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3 Grußwort des Vertreters des Hohen ... - Pro Asyl

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um zwecks Abschiebung gegebenenfalls<br />

selbst den Antrag auf den Paßersatz bei<br />

der Botschaft stellen zu können.<br />

Das Berliner Verwaltungsgericht verlangte<br />

in einem solchen Fall als Voraussetzung<br />

der Leistungsgewährung die Vorsprache<br />

<strong>des</strong> Flüchtlings bei der Botschaft<br />

mit einer von der Ausländerbehörde beglaubigten<br />

Kopie <strong>des</strong> Personalausweises.<br />

Die Botschaft akzeptierte aber keine<br />

beglaubigten Kopien. Der betroffene<br />

Flüchtling war schon über zwanzigmal<br />

bei der Botschaft und erhielt dennoch<br />

mehr als vier Monaten vom Sozialamt<br />

Wedding für sich, seine Frau und zwei<br />

Kinder nichts zu essen, keine Krankenscheine,<br />

keine BVG-Fahrscheine und keinen<br />

Pfennig Bargeld!<br />

36<br />

Weltärztebund<br />

Entschließung <strong>des</strong> Weltärztebun<strong>des</strong><br />

zur medizinischen Versorgung von<br />

Flüchtlingen<br />

verabschiedet von der 50. Generalversammlung<br />

<strong>des</strong> Weltärztebun<strong>des</strong><br />

in Ottawa (Kanada) im Oktober 1998<br />

IN DER ERWÄGUNG, daß die jüngsten internationalen<br />

Konflikte und Bürgerkriege zu einer<br />

ständigen Zunahme von Flüchtlingen in allen<br />

Regionen geführt haben; und<br />

IN DER ERWÄGUNG, daß internationale Kodizes<br />

für Menschenrechte und ärztliche Ethik,<br />

einschließlich die Deklaration <strong>des</strong> Weltärztebun<strong>des</strong><br />

