Verpflichtung der Beförderungsunternehmer.<br />

Danach übernehmen die<br />

Reedereien für Blinde Passagiere »die<br />

Kosten, die von der Ankunft <strong>des</strong> Ausländers<br />

an der Grenzübergangsstelle bis zum<br />

Vollzug der Entscheidung über die Einreise<br />

entstehen«. Bei abgelehnten <strong>Asyl</strong>begehren<br />

werden die Kosten der Abschiebung<br />

fällig, bei Zurückweisung ohne<br />

<strong>Asyl</strong>begehren die der Rückschiebung. In<br />

beiden Fällen sind dies<br />

die Reisekosten; (…)<br />

die Kosten für die Abschiebehaft,<br />

Übersetzungen und damit im Zusammenhang<br />

stehende Verwaltungs-, Verpflegungs-<br />

und Unterbringungskosten.<br />

»Sämtliche durch eine erforderliche<br />

amtliche Begleitung <strong>des</strong> Ausländers<br />

entstehenden Kosten einschließlich der<br />

Personalkosten, (…) .«<br />

42<br />

Zur Sicherung der Kostenerhebung können<br />

die Behörden außerdem von den<br />

Reedereien ohne Fristsetzung Sicherheitsleistungen<br />

einfordern. Grundsätzlich sieht<br />

das Ausländergesetz jedoch vor, daß<br />

Flüchtlinge alle oben genannten Kosten<br />

tragen müssen. Aus diesem Grund werden<br />

ihre Barmittel bei der Einreise beschlagnahmt,<br />

je<strong>des</strong> Jahr mehrere hunderttausend<br />

D-Mark.<br />

Das Prinzip, durch Sanktionen gegenüber<br />

den Beförderungsunternehmen<br />

die Einreisemöglichkeiten zu verringern,<br />

wurde 1928 per Gesetz zunächst in Belgien<br />

eingeführt. Seit den fünfziger Jahren<br />

führten die Einreiseländer USA, Kanada<br />

und Australien derartige Sanktionen ein.<br />

Seit den achtziger Jahren wird das Prinzip<br />

zunehmend auch in der Europäischen<br />

Union angewandt und ist mit der Abschaffung<br />

der innereuropäischen Grenzkontrollen<br />

im März 1995 für alle Länder<br />

vorgeschrieben, die keine Grenzkontrollen<br />

mehr durchführen und sich im Vertrag<br />

von Schengen zusammengeschlossen<br />

haben. Wichtigstes Ziel hierbei ist, die<br />

Grenzen vorzuverlegen und so die Kapitäne<br />

und Besatzungen zu zwingen, das<br />

Abschottungsinteresse der reichen Länder<br />

zu ihrer eigenen Sache zu machen.<br />

Die Verbände der Reedereien<br />

Schon im letzten Jahrhundert gab es<br />

P&I-Clubs der Reedereien beziehungsweise<br />

ihrer Versicherer. P&I<br />

steht für protecting & indemnity, was<br />

soviel heißt wie Schutz und Entschädigung.<br />

Die vierzehn Clubs, die es weltweit<br />

gibt, sind im London Club zusammengeschlossen.<br />

Nicht zufällig hat der Zusammenschluß<br />

mit einem Jahresumsatz von<br />

über DM 700 Millionen seinen Sitz in<br />

Englands Hauptstadt, denn neun der<br />

Clubs sind aus englischen Familienbetrieben<br />

hervorgegangen. Entgegen den<br />

Vorstellungen von uns Landratten haben<br />

die Kapitäne der Seeschiffe die wenigsten<br />

Sorgen, wenn sie sich auf hoher See befinden.<br />

Die Regeln sind klar, die Abläufe<br />

eingespielt. Nähert sich das Schiff dem<br />

Land, wird es kompliziert. Neben den<br />

navigatorischen Risiken eines Landfalls<br />

ist das Schiff plötzlich nicht mehr auf sich<br />

selbst gestellt. Ein Lotse muß geordert<br />

und es muß eventuell auf ihn gewartet<br />

