31.05.2014 Aufrufe

3 Grußwort des Vertreters des Hohen ... - Pro Asyl

3 Grußwort des Vertreters des Hohen ... - Pro Asyl

3 Grußwort des Vertreters des Hohen ... - Pro Asyl

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

Zum 50. Jahrestag<br />

eines geschundenen Grundrechts<br />

Auszüge aus gesammelten Übertreibungen<br />

Victor Pfaff<br />

Im Hauptausschuß <strong>des</strong> Parlamentarischen<br />

Rates wurde am 19. Januar<br />

1949 vom späteren deutschen Außenminister<br />

Dr. Heinrich von Brentano beantragt,<br />

nur Deutschen <strong>Asyl</strong>recht zu gewähren.<br />

Natürlich nicht allen Deutschen,<br />

sondern nur solchen, die wegen ihres<br />

Eintretens für eine freiheitliche Staatsordnung<br />

ein anderes Land verlassen<br />

mußten. Nachzulesen im Schriftlichen<br />

Bericht zum Entwurf <strong>des</strong> Grundgesetzes<br />

der Bun<strong>des</strong>republik Deutschland, S. 12.<br />

Dr. von Brentano begründete seinen Antrag<br />

so: »Der Antrag spiegelt letzten En<strong>des</strong><br />

die ganze Tragik unserer staatsrechtlichen<br />

Situation wider, daß wir kein<br />

Deutschland haben.«<br />

Da haben wir schon eine Übertreibung.<br />

Die ganze Tragik, daß wir kein<br />

Deutschland haben? Ein winziges bißchen<br />

Tragik, daß Deutschland keine<br />

Juden mehr hatte – hätte das nicht unter<br />

Heinrichs Tränen durchschimmern können?<br />

Als Dr. von Brentano 1955 Chef <strong>des</strong><br />

Auswärtigen Amtes wurde, hatte er seine<br />

Auffassung mit ins Amt genommen. So<br />

lesen wir damals und heute Lageberichte<br />

und spüren in allen Zipfeln einen Hauch<br />

dieses Geistes. Wir erfahren von friedvollen,<br />

in Rechtsstaatlichkeit gebadeten<br />

Ländern, aus denen gerade die Deutschen<br />

evakuiert und nach Deutschland in<br />

Sicherheit gebracht werden, ins <strong>Asyl</strong> sozusagen.<br />

Es kam mit dem <strong>Asyl</strong>recht anders, als<br />

von Dr. von Brentano beantragt. Das ist<br />

bekannt. Politisch Verfolgte genießen<br />

<strong>Asyl</strong>recht, ohne Wenn und Aber, weil, wie<br />

das CDU-Mitglied Dr. von Mangoldt im<br />

Parlamentarischen Rat erläutert hatte,<br />

derartige Beschränkungen eine Prüfung<br />

der Flüchtigen an der Grenze zur Folge<br />

haben müßten und dadurch das <strong>Asyl</strong>recht<br />

vollkommen entwertet würde.<br />

Schon die nächste Übertreibung. Heute<br />

prüfen unsere Grenzbeamten die<br />

Flüchtigen an der Grenze. Die liegt heute<br />

bereits in Karachi, Bangkok und Istanbul,<br />

aber das <strong>Asyl</strong>recht ist dadurch nicht<br />

vollkommen entwertet, nur unvollkommen.<br />

Man muß bei der Wahrheit bleiben.<br />

Also: Seit 1949 das absolute <strong>Asyl</strong>recht in<br />

der Verfassung – aber jahrelang weit und<br />

breit keiner, der auf die Idee gekommen<br />

4<br />

wäre, es in Anspruch zu nehmen. Außer<br />

den 12 Millionen deutschen Flüchtigen<br />

und Vertriebenen. Vielleicht, weil Zirndorf<br />

so schwer zu finden war? Nein.<br />

Zirndorf war damals noch ein makelloses<br />

Dorf. Ausländerfrei und ohne<br />

Bun<strong>des</strong>amt. Erst 1953 wurde die <strong>Asyl</strong>verordnung<br />

