3 Grußwort des Vertreters des Hohen ... - Pro Asyl
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»Warum habt ihr mir nicht geglaubt?<br />
Warum habt ihr mir nicht geglaubt!«<br />
waren die Worte, die Apedo Lossou-<br />
Gavo immer wieder sprach, bevor er<br />
sich Ende April 1996 aus Verzweiflung<br />
über die Ablehnung seines <strong>Asyl</strong>antrags<br />
im Bezirkskrankenhaus Landshut erhängte.<br />
»Ich habe Angst. Angst, die euch draußen<br />
fremd ist und hoffentlich fremd bleiben<br />
wird. Die Angst lebt bei mir im<br />
Bauch, im Kopf, in den Füßen, in den<br />
Händen. Meine Hände zittern und sind<br />
naß und kalt wie die Hände meiner<br />
Großmutter, ehe sie starb. Die Angst verläßt<br />
mich auch nicht im Schlaf. Ich kann<br />
sie mit niemandem teilen und niemandem<br />
mitteilen …«<br />
schrieb ein junger Mann aus der Abschiebungshaft<br />
Berlin Kruppstraße, der<br />
vier Tage nach dieser »Botschaft« nach<br />
China abgeschoben wurde.<br />
»… Ich bin jetzt schon so lange hier, daß<br />
es für mich bald gar keine Welt mehr<br />
außerhalb dieser Abschiebungshaft gibt.<br />
Ich habe schon soviel geschrieben, aber<br />
kann irgend jemand verstehen, was ich<br />
sagen will? Ich weiß nicht, was soll ich<br />
noch schreiben, ich kann mich selbst<br />
nicht mehr verstehen. Ich habe so lange<br />
gewartet, seit so langem gehofft, hier heraus<br />
zu kommen. Ich kann nicht mehr, es<br />
ist wie sterben, denn das Leben ist am<br />
Ende, es geht nicht weiter. Welche Schuld<br />
lastet auf mir? Ich habe Angst vor dem<br />
Sterben, aber meine Zelle ist meine Zeugin:<br />
Ich kann nicht mehr! Und auch das<br />
Leben macht mir Angst. Ich will nicht<br />
mehr leben. So viele Verletzungen, Du<br />
weißt nicht, wie viele Verletzungen jeden<br />
Tag hinter diesen Mauern, das wird man<br />
nie wieder vergessen …«<br />
Dies schrieb der Libanese Ali Kamal<br />
nach 11 Monaten Abschiebungshaft in<br />
Berlin an einen Freund.<br />
Muß nicht, wer in deutscher Abschiebungshaft<br />
lieber den Freitod wählt als<br />
sich in sein Herkunftsland zwangsweise<br />
zurückfliegen zu lassen, triftige und<br />
wichtige Gründe für einen <strong>Asyl</strong>antrag gehabt<br />
haben?<br />
Generell verstoßen die gegenwärtige<br />
Praxis der Abschiebungshaft und die<br />
Bedingungen ihrer Durchführung in<br />
Deutschland gegen die Menschenwürde.<br />
Die zentrale Forderung von PRO ASYL:<br />
Die Abschiebungshaft als Haft muß<br />
weg!<br />
Es kann nicht sein und darf nicht so bleiben,<br />
daß Menschen, die nichts Strafbares<br />
getan haben, wie Kriminelle in Gefängnisse<br />
gesperrt werden und oft über Monate<br />
Maßnahmen und Restriktionen ausgesetzt<br />
sind, die in einem Rechtsstaat gewöhnlich<br />
denen vorbehalten sind, die<br />
eine Straftat begangen und zu verbüßen<br />
haben.<br />
Die Gewöhnung an Unrecht muß ein<br />
Ende haben!<br />
Weitere Informationen zum Thema finden<br />
sich auf der Homepage von PRO ASYL unter<br />
http://www.proasyl.de<br />
Ausgrenzen und bespitzeln – Die Realität<br />
<strong>des</strong> <strong>Asyl</strong>bewerberleistungsgesetzes<br />
Bernd Mesovic<br />
Wer lange leidet,<br />
kann auch länger leiden<br />
Seit der vorletzten Novellierung<br />
<strong>des</strong> <strong>Asyl</strong>bewerberleistungsgesetzes<br />