von Lissabon, erklären, daß alle Menschen<br />

ohne Unterschied ein Recht auf angemessene<br />

ärztliche Versorgung haben;<br />

WIRD BESCHLOSSEN, DASS:<br />

1. Ärzte die Pflicht haben, einem Patienten,<br />

unabhängig von seinem Status, die notwendige<br />

Versorgung zukommen zu lassen<br />

und Regierungen dürfen weder das Recht<br />

<strong>des</strong> Patienten auf medizinische Behandlung<br />

noch die Pflicht <strong>des</strong> Arztes zu helfen<br />

einschränken; und<br />

2. Ärzte nicht gezwungen werden dürfen, an<br />

Strafaktionen oder gerichtlich angeordneten<br />

Aktionen gegen Flüchtlinge mitzuwirken<br />

oder an Flüchtlingen medizinisch nicht<br />

zu vertretende diagnostische Maßnahmen<br />

oder Behandlungen vorzunehmen, wie beispielsweise<br />

die Verabreichung von Beruhigungsmitteln,<br />

um <strong>Pro</strong>bleme bei der Abschiebung<br />

der Flüchtlinge in ihr Heimatland<br />

zu vermeiden; und<br />

3. Ärzten genügend Zeit und ausreichende<br />

Ressourcen zugebilligt werden müssen,<br />

um den physischen und psychischen Gesundheitszustand<br />

von <strong>Asyl</strong>bewerbern beurteilen<br />

zu können.<br />

Die Verweigerung ärztlicher<br />

Versorgung – einige Beispiele<br />

Die Verweigerung von Krankenscheinen<br />

ist die Regel, spätestens<br />

dann, wenn erst die übrigen Hilfen<br />

nach § 1a <strong>Asyl</strong>bLG eingestellt sind.<br />

Viele Sachbearbeiterinnen und Sachbearbeiter<br />

erklären den unter Verweis auf<br />

akute Krankheitssymptome und Schmerzen<br />

um Krankenscheine bittenden Flüchtlingen<br />

»das interessiert uns nicht«! Manche<br />

verwenden zur Ablehnung die Mittel<br />

der Körpersprache und halten sich<br />

Augen und Ohren zu, andere bescheiden<br />

Flüchtlinge, die um einen Krankenschein<br />

bitten, nur mit der schlichten Aufforderung<br />

»raus hier«!<br />

Gegenüber dem Verwaltungsgericht<br />

führt die Rechtsstelle <strong>des</strong> Sozialamtes<br />

Wedding zur Verweigerung der Krankenscheine<br />

aus: »Zwecks Gewährung<br />

von Krankenhilfe ist die Vorlage eines<br />

Attestes eines niedergelassenen Arztes<br />

unter Angabe der akuten Erkrankung<br />

erforderlich.« Wie der Flüchtling sich<br />

ohne einen Pfennig Bargeld und ohne<br />

Krankenschein das Attest beschaffen<br />

soll, bleibt offen. Inzwischen mußte<br />

die betroffene Mutter blutspuckend ins<br />

Krankenhaus eingewiesen werden, eine<br />

schwere bakterielle Infektion wurde<br />

diagnostiziert, auch ihr Kind mußte wegen<br />

einer Lungeninfektion stationär behandelt<br />

werden.<br />

Die Rechtsstelle <strong>des</strong> Sozialamtes Prenzlauer<br />

Berg erklärte gegenüber dem Verwaltungsgericht<br />

zur Verweigerung von<br />

Krankenscheinen, daß die »behaupteten<br />

Schmerzzustände unglaubwürdig« seien,<br />

da »je<strong>des</strong> Krankenhaus akute Erkrankungen<br />

behandeln würde«. Das Verwaltungsgericht<br />

hat diese Entscheidung in<br />

zwei Instanzen als von §1a <strong>Asyl</strong>bLG gedeckt<br />

bestätigt: »Die behaupteten Zahnund<br />

Augenschmerzen hat der Antragsteller<br />

nicht glaubhaft gemacht. Es ist auch<br />

weder dargelegt noch sonst ersichtlich,<br />

daß insoweit ein unaufschiebbarer Behandlungsbedarf<br />

besteht.« (OVG 6 SN<br />

229.98 ). Auf welche Weise der Flüchtling<br />

seine Schmerzen, deren Diagnose er<br />

nicht kennt, und den akuten Behandlungsbedarf<br />

näher glaubhaft machen<br />

bzw. darlegen soll, ohne die Möglichkeit<br />

zu haben zum Arzt zu gehen, bleibt allein<br />

das Geheimnis der Verwaltungsrichterinnen<br />

und -richter.<br />

Eine 63jährige Kosovo-Albanerin, die<br />

vom Sozialamt Steglitz nur Unterkunft<br />

ohne Verpflegung erhielt, hat mit vom<br />

Taschengeld anderer Flüchtlinge geliehenem<br />

Geld eine Ärztin aufgesucht und<br />

DM 39,- bezahlt. Die Ärztin hat eine<br />

behandlungsbedürftige akute Gastritis<br />

bescheinigt. Beim Sozialamt erklärte man<br />

der Albanerin, solange der Eilantrag auf<br />

Leistungen beim Verwaltungsgericht<br />

nicht zu ihren Gunsten entschieden sei,<br />

dürfe sie beim Sozialamt nicht mehr erscheinen<br />

und bekäme auch keine Krankenscheine.<br />

Einem Kosovo-Flüchtling wurde vom<br />

Sozialamt Reinickendorf der Barbetrag<br />

von DM 80,- auf DM 20,- gekürzt, die<br />

Chipkarte entzogen, und er wurde in<br />

die DRK-Sammelunterkunft Streitstraße<br />

(500 Flüchtlinge) eingewiesen. Er erhielt<br />

Unterkunft und Vollverpflegung, aber<br />

keine Kleidung und keine Krankenscheine.<br />

Auf dem Bauch hat er seitdem einen<br />

rotfleckigen Ausschlag unbekannter<br />

Ursache. Dennoch wurde ihm der Krankenschein<br />

verweigert. Erst nach wochenlangen<br />

Auseinandersetzungen, nachdem<br />

ein Eilantrag beim Verwaltungsgericht<br />

gestellt war, und nachdem der Flüchtling<br />

auf Aufforderung <strong>des</strong> Sozialamtes mit<br />

einer von einer Arztpraxis ausgestellten<br />

»Terminkarte« einen Arzttermin nachweisen<br />

konnte (eine weitverbreitete Schi-<br />

Nicht vergessen:<br />

Höhe der Leistungen an die Lebenshaltungskosten<br />

anpassen –<br />

stärken Sie das Gedächtnis Ihrer<br />

Bun<strong>des</strong>tagsabgeordneten!<br />

§ 3 Abs. 3 <strong>des</strong> <strong>Asyl</strong>bewerberleistungsgesetzes<br />

heißt: »Das Bun<strong>des</strong>ministerium für Familie<br />

und Senioren setzt im Einvernehmen mit<br />

dem Bun<strong>des</strong>ministerium <strong>des</strong> Innern und<br />

dem Bun<strong>des</strong>ministerium der Finanzen durch<br />

Rechtsverordnung mit Zustimmung <strong>des</strong> Bun<strong>des</strong>rates<br />

die Beträge nach Abs. 1 S. 4 und<br />

Abs. 2 S. 2 jeweils zum 1. Januar eines Jahres<br />

neu fest, wenn und soweit dies unter Berücksichtigung<br />

der tatsächlichen Lebenshaltungskosten<br />

zur Deckung <strong>des</strong> in Abs. 1 genannten<br />

Bedarfs erforderlich ist. Für die Jahre<br />

1994 bis 1996 darf die Erhöhung der Beträge<br />

nicht den Vom-Hundert-Satz übersteigen,<br />

um den in diesem Zeitraum die Regelsätze<br />

gemäß § 22 Abs. 4 <strong>des</strong> Bun<strong>des</strong>sozialhilfegesetzes<br />

erhöht werden.«<br />

Im Klartext: Es geht um die Anpassung der sogenannten<br />

Grundleistungsbeträge für Flüchtlinge<br />

an die steigenden Lebenshaltungskosten.<br />

Seit Inkrafttreten <strong>des</strong> Gesetzes bleiben<br />

<strong>Asyl</strong>suchenden als Barbetrag (»Taschengeld«)<br />

gleichbleibend nur DM 80,- beziehungsweise<br />

DM 40,- (bis zur Vollendung <strong>des</strong> 14. Lebensjahres).<br />

Die Lebenshaltungskosten sind seitdem<br />

um über vier <strong>Pro</strong>zent gestiegen.<br />

Wenden Sie sich <strong>des</strong>halb im Herbst an Ihre<br />

Bun<strong>des</strong>tagsabgeordneten und fordern Sie sie<br />

auf, dafür Sorge zu tragen, daß das zuständige<br />

Bun<strong>des</strong>arbeitsministerium die notwendige<br />

Rechtsverordnung vorbereitet und Flüchtlinge<br />

nicht zum 1. Januar 2000 erneut mit leeren<br />

Händen dastehen.

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