werden. Im Hafen angekommen, geht es<br />

erst richtig los: Zoll und Wasserschutzpolizei,<br />

Hafenbehörden und Makler, alle<br />

wollen etwas. Um die hierbei möglichen<br />

Schwierigkeiten möglichst effektiv zu<br />

meistern, bauten die Schiffsversicherer<br />

über die P&I-Clubs ein weltweites Netz<br />

von Korrespondenten auf. Diese kennen<br />

die Lan<strong>des</strong>gesetze und haben vor Ort die<br />

nötigen Verbindungen, damit diese Gesetze<br />

auch im Interesse der Reedereien<br />

ausgelegt werden. Heute sind zumin<strong>des</strong>t<br />

in Europa die P&I-Repräsentanten sogenannte<br />

Dienstleistungsunternehmen, die<br />

sich darauf spezialisiert haben, in- und<br />

ausländischen Versicherern verschiedene<br />

Schwierigkeiten abzunehmen beziehungsweise<br />

die Reedereien bei den Clubs<br />

selbst zu versichern. Da sich viele Reedereien<br />

inzwischen gegen die Kosten, die<br />

ihnen durch stowaways (»Blinde Passagiere«)<br />

entstehen, versichern, fällt dem<br />

London Club auch eine wichtige Rolle<br />

bei der Durchsetzung von Reedereiinteressen<br />

in diesem Bereich zu.<br />

Die Schiffseigner und ihre Interessensverbände<br />

sind seit Jahrzehnten bemüht,<br />

zu verbindlichen Regelungen zu kommen,<br />

die Situationen mit Blinden Passagieren<br />

für sie einschätzbar machen.<br />

Bereits 1957 wird das sogenannte Kopenhagen-Abkommen<br />

abgeschlossen, das jedoch<br />

nur fünf Länder ratifizieren. Im<br />

November 1994 diskutiert eine Kommission<br />

der International Maritime Organization<br />

(IMO) der UNO einen Vorschlag<br />

der griechischen und britischen<br />

Regierung, der den Umgang mit stowaways<br />

weltweit einheitlich regeln soll.(…)<br />

Das <strong>Pro</strong>blem jedoch bleibt das gleiche<br />

wie 1957: Die Interessen der armen und<br />

reichen Länder sind so unterschiedlich,<br />

daß nur eine kleine Zahl von Unterzeichnerstaaten<br />

erwartet wird, falls es zu einer<br />

Regelung kommt.<br />

Wie in der Transitzone<br />

eines Flughafens<br />

Legt ein Schiff im Hamburger Hafen<br />

an, auf dem Blinde Passagiere gemeldet<br />

sind, passieren Dinge, von<br />

denen selbst in einer Hafenstadt wie<br />

Hamburg kaum jemand etwas mitbekommt:<br />

Ziemlich bald nach dem Anlegen<br />

kommt die Wasserschutzpolizei an<br />

Bord und holt die »Einschleicher« nach<br />

kurzer Befragung über Papiere und Barmittel<br />

ab. Direkt an Bord – also vor dem<br />

Betreten der Bun<strong>des</strong>republik – passiert<br />

eine juristisch entscheidende Amtshandlung:<br />

Es wird ein Zurückweisungsbeschluß<br />

erstellt. Nach Vorstellung der Behörden<br />

kann jetzt der Flüchtling an Land,<br />

ohne juristisch eingereist zu sein.<br />

Der Begriff »Einschleicher«, der an<br />

dunkle Machenschaften denken lassen<br />

soll, wurde von Bun<strong>des</strong>innenminister<br />

Kanther befohlen, um zu suggerieren,<br />

daß Flüchtlinge zur See böse Menschen<br />

sind. Während selbst die konservative<br />

Presse langsam von diesem Begriff abläßt,<br />

benutzt die Wasserschutzpolizei beamtentreu<br />

den Begriff <strong>des</strong> derzeit zuständigen<br />

Ministers. In den meisten Fällen

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!