(<strong>Asyl</strong>bLG), die zum 1. Juli 1997 in<br />
Kraft trat, werden Flüchtlingen im<br />
laufenden Verfahren für zunächst drei<br />
Jahre medizinische Leistungen nur dann<br />
gewährt, wenn akute Krankheits- und<br />
Schmerzzustände vorliegen. Welche Konsequenzen<br />
dies im Einzelfall haben kann,<br />
zeigt ein Fall aus dem Landkreis Celle:<br />
32<br />
Seit er vor sieben Jahren von irakischen<br />
Soldaten gefoltert worden ist, leidet der<br />
28jährige irakische <strong>Asyl</strong>suchende unter<br />
den gesundheitlichen Folgen der Folter.<br />
Man hatte ihn mit Gewehrkolbenhieben<br />
im Gesicht und auf dem Rücken schwer<br />
verletzt. Seine obere Gesichtshälfte ist deformiert<br />
und vernarbt, die Nase in Schieflage<br />
zertrümmert. In der Sprache der<br />
Medizin: Mittelgesichtstrümmerfraktur<br />
mit chronischen Irritations- und Entzündungszuständen<br />
der Nasenschleimhaut.<br />
Traumatische Schief-/Sattelnase mit<br />
tiefen Gesichtsnarben, traumatische Deformation<br />
<strong>des</strong> inneren Nasengerüstes,<br />
eingeschränktes Nasenatmungsvermögen<br />
rechts und komplette Nasenatmungsbehinderung<br />
links. Um wenigstens eine<br />
ausreichende Atmung zu gewährleisten,<br />
ist eine Operation erforderlich, so der<br />
Arzt. Die beantragte Operation lehnt der<br />
Landkreis Celle mit Bescheid vom 2. September<br />
1997 ab: Zwar leidet der Patient<br />
infolge der Folterungen nicht nur unter<br />
einer Wirbelsäulenverkrümmung und einer<br />
Schulterverschmächtigung, sondern<br />
auch unter den diagnostizierten Nasenproblemen.<br />
Akute Schmerzzustände, so<br />
die Auffassung <strong>des</strong> Landkreises, liegen jedoch<br />
nicht vor. Auch weitere ärztliche<br />
Gutachten, in denen anfallartige Störungen,<br />
Krämpfe infolge der eingeschränkten<br />
Atmung und psychogen bedingte<br />
Hyperventilation (eine Art Panikatmung)<br />
bescheinigt werden, helfen nicht weiter.<br />
Es folgt der Gang zum Verwaltungsgericht.<br />
Dessen Richter treiben den Zynismus<br />
auf die Spitze. In einer Entscheidung<br />
vom 18. März 1998 stellt das Gericht<br />
fest, daß offenbar kein unaufschiebbarer<br />
Handlungsbedarf bestehe. Der Antragsteller<br />
lebe ja schließlich schon nach<br />
eigenen Angaben seit 1991 mit dieser<br />
Verletzung. Luftmangel sei kein akuter<br />
Schmerzzustand. Und was die Kopfschmerzen<br />
angehe, so könne »nicht mit<br />
hinreichender Wahrscheinlichkeit festgestellt<br />
werden, daß diese ihre Ursache<br />
gerade in der Nasenfraktur haben, da der<br />
Antragsteller weitere Verletzungen aufweist<br />
und zudem über psychische Leiden<br />
nach der seinem Vortrag erlittenen Folter<br />
klagt«. Ergo: Wer so lange gelitten hat,<br />
der kann auch weiter leiden. Seit sieben<br />
Jahren leidet M. unter den Verletzungen,<br />
die ihm irakische Soldaten bei der Folter<br />
beibrachten. Auf die Frage, wodurch<br />
die Verletzungen entstanden sind, komme<br />
es nicht an, urteilten die Richter. Das<br />
<strong>Asyl</strong>bLG kenne keine Ausnahmeregelungen<br />
für Verletzungen, die von Folterungen<br />
herrühren. Unterlassene Hilfeleistung<br />
ist ein Straftatbestand. Mit dem<br />
<strong>Asyl</strong>bLG allerdings wurde die unterlassene<br />
Hilfeleistung gesetzlich abgesegnet.