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3 Grußwort des Vertreters des Hohen ... - Pro Asyl

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Die Broschüre »Ausländische Kinder allein in<br />

Berlin«, herausgegeben von Pax Christi/Berlin,<br />

<strong>Asyl</strong> in der Kirche e.V., Int. Liga für Menschenrechte,<br />

kann bezogen werden beim<br />

Flüchtlingsrat Berlin, Fennstr. 31, 12439 Berlin.<br />

allerdings sieht sich aufgrund der personellen<br />

Situation und der langen Dauer<br />

<strong>des</strong> Verfahrens nicht dazu in der Lage,<br />

Belege beizubringen, daß das Mündel bei<br />

einer Abschiebung nicht in Obhut genommen<br />

werden kann, was Voraussetzung<br />

einer Duldung wäre. Opfer dieses<br />

Unvermögens wurde Anfang 1997 das<br />

12jährige vietnamesische Mädchen Ha.<br />

Es lebte in Deutschland bei seinem Onkel,<br />

der die deutsche Staatsbürgerschaft<br />

besitzt und sie adoptieren wollte. Die<br />

Berliner Ausländerbehörde bestand auf<br />

Abschiebung. Nach Angabe der Senatsinnenverwaltung<br />

bestand über die Deutsche<br />

Botschaft in Hanoi Kontakt zu den<br />

Eltern <strong>des</strong> Mädchens, das allerdings bei<br />

seinen Großeltern aufgewachsen war.<br />

Diese Behauptung entsprach zu keinem<br />

Zeitpunkt der Wahrheit. Nachdem<br />

ein erster Abschiebungsversuch wegen<br />

Selbstmordgefährdung <strong>des</strong> Kin<strong>des</strong> ausgesetzt<br />