verabschiedet und in Zirndorf<br />

die Bun<strong>des</strong>dienststelle für die Anerkennung<br />

ausländischer Flüchtlinge<br />

errichtet. Das war ein Sammellager für<br />

Geheimdienste, und, wenn diese einverstanden<br />

waren, eine Stelle zur Anerkennung<br />

eines Flüchtlings als Konventionsflüchtling<br />

nach Art. 1A GFK. § 5 der<br />

<strong>Asyl</strong>VO lautete: Als ausländische Flüchtlinge<br />

im Sinne dieser VO … werden Personen<br />

anerkannt, die Flüchtlinge im Sinne<br />

von Art. 1 <strong>des</strong> Abkommens über die<br />

Rechtsstellung der Flüchtlinge vom 28.<br />

Juli 1951 sind. Die Dienststellen für das<br />

Befragungswesen, in- und ausländische,<br />

drängelten sich in der Zirndorfer Baracke<br />

auf so engem Raum, daß für unser<br />

Grundrecht auf <strong>Asyl</strong> kein Zimmer frei<br />

war. Die Bun<strong>des</strong>dienststelle hatte bis<br />

1965 nichts mit dem <strong>Asyl</strong>recht zu tun<br />

und hat in den ersten 12 Jahren ihres Daseins<br />

auch keine Person als asylberechtigt<br />

nach Art. 16 II 2 GG anerkannt.<br />

Natürlich passierte es ab und zu, daß<br />

bei einer – wie sie damals hieß – Ausländerpolizeibehörde<br />

ein durch den Eisernen<br />

Vorhang Geschlüpfter vorstellig wurde<br />

und sich auf das Grundrecht berief.<br />

Dann hatte der Bedienstete der Ausländerbehörde<br />

als Vorfrage <strong>des</strong> Abschiebungsverbotes<br />

zu prüfen, ob ein politisch<br />

Verfolgter vor ihm stand. Auf welcher<br />

Rechtsgrundlage? Ausländerpolizeiverordnung<br />

vom 22.8.1938. Die AuslPol-<br />

VO hat das Kriegsende um zwanzig Jahre<br />

überlebt, zwar entnazifiziert durch begriffliche<br />

Reinigung (Rassezugehörigkeit,<br />

Zigeuner, Zigeunerart, arbeitsscheu, der<br />

Gastfreundschaft würdig), ihrem Geiste<br />

nach aber genau so schnell amnestiert<br />

wie die im Nürnberger <strong>Pro</strong>zeß verurteilten<br />

Kriegsverbrecher. Insbesondere die<br />

ihr zugrunde liegende Vorstellung, hier<br />

ihr Lebtag lebende und arbeitende Ausländer<br />

seien Gäste, gehört bis heute zu<br />

den volkstümelnden Grundüberzeugungen<br />

deutscher Politiker.<br />

1964, im Rahmen der Debatte <strong>des</strong> Entwurfs<br />

eines Ausländergesetzes, plante die<br />

Bun<strong>des</strong>regierung, die Prüfung der Anträge<br />

nach Art. 16 II 2 GG der Bun<strong>des</strong>dienststelle<br />

in Zirndorf zu übertragen,<br />

denn, so Ministerialrat Breull am<br />

30.4.1964 in der Sitzung <strong>des</strong> AK 1 der<br />

AG der Bun<strong>des</strong>länder in Bremen: Es gehe<br />

nicht an, das <strong>Asyl</strong>recht als Ermessensgrundlage<br />

einer Ausländerpolizeibehörde<br />

zu deklarieren, weil dann eine dem<br />

rechtsstaatlichen Denken fremde Vermischung<br />

von Rechtsansprüchen <strong>des</strong> einzelnen<br />

und Ermessensentscheidungen der<br />

jeweiligen Behörde eintreten würde. Die<br />

Entscheidungen über das <strong>Asyl</strong>recht müßten<br />

versachlicht werden.<br />

Hoppla! Da kommt einer aus Bonn und<br />

wirft den Ausländerpolizeibeamten vor,<br />

sie seien Kinderschänder: Sie mißhandelten<br />

unseren <strong>Asyl</strong>grundrechts-Säugling,<br />

bevor er gelernt hatte, auf eigenen Beinen<br />

zu stehen. Das ließ ein gewisser Herr<br />

Kanein, damals Ministerialrat im Bayerischen<br />

Staatsministerium <strong>des</strong> Innern (später,<br />

als er Rechtsanwalt war, der Paulus<br />

<strong>des</strong> Kommentars zum Ausländergesetz),<br />

nicht auf sich beruhen. Der Lan<strong>des</strong>ministerialrat<br />

zog mit einer Philippika gegen<br />

den Bun<strong>des</strong>ministerialrat zu Felde. Er<br />

schleuderte seinen bayerischen Zorn gen<br />

Zirndorf! Den Bun<strong>des</strong>ländern war die<br />

dortige Behörde ein Dorn im Auge. Da<br />

wurden vom Bund Konventionsflüchtlinge<br />

gebacken und dann auf die Bun<strong>des</strong>länder<br />

losgelassen. Politische homunculi,<br />

die sich mit blauem Paß niederlassen<br />

konnten, immun gegen bayerisches Polizeiwesen.<br />

Und wo bleibt da die Lan<strong>des</strong>hoheit?<br />

Und jetzt sollte Zirndorf auch<br />

noch Brutstätte für »<strong>Asyl</strong>anten« werden?<br />

Herr Kanein: Die Bun<strong>des</strong>dienststelle<br />

habe durch ihre Spruchpraxis unter Beweis<br />

gestellt, daß sie für eine Entscheidung<br />

dieser letztlich sehr politischen Frage<br />

wenig Eignung besitze, was anhand<br />

einiger typischer Fälle auch nachgewiesen<br />

werden könnte.<br />

Da haben wir wieder solch eine Übertreibung:<br />

Wenig Eignung wird den Zirndorfer<br />

Bun<strong>des</strong>bediensteten vorgeworfen.<br />

Hätte nicht genügt zu sagen: Gelegentlich<br />

fehlt das Fingerspitzengefühl, die leidgeplagte<br />

Spreu vom politisch verfolgten<br />

Weizen zu scheiden?

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!