3 Grußwort des Vertreters des Hohen ... - Pro Asyl
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Versorgung wird verweigert. Sie werden<br />
durch den Entzug jeglichen Bargel<strong>des</strong> gezwungen,<br />
mit Bus und Bahn schwarzzufahren<br />
– um zur Ausländerbehörde, zum<br />
häufig am anderen Ende der Stadt gelegenen<br />
zuständigen Sozialamt oder zu<br />
einer Beratungsstelle zu gelangen. Zahlungsaufforderungen<br />
der Verkehrsbetriebe<br />
sowie Strafbefehle häufen sich. Die<br />
Flüchtlinge werden kriminalisiert – damit<br />
schafft man auch Gründe für eine Abschiebung.<br />
Viele Sozialämter unterstellten Kriegsflüchtlingen<br />
aus dem Kosovo generell, sie<br />
seien nur wegen der Sozialhilfe nach<br />
Deutschland gekommen. Zum Beweis<br />
wurde angeführt, sie hätten ja in einem<br />
auf der Reise nach Deutschland durchquerten<br />
Land bleiben können und seien<br />
nur wegen der Sozialhilfe nach Deutschland<br />
weitergereist. Diese Argumentation<br />
wurde nunmehr vom Oberverwaltungsgericht<br />
Berlin als unzulässig zurückgewiesen,<br />
da sie im Ergebnis eine vom Gesetzgeber<br />
nicht gewollte Drittstaatenregelung<br />
für geduldete Kriegsflüchtlinge<br />
wäre, die z.B. einen Leistungsausschluß<br />
auch aller auf dem Landweg eingereisten<br />
bosnischen Flüchtlinge bedeuten würde<br />
(OVG 6 SN 230.98 v. 4.2.99). Die Senatssozialverwaltung<br />
erklärte dazu allerdings,<br />
der Beschluß sei eine »Einzelfallentscheidung«,<br />
eine Änderung der Praxis<br />
der Sozialämter sei nicht erforderlich<br />
(TAZ v. 11.2.99). Soll man dies als Aufforderung<br />
zum Rechtsbruch verstehen?<br />
Berliner Sozialämter geben an<br />
Flüchtlinge Chipkarten aus, die das<br />
bisherige System der Sachleistungsgewährung<br />
ablösen. Bei Vorstellungsterminen<br />
auf dem Amt wird<br />
die Karte mit dem Geldbetrag<br />
aufgeladen, der dem Karteninhaber<br />
zusteht. Eingekauft werden kann<br />
allerdings nur in einer begrenzten<br />
Zahl von Geschäften. Die Karte ist<br />
also keineswegs wie EC-Karten für<br />
Inländer eine flexible Alternative<br />
zum Bargeld. Es geht den Behörden<br />
auch nicht um Flexibilität und<br />
Kundenfreundlichkeit. Flüchtlinge<br />
sollen gerade daran gehindert<br />
werden, frei zu disponieren. Die<br />
Kontrolle steht im Vordergrund.<br />
Photo: epd-bild<br />
Die Unterstellung <strong>des</strong> Verhinderns der<br />
Abschiebung bzw. Verschleierns der Identität<br />
hat demgegenüber in der Praxis eine<br />
geringere Bedeutung. Auch dies wurde<br />
allerdings z.B. Kosovo-Kriegsflüchtlingen<br />
vielfach unterstellt, obwohl ohnehin<br />
keine Abschiebungen in die BR Jugoslawien<br />
möglich sind. Wenn die Flüchtlinge<br />
keinen Paß, sondern nur einen Personalausweis<br />
besitzen, wird generell unterstellt,<br />
dieses Dokument sei nicht fälschungssicher<br />
und könne daher gefälscht<br />
sein. Die Ausländerbehörde stempelt <strong>des</strong>halb<br />
– trotz erkennungsdienstlicher Behandlung<br />
und obwohl im konkreten Fall<br />
keine Anhaltspunkte für eine Fälschung<br />
vorliegen – »Identität ungeklärt« in die<br />
Duldung.<br />
Das Sozialamt schickte Kosovo-Flüchtlinge<br />
zur jugoslawischen Botschaft, dort<br />
sollten sie als Identitätsnachweis einen<br />
Paß beantragen – und strich solange erstmal<br />
alle Leistungen. Die Botschaft stellt<br />
Flüchtlingen aber keine Pässe, sondern<br />
lediglich ein Paßersatzpapier zur einmaligen<br />
Einreise in die BR Jugoslawien<br />
im Rahmen <strong>des</strong> Rückübernahmeabkommens<br />
aus. Und sie nimmt Anträge nur<br />