worden war, wurde das Mädchen<br />

am frühen Morgen <strong>des</strong> 13.Januar 1997<br />

zur Abschiebung abgeholt. Es blieb ihm<br />

nicht einmal die Zeit, eine Tasche für seine<br />

persönlichen Sachen zu besorgen. In<br />

Hanoi angekommen, wurde Ha dort auf<br />

die Straße gestellt. Die in einer etwa<br />

100 km entfernten Stadt lebenden Großeltern<br />

waren nicht benachrichtigt worden.<br />

Niemand holte Ha ab. Da sie kein<br />

Geld hatte, mußte sie andere Reisende<br />

bitten, sie im Auto mitzunehmen. Sie lebt<br />

jetzt bei ihren Großeltern und muß sich<br />

ihren Lebensunterhalt selbst verdienen,<br />

da die Rente der Großeltern für die Mitversorgung<br />

<strong>des</strong> Kin<strong>des</strong> nicht ausreicht.<br />

Zur Schule gehen kann sie nicht mehr.<br />

Gemäß der UNO-Regel E 38 über Jugendliche,<br />

denen die Freiheit entzogen<br />

ist, sind die Staaten verpflichtet, für Kinder<br />

ausländischer Herkunft Unterricht<br />

oder gar eigene Ausbildungsprogramme<br />

zur Verfügung zu stellen. Das geschieht<br />

nicht. Statt <strong>des</strong>sen findet anstelle von Betreuung<br />

Haft unter gefängnisähnlichen<br />

Bedingungen statt mit Besuchsregelung<br />

und Trennscheibe. Denjenigen, die bereits<br />

psychisch labil sind, gibt die Abschiebungshaft<br />

den Rest.<br />

Fall 3:<br />

Der 16jährige Kurde Burhan wurde<br />

nach zweijährigem Aufenthalt<br />

in Berlin im <strong>Asyl</strong>verfahren endgültig<br />

abgelehnt. In Berlin lebte er in<br />

mehreren Kinderunterkünften, konnte<br />

sich in deutscher Sprache gut verständigen<br />

und hatte sogar das Glück, ein<br />

Mädchen kennenzulernen, das ihn auch<br />

im Abschiebungsgefängnis noch regelmäßig<br />

besuchte. Diese Freundin mußte<br />

nun erleben, wie sich Burhan in der Haft<br />

in seinem Wesen zunehmend veränderte.<br />

Er sprach nicht mehr mit ihr, war in<br />

sich gekehrt, aber auch aggressiv zu Mitgefangenen<br />

und zu sich selbst. Als er<br />

schließlich mit dem Kopf gegen die Wand<br />

schlägt, wird er zum Schutz vor sich<br />

selbst und anderen in eine Einzelzelle verlegt,<br />

so die ei<strong>des</strong>stattliche Erklärung von<br />

Burhans Rechtsanwalt. Mit der Stellungnahme<br />

eines Arztes versucht dieser, die<br />

Berliner Ausländerbehörde zu überzeugen,<br />

daß Burhan reiseunfähig ist und<br />

dringend neurologisch-psychiatrischer<br />

Behandlung und weitergehender Hilfe<br />

bedarf. Statt der angeratenen medizinischen<br />

Hilfe wird Burhan drei Tage später<br />

vom Abschiebungsgefängnis Tiergarten<br />

in das von Köpenick verlegt. Eine fachärztliche<br />

Untersuchung erfolgt in diesem<br />

Zeitraum nicht. Dort besucht ihn sein<br />

Rechtsanwalt. Eine Kommunikation ist<br />

nicht möglich. Burhan ist <strong>des</strong>orientiert,<br />

nicht mehr ansprechbar, verharrt immer<br />

wieder in minutenlanger Körperstarre –<br />

Anzeichen einer schweren psychischen<br />

Erkrankung. Dem Anwalt fallen Blutergüsse<br />

an Oberarmen und Ohrläppchen<br />

auf, Kratzspuren an Oberkörper und<br />

Extremitäten. Obwohl das Personal der<br />

Haftanstalt die Auflage hat, Burhan in<br />

zehnminütigen Abständen in seiner Zelle<br />

zu überwachen, behauptet der stellvertretende<br />

Leiter <strong>des</strong> Abschiebegewahrsams,<br />

medizinisch laufe alles korrekt.<br />

Burhan sei untersucht worden und es<br />

gebe keinen Anlaß zu weiterem Handeln.<br />

Einem Arzt wird die Kontaktaufnahme<br />

mit der Gefängnisärztin verweigert. Der<br />

Arzt macht die anwesenden Beamten<br />

nochmals auf die schwere Erkrankung<br />

und die Notwendigkeit psychiatrischer<br />

Intervention aufmerksam. Eine zweite<br />

Stellungnahme <strong>des</strong> Arztes wird Bestandteil<br />

eines Antrages beim Verwaltungsgericht<br />

Berlin. Die Abschiebung soll vorläufig<br />

ausgesetzt werden, weil Burhan<br />

nicht reisefähig ist. Dieser Antrag wird<br />

wenige Stunden später vom Verwaltungsgericht<br />

zurückgewiesen. Ein Polizeiarzt<br />

habe Burhan untersucht und Reisefähigkeit<br />

festgestellt. Burhan wird noch<br />

in der selben Nacht in hilflosem Zustand<br />

in die Türkei abgeschoben. Mit ihm fliegen<br />

drei Polizeibeamte, einer mit Sanitäterausbildung.<br />

Nach inzwischen vorliegenden<br />

Berichten wurde Burhan unmittelbar<br />

nach seiner Ankunft in der Türkei<br />

unter Polizeibewachung min<strong>des</strong>tens zwei<br />

psychiatrischen Kliniken zur Beurteilung<br />

seiner »Auffälligkeiten« vorgeführt. Das<br />

erste Ärzteteam hielt eine stationäre Beobachtung<br />

für dringend erforderlich, das<br />

zweite hingegen nicht, und Burhan wurde<br />

den begleitenden Polizisten übergeben.<br />

Sein weiteres Schicksal ist nicht bekannt.<br />

Traudl Vorbrodt ist Mitarbeiterin<br />

von Pax Christi im Erzbistum Berlin<br />

Ein skandalöses Unterlaufen der Kinderkonvention<br />

stellt auch die Praxis der Verhängung<br />

von Abschiebungshaft für Minderjährige<br />

dar. Nach Art. 37b der KRK<br />

darf Abschiebehaft bei Minderjährigen<br />

»nur als letztes Mittel und für die kürzeste<br />

angemessene Zeit angewendet werden«.<br />

Der Hohe Flüchtlingskommissar<br />

der Vereinten Nationen vertritt die Ansicht,<br />

daß Abschiebungshaft bei Kindern<br />

unter 14 Jahren gar nicht, »bei Personen<br />

zwischen 14 und 18 Jahren nur unter<br />

ganz außergewöhnlichen Umständen«<br />

statthaft ist. Allein die Zahlen zeigen jedoch,<br />

daß Abschiebungshaft für Kinder<br />

nicht selten ist. Nach Angaben der zuständigen<br />

Senatsverwaltung wurden in<br />

Berlin allein im ersten Quartal 1998 81<br />

Minderjährige zwischen 14 und 18 Jahren<br />

in Abschiebehaft genommen.<br />

Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der »Karawane für die Rechte von Flüchtlingen und MigrantInnen«<br />

zogen von August bis September 1998 quer durch die Bun<strong>des</strong>republik Deutschland. Unter anderem<br />

wollten die Betroffenen selbst auf ihre Situation aufmerksam machen. Mit dem Boot fuhr die Karawane<br />

auf dem Main von Hanau nach Frankfurt, wo sie die Unterstützerinnen und Unterstützer am Eisernen<br />

Steg empfingen.<br />

Photo: Karawane<br />

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