gegen Vorlage <strong>des</strong> Original-Personalausweises<br />
entgegen. Die Ausweise gibt<br />
die Ausländerbehörde aber nicht heraus,<br />
Ärzte walten ihres Amtes<br />
Abzuschiebende werden häufig zur Überprüfung<br />
ihrer »Reisefähigkeit« Amtsärzten<br />
vorgeführt. In Frankfurt gibt es einen Arzt<br />
<strong>des</strong> Bun<strong>des</strong>grenzschutzes. Andernorts ist der<br />
polizeiärztliche Dienst zuständig. Zumeist reduziert<br />
sich die ärztliche Begutachtung auf die Beantwortung<br />
der Frage, ob die abzuschiebende<br />
Person den Abschiebungsflug übersteht. Die Frage,<br />
ob eine Weiterbehandlungsmöglichkeit von<br />
Krankheiten auch am Zielort der Abschiebung<br />
möglich ist, wird selten ausreichend geprüft. Oftmals<br />
stützen sich die Amtsärzte auf eine einmalige<br />
Untersuchung, eventuell noch auf frühere<br />
Laboruntersuchungen. Nicht immer werden<br />
Dolmetscher gestellt. Kontakte mit vorbehandelnden<br />
Kliniken oder Ärzten werden oftmals gemieden.<br />
So werden auch Menschen für reisetauglich<br />
erklärt und abgeschoben, obwohl in<br />
ihren Heimatländern die medizinische Versorgung<br />
nicht sichergestellt oder unmöglich war.<br />
Beispiele:<br />
So erging es einem schwer Herzkranken mit<br />
Anfällen von Angina pectoris, der in ein südamerikanisches<br />
Land abgeschoben werden<br />
sollte und<br />
einem jugendlichen insulinpflichtigen Diabetiker<br />
aus Syrien.<br />
Ein nur mit Heilnahrung lebensfähiges Kind sollte<br />
in ein ukrainisches Dorf abgeschoben werden.<br />
Ein halbseitig gelähmter, an den Rollstuhl gefesselter<br />
und auf fremde Hilfe angewiesener<br />
Mann nach Vietnam.<br />
Dem Tode nahe Menschen mit dem klinischen<br />
Vollbild der AIDS-Erkrankung sollten in afrikanische<br />
Länder und Suchtkranke während der<br />
Methadonsubstitutionstherapie in die Türkei<br />
zurückkehren.<br />
Selbst bei suizidgefährdeten Menschen wurde<br />
nicht von der Abschiebung Abstand genommen.<br />
In jedem der Fälle lagen ausführliche und<br />
warnende medizinische Gutachten der behandelnden<br />
Ärzte vor.<br />
Aus dem Attest eines Arztes: »… <strong>des</strong>halb beinhaltet<br />
die Abschiebung das Risiko einer<br />
schwerwiegenden Verschlechterung <strong>des</strong> gesundheitlichen<br />
Zustan<strong>des</strong> mit der Gefahr <strong>des</strong><br />
To<strong>des</strong> …«<br />
Dagegen verneinte eine Polizeiärztin die attestierte<br />
Reiseunfähigkeit. Die Person befinde<br />
sich in einem ausgezeichneten Zustand und<br />
könne einen Flug von sechs Stunden unbeschadet<br />
überstehen.<br />
In einem anderen Fall lautete es im Attest<br />
einer Ärztin:<br />
»… sie leidet an Depressionen mit psychischer<br />
Dekompensation … sie ist nicht in der<br />
Lage, sich allein zurecht zu finden …«<br />
Und im Attest einer anderen Ärztin zum<br />
gleichen Fall:<br />
»… bei einer Rückführung in ihr Heimatland<br />
wäre mit einer dramatischen Verschlimmerung<br />
der Symptomatik zu rechnen. Mit an<br />
Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit<br />
werde sie in einen handlungsunfähigen regressiven<br />
Zustand oder in eine suizidale Krise<br />
geraten … sie ist nicht reisefähig.«<br />
Dagegen wird in der polizeiärztlichen<br />
Begutachtung festgestellt. »Die als Befindlichkeitsstörungen<br />
(!) zu bewertenden Beeinträchtigungen<br />
stellen kein grundsätzliches<br />
Reisehindernis dar.«<br />
Beispiele aus: »Gefesselte Medizin – Ärztliches<br />
Handeln – abhängig von Aufenthaltsrechten?«<br />
herausgegeben von Flüchtlingsrat Berlin, Ärztekammer<br />
Berlin und PRO ASYL.<br />
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